Der Apostolische Stuhl 1997 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J. P. Bachem CIP-Kurztitelaufhahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982-1998 — NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1456-X Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachigen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband „Der Apostolische Stuhl 1997“ ist der 17. Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die hier vorgelegte Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Grußworte, Botschaften und Enzykliken des Papstes sowie der Erklärungen der Kongregationen und Päpstlichen Räte erhebt nicht den Anspruch einer vollständigen wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen sind weitgehend der deutschen Ausgabe des „L’Osservatore Romano“ entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Bände der Jahre 1982 bis 1998 noch beim Verlag bezogen werden. Inhaltsverzeichn is I. Ansprachen bei den Generalaudienzen Januar Eine bessere Welt beginnt mit Versöhnungsbereitschaft Angelus am Neujahrstag 1997, 1. Januar 3 Gott kommt mit Jesus Christus in die Dimensionen von Raum und Zeit Angelus am 5. Januar 4 Der Stern von Betlehem - Wegweiser bei der Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden Angelus am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 5 Darstellung Jesu im Tempel macht Mitwirken der Frau bei der Erlösung offenbar Generalaudienz am 8. Januar 7 Die Taufe - Fundament christlicher Existenz Angelus am 12. Januar 9 Der heranwachsende Jesus im Tempel von Jerusalem Generalaudienz am 15. Januar 10 Wirkungsvoller Beitrag zur Einheit - eigenes Leben am Evangelium ausrichten Angelus am 19. Januar 12 Versöhnungsschritte auf dem Weg zur Gemeinschaft aller Christen Generalaudienz am 22. Januar 14 Jesus Christus gibt wahren Lebenssinn Angelus am 26. Januar.. 16 Maria - Jungfrau und Mutter im verborgenen Leben Jesu Generalaudienz am 29. Januar 18 Februar Das Leben - ein unantastbarer Wert Angelus am 2. Februar 20 Gut sein wie die hl. Agatha - Zeugnis der Liebe Gottes auch in schwierigen Situationen Generalaudienz am 5. Februar 22 vn Heilsangebot an den ganzen Menschen Angelus am 9. Februar 23 Die Fastenzeit - ein Weg des Gebets und der Buße bei der Vorbereitung auf das Jahr 2000 Generalaudienz am 12. Februar 24 Fastenzeit - Zeit der Umkehr zu einem neuen Leben mit Christus Angelus am 16. Februar 25 Das Schweigen der Meditation neu entdecken Angelus am 23. Februar 27 Maria bei der Hochzeit in Kana Generalaudienz am 26. Februar 28 März Den Glauben nicht dem Markt preisgeben! Angelus am 2. März 30 In Kana veranlaßt Maria das erste Wunder Jesu Generalaudienz am 5. März 32 Christentum bietet tragfahigen Lebenssinn - aber nicht zum Nulltarif Angelus am 9. März 34 Anteilnahme Marias am öffentlichen Leben des Sohnes Generalaudienz am 12. März 35 Friedensappell für Albanien - Aufruf an Europa zur Hilfeleistung für Volk und Regierung Angelus am 16. März 38 Arbeitslosigkeit fördert Ausgrenzung statt Selbstverwirklichung des Menschen Generalaudienz am Hochfest des hl. Josef, 19. März 39 Trefft Maßnahmen, um als Kinder Gottes ins dritte Jahrtausend einzutreten! Angelus am Palmsonntag, 23. März 41 Auf dem Weg zum Abendmahlssaal, nach Golgota und zum Heiligen Grab Generalaudienz in der Karwoche, 26. März 43 Die Engel - Sonderbotschafter Gottes Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 31. März 45 April Unter dem Kreuz nimmt Maria Anteil an der Erlösung Generalaudienz am 2. April 46 vm Ostern - Verheißung und Auftrag für das wahre Leben Regina Caeli am 6. April 49 Maria - einzigartige Mitwirkende bei der Erlösung Generalaudienz am 9. April 51 Sarajevo - Rückblick und erste Auswertung Generalaudienz am 16. April 53 Hl. Adalbert - Vorbild für Priester als Zeuge der Wahrheit Regina Caeli am 20. April 56 Frau, siehe, dein Sohn! Generalaudienz am 23. April 58 Der hl. Adalbert - Mitgestalter der Geschichte Europas Generalaudienz am 30. April 61 Mai Die neuen Seligen - Erneuerer der Glaubensfreude Regina Caeli am 4. Mai 64 Siehe, deine Mutter! Generalaudienz am 7. Mai 65 Offenheit und Zusammenarbeit in Nahost Generalaudienz am 14. Mai 67 Pfingsten bleibt ein Auftrag - auch bei Lösung von Konflikten Regina Caeli am 18. Mai 70 Maria und die Auferstehung Christi Generalaudienz am 21. Mai 71 Eucharistie - Synthese und Höhepunkt christlichen Glaubens Angelus am 25. Mai 74 Maria und die Gabe des Geistes Generalaudienz am 28. Mai 75 Juni Auf dem Weg zum Jahre 2000 als Pilger in Jasna Göra Angelus am 15. Juni 77 Reflexionen zur Pastoralreise nach Polen Generalaudienz am 18. Juni 79 Versöhnung unter den Christen muß jeden einbeziehen Angelus am 22. Juni 82 rx Die Entschlafüng der Gottesmutter Generalaudienz am 25. Juni 83 Wirken mit der Gnade Gottes macht den Christen aus! Angelus am 29. Juni 86 Juli Die Aufnahme Marias in den Himmel - eine Glaubenswahrheit Generalaudienz am 2. Juli 87 Ferien - neue Kräfte für das eigene Wohlergehen schöpfen Angelus am 6. Juli 89 Die Aufnahme Marias in den Himmel in der Tradition der Kirche Generalaudienz am 9. Juli 90 Mit Maria auf dem Weg ins nächste Jahrtausend Angelus in „Les Combes“, Valle d’Aosta [Ferien], am 13. Juli 93 Die Bibel - Lehrpfad christlicher Spirituatlität und Begleiter für den Urlaub Angelus in Castel Gandolfo am 20. Juli 96 Maria - Königin der Welt Generalaudienz am 23. Juli 97 Konkrete Erfahrungen von Kirche beim Weltjugendtag Angelus in Castel Gandolfo am 27. Juli 100 Maria - überragendes Glied der Kirche Generalaudienz am 30. Juli 101 August Berufung der Jugend zur Heiligkeit - zum Wachsen in der Vertrautheit mit Christus Angelus in Castel Gandolfo am 3. August 103 Maria - Typus und Urbild der Kirche Generalaudienz am 6. August 105 Weltjugendtag - Blick auf Kirche und Gesellschaft im Dritten Jahrtausend Angelus in Castel Gandolfo am 10. August 107 Vorbild der Mütterlichkeit der Kirche Generalaudienz am 13. August 109 Das Ziel des Daseins vor Augen Angelus am 15 August 111 Treffpunkt einer Kirche der Jugendlichen Angelus am 17. August 112 X Vorbild der Jungfräulichkeit der Kirche Generalaudienz am 20. August 114 Gemeinschaftserfahrung in einer lebendigen Kirche Generalaudienz am 27. August 116 Vom Weltjugendtag zum Welttreffen der Familien Angelus in Castel Gandolfo am 31. August 119 September Vorbild der Heiligkeit der Kirche Generalaudienz am 3. September 120 Mutter Teresa: Den Armen dienen heißt dem Leben dienen Angelus in Castel Gandolfo am 7. September 123 Vorbild der Kirche im Gottesdienst Generalaudienz am 10. September 124 Die Familie: Geschenk und Verpflichtung, Hoffnung der Menschheit Angelus in Castel Gandolfo am 14. September 126 Mutter der Kirche Generalaudienz am 17. September 128 Familien, seid das Salz der Erde und das Licht der Welt! Angelus in Castel Gandolfo am 21. September 130 Die himmlische Fürsprache der Mutter der göttlichen Gnade Generalaudienz am 24. September 132 Oktober Die mütterliche Mittlerschaft Marias Generalaudienz am 1. Oktober 135 Tragende Pfeiler von Kirche und Staat - Ehe und Familie Generalaudienz am 8. Oktober 138 Neue Selige: aufrichtige Marienverehrer Angelus am 12. Oktober 141 Die Verehrung der seligen Jungfrau Generalaudienz am 15. Oktober 142 Nach dem Vorbild von Theresia leben - ein inniges Vertrauensverhältnis mit Gott pflegen Angelus am 19. Oktober 145 Zum Wesen der Marienverehrung Generalaudienz am 22. Oktober 146 Der Rosenkranz - eine auf Christus ausgerichtete Meditation Angelus am 26. Oktober 148 Marienverehrung und Bilderkult Generalaudienz am 29. Oktober 149 November Gemeinschaft im Gebet und in der Liturgie Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 152 Trennung ist nicht der letzte Schritt Angelus am Fest Allerseelen, 2. November 153 Das Gebet zu Maria Generalaudienz am 5. November 154 Konkrete Vorbilder gelebter Nächstenliebe Angelus nach den Seligsprechungen am 9. November.... 157 Mutter der Einheit und der Hoffnung Generalaudienz am 12. November 158 Zwischen Menschen und Nationen die Mauern der Trennung niederreißen Angelus am 16. November 161 Neuer Katechesezyklus: Das Große Jubiläum des Jahres 2000 Generalaudienz am 19. November 162 Bewußtsein für die Liturgie im Leben der Kirche stärken Angelus am Christkönigssonntag, 23. November 165 Im Anfang war das Wort Generalaudienz am 26. November 166 Feierliche Eröffnung des Jahres des Heiligen Geistes Angelus am Ersten Adventssonntag, 30. November 168 Dezember Christus in der Geschichte vor seiner Ankunft Generalaudienz am 3. Dezember 170 Den Weg des Herrn bereiten - die Welt menschlicher gestalten Angelus am Zweiten Adventssonntag, 7. Dezember 173 Maria als Vorbild - mit der Ankunft des Herrn ist die Zukunft gesichert Angelus am Fest der Unbefleckten Empfängnis, 8. Dezember 174 Die Menschwerdung - Eintritt der Ewigkeit in die Zeit Generalaudienz am 10. Dezember 175 xn Die Ankunft des Herrn ist Grund zu heiligem Optimismus Angelus am Dritten Adventssonntag, 14. Dezember 177 Die Zeit des Evangeliums Generalaudienz am 17. Dezember 179 Geheimnis der Menschwerdung birgt befreiende Kraft Angelus am Vierten Adventssonntag, 21. Dezember 181 Mit Vertrauen die anspruchsvolle Botschaft annehmen! Angelus in Castelgandolfo am 26. Dezember 183 Familienbildung ist das Gebot der Stunde Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Heiligen Familie, 28. Dezember 184 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoralbesuch in Sarajevo (12./13. April) Samstag, 12. April Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen 189 Predigt bei der Vesper in der Kathedrale mit den Priestern, Ordensleuten und Seminaristen 191 Sonntag, 13. April Predigt während der Eucharistiefeier im Kosevo-Stadion in Sarajevo 195 Regina Caeli in Sarajevo 199 Ansprache bei der Begegnung mit den Staatsautoritäten von Bosnien-Herzegowina 200 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen von Bosnien- Herzegowina 203 Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Orthodoxen Kirche 207 Ansprache bei der Begegnung mit der jüdischen Gemeinschaft von Sarajevo 208 Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der islamischen Gemeinschaft 210 Ansprache zur Verleihung des „Friedenspreises Johannes XXIII.“ an karitative Einrichtungen 211 Ansprache anläßlich der Abschiedszeremonie in Sarajavo 213 xm 2. Pastoralbesuch in der Tschechischen Republik (25. bis 27. April) Freitag, 25. April Ansprache bei der Begrüßung am Flughafen von Prag 215 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen der Tschechischen Bischofskonferenz 218 Samstag, 26. April Predigt während der Heiligen Messe mit den Jugendlichen in Hradec Krälove (Königsgrätz) 224 Ansprache bei der Begegnung mit Kranken und Ordensgemeinschaften 228 Sonntag, 27. April Predigt während der Eucharistiefeier auf dem Letnä-Platz in Prag 232 Regina Caeli in Prag 236 Ansprache während des Ökumenischen Gebets zu Ehren des hl. Adalbert im Sankt-Veits-Dom zu Prag 237 Ansprache vor dem Abflug in Prag 240 3. Pastoralbesuch im Libanon (10./11. Mai) Samstag, 10. Mai Ansprache während der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen von Beirut 243 Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen in der Basilika Unserer Lieben Frau vom Libanon in Harissa 245 Sonntag, 11. Mai Predigt während der Eucharistiefeier auf dem Marinegelände in Beirut 250 Regina Caeli in Beirut 253 Improvisierte Worte bei der Begegnung mit den Patriarchen und Bischöfen..254 Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen von Beirut 255 4. Pastoraireise nach Polen (31. Mai bis 10. Juni) Samstag, 31. Mai Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Breslau (Wroclaw) 257 Predigt beim Wortgottesdienst zur Verehrung des heiligsten Sakramentes im Dom zu Breslau (Wroclaw) 260 Ansprache während des Ökumenischen Gottesdienstes in der „Hala Ludowa“ in Breslau (Wroclaw) 262 XIV Sonntag, 1. Juni Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses - „Statio Orbis“ in Breslau (Wroclaw) 267 Dank- und Grußworte zum Abschluß der Messe bei der „Statio Orbis“ in Breslau (Wroclaw) 273 Angelus in Breslau (Wroclaw) 275 Ansprache bei der Begegnung mit den Delegationen am 46. Internationalen Eucharistischen Kongreß im Seminar von Breslau (Wroclaw) 276 Montag, 2. Juni Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Flughafen von Liegnitz (Legnica) ...279 Grußworte zum Abschluß der Eucharistiefeier in Liegnitz (Legnica) 286 Predigt während des Wortgottesdienstes in Landsberg (Gorzöw) 287 Dienstag, 3. Juni Predigt während der Heiligen Messe zur Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert in Gnesen 293 Grußworte zum Abschluß der Messe zur Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert in Gnesen 299 Botschaft an die europäischen Staatsoberhäupter anläßlich der Tausensjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert 300 Ansprache beim Treffen mit der Jugend auf dem Mickiewicz-Platz in Posen (Poznan) 302 Mittwoch, 4. Juni Predigt bei der Heiligen Messe in der St.-Josefs-Kirche in Kalisch (Kalisz) ..308 Gruß- und Dankesworte zum Abschluß der Messe in Kalisch (Kalisz) 313 Gebet im Heiligtum der Madonna von Jasna Göra in Tschenstochau 315 Ansprache an die Pilger in Jasna Göra, Tschenstochau 317 Botschaft an die Personen des Geweihten Lebens in Jasna Göra 321 Freitag, 6. Juni Predigt während der Messe zur Seligsprechung von Sr. Maria Bemhardina Jablonska und Sr. Maria Karlowska in Zakopane 327 Samstag, 7. Juni Homilie während des Gottesdienstes zur Weihe einer Kirche an die Madonna von Fatima in Zakopane-Krzeptöwki 333 Ansprache bei der Begegnung mit Erstkommunion-Kindern in der Kirche der Heiligen Familie in Zakopane 337 Ansprache nach dem Gebet des Rosenkranzes vor dem Marienheiligtum von Ludzmierz 340 Ansprache beim Besuch des Heiligtums der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau (Krakow), Gebet am Grab der sei. Faustina Kowalska sowie Begegnung mit den Schwestern von der Muttergottes der Barmherzigkeit 342 XV Sonntag, 8. Juni Predigt während der Messe für die Heiligsprechung der sei. Königin Hedwig in Krakau 344 Angelus in Krakau 349 Botschaft an die polnischen Bischöfe (überreicht am Ende der Messe in Krakau) 352 Ansprache bei der Festakademie zum 600jährigen Gründungsjubiläum der Theologischen Fakultät und der Jagellonen-Universität in Krakau -Begegnung mit den Rektoren der polnischen Universitäten im St.-Anna-Kolleg 356 Montag, 9. Juni Ansprache beim Besuch der neuerrichteten Poliklinik für Herzchirurgie in Krakau - Begegnung mit Ärzten, Kranken und Sanitätspersonal 363 Ansprache beim Besuch in der Pfarrei Sankt Hedwig in Krakau 365 Ansprache beim Gebetstreffen mit Priestern und Ordensleuten am Grab des sei. Johannes inDukla... 367 Dienstag, 10. Juni Predigt bei der hl. Messe zur Heiligsprechung von Johannes von Dukla inKrosno 370 Grußworte am Schluß der Messe in Krosno 375 Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen von Krakau 376 5. Pastoraireise zum Weltjugendtag in Paris (Frankreich) (19. bis 24. August) Donnerstag, den 2L August Ansprache bei der Begegnung mit dem französischen Staatspräsidenten in Paris 381 Botschaft zur Gebetswache über das Thema „Berufungen“ an der Kathedrale Notre Dame in Paris 383 Grußwort und Meditation beim Empfang der Jugend am „Camp de Mars“ ....386 Freitag, den 22. August Ansprache beim Gebetstreffen in der Auferstehungskathedrale von Evry 392 Botschaft an Msgr. James Francis Stafford, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien, zum Kreuzweg 393 Botschaft an die jungen Strafgefangenen 395 Predigt bei der Seligsprechung von Friedrich Ozanam in Notre-Dame de Paris 396 XVI Samstag, den 23. August Predigt bei der Messe für die Delegierten des „Internationalen Jugendforums“ in Saint-Etienne du Mont 400 Predigt bei der Taufvigil mit den Jugendlichen 404 Sonntag, den 24. August Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Pferderennbahn „Longchamp“ 408 Theresia vom Kinde Jesus wird am 19. Oktober als dritte Frau zur Kirchenlehrerin erhoben - Angelus 412 Abschiedsworte vor der Abreise zum Flughafen Orly 414 Abschiedsworte beim Abschluß des Frankreichbesuches auf dem Flughafen Orly 414 6. Pastoralbesuch in Bologna (27./28. September) Samstag, 27. September Ansprache bei der Vigil mit der Jugend während des Nationalen Eucharistischen Kongresses 417 Predigt in der ersten Vesper anlässlich der Seligsprechung von Batolomeo Maria Dal Monte 419 Sonntag, 28. September Homilie in der Eucharistiefeier zum Abschluß des Nationalen Eucharistischen Kongresses 422 Angelus 426 7. Pastoraireise nach Brasilien (2. bis 6. Oktober) Freitag, 3. Oktober Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen des CELAM und den Teilnehmern des pastoraltheologischen Kongresses in Rio de Janeiro 429 Samstag, 4. Oktober Ansprache beim Zweiten Welttreffen der Familien im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro 433 Predigt während der Eucharistiefeier in der Kathedrale von Rio de Janeiro zum Abschluß des Pastoraltheologischen Kongresses über die Familie 437 Sonntag, 5. Oktober Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Familien 440 Angelus 444 xvn III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Biete die Vergebung an, empfange den Frieden Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1997 vom 8. Dezember 1996 449 Stella Maris Apostolisches Schreiben „Motu proprio“ über das Apostolat des Meeres vom 1. Januar . 458 Maria - die Mutter des Herrn ist die Mutter aller Christen Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria und Weltfriedenstag, 1. Januar . 465 Bischöfe sind Verkünder des Lichtes, das ihren Weg erhellt Predigt während der Bischofsweihe am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar . 468 Gemeinsam Europa gestalten: Traditionen bewahren - neue Ansätze wagen Ansprache an den neuen Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl, Dr. Gustav Ortner, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens am 9. Januar .470 Taufe bewirkt Wiedergeburt im Heiligen Geist Predigt am Fest der Taufe des Herrn am 12. Januar 473 Arbeiten für ein gemeinsames Ziel: Das Wohl aller und das Wohl des Ganzen Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Kopps am 13. Januar .475 Botschaft an das Generalkapitel der Schwestemkongregation Töchter der hl. Anna vom 20. Januar 480 Überlegungen zur Seelsorge für die wiederverheirateten Geschiedenen Ansprache während der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 24. Januar ..482 Aus dem Glauben die Zukunft gestalten Ansprache während der Audienz für Mitarbeiter des Neokatechumenalen Weges am 24. Januar 485 Bekehrung und Versöhnung ebnen den Weg zur Einheit Ansprache bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar ..487 xvrn Auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft vorangehen Ansprache bei der Begegnung mit Seiner Heiligkeit Aram I., dem armenischen Katholikos von Kilikien, am 25. Januar 491 Personalistische Aspekte der Ehe und ihre rechtlichen Konsequenzen Ansprache zur Eröffung des Gerichtsjahres der Römischen Rota am 27. Januar 494 Rom im Zeichen der Jahrtausendwende Ansprache beim Empfang des Bürgermeisters und der Vertreter der Verwaltung der Stadt Rom am 30. Januar 497 Februar Antwort auf die Herausforderung einer neuen Zeit Ansprache bei der Sonderaudienz für die Teilnehmer des Internationalen Symposiums zum 50. Jahrestag der Apostolischen Konstitution Provida Mater Ecclesia (2.2.1947), veranstaltet von der Weltkonferenz der Säkularinstitute, am 1. Februar 501 Eine Lebensform in der Kirche mit der Kirche Botschaft zum I. Tag des geweihten Lebens am 2. Februar 1997 vom 6. Januar 505 Das Kommen, die Begegnung und die Prophezeiung Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 508 Ökumenisches Handeln erhält seine Lebenskraft aus dem Gebet Botschaft an die Teilnehmer eines Kongresses von Bischöfen, die der Fokolar-Bewegung verbunden sind, vom 6. Februar 511 Der Wert einer Gesellschaft erweist sich in ihrer Haltung zu den Leidenden Botschaft zum V. Welttag der Kranken am 11. Februar 1997 vom 18. Oktober 1996 513 Krankheit als Aufruf zur Bekehrung Grußworte beim Gottesdienst am Welttag der Kranken, 11. Februar 517 Ich war obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen Botschaft für die Fastenzeit 1997 [12. Februar bis 29. März] vom 25. Oktober 1996 518 Schuldbekenntnis und Umkehr stehen am Anfang des neuen Weges mit Christus Predigt am Aschermittwoch in S. Sabina auf dem Aventin, 12. Februar 521 Priesterbildung im Umfeld der Gemeinde Jesu Christi Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom am 13. Februar 522 XIX Unverletzliches und unveräußerliches Recht des Menschen auf Leben Ansprache während der 3. Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 14. Februar 527 Den Menschen nahe sein - Geheimnis des kirchlichen Dienstes Predigt während der Exequien für Ugo Kardinal Poletti, em. Kardinalvikar der Diözese Rom, am 27. Februar 530 Verbesserung der Koordination katholischer Medien Ansprache während der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 28. Februar 533 März Fremdes Leid in Zaire nicht gleichgültig hinnehmen Schreiben an Flerm Kofi Annan, Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen, vom 4. März 535 Politik ohne Transzendenzbezug birgt Gefahr der Ideologisierung Ansprache beim Besuch von Abgeordneten der Europäischen Volkspartei des Europa-Parlaments im Vatikan am 6. März 536 Christliche Hoffnung ist ein Beitrag zu jeder Kultur Ansprache während der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für die Kultur am 14. März 539 Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1997 vom 16. März 541 Ein formeller, feierlicher und leidvoller Aufruf Acta Diuma / zu Zaire vom 16. März 546 Geistliche Führung und Gewissensbildung im Sakrament der Versöhnung Ansprache an die Apostolische Pönitentiearie am 17. März 547 Mission heißt: Gib das Wort Gottes weiter! Ansprache beim Treffen mit der Jugend Roms am 20. März 550 Der Politiker trägt Verantwortung für das Leben Ansprache während der Sonderaudienz für eine Gruppe von österreichischen Parlamentariern am 22. März 555 Entscheidung für Christus bewußt und ernsthaft leben Botschaft an die Jugendlichen der Welt zum XII. Weltjugendtag am 23. März 1997 vom 15. August 1996 557 Christus durch sein Leiden zur Auferstehung begleiten Predigt zur Eröffnung der Liturgie der Karwoche und Feier des Weltjugendtages auf dem Petersplatz am Palmsonntag, 23. März 563 XX Ansprache beim Kongreß über „Umwelt und Gesundheit“ am 24. März 565 Verantwortung für Leben und Menschenrechte kommender Generationen Christus, Hoherpriester und Opfergabe Predigt während der Chrisam-Messe am Gründonnerstag, 27. März 568 Liebe bis zum Äußersten Predigt während der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, 27. März 570 Geheimnis des Kreuzes Ansprache zum Abschluß des Kreuzwegs am Karfreitag, 28. März 571 Verantwortungsvoller Dienst für das Gemeinwohl Grußwort beim Empfang für die Mitarbeiter der Polizeidienststelle beim Vatikan am 29. März 573 Im Zeichen von Tod und Auferstehung Predigt während der Ostemachtfeier am Samstag, 29. März 574 Botschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am Ostersonntag, 30. März 576 April Sarajevo ... die so sehr ersehnte Reise Nach dem Rosenkranzgebet in der Aula Paul VI. am 5. April 578 Sorge über die Zuspitzung in Nahost Grußwort bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen Botschafters des Staates Israel beim Heiligen Stuhl, Aharon Lopez, am 10. April 579 Altes und Neues Testament zu den Beziehungen von Juden und Christen Ansprache bei der Vollversammlung der Päpstlichen Bibelkommission am 11. April 581 Nächstenliebe - Prüfstein christlichen Lebensvollzugs Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates Cor Unum am 18. April 584 Berufung zum Dienst am Wort Botschaft zum 34. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Ostersonntag, den 20. April 1997, vom 28. Oktober 1996 587 Berufung zum Dienst an der Herde Christi Predigt bei der Weihe von Neupriestem der Diözese Rom am 20. April 592 Hemmungslose Ausbeutung von Mensch und Natur — Gefährdung einer demokratischen Grundordnung Ansprache bei der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften am 25. April 595 XXI 599 Das Gebet um Berufungen bleibt unverzichtbar Botschaft an die Teilnehmer des Europäischen Kongresses über die Berufungen vom 29. April Mai Die Liebe Gottes ist Quelle wahrer Freude Predigt während der Heiligen Messe auf dem Petersplatz zur Seligsprechung von fünf Dienern Gottes am 4. Mai 603 Löscht den Geist des Gebetes und der Hingabe nicht aus! Schreiben an den Generalminister der Minderen Brüder zum Generalkapitel der Franziskaner in Assisi vom 5. Mai 607 Rom - Einladung zum sinnerfüllten Leben Ansprache während der Sonderaudienz für die neuen Schweizergardisten und ihre Angehörigen am 6. Mai 611 Durch Vorleben der Nachfolge Christi ihre Anziehungskraft erhöhen Ansprache bei der Audienz fürdie Teilnehmer des Europäischen Kongresses über die Berufungen zum Priestertum und zum Geweihten Leben (Rom, 5. bis 10. Mai) am 9. Mai 613 Jesus, den Weg, die Wahrheit und das Leben, bekanntmachen Botschaft zum 31. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 11. Mai 1997 vom24. Januar .......615 80. Jahrestag der ersten Erscheinung Marias in Fatima Grußbotschaft an den Bischof von Leiria-Fatima vom 12. Mai 618 Gemeinsamer Einsatz für erneuertes Missionsbewußtsein Ansprache vor der Generalversammlung der Päpstlichen Missionswerke am 15. Mai 619 Stärkung der Familie durch Erziehung und Bildung Ansprache vor der 43. Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz am 22. Mai 622 Das Geheimnis göttlicher Liebe zu den Menschen bringen Predigt an Fronleichnam, 29. Mai 625 Juni Gegenseitiges Vertrauen weiter aufbauen und die Kompromißbereitschaft verstärken Aufruf zu verstärkten Anstrengungen für den Frieden Schreiben an Benjamin Netanyahu und Yasser Arafat vom 16. Juni 627 xxn Die Dienste brüderlicher Nächstenliebe ausweiten Ansprache vor der Jahresversammlung der Hilfswerke für die Ostkirchen (ROACO)aml9. Juni 630 Europa trägt für die Ökumene eine besondere Verantwortung Botschaft zur Ökumenischen Versammlung in Graz vom 20. Juni 633 Entwicklung erfordert neue Kriterien zur Verteilung der Arbeit Ansprache bei der Europäischen Tagung zur Soziallehre der Kirche, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden, am 20. Juni 636 Christlicher Glaube, verantwortliche Forschung und die Zukunft der Menschheit Ansprache während des Weltkongresses für Gynäkologische Endoskopie am 21. Juni 639 Kultur und Religion Armeniens - Impulse für Fortschritt in der Ökumene Ansprache an die Bischofssynode der armenisch-katholischen Kirche am 23. Juni 642 Engagiertes Wirken der Katholiken in Hongkong Schreiben an Kardinal Wu anläßlich der Rückgabe Hongkongs an China vom 24. Juni 645 Verbundenheit mit dem Zeugnis der Apostelfursten bekunden Predigt am Hochfest der hll. Petrus und Paulus, 29. Juni 646 Juli Spaltungen der Vergangenheit heilen Grußbotschaft an Dr. Jane Dempsey Douglass, Präsidentin des Reformierten Weltbundes, vom 30. Juli 649 August Laetamur Magnopere Apostolisches Schreiben anläßlich der Approbation und Veröffentlichung der lateinischen „Editio typica“ des „Katechismus der Katholischen Kirche“ vom 15. August 650 Maria - glaubwürdige Zeugin der Liebe Gottes Homilie am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 652 September Telegramm zum Tod von Mutter Teresa an Schwester Nirmala, Generaloberin der Missionarinnen der Nächstenliebe, Kalkutta, vom 5. September 654 xxrn Im Einsatz für die Leidenden Ansprache an die „Freiwilligen des Leidens“ im Eisstadion von Mariono am 6. September 655 Die Ziele des eigenen Lebens hoch stecken Brief an die Jugendlichen von Rom vom 8. September 657 Der Weltkatechismus - Fundgrube des Glaubens Ansprache bei der Vorstellung der lateinischen „Editio typica“ des Katechismus der Katholischen Kirche am 8. September 662 Eine entscheidende Stunde für Kirche und Menschheit Botschaft an die Mitglieder des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) zu dessen 25. Generalversammlung vom 14. September 665 Petrus Canisius - ein Verkünder der Wahrheit, der die katholische Kirche Deutschlands prägte Brief an die deutschen Bischöfe anläßlich des 400. Todestages des hl. Petrus Canisius vom 19. September 669 Leitung und Lehre ist Dienst am Vok Gottes Ansprache an die Kongregation für die Evangelisierung der Völker während des Seminars für ffanzösischsprachige Bischöfe am 19. September 675 Frei von einer engen Sicht des Alltäglichen Ansprache während der Audienz für das 31. Geschwader der italienischen Luftwaffe am 21. September 677 Hütet das Erbe des hl. Antonio Maria Claret! Ansprache an die Teilnehmer des 22. Generalkapitels der Missionsgemeinschaft der Söhne des Unbefleckten Herzens Mariä (Claretiner) am 22. September 678 Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden gehen Hand in Hand Grußwort an eine hochrangige Delegation aus Palästina unter Leitung von Dr. Emil M. Jarjoui, Mitglied des Exekutivausschusses der PLO und Mitglied des palästinensischen Legislativrates für Jerusalm, am 22. September 680 Missionsarbeit an Brennpunkten der Not und Armut Botschaft an den Generaloberen der Comboni-Missionare vom Herzen Jesu, Manuel Augusto Lopes Ferreira, vom 25. September 681 Kulturgüter der Kirche im Dienst an der Seelsorge Botschaft an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche vom 25. September 684 XXIV 687 Therese von Lisieux — ein besonderes Vorbild für junge Ordensleute Ansprache beim Internationalen Kongreß junger Ordensleute am 30. September Oktober Freie und verantwortungsvolle Gestalter des eigenen Daseins werden Ansprache vor dem Internationalen Kongreß über Drogenabhängigkeit „Solidarisch für das Leben“ - organisiert vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst — am 11. Oktober 696 Den Menschen praktizierte Nachfolge Christi vorgelebt Predigt während fünf Seligsprechungen am 12. Oktober 700 Ein geistiges Haus, gebaut aus lebendigen Steinen Botschaft zur Neuweihe der Kathedrale von Minsk (Weißrussland) vom 15. Oktober 704 Rundfunk im Dienst des Gebetes und der Katechese Ansprache des Papstes an polnische Freunde von „Radio Maria“ am 16. Oktober 705 Dienst am Wort im gesamten Lebensumfeld Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Katechesekongresses am 17. Oktober 708 Einheit ohne Freiheit wird Zwang, aber Freiheit ohne Einheit droht das Chaos Ansprache an den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl, Dr. Jürgen Oesterhelt, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens am 18. Oktober 711 Die eigene Persönlichkeit in vertrauensvoller Hingabe entfalten Ansprache beim Treffen mit Jugendlichen der Italienischen Katholischen Aktion (ACR) am 18. Oktober 715 Divini amoris scientia Apostolisches Schreiben zur Proklamation der hl. Theresia vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz zur Kirchenlehrerin vom 19. Oktober 718 Mission und Gebet als Einheit von Wort und Tat Botschaft zum Weltmissionssonntag am 19. Oktober 1997 vom 18. Mai 731 Gelebte Liebe als Mitte und Herz der Kirche Predigt bei der Verkündigung der hl. Theresia vom Kinde Jesu als Kirchenlehrerin am Weltmissionssonntag, 19. Oktober 734 Mit Christus vereint - den Menschen zugewandt Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger anläßlich der Ernennung der hl. Therese vom Kinde Jesu und vom hl. Antlitz zur Kirchenlehrerin am 20. Oktober 737 XXV In der Wahrheit sein und die Wahrheit in der Liebe tun Ansprache vor der Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre am 24. Oktober 740 Neue Formen der Glaubensvermittlung entwickeln Ansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 30. Oktober 743 Antijudaismus wendet sich gegen Gott und die Kirche Ansprache beim Kolloquium über „Die Wurzeln des Antikudaismus im christlichen Bereich“ am 31. Oktober 746 November Erbe des christlichen Humanismus neu entdecken Ansprache bei der Zweiten öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien am 3. November 748 In Forschung und Technik die Menschenwürde achten! Ansprache bei der XII. Internationalen Konferenz „Kirche und Gesundheit in der Welt. Erwartungen und Hoffnungen an der Schwelle des Jahres 2000“ am 8. November 751 Neue Initiativen für die Bereitschaft zum Dialog und zur Solidarität unter den Völkern einbringen Botschaft an die Staats- und Regierungsoberhäupter des siebten Iberoamerikanischen Gipfeltreffens vom 28. Oktober 1997, übermittelt am 8. November 754 Verkünder und Miterbauer des Gottesreiches Predigt in der Messe zu den Seligsprechungen am 9. November 758 Verkünder und Zeugen des Wortes Predigt bei der Gedenkmesse fiir die im Laufe des Jahres verstorbenen Kardinäle und Bischöfe am 11. November 761 Alle Energien für den Dienst an der Evangelisierung ffeisetzen! Predigt während der Hl. Messe zur Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika am 16. November 762 Kulturelle und religiöse Bildungsstätte für den deutschen Sprachraum in Rom Schreiben zum 1.200jährigen Jubiläum der deutschen Nationalstiftung im Vatikan vom 21. November 766 Selbstloser Dienst am Kranken als geistliche Berufung Schreiben zum 100. Jahrestag der Geburt des hl. Riccardo Pampuri an den Generalprior des Hospitalordens vom hl. Johannes von Gott vom 22. November 767 XXVI Die Gemeinschaft der Brüder Andreas und Petrus ist Vorbild für unsere Kirchen Botschaft zum Fest des Apostels Andreas vom 25. November 769 Sende deinen Geist, o Herr, auf die Stadt Rom und die ganze Welt Predigt bei der Eucharistiefeier zur feierlichen Eröffnung des zweiten Vorbereitungsjahres für das Jubiläum des Jahres 2000 - Kreuzübergabe für die römische Stadtmission - am Ersten Adventssonntag, 30. November 770 Komm, Geist der Liebe und des Friedens! Gebet zum Heiligen Geist für das zweite Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vom 30. November 774 Dezember Film als Träger und Vermittler von Bildung und Kultur Ansprache beim Internationalen Studientreffen „Film, Übermittler von Spiritualität und Kultur“ am 1. Dezember 775 Bleibe bei uns, Makellose Mutter, bei der Vorbereitung auf das Jahr 2000 Gebet am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria an der Mariensäule auf der Piazza di Spagna am 8. Dezember 778 Bitte um Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaften Worte beim Besuch in der Basilika Santa Maria Maggiore am 8. Dezember ..779 Christliche Liebe kommt heute in der Solidarität zum Ausdruck Ansprache an die Mitglieder der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika am 11. Dezember 780 Der lebendige Christus ist unsere einzige Rettung - Sein Testament ist Missionsauftrag für alle Getauften Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Sonderversammlung der Synode für Amerika am 12. Dezember 784 Wiederentdecken des Ökumenismus und der synodalen Dimension der Kirche Ansprache bei der Weihnachtsaudienz für die Kardinäle und die Römische Kurie am 22. Dezember 788 Jesus Christus ist Retter der ganzen Schöpfung Homilie während der Christmette am 25. Dezember 794 Herzen für Perspektiven der Zukunft öffnen Weihnachtsbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 25. Dezember 796 Dank und Gebet für die Zunahme an geistlichen Berufungen Predigt bei der Vesper und Te Deum zum Jahresabschluß in der römischen Kirche Sant’ fgnazio am 31. Dezember 798 xxvn IV. Ad-limina-Besuche Äthiopien und Eritrea 12. September 805 Belgien 07. November 811 England und Wales 23. Oktober 816 Frankreich 11. Januar 822 18. Januar 827 25. Januar 832 08. März 838 15. März 845 22. März 851 05. April 857 Luxemburg 19. Dezember 863 Namibia 14. Juni 866 Nordafrika (CERNA - Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen) 30. Oktober 868 Philippinen 11. Februar 874 Schottland 25. April 878 Schweiz 04. September 883, Skandinavien 19. April 889 Spanien 30. September 897 15. November ......903 Südliches Afrika (Botswana, Südafrika und Swaziland) 19. Mai 908 xxvm Sudan 18. September 914 Uganda 13. Oktober 918 Weißrußland 7. April 923 Zaire 3. März 927 V. Erklärungen der Kongregationen und Räte Drogenliberalisierung? Eine pastorale Stellungnahme des Päpstlichen Rates für die Familie vom 21. Januar 937 Vademekum für Beichtväter in einigen Fragen der Ehemoral vom 12. Februar 943 Ethik in der Werbung Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel vom 22. Februar 961 Pastoral der wiederverheirateten Geschiedenen Empfehlungen der 13. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie vom 22.-25. Januar, veröffentlicht am 26. Februar 977 Instruktion über die Diözesansynoden Kongrgation für die Bischöfe und Kongregation für die Evangelisierung der Völker vom 19. März 1997 981 Erklärung des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten vom 19. Mai 1997 1001 Ordnung für die Lehrüberprüfung der Kongregation für die Glaubenslehre vom 29. Juni 1997 1003 INSTRUKTION zu einigen Fragen über die Mitarbeit von Laien am Dienst der Priester vom 15. August 1008 XXIX Christen und Hindus: Gemeinschaften der Vergebung und des Mitgefühls Botschaft des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog zumDiwali 1997 am 1. November 1032 Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen) vom 28. Dezember. 1034 Die ökumenische Dimension in der Ausbildung/Bildung derer, die in der Pastoral tätig sind Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, veröffentlicht 1997 1045 VI. Anhang Gelebter Glaube fordert Menschenrechte Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und des Katholikos Aram I. vom 25. Januar 1067 Die Organe der Römischen Kurie Stand: 29. Juli 1997 1070 Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus: Weg der Umkehr, der Gemeinschaft und der Solidarität in Amerika Botschaft der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika vom 9. Dezember .-. 1076 Wortregister 1087 Personenregister. 1129 Länder- und Ortsregister 1146 Zitierte Bibelstellen 1159 XXX Generalaudienzen und Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Eine bessere Welt beginnt mit Versöhnungsbereitschaft Angelus am Neujahrstag 1997, 1. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem ersten Tag des Jahres möchte ich allen Familien, allen Völkern, allen Menschen guten Willens meinen Wunsch für Glück und Frieden zukommen lassen. Es ist ein Wunsch, der aus dem Herzen kommt, der aber vor allem auf der Gewißheit gründet, daß Gott alle Zeiten hindurch seiner Liebe treu bleibt. Ja, Gott liebt uns! Er liebt uns mit grenzenloser Liebe! Daran erinnert uns auch die heutige Liturgie, bei der wir die Heilige Jungfrau mit dem Titel „Mutter Gottes“ anrufen. Was bedeutet es, Maria „Mutter Gottes“ zu nennen? Es bedeutet zu erkennen, daß Jesus, die Frucht ihres Leibes, Sohn Gottes ist, eines Wesens mit dem Vater, von dem er von Ewigkeit her gezeugt ist. Ein großes Geheimnis, Geheimnis der Liebe! Er, der einzige Sohn des Vaters (vgl. Joh 1,14), ist einer von uns geworden. Auf diese Weise ist „die Ewigkeit [...] in die Zeit eingetreten“ (Tertio millennio adve-niente, Nr. 9), und der Lauf der Jahre, der Jahrhunderte, der Jahrtausende ist keine Irrfahrt ins Unbekannte mehr, sondern ein Zugehen auf Ihn, Fülle der Zeit (vgl. Gal 4,4) und Zielpunkt der Geschichte. 2. Wenn wir die Heilige Jungfrau als Mutter Gottes ehren, wollen wir damit auch hervorheben, daß Jesus, das menschgewordene ewige Wort, wahrer „Sohn Marias“ ist. Von ihr stammt seine volle Menschlichkeit. Als Mutter und Erzieherin hat sie seine Güte, die sanfte Stärke seines Temperaments und den Reichtum seiner Empfindsamkeit geprägt. Welch wunderbarer Gabentausch: Maria, die als Geschöpf vor allem Jüngerin Christi und von ihm Erlöste ist, ist als seine Mutter zugleich auserwählt, seine Menschlichkeit zu formen. In der Beziehung zwischen Maria und Jesus wird so in herausragender Weise der tiefe Sinn des Weihnachtsereignisses Wirklichkeit: Gott ist wie wir geworden, damit wir in gewisser Weise wie er würden! 3. Gerade kraft dieses Geheimnisses der Liebe habe ich nicht gezögert, meine Botschaft zum heutigen ersten Tag des Jahres, an dem der Weltfriedenstag gefeiert wird, auf ein ebenso anspruchsvolles wie lebenswichtiges Thema zu konzentrieren: „Biete die Vergebung an, empfange den Frieden!“ Ich weiß: Es ist schwer zu vergeben. Manchmal scheint es wirklich unmöglich, aber es ist der einzige Weg. Denn jede Rache und jede Gewalt rufen nach neuer Rache und neuer Gewalt. Gewiß fällt es weniger schwer zu vergeben, wenn man sich bewußt ist, daß Gott nicht müde wird, uns zu lieben und uns zu vergeben. Wer von uns bedürfte der Vergebung Gottes nicht? Die Heilige Jungfrau und Mutter Gottes ermutige uns, dieses neue Jahr mit einer Geste der Liebe — und wenn nötig der Versöhnung - zu beginnen und mit dem Vorsatz beizutragen zur Verwirklichung einer besseren Welt im 3 A UDIENZEN UND ANGELUS Zeichen der Gerechtigkeit und des Friedens. Vergessen wir nie, daß alles vergeht und nur der Ewige die Herzen zu erfüllen vermag. Nach dem Angelusgebet grüßte der Papst in verschiedenen Sprachen die Anwesenden. Auf deutsch sagte er: Herzlich begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch und euren Lieben daheim wünsche ich ein friedvolles und gesegnetes Neues Jahr. Möge die Fürbitte der Gottesmutter Maria euch und alle Familien begleiten. Gott kommt mit Jesus Christus in die Dimensionen von Raum und Zeit Angelus am 5. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Nachdenken über das Geheimnis Jesu, das in besonderer Weise dieses erste Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 kennzeichnet, paßt gut zur weihnachtlichen Festzeit. Die vor einigen Sonntagen begonnene Meditation fortsetzend, möchte ich mich heute mit einem mehr als einmal in den Evangelien Jesus zugelegten Titel befassen. Er wird „Sohn Davids“ genannt. Das Matthäusevangelium beginnt mit genau diesen Worten: „Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids“ (Mt 1,1). Es ist sozusagen ein Familientitel. Durch Josef, seinen Nährvater, ist Jesus in die ganze menschliche Kette eingebunden, die, vom Sohn auf den Vater zurückgehend, bis zum König David reicht. Dieser Abstammungsbericht unterstreicht die Konkretheit der Fleischwerdung: Durch seine Menschwerdung ist das ewige Wort des Vaters in jeder Hinsicht Mitglied der „Menschheitsfamilie“ geworden und ist so auch in eine besondere Familientradition eingetreten. Auch darin wollte es einer von uns sein: in der Erfahrung des besonderen Bandes, das die Generationen miteinander verbindet und es so jedem Menschen ermöglicht, nicht nur in Raum und Zeit seine Wurzeln zu haben, sondern ebenso in einem wohltuenden Geflecht von Erinnerungen und Gefühlen. 2. Doch außer dieser anthropologischen Bedeutung kommt dem Titel „Sohn Davids“ auch eine eigene Bedeutung zu, der Licht auf den Plan Gottes wirft. Er erinnert uns in der Tat daran, daß das christliche Ereignis den Gipfel einer „Heilsgeschichte“ bildet, die Gott fortschreitend verwirklicht, angefangen beim Alten Testament, in dem er dem jüdischen Volk einen besonderen „Bund“ anbietet. Er macht es zum Träger von Heilsverheißungen, die in Jesus von Nazaret für die ganze Menschheit Wirklichkeit werden sollten. Wenn die Zeitgenossen Jesu ihn „Sohn Davids“ nennen, erkennen sie also damit an, daß sich in ihm die alten Verheißungen erfüllen, verkünden sie die endgültige Verwirklichung der messiani- 4 AUDIENZEN UND ANGELUS sehen Hoffnung. Jeder Mensch kann nunmehr aus dieser Hoffnung schöpfen und mit dem blinden Bettler Bartimäus aus dem Evangelium rufen: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir“ (Mk 10,47). Wenn sie den „Sohn Davids“ anruft, kann die Menschheit das Augenlicht des Herzens wiedererhalten. 3. Maria, die niedrige Magd aus Nazaret, die den Gottessohn geboren und ihn dadurch zum Mitglied des Hauses David und der ganzen Menschheitsfamilie gemacht hat, möge uns helfen, unseren Platz in dieser Heilsgeschichte immer besser zu verstehen. Lassen wir uns von ihr in die Innigkeit ihrer Heiligen Familie hineinführen, in die der Keim der neuen Menschheit gelegt ist. Zum Anfang dieses neuen Jahres segne die Heilige Jungfrau alle Familien der Welt, damit sie in Jesus ihren wahren Retter erkennen. Solidarität mit Entführten und Verschwundenen Gebetsgedenken für die Angehörigen und Appell zur Befreiung Die Festtage der Weihnachtszeit und des Jahreswechsels bieten den Familien die ersehnte Gelegenheit, sich zusammenzufinden - manchmal nach langer Zeit, wobei mitunter große Distanzen zurückgelegt werden müssen. Meine Gedanken können daher nicht umhin, zu jenen Familien zu gehen, die dieser Freude beraubt sind, weil ,jemand beim Appell fehlt“. Unter den „Fehlenden“ möchte ich ein weiteres Mal auf die Entführten und die unter mysteriösen Umständen Verschwundenen hinweisen. Ihren Angehörigen sei ein besonderes Gebetsgedenken versichert. Möge die Barmherzigkeit Christi, der in der menschlichen Schwäche geboren wurde, die Entführer dazu veranlassen, eine Geste der Menschlichkeit zu vollbringen: Befreit diese Menschen! Eine Geste, die die auf sie Wartenden mit Freude erfüllen, aber vor allem den Entführern selbst Frieden verschaffen wird. Der Stern von Betlehem — Wegweiser bei der Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden Angelus am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1. „Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz“ (Jes 60,3). Heute feiert die Kirche das Hochfest der Epiphanie, der „Erscheinung“ Christi vor allen Völkern, vertreten durch die Sterndeuter aus dem Osten. Dieses Fest hilft uns, zum tiefen Sinn der „universalen Sendung“ der Kirche vorzudringen, die man als eine „Licht verbreitende“ Bewegung verstehen kann: das Verbreiten des Lichtes Christi, das auf dem Antlitz seines mystischen Leibes widerscheint. Und weil dieses Licht Licht der Liebe, der Wahrheit, der Schönheit ist, wird es nicht mit Gewalt aufgedrängt, sondern es erleuchtet den Verstand und zieht die Herzen an. Die Kirche verbreitet dieses Licht und leistet damit dem Auf- 5 A UDIENZEN UND ANGEL US trag des Auferstandenen Folge: „Damm geht zu allen Völkern(Mt 28,19 f.). Es handelt sich um eine Bewegung, die, von der Mitte der Eucharistie ausgehend, sich durch das Zeugnis und die Verkündigung des Evangeliums in alle Richtungen ausbreitet. Dieses „Gehen“ ist von einer inneren Kraft der Liebe getrieben, ohne die es keine Fracht hervorbringen würde. Die Erfahrung der Sterndeuter ist in dieser Hinsicht sehr vielsagend: Sie gehen ihren Weg, geleitet vom Licht eines Sterns, der sie zu Christus hinzieht. Die Kirche muß wie dieser Stern sein, d. h. fähig, das Licht Christi zu reflektieren, damit die Menschen und Völker auf der Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden sich auf den Weg zu Jesus, dem einzigen Retter der Welt, machen. 2. Diese missionarische Aufgabe ist dem ganzen Volk Gottes anvertraut, in besonderer Weise jedoch kommt sie den zum Apostolatsdienst Berufenen zu, nämlich den Bischöfen und Priestern. Heute, am Epiphaniefest, hatte ich nach einem mittlerweile festgefugten Brauch die Freude, zwölf neue Bischöfe zu weihen. Wir wollen miteinander für diese neuen Hirten und für alle Bischöfe der Welt beten, damit ihr Dienst für das Evangelium stets selbstlos und treu sei. 3. An diesem Tag geht ein besonderer Gedanke zu den Brüdern des christlichen Ostens, von denen viele heute gerade das Weihnachtsfest feiern. Vor dem Bild des Jesuskindes, von Maria und dem hl. Josef liebevoll behütet, wollen wir um die Gnade einer weiteren Vertiefung der Beziehungen des Verständnisses und der Gemeinschaft zwischen den Christen des Ostens und des Westens beten. Die Unterschiede in den liturgischen Traditionen dürfen in der Tat kein Hindernis für die Einheit darstellen, sondern sollen im Gegenteil ein Ansporn zum gegenseitigen Kennenlemen und zur gegenseitigen Bereicherung sein. Wir vertrauen der Heiligsten Jungfrau diesen Wunsch an, indem wir sie ganz besonders bitten, die heute morgen geweihten Bischöfe in ihrem pastoralen Dienst zu begleiten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst unter anderem: Von Herzen grüße ich alle Pilger, besonders die, die aus verschiedenen Ländern gekommen sind, um an den Bischofsweihen teilzunehmen. Eure heutige Präsenz, meine Lieben, ist beredtes Zeichen für eure Liebe zu den neuen Hirten und Unterpfand der geistlichen Verbundenheit, mit der ihr sie stats in ihrem Amt begleiten werdet. ... Im Licht der Epiphanie erneuere ich meine innigen Wünsche zum eben begonnenen Jahr, der ersten Etappe auf dem Weg der unmittelbaren Vorbereitung für das Große Jubeljahr 2000. Möge jedermann im Laufe dieses Jahres im persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben die erlösende und befreiende Gegenwart Christi erfahren können. 6 AUDIENZEN UND ANGELUS Darstellung Jesu im Tempel macht Mitwirken der Frau bei der Erlösung offenbar Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Januar 1. Die Worte des greisen Simeon, die Maria ihr Mitwirken bei der Heilssendung des Messias ankündigen, werfen ein Licht auf die Rolle der Frau im Geheimnis der Erlösung. Tatsächlich ist Maria nicht nur eine individuelle Person, sondern sie ist auch die „Tochter Zion“, die dem Erlöser zur Seite gestellte „neue Frau“, die seine Passion teilen und im Geist Kindern Gottes das Leben schenken soll. Diese Wirklichkeit wird durch das volkstümliche Bild von den „sieben Schwertern“ zum Ausdruck gebracht, die das Herz Mariens durchbohren: Diese Darstellung hebt die tiefe Einbeziehung der Mutter, die mit der Tochter Zion und mit der Kirche identifiziert wird, in das Leidensschicksal des menschgewordenen Wortes hervor. Maria gibt den kaum empfangenen Sohn Gott wieder, um ihn seiner Heilssendung zu weihen, und weiht damit sich selbst derselben Sendung. Es handelt sich um eine Geste innerster Teilhabe, welche nicht nur Frucht der natürlichen Mutterliebe ist, sondern in erster Linie die Zustimmung der „neuen Frau“ zum Heilswerk Christi ausdrückt. 2. Simeon weist in seiner Rede auf das Ziel des Opfers Jesu und des Leidens Mariens hin: „Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden“ (Lk 2,35). Als „Zeichen [...], dem widersprochen wird“ (Lk 2,34), zieht Jesus die Mutter in sein Leiden hinein. Er wird die Menschen veranlassen, ihm gegenüber Stellung zu beziehen, und sie zu einer grandlegenden Entscheidung auffordem. Denn: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden“ (Lk 2,34). Im Blick auf das Heilswerk ist Maria also im „Widersprach“ mit ihrem göttlichen Sohn vereint. Gewiß besteht die Gefahr der Verderbnis für die, welche Christus ablehnen, doch eine wunderbare Wirkung der Erlösung ist die Wiederaufrichtung von vielen. Diese Botschaft allein vermag eine große Hoffnung in den Herzen zu entzünden, denen sie bereits die Frucht des Opfers bezeugt. Vor dem rituellen Opfer fuhrt Simeon der Jungfrau diese Heilsaussichten vor Augen. Er scheint Maria damit nahelegen zu wollen, dieses Handeln als Beitrag zur Erlösung der Menschheit zu leisten. Er spricht in der Tat nicht „mit“ Josef, noch „von“ Josef: Seine Rede ist an Maria gerichtet, die er mit dem Schicksal des Sohnes in Verbindung bringt. 3. Der zeitliche Vorrang des Verhaltens Mariens schmälert nicht den Primat Jesu. Das Zweite Vatikanische Konzil, das die Rolle Mariens in der Heilsökonomie definiert, hält diesbezüglich fest: Sie „gab sich [...] ganz der Person und dem Werk 7 AUDIENZEN UND ANGELUS ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm [...] dem Geheimnis der Erlösung“ {Lumen Gentium, Nr. 56). Bei der Darstellung Jesu im Tempel dient Maria dem Geheimnis der Erlösung unter Christus und mit Christus: Er ist in der Tat der Hauptwirkende des Heils, der mit dem rituellen Opfer freigekauft werden muß. Maria ist durch das Schwert, das ihr durch die Seele dringen wird, am Opfer des Sohnes beteiligt. Der Primat Christi hebt die eigene und unersetzbare Rolle der Frau nicht auf, sondern unterstützt und erfordert sie. Indem er die Mutter in sein Opfer einbezieht, will Christus dessen tiefe menschliche Wurzeln offenbaren und einen vorausdeutenden Hinweis auf das priesterliche Kreuzesopfer geben. Der göttliche Wille, die besondere Teilnahme der Frau am Erlösungswerk anzuregen, geht aus der Tatsache hervor, daß die Weissagung des Simeon allein an Maria gerichtet ist, obwohl auch Josef am Opferritus teilnimmt. 4. Der Schluß des Geschehens bei der Darstellung Jesu im Tempel scheint die Bedeutung und den Wert der fraulichen Präsenz in der Heilsökonomie zu bestätigen. Die Begegnung mit einer Frau, Hanna, beschließt diese einzigartigen Augenblicke, in denen das Alte Testament gewissermaßen dem Neuen die Hand reicht. Wie Simeon ist diese Frau keine wichtige Person in der sozialen Rangordnung des auserwählten Volkes. In den Augen Gottes jedoch scheint ihr Leben einen hohen Wert zu besitzen. Der Evangelist Lukas nennt sie „Prophetin“, vermutlich weil sie wegen ihrer Gabe der Erkenntnis und wegen ihres heiligmäßigen Lebens, das sie unter der Inspiration des Heiligen Geistes führte, von vielen um Rat aufgesucht wurde. Hanna ist mit ihren vierundachtzig Jahren hochbetagt, schon lange ist sie Witwe. In völliger Hingabe an Gott „hielt [sie] sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten“ (Lk 2,37). Sie steht für all jene, die intensiv in der Erwartung des Messias gelebt haben und nun mit freudigem Jubel die Erfüllung der Verheißung begrüßen können. Der Evangelist berichtet: „In diesem Augenblick nun trat sie hinzu [und] pries Gott“ {Lk 2,38). Da sie sich gewöhnlich im Tempel aufhielt, konnte sie am Ende eines dem Herrn geweihten Lebens, das durch das Hören auf das Wort Gottes und das Gebet wertvoll geworden war, Jesus begegnen - vielleicht mit größerer Leichtigkeit als Simeon. Zu Beginn des Erlösungsgeschehens können wir in der Prophetin Hanna alle Frauen erblicken, die durch heiligmäßiges Leben in betender Erwartung bereit sind, die Gegenwart Christi zu empfangen und Gott jeden Tag für die von seinem ewigen Erbarmen vollbrachten Wundertaten zu preisen. 5. Als zu dieser Begegnung mit dem Kind Ausersehene erleben Simeon und Hanna intensiv dieses göttliche Geschenk. Sie teilen mit Maria und Josef die Freude über die Gegenwart Jesu und verbreiten diese Freude in ihrer Umgebung. Besonders Hanna legt bewundernswerten Eifer im Reden über Jesus zutage. Auf AUDIENZEN UND ANGELUS diese Weise bezeugt sie ihren einfachen und hochherzigen Glauben. Dieser Glaube macht andere bereit, den Messias in ihrem Leben aufzunehmen. Die Formulierung des Evangelisten Lukas: „[Sie] sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (X£2,38) scheint sie als Symbol für jene Frauen zu bestätigen, die sich der Verbreitung des Evangeliums widmen und damit Fleilshoffnungen wecken und nähren. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger sehr herzlich. Ich wünsche Euch, daß die Freude über die Geburt des Herrn in euch fortdauert, und erteile Euch und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. Die Taufe - Fundament christlicher Existenz Angelus am 12. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute, am Fest der Taufe des Herrn, hatte ich die Freude, 19 Neugeborenen in der Sixtinischen Kapelle die Taufe zu spenden. Jedem einzelnen dieser Kinder wie auch ihren Eltern und Angehörigen schicke ich einen liebevollen Gruß und eine Umarmung. Die heutige Feier hebt hervor, wie Jesus zu Beginn seines öffentlichen Auftretens die von Johannes am Jordan gespendete „Taufe zur Vergebung der Sünden“ (Lk 3,3) empfangen wollte. Dieses Geschehen, durch das er, der Unschuldige, sich mit den Sündern solidarisierte, wurde zu einem Ereignis der Offenbarung. Aus dem Wasser steigend, „sah er, daß der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam“ (Mk 1,10). Durch diese einzigartige Erfahrung wurde Jesus als der seit Jahrhunderten erwartete Messias bestätigt. 2. Am Jordan ertönte die Stimme des Vaters: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ {Mk 1,11). Diese Worte werfen ein Licht auf das Geheimnis Jesu Christi: Er ist nicht nur ein „Mann Gottes“ wie die Propheten und Heiligen, sondern er ist „der Sohn“, der „Einzige“ (vgl. Joh 1,18). Als ewiger Sohn ist Jesus wesensgleich mit dem Vater und mit dem Heiligen Geist und lebt seit jeher in der dreifältigen Gemeinschaft des einen Gottes. Bei der Menschwerdung erfüllt der Geist Gottes vollends auch die Menschennatur. Bei der Taufe im Jordan kommt der Geist auf ihn herab, um ihn in das messianische Amt einzuführen und jene große „Stunde“ der Gnade zu eröffnen, die mit seinem Tod und seiner Auferstehung vollendet werden wird. Jesus Christus ist in der Tat die unerschöpfliche Quelle des Geistes Gottes für jeden Menschen, der sich seinem Heilsangebot öffnet. 9 A UDIENZEN UND ANGEL US 3. Liebe Brüder und Schwestern, das heutige Fest beleuchtet eine der geistlichen Prioritäten unseres Wegs dem Fleiligen Jahr entgegen: die Notwendigkeit, das Bewußtsein der Taufe als „Grundlage der christlichen Existenz“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 41) immer mehr zu vertiefen. Wer dieses Sakrament empfängt, wird im Geist Gottes getauft, um in Christus eingegliedert zu werden und mit ihm und den Brüdern „einen einzigen Leib“ (i Kor 12,13) zu bilden. Ein unermeßliches Geschenk! Man müßte den Tauftag mindestens so wie den Geburtstag feiern! Doch wie viele Getaufte sind sich voll dessen bewußt, was sie empfangen haben? Man muß die Katechese wieder fördern, damit dieses Geschenk neu entdeckt wird, das auch eine Übernahme großer Verantwortung bedeutet. Die Mutter Gottes, Mutter Jesu, möge uns auf diesem anspruchsvollen Weg der Erneuerung unseres Glaubens begleiten. Der Heranwachsende Jesus im Tempel von Jerusalem Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Januar 1. Als letzten Abschnitt des Berichts von der Kindheit Jesu, vor der Beschreibung des Beginns der Predigertätigkeit Johannes des Täufers, bringt der Evangelist Lukas die Episode der Wallfahrt des heranwachsenden Jesus zum Tempel in Jerusalem. Diese einzigartige Begebenheit verrät uns etwas über die langen Jahre seines verborgenen Lebens in Nazaret. Bei diesem Anlaß gibt Jesus mit seiner starken Persönlichkeit sein Sendungsbewußtsein zu erkennen. Seinem „zweiten Einzug“ in das „Haus des Vaters“ verleiht er die Bedeutung einer völligen Hingabe an Gott, die schon seine Darstellung im Tempel gekennzeichnet hatte. Diese Bibelstelle scheint in Kontrast zu dem zu stehen, was Lukas danach hinzufügt, nämlich daß Jesus Josef und Maria gehorsam war (vgl. 2,51). Bei genauerem Hinsehen jedoch scheint Jesus sich hier bewußt und gewissermaßen gewollt in Widerspruch zu seinem gewohnten Verhalten als Sohn stellen zu wollen und läßt unvermittelt eine klare Trennung von Maria und Josef in Erscheinung treten. Er erklärt, daß er allein seine Zugehörigkeit zum himmlischen Vater als Norm für sein Verhalten setzt - und nicht seine irdischen Familienbande. 2. Durch diese Begebenheit bereitet Jesus seine Mutter auf das Erlösungsgeheimnis vor. In den drei dramatischen Tagen, in denen der Sohn sich ihrer Obhut entzieht, um im Tempel zu verweilen, macht Maria zusammen mit Josef eine vorausweisende Erfahrung auf die drei Tage der Passion, des Todes und der Auferstehung hin. Jesus läßt seine Mutter und Josef nach Galiläa abreisen, ohne ihnen Hinweise auf seine Absicht zu geben, daß er noch in Jerusalem bleiben will. Auf diese Weise führt er sie in das Geheimnis jenes Leidens ein, das zur Freude führt, und deutet 10 A UDIENZEN UND ANGEL US auf das voraus, was er später mit den Jüngern durch die Ankündigung seines Paschas vollbringen wird. Nach dem Bericht des Lukasevangeliums sind Maria und Josef, nachdem sie eine Tagstrecke weit nach Nazaret zurückgereist sind, in Angst und Sorge um den Verbleib des jungen Jesus. Vergeblich suchen sie ihn bei Verwandten und Bekannten. So kehren sie nach Jerusalem zurück und finden ihn schließlich im Tempel. Sie sind erstaunt, ihn „mitten unter den Lehrern“ sitzen zu sehen: er „hörte ihnen zu und stellte Fragen“ (Lk 2,46). Er zeigt ein ganz anderes Verhalten als gewohnt. Und sicher bedeutet seine Auffindung am dritten Tag für die Eltern die Entdeckung eines neuen Aspekts bezüglich seiner Person und seiner Sendung. Er übernimmt die Rolle des Lehrers, wie er es später bei seinem öffentlichen Auftreten tun wird, und seine Worte erregen Bewunderung: „Ahe, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten“ (Lk2,Al). Mit einer Weisheit, die die Zuhörer verblüfft, beginnt er die Kunst des Dialogs zu praktizieren, die ein Kennzeichen seiner Heilssendung sein wird. Die Mutter fragt Jesus: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“ {Lk 2,48). Man könnte hier den Widerhall des „Wie konntest du?“ so vieler Mütter angesichts der Leiden, die ihnen ihre Kinder verursachen, vernehmen, aber auch der Fragen, die in Augenblicken der Prüfung im Herzen jedes Menschen aufsteigen. 3. Dicht an Bedeutung ist die Antwort, die Jesus mit der Frage gibt: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ {Lk 2,49). Mit diesen Worten eröffnet er Maria und Josef in unerwarteter und unvorhergesehener Weise das Geheimnis seiner Person, fordert sie auf, über den Anschein hinauszugehen, und öffnet ihnen neue Ausblicke auf seine Zukunft. In der Antwort, die er der besorgten Mutter gibt, enthüllt der Sohn sogleich den Grund seines Verhaltens. Maria hatte gesagt: „dein Vater“ und damit Josef bezeichnet; Jesus spricht in der Antwort von „meinem Vater“ und meint dabei den himmlischen Vater. Mit dem Hinweis auf seine göttliche Herkunft will er nicht so sehr sagen, daß der Tempel, das Haus des Vaters, sein natürlicher ,Aufenthaltsort“ ist, sondern vor allem, daß er sich um all das kümmern muß, was mit dem Vater und seinem Plan zu tun hat. Er möchte betonen, daß allein der Wille des Vaters für ihn die Norm ist, die seinen Gehorsam bedingt. Dieser Hinweis auf die völlige Hingabe an den Plan Gottes wird im Evangeliumstext durch den Gebrauch des Verbs „müssen“ hervorgehoben - so wie bei der Ankündigung seiner Passion zu einem späteren Augenblick (vgl. Aft8,31). Von seinen Eltern wird also verlangt, daß sie ihn gehen lassen, um seine Sendung dort zu erfüllen, wohin der Wille des himmlischen Vaters ihn führt. 4. Der Evangelist kommentiert: „Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte“ {Lk 2,50). 11 A UDIENZEN UND ANGEL US Maria und Josef nehmen weder den Inhalt seiner Antwort auf noch die den Anschein von Ablehnung erweckende Weise, wie er auf ihr elterliches Besorgtsein reagiert. Mit seinem Verhalten will Jesus die geheimnisvollen Aspekte seiner Vertrautheit mit dem Vater offenbaren - Aspekte, die Maria erahnt, ohne sie jedoch mit der Prüfung, die sie erlebt, in Zusammenhang bringen zu können. Die Worte von Lukas lassen uns wissen, wie Maria diese wirklich einzigartige Begebenheit in ihrem Innersten erlebt: Sie „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“ [Lk 2,51). Die Mutter Jesu setzt die Ereignisse in Beziehung zu dem bei der Verkündigung ihr geoffenbarten Geheimnis des Sohnes, sie vertieft sie in der Stille der Kontemplation und bietet im Geiste eines neuerlichen „fiat“ -„es geschehe“ - ihre Mitarbeit an. Damit beginnt das erste Glied einer Kette von Ereignissen, die Maria nach und nach die natürliche Rolle übersteigen lassen, die ihr von der Mutterschaft her zukommt, um in den Dienst ihres göttlichen Sohnes zu treten. Bei diesem Auftakt seiner Heilssendung im Tempel in Jerusalem macht Jesus seine Mutter zur Teilhaberin daran: Sie wird nicht mehr nur diejenige sein, die ihn auf die Welt gebracht hat, sondern die „Frau“, die mit ihrem Gehorsam gegenüber dem Plan des Vaters am Geheimnis der Erlösung mitwirken kann. Maria, die in ihrem Herzen ein an Bedeutung so reiches Ereignis bewahrt, gelangt so zu einer neuen Dimension ihres Mitwirkens am Heil. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich Euch alle, die ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Wirkungsvoller Beitrag zur Einheit — eigenes Leben am Evangelium ausrichten Angelus am 19. Januar 1. „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Der eindringliche Aufruf zur Versöhnung, der in diesen Worten des Apostels Paulus enthalten ist, wird kraftvoll und zugleich mit Freude und Hoffnung verkündet anläßlich der Gebetswoche für die Einheit der Christen, die gestern begonnen hat und am Samstag, 25. Januar, Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus, zu Ende geht. Dieser Aufruf dient als Leitthema für die interkonfessionellen Zusammenkünfte, die an den verschiedenen Tagen dieser Woche vorgesehen sind. 12 AUDIENZEN UNDANGELUS Am Schlußtag werde ich - wie es Brauch ist - eine Festmesse in der Basilika „St. Paul vor den Mauern“ als Hauptzelebrant feiern. 2. Das Thema der Versöhnung, das auch Gegenstand der diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag ist, weist eine zweifache Dimension auf: an erster Stelle die Versöhnung „mit Gott“ und dann die Versöhnung „mit den Brüdern“. Die Spaltung unter den Christen hat ihre wahre und letzte Ursache in der Sünde des Menschen, die Auflehnung gegen den Willen Gottes ist. Genau deshalb hat das Zweite Vatikanische Konzil gesagt: „Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung“ (Unitatis redintegratio, Nr. 7). Daher ist von allen, die wirksam für die Einheit tätig sein wollen, der feste, vom Gebet getragene Wille gefordert, das eigene Leben nach dem Evangelium auszurichten. Die Christengemeinschaft befindet sich auf dem Weg zur Versöhnung und zur vollen Gemeinschaft im Glauben, in den Sakramenten und im Amt. Heute sind die Beziehungen unter den Christen tatsächlich brüderlicher. Man kann eine bessere gegenseitige Kenntnis, eine aufmerksamere Achtung voreinander und auch eine wachsende Zusammenarbeit mit dem Ziel, das Einvernehmen und die Brüderlichkeit zu festigen, feststellen. Dennoch bleiben Unterschiede in Lehre und Praxis bestehen, die eine volle Gemeinschaft verhindern. Es muß daher der Dialog noch weiter vertieft und der Eifer zum Gebet weiter gefordert werden. 3. Liebe Brüder und Schwestern, in der heutigen Welt fehlt es wie zu jeder Epoche nicht an Spannungen und Konflikten, die die Notwendigkeit einer bis auf den Grund reichenden Aussöhnung erkennen lassen. Als Christen sind wir vom Evangelium aufgerufen, Friedensstifter und Verkünder der von Christus für alle und jeden Menschen gebrachten Versöhnung zu sein (vgl. 2 Kor 5,14.18). Dieser Auftrag erhält eine besondere Dringlichkeit, während wir auf die Heilige Pforte des Jahres 2000 zugehen, die uns das Große Jubeljahr eröffnen wird. Wenn wir Jesus Christus treu sein wollen, müssen wir uns mit ganzen Kräften ein-setzen, damit wir beim Anbruch des Dritten Jahrtausends uns untereinander und alle gemeinsam Gott nähergekommen sind. Um uns auf diesem Weg zu leiten, rufen wir nun die Mutter Gottes an, die unter anderen Titeln auch den der „Hodegetria“ - Wegweiserin - trägt. Nach dem Angelusgebet und einigen Grußworten an italienische Pilger schloß der Papst: Wir wünschen uns, daß diese Gebetswoche für die Einheit der Christen fruchtbar ist für die Kirche von Rom und für die ganze Christenheit. Ich wünsche euch eine gute Woche. Gelobt sei Jesus Christus! 13 A UDIENZEN UND ANGEL US Versöhnungsschritte auf dem Weg zur Gemeinschaft aller Christen Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Januar 1. das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat“ (2 Kor 5,18). In dieser Gebetswoche für die Einheit der Christen (18. bis 25. Januar) sind Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner und Protestanten mit besonderem Eifer im gemeinsamen Gebet vereint. Die Spaltung unter den Jüngern Christi stellt einen so offensichtlichen Widerspruch dar, daß es ihnen nicht erlaubt ist, sich damit abzu-finden, ohne sich in irgendeiner Weise verantwortlich dafür zu fühlen. Diese besondere Woche hat den Zweck, die Christengemeinschaft zu einem vermehrten Einsatz im Gebet zu motivieren und - damit verbunden - die Erfahrung zu machen, wie schön es ist, als Brüder miteinander zu leben. Diese Tage lassen trotz der Spannungen, die die bestehenden Differenzen manchmal verursachen, in gewisser Weise die Freude vorausempfinden, welche die volle Gemeinschaft mit sich bringen wird, wenn sie endlich einmal verwirklicht ist. Das Internationale Gemischte Komitee, zusammengesetzt aus Vertretern der katholischen Kirche und des Ökumenischen Rates der Kirchen, das jedes Jahr die Texte für die Gebetswoche vorbereitet, hat für dieses Jahr das Thema der Versöhnung vorgeschlagen und sich dabei am zweiten Brief des hl. Paulus an die Christen von Korinth inspiriert. Der Apostel verkündet an erster Stelle die große Nachricht: Gott hat uns durch Christus mit sich versöhnt (vgl. 2 Kor 5,18a). Der Gottessohn hat die Sünde des Menschen auf sich genommen und Vergebung erlangt. Er hat so unsere Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt. Tatsächlich will Gott die Versöhnung der ganzen Menschheit. Aus dem Brief an die Korinther ist klar zu entnehmen, daß die Versöhnung Gnade Gottes ist. Ferner heißt es dort auch, daß Gott „uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat“ (2 Kor 5,18b), daß er uns „das Wort von der Versöhnung“ (ebd., 19b) anvertraut hat. Diese Nachricht verpflichtet also alle Jünger des Herrn. Doch mit welcher Hoffnung können sie erwarten, Gehör zu finden mit ihrer Einladung zur Versöhnung, wenn sie als erste nicht in einer Situation voller Aussöhnung mit denen leben, die ihren Glauben teilen? Dieses Problem muß das Gewissen eines jeden quälen, der an Jesus Christus glaubt, der gestorben ist, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52b). Dennoch mag uns die Gewißheit trösten, daß trotz unserer Schwäche Gott mit uns am Werk ist und am Ende seinen Plan verwirklichen wird. 2. Anlaß zur Hoffnung und Ermutigung bietet uns in diesem Sinn oft die ökumenische Chronik. Wenn wir die Welt vom Zweiten Vatikanischen Konzil bis heute betrachten, so hat sich die Situation der Beziehungen unter den Christen sehr ver- 14 AUDIENZEN UND ANGELUS ändert. Die Christengemeinschaft ist geschlossener und der Geist der Brüderlichkeit sichtbarer. Gewiß fehlt es nicht an Gründen zur Traurigkeit und Besorgnis. Und doch sind jedes Jahr Ereignisse zu verzeichnen, die sich positiv auf das Bemühen in Richtung auf die volle Einheit hin auswirken. Auch im gerade zu Ende gegangenen Jahr haben zu verschiedenen Anlässen intensive Kontakte mit verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Ostens und des Westens stattgefunden. Einige dieser Ereignisse rufen das Interesse der Medien auf den Plan, andere bleiben im Schatten, sind jedoch nicht weniger nutzbringend. Ich möchte insbesondere die wachsende Zusammenarbeit erwähnen, die in den Instituten wissenschaftlicher Forschung oder des Unterrichtswesens verwirklicht wird. Der Beitrag, den solche Initiativen zur Lösung der offenen Probleme unter den Christen auf historischem, theologischem, disziplinärem und geistlichem Gebiet leisten können, ist gewiß von Bedeutung, und zwar sowohl hinsichtlich der Überwindung der Mißverständnisse der Vergangenheit als auch hinsichtlich der gemeinsamen Suche nach der Wahrheit. Diese Zusammenarbeit ist nicht nur eine heute notwendige Methode; in ihr erfahrt man bereits eine Form von Gemeinschaft im Wollen. Was das eben zu Ende gegangene Jahr betrifft, möchte ich an die Gemeinsame Erklärung erinnern, die ich mit Seiner Heiligkeit Karekin I., dem Katholikos aller Armenier, unterzeichnet habe (13. Dezember 1996). Mit dieser alten Kirche, die vor allem in diesem Jahrhundert durch das Zeugnis einer Schar von Märtyrern bereichert wurde, bestand ein christologischer Streit, der auf das Konzil von Chalke-don (451), also vor mehr als 1500 Jahren, zurückging. Theologische Mißverständnisse, sprachliche Schwierigkeiten, kulturelle Unterschiede hatten all diese Jahrhunderte hindurch einen wahren Dialog verhindert. Der Herr hat uns zu unserer großen Freude gewährt, daß wir endlich miteinander denselben Glauben an Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, bekennen können. Von ihm haben wir in der Gemeinsamen Erklärung bekannt: „Vollkommen in seiner Gottheit, vollkommen in seiner Menschheit, ist seine Gottheit mit seiner Menschheit vereint in der Person des einziggeborenen Sohnes Gottes in einer Verbindung, die real, vollkommen, unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar ist“ (in: O.R.dt. v. 10.1.97; S. 8). Im abgelaufenen Jahr habe ich außerdem viele Brüder aus anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften getroffen, so z. B. Seine Gnaden, Dr. George Leonard Carey, Erzbischof von Canterbury, sowie weitere Persönlichkeiten, die mich in Rom besucht haben. Auch außerhalb dieser Stadt bin ich bei meinen Reisen mit aufrichtiger Freude Vertretern anderer Kirchen begegnet, die sich dafür einsetzen, den Glauben an Christus zu bezeugen und mit den Katholiken vor Ort die Gemeinschaft zu suchen. Es sind alles kleine, aber bedeutsame Schritte auf die Versöhnung der Herzen und des Denkens zu. Der Geist Gottes wird uns dem vollen gegenseitigen Verständnis und dem ersehnten Ziel der vollen Gemeinschaft Zufuhren. 15 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Unter den Christen gibt es leider weiterhin neben Schwierigkeiten in der Glaubenslehre auch Reibungen, Verschlossenheit und Mißtrauensbekundungen, die bisweilen zu Formen unbegründeter Aggressivität führen. Das bedeutet, daß sowohl der „geistliche Ökumenismus“ - bestehend in der Bekehrung des Herzens, der Erneuerung des Denkens, dem persönlichen und gemeinsamen Gebet - als auch der „theologische Dialog“ intensiviert werden muß. Ein solches Bemühen muß gerade jetzt verstärkt werden, wo wir uns dem Großen Jubeljahr nähern - eine außergewöhnliche Gelegenheit für alle Christen, miteinander den Generationen des neuen Jahrtausends die frohe Botschaft von der Versöhnung zu bringen. Dieses erste Vorbereitungsjahr auf das Jubiläum hat zum Thema: „Jesus Christus, alleiniger Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8). In Tertio millennio adveniente habe ich betont: „Gerade unter der ökumenischen Ausrichtung wird das ein sehr wichtiges Jahr dafür sein, gemeinsam den Blick auf Christus, den einzigen Herrn, zu richten in dem eifrigen Bemühen, in Ihm eins zu werden gemäß seinem Gebet zum Vater“ (Nr. 41). Mit allen, die in dieser Woche für die Einheit der Christen beten, erheben auch wir unser Gebet zum Herrn und bitten um das Geschenk der Versöhnung. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mit allen, die in dieser Woche um die Einheit der Christen beten, wollen auch wir den Herrn inständig um das Geschenk der Versöhnung bitten. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Jesus Christus gibt wahren Lebenssinn Angelus am 26. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nicht wenige Menschen zeigen, wenn sie über die Situation unserer Welt nach-denken, Bestürzung und bisweilen gar Angst. Was sie betroffen macht, ist die Feststellung von individuellen oder Gruppenverhaltensweisen, die eine erschütternde Abwesenheit von Werten verraten. Die Gedanken gehen natürlich zu den Tagesereignissen - auch der jüngsten Zeit -, die den aufmerksamen Beobachter ein erschreckendes Gefühl der Leere wahmehmen lassen. Wie soll man sich nicht über die Ursachen fragen und wie nicht das Bedürfnis nach jemandem verspüren, der uns hilft das Geheimnis des Lebens zu entschlüsseln, so daß wir mit Hoffnung in die Zukunft blicken können? 16 A UDIENZEN UND ANGEL US In der Bibel werden Menschen, die diese Aufgabe haben, „Propheten“ genannt. Es sind Menschen, die nicht in eigenem Namen sprechen, sondern im Namen Gottes, von seinem Geist bewegt. Auch Jesus erschien in den Augen seiner Zeitgenossen als „ein Prophet“, der sie beeindruckte: Denn er war „mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk“ (Lk 24,19). Mit seinem Leben und vor allem mit seinem Tod und seiner Auferstehung bestätigte er sich als „der Prophet schlechthin“, war er doch der Sohn Gottes selbst. Davon spricht der Hebräerbrief: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1,1-2). 2. Das Geheimnis des Propheten aus Nazaret läßt nicht nach, uns herauszufordem. Seine in den Evangelien überlieferte Botschaft bleibt im Wechsel der Jahrhunderte und der Jahrtausende stets aktuell. Er hat selbst gesagt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31). In Jesus, seinem menschgewordenen Sohn, hat Gott das endgültige Wort über den Menschen und über die Geschichte gesprochen. Die Kirche legt es mit stets neuem Vertrauen wieder vor; sie weiß, daß es das einzige Wort ist, das dem Leben des Menschen vollen Sinn zu geben vermag. Die Prophetie Jesu mag nicht selten unbequem erscheinen, doch ist sie stets zum Heil! Christus ist gerade deshalb „ein Zeichen [...], dem widersprochen wird“ {Lk 2,34), weil er zutiefst an die Seele rührt, den Zuhörer zwingt, sich in Frage zu stellen, die Bekehrung des Herzens verlangt. 3. Möge der Weg zum Jubeljahr hin für die Gläubigen „eine fortwährende Entdek-kung Jesu“ bedeuten. Um auf diese Dringlichkeit hinzuweisen, habe ich an alle Familien Roms das Markusevangelium verteilen lassen. Ich hoffe, daß diese und andere ähnliche Initiativen in der Kirche immer zahlreicher werden. Die Heiligste Jungfrau wolle uns helfen, daß wir uns willig dem Hören des Wortes Jesu öffnen und es mutig und begeistert verkünden und bezeugen. Nach dem Angelusgebet gedachte der Papst der Leprakranken mit den Worten: Heute wird der Welttag der Aussätzigen begangen. Die Lepra ist eine schmerzliche Wunde der Gesellschaft; leider ist sie an der Schwelle zum Jahr 2000 noch nicht ausgerottet. Ich möchte allen von dieser Krankheit betroffenen Menschen - und vor allem denen, die in außergewöhnlich unangenehmen Umständen leben - einen besonderen Segen zukommen lassen. Ich grüße die Mitglieder der Vereinigung Freunde von Raoul Follereau. Ich ermutige sie zum Weitergehen in dem humanitären Werk des vor zwanzig Jahren verstorbenen großen Förderers des Kampfes gegen die Lepra und hoffe, daß seinem Werk immer die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft beschie-den sein wird. 17 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria - Jungfrau und Mutter im verborgenen Leben Jesu Ansprache bei der Generalaudienz am 29. Januar 1. Die Evangelien bieten nur wenige und knappe Notizen über die Jahre, die die Heilige Familie in Nazaret verbrachte. Matthäus erzählt von dem Entschluß Josefs nach der Rückkehr aus Ägypten, als Wohnsitz für die Heilige Familie Nazaret zu wählen (vgl. Mt 2,22-23); er gibt jedoch sonst keine weitere Information, außer daß Josef Zimmermann war (vgl. Mt 13,55). Lukas berichtet seinerseits zweimal von einer Rückkehr der Heiligen Familie nach Nazaret (vgl. ZA: 2,39.51) und gibt zwei kurze Hinweise auf die Kindheits- und Jugendjahre Jesu vor und nach der Begebenheit der Wallfahrt nach Jerusalem: „Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm“ (Lk 2,40), und: „Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). In diesen beiden kurzen Berichten über das Leben Jesu gibt Lukas vermutlich Erinnerungen Marias aus einer Zeit inniger Vertrautheit mit dem Sohn wieder. Die Verbindung zwischen Jesus und der „Gnadenerfüllten“ übertrifft bei weitem die Beziehung, welche normalerweise zwischen einer Mutter und ihrem Sohn besteht. Sie wurzelt in einer besonderen, übernatürlichen Befindlichkeit und wird durch die einzigartige Übereinstimmung beider mit dem göttlichen Willen gestärkt. Man kann also schließen, daß das Klima der Heiterkeit und des Friedens, das im Haus von Nazaret herrschte, und die ständige Ausrichtung auf die Erfüllung des göttlichen Planes der Beziehung zwischen der Mutter und dem Sohn eine außer gewöhnliche und unwiederholbare Tiefe verliehen. 2. In Maria vermittelte das Bewußtsein, eine ihr von Gott aufgetragene Aufgabe zu erfüllen, ihrem täglichen Leben einen höheren Sinn. Die einfachen und niedrigen Arbeiten des Alltags erhielten in ihren Augen einen einmaligen Wert, da sie von ihr als Dienst an der Sendung Christi gelebt wurden. Das Beispiel Marias erleuchtet und trägt die Erfahrung vieler Frauen, die ihre tägliche Arbeit ausschließlich in den eigenen vier Wänden verrichten. Es handelt sich um eine bescheidene, verborgene, immer wiederkehrende und oft nicht genügend anerkannte Aufgabe. Die langen Jahre, die Maria im Haus von Nazaret verbrachte, offenbaren jedoch ihre enorme Fähigkeit zu authentischer Liebe und somit zum Heil. In der Tat enthält das einfache Leben vieler Hausfrauen, die darin eine Aufgabe des Dienstes und der Liebe sehen, einen außerordentlichen Wert in den Augen des Herrn. Man kann wohl sagen, daß das Leben in Nazaret für Maria nicht von Eintönigkeit beherrscht war. In Kontakt mit dem heranwachsenden Jesus bemühte sie sich, das Geheimnis ihres Sohnes zu erfassen - durch Betrachtung und Anbetung. Lukas schreibt: „Maria [...] bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19; vgl. 2,51). 18 A UDIENZEN UND ANGELUS , Alles, was geschehen war“: Gemeint sind die Ereignisse, bei denen sie Hauptwirkende und Zuschauende zugleich war - angefangen bei der Verkündigung; vor allem aber ist es das Leben des Kindes. Jeder in inniger Verbundenheit mit ihm gelebte Tag ist Aufforderung, es besser kennenzulemen, die Bedeutung seiner Anwesenheit und das Geheimnis seiner Person tiefer zu entdecken. 3. Manch einer könnte denken, daß es für Maria leicht war zu glauben, da sie ja Tag für Tag in Kontakt mit Jesus lebte. Hier muß aber daran erinnert werden, daß die außergewöhnlichen Aspekte der Persönlichkeit des Sohnes üblicherweise verborgen blieben; wenn seine Handlungsweise auch vorbildlich war, lebte er doch ein ähnliches Leben wie viele seiner Altersgenossen. In den dreißig Jahren, die er in Nazaret verbrachte, läßt Jesus seine übernatürlichen Fähigkeiten nicht in Erscheinung treten und wirkt keine Wundertaten. Als er im Zusammenhang mit der Aufnahme seiner Predigertätigkeit erstmals außergewöhnliche Eigenschaften seiner Persönlichkeit zu erkennen gibt, übernehmen -einer bestimmten Interpretation zufolge - seine Angehörigen (im Evangelium oft „Brüder“ genannt) die Verantwortung, ihn nach Hause zurückzuholen, denn sie sind der Ansicht, daß sein Verhalten nicht normal ist (vgl. Mk 3,21). In der würdevollen und arbeitsamen Atmosphäre von Nazaret bemühte Maria sich, die von der Vorsehung bestimmte Entfaltung der Sendung des Sohnes zu verstehen. Eines besonderen Nachdenkens wert war für die Mutter in dieser Hinsicht sicher der Satz, den Jesus im Tempel von Jerusalem aussprach, als er zwölf Jahre alt war: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Und aufgrund des Nachdenkens darüber konnte Maria den Sinn der Gottessohnschaft Jesu und den Sinn ihrer Mutterschaft besser verstehen und versuchen, im Verhalten des Sohnes jene Züge zu entdecken, die seine Ähnlichkeit mit demjenigen, den er „mein Vater“ nannte, verrieten. 4. Die Lebensgemeinschaft mit Jesus im Haus von Nazaret brachte Maria dazu, nicht nur auf dem „Pilgerweg des Glaubens“ {Lumen Gentium, Nr. 58) voranzuschreiten, sondern auch in der Hoffnung. Diese Tugend, genährt und getragen von der Erinnerung an die Verkündigung und an die Worte des Simeon, umspannt den ganzen Bogen ihres irdischen Daseins, wird aber besonders geübt in den dreißig Jahren des Schweigens und der Verborgenheit in Nazaret. In den vier Wänden ihres Heims lebt die Jungfrau die Hoffnung in herausragender Weise; sie weiß, daß sie nicht enttäuscht werden wird, wenngleich sie die Zeiten und Weisen, in denen Gott seine Verheißung verwirklichen wird, nicht kennt. In der Dunkelheit des Glaubens und ohne außergewöhnliche Zeichen, die den Anfang der messianischen Aufgabe ihres Sohnes anzeigen könnten, hofft sie über allen Anschein hinweg, erwartet sie von Gott die Erfüllung der Verheißung. Als Stätte des Wachsens im Glauben und der Hoffnung wird das Haus in Nazaret auch zu einem Ort starken Zeugnisses der Liebe. Die Liebe, die Christus in der Welt verbreiten will, wird zuerst im Herzen seiner Mutter entzündet und brennt 19 A UDIENZEN UND ANGELUS vor allem dort: Gerade am häuslichen Herd wird die Verkündigung des Evangeliums von der Liebe Gottes vorbereitet. Wenn wir nach Nazaret blicken und das Geheimnis des verborgenen Lebens Jesu und der Jungfrau betrachten, sind wir aufgefordert, neu über das Geheimnis unseres Lebens nachzudenken, das - wie Paulus sagt - „mit Christus verborgen [ist] in Gott“ (.Kol 3,3). Oft handelt es sich um ein bedeutungsloses und schales Dasein in den Augen der Welt; ein Dasein, das jedoch, wenn man dem Beispiel Marias folgt, unerwartete Heilsenergien zu Tage bringen kann in der Verbreitung der Liebe und des Friedens Christi. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit der Bitte um die Fürsprache der Muttergottes für uns alle grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Das Leben - ein unantastbarer Wert Angelus am 2. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am heutigen „Maria-Lichtmeß“-Fest gedenken wir der Darstellung Jesu im Tempel. Vierzig Tage nach der Geburt Jesu begaben sich Maria und Josef nach Jerusalem, um ihn gemäß der Vorschrift des mosaischen Gesetzes dem Herrn darzubringen. Es ist eine Begebenheit, die sich in die Sichtweise der besonderen Weihe des Volkes Israel an Gott einfugt. Sie hat jedoch auch eine weitergefaßte Bedeutung: Sie will auf die Dankbarkeit aufmerksam machen, die wir dem Schöpfer für jedes Menschenleben schulden. Das Leben ist ein großes Geschenk Gottes, das wir stets dankbar annehmen sollen. Wenn ich letzten Sonntag meiner Sorge Ausdruck gab wegen der Leere an Werten, die unser Zusammenleben bedroht, so möchte ich heute mit Nachdruck an einen solchen „Grundwert“ erinnern, auf den wir uns unbedingt zurückbesinnen müssen, wenn wir nicht in einen Abgrund stürzen wollen: Ich möchte mich hier auf den „unantastbaren Wert“ des Lebens beziehen - ,jedes Menschenlebens“ von seinem Entstehen im Mutterschoß an bis zu seinem natürlichen Ende. Ich sage das mit dem Hinweis darauf, daß heute in Italien der „Tag für das Leben“ begangen wird. Er ist eine gute Gelegenheit, um deutlich zu sagen, daß man über das Leben nicht nach Beliebigkeit verfugen kann - weder über das eigene noch über das von anderen: Das Leben gehört dem Urheber des Lebens. Liebe fuhrt zur 20 AUDIENZEN UND ANGELUS „Kultur des Lebens“, Egoismus dagegen zur „Kultur des Todes“. Wählt das Leben - sagt der Herr damit ihr lebt, ihr und die künftigen Generationen (vgl. Din 30,19). 2. Im Tempel von Jerusalem nimmt nach dem Evangeliumsbericht ein Mann Gottes, der hochbetagte Simeon, Jesus in seine Arme und preist in ihm das für Israel und für alle Völker gekommene Heil: das „Licht für die Heiden“ (vgl. Lk 2,30-31). Die Worte des heiligen alten Mannes sprechen die Sehnsucht aus, die die Geschichte der Menschheit durchzieht: die Erwartung Gottes, jenen universalen, manchmal unbewußten, jedoch unauslöschlichen Wunsch, Gott möge uns entge-genkommen, um uns an seinem Leben teilhaben zu lassen. Simeon verkörpert das Bild der Menschheit, die darauf aus ist, den alles erneuernden Lichtstrahl zu fassen, den alles Alter in ewige Jugend verwandelnden Urkeim des Lebens. 3. In diesem Kontext kommt dem „Tag des geweihten Lebens“, den wir heute zum ersten Mal begehen, eine außerordentliche Bedeutung zu. Schon seit längerer Zeit wurde in den Diözesen das Fest der Darstellung des Herrn von den Mitgliedern der Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens als besonderer Tag gefeiert, um die Freude vorbehaltloser Hingabe an den Herrn und sein Reich vor dem Volk Gottes zu bekunden. Es war mein Wunsch, daß diese Erfahrung auf die ganze Kirche ausgedehnt werde zum Dank an Gott für das große Geschenk des geweihten Lebens und zur besseren Förderung von dessen Kenntnis und Ansehen. Einen Anstoß dazu hat uns auch die Bischofssynode gegeben, die sich jüngst mit dem geweihten Leben befaßt hat und deren Ergebnisse im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita Consecrata vorgelegt wurden. Indem ich euch, meine Lieben, auffordere, für die Brüder und Schwestern zu beten, die ihr Zeugnis für den armen, keuschen und gehorsamen Christus geben, gehen meine Gedanken besonders zu denen, die ihren Dienst an der Kirche mit dem Opfer ihres Lebens kostbar gemacht haben. Ich habe gerade die Nachricht vom tragischen Tod des Weißen Vaters, Pater Guy Pinard, erhalten, der heute morgen während der Feier der hl. Messe in seiner Pfarrei in Ruhengeri, Ruanda, barbarisch ermordet wurde. Beten wir zur Heiligsten Jungfrau für ihn und seine Lieben und für sein Volk, daß es Frieden in der Achtung vor dem Leben finde. 21 A UDIENZEN UND ANGELUS Gut SEIN wie die hl. Agatha - Zeugnis der Liebe Gottes auch in schwierigen Situationen Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Februar Wegen einer Grippe mußte der Papst die Generalaudienz am 5. Februar absagen. Er grüßte die auf dem Petersplatz versammelten Pilger vom Fenster seines Arbeitszimmers aus mit den folgenden Worten: Liebe Brüder und Schwestern! Die Grippe ist in das Haus des Papstes gekommen und hat auch mich erfaßt. Der Arzt hat mir davon abgeraten, mich außer Hauses zu begeben, und mir im besonderen nahegelegt, auf die gewohnte Generalaudienz vom Mittwoch zu verzichten. Ich muß mich also darauf beschränken, euch vom Fenster meines Arbeitszimmers aus zu grüßen. Das tue ich mit großer Zuneigung: Ich danke euch für eure Anwesenheit trotz des Regens und für euer Gebet. Wir feiern heute das Gedächtnis der hl. Agatha, Märtyrerin zu Catania wahrscheinlich während der Verfolgung des Decius im dritten Jahrhundert. Agatha bedeutet „die Gute“. Der Name entspricht der Wirklichkeit: Im Stundengebet haben wir heute morgen gelesen: „Diese wahrhaft Gute, weil Gottes eigener Anteil, ist Agatha für ihren Bräutigam, und sie ist es kraft der Verbundenheit im Guten, dieser Spiegelung von Sinn und Bedeutung ihres Namens, auch für uns“ (Lektionar zum Stundenbuch 1/4, Lesehore am Gedenktag der hl. Agatha, S. 265). Quell alles Guten ist Gott, unser höchstes Gut. „Gut zu sein“, das wünsche ich allen: nämlich treue Zeugen der Liebe des himmlischen Vaters zu sein, der uns mit zahllosen Geschenken überhäuft und uns beruft, an seiner Freude teilzuhaben. Wer diesen Glauben hat, bewahrt auch inmitten von Schwierigkeiten jenen tiefen Frieden, der aus der zuversichtsvollen Hingabe an die vorsorgliche und weise Hand Gottes kommt, der die Freude seiner Kinder nicht trübt, es sei denn um ihnen eine noch innigere und größere zu bereiten. Ich grüße jeden von Euch hier Anwesenden; den Kranken lasse ich mein herzliches Wohlwollen zukommen und versichere allen ein besonderes Gedenken im Gebet. Den Schutz der Heiligen Jungfrau anrufend, segne ich Euch von Herzen. Anschließend sagte der Papst auf deutsch: Von Herzen grüße ich Euch alle, die ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid, und erteile Euch gern den Apostolischen Segen. 22 AUDIENZEN UND ANGELUS Heilsangebot an den ganzen Menschen Angelus am 9. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Evangelium ist oft von den Heilungen die Rede, die Jesus vollbrachte. Die Kranken drängten sich um ihn und versuchten, ihn zu berühren, „denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte“ (Lk 6,19). Darauf lenke ich gerne die Aufmerksamkeit im Hinblick auf den bevorstehenden 5. Welttag des Kranken, der am kommenden 11. Februar, Gedenktag U. Lb. Frau in Lourdes, begangen wird. Wenn Jesus Kranke heilt, zeigt er damit, daß sein Heilsangebot sich auf den ganzen Menschen bezieht, denn er ist der Arzt der Seele und des Leibes. Sein Mitgefühl mit den Leidenden läßt ihn bis zu dem Punkt gehen, daß er sich mit ihnen identifiziert. Das lesen wir im Abschnitt über das Weltgericht: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). Eine solche tiefe Anteilnahme verlangt er von seinen Jüngern, denen er den Auftrag erteilt, „Kranke zu heilen“ (vgl. Mt 10,8). Wenn wir mit Glauben beten, wird der Herr uns auch heute nicht verweigern, Heilungswunder zu vollbringen. Seine Fürsorge ist jedoch normalerweise durch unseren verantwortlichen Einsatz am Werk, wenn wir auf sein Geheiß hin mit allen Mitteln des Verstandes, der Wissenschaft und der gebotenen ärztlichen und sozialen Hilfe gegen die Krankheit kämpfen. 2. Die Liebe Jesu zu den Kranken drängt uns vor allem dazu, die Ressourcen unseres Herzens zu mobilisieren. Aus Erfahrung wissen wir, daß man im Krankheitszustand nicht nur geeigneter Therapien bedarf, sondern auch menschlicher Wärme. In der heutigen Gesellschaft riskiert man leider oft, den echten Kontakt mit den anderen zu verlieren. Arbeitsrhythmen, Streß und Krise der Familie machen das brüderliche Miteinander-Sein immer schwerer. Das geht auf Kosten der Schwächsten. Und so kann es geschehen, daß nicht mehr selbständige Alte, wehrlose Kinder, körperlich und geistig Behinderte, Kranke im Endstadium als Last und sogar als zu beseitigendes Hindernis empfunden werden. Wenn wir hingegen mit ihnen gehen, liebe Brüder und Schwestern, helfen wir, eine menschengerechte Gesellschaft aufzubauen, die von einem tiefen Sinn für Solidarität getragen ist, wo Platz und Achtung für alle ist - besonders für die Geringsten. 3. Wenn wir auf Christus, den Arzt der Seele und des Leibes, schauen, begegnen wir auch dem fürsorglichen Blick Marias, die vom Christenvolk als „Heil der Kranken“ angemfen wird. Die Heiligste Jungfrau wolle uns helfen, uns von der heilenden Hand ihres göttlichen Sohnes berühren zu lassen, die Heilskraft des Evangeliums aufzunehmen und jedem, der uns braucht, konkret zu helfen zu wissen. 23 A UDIENZEN UND ANGEL US Die Fastenzeit - ein Weg des Gebets und der Buße bei der Vorbereitung auf das Jahr 2000 Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Februar 1. Am heutigen Aschermittwoch, dem ersten Tag der Fastenzeit, beginnen wir den Weg der Vorbereitung auf Ostern. Es ist ein geistlicher Weg des Gebets und der Buße, auf dem die Christen sich vom Herrn läutern und heiligen lassen, der will, daß sie an seinem Leiden und an seiner Herrlichkeit teilhaben (vgl. Rom 8,17). Der Heilige Geist, der Christus in der „Wüste“ den Weg wies und ihn begleitete, fuhrt uns in diese Fastenzeit hinein. Er gibt uns die Gnade, deren wir bedürfen, um den Versuchungen des alten Verführers zu widerstehen und mit neuer Kraft in der Freiheit der Kinder Gottes zu leben. Jesus verlangt in der Tat nicht die formale Einhaltung von Vorschriften, noch einen bloß äußerlichen Wandel, sondern vielmehr die Bekehrung des Herzens für eine entschlossene Annahme des Willens seines und unseres Vaters, ln dieser Fastenzeit ruft Jesus uns, ihm nachzufolgen auf dem Weg, der ihn nach Jerusalem führt, um am Kreuz geopfert zu werden. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Das ist gewiß eine anspruchsvolle und harte Aufforderung, die aber in dem, der sie annimmt, die schöpferische Kraft der Liebe freizusetzen vermag. Vom ersten Augenblick dieser Fastenzeit an ist der Blick daher auf das siegreiche Kreuz Christi gerichtet. Der Verfasser der Nachfolge Christi schreibt: „Im Kreuze ist Heil, im Kreuze ist Leben, im Kreuze ist Schutz vor den Feinden, im Kreuze ist Eingießung höchster Seligkeit, im Kreuze ist Seelenkraft, im Kreuze ist Geistes-ffeude, im Kreuze ist höchste Tugend, im Kreuze ist vollendete Heiligung zu finden“ (2. Buch, 12. Kapitel, 1. Abschnitt; Übersetzung von Bischof J. M. Sailer, St. Benno-Verlag, Leipzig o. J., S. 107). 2. „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“ (M:l,15). Wenn wir heute die Asche auf den Kopf gestreut bekommen, hören wir wieder dieses Wort des Evangelisten Markus. Es erinnert uns daran, daß das Heil, das uns von Christus im Geheimnis seines Paschas angeboten wird, nach unserer Antwort verlangt. Die Liturgie ermahnt uns daher, das Geschenk der Bekehrung des Herzens konkret sichtbar werden zu lassen; sie nennt uns den Weg, den wir beschreiten, und die Mittel, die wir gebrauchen sollen. Eifriges Hören auf das Wort Gottes, unermüdliches Gebet, inneres und äußeres Fasten sowie Werke der Nächstenliebe, die die Solidarität gegenüber unseren Brüdern konkret werden lassen, sind unerläßliche Punkte für diejenigen, die durch die Taufe zu neuem Leben geboren, nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben wollen (vgl. Röm 8,4). Auf die Solidarität gegenüber unseren Brüdern habe ich auch in der diesjährigen Botschaft für die Fastenzeit Bezug genommen: Die Fastenzeit ist eine „Zeit der Solidarität angesichts der schwierigen Lage, in der Menschen und Völker in so 24 A UDIENZEN UND ANGEL US vielen Teilen der Welt leben“ (in: O.R.dt., Nr. 7 v. 14.2.97, S. 1). Als eine solche schwierige Lage habe ich besonders das Drama der Obdachlosen in den Vordergrund gestellt. 3. In diesem Jahr fugt sich die Fastenzeit in die dreijährige unmittelbare Vorbereitungsphase für das Große Jubeljahr 2000 ein. Das Jahr 1997, erste Etappe auf diesem Weg, ist „der Reflexion über Christus gewidmet [...]: Wort des Vaters, Mensch geworden durch das Wirken des Heiligen Geistes“ (Tertio millennio ad-veniente, Nr. 40). In diesem Jahr sind wir alle aufgefordert, die Person Christi, des Retters und Evangelisierers, gründlich neuzuentdecken, um erneut unser Ja zu ihm zu sagen. Wie die Menschenmengen im Evangelium über die Taten und die Lehre Jesu erstaunt waren, so kann die Menschheit auch heute leichter von Christus fasziniert werden und sich für ihn entscheiden, wenn sie vom Zeugnis des Glaubens und der Liebe der Christen getroffen wird. Durch das Werk der Kirche beruft der Herr weiterhin Männer und Frauen zu seiner Nachfolge. 4. Auf dem gerade begonnenen Weg der Umkehr und Buße wolle uns die Heilige Jungfrau begleiten. Ihre mütterliche Hilfe möge uns anspomen, alle Trägheit und Angst zu überwinden, damit wir mit unerschütterlichem Glauben auf Golgota zugehen und mit Liebe unter dem Kreuz auszuhalten wissen in der freudigen Hoffnung, daß wir an der Herrlichkeit der Auferstehung des Herrn teilhaben werden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger sehr herzlich. Ich wünsche Euch, daß Ihr Euch in dieser Fastenzeit wieder neu auf die Suche nach Jesus Christus macht. Dazu erteile ich Euch und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. Fastenzeit — Zeit der Umkehr zu einem neuen Leben mit Christus Angelus am 16. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Diese Worte Jesu geben den Ton für die ganze Fastenzeit an, die am vergangenen Mittwoch, dem Aschermittwoch, begonnen hat. Die Kirche hat sich auf den Weg gemacht, der Ostern entgegenführt. Es ist ein Weg der Buße, beziehungsweise einer gründlichen Überprüfung unseres Lebens. Wir sind aufgerufen zu überdenken, wieweit wir wirklich das Evangelium angenommen haben in dem Wissen, daß es zuerst - noch ehe es einen Lebensentwurf 25 A UDIENZEN UND ANGELUS anbietet - eine Nachricht ist, ja daß es, wie schon das Wort „Evangelium“ sagt, eine gute Nachricht ist. Es ist die Nachricht, daß Gott uns liebt und daß er in seinem menschgewordenen Sohn sich mit uns solidarisch gemacht, uns losgekauft hat von der Sünde und vom Tod. Das Evangelium ist also eine Mitteilung von Befreiung, Freude, Fülle des Lebans. Wer aber diese Nachricht aufnimmt und sie ernst nimmt, kann nicht umhin, sich auch auf ein neues Leben einzulassen, ein von den Werten des Evangeliums bestimmtes Leben. Es handelt sich darum, von einem Leben an der Oberfläche hinüberzuwechseln zu größerer Tiefe, vom Egoismus zur Liebe im Bemühen, nach dem Vorbild Christi zu leben. 2. Um uns bei diesem Einsatz zu helfen, zeigt uns die Kirche einen Weg, der sich in drei Worte zusammenfassen läßt: Gebet, Fasten, Almosen. Das Gebet kann sich auf vielerlei Weisen ausdrücken, persönliche und gemeinsame. Wir müssen vor allem das praktizieren, was das Wesentliche daran ist: uns bereit machen, auf Gott zu hören, der zu uns spricht, uns als seine Kinder mit ihm unterhalten auf Du und Du, voll Vertrauen und Liebe. Das Fasten besteht nicht nur in der äußeren Praxis der Genügsamkeit im Essen und Trinken und in der Lebensführung, sondern es ist das ernsthafte Bemühen, aus unserem Herzen all das zu entfernen, was Frucht der Sünde ist und uns zum Bösen geneigt macht. Almosen geben beschränkt sich bei weitem nicht darauf, hier und da etwas Geld zu spenden, sondern es bedeutet eine Haltung des Teilens und der Annahme. Wir brauchen nur die Augen aufzumachen, um neben uns viele Brüder und Schwestern zu entdecken, die materiell und geistig Not leiden. Darum ist die Fastenzeit ein kräftiger Aufruf zur Solidarität. 3. Liebe Brüder und Schwestern, schauen wir auf Maria. Unter ihrem mütterlichen Blick wollen wir Mut fassen zur Bekehrung. Sie weiß, wie schwach wir sind, aber sie kennt auch das unerschöpfliche Erbarmen ihres göttlichen Sohnes. Die heilige Jungfrau möge uns die Gnade erlangen, uns Christus anzuvertrauen, um mit Freude den Weg der vierzig Tage zu gehen und unser Leben im Licht des Evangeliums ernstlich zu überprüfen. 26 A UDIENZEN UND ANGEL US Das Schweigen der Meditation neu entdecken Angelus am 23. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem Zweiten Sonntag der Fastenzeit spricht die Liturgie von der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor. Es ist die Offenbarung seiner Herrlichkeit, die der äußersten Prüfung des Kreuzes vorangeht und auf den Sieg der Auferstehung bereits hinweist. Petrus, Jakobus und Johannes waren die Zeugen dieses außergewöhnlichen Ereignisses. Nach dem Bericht des heutigen Evangeliums nahm Jesus sie beiseite und führte sie auf einen hohen Berg (vgl. Mk 9,2). Der Aufstieg der Jünger zum Berg Tabor veranlaßt uns, über unseren Weg der Buße in diesen Tagen nachzudenken. Auch die Fastenzeit ist ein Weg auf die Höhe: Wir sind eingeladen, das Frieden schenkende und erholsame Schweigen der Meditation neu zu entdecken; wir sollen uns darum mühen, unser Herz von der Last der Sünde zu reinigen. Das ist ein gewiß anspruchsvoller Weg, der jedoch einem Ziel, reich an Schönheit, Herrlichkeit und Freude, entgegenführt. 2. Bei der Verklärung ist die Stimme des himmlischen Vaters zu vernehmen: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ {Mk 9,7). In diesen Worten ist das ganze Programm der Fastenzeit enthalten: Wir sollen auf Jesus hören. Er offenbart uns den Vater, denn als ewiger Sohn ist er das „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ {Kol 1,15). Als „Menschensohn“ offenbart er jedoch zugleich, was wir sind; er macht dem Menschen den Menschen kund (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Haben wir darum keine Angst vor Christus! Wenn er uns auf die Höhe seines göttlichen Lebens erhebt, nimmt er nichts von unserer Menschlichkeit weg, im Gegenteil, er macht uns menschlicher, d. h. gibt unserem persönlichen und gesellschaftlichen Leben vollen Sinn. Jesus in dieser Weise immer lebendiger zu entdecken, dazu sind wir auch im Hinblick auf das Große Jubiläum aufgefordert, bei dessen Vorbereitung in diesem ersten Jahr hauptsächlich die Betrachtung Christi im Mittelpunkt steht. Diese Betrachtung wird aus dem Evangelium und dem Gebet genährt; sie geht einher mit einer echten Bekehrung und einer ständigen Neuentdeckung der Liebe als Gesetz des alltäglichen Lebens. 3. Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns auf Maria, die hörende Jungfrau, blik-ken: Sie ist stets bereit, jedes Wort des göttlichen Sohnes aufzunehmen und in ihrem Herzen zu bewahren (vgl. Lk 2,51). Das Evangelium sagt von ihr: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ {Lk 1,45). Möge die Muttergottes im Himmel uns helfen, zu einer tiefen Übereinstimmung mit dem Wort Gottes zu gelangen, so daß Christus Licht und Wegweiser unseres ganzen Lebens wird. 27 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria bei der Hochzeit in Kana Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Februar 1. Bei der Begebenheit der Flochzeit in Kana schildert der Evangelist Johannes das erste Auftreten Marias im öffentlichen Leben Jesu und hebt ihr Mitwirken an der Sendung des Gottessohnes hervor. Schon gleich am Anfang des Berichts hält der Evangelist fest: „Die Mutter Jesu war dabei“ (Joh 2,1). Und gewissermaßen um anzudeuten, daß ihre Anwesenheit der Grund für die Einladung von Jesus und seinen Jüngern durch das Brautpaar war, fugt er hinzu: „Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen“ (Joh 2,2). Mit diesen Angaben scheint Johannes darauf hinweisen zu wollen, daß in Kana wie bei dem grundlegenden Ereignis der Menschwerdung es Maria ist, die dem Retter den Weg öffnet. Die Bedeutung und die Rolle, welche die Anwesenheit der Jungfrau erhält, wird offenbar, als der Wein ausgeht. Als erfahrene und vorsorgliche Hausfrau ist sie sich der Lage sofort bewußt und greift ein, damit die allgemeine Freude nicht beeinträchtigt wird, und vor allem, um dem in Schwierigkeiten geratenen Brautpaar zu helfen. Maria richtet an Jesus die Worte: „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2,3). Damit gibt sie ihm ihre Sorge über diesen Umstand zu verstehen und erwartet seinen Beitrag zur Lösung. Nach einigen Exegeten denkt seine Mutter genau genommen an ein außergewöhnliches Zeichen Jesu, weil er ja keinen Wein zur Verfügung hatte. 2. Dieser Entschluß Marias, die den nötigen Wein möglicherweise auf anderen Wegen hätte beschaffen können, macht den Mut ihres Glaubens offenbar. Jesus hatte bis zu diesem Augenblick noch keine Wunder gewirkt - weder in Nazaret noch in seinem öffentlichen Leben. In Kana stellt die Jungfrau ein weiteres Mal ihre völlige Verfügbarkeit für Gott unter Beweis. Bei der Verkündigung hatte sie an Jesus geglaubt, bevor sie ihn gesehen hatte, und damit das Wunder der jungfräulichen Empfängnis mitbewirkt: Indem sie nun auf die noch nicht geoffenbarte Macht Jesu vertraut, gibt sie den Anstoß zu seinem „ersten Zeichen“: das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein. Sie geht auf diese Weise den Jüngern im Glauben voran, die - wie Johannes berichtet - auf dieses Wunder hin selbst glauben werden: Jesus „offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2,11). Durch das Wunderzeichen, das sie hervorgerufen hat, bietet Maria eine Unterstützung für den Glauben der Jünger. 3. Auf Marias Worte antwortet Jesus: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4). Er gibt eine anscheinend ablehnende Antwort, als wolle er den Glauben seiner Mutter auf die Probe stellen. 28 A UDIENZEN UND ANGELUS Einer Interpretation zufolge scheint Jesus von dem Augenblick an, da seine Sendung begonnen hat, die natürliche Sohnbeziehung in Frage zu stellen, die hier von seiner Mutter geltend gemacht wird. Seine Worte machen in der Sprache der Umgebung eine Distanz zwischen den Personen deutlich und schließen Lebensgemeinschaft aus. Eine solche Entfernung bedeutet aber nicht den Verlust von Respekt und Achtung. Der Ausdruck „Frau“, mit dem Jesus die Mutter anredet, wird in einer Bedeutung verwendet, die in den Gesprächen mit der Kanaanäerin (vgl. Mt 15,28), mit der Samariterin (vgl. Joh 4,21), mit der Ehebrecherin (vgl. Joh 8,10) und mit Maria aus Magdala (vgl. Joh 20,13) wiederkehrt, wobei der jeweilige Kontext eine positive Beziehung Jesu zu seinen Gesprächspartnerinnen erkennen läßt. Mit dem Satz „Was willst du von mir, Frau?“ will Jesus das Mitwirken Marias auf die Heilsebene setzen. Das fordert ihren Glauben und ihre Hoffnung heraus und verlangt die Überwindung der natürlichen Mutterrolle. 4. Von besonderem Gewicht erscheint die von Jesus angegebene Begründung: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ {Joh 2,4). Einige Bibelwissenschaftler identifizieren diese „Stunde“, der Interpretation des hl. Augustinus folgend, mit dem Ereignis der Passion. Für andere hingegen bezieht sie sich auf das erste Wunder, bei dem die messianische Macht des Propheten aus Nazaret offenbar werden soll. Wieder andere sind der Ansicht, daß es sich um einen Interrogativsatz handelt, der die vorangegangene Frage erweitert: „Was willst du voj mir, Frau? Ist meine Stunde denn noch nicht gekommen?“ Jesus gibt Maria zu verstehen, daß er nun nicht mehr von ihr abhängig ist, sondern die Initiative ergreifen muß, um das Werk des Vaters zu tun. Maria hält sich bereitwillig zurück und drängt nicht weiter auf ihn ein; statt dessen wendet sie sich an die Diener und fordert sie auf, Jesu Anweisungen zu befolgen. In jedem Fall wird ihr Vertrauen auf den Sohn belohnt. Jesus, dem sie die Initiative ganz überlassen hat, wirkt das Wunder, den Mut und die Zurückhaltung der Mutter anerkennend: „Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand“ {Joh 2,7). Auch der Gehorsam der Diener trägt also dazu bei, Wein in Fülle zu erhalten. Die Bitte von Maria: „Was er euch sagt, das tut!“ {Joh 2,5) behält stets aktuellen Wert für die Christen jeder Epoche. Sie ist darauf angelegt, im Leben eines jeden ihre wunderbare Wirkung neu zu entfalten. Sie fordert zu unverzüglichem Vertrauen auf, vor allem dann, wenn man den Sinn und die Nützlichkeit dessen, was Christus von uns verlangt, nicht einsieht. Wie in der Erzählung von der Kanaanäerin {Mt 15,24-26) die anscheinende Weigerung Jesu den Glauben der Frau herausfordert, so lassen die Worte des Sohnes „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“, verbunden mit seinem ersten Wunder, die Größe des Glaubens der Mutter und die Macht ihres Gebets hervortreten. 29 A UDIENZEN UND ANGEL US Die Begebenheit der Hochzeit in Kana fordert uns auf, im Glauben mutig zu sein und in unserem Leben die Wahrheit des Evangeliumswortes zu erfahren: „Bittet, dann wird euch gegeben“ {Mt 7,7; Lk 11,9). In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich Euch, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid. Insbesondere heiße ich die Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Den Glauben nicht dem Markt preisgeben! Angelus am 2. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Evangelium dieses Dritten Fastensonntags erzählt Johannes, wie Jesus, als er in Jerusalem im Tempel Verkäufer und Geldwechsler vorfand, eine Geißel aus Stricken machte und sie mit feurigen Worten vertrieb: „Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle“ (Joh 2,16). Die „strenge“ Haltung des Herrn scheint in Widerspruch zu der üblichen Sanftmut zu stehen, mit der er auf die Sünder zugeht, die Kranken heilt, die Kleinen und Schwachen aufnimmt. Bei genauerem Hinsehen jedoch sind Sanftmut und Strenge Ausdrucksformen derselben Liebe, die je nach Erfordernis zärtlich und streng zu sein weiß. Wahre Liebe geht stets mit der Wahrheit einher. Der Eifer und die Liebe Jesu für das Haus des Vaters bleibt gewiß nicht auf einen Tempel aus Stein beschränkt. Die ganze Welt gehört Gott und darf nicht entwürdigt werden. Mit der prophetischen Geste, von der das heutige Evangelium berichtet, warnt Christus uns vor der Versuchung, auch mit der Religion „Geschäfte zu machen“, indem man sie weltlichen oder jedenfalls ihr fremden Interessen beugt. Die Stimme Jesu erhebt sich stark auch gegen die „Tempelhändler“ unserer Zeit. Das sind die, welche aus dem Markt ihre „Religion“ machen bis zu dem Punkt, daß sie im Namen des Gottes „Macht“ und des Gottes „Geld“ die Würde des Menschen als Person durch jede Art von Mißbrauch mit Füßen treten. Denken wir z. B. an die fehlende Achtung vor dem Leben, das bisweilen zum Gegenstand gefährlicher Versuche gemacht wird; denken wir an die Umweltverschmutzung, an die Vermarktung der Sexualität, an den Drogenhandel, an die Ausbeutung der Armen und der Kinder. 2. Der Text des Evangeliums hat auch eine spezifischere Bedeutung, die auf das Mysterium Christi hinweist und die Freude des Pascha ankündigt. Denen, die von 30 A UDIENZEN UND ANGELUS ihm verlangen, seine Prophetie mit einem „Zeichen“ zu bekräftigen, antwortet Jesus mit einer Art Herausforderung: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Der Evangelist selbst merkt an, daß Jesus von seinem Leib sprach und auf seine Auferstehung anspielte. Die Menschlichkeit Christi zeigt sich so als der wahre „Tempel“, das lebendige Haus Gottes. Sie wird auf Golgota „niedergerissen“ werden, aber gleich darauf in Herrlichkeit „wiederaufgebaut“ werden, um geistliche Wohnstatt für alle zu sein, welche die Botschaft des Evangeliums aufnehmen und sich vom Geist Gottes gestalten lassen. 3. Die Jungfrau wolle uns helfen, die Worte ihres göttlichen Sohnes anzunehmen. Die Sendung Marias ist genau diese: uns zu Ihm zu führen, wobei sie uns die Aufforderung wiederholt, die sie an die Diener in Kana richtete: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 5,2). Laßt uns auf ihre mütterliche Stimme hören! Maria weiß wohl, daß die Forderungen des Evangeliums, auch wenn sie schwer und streng sind, das Geheimnis der wahren Freiheit und unserer echten Freude bilden. Gedenken und Gebet für entführte Personen Auf italienisch sagte der Papst u. a.: [...] Ich sehe auf dem Platz eine Gruppe von Personen, die aus Sardinien gekommen sind und die auf ihre Landsmännin Silvia Melis aufmerksam machen wollen -die junge Frau wurde vor einigen Tagen in der Gegend von Nuoro entführt. Von Herzen schließe ich mich ihrer Bitte an, daß diese unsere Schwester befreit werde. Einen entsprechenden Appell möchte ich auf alle Entführten oder sonst Vermißten ausdehnen. Ich denke besonders an die kleine Angela Celentano, die im vergangenen August auf dem Monte Faito spurlos verschwunden ist. Mit den Gefühlen und im Gebet bin ich diesen von Leid getroffenen Menschen und ihren Angehörigen nahe. Der Herr wolle an die Herzen der Entführer rühren, damit die Opfer sobald als möglich zu ihren Familien zurückkehren können [...]. Auf deutsch sprach er die folgenden Grußworte: Sehr herzlich begrüße ich die Alumnen des Collegium Germanicum et Hungari-cum mit den Vorständen und den Schwestern, die heute den Weg der Sieben-Kirchen-Wallfahrt gegangen sind. Wie der Herr Euch heute auf Eurem Pilgerweg begleitet hat, so begleite er Euer ganzes Leben! 31 A UDIENZEN UND ANGEL US In Kana veranlaßt Maria das erste Wunder Jesu Ansprache bei der Generalaudienz am 5. März 1. Bei der Darstellung des Gegenwärtigseins Marias im öffentlichen Leben Jesu erinnert das II. Vatikanische Konzil an ihr Mitwirken bei seinem ersten Wunder in Kana und hält fest, daß „sie bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa durch ihr Mitgefühl den Anfang der Zeichen Jesu als des Messias durch ihre Fürbitte veranlaßt hat (vgl. Joh 2,1-11)“ (Lumen Gentium, Nr. 58). Dem Evangelisten Johannes folgend, stellt das Konzil die zurückhaltende und zugleich wirkungsvolle Rolle der Mutter heraus, die durch ihre Worte das „erste Zeichen“ des Sohnes veranlaßt. Obschon sie einen unaufdringlichen, mütterlichen Einfluß ausübt, ist ihr Dabeisein letzten Endes entscheidend. Die Initiative der Jungfrau erscheint um so überraschender, wenn man die untergeordnete Stellung der Frau in der jüdischen Gesellschaft bedenkt. In Kana anerkennt Jesus in der Tat nicht nur die Würde und die Rolle des Genius der Frau, sondern gibt seiner Mutter durch die Aufnahme ihrer Anregung die Möglichkeit, an der messianischen Sendung mitzuwirken. Nicht im Widerspruch zu dieser Absicht Jesu steht die Anrede „Frau“, mit der Jesus sich an Maria wendet (vgl. Joh 2,4). Tatsächlich enthält sie keine negative Nebenbedeutung; Jesus wird sie erneut gegenüber der Mutter unter dem Kreuz gebrauchen (vgl. Joh 19,26). Einigen Exegeten zufolge stellt der Titel „Frau“ Maria als die neue Eva dar; sie ist im Glauben Mutter aller Gläubigen. Das Konzil verwendet in dem zitierten Text den Ausdruck „durch ihr Mitgefühl“. Es gibt damit zu verstehen, daß Maria von ihrem mitfühlenden Herzen geleitet wurde. Die mitleidsvolle Jungfrau war sich der Wahrscheinlichkeit einer Enttäuschung des Brautpaares und der Gäste über den fehlenden Wein bewußt geworden und gab Jesus daher den Anstoß, mit seiner messianischen Macht einzugreifen. Einigen mag die Bitte der Mutter unangemessen erscheinen, weil sie den Beginn der Wunder des Messias von einer Geste des Erbarmens abhängig macht. Auf diese Schwierigkeit hat Jesus selbst die Antwort gegeben: Mit der Einwilligung in das Drängen der Mutter führt er die Überfülle vor Augen, mit der der Herr den menschlichen Erwartungen begegnet, und zeigt, was die Liebe einer Mutter vermag. 2. Die Wendung „Anfang der Zeichen Jesu“, die das Konzil in Berufung auf den Johannestext gebraucht, zieht unsere Aufmerksamkeit an sich. Der griechische Ausdruck „arche“, den man mit Beginn, Anfang, übersetzen kann, wird von Johannes im Prolog seines Evangeliums verwandt: „Am Anfang war das Wort“ (Joh 1,1). Dieses bedeutungsvolle Zusammentreffen läßt eine Parallele feststellen zwischen dem ewigen Ursprung der Herrlichkeit Christi vor aller Zeit und dem ersten Offenbarwerden dieser Herrlichkeit in seiner Sendung auf Erden. 32 A UDIENZEN UND ANGEL US Indem der Evangelist die Initiative Marias beim ersten Wunder unterstreicht und später von ihrer Anwesenheit unter dem Kreuz auf Golgota berichtet, hilft er zu verstehen, daß das Mitwirken Marias sich auf das ganze Werk Christi erstreckt. Die Bitte der Jungfrau reiht sich in den göttlichen Heilsplan ein. An dem ersten von Jesus gewirkten Zeichen haben die Kirchenväter eine deutlich symbolische Dimension erkannt und in der Verwandlung des Wassers in Wein die Ankündigung des Übergangs vom Alten zum Neuen Bund gesehen. In Kana ist es gerade das Wasser in den Krügen, die gemäß den gesetzlichen Reinigungsvor-schriften der Juden (vgl. Mk 7,1-15) aufgestellt waren, das zum neuen Wein des Hochzeitsmahls, dem Symbol der endgültigen Vereinigung Gottes mit der Menschheit, wird. 3. Der Rahmen des Hochzeitsmahls, der von Jesus für sein erstes Wunder gewählt wird, verweist auf die Hochzeitssymbolik, die im Alten Testament häufig den Bund Gottes mit seinem Volk (vgl. Hos 2,21; Jer 2,1-8; Ps 45; usw.) und im Neuen Testament die Vereinigung Christi mit seiner Kirche (vgl. Joh 3,28-30; Eph 5,25-32; Offb 21,1-2; usw.) bezeichnet. Die Anwesenheit Jesu in Kana macht außerdem den Heilsplan Gottes in bezug auf die Ehe offenbar. In dieser Perspektive kann das Fehlen des Weines als ein Hinweis auf das Fehlen der Liebe aufgefaßt werden, das den Ehebund leider oft bedroht. Maria bittet Jesus, zugunsten aller Eheleute einzuschreiten, die nur eine auf Gott gegründete Liebe von den Gefahren der Untreue, des Unverständnisses und der Trennung befreien kann. Die Gnade des Sakramentes bietet den Eheleuten diese höhere Kraft der Liebe, die der Verpflichtung zur Treue auch unter schwierigen Umständen zur Hilfe kommen kann. Nach der Interpretation christlicher Schriftsteller enthält das Wunder von Kana schließlich auch eine zutiefst eucharistische Bedeutung. Christus wirkt es in der Nähe des Paschafestes der Juden (vgl. Joh 2,13); dadurch bekundet er wie bei der Brotvermehrung (vgl. Joh 6,4) die Absicht, das wahre Ostermahl, die Eucharistie, zu bereiten. Dieser Wunsch wird bei der Hochzeit in Kana durch den Wein, der auf das Blut des Neuen Bundes hinweist, und die Szene des Mahles offensichtlich noch unterstrichen. Maria, auf die schon die Teilnahme Jesu am Fest zurückging, veranlaßt so das Wunder des neuen Weines als vorausdeutenden Hinweis auf die Eucharistie, das höchste Zeichen der Präsenz ihres auferstandenen Sohnes unter den Jüngern. 4. Am Ende des Berichtes über das erste Wunder Jesu, ermöglicht durch den festen Glauben der Mutter des Herrn an ihren göttlichen Sohn, schließt der Evangelist Johannes: „[...] seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2,11). In Kana beginnt Maria den Glaubensweg der Kirche, indem sie den Jüngern im Glauben vorausgeht und Christus die Aufmerksamkeit der Diener zuwendet. Ihre beharrliche Fürsprache ermutigt auch alle, die sich mitunter vor die Erfahrung des „Schweigens Gottes“ gestellt sehen. Sie sind eingeladen über alle Hoffnung hinaus zu hoffen und stets auf die Güte des Herrn zu vertrauen. 33 A UDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Studenten und Professoren des kanonischen Rechts der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, den Studenten und Professoren der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Wuppertal sowie der Delegation der Basilika und der Gemeinde Mariazell in Begleitung von Herrn Erzbischof Alois Wagner. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Christentum bietet tragfähigen Lebenssinn — aber nicht zum Nulltarif Angelus am 9. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. An der Hälfte unseres Wegs durch die Fastenzeit sind wir an diesem Vierten Fastensonntag aufgefordert, über ein Thema zu meditieren, das in der Mitte der christlichen Verkündigung steht, nämlich die große Liebe, die Gott zur Menschheit hat. Im heutigen Evangelium lesen wir: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinel einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Verspürt der Mensch unserer Zeit die Notwendigkeit dieser Botschaft? Auf den ersten Blick mag es nicht so scheinen, denn vor allem in öffentlichen Äußerungen und einer gewissen vorherrschenden Kultur tritt das Bild einer selbstsicheren Menschheit zu Tage, die gerne ohne Gott auskommt und absolute Freiheit beansprucht - auch gegen das Moralgesetz. 2. Wenn man aber die Wirklichkeit jedes Menschen aus der Nähe betrachtet, wenn er gezwungen ist, der eigenen Schwäche und Einsamkeit ins Auge zu blicken, stellt man fest, daß die Gemüter häufiger als man meint von Angst, Sorge um die Zukunft, Furcht vor Krankheit und Tod beherrscht sind. Das erklärt, warum viele auf der Suche nach einem Ausweg bisweilen Abkürzungen nehmen, die ins Abseits fuhren, wie z. B. den Tunnel der Droge oder den des Aberglaubens und zerrüttender magischer Riten. Das Christentum bietet keinen billigen Trost an - es ist anspruchsvoll, verlangt echten Glauben und ein strenges Sittenleben. Aber es gibt uns Grund zur Hoffnung, denn es zeigt uns Gott als Vater, reich an Erbarmen, der uns dadurch, daß er uns seinen Sohn schenkte, seine unendliche Liebe geoffenbart hat. 34 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Maria, die Mutter des Erbarmens, möge uns die Gewißheit ins Herz legen, daß wir von Gott geliebt sind. Sie sei uns nahe in den Augenblicken, wo wir uns einsam fühlen, wo wir versucht sind, vor den Schwierigkeiten des Lebens die Waffen zu strecken. Sie möge uns die Gefühle ihres göttlichen Sohnes eingeben, damit unser Weg durch die Fastenzeit zu einer Erfahrung der Vergebung, der Annahme und der Liebe werde. Besorgniserregende Nachrichten aus Zaire, Albanien, Jerusalem und Lima Die vergangenen Tage haben neue besorgniserregende Situationen verzeichnen lassen. Aus Zaire kommen Nachrichten von Zerstörungen und Plünderungen. Bei diesen Ereignissen ist auch die Kirche zutiefst mitbetroffen: Priester und Ordensleute wurden ermordet, Gläubige sind auf der Flucht. Im nahen, geliebten Albanien hat die Lage dramatische Augenblicke der Gewalt erreicht. In Jerusalem wurden von den israelischen Behörden schwerwiegende Entscheidungen getroffen, welche die besorgte Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf sich gelenkt haben. Sie könnten dem Friedensprozeß und dem zu dessen Fortführung so notwendigen Geist des Vertrauens ernsthaft Schaden zufügen. In Lima, Peru, wartet man noch auf die Befreiung der Geiseln, die in der japanischen Botschaft festgehalten werden. Ich fühle mich ihnen und ihren Angehörigen besonders nahe. Das sind schmerzliche Situationen, die aus unnachgiebigen und egoistischen Haltungen entstehen. Es ist aber bekannt, daß man nur durch die Achtung aller und durch einen konstruktiven Dialog Lösungen finden kann, die für alle würdevoll sind und dem Frieden in der Gesellschaft und dem Verständnis unter den Völkern nützen. Anteilnahme Marias am öffentlichen Leben des Sohnes Ansprache bei der Generalaudienz am 12. März 1. Das Zweite Vatikanische Konzil betont unmittelbar, nachdem es das Auftreten Marias bei der Hochzeit in Kana erwähnt hat, ihre Teilnahme am öffentlichen Leben Jesu: „Im Verlauf seiner Verkündigung nahm sie die Worte auf, in denen der Sohn das die Ansprüche und Bande von Fleisch und Blut übersteigende Reich predigte und die seligpries, die das Wort Gottes hören und bewahren (vgl. Mk 3,35 und Parall.; Lk 11,27-28), wie sie selbst es getreulich tat (vgl. Lk 2,19 und 51)“ {Lumen Gentium, Nr. 58). Der Beginn der Sendung Jesu bezeichnet auch sein Abstandnehmen von der Mutter, die den Sohn bei seinem Umherziehen auf den Straßen von Palästina nicht immer begleiten wird. Jesus hat die Trennung von der Mutter und den familiären 35 A UDIENZEN UND ANGELUS Gefühlsbindungen aus freiem Entschluß gewählt. Das ist aus den Bedingungen zu ersehen, die er seinen Jüngern stellt, wenn sie ihm nachfolgen und sich der Verkündigung des Gottesreiches widmen wollen. Und dennoch hörte Maria gelegentlich die Predigt des Sohnes. Man kann annehmen, daß sie in der Synagoge von Nazaret zugegen war, als Jesus die prophetischen Worte des Jesaja vorlas und dann deren Inhalt als auf ihn selbst bezogen auslegte (vgl. Lk 4,18-30). Nachdem sie bei diesem Anlaß das allgemeine Staunen geteilt hatte, „wie begnadet er redete“ (Lk4,22), muß sie dann unsäglich gelitten haben, als sie die offene Feindseligkeit seiner Mitbürger feststellen mußte, die Jesus aus der Synagoge vertrieben und ihn gar zu töten suchten. Aus den Worten des Evangelisten Lukas geht die Dramatik dieses Augenblicks hervor: „Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen. Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg“ (Lk 4,29-30). Maria, die vorausahnte, daß es zu weiteren Prüfungen kommen würde, bekräftigte und vertiefte nach diesem Vorfall ihre vollkommene Zustimmung zum Willen des Vaters; sie opferte ihm ihr Leiden als Mutter und ihre Einsamkeit auf. 2. Nach dem Bericht der Evangelien hatte Maria auch bei anderen Anlässen Gelegenheit, den Sohn zu hören. Vor allem in Kafamaum, wohin Jesus sich nach der Hochzeit in Kana „mit seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Jüngern“ (Joh 2,12) begab. Es ist ferner wahrscheinlich, daß sie ihm auch anläßlich des Paschafestes nach Jerusalem folgen konnte, in den Tempel, den Jesus als Haus seines Vaters bezeichnet, für das er im Eifer entbrennt (vgl. Joh 2,16-17). Ein anderes Mal befand sie sich mitten in der Menge, so daß es ihr nicht gelang, zu Jesus zu kommen; da vernahm sie die Antwort, die er denen gab, die ihn auf ihre Anwesenheit und die seiner Verwandten aufmerksam machten: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln“ (Lk 8,21). Mit diesen Worten relativiert Christus zwar die familiären Bande, doch spricht er der Mutter ein großes Lob aus, weil er damit zeigt, daß ein viel tieferes Band sie und ihn verbindet. In der Tat: Maria hört auf den Sohn, nimmt alle seine Worte auf und handelt getreu danach. Man kann annehmen, daß Maria - auch wenn sie Jesus auf seinen Missionsreisen nicht begleitete - sich über den Fortgang der Sendung des Sohnes informierte und aus dem Munde derer, die ihm begegnet waren, mit freudiger Erwartung Nachrichten über seine Verkündigungstätigkeit entgegennahm. Trennung bedeutet nicht Feme des Herzens, noch hinderte dieser Umstand die Mutter daran, dem Sohn im Geiste zu folgen, seine Lehre zu bewahren und zu meditieren, wie sie es schon im verborgenen Leben in Nazaret getan hatte. Denn ihr Glaube machte es ihr möglich, den Sinn der Worte Jesu früher und besser zu erfassen als seine Jünger, welche seine Lehre - und besonders die Hinweise auf sein bevorstehendes Leiden - oft nicht verstanden (vgl. Mt 16,21-23; Mk 9,32; Lk 9,45). 36 A UDIENZEN UND ANGEL US 3. Maria, die Begebenheiten um den Sohn aus der Feme mitverfolgend, nimmt teil an seinem dramatischen Geschick, sich von einem Teil des auserwählten Volkes abgelehnt zu wissen. Diese Ablehnung tritt erstmals bei seinem Besuch in Nazaret zutage und wird in den Worten und Verhaltensweisen der Obersten des Volkes immer offensichtlicher. Auf diese Weise wird die Jungfrau öfter von Kritik, Beleidigungen und Drohungen, die an Jesus gerichtet waren, erfahren haben. Auch in Nazaret wird die Ungläubigkeit von Verwandten und Bekannten sie mehrmals getroffen haben, wenn sie versuchten, Jesus für ihre Zwecke zu vereinnahmen (vgl. Joh 7,2-5) oder seine Sendung zu vereiteln (vgl. Mk 3,21). Durch dieses mit großer Würde im Verborgenen getragene Leid geht Maria den Weg ihres Sohnes „nach Jerusalem,, (Lk 9,51) mit; in Glaube, Hoffnung und Liebe immer mehr mit ihm verbunden, wird sie Mitwirkende am Heil. 4. Die Jungfrau ist daher ein Vorbild für alle, die das Wort Christi aufiiehmen. Weil sie von der Verkündigung an die Botschaft Gottes geglaubt und der Person des Sohnes voll zugestimmt hat, lehrt sie uns, vertrauensvoll auf den Heiland zu hören, um in ihm das göttliche Wort zu entdecken, das unser Leben umwandelt und erneuert. Ihre Erfahrung ermutigt uns auch, die Prüfungen und Leiden anzunehmen, die aus der Treue zu Christus entstehen, den Blick fest auf die Seligkeit geheftet, die Jesus denen versprochen hat, die sein Wort hören und es bewahren. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich Euch alle, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid. Mein besonderer Gruß gilt den Seelsorgern, dem Personal und den Freunden des St.-Josephs-Krankenhauses in Freiburg sowie den anwesenden Schülern und Schülerinnen aus Deutschland und Österreich. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 37 AUDIENZEN UND ANGELUS Friedensappell für Albanien - Aufruf an Europa zur Hilfeleistung für Volk und Regierung Angelus am 16. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Evangelium dieses Fünften Fastensonntags erklärt Jesus den Sinn seines Todes und gebraucht dafür das Bild vom Weizenkom, das stirbt und reiche Frucht bringt (vgl. Joh 12,24). Den Anstoß zu diesen Überlegungen bietet ihm die Tatsache, daß sich auch einige Fremde - genauer gesagt einige Griechen - unter der Menge befinden, die zusammengekommen ist, um ihn in Jerusalem zu empfangen. Sie äußern den Aposteln gegenüber den Wunsch, ihn zu sehen: „Wir möchten Jesus sehen“ (Joh 12,21). Durch diese Worte werden sie gewissermaßen zu Sprechern für die ganze Menschheit, die den universalen Wert des von Christus angebotenen Heils unterstreichen. 2. Wir möchten Jesus sehen! Das ist auch heute der Ruf der Menschheit an die Jünger Christi. Von ihnen wird erwartet, daß sie in Leben und Werken das göttliche Antlitz zu erkennen geben. Diesen Ruf vernehmen wir mit Bangen, denn wir wissen, daß wir nach den Worten des Apostels Paulus einen Schatz „in zerbrechlichen Gefäßen“ tragen (2 Kor 4,7). Wir sind uns durchaus bewußt, daß die christliche Geschichte trotz ihres großen Reichtums an Heiligkeit auch viele menschliche Schwächen aufweist. Das Konzil hat darauf aufmerksam gemacht, daß oft gerade die Inkonsequenz der Glaubenden ein Hindernis auf dem Weg derer ist, die den Herrn suchen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 19). Der Weg der Kirche ins Dritte Jahrtausend kann daher nur ein Weg ernsthafter Bekehrung sein, ein Bemühen um persönliche und gemeinschaftliche Erneuerung aus dem Licht des Evangeliums. Das, einzig das, soll das Große Jubiläum des Jahres 2000 sein. Je mehr Christus in unserem Leben zum Ausdruck kommt, desto mehr wird er jene unwiderstehliche Anziehungskraft zeigen, die er selbst mit dem Hinweis auf seinen Kreuzestod vorausgesagt hat: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde [ich] alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). 3. Herr Jesus, schenke der Welt Frieden! Ein weiteres Mal, liebe Brüder und Schwestern, fordere ich euch auf, den Herrn um Frieden für Albanien zu bitten. Die Krise, welche diese vor kurzem aus einer langen Periode unmenschlicher Diktatur herausgetretene Nation erschüttert, hat sich nunmehr über das ganze Land ausgebreitet und stürzt die geliebte Bevölkerung in völlige Ungewißheit. Für das Wohl Albaniens bitte ich alle, die zu Waffen gegriffen haben, diese niederzulegen: Zerstörerische Gewalt ist gewiß kein geeignetes Mittel, um soziale Probleme zu lösen. Es möge sich im Gegenteil jeder verpflichtet fühlen - in Ach- 38 AUDIENZEN UND ANGELUS tung vor dem Menschen und vor dem Recht an der Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den Bürgern und ihren Autoritäten mitzuarbeiten. Das alles läßt sich ohne öffentliche Ordnung nicht verwirklichen. Gewiß, diese tragischen Vorfälle rufen ganz Europa auf den Plan: Europa muß den Regierenden und dem Volk in Albanien helfen, ihr Land auf den Grundlagen der Demokratie und des politischen und gesellschaftlichen Dialogs aufzubauen. Die Jungfrau Maria, Unsere Liebe Frau vom Guten Rat, möge für uns bitten, damit die Gewalt der Waffen nicht stärker sei als der Friede, damit die Gleichgültigkeit nicht über die Solidarität siege! Arbeitslosigkeit fördert Ausgrenzung statt Selbstverwirklichung des Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am Hochfest des hl. Josef, 19. März 1. Das heutige Hochfest lädt uns ein, die besondere Glaubenserfahrung des hl. Josef an der Seite von Maria und Jesus zu betrachten. Die Kirche stellt Josef als den Glaubenden, der dem göttlichen Willen gegenüber ganz verfügbar ist, als den Mann, der zu einer keuschen und erhabenen Liebe zu seiner Braut, Maria, fähig ist, und als den Erzieher, der bereit ist, im Kind Jesus dem geheimnisvollen Plan Gottes zu dienen, zur Verehrung der Gläubigen vor. Die Tradition hat in ihm besonders den Arbeiter gesehen. „Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?“, rufen die Bewohner von Nazaret aus angesichts der Wunder, die Jesus wirkte. Für sie ist Josef vor allem der Schreiner des Dorfes, der sich durch seine Arbeit selbst ausdrückt und sich vor Gott und im Dienst an den Mitmenschen verwirklicht. Auch die Gemeinschaft der Christen hat in der Erfahrung Josefs ein Vorbild für alle gesehen, die in der weiten und komplexen Welt der Arbeit ihren Einsatz leisten. Gerade deshalb hat die Kirche die Arbeitenden seinem himmlischen Schutz anvertraut und ihn zu ihrem Patron erklärt. 2. Im Blick auf die Werkstatt von Nazaret, die durch die Anwesenheit von Jesus und Josef geheiligt ist, wendet sich die Kirche an die Welt der Arbeit. Sie will die Würde des Menschen hochhalten angesichts der Fragen und Probleme, der Sorgen und Hoffnungen, die mit der Arbeit als Grunddimension des menschlichen Daseins verbunden sind. Sie weiß, daß es ihre Aufgabe ist, „immer wieder auf die Würde und die Rechte der arbeitenden Menschen hinzuweisen und die Situationen anzuprangem, in denen diese Würde und diese Rechte verletzt werden, und auch ihren Teil dazu beizutragen, diesen Änderungen eine solche Richtung zu geben, daß dabei ein echter Fortschritt für den Menschen und die Gesellschaft entsteht“ (Laborem exercens, Nr. 1). Gegenüber den Gefahren, die in gewissen Erscheinungsformen der Kultur und der Wirtschaft unserer Zeit vorhanden sind, läßt die Kirche nicht davon ab, die Größe 39 AUDIENZEN UND ANGELUS des Menschen, Ebenbild Gottes, und seiner Vorrangstellung in der Schöpfung zu verkünden. Sie verwirklicht diese Sendung hauptsächlich durch die Soziallehre, der „die Bedeutung eines Instrumentes der Glaubensverkündigung zukommt“; sie ist in der Tat eine Lehre, die ,jedem Menschen Gott und das Heilsmysterium in Christus“ verkündet; sie „enthüllt dadurch den Menschen dem Menschen selbst. In diesem Licht [...] befaßt sie sich mit den [...] Menschenrechten“ (Centesimus an-nus, Nr. 54). Allen, die die Vorherrschaft der Technik durchzusetzen und den Menschen zu einer „Ware“ oder einem Produktionswerkzeug herabzuwürdigen suchen, bringt die Kirche in Erinnerung, daß „der Mensch das eigentliche Subjekt der Arbeit bleibt“, denn nach göttlichem Plan ist „die Arbeit für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit“ (Laborem exercens, Nr. 5-6). Aus demselben Grund stellt sie sich den Forderungen des Kapitalismus entgegen, indem sie „das Prinzip des Vorranges der Arbeit gegenüber dem Kapital“ verkündet, weil die menschliche Tätigkeit „immer eine der hauptsächlichen Wirkursachen“ für den Produktionsprozeß ist, „während das Kapital, das ja in der Gesamtheit der Produktionsmittel besteht, bloß Instrument oder instrumentale Ursache ist“ (Laborem exercens, Nr. 12). 3. Diese Grundsätze, die jede Form von Entfremdung bei der menschlichen Tätigkeit nachdrücklich verurteilen, erweisen sich angesichts des schwerwiegenden Problems der Arbeitslosigkeit, von der heute Millionen von Menschen betroffen sind, besonders aktuell. Im Recht auf Arbeit offenbaren sie die moderne Garantie für die Würde des Menschen, der ohne eine angemessene Arbeit nicht über ausreichende Bedingungen für eine angemessene Entwicklung seiner personalen und sozialen Dimension verfügt. Die Arbeitslosigkeit bewirkt in der Tat bei den von ihr Betroffenen eine schwerwiegende Situation der Ausgrenzung und einen schändlichen Zustand der Erniedrigung. Das Recht auf Arbeit muß daher einhergehen mit dem Recht auf freie Wahl der ausgeübten Tätigkeit. Diese Vorrechte sind jedoch nicht in individualistischem Sinn zu verstehen, sondern in bezug auf die Berufung zum Dienst und zur Zusammenarbeit mit anderen. Es kann keinen moralischen Gebrauch der Freiheit geben, ohne die Beziehung und Wechselseitigkeit zur Freiheit anderer in Betracht zu ziehen. Diese dürfen nicht so sehr als Grenzen verstanden werden, sondern sind zu sehen als Bedingungen für die Entfaltung der individuellen Freiheit und als Erfüllung der Pflicht, zum Wachstum der ganzen Gesellschaft beizutragen. Die Arbeit ist also ein Recht vor allem deshalb, weil sie eine Pflicht ist, die aus den sozialen Beziehungen des Menschen erwächst. Sie bringt die Berufung des Menschen zum Dienst und zur Solidarität zum Ausdruck. 4. Die Gestalt des hl. Josef erinnert an die dringende Notwendigkeit, der Welt der Arbeit eine Seele zu geben. Sein Leben, das vom Hören auf Gott und der Vertrautheit mit Christus gekennzeichnet ist, stellt sich dar als harmonische Synthese 40 AUDIENZEN UND ANGELUS von Glauben und Leben, von persönlicher Selbstverwirklichung und Liebe zu den Mitmenschen, von täglichem Einsatz und Vertrauen in die Zukunft. Sein Zeugnis ruft allen Arbeitenden in Erinnerung, daß sie nur durch die Annahme der Vorrangstellung Gottes und des Lichtes, das vom Kreuz und der Auferstehung Christi kommt, die Bedingungen für eine menschenwürdige Arbeit schaffen und in der täglichen Mühsal „einen Schimmer des neuen Lebens und des neuen Gutes, gleichsam eine Ankündigung des ,neuen Himmels und der neuen Erde“ entdecken können, „die gerade durch die Mühsal der Arbeit hindurch dem Menschen und der Welt zuteil werden“ (Laborem exercens, Nr. 27). In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger sehr herzlich. Besonders heiße ich eine Gruppe des Bayerischen Landesverbandes des Katholischen Deutschen Frauenbundes willkommen. Im Rahmen der Vorbereitung auf das Jahr 2000 seid Ihr nach Rom gepilgert. Durch eine Unterschriftenaktion bringt Ihr den Wunsch von 40.000 Frauen zum Ausdruck, daß mein geschätzter Vorgänger Papst Johannes XXIII. seliggesprochen werde. Wie er auf die wichtige Rolle der Frau in Kirche und Welt hingewiesen hat, so baue auch ich auf Euch! Mit dem Dank für Euren vielfältigen Einsatz in den Pfarrgemeinden verbinde ich die Bitte, auch in Zukunft gemeinsam für eine Kirche von Brüdern und Schwestern zu wirken. Diesen Wunsch drücke ich auch den Schülerinnen und Schülern gegenüber aus, die heute bei dieser Audienz anwesend sind. Ihr seid die Zukunft der Kirche! Dazu erteile ich Euch und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. Trefft Maßnahmen, um als Kinder Gottes ins dritte Jahrtausend einzutreten! Angelus am Palmsonntag, 23. März Am Schluß der feierlichen hl. Messe zum Palmsonntag auf dem Petersplatz betete der Papst mit den Anwesenden den „Engel des Herrn“. Zuvor grüßte er die Jugendlichen aus aller Welt in verschiedenen Sprachen. Auf italienisch sagte er: Liebe Brüder und Schwestern! Die altersmäßig „im Frühling des Lebens“ Stehenden feiern am Anfang des Frühlings — am heutigen Palmsonntag — „den“, der das Leben ist: Jesus Christus. Denn „er“ allein hat Worte des ewigen Lebens und vermag das ganze Dasein in einen Frühling zu verwandeln. Für den kommenden Monat August - vom 18. bis 24. - haben sich die Jugendlichen der kirchlichen Gemeinschaften der ganzen Welt in Paris verabredet, um ihre 41 AUDIENZEN UND ANGELUS große Pilgerreise über den ganzen Planeten fortzusetzen. Die letzte Etappe fand -unvergeßlich - im Januar 1995 in Manila statt. Meine lieben Jugendlichen, laßt uns miteinander auf diesem Pilgerweg des Glaubens und der Hoffnung gehen, laßt uns das Kreuz Christi tragen: das Zeichen der Liebe, die die Welt rettet. - Auf Wiedersehen in Paris! ... auf französisch: Nur noch einige Monate trennen uns vom Weltjugendtag, der vom 19. bis 24. August stattfinden wird. Jugendliche aus allen Kontinenten, die ihr auf diesem Platz versammelt seid, und ihr alle, die ihr mich über Radio oder Fernsehen hört, ich lade euch ein, in diesen Tagen nach Frankreich und nach Paris zu kommen. In der Zwischenzeit habt keine Bedenken, Christus die Frage der Jünger im Johannesevangelium zu stellen: „Meister, wo wohnst du?“ (Joh 1,38). Kommt mit euren Kameraden aus anderen Nationen und anderen Kulturen, um die Antwort zu empfangen, die euch die Nachfolger der Apostel, eure Bischöfe, geben werden: „Komm und sieh!“ (Joh 1,46). Mit Kardinal Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris, und den Bischöfen der ganzen Kirche in Frankreich erwarte ich euch und sage euch: Trefft Maßnahmen, um als Söhne und Töchter Gottes ins dritte Jahrtausend einzutreten! Nach Grußworten in englisch und spanisch sagte der Papst auf deutsch: Mit großer Freude begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, insbesondere euch, liebe Jugendliche, die ihr zum Weltjugendtag nach Rom gekommen seid. Gleichzeitig lade ich euch sehr herzlich zum Weltjugendtreffen nach Paris ein, wo wir uns am 24. August 1997 zum gemeinsamen Gottesdienst versammeln werden. ... und schloß auf italienisch: Liebe Jugendliche, auf dem Weg des Glaubens haben wir eine unübertreffliche Leiterin: Maria. Ihr wollen wir den Weg anvertrauen, der uns zum Treffen in Paris führt. Die Jungfrau wolle uns allen, und vor allem den Jugendlichen, helfen, mit weitem Herzen auf die Einladung Christi zu antworten: „Komm, und folge mir!“ 42 A UDIENZEN UND ANGELUS Auf dem Weg zum Abendmahlssaal, nach Golgota und zum Heiligen Grab Ansprache bei der Generalaudienz in der Karwoche, 26. März 1. „Vexilla Regis prodeunt, folget Crucis mysterium (Hymnus zur Vesper in der Karwoche: „Der König siegt, sein Banner glänzt, geheimnisvoll erstrahlt das Kreuz Wir befinden uns in der Karwoche, wo wir das Geheimnis des Kreuzes verehren. Mit unendlicher Ergriffenheit singt die Kirche den antiken liturgischen Hymnus, der von Generation zu Generation weitergegeben, von den Gläubigen durch die Jahrhunderte wiederholt wird. Die „Heilige Woche“, Mitte des Kirchenjahres, läßt uns die Grundereignisse der Erlösung durch Jesu Tod und Auferstehung miterleben. Es sind ergreifende und ans Herz gehende Tage, deren besondere Atmosphäre alle Christen einzunehmen vermag. Es sind Tage innerer Stille, intensiven Gebets und tiefer Betrachtung der außerordentlichen Ereignisse, welche die Geschichte der Menschheit geändert haben und unserem Leben wahren Wert geben. Heute, an der Vigil der heiligen drei Tage, möchte ich im Geist und mit dem Herzen zusammen mit euch nach Jerusalem pilgern. Die Liturgie der kommenden Tage soll uns dabei den Weg weisen: Sie führt uns zunächst in den Abendmahlssaal, dann auf Golgota und schließlich vor das neue, in Fels gehauene Grab. 2. Am Gründonnerstag ist uns im Abendmahlssaal in Jerusalem das Brot und der Wein gegeben. Dieser Tag macht uns die Einsetzung der Eucharistie wieder gegenwärtig, die höchste Gabe der Liebe Gottes im Erlösungsplan. Der Apostel Paulus bestärkte die ersten Christen in der Wahrheit des „Eucharistiegeheimnisses“, als er in den Jahren 53 bis 56 an die Korinther schrieb. Er teilte ihnen mit, was er selbst vernommen hatte: „Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,23-25). Diese Worte zeigen klar die Absicht Christi: Unter den Gestalten von Brot und Wein wird er selbst gegenwärtig mit seinem Leib, der „hingegeben“, und mit seinem Blut, das „vergossen“ wurde als Opfer des Neuen Bundes. Zugleich setzt er die Apostel und ihre Nachfolger als Diener dieses Sakramentes ein, das er seiner Kirche als äußersten Beweis seiner Liebe hinterläßt. Das ist im wesentlichen der Inhalt vom Gründonnerstag. Der Gottessohn gewähre uns, daß wir diesen Tag gemäß den Worten des schönen byzantinischen Gebets leben können: „O Sohn Gottes, laß mich heute an deinem mystischen Abendmahl teilhaben: Ich werde das Geheimnis nicht deinen Feinden verraten, noch dir den Judaskuß geben; sondern wie der gute Schächer werde ich dich bekennen: Gedenke meiner, o Herr, wenn du in deinem Reich bist!“ (vgl. Basiliusliturgie am Gründonnerstag, Gesang zur Kommunion). 43 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Am Karfreitag betrachten wir das Kreuz auf Golgota. „Ecce lignum Crucis ... -Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt.“ Wir erleben die „schmerzensreichen Geheimnisse“ des Leidens und Sterbens Jesu wieder. Im Blick auf den Gekreuzigten erhalten die beim Letzten Abendmahl von ihm gesprochenen Worte eine dramatische Bedeutung: „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (vgl. Mk 14,24; Mt 26,28; Lk 22,20). Jesus wollte sein Leben zum Opfer für die Vergebung der Sünden der Menschheit hingeben. Zu diesem Zweck hat er den grausamsten und erniedrigendsten Tod gewählt: die Kreuzigung. Wie bei der Eucharistie so wird angesichts des Leidens Jesu und seines Todes am Kreuz das Geheimnis für den menschlichen Verstand unergründlich. Der Aufstieg nach Golgota war ein unbeschreibliches Leiden, das in die schreckliche Pein der Kreuzigung mündete. Was für ein Geheimnis! Gott, der Mensch geworden, leidet, um den Menschen zu retten, und nimmt die ganze Tragödie der Menschheit auf sich. Der Karfreitag läßt uns an eine ständige Folge von Prüfungen in der Geschichte denken, wobei wir die Tragödien unserer Tage nicht außer acht lassen dürfen. Wie sollte man in dieser Hinsicht die dramatischen Ereignisse vergessen, die auch heute in einigen Ländern der Welt zu Blutvergießen fuhren? Das Leiden des Herrn nimmt im Leiden der Menschen seinen Fortgang. Das geschieht insbesondere im Martyrium von Priestern, Ordensleuten und Laien, die an vorderster Front Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums leisten. Vorgestern haben wir den „Gebets- und Fasttag für die Märtyrer in der Mission“ begangen: Die Christengemeinschaft ist eingeladen, über deren heroisches Zeugnis nachzudenken und sich im Gebet dieser Brüder und Schwestern zu erinnern, die ihre Treue zu Christus mit dem Preis des Lebens bezahlt haben. Der Christ muß lernen, sein Kreuz mit Demut, Zuversicht und Ergebenheit gegenüber dem Willen Gottes zu tragen. So wird er im Kreuz Christi Halt und Trost in den Drangsalen des Lebens finden. Der Vater gewähre uns, daß wir in allen schweren Stunden zu beten vermögen: „Adoramus Te, Christe, et benedicimus tibi ... - Wir beten dich an, o Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“ 4. Nach dem Warten des Karsamstags dürfen wir dann die Freude des Osterfestes erleben. Die heiligen drei Tage finden ihren Abschluß im strahlenden, „glorreichen Geheimnis“ der Auferstehung Christi. Er hatte vorausgesagt: „Am dritten Tage werde ich auferstehen!“ - das ist der endgültige Sieg des Lebens über den Tod. Der erhabenste und größte Augenblick aller christlichen Feste ist die Feier der Ostemacht. Eine Nacht der Erwartung ... erfüllt von Licht: die Nacht des Osterfeuers, die Nacht des Taufwassers, die Nacht der Taufe, der Firmung und der Eucharistie. Ostemacht - Nacht des Pascha - Nacht des Übergangs: des Übergangs Christi vom Tod zum Leben, unseres Übergangs von der Knechtschaft der Sünde 44 AUDIENZEN UND ANGELUS zur Freiheit der Kinder Gottes. Der Heilige Geist schenke uns die Freude der Jün-gerinnen des Herrn, die - wie die byzantinische Liturgie hervorhebt - zu den Aposteln sagten: „Der Tod ist besiegt; Gott-Christus ist auferstanden und hat der Welt seine große Barmherzigkeit geschenkt“ (vgl. Troparion vom Karsamstag, IV. Ton). Auf diesem geistlichen Weg wolle uns die heiligste Jungfrau begleiten: sie, die Jesus in seinem Leiden folgte und bei seinem Tod unter dem Kreuz anwesend war. Maria führe uns in das Pascha-Mysterium ein, damit wir mit ihr die Freude und den Frieden des Osterfestes erfahren können. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle Pilger, die aus den Ländern deutscher Sprache gekoimen sind, sehr herzlich. Besonders heiße ich willkommen: die Priester, Dia-kone, Priesteramtskandidaten und Pfarrershelfer aus der Diözese Trier, die Jubilarinnen der Armen Schulschwestem von Unserer Lieben Frau aus Deutschland, Ungarn und Slowenien sowie das Orchester des Oratoriums der Salesianerpfarrei St. Johannes Bosco aus Graz. Mit meinen besten Wünschen für ein frohes Osterfest erteile ich Euch und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen gern den Apostolischen Segen. Die Engel - Sonderbotschafter Gottes Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 31. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute ist Ostermontag. Er wird (in Italien) traditionellerweise auch Engelsmontag (lunedi dell’Angelo) genannt, weil bei dem außergewöhnlichen Ereignis der Auferstehung bezeichnenderweise Engel als Handelnde neben den Frauen und den Aposteln in Erscheinung treten. Ein Engel ist es, der am leeren Grab den Frauen, die gekommen sind, den Leichnam Jesu zu salben, als ersten die Botschaft mitteilt. Er sagt zu ihnen: „Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier“ (Mk 16,6). Außer bei der Auferstehung sind Engel in diskreter Weise in allen wichtigsten Augenblicken des Lebens Jesu anwesend. Sie verkündigen seine Geburt (vgl. Mt 1,20; Lk 1,30-31; 2,10-11), sie veranlassen seine Flucht nach Ägypten und die Rückkehr in die Heimat (vgl. Mt 2,13.19), sie stärken ihn am Ende der Versuchungen in der Wüste (vgl. Mt 4,11) und in der Stunde des Leidens (vgl. Lk 22,43); am Ende der Zeit sind sie an der Seite des Erlösers, wenn Gericht gehalten wird über die Geschichte und die Welt (vgl. Mt 13,41). 45 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Engel versehen also den Dienst am Plan Gottes in den wesentlichen Augenblicken der Heilsgeschichte. Als Gesandte Gottes sind sie Boten seines Erlöserwillens. Ihre Anwesenheit wird von der Heiligen Schrift und dem ununterbrochenen Glauben der Kirche als Zeichen eines besonderen Eingreifens der Vorsehung und als Ankündigung neuer, Erlösung und Heil bringender Realitäten gesehen. In diesem Sinn verlängert der heutige Feiertag die intensive Freude des Osterfestes. Die Liturgie wiederholt: „Das ist der Tag, den der Herr gemacht; laßt uns jubeln und seiner uns freuen.“ Die Osterbotschaft, die der göttliche Bote den Frauen verkündet hat, wird jedem von uns durch seinen Schutzengel wiederholt: „Hab keine Angst! Öffne das Herz für Christus, den Auferstandenen.“ 3. Indem er uns seinen Engel zur Seite stellt, will der Herr uns in jedem Augenblick unseres Daseins mit seiner Liebe und seinem Schutz nahe sein, damit wir den guten Kampf des Glaubens kämpfen (vgl. 1 Tim 6,12) und ohne Furcht und Zagen unser Bekenntnis zu Ihm ablegen können, der für unsere Erlösung gestorben und auferstanden ist. Wir wollen die Königin der Engel und der Heiligen anrufen, damit sie für uns erwirke, daß wir dank der Hilfe unseres Schutzengels jeden Tag authentische Zeugen des Osterfestes des Herrn sein können. 4. Die Osterfreude wurde getrübt durch die Nachrichten von der Tragödie, die sich im Kanal von Otranto ereignet hat: der Untergang eines mit albanischen Flüchtlingen vollbesetzten Schnellbootes. Ich lade euch ein, für diejenigen zu beten, die im Adriatischen Meer den Tod gefunden haben, und fordere euch zu solidarischer Anteilnahme am quälenden Schmerz der wegen des Verlusts ihrer Lieben Leidenden auf. Meine herzliche Unterstützung gilt der in Apulien von der Caritas und verschiedenen Institutionen und Personen geleisteten Flüchtlingshilfe. Ich hoffe, daß sich die Anstrengungen vermehren, um Hilfe an Mitteln des Grundbedarfs nach Albanien zu bringen, aber auch soziale Ordnung und Frieden sowie Zusammenarbeit für eine Wiederankurbelung der Produktionstätigkeit, so daß das geliebte Land Albanien wieder auf die Beine kommen und in Eintracht und Frieden seine Zukunft aufbauen kann. Unter dem Kreuz nimmt Maria Anteil an der Erlösung Ansprache bei der Generalaudienz am 2. April 1. „Regina caeli laetare, alleluja!“ So singt die Kirche in dieser Osterzeit. Es ist eine Aufforderung an die Gläubigen, Anteil zu nehmen an der geistlichen Freude Marias, der Mutter des Auferstandenen. Die Freude der Jungfrau über die Auferstehung Christi erscheint noch größer, wenn man ihre innige Teilnahme am ganzen Leben Jesu bedenkt. 46 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit der vorbehaltlosen Aufnahme des Wortes des Engels Gabriel, der ihr ankündigte, daß sie die Mutter des Messias sein sollte, begann die Teilnahme Marias am Drama der Erlösung. Das ihr von Simeon im Lauf der Darstellung im Tempel ge-weissagte Mitwirken beim Opfer des Sohnes erstreckt sich nicht nur auf die Begebenheit des Verlustes und Wiederauffindens des zwölfjährigen Jesus, sondern auf sein ganzes öffentliches Leben. Allerdings erreicht die Miteinbeziehung der Jungfrau in die Sendung Christi ihren Höhepunkt in Jerusalem während der Passion und beim Tod des Erlösers. Wie das vierte Evangelium bezeugt, befindet sie sich in jenen Tagen in der Heiligen Stadt — vermutlich wegen der Feier des jüdischen Pascha. 2. Das Konzil unterstreicht die tiefe Dimension der Anwesenheit der Jungfrau auf Golgota und betont: „Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz“ (.Lumen Gentium, Nr. 58). Weiter sagt das Konzil: Diese Verbindung „im Heilswerk zeigt sich vom Augenblick der jungfräulichen Empfängnis Christi bis zu seinem Tod“ {Lumen Gentium, Nr. 57). Den Blick vom Licht der Auferstehung erleuchtet, halten wir inne, um die Verbindung der Mutter mit dem erlösenden Leiden des Sohnes zu betrachten, die sich in der Anteilnahme an seinem Schmerz vollzieht. Noch einmal, aber nunmehr in der Perspektive der Auferstehung, kehren wir unter das Kreuz zurück, wo die Mutter „heftig mit ihrem Eingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichem Geist verband, indem sie der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte“ {Lumen Gentium, Nr. 58). Mit diesen Worten erinnert uns das Konzil an das „Mitleiden Marias“, in deren Herzen sich alles niederschlägt, was Jesus im Geist und am Leib erleidet. Es unterstreicht den Willen zur Teilnahme am Erlösungsopfer und zur Vereinigung des eigenen mütterlichen Leidens mit der priesterlichen Aufopferung des Sohnes. Der Konzilstext hebt ferner hervor, daß ihre Zustimmung zum Opfer Jesu nicht passive Annahme ist, sondern ein wahrer Akt der Liebe, mit dem sie ihren Sohn als „Schlachtopfer“ zur Sühne für die Sünden der ganzen Menschheit hingibt. Schließlich setzt Lumen Gentium die Jungfrau in Beziehung zu Christus, dem Hauptakteur des Erlösungsereignisses, und legt klar, daß sie in der Verbindung „mit seinem Opfer“ ihrem göttlichen Sohn untergeordnet bleibt. 3. Im vierten Evangelium berichtet Johannes: „Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala“ {Joh 19,25). Mit dem Verb „stehen“, das eigentlich die aufrechte, gerade Haltung bezeichnet, will der Evangelist vielleicht die Würde und Stärke zum Ausdruck bringen, die im Schmerz Marias und der anderen Frauen zutage tritt. Insbesondere erinnert das „Aufrecht-Stehen“ der Jungfrau unter dem Kreuz an die unverbrüchliche Entschlossenheit und den außerordentlichen Mut, mit denen sie 47 AUDIENZEN UND ANGELUS das Leiden auf sich nimmt. Im Drama von Golgota wird Maria vom Glauben getragen, der an den Ereignissen ihres Lebens, und vor allem des öffentlichen Lebens Jesu, stark geworden ist. Das Konzil sagt: „Die selige Jungfrau [ging] den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz“ {Lumen Gentium, Nr. 58). Den unverschämten Beleidigungen, mit denen der gekreuzigte Messias geschmäht wird, bringt sie in Übereinstimmung mit seiner inneren Haltung Nachsicht und Vergebung entgegen und stimmt in seine Bitte an den Vater ein: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ {Lk 23,34). Mit ihm das Gefühl der Hingabe an den Willen des Vaters teilend, das in den letzten Worten Jesu am Kreuz „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (LA 23,46) zum Ausdruck kommt, gibt sie somit - wie das Konzil bemerkt — ihre liebevolle Zustimmung zu „der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte“ {Lumen Gentium, Nr. 58). 4. In diesem äußersten „Ja“ Marias leuchtet die zuversichtliche Hoffnung in die geheimnisvolle Zukunft auf, die mit dem Tod des gekreuzigten Sohnes begonnen hat. Die Worte, mit denen Jesus auf dem Weg nach Jerusalem die Jünger lehrte, „der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen“ {Mk 8,31), widerhallten in der dramatischen Stunde von Golgota in ihrem Herzen und weckten die Erwartung und die Sehnsucht nach der Auferstehung. Die Hoffnung Marias unter dem Kreuz enthält ein Licht, das stärker ist als die in vielen Herzen herrschende Dunkelheit: Gegenüber dem Erlösungsopfer entsteht in Maria die Hoffnung der Kirche und der Menschheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung heiße ich Euch alle willkommen, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache in der Osterwoche nach Rom zu den Gräbern der Apostel gekommen seid. Ich grüße Euch, liebe Pilger und Besucher, mit dem innigen Wunsch, daß die österliche Freude und die Hoffnung Euch auf Eurem Glaubensweg begleiten mögen. Insbesondere begrüße ich die Teilnehmer an der Diözesan-wallfahrt der katholischen Jugend des Bistums Regensburg sowie die zahlreichen Ministranten- und Jugendgruppen. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. 48 AUDIENZEN UND ANGELUS Ostern - Verheißung und Auftrag für das wahre Leben Regina Caeli am 6. April 1. „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19.21). Das ist der Gruß des auferstandenen Herrn an die Apostel. In der heutigen Liturgie hören wir ihn mehrfach. Friede sei mit euch! Das war der übliche Gruß der Juden, doch auf den Lippen Jesu wird er mit neuem Inhalt erfüllt. Der Auferstandene zeigt sich als Quelle des Friedens, eines Friedens, der nicht nur Abwesenheit von Krieg bedeutet, sondern volle Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen. Möge dieser Gruß des Auferstandenen in jedem Winkel der Erde widerhallen - in dieser unserer Zeit, die noch so sehr unter der Gewalt leidet. Friede sei mit euch! Das ist nicht nur ein Gruß, sondern ein Geschenk. Jesus versichert uns, daß der Friede möglich ist, denn er vermittelt uns dessen Geheimnis und Kraft zugleich. Er kommt, um uns aus jenem Bequemlichkeits-Pessimismus aufzurütteln, der bewirkt, daß wir Krieg und Gewalt manchmal für unvermeidlich halten und uns hinter unseren Sicherheiten und Landesgrenzen verschanzen, als ob das Leid der Brüder in der Feme uns nichts anginge und man sie zu Recht ihrem Schicksal überlassen könnte. Nein, es ist nicht so! Der uns von Christus angebotene Friede ist eine Aufgabe, die uns alle trifft, die von uns verlangt, daß wir ein wahrhaft „universales“ Herz haben. 2. Wenn wir heute die Worte Christi an die Apostel meditieren: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,23) - wie sollten wir da nicht an das Geschenk des göttlichen Erbarmens denken, das die Menschheit ständig erneuert? Die erbarmende Liebe Gottes macht jedes Menschenwesen neu; durch die Annahme des Geschenks des Erbarmens des auferstandenen Herrn wird es möglich, eine versöhnte Welt aufzubauen, die wirklich offen ist für den Horizont des Lebens, der vollen und tiefen Freude im dreieinigen Gott. Nach dem Osterereignis ist der Mensch nicht mehr ein „Sein für den Tod“, sondern ein „Sein für das Leben“. Der Abgrund des Todes wurde vernichtet durch die Lebens-Explosion des auferstandenen Christus. In der orientalischen Anastasis-Ikone ist Jesus dargestellt, wie er Adam und Eva aus dem Grab holt und ins Leben zurückruft. Die Verherrlichung Jesu ist Voraussetzung und Verheißung unserer Verherrlichung, sofern wir das Geschenk seiner erbarmenden Liebe nicht zurückweisen. Ihretwegen können wir am Fest des Lebens im auferstandenen Christus teilnehmen. 3. Die Heilige Jungfrau möge uns helfen, daß wir uns das neue Leben des Sohnes aneignen, indem wir das Geschenk des göttlichen Erbarmens annehmen, das uns zu Baumeistern der Vergebung, der Versöhnung und des Friedens macht. Sie möge denen, die an nationalen und an internationalen Stellen Regierungsverantwortung tragen, den nötigen Mut eingeben, damit sie zur rechten Zeit mit Weisheit 49 AUDIENZEN UNDANGELUS eingreifen, bevor es zu Nicht-Wiedergutzumachendem kommt und unnötig weiteres Blut vergossen wird. Nach dem „Regina-Caeli“-Gebet sagte der Papst: Die Kommission der Vereinten Nationen für die Menschenrechte, die zur Zeit in Genf ihre Sitzung hat, wird in den kommenden Tagen die Rechte der Kinder behandeln, insbesondere den rechtlichen Schutz Mindeqähriger in bewaffneten Konflikten. Ich habe diese besorgniserregende Frage wiederholt aufgegriffen - auch in der Botschaft zum letztjährigen Weltfriedenstag. Ich möchte heute erneut bekräftigen, wie sehr der Kirche die Achtung vor dem Kind und die gesamtheitliche und harmonische Entwicklung seiner Persönlichkeit am Herzen liegen. Ich erneuere daher meinen Appell an die Verantwortlichen im politischen und gesellschaftlichen Leben, daß sie, an den Grundsätzen der Moral und des Rechts Orientierung nehmend, auf jede Weise verhindern, daß Kinder zu Kriegsakteuren werden und gezwungen sind, Waffen zu ergreifen und ihresgleichen zu töten. In ihrer Unerfahrenheit und Schwäche sind sie die ersten Opfer der Gewalt und des Kriegs! Wenn wir den Frieden wollen, erziehen wir diejenigen zum Frieden, die sich anschicken, die Gesellschaft von morgen aufzubauen. Grüße an Thomas-Christen Grußworte in englischer Sprache: An diesem Sonntag, an dem die Kirche der Erscheinung des auferstandenen Christus vor dem Apostel Thomas gedenkt, gilt ein besonderer Gruß den hier auf dem Petersplatz anwesenden Priestern, Ordensleuten und Laien der syro-malabarischen Kirche sowie der syro-malankarischen Kirche. Ich bete, daß die alten orientalischen Kirchen der Sankt-Thomas-Christen weiter blühen und wachsen in gegenseitiger Zusammenarbeit, missionarischem Eifer und ökumenischem Einvernehmen [...]. 50 A UDIENZEN UND ANGEL US Maria — einzigartige Mitwirkende bei der Erlösung Ansprache bei der Generalaudienz am 9. April 1. Im Lauf der Jahrhunderte hat die Kirche das Mitwirken Marias beim Heilswerk immer wieder bedacht und ihre Verbindung mit dem Erlösungsopfer Christi tiefgehender untersucht. Schon Augustinus bezeichnet die Jungfrau als „Mitwirkende“ der Erlösung (vgl. De Sancta Virginitate, 6; PL 40, 399), ein Titel, der das gemeinsame und untergeordnete Tun Marias in bezug auf Christus, den Erlöser, hervorhebt. In diesem Sinn hat sich die Reflexion vor allem seit dem 15. Jahrhundert entwik-kelt. Manche befürchteten, man wolle Maria auf dieselbe Ebene wie Christus stellen. In Wirklichkeit betont die Lehre der Kirche deutlich den Unterschied im Heilswerk zwischen der Mutter und dem Sohn und erklärt die Unterordnung der Jungfrau im Mitwirken an der Seite des einzigen Erlösers. Wenn zudem der Apostel Paulus sagt, „wir sind Gottes Mitarbeiter“ (7 Kor 3,9), bekräftigt er, daß es dem Menschen tatsächlich möglich ist, mit Gott zusammenzuwirken. Die Mitarbeit der Gläubigen, die natürlich jede Gleichrangigkeit mit Gott ausschließt, findet ihren Ausdruck in der Verkündigung des Evangeliums und dem persönlichen Beitrag zu seiner Verwurzelung in den Herzen der Menschen. 2. Angewandt auf Maria, erhält der Begriff „Mitwirkende“ jedoch eine besondere Bedeutung. Die Heilsmitarbeit der Christen erfüllt sich nach dem Golgota-Ereig-nis, dessen Früchte durch Gebet und Opfer auszubreiten sie sich bemühen. Der Beitrag Marias hingegen wird während des Geschehens selbst geleistet in ihrer Eigenschaft als Mutter; er erstreckt sich also auf das ganze Heilswerk Christi. Sie allein wurde auf diese Weise mit dem Erlösungsopfer verbunden, das das Heil aller Menschen verdient hat. In der Verbundenheit mit Christus und ihm untergeordnet, hat sie mitgewirkt, die Gnade des Heils der gesamten Menschheit zu erwerben. Die besondere Rolle der Mitwirkenden, die der Jungfrau zukommt, beruht auf ihrer Gottesmutterschaft. Indem sie den gebar, der bestimmt war, die Erlösung des Menschen zu vollbringen, ihn nährte, im Tempel darstellte und mit ihm litt, als er am Kreuz starb, „hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise [...] mitgewirkt“ (Lumen Gentium, Nr. 61). Wenngleich der Ruf Gottes, beim Heilswerk mitzuarbeiten, an jeden Menschen ergeht, stellt die Teilnahme der Mutter des Heilandes bei der Erlösung der Menschheit eine einmalige und unwiederholbare Tatsache dar. Unbeachtet der Einzigartigkeit dieses Umstandes ist Maria ihrerseits auch Empfängerin des Heils. Sie ist die Ersterlöste, „in der erhabensten Weise“ von Christus freigekauft bei ihrer unbefleckten Empfängnis (vgl. Bulle Ineffabilis Deus [.Definition der Unbefleckten Empfängnis Mariens, 8.12.1854]; in Pius IX., Acta 1, 605) und erfüllt mit der Gnade des Heiligen Geistes. 51 A UDIENZEN UND ANGEL US 3. Die Feststellung bringt uns nun zu der Frage: Welch eine Bedeutung hat dieses einzigartige Mitwirken Marias am Heilsplan? Sie muß in der besonderen Absicht Gottes mit der Mutter des Erlösers gesucht werden. Bei zwei feierlichen Anlässen - nämlich in Kana und unter dem Kreuz - spricht Jesus sie mit dem Titel „Frau“ an (vgl. Joh 2,4; 19,26). Als Frau ist Maria mit dem Heilswerk verbunden. „Als Mann und Frau“ hat der Herr den Menschen geschaffen (vgl. Gen 1,27), auch bei der Erlösung will er dem Neuen Adam die Neue Eva zur Seite stellen. Das Urel-tem-Paar hatte den Weg der Sünde eingeschlagen; ein neues Paar, der Sohn Gottes unter Mitwirken der Mutter, sollte das Menschengeschlecht in seiner ursprünglichen Würde wiederherstellen. Maria, die Neue Eva, wird so zum vollkommenen Urbild der Kirche. Sie vertritt nach göttlichem Plan die erlöste Menschheit unter dem Kreuz, die in ihrer Heilsbedürftigkeit befähigt wird, einen Beitrag zur Entfaltung des Heilswerkes zu leisten. 4. Das Konzil hat diese Lehre wohl vor Augen und macht sie zu der seinen, indem es den Beitrag der Heiligsten Jungfrau nicht nur bei der Geburt des Erlösers, sondern auch im Leben seines mystischen Leibes durch die Jahrhunderte und bis zum „eschaton“ unterstreicht: In der Kirche „hat“ Maria am Heilswerk „mitgewirkt“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 53) und „wirkt“ Maria am Heilswerk „mit“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 63). Bei der Erklärung des Geheimnisses der Verkündigung sagt das Konzil über die Jungfrau von Nazaret: „Sie umfing den Heilswillen Gottes [...] und gab sich als Magd des Herrn ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung“ (Lumen Gentium, Nr. 56). Das II. Vatikanische Konzil zeigt Maria ferner nicht nur als „Mutter des [...] Erlösers“, sondern „in einzigartiger Weise“ als „seine großmütige Gefährtin“, die „beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe“ mitwirkt. Es erinnert schließlich daran, daß die erhabene Frucht dieses Mitwirkens die universale Mutterschaft ist: „Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ (Lumen Gentium, Nr. 61). An die Heilige Jungfrau können wir uns daher mit Zuversicht wenden, sie um Hilfe anflehen in dem Bewußtsein der einmaligen Rolle, die ihr Gott anvertraut hat: die Rolle der Mitwirkenden bei der Erlösung, die sie im ganzen Leben, besonders aber unter dem Kreuz, verwirklicht hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Indem ich Euch dem mütterlichen Beistand der Jungfrau Maria empfehle, heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Besonders begrüße ich die Schwestern und Brüder der evangelischen Gemeinden in Bremervörde und Goslar, die anwesenden Chöre, die Jugend- und Schülergruppen sowie die Pilgergruppe der Arbeitsstelle für kirchliche Erwachsenenbildung aus Zürich. Euch allen und Euren Lieben zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. 52 A UDIENZEN UND ANGEL US Sarajevo ist eine Etappe meines Pilgerwegs zum Jahr 2000 Grußworte in kroatischer Sprache: Ich grüße von Herzen alle kroatischen Pilger, besonders euch Witwen, die der jüngste tragische Krieg in Kroatien und Bosnien-Herzegowina so schwer heimgesucht hat. Mit Gottes Hilfe werde ich mich am nächsten Samstag auf Pastoralbesuch nach Sarajevo begeben. Es handelt sich um eine der Etappen meines Pilgerwegs zu den Ortskirchen im Rahmen der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 24). Als Nachfolger Petri gehe ich, um unsere Brüder und Schwestern dort im Glauben zu stärken. Diese Stadt ist in gewissem Sinn zu einem traurigen Symbol der Tragödien geworden, die im 20. Jahrhundert Europa heimgesucht haben. Diese Apostolische Reise wird auch eine Friedensreise sein, um die Solidarität der Kirche mit den leidenden Menschen und Völkern zu bezeugen. Indem ich mich euren Gebeten und denen der ganzen Kirche anempfehle, erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Sarajevo — Rückblick und erste Auswertung Ansprache bei der Generalaudienz am 16. April 1. Sanctus Deus, Sanctus fortis, Sanctus immortalis - miserere nobis. „Heiliger Gott. Heiliger, starker Gott. Heiliger, unsterblicher Gott, erbarme dich unser. Von Krankheit, Hunger und Krieg befreie uns, o Herr. Von einem plötzlichen Tod befreie uns, o Herr. Wir Sünder flehen zu dir, höre uns, o Herr. Jesus, vergib uns. Jesus, höre uns. Jesus, erbarme dich unser. Mutter, bitte. Mutter, flehe. Mutter, bitte für uns. Alle Heiligen Gottes, bittet für uns.“ Diese der Christenheit liebgewordenen Bittgebete begleiteten mich auf der Reise nach Sarajevo, während des Aufenthalts in dieser Stadt und bei der Begegnung mit der dort lebenden Christengemeinde. Mehrmals ist das Wort „Symbol-Stadt“ gefallen. In der Tat ist Sarajevo ein Symbol der europäischen Krisen. Von hier nahm 1914 der erste Weltkrieg seinen Ausgang, und am Ende dieses Jahrhunderts ist wiederum Sarajevo zum Emblem des dramatischen und absurden Krieges geworden, der die Südslawen, die Nationen des früheren Jugoslawiens, entzweite und ungeheure Menschenopfer forderte. Deshalb ist Sarajevo eine Stadt der Friedhöfe geworden. Neben dem Stadion, wo ich am Sonntag, den 13. April, der Eucharistiefeier vorstehen konnte, befinden sich gut sichtbar Friedhöfe mit den noch frischen Gräbern der Opfer des jüngsten Konflikts. Wie sollte man vergessen, daß in den 53 A UDIENZEN UND ANGEL US vergangenen Jahren uns fast täglich die schmerzlichen Bilder von Müttern oder Kindern gezeigt wurden, die an den Gräbern ihrer Männer, Väter oder Verlobten knieten? Darum habe ich mit Nachdruck in Sarajevo wiederholen wollen, was Paul VI. viele Male gesagt und ich selbst in der Botschaft an den Generalsekretär der Vereinten Nationen erneut hervorgehoben hatte: „Nie wieder Krieg, nie wieder!“ {Botschaft zur dramatischen Lage in Bosnien-Herzegowina vom l.März 1993; in: O.R.dt., 19.3.1993, S. 1; vgl. O.R.dt., 16.9.1994, S. 17). „Von Krankheit, Hunger und Krieg befreie uns, o Herr.“ 2. Die Absicht, Sarajevo zu besuchen, habe ich vor einigen Jahren in meinem Herzen gefaßt, als die Kriegshandlungen in der Region aufflammten. Ich wünschte sehr, in diese Stadt zu kommen, und setzte alles daran, es möglich zu machen. Da sich jedoch alle Anstrengungen als leider vergeblich erwiesen, habe ich wiederholte Male Gebetstreffen in Rom, Castel Gandolfo und Assisi einberufen, um für den Frieden in diesen gequälten Ländern zu beten. Ich wollte, daß ein solch inständiges Gebet unseren Brüdern und Schwestern in Bosnien-Herzegowina - Christen wie Muslimen, Kroaten wie Serben - vor Augen fiihrte, daß sie nicht allein waren: Wir waren mit ihnen und würden mit ihnen bleiben, solange der Friede nicht in ihre Heimat zurückgekehrt wäre. Die Bewohner von Sarajevo haben sich an all das erinnert und es mir während meines Besuchs gesagt. Sie wußten, daß die Kirche nicht nur in Europa, sondern auch in der ganzen Welt mit ihnen war; sie wußten, daß sie nicht alleingelassen waren. Und das war für sie gewiß eine bedeutsame moralische Hilfe. Die beharrliche Solidarität der Kirche wurde auch mit der Erhebung des Erzbischofs von Sarajevo, des verehrten Mitbruders Vinko Puljic, zur Kardinalswürde im Konsistorium von 1994 bekundet. Diese kirchliche Gemeinschaft wollte ich bei meinem Besuch unterstreichen und habe auch die anderen Bischöfe von Bosnien-Herzegowina getroffen: Msgr. Franjo Komarica, Bischof von Banja Luka, und Msgr. Ratko Peric, Bischof von Mostar-Duvno. Während des Krieges haben die Wallfahrten der Gläubigen zu den Marienheilig-tümem in Bosnien-Herzegowina wie auch in vielen anderen Teilen der Welt und speziell in Loreto nicht nachgelassen, denn es galt, die Bitte um ihre Fürsprache vor die Mutter der Nationen und Königin des Friedens zu tragen, damit der Friede in diese gequälte Region zurückkehre. „Mutter, bitte. Mutter, flehe. Mutter, bitte für uns! Alle Heiligen Gottes, bittet für uns!“ 3. Und unter dem Zeichen dieses unablässigen Friedensgebets hat in der Tat der ganze Pastoralbesuch in Sarajevo stattgefunden, von seinem Beginn am Samstagabend, 12. April, bis zum Abschluß am Sonntagnachmittag, 13. April. Jede Etappe des Programms wollte diese einzige und grundsätzliche Botschaft unterstreichen: Hoffnung! Von der Ankunft am Flughafen über die Begegnung mit den Bischöfen, dem Klerus und den Ordensleuten in der Kathedrale von Sarajevo, bis zum Höhe- 54 AUDIENZEN UND ANGELUS punkt des Besuches - der hl. Messe, konzelebriert mit Kardinalen, Bischöfen und Priestern aus Bosnien-Herzegowina sowie anderen aus dem früheren Jugoslawien hervorgegangenen Staaten und vielen Ländern Europas und der Welt - war es mein Wunsch, den Bewohnern dieser Stadt und des ganzen Landes Worte der Hoffnung zu bringen. Nach der schmerzlichen Erfahrung des Krieges, der Unrecht geschaffen und eine Spur von Rache und Haß hinter sich gelassen hat, nimmt Hoffnung die konkrete Dimension von Vergebung und Versöhnung an. Alle ethnischen und religiösen Gemeinschaften von Bosnien-Herzegowina habe ich zu Vergebung und Versöhnung ermahnt, und ich habe gebetet, daß sie zueinander sagen können: „Wir vergeben und bitten um Vergebung.“ Der Weg der Versöhnung und des Dialogs ist der einzige, der zu einem dauerhaften Frieden führt. Bei der Begegnung mit dem Klerus konnte ich nicht umhin, die besonderen Verdienste des Franziskanerordens um die Evangelisierung dieses Landes, besonders unter der Ottomanenherrschaft, zu erwähnen; zugleich habe ich dabei verweilt, den ganzen Diözesan- und Ordensklerus zu solidarischer Zusammenarbeit unter der Leitung des Ortsbischofs aufzurufen. In den Predigten und Ansprachen habe ich denen danken wollen, die auf verschiedene Weise die geprüften Volksgruppen von Bosnien-Herzegowina unterstützt haben und es weiterhin tun. Auch habe ich es nicht unterlassen, an die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instanzen Europas zu appellieren, damit die dringenden Bedürfnisse dieses vom Krieg so sehr mitgenommenen Landes nicht in Vergessenheit geraten. Bei der hl. Messe im Stadion von Sarajevo stellte uns die Wortliturgie vom Dritten Sonntag der Osterzeit Christus als unser aller Anwalt bei Gott vor. Sarajevo, Christus ist in ganz besonderer Weise dein Anwalt! Er ist unser Anwalt, ihr Nationen alle, die ihr einst die jugoslawische Föderation bildetet. Er ist dein Anwalt, geliebter europäischer Kontinent: Er ist euer Anwalt, ihr Völker der Erde! Der aus Versöhnung und Vergebung erwachsende Friede ist das Hauptanliegen jedes Gläubigen. Dieser Geist der Einheit, Vergebung und Versöhnung im Licht des Glaubens hat den Begegnungen, die ich mit den Vertretern der orthodoxen Kirche, der muslimischen Gemeinde und der jüdischen Gemainschaft haben konnte, eine besondere Beredsamkeit verliehen. Ihren humanitären Organisationen - der Caritas der Bischofskonferenz, der muslimischen „Merhamet“, der serbisch-orthodoxen „Dobrotvor“ und der jüdischen „La Benevolencjia“ -, die sich durch ihre Hilfe für die Kriegsopfer besonders verdient gemacht haben, wollte ich den „Internationalen Friedenspreis Johannes XXIII.“ verleihen. 4. Ich möchte schließlich den Autoritäten von Bosnien-Herzegowina danken für die Einladung, Sarajevo zu besuchen, und für alles, was sie während meines Besuchs getan haben. Infolge eines Friedensabkommens ist Bosnien-Herzegowina unter die Autorität eines besonderen Triumvirats gestellt: Es regieren drei Präsidenten, wovon einer Vertreter der muslimischen Gemeinschaft ist, der andere der Serbisch-Orthodoxen, während der dritte die katholische Gemeinschaft vertritt, die sich insbesondere aus Kroaten zusammensetzt. Es war mir gegeben, dieses Trium- 55 A UDIENZEN UND ANGELUS virat zu treffen und mit jedem der Präsidenten die Fragen von besonderer Bedeutung für das Land im gegenwärtigen Augenblick zu besprechen. Allen dreien bringe ich durch den Präsidenten des Triumvirats, Herrn Izetbegovic, meine dankbaren Gefühle zum Ausdruck. Wir werden dafür sorgen, daß verwirklicht wird, was bei den Gesprächen an die Adresse des Apostolischen Stuhls gewünscht wurde, um weiterhin dem Wohl dieser so hart geprüften Menschen zu dienen. „Jesus, vergib uns. Jesus, höre uns. Jesus, erbarme dich unser. Mutter, bitte. Mutter, flehe. Mutter, bitte für uns. Alle Heiligen Gottes, bittet für uns!“ Mit diesen Bittgebeten beschließe ich meine Überlegungen und flehe noch einmal zu Gott: „Von Krankheit, Hunger und Krieg befreie uns, o Herr!“ Wir wollen danken für den endlich erreichten Frieden und bitten, daß er von Dauer sei. Wir wollen beten, daß man nie mehr der gefährlichen Versuchung verfallt, die wichtigen Fragen unter den Menschen und Nationen durch einen bewaffneten Konflikt zu lösen. Möge dies einzig auf dem Weg des Dialogs und der Übereinkunft geschehen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Mitgliedern der ,Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Presse e. V.“, den evangelischen und katholischen Pfarrgemeinderäten aus Wolfsburg sowie den Schülerinnen und Lehrkräften der Mädchenrealschule der Dominikanerinnen aus Dießen am Ammersee. Euch alle lade ich ein, für einen dauerhaften Frieden zu beten, der gekennzeichnet ist von Dialog und Verständnis. Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Hl. Adalbert - Vorbild für Priester als Zeuge der Wahrheit Regina Caeli am 20. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen hatte ich die Freude, einunddreißig Diakone der Diözese Rom zu Priestern zu weihen. Es ist äußerst bedeutsam, daß dieser so beeindruckende Ritus am Weltgebetstag um geistliche Berufe stattgefunden hat. Laßt uns miteinander dem Guten Hirten für das Geschenk des Priestertums danken, das sich in diesen Neugeweihten erneuert. Wir wollen den Familien, den Erziehern und den für die Ausbildung Verantwortlichen danken, die sie Jahre hindurch geführt und heute zum Altar begleitet haben. Danken wir diesen Neupriestem, die mit großer 56 A UDIENZEN UND ANGELUS Selbstlosigkeit ihr Leben Christus übergeben haben und ein sichtbares Zeichen der Hoffnung für die Kirche und für die Welt geworden sind. Der Priester ist ein „Mann der Hoffnung“ nicht weil er auf seine menschlichen Kräfte und Fähigkeiten baut - er verbleibt in der Tat unter der Last der menschlichen Schwäche sondern weil die Gnade des Sakramentes ihn trägt und zu einem lebenden Bild Christi, des Guten Hirten macht, der „sein Leben hin[gibt] für die Schafe“ {Joh 10,11). Das ist es, was Christus von seinen Dienern erwartet. Ihr Leben hat Sinn, wenn es „geschenktes“, vom auferstandenen Christus erleuchtetes Leben ist. 2. Vergangenen Sonntag befand ich mich in Sarajevo, der Symbol-Stadt unseres Jahrhunderts, Ort des Leidens und der Hoffnung. Ich danke dem Herrn für den Fortschritt des Friedens, der in Gang gebracht wurde, und hoffe, daß er dauerhafte Früchte der Versöhnung und der Solidarität bringen möge. Im Verlauf meines Besuchs hatte ich Gelegenheit, die Tätigkeit von kirchlichen Einrichtungen, Regierungen und internationalen Organisationen sowie sonst aller zu würdigen, die sich eingesetzt haben, um Leiden und Not der dortigen Volksgruppen zu lindem. Es gilt jetzt, ohne Verzögerungen fortzufahren mit der Hilfe für die im Lauf des tragischen Konflikts so schwer mitgenommenen Menschen und für die immer noch an den Folgen tragenden Opfer. Jetzt ist die Zeit des moralischen und materiellen Wiederaufbaus gekommen. Wir wollen der Bevölkerung dieser geliebten Region weiterhin mit unserer tatkräftigen Solidarität nahe sein. Liebe Brüder und Schwestern, indem ich euch dafür danke, daß ihr mich vergangenen Samstag und Sonntag geistlich auf meiner Pilgerreise nach Sarajevo begleitet habt, vertraue ich eine weitere apostolische Reise eurem Gebet an. Ich werde mich am Ende dieser Woche in die Tschechische Republik begeben zur Tausendjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert, erster Bischof von Prag böhmischen Blutes, Benediktinermönch, mutiger Missionar, unerschrockener Zeuge der Wahrheit. 3. Maria, der Frau des Glaubens und der Hoffnung, wollen wir unsere Gebetsanliegen anvertrauen: die Volksgruppen von Sarajevo und Bosnien-Herzegowina, meinen Besuch in der Tschechischen Republik sowie vor allem die Neugeweihten und mit ihnen alle Priester der Welt, daß sie nach dem Vorbild des hl. Adalbert fähig seien, täglich ihr Leben für die Brüder hinzugeben. Nach dem Gebet „Freu dich, du Himmelskönigin“ grüßte der Papst die auf dem Petersplatz Anwesenden in mehreren Sprachen. Auf italienisch sagte er u. a.: ... Ich grüße ferner die Studenten von drei Schulen, die Partnerschaft untereinander geschlossen haben: Es handelt sich um die Schulen „Garibaldi“ in Genzano, „Sandro Pertini“ in Warschau und das „Domgymnasium“ in Merseburg (Deutschland) 57 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf deutsch: Mit großer Freude begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, insbesondere die Gläubigen der Pfarre St. Paul in Wien-Döbling. Euch allen gelten meine besten Wünsche und mein Segen. Forderang der Ächtung von Anti-Personen-Minen Heute ist auf dem Petersplatz eine große Gruppe von Vertretern der „Italienischen Kampagne für die Ächtung von Anti-Personen-Minen“ anwesend. In verschiedenen Teilen der Welt töten und verstümmeln diese mörderischen Sprengkörper weiterhin vor allem unschuldige Personen selbst Jahre nach dem Ende der Feindseligkeiten. Sie verhindern so, daß Länder und Regionen, die Opfer dieser Geißel sind, zu einem normalen Gesellschafts und Wirtschaftsleben zurückkehren können. Ich bitte den Herrn des Friedens, daß er den Regierungsverantwortlichen den Mut gibt, den Schrei dieser Opfer zu hören und so schnell wie möglich einen guten Ausgang der zur Zeit laufenden Verhandlungen zur völligen Abschaffung dieser heimtückischen Waffen herbeizuführen. Frau, siehe, dein Sohn! Ansprache bei der Generalaudienz am 23. April 1. Nachdem der Evangelist Johannes auf die Anwesenheit Marias und der beiden anderen Frauen beim Kreuz hingewiesen hat, berichtet er: „Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-27). Diese besonders ergreifenden Worte stellen eine „Offenbarungsszene“ dar: Sie offenbaren die tiefen Gefühle des sterbenden Christus und enthalten einen großen Bedeutungsreichtum für den christlichen Glauben und die christliche Spiritualität. Denn indem er sich am Ende seines irdischen Lebens an die Mutter und den Jünger, den er liebt, wendet, knüpft der gekreuzigte Messias neue Beziehungen der Zuneigung zwischen Maria und den Christen. Diese Worte wurden bisweilen einzig als Äußerung der Sohnesliebe Christi gegenüber der Mutter interpretiert, die er für die Zukunft dem Lieblingsjünger anvertrauen will. Sie gehen jedoch weit über die gegebene Notwendigkeit, ein familiäres Problem lösen zu müssen, hinaus. Eine aufmerksame Betrachtung des Textes läßt uns in der Tat in dem doppelten Vermächtnis Jesu, bestätigt durch die Auslegung vieler Kirchenväter und das gemeinsame Empfinden der Kirche, eine der bedeutsamsten Tatsachen zum Verständnis der Rolle der Jungfrau in der Heilsökonomie erkennen. Tatsächlich wird aus den Worten des sterbenden Jesus ersichtlich, daß es ihm in erster Linie nicht darum geht, seine Mutter dem Johannes anzuvertrauen, sondern darum, den Jünger Maria zu übergeben und ihr damit 58 A UDIENZEN UND ANGEL US eine neue Mutterrolle zuzuteilen. Die Anrede „Frau“, die Jesus auch bei der Hochzeit in Kana gebrauchte, um Maria in eine neue Dimension ihres Mutterseins zu fuhren, zeigt darüber hinaus, daß die Worte des Heilandes nicht aus einem einfachen Gefühl der Kindesliebe hervorgehen, sondern auf einer höheren Ebene verstanden sein wollen. 2. Wenngleich der Tod Jesu größtes Leid für Maria bringt, ändert er nicht von sich aus ihre üblichen Lebensgewohnheiten: Denn Jesus hatte schon beim Weggang voj Lazaret zu Beginn seines öffentlichen Lebens die Mutter verlassen. Die Anwesenheit ihrer Verwandten - Maria, Frau des Klopas - beim Kreuz berechtigt überdies zu der Annahme, daß die Jungfrau in guten Beziehungen zu Familie und Verwandtschaft stand, so daß sie nach dem Tod des Sohnes dort Aufnahme finden konnte. Die Worte Jesu erhalten hingegen ihre ganz wahre Bedeutung innerhalb seiner Heilssendung. Sie wurden im Augenblick des Erlösungsopfers gesprochen und beziehen gerade aus diesem erhabenen Umstand ihren höchsten Wert. In der Tat macht der Evangelist nach den Worten Jesu an die Mutter die bedeutsame Anmerkung: „... als Jesus wußte, daß nun alles vollbracht war ..." (Joh 19,28), als wolle er hervorheben, daß Jesus mit der vertrauensvollen Übereignung der Mutter an Johannes - und mit ihm an alle Menschen, denen sie im Heilswerk zur Mutter wird - sein Opfer vollendet hatte. 3. Die durch die Worte Jesu geschaffene Realität, nämlich die neue Mutterschaft Marias gegenüber dem Jünger, ist ein weiteres Zeichen der großen Liebe, die Jesus dazu gebracht hat, sein Leben für alle Menschen hinzugeben. Auf Golgota erweist er diese Liebe, indem er uns eine Mutter - „seine“ Mutter - gibt, die damit auch unsere Mutter wird. Es sei daran erinnert, daß der Überlieferung zufolge Johannes von der Jungfrau als eigener Sohn anerkannt wurde; dieses Privileg wurde vom Christenvolk seit den Anfängen als Zeichen einer geistlichen Mutterschaft, bezogen auf die ganze Menschheit, interpretiert. Die universale Mutterschaft Marias, die „Frau“ der Hochzeit zu Kana und auf Golgota, erinnert an Eva, „die Mutter aller Lebendigen“ (Gen 3,20). Während diese allerdings zum Eintreten der Sünde in die Welt beigetragen hatte, wirkt die neue Eva, Maria, am Heilsereignis der Erlösung mit. So wird in der Jungfrau die Gestalt der „Frau“ rehabilitiert, und die Mutterschaft erhält die Aufgabe, das neue Leben in Christus unter den Menschen zu verbreiten. Im Hinblick auf diese Sendung wird von der Mutter das - für sie sehr schmerzhafte - Opfer verlangt, den Tod ihres Eingeborenen hinzunehmen. Die Worte Jesu: „Frau, siehe, dein Sohn!“ lassen Maria die neue Mutterbeziehung erahnen, welche die vorangegangene erweitern und ausdehnen soll. Ihr „Ja“ zu diesem Plan ist daher Zustimmung zum Opfer Christi, das sie, dem göttlichen Willen folgend, großherzig annimmt. Wenn die Mutterschaft Marias im Plan Gottes auch von Anfang an dazu bestimmt war, sich auf die ganze Menschheit zu erstrecken, so wird sie doch erst auf Golgota kraft des Opfers Christi in ihrer universalen Dimension offenbar. 59 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Worte Jesu: „Siehe, dein Sohn!“ bewirken das, was sie zum Ausdruck bringen: Sie machen Maria zur Mutter des Johannes und aller Jünger, die zum Empfang des Geschenkes der göttlichen Gnade bestimmt sind. 4. Jesus hat am Kreuz nicht formell die universale Mutterschaft Marias verkündet, sondern eine konkrete Mutterbeziehung zwischen ihr und dem Lieblingsjünger hergestellt. In dieser Wahl des Herrn kann man das Interesse erkennen, daß diese Mutterschaft nicht in vagem Sinne interpretiert werde, sondern die intensive und persönliche Beziehung Marias zu den einzelnen Christen anzeige. Möge jeder von uns gerade wegen dieser Konkretheit der universalen Mutterschaft Marias in ihr vollends die eigene Mutter erkennen und sich mit Zuversicht ihrer mütterlichen Liebe anvertrauen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutsch-sprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die Patres und Brüder der Abtei Königsmünster willkommen, die auf den Spuren des hl. Benedikt unterwegs sind. Ebenso herzlich begrüße ich die Pilger des Jugendhauses Altenberg, die aus Anlaß des 75. Geburtstages der Einrichtung eine Wallfahrt nach Rom unternehmen. Nicht vergessen möchte ich die zahlreichen Schüler- und Jugendgruppen, die zu dieser Begegnung gekommen sind. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Appell für den Frieden in Zaire Neuerlich richte ich meine Gedanken, von Liebe und zugleich von Schmerz erfüllt, auf Zaire und seine ganze Bevölkerung, deren Leiden auch in dieser Osterzeit, die eine Zeit der Freude sein sollte, weitergehen. Alle an dem Konflikt beteiligten Parteien bitte ich inständig, in einen loyalen Dialog und wirkliche Verhandlungen einzuwilligen und mit den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, damit baldmöglichst die Einstellung der Feindseligkeiten und eine Rückkehr auf den Weg zu echter Demokratie erreicht werden kann. Nur so bleiben vielen Unschuldigen weitere und noch schwerere Leiden erspart! Ich möchte die Aufmerksamkeit aller auf die Tragödie der ruandischen Flüchtlinge lenken, die, wie es scheint, kein Ende nehmen will: Ich bitte dringend darum, daß man ihnen die Hilfe gewährleistet, die sie nötig haben! Ich fordere, daß man ihnen eine würdevolle, sichere und gerechte Rückkehr in die Heimat erleichtert, ohne den zu diesem Zweck vorgesehenen Plänen Hürden oder Hindernisse in den Weg zu legen! 60 A UDIENZEN UND ANGEL US Zum auferstandenen Christus, dem Sieger über Haß und Tod, wollen wir unser einstimmiges Gebet erheben, damit der Friede, den er Zaire und der ganzen Menschheit als österliches Geschenk geben will, in erneuerten und versöhnten Herzen aufgenommen werden kann. Der hl. Adalbert — Mitgestalter der Geschichte Europas Ansprache bei der Generalaudienz am 30. April 1. „Sankt Adalbert, unser Patron, Beschützer unseras Vaterlandes, bitte für uns!“ Diese Worte und die Melodie, zu der sie gesungen werden, haben mich auf meinem Besuch in der Tschechischen Republik anläßlich der Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert begleitet. Der hl. Adalbert, aus dem Fürstengeschlecht der Slavnik stammend, wurde im Jahr 956 in Libice, im Gebiet der heutigen Diözese Hradec Krälove [Königgrätz] geboren. Schon mit jungen Jahren wurde er Bischof. Er war der erste Tscheche auf dem Bischofsstuhl von Prag. Doch erwies sich sein Hirtenamt nicht als leicht, so daß er nach kurzer Zeit die Stadt verlassen mußte. Er kam nach Rom und wurde hier, auf dem Aventin, Benediktiner. Bischof und Mönch, dem Apostolischen Stuhl gehorsam, erklärte er sich stets bereit, nach Prag zurückzukehren, wenn der Papst es wünschte. Als die Situation in Prag sich ein wenig gebessert hatte, bat ihn der Nachfolger Petri, in die Heimat zurückzukehren. Er gehorchte. Die Besserung war nur vorübergehend. Bischof Adalbert wurde erneut vertrieben. Er machte sich daher als Missionar auf den Weg, um Christus den Völkern zu verkünden, die ihn noch nicht kannten. Er verbrachte zunächst einige Zeit in der Pannonischen Ebene, dem Gebiet des heutigen Ungarn. Später weilte er auf Einladung von König Boleslaw dem Tapferen an dessen Hof: Durch die Mährische Pforte zog er nach Gnesen, nicht nur um die Gastfreundschaft des Königs zu genießen, sondern um eine neue missionarische Aufgabe in Angriff zu nehmen. Dieses Mal führte die Mission ihn an die Küste der Ostsee mit dem Ziel, Christus dem heidnischen Preußen zu verkünden. Hier am „Baltischen Meer“ fand er durch das Martyrium den Tod, wie Johannes Canaparius im Offizium seines liturgischen Gedenktages hervorhebt. König Boleslaw der Tapfere erwarb um einen hohen Preis den Leichnam des Märtyrers und ließ die Reliquien nach Gnesen bringen. In jener Zeit, dem christlichen Mittelalter, hatten die Reliquien der Märtyrer einen hohen Wert auch für die zivile Gemeinschaft. So war es bei Adalbert. Seiner Reliquien wegen entstand im Jahr 1000 in Gnesen die erste polnische Metropole, und das Polen der Piasten wurde Mitglied der Familie der europäischen Nationen und Staaten. Das Martyrium des hl. Adalbert wurde zum Fundament von Kirche und Staat im Land der Piasten. Heute befinden sich Reliquien dieses Märtyrers außer in Gnesen auch in Prag in der Domkirche zu Sankt Veit, Wenzel und Adalbert. 61 A UDIENZEN UND ANGEL US 2. Es war richtig, der Einladung der polnischen Bischöfe, nach Gnesen zu kommen, erst nach meiner Reise in die Tschechische Republik zuzustimmen. „Sankt Adalbert, unser Patron, Beschützer unseres Vaterlandes, bitte für uns!“ Ohne Zweifel ist Böhmen die erste Heimat des hl. Adalbert, und vor allem die Stadt Libice, wo er geboren wurde und sich heute noch der Familiensitz der Fürsten Slavnik befindet. Diese erste Heimat des hl. Adalbert, sein Geburtsland und der Ort, wo er durch seine Eltern die Taufe empfing, war logischerweise das erste Ziel meiner Pastoraireise aus Anlaß des Tausendjahrgedenkens. Man kann sagen, daß seine zweite Heimat Polen war, das Land, wo er die zweite Taufe empfing, die des Martyriums, durch welches er im himmlischen Vaterland geboren wurde, dem er in den einundvierzig Jahren seines Erdendaseins heroisch entgegengepilgert war. In jungen Jahren war er Bischof geworden, in jungen Jahren war er für das Himmelreich gereift. Dieser persönliche Weg des Heiligen, der Weg eines Märtyrers, des Patrons Böhmens und Polenc, hat nach tausend Jahren auch für uns Gläubige und für die ganze auf Erden pilgernde Menschheit eine große Bedeutung. Durch das irdische „itine-rarium“ des hl. Adalbert, durch sein Martyrium können wir die geistliche Geschichte des ganzen europäischen Kontinents, und besonders Mitteleuropas, nachvollziehen. Das ist der Zweck der Tausendjahrfeiern, bei denen Vertreter der Episkopate aller europäischen Länder das Wort ergriffen haben - alle in dem Bewußtsein des Gewichts, das Adalbert in der geistlichen Geschichte Europas gehabt hat. Von Herzen danke ich noch einmal den Autoritäten des Staates und der Bischofskonferenz der Tschechischen Republik für die Einladung, an der Feier des Adalbert-Millenniums teilzunehmen. Ich danke Herrn Präsident Vaclav Havel für seine Worte, die die Bedeutung der Sendung des großen Bischofs gut interpretiert haben. Ich danke Herrn Kardinal Miloslav Vlk und allen Bischöfen der Tschechischen Republik für die Organisation der Millenniumsfeiem. Wie sollte man es an diesem Punkt unterlassen, in besonderer Weise des verstorbenen Kardinals Frantisek Tomäsek zu gedenken, dessen Grabstätte ich im Dom zu Prag besuchen konnte? Auf ihn geht in der Tat die Initiative des „Jahrzehnts der geistlichen Erneuerung“ zur Vorbereitung der Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert zurück. Auch möchte ich Bischof Karel Otcenäsek, dem Dekan der tschechischen Bischöfe, danken, der die Feierlichkeiten in seiner Diözese Hradec Krälove (Königgrätz) organisiert hat, wo der hl. Adalbert geboren wurde. Überaus passend war es, daß sich an dem mit der Jugend des Heiligen verbundenen Ort die Jugendlichen zur heiligen Messe einfanden: die Jugendlichen Böhmens und Mährens sowie aus den Nachbarländern - so haben sie in gewissen Sinn die Jugend ganz Europas vertreten. Ebenso reich an Bedeutung war die Begegnung mit den Ordensmännem und Ordensfrauen sowie mit den Kranken in der historischen Benediktiner-Erzabtei Brevnov in Prag, die ihre Gründung dem hl. Adalbert vardankt. Nach der langen, harten Zeit der Prüfung während der kommunistischen Diktatur erlebt das ge- 62 AUDIENZEN UND ANGELUS weihte Leben jetzt einen Frühling, wie es die Anwesenheit von jungen Berufungen unter den betagten Ordensleuten deutlich unter Beweis stellte. Brevnov, und besonders sein sehr bekannter Erzabt Anastasius, setzen ihr Werk in der Spur der Tradition der großen, an Verdiensten in ganz Europa reichen benediktinischen Familie fort - nicht nur in bezug auf das liturgische Leben, sondern auch auf die Kultur des Landes. Am Sonntag, 27. April, kam eine große Menge von Gläubigen zur heiligen Messe in Prag zusammen an demselben Ort, wo es mir vor sieben Jahren gleich nach dem Fall des Kommunismus gegeben war, die Eucharistie zum ersten Mal auf tschechischem Boden zu feiern. Am Nachmittag fand dann das letzte Treffen statt, das gemeinsame ökumenische Gebet in der Domkirche, dem der Besuch bei den Reliquien des hl. Adalbert folgte, die dort neben denen des hl. Wenzel ruhen. Der Dom ist das große Nationalheiligtum von ganz Böhmen. An dem ökumenischen Gebet haben die christlichen Konfessionen, die auf tschechischem Boden leben, teilgenommen. Alle haben mit dem Papst zusammen die Dringlichkeit der Einheit der Christen verspürt, deren überzeugter und tatkräftiger Verfechter der hl. Adalbert war. Ich danke Gott für diese Begegnung und für die Worte, die Dr. Smetana, der Präsident des Rates der Kirchen der Tschechischen Republik und Vertreter der Tradition der Böhmischen Brüder, gesprochen hat. Als Präsident Vaclav Havel mich im Jahr 1990 auf dem Prager Flughafen willkommen hieß, sagte er die denkwürdigen Worte: „Ich weiß nicht, was ein Wunder ist, aber die Tatsache, heute den Papst hier empfangen zu können, ist sicher ein Wunder.“ Er sprach von einem Wunder im moralischen Sinn und spielte auf den Zusammenbruch des totalitären kommunistischen Systems an, das lange Zeit verschiedene Länder im Osten Europas unterdrückt hatte. Man kann sagen, daß mein jüngster Besuch im Zusammenhang mit der Adalbert-Tausendjahrfeier gewissermaßen die Fortsetzung jenes moralischen Wunders gewesen ist. Deshalb singe ich mit dem Psalmisten zum Herrn: „Ich danke dir [...] in Ewigkeit; denn du hast das alles vollbracht“ (Ps 52,11). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Abgeordneten des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landtags von Sachsen-Anhalt. Außerdem grüße ich die Mitarbeiter des Berufsbildungswerkes Abensberg der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg, die Schüler der Berufsfm-dungskurse der Landesberufsschule Brixen sowie die Firmlinge der Pfarrei St. Marien, Wädenswil. Euch allen, Euren Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 63 AUDIENZEN UND ANGELUS Die neuen Seligen — Erneuerer der Glaubensfreude Regina Caeli am 4. Mai Am Schluß der feierlichen Seligsprechungs-Messe auf dem Petersplatz sprach der Papst die folgenden Worte zum Regina-Caeli-Gebet. Er begann auf spanisch: 1. Bei dieser Feier hatte ich die Freude, fünf neue Selige zur Ehre der Altäre zu erheben, die auch Zeugen der Verschiedenheit der Wege sind, auf denen man der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit folgen kann. Wir wollen nun die Jungfrau Maria mit dem Regina Caeli ehren, das das Mariengebet der Osterzeit ist. In dieser Freude möchte ich sehr herzlich die zahlreichen Bischöfe, zivilen Autoritäten und Pilger grüßen, die aus Spanien und Lateinamerika gekommen sind, um diesen großen Söhnen und dieser großen Tochter der Kirche die Ehre zu erweisen. Möge ihr Beispiel in euren Ländern leuchten und ihre Fürbitte euch Hilfe sein bei eurem Tun. Maria, die Allheilige, die die neuen Seligen kindlich verehrten, lasse euch die Wärme ihres mütterlichen Schutzes für euch alle und eure Familien spüren. ... und fuhr auf italienisch fort: 2. Ein besonderer Gedanke gilt den Pilgern italienischer Sprache, die zur Teilnahme an der heutigen Feier gekommen sind. Ich grüße insbesondere den Erzbischof, die Priester und die Gläubigen der Diözese Reggio Calabria, zu deren Klerus der sei. Priester Gaetano Catanoso gehörte. Ich grüße auch den Bischof und die Gläubigen der Diözese Cremona, wo der sei. Enrico Rebuschini lebte und wirkte. Das außerordentliche Zeugnis dieser beiden neuen Seligen, ihr brennender Glaube und ihre selbstlose Hingabe an die Leidenden und Ausgegrenzten mögen in jedem, liebe Brüder und Schwestern, die Freude der Nachfolge Christi erneuern, um „Salz“ und „Licht“ in allen Lebensmilieus sein zu können. Einen herzlichen Gruß richte ich sodann an die Mitglieder der Gemeinschaften der „Kalos“, „Roma“, „Sinti“, „Manush“, „Kaoli“ sowie aller anderen Nomadengemeinschaften. Ihr seid in großer Zahl und voller Begeisterung gekommen, um an der Seligsprechung eines Sohnes eures Volkes, Ceferino Gimenez Malla, teilzunehmen: Seid willkommen! „O del andatumen kate naisisaras sia le devles. T’aven bahtale tai saste tai train miro!“ (Gott hat euch hierhergeführt, laßt uns alle Gott danken. Mögt ihr glücklich und gesund sein und in Frieden leben!) 3. Maria, die Königin aller Heiligen, erwirke uns, daß wir dem leuchtenden Beispiel der neuen Seligen folgen, damit wir die Kraft ihrer Fürbitte erfahren und im voraus jenes Band der Gemeinschaft erleben können, dessen wir uns im Haus des Vaters in Ewigkeit zu erfreuen hoffen. 64 A UDIENZEN UND ANGELUS Siehe, deine Mutter! Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Mai 1. Nachdem Jesus mit den Worten „Frau, siehe, dein Sohn!“ Johannes an Maria übergeben hat, wendet er sich vom Kreuz herab an den Lieblingsjünger und sagt: „Siehe, deine Mutter!“ {Joh 19,26-27). Die Worte Jesu erschließen Maria den Höhepunkt ihrer Mutterschaft: Als Mutter des Erlösers ist sie auch Mutter der Erlösten, ist sie die Mutter aller Glieder des Mystischen Leibes des Sohnes. Die Jungfrau nimmt die Erhebung zu diesem höchsten Grad ihrer Gnaden-Mutter-schaft schweigend an, hat sie doch eine Glaubensantwort schon mit ihrem „Ja“ bei der Verkündigung gegeben. Jesus ermahnt Johannes nicht nur, sich mit besonderer Liebe Marias anzunehmen, sondern er übergibt sie an ihn, damit er sie als seine Mutter anerkenne. Beim letzten Abendmahl hörte „der Jünger, den Jesus liebte“, das Gebot des Meisters: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ {.Joh 15,12) und empfing, den Kopf an der Brust des Herrn, ein besonderes Zeichen seiner Liebe. Diese Begebenheit machte ihn bereit, in den Worten Jesu die Aufforderung recht zu erkennen, daß er die ihm zur Mutter Gegebene aufnehmen und gleich ihm mit Sohnesliebe lieben solle. Mögen sich durch die Worte Jesu: „Siehe, deine Mutter!“ alle aufgefordert fühlen, Maria als Mutter anzunehmen und als wahre Kinder auf ihre Mutterliebe zu antworten. 2. Im Licht dieser Übergabe an den Lieblingsjünger kann man den authentischen Sinn der Marienverehrung in der kirchlichen Gemeinschaft verstehen. Sie läßt die Christen tatsächlich in die Sohnesbeziehung Jesu zu seiner Mutter treten und versetzt sie in die Lage, in der Freundschaft mit beiden zu wachsen. Die Verehrung, welche die Kirche der Jungfrau entgegenbringt, ist nicht nur Frucht spontaner Initiative der Gläubigen in Anbetracht des außerordentlichen Wertes ihrer Person und der Bedeutung ihrer Rolle im Heilswerk, sondern ist im Willen Christi begründet. Die Worte „Siehe, deine Mutter!“ drücken die Absicht Jesu aus, in den Jüngern eine Haltung der Liebe und des Vertrauens gegenüber Maria hervorzurufen und sie dahin zu bringen, daß sie in ihr ihre Mutter, die Mutter jedes Glaubenden, erkennen. In der Schule der Jungfrau lernen die Jünger den Herrn, wie Johannes, zutiefst kennen und werden fähig, eine innige und beständige Beziehung der Liebe zu ihm herzustellen. Sie entdecken auch die Freude, sich der mütterlichen Liebe der Mutter anzuvertrauen und als liebevolle und gehorsame Kinder zu leben. Die Geschichte der christlichen Frömmigkeit lehrt, daß Maria der Weg ist, der zu Christus fuhrt, und daß die kindliche Verehrung, die ihr entgegengebracht wird, der Vertrautheit mit Jesus keinen Abbruch tut, sie im Gegenteil vermehrt und zu höchster Vollkommenheit gelangen läßt. 65 A UDIENZEN UND ANGELUS Die unzähligen Marienheiligtümer überall in der Welt sind ein Zeugnis für die Wunder, welche die göttliche Gnade auf die Fürsprache Marias, der Mutter des Herrn und unserer Mutter, wirkt. Auch die Männer und Frauen unserer Zeit können, wenn sie sich, von ihrer Zärtlichkeit angezogen, an sie wenden, Jesus, dem Herrn und Heiland ihres Lebens, begegnen. Vor allem die Armen finden in ihrer geistlichen, menschlichen und materiellen Not Zuflucht und Frieden bei der Gottesmutter und entdecken, daß der wahre Reichtum für alle in der Gnade der Umkehr und der Nachfolge Christi besteht. 3. Der Evangeliumstext geht in der griechischen Urfassung folgendermaßen weiter: „Von jener Stunde an nahm der Jünger sie in sein Besitztum auf‘ (vgl. Joh 19,27). Damit wird die unverzügliche und offenherzige Antwort des Johannes auf die Worte Jesu unterstrichen, und es wird uns Auskunft gegeben über das Verhalten, das er sein ganzes Leben lang als treuer Beschützer und gehorsamer Sohn der Jungfrau übte. Die Stunde der Aufnahme ist die der Vollendung des Heilswerks. In genau diesem Kontext nimmt die geistliche Mutterschaft Marias ihren Anfang, und das neue Band zwischen ihr und den Jüngern des Herrn tritt in Erscheinung. Johannes nahm die Mutter „in sein Besitztum“ auf. Diese eher allgemeine Ausdrucksweise scheint auf seine persönliche Initiative hinzuweisen, ein von Respekt und Liebe erfülltes Handeln nicht nur in der Absicht, Maria in seinem Haus Aufnahme zu gewähren, sondern vor allem, um in Gemeinschaft mit ihr sein geistliches Leben zu leben. Tatsächlich bezieht sich die griechische Wendung, die wörtlich mit „in sein Besitztum“ übersetzt wird, nicht so sehr auf die materiellen Güter - denn Johannes „besaß“, wie wir von Augustinus wissen (vgl. In Ioan. Evang. tract. 119,3), „nichts zu eigen“ -, sondern vielmehr auf die geistlichen Güter und Gaben, die er von Christus empfangen hat: die Gnade (Joh 1,16), das Wort {Joh 12,48; 17,8), den Geist {Joh 7,39; 14,17), die Eucharistie {Joh 6,32-58) ... Unter diese Gaben, die aus der Tatsache, daß er von Jesus geliebt ist, herrühren, nimmt der Jünger Maria als Mutter auf und bildet mit ihr eine tiefe Lebensgemeinschaft (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 45, Fußnote 130). Möge jeder Christ nach dem Beispiel des Lieblingsjüngers „Maria bei sich aufnehmen“, ihr in seinem täglichen Leben Raum geben und so ihre von der Vorsehung gewollte Rolle auf dem Weg des Heils erkennen. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen marianischen Betrachtung heiße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache herzlich willkommen. Insbesondere grüße ich die Familienangehörigen, die Verwandten und die Bekannten der Schweizergardisten, die zur Vereidigung der Garde am 6. Mai nach Rom gekommen sind. Ebenso begrüße ich 66 A UDIENZEN UND ANGELUS die Schüler und Schülerinnen der Gehörlosenschule in Zell und die ständigen Dia-kone aus dem Bistum Trier. Außerdem grüße ich alle Schüler und Jugendlichen. Euch allen, Euren Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Ächtung chemischer Waffen unverzüglich durchsetzen Ende des vergangenen Monats ist die „Konvention über die Ächtung von chemischen Waffen“ in Kraft getreten - Waffen, die für die ganze Welt eine ungeheure Gefahr darstellen. Während ich für die beharrlichen Bemühungen, die zu diesem Ziel geführt haben, meine Anerkennung ausspreche, appelliere ich an die Regierungsverantwortlichen, unverzüglich dafür zu sorgen, daß das von dieser Konvention Vorgesehene in die Praxis umgesetzt wird. Die ganze Menschheit erwartet eine solche Haltung, um beruhigter in die Zukunft blicken zu können. Offenheit und Zusammenarbeit in Nahost Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Mai 1. Der seit langem erwartete Besuch im Libanon hat am 10. und 11. Mai endlich stattgefunden. Und zwar zu der Zeit, wo die Kirche sich nach der Himmelfahrt des Herrn auf das Hochfest Pfingsten vorbereitet: Sie erneuert gewissermaßen die erste große Novene der Christengemeinschaft zum Heiligen Geist. Jesus hatte nämlich vor seiner Auffahrt in den Himmel den Aposteln geboten, nicht von Jerusalem wegzugehen und auf das Kommen des Heiligen Geistes zu warten: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Gehorsam dem Gebot des Herrn, waren die Apostel in die Stadt zurückgekehrt und „verharrten dort - wie es in der Apostelgeschichte heißt - alle einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Sie blieben in dem Obergemach versammelt, wo die Eucharistie eingesetzt worden war, wo Christus ihnen nach seiner Auferstehung erschienen war, ihnen die Wundmale gezeigt hatte, sie angehaucht und zu ihnen gesprochen hatte: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). In den Abendmahlssaal, den Ort der Einsetzung der Eucharistie und des Sakraments der Versöhnung, kehrt die Kirche geistlich zurück, aufgefordert von der Liturgie der Tage nach Christi Himmelfahrt. Und wie sollte man Gott nicht danken dafür, daß die Begegnung mit der libanesischen Nation - die von mir so lange ersehnte Begegnung - gerade zu dieser Zeit verwirklicht werden konnte. 67 A UDIENZEN UND ANGEL US 2. Der unmittelbare Anlaß für diesen Besuch war der feierliche Abschluß der Bischofssynode für den Libanon, deren Arbeiten im November und Dezember 1995 in Rom stattgefunden hatten. Die Früchte dieser Versammlung wurden in ein nachsynodales Apostolisches Schreiben gefaßt; ich hatte die Freude, dieses Dokument während meiner Pilgerreise in den Libanon zu unterzeichnen, und zwar bei einer höchst bedeutsamen Gelegenheit, nämlich der Begegnung mit den Jugendlichen am Samstagabend, 10. Mai. In Gegenwart der Jugendlichen wurde das Dokument unterzeichnet, das gewissermaßen die „Magna Charta“ der Kirche im Libanon darstellt. Die Tatsache, daß die Unterzeichnung gerade bei dieser Gelegenheit stattfand, ist in diesem Zusammenhang besonders vielsagend. Die Gegenwart der Jugendlichen läßt stets an die Zukunft denken. Indem ich gerade ihnen das nachsynodale Dokument anvertraute, wollte ich die Tatsache hervorheben, daß die Verwirklichung der von der Bischofssynode genannten Aufgaben in großem Ausmaß von der libanesischen Jugend abhängen wird. Von den Jugendlichen hängt das Morgen der Kirche und der libanesischen Nation ab. Den Jugendlichen kommt es zu, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten und ihr Vaterland und die Kirche in diese neue Epoche des Glaubens hineinzufiihren. 3. Der Libanon ist ein biblisches Land mit einer mehrtausendjährigen Vergangenheit. Sein Wahrzeichen ist die Zeder; es geht auf die Zedern zurück, die König Salomo zum Bau des Tempels nach Jerusalem bringen ließ. Auf libanesischen Boden hatte Jesus von Nazaret seinen Fuß gesetzt. Das Evangelium berichtet vom Aufenthalt Christi in der Gegend von Tyrus und Sidon und im Gebiet der sogenannten Dekapolis. Christus hat dort gelehrt und nicht wenige Wunder vollbracht. Erwähnenswert unter allen ist das der Heilung der Tochter der Kanaanäerin, als Jesus die Bitte der Mutter erhörte, weil er deren tiefen Glauben bewunderte (vgl. Mt 15,21-28). Die Libanesen sind sich der Tatsache wohl bewußt, daß ihre Vorväter die Frohbotschaft aus dem Mund Christi selbst vernommen haben. Im Lauf der Jahrhunderte ist das Evangelium dann auf verschiedene Weisen verkündet worden. Entscheidend in dieser Hinsicht war die Mission des heiligen Mönches Maron. Von ihm leitet sich der Name der Maronitischen Kirche her, der mit der christlichen Tradition des Libanon am engsten verbundenen orientalischen Kirche. Die Maroniten sind allerdings nicht die einzige Gemeinschaft. Im Libanon, und insbesondere seiner Hauptstadt Beirut, leben auch Gläubige anderer katholischer Patriarchalkirchen: der griechisch-melchitischen, der armenisch-katholischen, der syrisch-katholischen, der chaldäischen und der lateinischen. Das bereichert das christliche Leben des Landes. In gewissem Sinn ist die Berufung des Libanon gerade diese universale Offenheit, und da auf seinem Gebiet auch orthodoxe Kirchen präsent sind, ist seine Berufung ökumenisch. Da ich in der Vergangenheit Gelegenheit hatte, in Rom mit Vertretern dieser Kirchen und christlichen Gemeinschaften zusammenzutreffen, hat mein Besuch in Beirut dazu gedient, diese gegenseitigen Bande der Bekanntschaft und Freundschaft zu erneuern. 68 AUDIENZEN UND ANGELUS Das wurde besonders bei der feierlichen heiligen Messe am Sonntag, 11. Mai, offenbar, die den ganzen Libanon und die gesamte Kirche des Landes geistlich umfaßte. Es wurde gesagt, daß nicht nur katholische und orthodoxe Christen, sondern auch viele Muslime daran teilgenommen haben. Denn der Libanon ist zugleich Heimat von verschiedenen Ausdrucksformen der muslimischen Gemeinschaft: Sunniten, Schiiten, Drusen. Alle wissen, daß die libanesischen Muslime seit Jahrhunderten in tiefem Einverständnis mit den Christen leben. Und während meines Besuchs wurde die Notwendigkeit eines solchen Zusammenlebens für die Bewahrung der nationalen und kulturellen Identität der libanesischen Nation vielfach unterstrichen. 4. Zweck meiner jüngsten Pilgerfahrt war es auch, den Einsatz für dieses Zusammenleben zu stärken und zugleich für den Frieden zu beten. Der Libanon war in den vergangenen Jahren der Schauplatz eines schrecklichen Krieges, dessen ganzer Mechanismus sich schwer erklären ließe: Es war ein Krieg zwischen libanesischen Brüdern, bei dem äußere Mächte und Einflüsse ein entscheidendes Gewicht hatten. Die Tatsache, daß der Krieg endlich beendet ist und die Zeit der Versöhnung und des Wiederaufbaus begonnen hat, ist außerordentlich wichtig: nicht nur, was den Libanon selbst angeht, sondern auch in der allgemeineren Perspektive der Situation in Nahost. Der Libanon ist ein kleines Land, im Herzen der Nahost-Region gelegen. Während meiner Pilgerreise habe ich mich wie schon viele Male im Lauf der letzten Jahre sowohl an die ganze Region als auch an alle Länder der internationalen Gemeinschaft gewandt, damit sie wirksame Garantien für den Frieden in diesem Land, das schon so viel gelitten hat, gewähren. Der Friede ist in gewissem Sinn die Grundaufgabe des Libanon. Wenn er diese Aufgabe erfüllen soll, die ihm gerade aus seiner kulturellen und religiösen Vielschichtigkeit zukommt, hat der Libanon das Recht, dabei von allen unterstützt zu werden, die Einfluß auf den Frieden in seinem Gebiet nehmen können. Nur unter solchen Gegebenheiten kann der Libanon sich selbst sein, d. h. ein Land, in dem Gemeinschaften unterschiedlicher Kultur und Religion in Achtung vor der Identität der anderen nebeneinander und miteinander leben. Dem Geist des Libanon ist jeder Fundamentalismus fremd. Und gerade das unterscheidet ihn von anderen Ländern, in denen das gesellschaftliche und politische Leben stark von Extremismen geprägt ist, die sich zu Umecht oft auf die Religion berufen. Der Libanon ist eine offene Gesellschaft. Ich wünsche seinen Bürgern wie auch denen der Nachbarländer, daß die Zusammenarbeit im Sinne dieser Offenheit fortgesetzt werden kann. Denn nur auf diese Weise kann der Libanon seine Aufgabe innerhalb des Landes wie auch im Rahmen der großen Familie der Nationen und Gesellschaften in Nahost erfüllen. Ich lege diese Wünsche in die Hände des Präsidenten der Republik und aller Autoritäten und zugleich in die Hände der Kirchen im Libanon wie auch der verschiedenen islamischen Religionsgemeinschaften. 69 AUDIENZEN UND ANGELUS Für die große Gastfreundschaft, die ich erfahren habe, danke ich allen, die zum Gelingen des Apostolischen Besuchs beigetragen haben. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich Euch alle, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid. Mein besonderer Gruß gilt den Abiturienten des Internats „Johanneum“ aus Homburg, den Zehnten Klassen der Realschule „St. Maria“ der Dominikanerinnen aus Niederviehbach sowie allen anwesenden Schülern und Schülerinnen aus Deutschland und Österreich. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Pfingsten bleibt ein Auftrag -auch bei Lösung von Konflikten Regina Caeli am 18. Mai 1. Heute feiert und vergegenwärtigt die Kirche das außerordentliche Geschehen von Pfingsten, das den Beginn ihrer universalen Sendung zur Evangelisierung anzeigt. Wie der Evangelist Johannes bezeugt, erschien der auferstandene Christus noch am Abend des Ostertages den Aposteln im Abendmahlssaal, „hauchte [...] sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ (Joh 20,22-23). Christus selbst gebot sodann den Aposteln, nicht von Jerusalem wegzugehen, sondern auf die Ausgießung des Geistes „aus der Höhe“ (vgl. Lk 24,49) zu warten, den der Vater auf sie herabsenden würde. Das Geschehen, das sich fünfzig Tage nach Ostern ereignete, ist also die Vollendung der Gabe des gestorbenen, auferstandenen und zum Vater aufgefahrenen Christus; es ist die Vollendung des Ostergeheimnisses. 2. Wie Johannes die Anwesenheit Marias unter dem Kreuz schildert, so hält Lukas ihre Gegenwart im Abendmahlssal am Pfingsttag im Gebet mit den Aposteln fest. Dieses doppelte Bild bringt die Rolle Marias im Geheimnis Christi und der Kirche in vollkommener Weise zum Ausdruck, wie das II. Vatikanische Konzil lehrt (vgl. Lumen Gentium, VIII. Kapitel). Maria ist das Urbild der Kirche, die im Schweigen auf das Liebeswort Gottes zu hören weiß, die um die Gabe des Heiligen Geistes bittet, des göttlichen Feuers, das die Herzen der Menschen erwärmt und ihre Schritte auf den Wegen der Gerechtigkeit und des Friedens erleuchtet. 70 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. „In deinem Frieden uns erhalt“, singen wir gerade heute im Hymnus Veni Creator. Zum Heiligen Geist erheben wir unser inständiges Flehen, daß er in den noch zahlreichen Konfliktsituationen seinen Frieden bringen möge: insbesondere der Bevölkerung in Kinshasa, die das Ende einer langen und schmerzvollen Krise des Landes erlebt. Beten wir, daß die dortige zivile Gemeinschaft in einem geordneten und friedlichen Übergang den Weg in eine Zukunft der Freiheit und des Wohlstandes in Achtung vor den Rechten jeder Person einschlägt. Möge Gott allen helfen, im anderen einen Bruder zu sehen und so zum Entstehen einer in Liebe versöhnten Nation beizutragen. Bitten wir den Heiligen Geist auch für die ruandischen Flüchtlinge. Er ist es, „der alle Armen liebt“. Möge er die Herzen öffnen, damit niemand von ihrem tragischen Los unberührt bleibt. Alle vertrauen wir dem mütterlichen Schutz der heiligsten Maria an. Nach dem Regina-Caeli-Gebet sagte der Papst: Den Blick auf Maria gewandt, danke ich heute allen, die mir ihre Glückwünsche zu meinem Geburtstag übermittelt und mich zum Zeichen ihrer liebevollen Nähe eines besonderen Gebets versichert haben. Ich bitte die Jungfrau, daß sie mir und der ganzen Kirche vom Herrn die Gabe der Treue erwirkt. „Totus tuus“, wiederhole ich heute im Vertrauen auf den unablässigen Schutz der Gottesmutter, damit die Heilsbotschaft dank dem hochherzigen Beitrag aller bis an die äußersten Grenzen der Erde dringen kann. ... Ich wünsche allen ein schönes Pfingstfest und erteile von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Maria und die Auferstehung Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Mai l.Nach der Beisetzung Jesu im Grab hält Maria „als einzige die Flamme des Glaubens wach und bereitet sich darauf vor, die frohe und staunenswerte Nachricht von der Auferstehung zu empfangen“ (.Ansprache bei der Generalaudienz am 3. April 1996; in: O.R.dt., 19.4.1996, S. 4). Die am Karsamstag gelebte Erwartung ist einer der höchsten Augenblicke im Glauben der Mutter des Herrn: In der Dunkelheit, die das Universum umhüllt, setzt sie ihr ganzes Vertrauen auf den Gott des Lebens und hofft, an die Worte des Sohnes zurückdenkend, auf die vollkommene Verwirklichung der göttlichen Verheißungen. Die Evangelien berichten von verschiedenen Erscheinungen des Auferstandenen, aber nicht von der Begegnung Jesu mit seiner Mutter. Dieses Schweigen darf nicht zu der Schlußfolgerung veranlassen, daß Jesus Maria nach der Auferstehung nicht erschienen sei. Es fordert uns vielmehr heraus, nach den Gründen einer derartigen Entscheidung der Evangelisten zu suchen. 71 AUDIENZEN UND ANGELUS Wenn man eine „Auslassung“ annimmt, könnte diese der Tatsache zugeschrieben werden, daß das zu unserem Heilswissen Nötige dem Wort der „von Gott vorherbestimmten Zeugen“ (Apg 10,41) anvertraut wurde, d. h. den Aposteln, die „mit großer Kraft“ Zeugnis ablegten von der Auferstehung Jesu, des Herrn (vgl. Apg 4,33). Vor ihnen ist der Auferstandene einigen gläubigen Frauen aufgrund ihrer kirchlichen Funktion erschienen: „Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen“ (Mt 28,10). Wenn die Autoren des Neuen Testamentes nicht von der Begegnung der Mutter mit dem auferstandenen Sohn sprechen, ist das möglicherweise der Tatsache zuzuschreiben, daß ein solches Zeugnis von denen, die die Auferstehung des Herrn leugneten, als parteiisch und daher als nicht glaubwürdig hätte angesehen werden können. 2. Ferner berichten die Evangelien von einer kleinen Zahl von Erscheinungen des auferstandenen Jesus, und sie geben gewiß keine vollständige Aufstellung dessen, was in den vierzig Tagen nach Ostern geschah. Paulus erwähnt eine Erscheinung vor „mehr als fünfhundert Brüdern zugleich“ (1 Kor 15,6). Wie ist es zu erklären, daß ein vielen bekanntes Vorkommnis trotz seiner außerordentlichen Bedeutung von den Evangelisten nicht berichtet wird? Es ist ein offenkundiges Zeichen, daß weitere Erscheinungen des Auferstandenen - obwohl reale und bekannte Vorfälle — nicht erwähnt sind. Wie sollte die Jungfrau, die in der ersten Gemeinschaft der Jünger gegenwärtig war (vgl. Apg 1,14), ausgeschlossen worden sein aus der Zahl derer, die ihrem göttlichen Sohn nach seiner Auferstehung von den Toten begegnet sind? 3. Wir können indes berechtigterweise annehmen, daß Maria wahrscheinlich die erste Person war, der der auferstandene Jesus erschienen ist. Könnte die Abwesenheit von Maria in der Gruppe der Frauen, die sich bei Tagesanbruch zum Grab begaben (vgl. Mk 16,1; Mt 28,1), nicht einen Hinweis dafür bieten, daß Jesus ihr bereits begegnet war? Diese Schlußfolgerung körnte auch in der Tatsache Bestätigung finden, daß die ersten Zeugen der Auferstehung nach dem Willen Jesu die Frauen waren, die unter dem Kreuz treu geblieben und daher fester im Glauben waren. Einer von ihnen, Maria von Magdala, vertraut der Auferstandene in der Tat die Botschaft an, die für die Apostel bestimmt war (vgl. Job 20,17-18). Auch dieses Element mag uns in der Annahme bestärken, daß Jesus sich zuerst seiner Mutter zeigt: Ihr, die ihm am treuesten geblieben ist und in der Prüfung den Glauben unversehrt bewahrt hat. Schließlich scheinen der einzigartige, besondere Charakter der Gegenwart der Jungfrau auf Golgota und ihre vollkommene Verbundenheit mit dem Sohn im Leiden am Kreuz eine ganz besondere Teilnahme ihrerseits am Geheimnis der Auferstehung zu postulieren. Ein Autor des fünften Jahrhunderts, Sedulius, vertritt die Ansicht, daß Christus sich im Glanz des auferstandenen Lebens zunächst seiner Mutter gezeigt hat. In 72 AUDIENZEN UND ANGELUS der Tat war sie, die bei der Verkündigung der Weg seines Kommens in die Welt gewesen war, berufen, die wunderbare Nachricht der Auferstehung zu verbreiten, um Verkünderin seines Kommens in Herrlichkeit zu werden. Solchermaßen von der Herrlichkeit des Auferstandenen überflutet, nimmt sie „das Strahlen“ der Kirche vorweg (vgl. Sedulius, Carmen Pascale, 5,357-364, CSEL 10,140 £). 4. Da Maria das Urbild der Kirche ist, die den Auferstandenen erwartet und ihm während den Erscheinungen der Osterzeit in Gruppen von Jüngern begegnet, scheint es vernünftig, anzunehmen, daß Maria einen persönlichen Kontakt mit dem auferstandenen Sohn hatte, um ihrerseits die Fülle der österlichen Freude zu erfahren. Die am Karfreitag auf Golgota (vgl. Joh 19,25) und zu Pfingsten im Abendmahlssaal (vgl. Apg 1,14) anwesende Allerheiligste Jungfrau war vermutlich auch eine bevorzugte Zeugin der Auferstehung Christi. Und sie hat auf diese Weise ihre Teilnahme an allen wesentlichen Momenten des Ostergeheimnisses vollendet. Weil sie den auferstandenen Jesus empfängt, ist Maria darüber hinaus Zeichen und Vorwegnahme der Menschheit, die auf das Eintreffen ihrer vollen Verwirklichung durch die Auferstehung von den Toten hofft. In der Osterzeit wendet sich die Christengemeinschaft der Mutter des Herrn zu und lädt sie ein, sich zu freuen: „Regina Caeli, laetare. Halleluja! - Freu dich, du Himmelskönigin,... Halleluja!“ So bringt sie die Freude Marias über die Auferstehung Jesu in Erinnerung und dehnt den Gruß des Engels bei der Verkündigung, „Freu dich“, der sie zur „Ursache der Freude“ für die ganze Menschheit machen sollte, in der Zeit aus. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die Dillinger Franziskanerinnen willkommen, die aus Anlaß ihres 40jährigen Profeßjubiläums nach Rom gepilgert sind, ebenso wie eine Gruppe von Studenten aus dem Priesterseminar Augsburg. Ihr seid gesandt, gerade den jungen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden und als Vorbilder zu bezeugen. Ein solches Glaubenszeugnis ist auch der Gesang der Chöre, die in großer Zahl zu dieser Audienz gekommen sind. Besonders freue ich mich über die Anwesenheit so vieler Schüler-, Jugend- und Ministrantengruppen aus Deutschland und Österreich. Auch an Euch richte ich einen herzlichen Willkommensgruß. Ihr seid die Zukunft der Kirche! Dazu erteile ich Euch und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. 73 A UDIENZEN UND ANGELUS Eucharistie - Synthese und Höhepunkt christlichen Glaubens Angelus am 25. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das heutige liturgische Hochfest fordert uns auf, das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit zu betrachten. Ein unserem Verstand unzugängliches Geheimnis, das uns jedoch von Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, offenbart wurde. „Niemand hat Gott je gesehen“, sagt der Evangelist Johannes. „Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Die Dreifaltigkeit, die das Christentum bekennt, beeinträchtigt die Einheit Gottes nicht im geringsten. Der einzige Gott zeigt sich uns nicht als ein „einsamer“ Gott, sondern als ein Gott, der Gemeinschaft ist. Der erste Brief des Johannes bringt dieses Geheimnis auf verblüffende Weise zum Ausdruck, wenn er sagt: „Gott ist die Liebe“ (7 Joh 4,8). Ja, Gott liebt nicht nur, sondern die Liebe ist sein Wesen selbst. Dieses unbeschreibliche Geheimnis der Liebe sind wir alle berufen, auf lebendige Weise zu erfahren. „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ {Joh 14,23). 2. Von der trinitarischen Liebe geht der Gedanke zum Geheimnis der Liebe, das in der heiligen Eucharistie kund wird. Heute beginnt in Breslau der 46. Internationale Eucharistische Kongreß, den ich selbst die Freude haben werde, am kommenden Sonntag abzuschließen. In der Eucharistie findet sich die Synthese und der Höhepunkt des Christentums. Unter den Gestalten des konsekrierten Brotes und des konsekrierten Weines lebt Christus unter den Seinen weiter, vergegenwärtigt immerfort das Opfer von Golgota und wird zur Speise und Stärkung für sein Volk. Das eucharistische Geheimnis betrifft in der Linie der erlösenden Menschwerdung direkt nur Christus, doch ist in ihm die ganze Dreifaltigkeit mit einbezogen. Tatsächlich realisiert sich die eucharistische Gegenwart in der Kraft des Heiligen Geistes, und alles geschieht im Angesicht des Vaters, der im eucharistischen Brot fortfahrt, uns seinen eingeborenen Sohn zu schenken; dieser bringt im Namen der ganzen Schöpfung ihm das Opfer des Lobes dar. 3. Geheimnis des Glaubens! Bitten wir die Heilige Jungfrau, daß sie uns immer tiefer in das Geheimnis der Eucharistie und in das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit eindringen lasse. Maria, „Sanctae Trinitatis domicilium - Wohnstätte der Heiligsten Dreifaltigkeit“ (hl. Proklos v. Konstantinopel, Oratio VI, 17), möge uns helfen, in den Ereignissen der Welt die Zeichen der Gegenwart Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, zu erfassen. Sie erwirke uns, daß wir Christus mit ganzem Herzen lieben, damit wir der Schau der Dreifaltigkeit entgegengehen, dem wunderbaren Ziel, auf das unser Leben ausgerichtet ist. 74 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am kommenden Donnerstag feiert die Diözese Rom, der alten Tradition folgend, das Hochfest des Leibes und Blutes Christi „Fronleichnam“. Am späten Nachmittag versammeln wir uns auf der ,Piazza San Giovanni in Laterano“ zur Eucharistiefeier. Anschließend folgt die Prozession durch die Straßen der Stadt bis zur Basilika Santa Maria Maggiore. Ich lade euch jetzt schon ein, teilzunehmen an diesem feierlichen öffentlichen Akt des Glaubens und der Liebe zu Jesus in der Eucharistie, der inmitten seiner Kirche gegenwärtig ist. Maria und die Gabe des Geistes Ansprache bei der Generalaudienz am 28. Mai 1. Das Zweite Vatikanische Konzil zeichnet den Lebensweg der Jungfrau Maria nach und weist auf ihre Gegenwart in der Gemeinschaft, die auf Pfingsten wartet, hin: „Da es aber Gott gefiel, das Sakrament des menschlichen Heils nicht eher feierlich zu verkünden, als bis er den verheißenen Heiligen Geist ausgegossen hatte, sehen wir die Apostel vor dem Pfmgsttag ,einmütig in Gebet verharren mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern (Apg 1,14) und Maria mit ihren Gebeten die Gabe des Geistes erflehen, der sie schon bei der Verkündigung überschattet hatte“ {Lumen Gentium, Nr. 59). In der ersten Gemeinschaft wird die Kirche vorgebildet, und die Gegenwart der Jungfrau trägt dazu bei, deren endgültiges Antlitz zu formen, das Frucht der Gabe des Pfingsttages sein wird. 2. Was ist bezüglich der Herabkunft des Heiligen Geistes die Haltung Marias in der Atmosphäre der Erwartung, die nach der Himmelfahrt im Abendmahlssaal herrschte? Im Hinblick auf die Ausgießung des „Beistands“ unterstreicht das Konzil ausdrücklich ihre betende Anwesenheit: Sie erfleht „mit ihren Gebeten die Gabe des Geistes“. Diese Anmerkung ist besonders bedeutsam, insofern als der Heilige Geist bereits im Augenblick der Verkündigung auf sie herabgestiegen war, sie mit „seinem Schatten“ überdeckt und so die Menschwerdung des Wortes veranlaßt hatte. Da sie bereits eine ganz und gar einmalige Erfahrung der Wirksamkeit dieser Gabe gemacht hatte, war die Allerheiligste Jungfrau in der Lage, diese mehr als irgend jemand anderer zu schätzen; dem geheimnisvollen Eingreifen des Geistes verdankte sie in der Tat ihre Mutterschaft, die sie zum Weg des Heilands in die Welt hatte werden lassen. Im Unterschied zu den anderen, die in banger Erwartung im Abendmahlssaal anwesend waren, war sie sich der Bedeutung der Verheißung ihres Sohnes an die 75 AUDIENZEN UND ANGELUS Jünger (vgl. Joh 14,16) vollends bewußt und half so der Gemeinschaft, sich gut auf die Ankunft des „Beistands“ vorzubereiten. Ihre einzigartige Erfahrung ließ sie daher brennend das Kommen des Geistes ersehnen und verpflichtete sie zugleich, Geist und Herz derer, die mit ihr waren, darauf vorzubereiten. 3. Bei diesem Gebet im Abendmahlssaal erfleht die Mutter des Herrn in einer Haltung tiefer Gemeinschaft mit den Aposteln, einigen Frauen und den „Brüdern“ Jesu die Gabe des Geistes für sich selbst und für die Gemeinschaft. Es war recht und billig, daß die erste Ausgießung des Geistes, die im Hinblick auf die Gottesmutterschaft geschehen war, erneuert und bekräftigt wurde. Tatsächlich war Maria unter dem Kreuz mit einer neuen Mutterschaft betraut worden: der Mutterschaft an den Jüngern Jesu. Gerade diese Sendung erforderte eine erneute Gabe des Geistes. Die Jungfrau ersehnte diese somit im Hinblick auf die Fruchtbarkeit ihrer geistlichen Mutterschaft. Während in der Stunde der Menschwerdung der Heilige Geist auf sie als Person herabkam, die dazu berufen war, an dem großen Geheimnis würdig teilzunehmen, geschieht nun alles in Funktion der Kirche, deren Typus, Urbild und Mutter zu sein, Maria berufen ist. Eingedenk der Verheißung Jesu erwartet sie in der Kirche und für die Kirche das Pfingstereignis und erfleht für alle eine Vielzahl von Gaben gemäß der Persönlichkeit und Sendung eines jeden. 4. In der Christengemeinschaft kommt dem Gebet Marias eine besondere Bedeutung zu: Es fördert das Kommen des Geistes und ruft sein Wirken in den Herzen der Jünger und in der Welt hervor. Wie der Geist bei der Menschwerdung in ihrem jungfräulichen Schoß den physischen Leib Christi geformt hatte, so steigt derselbe Geist nun in den Abendmahlssaal herab, um den mystischen Leib zu beseelen. Pfingsten ist also auch Frucht des unablässigen Gebets der Jungfrau, das der „Beistand“ mit einzigartiger Gunst annimmt, weil es Ausdruck ihrer mütterlichen Liebe zu den Jüngern des Herrn ist. Angesichts der mächtigen Fürsprache Marias beim Erwarten des Heiligen Geistes suchen die Christen aller Zeiten auf dem langen und mühevollen Weg zum Heil oft Hilfe bei ihrer Fürsprache, um die Gaben des „Beistands“ mit größerer Fülle zu empfangen. 5. Der Heilige Geist antwortet auf das Bittgebet der Jungfrau und der im Abendmahlssaal versammelten Gemeinde: Er erfüllt am Pfingsttag die Jungfrau und die Anwesenden mit der Fülle seiner Gaben und bewirkt in ihnen eine tiefe Umwandlung im Hinblick auf die Verbreitung der Guten Nachricht. Der Mutter Christi und den Jüngern werden neue Kraft und neue apostolische Dynamik für das Wachstum der Kirche gewährt. Insbesondere veranlaßt die Ausgießung des Geistes Maria, ihre geistliche Mutterschaft in einzigartiger Weise auszuüben durch ihre von Liebe durchwirkte Gegenwart und ihr Zeugnis des Glaubens. 76 A UDIENZEN UND ANGEL US In der entstehenden Kirche gibt sie den Jüngern ihre Erinnerungen von der Menschwerdung, von der Kindheit, vom verborgenen Leben und von der Sendung ihres göttlichen Sohnes als unermeßlichen Schatz weiter; so trägt sie bei, ihn bekannt zu machen und den Glauben der Christen zu stärken. Wir besitzen keine Information über die Tätigkeit Marias in der Urkirche. Es ist jedoch zulässig anzunehmen, daß sie auch nach Pfingsten ihr verborgenes und diskretes, wachendes und wirksames Dasein weitergeführt hat. Erleuchtet und geführt vom Geist, übte sie einen tiefen Einfluß auf die Gemeinschaft der Jünger des Herrn aus. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Bläsergruppe der „Lebenshilfe Haßfurt“, der Behindertengruppe „Swimmy“ der Pfarrei Engen, der Gruppe von Ordensschwestern „Daughters of Divin Love“ aus Nigeria und Angehörigen des Deutschen Ordens sowie der italienisch-deutschen Pilgergruppe aus Unterhaching. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Auf dem Weg zum Jahre 2000 als Pilger in Jasna Göra Angelus am 15. Juni 1. Letzten Dienstag bin ich von einer apostolischen Reise zurückgekehrt, die mir gestattete, neuerlich mein Geburts- und Heimatland Polen zu besuchen. Bei der Generalaudienz am nächsten Mittwoch werde ich Gelegenheit haben, näher auf diesen Besuch einzugehen. Bei der heutigen sonntäglichen Begegnung zum gemeinsamen Mariengebet verspüre ich den Wunsch und die innerste Pflicht, dem Herrn inständig für diese weitere Gabe seiner Güte zu danken. Und mein Gedanke geht natürlich zu den verschiedenen Etappen meiner Pilgerreise, bei der ich auf jedem Schritt die ständige Gegenwart Marias verspürt habe, die als Mutter der Kirche und Königin Polens verehrt wird; ich denke vor allem an Tschenstochau und an Zakopane. 2. Es war für mich sehr ergreifend, als Pilger zur Muttergottes von Jasna Gora zu-rückzukehren. Ihr habe ich den Weg der Kirche zur heiligen Pforte des Jubeljahres 2000 und vor allem zu den Horizonten, die ihrer Sendung im dritten Jahrtausend sich öffnen, anvertraut. Ihr habe ich die polnische Nation und alle Nationen Europas anvertraut, die aufgerufen sind, ihre Integration auf soliden geistlichen, kulturellen und ethischen Grundlagen zu errichten, angefangen gerade bei den gemein- 77 AUDIENZEN UND ANGELUS samen christlichen Wurzeln, für die die Gestalt und das Werk des hl. Adalbert, dessen Martyrium vor tausend Jahren wir gedenken, als leuchtendes Beispiel steht. Maria habe ich den Einsatz der Christen anvertraut, auf die volle Einheit hin voranzuschreiten entsprechend dem Willen Christi und den Erfordernissen der Neu-Evangelisierung; sie habe ich auch um Versöhnung und Frieden für alle Völker angerufen. In Zakopane habe ich dem unbefleckten Herzen Marias eine Kirche geweiht - zur Erinnerung an jenen 13. Mai 1981, einen überaus bedeutsamen Tag für mein Leben. Das Volk von Zakopane mit seinem einfachen und bodenständigen Glauben hatte dieses Marienheiligtum sehr gewünscht und große Opfer dafür gebracht; es konnte nun verdientermaßen die Freude einer wunderbaren Begegnung mit dem Bischof von Rom genießen, der vorher viele Jahre lang ihr Bischof gewesen war. 3. Im Volk Gottes ist Maria die erste Hüterin des Andenkens Christi und der Hoffnung, die aus Ihm entspringt. Als Pilger die Quellen der Marienverehrung in meinem Land, und besonders Jasna Göra, aufzusuchen, bedeutete, zu den Wurzeln zurückzukehren und aus ihnen neue Kraft zu empfangen, um auf unserem Weg ins dritte Jahrtausend voll dem Willen des Herrn entsprechen zu können. Und ich möchte schließen, indem ich an die Worte erinnere, mit denen ich mich im Heiligtum von Jasna Gora an die Jungfrau wandte: „O Jungfrau und Gottesmutter, hilf uns, durch die heilige Pforte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in das dritte Jahrtausend des Christentums einzutreten.“ 4. Die Gewalt läßt nicht ab, einige Völker Afrikas in größtes Leid zu stürzen. Ich denke insbesondere an die Bevölkerung von Sierra Leone, die zahlreichen Gefahren ausgesetzt ist. Ich hoffe, daß die in Gang befindlichen internationalen Vermittlungsversuche eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung und zur Normalität einleiten können. Gleiche Solidarität gilt den Bewohnern von Brazzaville im Kongo, die seit Tagen Geiseln eines blutigen Bürgerkriegs sind. Mit den Bischöfen des Kongo wiederhole ich mit Nachdruck, daß allein die Liebe und die Achtung der Personen und der Gesetze eine Zukunft nationaler Eintracht und des Wohlstandes für alle gewährleisten können. Maria, der Königin des Friedens, vertrauen wir alle Völker Afrikas an und erbitten zugleich vom Herrn ewige Ruhe für die Opfer der vielen Konflikte, Trost für die geprüften Familien und Weisheit für die politischen Führer. 5. Heute feiern unsere orthodoxen Brüder das Pfingstfest. Vereinigen wir uns mit ihnen zum gemeinsam Bittgebet zum Heiligen Geist, daß er über alle Christen seine Gaben ausgieße. Sie sind die tiefste Quelle unserer Einheit. Der Heilige Geist möge uns zur vollen Einheit führen. Uns kommt die Aufgabe zu, die Ratschläge und Eingebungen entsprechend der eindringlichen Ermahnung des Autors der Offenbarung zu befolgen: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7). 78 AUDIENZEN UND ANGELUS Reflexionen zur Pastoraireise nach Polen Ansprache bei der Generalaudienz am 18. Juni 1. Unser heutiges Treffen möchte ich damit eröffnen, daß ich euch von der Pilgerfahrt nach Polen erzähle, die mir die göttliche Vorsehung kürzlich gewährt hat. Für diesen Pastoralbesuch gab es drei Hauptgründe: den Internationalen Euchari-stischen Kongreß in Breslau, die Jahrtausendfeier des Martyriums des hl. Adalbert und das Gedächtnis der Gründung der Jagellonenuniversität in Krakau vor 600 Jahren. Diese Ereignisse bildeten die Kernpunkte des ganzen Reiseweges, der vom 31. Mai bis 10. Juni Breslau, Liegnitz, Landsberg an der Warthe (Gorzow Wielko-polski), Gnesen, Posen, Kalisz, Tschenstochau, Zakopane, Ludzmierz, Krakau, Dukla und Krosno berührte und mich vor allem in drei großen Städten verweilen ließ: in Breslau, dem Ort des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses, in Gnesen, das mit dem Tod des hl. Adalbert verbunden ist, und in Krakau, wo die Jagellonenuniversität gegründet wurde. 2. Der 46. Eucharistische Weltkongreß in Breslau begann am Dreifaltigkeitssonn-tag, 25. Mai, mit der Eucharistiefeier, bei der mein Legat, Staatssekretär Angelo Kardinal Sodano, den Vorsitz führte. Die ganze Woche war von einem reichhaltigen geistlichen und liturgischen Programm ausgefüllt. Es entfaltete sich um die Worte: „Zur Freiheit hat Christus uns befreit“ (Gal 5,1), die das Leitthema bildeten. Der Herr hat es mir gewährt, am Abschluß der Arbeiten teilzunehmen, und so konnte ich am letzten Tag im Mai zusammen mit denen, die aus allen Teilen der Welt gekommen waren, Christus in der Eucharistie verehren und ihn in der Kathedrale von Breslau anbeten. Am gleichen Tag traf ich auch mit den Vertretern von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zum ökumenischen Gebet zusammen. Am folgenden Tag, Sonntag, 1. Juni, schloß die feierliche Heilige Messe - Statio Orbis - den Kongreß ab. Als ein außergewöhnliches kirchliches Ereignis vereinte der Internationale Eucharistische Kongreß viele Theologen, Priester, Ordensleute und Laien. Es war sicherlich eine Zeit vertieften Nachdenkens über das Geheimnis der Eucharistie, und es gab den Christen aus Polen, aus Europa und aus anderen Teilen der Welt Gelegenheit, lange im Gebet zu verweilen. Den Gebetszeiten standen zum Kongreß geladene Kardinäle und Bischöfe aus verschiedenen Ländern abwechselnd vor. Nach dem ersten Eucharistischen Weltkongreß, der 1881 in Lille in Frankreich stattfand, war der von Breslau der 46. Kongreß. In letzter Zeit wurden die Internationalen Eucharistischen Kongresse normalerweise alle vier Jahre gehalten, in der Reihenfolge: Lourdes in Frankreich 1981, Nairobi in Kenia 1985, Soul in Korea 1989, Sevilla in Spanien 1993. Der nächste wird in Rom anläßlich des Großen Jubiläums des Jahres 2000 stattfinden. 3. Die Jahrtausendfeier des hl. Adalbert, der genau 997 den Märtyrertod starb, bildete das andere Motiv zum Besuch. Adalbert kam aus Böhmen und gehörte zur 79 A UDIENZEN UND ANGEL US fürstlichen Familie der Slavnikiden. In Libice im Gebiet der heutigen Diözese Hradec Krälove geboren, wurde er schon in jungen Jahren Bischof von Prag. In den vergangenen letzten Apriltagen haben wir die Jahrtausendfeier Adalberts in der Tschechischen Republik festlich begangen mit der Teilnahme vieler Bischöfe aus Ländern, die mit dem Leben und der Tätigkeit dieses Heiligen verbunden sind. Gegen Ende seines Lebens kam Adalbert auf die Einladung des Königs Boleslaw des Tapferen nach Polen. Er nahm den Vorschlag an, eine Mission zur Evangelisierung bei den heidnischen Völkern in den Gebieten am Baltischen Meer zu unternehmen. Dort fand er den Tod. Nach seinem Martyrium kaufte König Boleslaw der Tapfere seinen Leichnam los und ließ ihn nach Gnesen überfuhren, das seitdem der Mittelpunkt der Verehrung des hl. Adalbert wurde. Bei den Reliquien des hl. Märtyrers fand im Jahre tausend eine bedeutsame Begegnung, nicht nur religiöser, sondern auch politischer Art statt. Es kamen damals Kaiser Otto III. und der Päpstliche Legat nach Gnesen. Ihr Treffen mit König Boleslaw dem Tapferen ist als das „Treffen von Gnesen“ in die Geschichte eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt wurde in Gnesen die Metropole des damaligen Polen gegründet. Vom politischen Standpunkt aus war das Treffen von Gnesen ein wichtiges Ereignis: Es bedeutete, daß das Polen der Piasten in das geeinte Europa eintrat. Als wir nun jüngst der tausend Jahre gedachten, die seit dem Tod des hl. Adalbert vergangen sind, haben wir an jene historische Begebenheit und an ihre besondere Bedeutung für unseren Kontinent angeknüpft. Zum Gedenken an dieses Ereignis kamen die Präsidenten der Länder, die in Beziehung zur Tradition des hl. Adalbert stehen, nach Gnesen, nämlich die Präsidenten der Tschechischen Republik, Litauens, Deutschlands, Polens, der Slowakei, der Ukraine und Ungarns. Ich danke noch einmal dem Herrn und denen, die sich aktiv für das Zustandekommen dieses bedeutungsvollen Ereignisses eingesetzt haben. 4. Die Gründung der Jagellonischen Universität in Krakau war das dritte Motiv zum Besuch. Diese erste Universität in Polen wurde 1364 von König Kasimir dem Großen gegründet. Sie war zunächst ein Studium Generale, noch keine vollständige Universität, da die theologische Fakultät fehlte. 1397 unternahmen Königin Hedwig und ihr Gemahl Ladislaus der Jagellone das Notwendige, um die theologische Fakultät zu errichten. Dank der Initiative der Gründer der Jagellonendynastie kam in Krakau eine mit allen Rechten ausgestattete Universität zustande. Sehr bald wurde sie ein bedeutendes Studienzentrum, berühmt nicht nur in Polen, sondern im ganzen damaligen Europa. Für die Stadt Krakau und für die Universitätsbevölkerung gestaltete sich der 8. Juni zu einem großen Fest: wurde doch nach 600 Jahren endlich die Königin Hedwig heiliggesprochen. Bei dieser Gelegenheit fand ein Treffen mit den Vertretern der polnischen Universitäten statt. Sie nahmen nicht nur an der festlichen Eucharistiefeier teil, sondern auch an dem akademischen Festakt beim Grab des hl. Johannes Kanty in der Universitätskirche St. Anna. Für alle mit der Alma Mater von Krakau Verbundenen war das ein Augenblick einzigartiger Feierlichkeit. 80 AUDIENZEN UND ANGELUS Am letzten Tag des Polenaufenthalts fand noch eine weitere Heiligsprechung statt: die des hl. Johannes von Dukla, eines Franziskaners aus dem 15. Jh., der ebenfalls dem akademischen Umfeld der Universität Krakau angehörte. Wenn er auch in Dukla geboren war, so entfalteten sich sein Leben und sein franziskanischer Dienst doch in Lemberg (Leopoli). Ich danke dem Herrn, daß es mir vergönnt war, ihn durch ein Gedenken in seinem Geburtsort zu ehren, wenn auch seine Heiligsprechung in Krosno in der Erzdiözese Przemysl stattfand. Außer den beiden Heiligsprechungen hatte ich während meiner Pilgerfahrt auch die Freude, zwei Seligsprechungen vorzunehmen, und zwar am Herz-Jesu-Fest, dem 6. Juni, in Zakopane: Maria Bemardina Jablonska, Mitgründerin der Schwe-stemkongregation der Albertininnen, und Maria Karlowska, Gründerin der Suore Pastorelle (Hirtinnen der Göttlichen Vorsehung). 5. Liebe Brüder und Schwestern, während ich dem Herrn meinen Dank entbiete, möchte ich auch noch einmal all denen danken, die auf verschiedene Art zur Vorbereitung und Durchführung meiner Pilgerfahrt in die Heimat beigetragen haben. Ich danke den staatlichen und den kirchlichen Obrigkeiten, den Organisationen, die in jeder Weise mitgeholfen haben, meine Reise angenehm und nutzbringend zu gestalten, und ebenso allen anderen an der Organisation beteiligten Institutionen. Ich danke auch der Leitung und dem Personal von Rundfunk und Fernsehen, die es für Polen und die ganze Welt möglich gemacht haben, am Erleben derer teilzuhaben, die unmittelbar dabei sein konnten. Ich spreche meine tiefempfunde Freude darüber aus, daß ich während der elf Tage meiner Pilgerreise in der Heimat zusammen mit so vielen meiner Landsleute dem Herrn das Te Deum des Dankes für all das Gute singen konnte, das er im Lauf von tausend Jahren Polen und der ganzen Welt so reichlich hat zukommen lassen. Grußworte in deutscher Sprache: Mit diesem kurzen Rückblick, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, heiße ich euch herzlich willkommen. Insbesondere begrüße ich die Gruppe der Ordensfrauen, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen, das katholische Bildungswerk St. Remigius aus Kusel und die Schüler und Lehrkräfte der Deutschen Schule in Johannesburg. Euch allen und euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. 81 A UDIENZEN UND ANGELUS Versöhnung unter den Christen muß jeden einbeziehen Angelus am 22. Juni 1. „Versöhnung - Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens.“ Das ist das reichhaltige und bedeutungsvolle Thema der Europäischen Ökumenischen Versammlung, die in den nächsten Tagen in der schönen historischen Stadt Graz in Österreich stattfinden wird. Über die Versöhnung nachzudenken und dafür zu beten, ist in einer Welt, die noch viele Formen von Spaltung kennt, mehr den je angebracht. Als Jünger Christi fühlen wir uns dabei besonders in die Pflicht genommen - auch im Hinblick auf das Jubiläum des Jahres 2000, da wir uns auf die Ankunft des Wortes Gottes unter den Menschen besinnen werden. Das bekennen alle Christen im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis: „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen [...] von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ Die Versöhnung ist unentgeltliche Gabe Gottes. Sie ist Gnade, wie der Apostel Paulus den ersten Christen dieser Stadt Rom und durch sie der ganzen Welt erklärt: „Wir [wurden] mit Gott versöhnt [...] durch den Tod seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde waren“ (Röm 5,10). Wir sind versöhnt, weil uns vergeben ist, es ist uns vergeben, weil wir geliebt sind. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). 2. Die Versöhnung mit Gott erneuert den Menschen von Grund auf. Durch die Taufe in den Tod Christi hinabgetaucht, ersteht er mit ihm zu neuem Leben und ist gerufen, Gottes Bild und Ähnlichkeit an sich vollends zu verwirklichen. Auch in den Gemeinschaften werden die Beziehungen verwandelt: Die Versöhnung verlangt, auf alle Brüder und Schwestern ausgedehnt zu werden. Ein so entscheidendes Heilsereignis kann nicht in der einzelnen Person und auch nicht im engen Kreis einer Gruppe isoliert bleiben. Die Versöhnung muß alle mit einbeziehen: die einzelnen Personen, die Familien, die Völker. Sie haben alle Völker Europas vom Atlantik bis zum Ural, von Ost nach West nötig. Die ganze Menschheit braucht sie. In diesem Kontext stellt sich mit besonderer Dringlichkeit die Forderung nach Versöhnung unter den Christen. Die ökumenische Bewegung hat dank der Gnade Gottes bereits segensreiche Früchte gebracht: Sie hat eine neue Situation unter den Jüngern Christi geschaffen. Es gibt jedoch noch offene Probleme, und manchmal kommt es zu unerwarteten Erschütterungen, werden neue Befürchtungen wach, schwelen unterschwellige Ängste. Die Europäische Versammlung von Graz möchte mit ihrem Programm der Begegnung, des Austausches und des Gebets den Dialog der Liebe festigen - der einzige, der wirklich imstande ist, auch den theologischen Dialog voranzubringen, der noch einen sehr anstrengenden Weg vor sich hat. 82 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Ich lade die Anwesenden und alle, die mich hören, ein, sich im Gebet mit den Delegierten der Europäischen Ökumenischen Versammlung zu vereinen, die vom Rat der Bischofskonferenzen Europas und von der Konferenz Europäischer Kirchen nach Graz einberufen wurde. Meinerseits sichere ich ein ständiges Gedenken für das Gelingen dieser wichtigen Begegnung zu. Wolle uns der Herr auf die volle Gemeinschaft hin begleiten, wie er es mit den Pilgern auf der Straße nach Emmaus tat. Die Gottesmutter, die mit den Aposteln im Abendmahlssaal in Erwartung der Gabe des Geistes betete, stehe euch auf eurem Weg bei. Es wäre ein Grund zur größten Freude, wenn wir Christen beim Anbruch des dritten Jahrtausends in einem neuen Pfingsten einträchtiger und einiger erklären könnten, daß Christus der einzige Retter der Welt ist. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst einige Gruppen und fugte dann spontan hinzu: Zu guter Letzt muß ich diesen kräftigen Wind begrüßen, der uns immer an den Pfingsttag erinnert. Danken wir also dem Wind des Heiligen Geistes. Gelobt sei Jesus Christus! Die Entschlafung der Gottesmutter Ansprache bei der Generalaudienz am 25. Juni 1. In bezug auf den Abschluß des Erdenlebens Marias übernimmt das Konzil die Ausdrucksweise der Bulle der Definition des Dogmas von der Aufnahme in den Himmel: „Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen“ {Lumen Gentium, Nr. 59). Mit dieser Formel spricht sich die dogmatische Konstitution Lumen Gentium, meinem verehrten Vorgänger Pius XII. folgend, nicht über die Frage des Todes Marias aus. Pius XII. beabsichtigte allerdings nicht, die Tatsache des Todes zu leugnen, doch hatte er es einfach für nicht angebracht gehalten, den Tod der Gottesmutter feierlich als Wahrheit, die von allen Gläubigen angenommen werden muß, zu erklären. Einige Theologen haben in Wahrheit ein Ausgenommensein der Jungfrau vom Tod und ihren direkten Übergang vom irdischen Leben zur himmlischen Herrlichkeit behauptet. Indes ist diese Ansicht bis zum 17. Jh. unbekannt, während in der Tat eine allgemeine Überlieferung besteht, die im Tod Marias ihren Eintritt in die himmlische Herrlichkeit sieht. 2. Ist es möglich, daß Maria von Nazaret an ihrem Fleisch das Drama des Todes erfahren hat? Wenn man über die Bestimmung Marias und ihre Beziehung zum 83 A UDIENZEN UND ANGEL US göttlichen Sohn nachdenkt, erscheint es nur zu berechtigt, darauf mit Ja zu antworten: Von der Tatsache her, daß Christus gestorben ist, wäre es schwer, von der Mutter das Gegenteil zu behaupten. In diesem Sinn haben die Kirchenväter gedacht, die diesbezüglich keine Zweifel hatten. Es genügt, den hl. Jakob von Sarug (f 521) zu zitieren, demzufolge „der Chor der zwölf Apostel“, als für Maria „die Zeit gekommen war, den Weg aller Generationen zu gehen“, d. h. den Weg des Todes, sich zusammenfand, um „den jungfräulichen Leib der Gesegneten“ zu begraben (vgl. Rede über das Begräbnis der Hl. Gottesgebärerin, 87-99 in: C. Vona, Lateranum 19[1953]188). Der hl. Modestos von Jerusalem (| 634) beschließt nach langer Rede über die „allerseligste Entschlafung der glorreichsten Gottesgebärerin“ sein Enkomion, indem er das wundertätige Eingreifen Christi verherrlicht, der „sie aus dem Grab erweckte“, um sie zu sich in seine Herrlichkeit aufzunehmen (vgl. Enc. in dormitionem Dei-parae semperque Virginis Mariae, Nm. 7 u. 14: PG 86 bis, 3293; 3311). Seinerseits fragt der hl. Johannes von Damaskus (f 704) sich: „Wie kommt es, daß diejenige, die bei der Geburt über alle Grenzen der Natur hinwegging, sich nun ihren Gesetzen beugt und ihr unbefleckter Leib dem Tode unterworfen wird?“ Und antwortet: „Gewiß mußte es geschehen, daß der sterbliche Teil niedergelegt würde, um sich mit Unsterblichkeit zu kleiden, denn auch der Herr der Natur verweigerte die Erfahrung des Todes nicht. Er stirbt in der Tat dem Fleisch nach und zerstört mit dem Tod den Tod, dem Vergänglichen gewährt er Unvergänglichkeit, und das Sterben macht er zur Quelle der Auferstehung“ (vgl. Panegyrikus Auf die Entschlafung der Gottesmutter, 10: SC 80,107). 3. Es ist wahr, daß in der Offenbarung der Tod als Strafe für die Sünde dargestellt wird. Dennoch führt die Tatsache, daß die Kirche Maria als von der Erbschuld befreit verkündet - aufgrund einzigartigen göttlichen Vorrechts -, nicht zu dem Schluß, daß sie auch die leibliche Unsterblichkeit empfangen habe. Die Mutter steht nicht höher als der Sohn, der den Tod auf sich nahm und ihm dadurch eine neue Bedeutung gegeben und ihn zu einem Werkzeug des Heils gemacht hat. Mitbeteiligt am Erlösungswerk Christi und verbunden mit ihm in seinem Heilsopfer, konnte Maria das Leiden und den Tod im Hinblick auf die Erlösung der Menschheit teilen. Auch für sie gilt, was Severos von Antiocheia in bezug auf Christus sagt: „Wie sollte ohne vorhergegangenen Tod die Auferstehung geschehen?“ (vgl. Antijulianistica, Beirut 1931, 194 f.). Um an der Auferstehung Christi teilzuhaben, mußte Maria vor allem seinen Tod teilen. 4. Das Neue Testament macht keine Angaben über die Umstände des Todes Marias; ein Schweigen, das daraufhindeutet, daß er normal erfolgt war - ohne die geringste erwähnenswerte Besonderheit. Wenn es nicht so gewesen wäre, wie hätte die Tatsache dann den Zeitgenossen verborgen bleiben und nicht auf irgendeine Weise bis zu uns gelangen können? 84 A UDIENZEN UND ANGEL US Hinsichtlich der Ursache des Todes Marias scheinen die Meinungen unbegründet, welche bei ihr eine natürliche Ursache ausschließen wollen. Wichtiger ist die Frage nach der geistlichen Haltung der Jungfrau im Augenblick ihres Abschieds von dieser Welt. Diesbezüglich meint der hl. Franz von Sales, daß der Tod Marias als Folge eines Aufwalls der Liebe eingetreten sei. Er spricht von einem Sterben „in der Liebe, verursacht von der Liebe und hingerichtet auf die Liebe“, und gelangt somit zu der Behauptung, daß die Gottesmutter aus Liebe zu ihrem Sohn Jesus gestorben ist (vgl. Tratte de l’Amour de Dieu, Lib. 7, c. XIII-XIV). Was auch immer die organische und biologische Tatsache gewesen sein mag, die unter physischem Gesichtspunkt das Lebensende des Leibes herbeiführte, kann man sagen, daß der Übergang von diesem zum anderen Leben für Maria eine Reifung der Gnade in der Herrlichkeit war, so daß der Tod wie sonst in keinem Fall hier als „Entschlafüng“ aufgefaßt werden kann. 5. Bei einigen Kirchenvätern finden wir die Beschreibung, wie Jesus selbst seine Mutter im Augenblick des Todes holen kommt, um sie in die himmlische Herrlichkeit zu führen. Sie stellen so den Tod Marias als ein Ereignis der Liebe dar, das sie dazu brachte, ihren göttlichen Sohn zu erreichen, um sein unsterbliches Leben zu teilen. Am Ende ihres Erdendaseins wird sie wie Paulus - und mehr als er - den Wunsch verspürt haben, von ihrem Leib losgelöst zu sein, um auf immer bei Christus zu sein (vgl. Phil 1,23). Die Erfahrung des Todes hat die Person der Jungfrau bereichert: Weil sie durch das gemeinsame Los der Menschen hindurchgegangen ist, ist sie in der Lage, ihre geistliche Mutterschaft gegenüber denen, für die die letzte Stunde des Lebens gekommen ist, mit größerer Wirksamkeit auszuüben. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die ökumenische Gruppe von katholischen Priestern und evangelischen Pastoren willkommen. Ihr seid nach Rom gepilgert, um an den Gräbern der Apostelfürsten die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens zu entdecken und Euren Gemeinden weiterzugeben. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die Schüler- und Jugendgruppen, die in so großer Zahl gekommen sind, um dem Nachfolger Petri zu begegnen. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 85 A UDIENZEN UND ANGEL US Wirken mit der Gnade Gottes macht den Christen aus! Angelus am 29. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Eben ist in der Vatikanbasilika die große Eucharistiefeier zum Fest der hll. Apostel Petrus und Paulus zu Ende gegangen, bei der ich nach altem und bedeutungsvollem Brauch die Freude hatte, den in letzter Zeit ernannten Metropolitan-Erzbischöfen das „Pallium“ zu verleihen. Es ist ein Ritus, der durch diesen Tag besondere Aussagekraft erhält, denn er betont die enge Gemeinschaft, in der diese Bischöfe mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, verbunden sind. Der Gedanke der Gemeinschaft und der Einheit hat uns in dieser Woche besonders begleitet, während der die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung in Graz, in Österreich, stattfand. Sie geht genau heute zu Ende. In diesen Tagen haben wir intensiv dafür gebetet, daß die volle Einheit unter allen Christen sich verwirkliche als Antwort auf den Wunsch Christi im Abendmahlssaal: „Ut unum sint!“ Ich fühle mich verpflichtet, mich nach Kräften zum Förderer dieser Einheit zu machen in dem Bewußtsein des Auftrages, den Jesus dem Petrus, dem ersten Bischof von Rom, anvertraute: „Stärke deine Brüder“ (Lk 22,32). 2. „O Roma felix - singen wir im Stundengebet des heutigen Tages - quae tanto-rum principum es purpurata pretioso sanguine ...“, „O Roma felix! Der Apostelfürsten Tod hat mit dem Purpur ihres Blutes dich geschmückt. Ihr großes Leben, nicht dein Ruhm und deine Macht, gibt dir den Vorrang vor den Städten dieser Seit“ (Hymnus am Hochfest der hll. Petrus und Paulus). Dem heroischen Zeugnis des hl. Petrus und des hl. Paulus für das Evangelium verdankt Rom seine Schönheit und geistliche Faszination. Das alles bedeutet eine große Verantwortung für die Gläubigen Roms, und die fortschreitende Stadtmission hebt dies wirksam hervor. Ich weiß wohl, daß das Leben heute in unserer Stadt nicht wenige Unannehmlichkeiten mit sich bringt, von denen nicht selten die geistliche Dimension erstickt wird. Auch dafür rufe ich die hll. Patrone an, daß Rom seine Berufung als Weltstadt mit tiefen christlichen Wurzeln und einer großen Offenheit für die Kulturen und Menschen der ganzen Erde voll zur Entfaltung bringen kann. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen die Apostel Petrus und Paulus nachahmen. Es genügt nicht, sich Christen zu nennen, man muß es auch sein, d. h. sich so verhalten, wie Jesus sich verhalten hat. Das ist allerdings ohne die Gnade Gottes nicht möglich. Laßt uns daher die Fürsprache des hl. Petrus und des hl. Paulus und den mütterlichen Schutz Marias anrufen, damit unser Glaube immer kräftiger und missionarischer werde und wir - wie der Herr gesagt hat - „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (Mt 5,13.14) sein können. 86 A UDIENZEN UND ANGEL US Appell für Kongo-Brazzaville Wieder einmal gilt mein Gedanke Afrika, und zwar der Stadt Brazzaville im Kongo. Von dort kommen leider weiterhin Nachrichten von bewaffneten Zusammenstößen, die die nationale und internationale Vermittlungsarbeit und den Einsatz der humanitären Organisationen behindern. Ich hoffe, daß bald die „Feuereinstellung“ wiederaufgenommen wird und die Friedensverhandlungen fortgesetzt werden. Ich vereine meine Stimme mit der der kongolesischen Bischöfe, daß so vielen Brüdern und Schwestern Leid und Trauer erspart bleiben und man bald zu einer friedlichen Lösung der Krise kommen möge. Die Aufriahme Marias in den Himmel -eine Glaubenswahrheit Ansprache bei der Generalaudienz am 2. Juli 1. Gemäß der Apostolischen Konstitution Munificentissimus Deus meines verehrten Vorgängers Pius XII. hält das II. Vatikanische Konzil fest, daß die unbefleckte Jungfrau „nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen“ wurde {Lumen Gentium, Nr. 59). Die Konzilsväter wollten hervorheben, daß Maria im Unterschied zu den anderen Christen, die in der Gnade Gottes sterben, auch mit ihrem Leib in die Herrlichkeit des Paradieses aufgenommen wurde. Es handelt sich dabei um eine mehr als tausendjährige Glaubensüberzeugung, die sich auch in einer langen ikonographischen Tradition niederschlägt, die Maria darstellt, wie sie mit ihrem Leib in den Himmel „kommt“. Das Dogma von der Aufriahme in den Himmel besagt, daß der Leib Marias nach dem Tod verherrlicht wurde. Während nämlich die Verherrlichung des Leibes für die anderen Menschen am Ende der Welt geschehen wird, wurde für Maria die Verherrlichung ihres Leibes aufgrund eines einmaligen Privilegs vorweggenommen. 2. Bei der Definition des Dogmas von der Aufnahme in den Himmel am 1. November 1950 vermied es Pius XII., den Begriff „Auferstehung“ zu verwenden und zur Frage des Todes der Jungfrau als Glaubenswahrheit Stellung zu nehmen. Die Apostolische Konstitution Munificentissimus Deus beschränkt sich darauf auszusagen, daß der Leib Marias zur Herrlichkeit des Himmels emporgehoben wurde, und diese Wahrheit als „von Gott geoffenbarte Glaubenslehre“ zu erklären. Kann hier der Hinweis unterbleiben, daß die Aufnahme der Jungfrau in den Himmel seit jeher zum Glauben des Christenvolkes gehört, das mit der Bejahung des Eintritts Marias in die Herrlichkeit des Himmels die Verherrlichung ihres Leibes verkünden wollte? 87 AUDIENZEN UND ANGELUS Die erste Spur des Glaubens an die Aufnahme der Jungfrau in den Himmel findet sich in den apokryphen Erzählungen mit dem Titel Transitus Mariae, deren ursprünglicher Kern auf das 2./3. Jahrhundert zurückgeht. Es handelt sich um volkstümliche, manchmal romanhafte Darstellungen, die aber in diesem Fall eine Glaubensintuition des Gottesvolkes aufnehmen. In der Folge hat sich eine lange Reflexion rund um das Schicksal Marias im Jenseits entfaltet. Das hat bei den Gläubigen allmählich den Glauben an die Aufnahme der Mutter Jesu mit Seele und Leib in den Himmel entstehen lassen und im Osten zur Einsetzung der liturgischen Feste der Entschlafung und der Aufnahme Marias in den Himmel geführt. Der Glaube an ein glorreiches Schicksal der Seele und des Leibes der Mutter des Herrn nach ihrem Tod verbreitet sich vom Osten her mit großer Geschwindigkeit auch im Westen und ist vom 14. Jahrhundert an allgemein verbreitet. In unserem Jahrhundert ist er in den Jahren vor der Definition des Dogmas eine allgemein angenommene und der Gemeinschaft der Christen in jedem Winkel der Erde bekannte Wahrheit. 3. So leitete Pius XII. im Mai 1946 mit dem Brief Deiparae Virginis Mariae eine breitangelegte Umfrage in die Wege, um die Meinung der Bischöfe, und durch sie die des Gottesvolkes, hinsichtlich der Möglichkeit und Angemessenheit einer Definition der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel als Glaubensdogma zu erforschen. Der Widerhall war weitgehend pksitiv: nur sechs von 1181 Antworten äußerten Vorbehalte hinsichtlich des Offenbarungscharakters dieser Wahrheit. Diese Tatsache anführend, erklärt die Apostolische Konstitation Munificentissi-mus Deus: „Die allgemeine Zustimmung des ordentlichen Lehramtes der Kirche bietet ein sicheres und solides Argument, um zu beweisen, daß die leibliche Aufnahme der Seligen Jungfrau Maria in den Himmel ... eine von Gott geoffenbarte Wahrheit ist und daher von allen Kindern der Kirche fest und treu geglaubt werden muß“ (vgl. AAS 42[1950]757). Die Definition des Dogmas schließt angesichts des allgemeinen Glaubens des Volkes Gottes endgültig jeden Zweifel aus und fordert eine ausdrückliche Annahme durch alle Christen. Nachdem die Apostolische Konstitution den gegenwärtigen Glauben der Kirche hervorgehoben hat, verweist sie auf die biblischen Gmndlagen dieser Wahrheit. Das Neue Testament spricht zwar nicht ausdrücklich von der Aufnahme Marias in den Himmel, liefert jedoch die Grundlage dazu. Denn es zeigt klar eine vollkommene Vereinigung der Heiligen Jungfrau mit dem Schicksal Jesu. Diese Vereinigung, die, mit der wundersamen Empfängnis des Erlösers beginnend, in der Teilnahme der Mutter an der Sendung des Sohnes, und vor allem in der Verbindung mit dem Erlösungsopfer, zum Ausdruck kommt, kann schwerlich nicht die Fortsetzung nach dem Tod erfordern. Vollkommen mit dem Leben und dem Heilswerk Jesu vereint, teilt Maria sein himmlisches Schicksal mit der Seele und dem Leib. 4. Die genannte Apostolische Konstitution Munißcentissimus Deus nimmt Bezug auf die Teilnahme der Frau im Protoevangelium am Kampf gegen die Schlange 88 A UDIENZEN UND ANGEL US und erkennt in Maria die neue Eva; sie stellt somit die Aufnahme in den Himmel als Folge der Vereinigung Marias mit dem Heilswerk Christi dar und sagt diesbezüglich: „Wie deshalb die glorreiche Auferstehung Christi ein wesentlicher Teil und die letzte Trophäe dieses Sieges war, so mußte der gemeinsame Kampf der Seligen Jungfrau mit ihrem Sohne mit der ,Verherrlichung des jungfräulichen Leibes abgeschlossen werden [...]“ (Dignitatis humanae, 3901; vgl. AAS 42[1950]768). Die Aufnahme in den Himmel ist daher der Endpunkt des Kampfes, den die hochherzige Liebe Marias zur Erlösung der Menschheit geführt hat; sie ist die Frucht ihrer einzigartigen Teilnahme am Sieg des Kreuzes. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich Euch dem mütterlichen Beistand der Jungfrau Maria empfehle, heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Ich begrüße besonders die ökumenische Gruppe von katholischen Priestern und evangelischen Pastoren. Ihr seid nach Rom gekommen, um die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens zu entdecken und Euren Gemeinden weiterzugeben. Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Schüler und Schülerinnen und wünsche Euch schöne Sommerferien. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Ferien - neue Kräfte für das eigene Wohlergehen schöpfen Angelus am 6. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Beginn des Monats Juli sind wir nun mitten im Sommer und damit auch in der Ferienzeit. Die Jungen und Mädchen, die in die Schule gehen, haben das Schuljahr abgeschlossen. Nicht vergessen will ich aber die, die noch mit der Reifeprüfung beschäftigt sind: ich wünsche ihnen, sie in bestmöglicher Weise zu bestehen. Viele Familien machen in den Monaten Juli und August ihre Ferien. Wir haben ja alle hin und wieder eine etwas längere Zeit der Ruhe nötig, in körperlicher, psychologischer und geistlicher Hinsicht. Vor allem für die, die in den großen Städten leben, ist es wichtig, sich eine Zeitlang in die Natur zurückzuziehen. Auch ich werde mich am kommenden Mittwoch in die Berge des Aostatals begeben, um dort ein paar Tage in Entspannung und Ruhe zu verbringen. Damit der Urlaub seinen Sinn erfüllt und wirklich zum Wohlbefinden beiträgt, muß der Mensch in dieser Zeit zu einem guten Gleichgewicht sowohl mit sich 89 A UDIENZEN UND ANGELUS selbst als auch mit den andern und mit der Umwelt zurückfinden. Diese innere und äußere Harmonie läßt das Herz wieder aufleben und schenkt neue Körper- und Geisteskräfte. 2. Einer der Werte, die der Urlaub mit sich bringt, ist die Begegnung mit anderen, das unbekümmerte Zusammensein, die Freude darüber, in Freundschaft schöne Stunden miteinander zu teilen. Da ich aber menschliches Denken und Empfinden kenne und weiß, wie die Wohlstandsgesellschaft beschaffen ist, möchte ich sehr empfehlen, besonders den Jugendlichen, gesunde Ferien zu machen, d. h. gesunde Ablenkungen vom Alltagsleben zu suchen und nicht zum eigenen Schaden und zum Schaden anderer auszuscheren. Andernfalls werden Zeit und Mittel verschwendet und man kommt aus den so sehr ersehnten „Ferien“ ohne jeden Nutzen zurück. Dem Alltag entfliehen kann nützlich sein, aber unter der Bedingung, daß man nicht aus gesunden moralischen Maßstäben ausbricht oder einfach mißachtet, was man dem eigenen Wohlergehen schuldig ist. 3. Das Recht auf einen Urlaub darf uns nicht die vergessen lassen, die aus verschiedenen Gründen nicht ihre gewöhnliche Umwelt verlassen können, weil das Alter, Gesundheitsgründe, Arbeitsbedingungen, wirtschaftliche Schwierigkeiten oder andere Probleme sie daran hindern. In der Sommerzeit sind bestimmte öffentliche Dienste, die vorrangige Bedeutung haben, noch notwendiger, und als sehr kostbar erweist sich auch die Anwesenheit von Freiwilligen, die einsamen Menschen Aufmerksamkeit widmen. Heute möchte ich Maria, der heiligsten Jungfrau, die Ferien aller anvertrauen, damit es eine unbeschwerte und nutzbringende Zeit sei. Aber ich empfehle ihr auch die Sommerzeit der Menschen, die keine Ferien machen können: möge es dennoch eine Erholungszeit werden, verschönt durch freundschaftliche Besuche und frohe Stunden. Die Aufnahme Marias in den Himmel in der Tradition der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Juli 1. Die ununterbrochene und einhellige Überlieferung der Kirche macht deutlich, daß die Aufnahme Marias in den Himmel auf den Plan Gottes zurückgeht und in der einzigartigen Teilnahme Marias an der Sendung des Sohnes ihre Wurzeln hat. Schon im ersten Jahrtausend drücken sich die heiligen Schriftsteller in diesem Sinn aus. Zeugnisse, oder eigentlich nur skizzierte Andeutungen, finden sich beim hl. Ambrosius, beim hl. Epiphanius und bei Timotheus von Jerusalem. Der hl. Germanus von Konstantinopel (t 733) legt Jesus, der sich anschickt, seine Mutter in den Himmel zu fuhren, folgende Worte in den Mund: „Dort, wo ich bin, 90 A UDIENZEN UND ANGEL US mußt auch du sein, Mutter, die du von deinem Sohn nicht zu trennen bist(Ho-mil. 3 in Dormitionem, PG 98, 360). Weiter sieht dieselbe kirchliche Tradition in der Gottesmutterschaft den wesentlichen Grund für die Aufnahme in den Himmel. In einer apokryphen Erzählung aus dem 5. Jh., die Pseudo-Meliton zugeschrieben wird, finden wir einen interessanten Zug dieser Überzeugung. Der Autor stellt sich vor, wie Christus Petrus und die Apostel über das Los befragt, das Maria verdient habe, und er erhält von ihnen die Antwort: „Herr, du hast diese deine Dienerin erwählt, daß sie eine makellose Wohnstätte für dich werde ... Daher halten wir, deine Diener, es für gerecht, daß, wie du nach deinem Sieg über den Tod in der Herrlichkeit herrschest, du auch den Leib deiner Mutter auferweckest und sie in Freude mit dir in den Himmel nehmest“ (De transitu V. Mariae, 16, PG 5,1238). Man darf deshalb behaupten, daß die göttliche Mutterschaft, die den Leib Marias zur makellosen Wohnstätte des Herrn gemacht hat, seine glorreiche Bestimmung begründet. 2. Der hl. Germanus) versichert in einem poesievollen Text, die Liebe Jesu zu seiner Mutter verlange es, daß Maria im Himmel wieder mit ihrem göttlichen Sohn verbunden werde: „Wie ein Kind die Gegenwart seiner Mutter sucht und wünscht, und wie eine Mutter gern in der Gesellschaft ihres Sohnes lebt, so war es auch für dich, deren mütterliche Liebe zu deinem göttlichen Sohn außer Zweifel steht, angemessen, daß du zu ihm zurückkehrtest. Und war es nicht angemessen, daß doch jedenfalls dieser Gott, der dir wirkliche Sohnesliebe erwies, dich zu sich aufnahm?“ (Hom. 1 in Dormitionem. PH 98, 347). In einem anderen Text integriert der ehrwürdige Verfasser den persönlichen Aspekt des Verhältnisses zwischen Christus und Maria in die Heilsdimension der Mutterschaft und sagt: „Die Mutter des Lebens mußte die Wohnstätte mit dem teilen, der ,das Leben1 ist“ (ebd., PG 98, 348). 3. Einige Kirchenväter betrachten die Teilnahme Marias am Erlösungswerk als ein weiteres Argument für die Begründung des Privilegs der Aufnahme in den Himmel. Der hl. Johannes von Damaskus unterstreicht die Beziehung zwischen der Teilnahme an der Passion und dem Los der Herrlichkeit: „Es mußte so sein, daß sie, die ihren Sohn am Kreuz gesehen hatte und der das Schwert des Leidens tief ins Herz gedrungen war, ... diesen Sohn schaue, wie er zur Rechten des Vaters thront“ (Hom. 2, PG 96, 741). Im Licht des Ostergeheimnisses wird es besonders deutlich, wie angemessen es war, daß, zusammen mit dem Sohn, auch die Mutter nach dem Tod verherrlicht wurde. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert in der dogmatischen Konstitution über die Kirche an das Geheimnis der Aufnahme Marias in den Himmel, wobei es die Aufmerksamkeit auf das Privileg der Unbefleckten Empfängnis lenkt: Gerade weil Maria „von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt“ (Lumen Gentium, Nr. 59) wurde, durfte sie nicht wie die anderen Menschen bis ans Ende der Welt 91 A UDIENZEN UND ANGELUS im Zustand des Todes bleiben. Das Fehlen der Erbsünde und die vollkommene Heiligkeit vom ersten Augenblick des Daseins an erforderten für die Mutter Gottes die volle Verherrlichung ihrer Seele und ihres Leibes. 4. Im Blick auf das Geheimnis der Aufnahme der Heiligen Jungfrau in den Himmel ist es möglich, den Plan der Göttlichen Vorsehung hinsichtlich der Menschheit zu begreifen: Nach Christus, dem menschgewordenen Wort, ist Maria das erste menschliche Geschöpf, das das endzeitliche Ideal darstellt. Sie erfreut sich im voraus der Fülle der Glückseligkeit, die den Auserwählten durch die Auferstehung des Leibes verheißen ist. In der Aufnahme der Jungfrau in den Himmel können wir auch den göttlichen Willen zur Förderung der Frau erkennen. In Entsprechung zu dem, was am Anfang des Menschengeschlechtes und der Heilsgeschichte geschah, sollte nach dem Plan Gottes auch das endzeitliche Ideal nicht in einem Einzelmenschen offenbar werden, sondern in einem Paar. Darum gibt es in der himmlischen Herrlichkeit neben dem auferstandenen Christus eine auferweckte Frau, Maria: der neue Adam und die neue Eva, Erstlinge der allgemeinen leiblichen Auferstehung der ganzen Menschheit. Der eschatologische Zustand Christi und Marias liegen zweifellos nicht auf der gleichen Ebene. Maria, die neue Eva, hat von Christus, dem neuen Adam, die Fülle an Gnade und himmlischer Herrlichkeit empfangen, als sie durch den Heiligen Geist von der höchsten Macht des Sohnes auferweckt wurde. 5. Wie spärlich diese Bemerkungen auch sind, so können sie uns doch Licht darauf werfen, daß die Aufnahme Marias in den Himmel den Adel und die Würde des menschlichen Leibes offenbart. Angesichts der Entwürdigungen und der Erniedrigung, denen die moderne Gesellschaft nicht selten besonders den Körper der Frau aussetzt, verkündet das Geheimnis der Aufnahme in den Himmel die übernatürliche Bestimmung und die Würde jedes menschlichen Leibes, der vom Herrn berufen ist, Werkzeug zur Heiligung zu werden und an seiner Herrlichkeit Anteil zu gewinnen. Maria ist in die Herrlichkeit eingegangen, weil sie den Sohn Gottes in ihren jungfräulichen Schoß und in ihr Herz aufgenommen hat. Im Blick auf sie lernt der Christ den Wert seines eigenen Leibes entdecken und ihn als Tempel Gottes bewahren, in Erwartung der Auferstehung. Die Aufnahme Marias in den Himmel, ein der Muttergottes gewährter Vorzug, bildet also einen unermeßlichen Wert für das Leben und die Bestimmung der Menschheit. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutsch-sprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die Lehrkräfte des Wemer-von-Siemens-Gymnasi-ums aus Regensburg willkommen. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die 92 AUDIENZEN UND ANGELUS zahlreichen Schüler- und Jugendgruppen. Wie der Papst heute in die Berge geht, so wünsche ich auch euch erholsame Sommerferien in Gottes schöner Natur und bei der Bewunderung der kulturellen Reichtümer. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Mit Maria auf dem Weg ins nächste Jahrtausend Angelus in „Les Combes“, Valle d’Aosta [Ferien], am 13. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute habe ich die Freude, das gewohnte sonntägliche Treffen zum Angelusgebet in den Bergen des Valle d’Aosta zu halten, von diesem herrlichen Ort „Les Combes“ aus, wo ich mich nun zum sechsten Mal für einige Ferientage aufhalte. Dankbar für die mir so liebenswürdig erwiesene Gastfreundschaft richte ich einen brüderlichen Gruß an den Bischof von Aosta, Msgr. Giuseppe Anfossi. In ihm sehe ich die ganze mir so liebe kirchliche Gemeinschaft des Aostatales vertreten. Möge mein herzlicher Gruß zu jedem Bewohner dieses Tales gelangen! Ich grüße die Präsidenten der regionalen Verwaltung und des regionalen Rates. Ich grüße auch den Bürgermeister von Introd und spreche ihm und den Einwohnern meinen lebhaften Dank für die freundliche Aufnahme an diesem bezaubernden Ort aus. Sodann richte ich einen herzlichen Gruß an euch alle, Bewohner des Tales und Touristen, die ihr hergekommen seid, um mir eure Freundlichkeit zu bezeigen. Ich danke Gott für diese Ruhepause in der Stille dieser Berge, deren majestätischer Anblick die Seele einlädt, sich zur Betrachtung der Weisheit und der Güte des Schöpfers zu erheben. Heute schließt in der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden in Yamoussou-kro, Elfenbeinküste, das zweite Internationale Priestertreffen zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Darum wende ich mich nun an die Teilnehmer dieses geistlichen Treffens. Dabei bediene ich mich der Verbindung, die die italienische Radio- und Fernsehgesellschaft (RAI) eigens zu diesem Anlaß hergestellt hat, wofür ich ihr aufrichtig danke. In französischer Sprache fuhr der Papst fort: 2. Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und liebe Priester, die ihr aus den verschiedenen Kontinenten zur Elfenbeinküste gekommen seid, euch alle grüße ich mit dem Friedenskuß. Achtungsvoll grüße ich den Herrn Präsidenten der Elfenbeinküste. Er hat sich außerordentlich bemüht um das gute Gelingen eures Treffens. Er hat so gemeinsam mit den übrigen Autoritäten des Landes und der zahlreich teilnehmenden Bevölkerung, diese von der Kongregation für den Klerus in Übereinstimmung mit der 93 A UDIENZEN UND ANGELUS Kongregation für die Evangelisierung der Völker durchgeführte Veranstaltung geehrt. Diese Art von Begegnungen hat eine besondere Bedeutung, denn in der Atmosphäre brüderlicher Gemeinschaft, die sich um die Eucharistie bildet, werdet ihr Priester aus allen Teilen der Welt angeregt, das Bewußtsein eurer Identität und eurer Sendung neu zu beleben. Dem Geist des Schreibens Tartio millenio adveniente entsprechend verliefen die Tage von Yamoussouko in einem christologischen Rahmen: Dank der tiefen Verbundenheit des Priesters mit Christus kann sich durch das Wort und durch die Sakramente das Erbarmen Gottes in der Welt ausbreiten. Weiter sagte der Papst in englischer Sprache: 3. Ich freue mich, daß ihr dem nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Africa besondere Beachtung geschenkt habt und daß ihr euch in Afrika treffen wolltet, in dem Kontinent, der Schauplatz eines ruhmvollen missionarischen Epos war. Seit den frühen Tagen des Christentums war Afrika durch viele hervorragende Heilige ausgezeichnet, und noch in jüngster Zeit wurde es von Märtyrerblut getränkt. In besonderer Weise möchte ich den lieben Diakonen, die nun bald in der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden zu Priestern geweiht werden, nahelegen, sie mögen in ihrem priesterlichen Engagement entschieden den Schwerpunkt der missionarischen Dimension betonen. Alle Völker und alle Gesellschaften haben unbedingt eines nötig: sie brauchen Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist! Bringt ihn mit wirklich katholischem Herzen zu anderen, und seid bestrebt, immer und überall als ein „zweiter Christus“ zu leben. Der Papst kehrte zur italienischen Sprache zurück: 4. Ich freue mich, daß der bedeutungsvolle Pilgerweg über die Marianischen Wallfahrtsorte weitergeht, denn es besteht ja wirklich eine wunderbare Verbindung zwischen Maria, der heiligsten Jungfrau, und dem Priestertum. Unsere Weihe an sie, unser bewußtes „Totus tuus!“, das wir zu ihr sagen, bringt folgerichtig die Hingabe an das Reich Gottes zum Ausdruck und ist eine Gewähr für Beharrlichkeit und gutes Gelingen. Im Gedanken an diese Verbindung der Jungfrau Maria mit dem Priestertum und mit jedem Priester, dem Jesus sie vom Kreuz aus zur Mutter gegeben hat, sprechen wir zusammen das ,,Angelus“-Gebet und bitten sie, die zu den Heilsplänen Gottes „Ja“ gesagt hat, uns zu erlangen, daß wir immer gelehrige Werkzeuge für das wahre Wohl der Seelen seien. Hier mit uns sind auch Msgr. Ovidio Lari, emeritierter Bischof von Aosta, der mich schon funfinal in dieser gastfreundlichen Gegend empfangen hat, und Msgr. Alberto Maria Careggio, jetzt Bischof von Chiavari, der mich während meiner Sommeraufenthalte im Aostatal oft auf meinen Entdeckungsspaziergängen begleitet hat. Ich bin beiden sehr dankbar. 94 AUDIENZEN UND ANGELUS Herzlich begrüße ich die Gemeinschaft der Salesianer, der ich für ihre geschätzte Gastfreundschaft sehr danke, sowie die Gesangs vereine von Gresson und Val di Sench, die Benediktinermönche der Abtei von Saint Benoit de Port du Alet, den Rektor und die Seminaristen der Diözese Aosta, die Schwestern vom hl. Joseph, die sich so viele Verdienste erworben haben, eine Gruppe salesianischer Novizen und die weißrussischen Kinder, die bei Familien im Aostatal zu Gast sind. Ich danke allen, die bis hierher gekommen sind, um am sonntäglichen Angelusgebet teilzunehmen, und auch jenen, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Der Segen des Herrn begleite uns heute und allezeit. Nachdem der Papst über Fernsehen das Grußwort gehört hatte, das der Pro-Präfekt der Kongregation für den Klerus, Erzbischof Castrillon Hoyos, vom internationalen Priestertreffen aus Yamoussoukro an ihn gerichtet hatte, sagte der er: Man sieht, daß das Aostatal bevorzugt ist zum Dialog zwischen den Kontinenten. Ich wünsche, daß dieser Ort der herrlichen Alpenregion dem afrikanischen Kontinent nahe sein möge und jenen unserer priesterlichen Mitbrüder, die sich dort darauf vorbereiten, die Schwelle zum dritten Jahrtausend zu überschreiten. Ich wünsche euch alles Gute, Brüder. Gelobt sei Jesus Christus. Mitleid und Gebet für die Opfer der Überschwemmungen in Polen und der Tschechischen Republik Worte in polnischer Sprache: In der vergangenen Woche wurde mein Heimatland und die Tschechische Republik von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Viele Menschen sind ums Leben gekommen. Tausende Einwohner der Städte und Dörfer haben all ihr Hab und Gut verloren, haben kein Dach mehr über dem Kopf und sind jetzt völlig mittellos. Ich bin mit meinem brüderlichen Mitleid und meinem Gebet all jenen nahe, die durch die Überschwemmung einen Schaden erlitten haben. Zusammen mit der Kirche in Polen bitte ich alle Menschen guten Willens um solidarische Hilfe für die Opfer der Überschwemmungen. Mögen unsere Herzen sich für die Bedürfnisse unserer Brüder und Schwestern in Not öffnen. Kummer über den Mord an dem spanischen Politikers Miguel Angel Blanco Garrido Nach dem Gebet sagte der Papst in spanischer Sprache: Voll Kummer habe ich aus Spanien die Nachrichten über den barbarischen Mord an dem jungen Politiker Miguel Angel Blanco Garrido verfolgt. Ich beklage nach-drücklichst diese Bluttat: die Ermordung eines unschuldigen Opfers kann niemals gerechtfertigt werden. Der trauernden Familie spreche ich meine Nähe im Gebet aus. Ich rufe den Herrn an, dem lieben spanischen Volk auf dem Weg zu einem friedlichen und ruhigen Zusammenleben Mut und Zähigkeit zu gewähren. 95 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Bibel - Lehrpfad christlicher Spirituatlität und Begleiter für den Urlaub Angelus in Castel Gandolfo am 20. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern bin ich von einem kurzen Aufenthalt im Aostatal zurückgekehrt, und ich freue mich, daß ich nun Gelegenheit habe, bei diesem marianischen Gebet öffentlich und zugleich familiär mit der Gemeinde Castel Gandolfo Kontakt aufzunehmen. Herzlich grüße ich euch alle, Bürger dieses alten, mit dem Sitz des Petrus so verbundenen Zentrums. Ein besonderer Graß gilt dem Diözesanbischof Msgr. Dante Bemini und seinem Weihbischof. Einen herzlichen Graß auch euch, ihr Pilger, die ihr zum Angelusgebet zusammengekommen seid. 2. Mitten in der Sommerzeit bietet sich in den Augenblicken körperlicher Ruhe und innerer Entspannung Gelegenheit, auch den geistigen Bedürfnissen größere Aufmerksamkeit zu schenken. Heute möchte ich besonders unterstreichen, wie wichtig es ist, das Wort Gottes zu hören. Es öffnet uns die Horizonte der Liebe des Herrn und wird es nicht daran fehlen lassen, mit einer besonderen spirituellen Note die Ferienzeit reicher zu gestalten. Das führt dann dazu, daß wir die gewohnten Tätigkeiten innerlich erneuert wieder aufnehmen können. Die Heilige Schrift ist ja „ein reiner, unversiegelter Quell des geistlichen Lebens“ und „die höchste Richtschnur des Glaubens“ (vgl. Dei Verbum, Nr. 21). Sie ist gleichsam das Wasser, das den Durst stillt, und die Speise, die das Leben der Gläubigen nährt. Darum fordere ich alle auf, für einen intensiveren und häufigeren Kontakt mit dem Worte Gottes zu sorgen, das seine heilende und schöpferische Kraft in uns wirken läßt. Vielleicht hindert oft der atemberaubende Rhythmus des Lebens viele daran, sich so, wie sie es gerne tun würden, mit der Bibel zu beschäftigen. Warum nicht die Ferien dazu benutzen, sie mitzunehmen und bei der einen oder anderen ihrer unvergänglichen Seiten zu verweilen? 3. Es ist für den Gläubigen etwas Grundlegendes, die Heilige Schrift lesen zu lernen: es ist die erste Stufe einer Treppe, die weiterführt zur Meditation und dann zum wahren und eigentlichen Gebet. Von der Bibellesung ausgehendes Beten, das ist der Lehrpfad der christlichen Spiritualität. Wer dazu die notwendige Zeit und Hingabe aufzubringen weiß, wird reiche Fracht daraus ernten. In diesem Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum, in dem wir eingeladen sind, „mit erneutem Interesse zur Bibel zurückzukehren“, um „die wahre Identität Christi zu erkennen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 40), wollen wir beten, daß jeder Christ und wer immer die Wahrheit sucht, sich zum „Pilger der Heiligen Schrift“ macht und es lernt, auf seinem Weg das Wort des Lebens als tägliches Brot zu sich zu nehmen. 96 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieses Anliegen wollen wir Maria anvertrauen, die durch die Aufnahme des Wortes Gottes die Mutter des Erlösers wurde. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Möge Euch und Euren Lieben daheim Gottes Segen zuteil werden! Gebetsgedenken für die Betroffenen der Flutkatastrophe Zu den polnischen Pilgern nach dem Angelus: Mit meinem Herzen und meinem Gebet bin ich denen nahe, die weiterhin von der Flutkatastrophe betroffen sind. Wir fühlen mit ihnen allen in christlicher Solidarität. Ich freue mich zu hören, daß Landsleute großzügig den Opfern des verheerenden Geschehens zu Hilfe kommen. Den Leidenden versichere ich noch einmal meine innere Nähe. Gott segne alle! Maria — Königin der Welt Ansprache bei der Generalaudienz am 23. Juli 1. Die Volksffömmigkeit ruft Maria als Königin an. Das Konzil erklärt, nachdem es an die Aufnahme der Jungfrau „mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit“ erinnert hat, daß sie „als Königin des Alls vom Herrn erhöht“ wurde, „um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren (vgl. Offb 19,16) und dem Sieger über Sünde und Tod“ (Lumen Gentium, Nr. 59). In der Tat beginnt man vom 5. Jahrhundert an, etwa um die gleiche Zeit, in der das Konzil von Ephesus Maria als „Mutter Gottes“ verkündet, ihr den Titel „Königin“ zuzuerkennen. Mit dieser weiteren Anerkennung ihrer hohen Würde will das christliche Volk sie über alle Geschöpfe stellen und ihre Rolle und ihre Bedeutung im Leben jedes einzelnen Menschen und der ganzen Welt hervorheben. Aber schon im Fragment einer Predigt, die Origines zugeschrieben wird, erscheint folgender Kommentar zu den Worten, die Elisabet beim Besuch Marias sprach: „Ich bin es, die zu dir hätte kommen müssen, denn du bist mehr als alle Frauen gesegnet, du, die Mutter meines Herrn, du, meine Herrin“ (Fragmenta, PG 13,1902 D). Dieser Text geht von dem Ausdruck „die Mutter meines Herrn“ spontan über zu der Anrede „meine Herrin“. So wird vorausgenommen, was später der hl. Johannes von Damaskus erklären wird, der Maria den Titel „Herrin“ gibt: „Sie ist wirklich die Herrin aller Geschöpfe geworden, da sie Mutter des Schöpfers wurde“ {De fide orthodoxa, 4,14, PG 94,1157; BKV Bd. 44, München/Kempten 1923, S. 219 f.). 97 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Mein verehrter Vorgänger Pius XII. bezeichnet in der Enzyklika Ad coeli Regi-nam, auf die der Text der Konstitution Lumen Gentium Bezug nimmt, außer der Mutterschaft die Mitwirkung beim Erlösungswerk als grundlegend für das Königtum Marias. Die Enzyklika erinnert an den liturgischen Text: „Die heilige Maria, Königin des Himmels und Herrscherin der Welt, stand mit Schmerzen beim Kreuz unseres Herrn Jesus Christus“ (zL4S46[1954]634). Sie stellt sodann eine Analogie zwischen Maria und Christus fest, die uns die Bedeutung des Königtums der hl. Jungfrau verstehen hilft. Christus ist König nicht nur deshalb, weil er Sohn Gottes, sondern auch, weil er Erlöser ist; Maria ist Königin nicht nur deshalb, weil sie Mutter Gottes ist, sondern auch weil sie, als neue Eva dem neuen Adam zugesellt, beim Werk der Erlösung des Menschengeschlechtes mitwirkte (vgl. AAS 46[1954]635). Im Markusevangelium lesen wir: Am Tag der Himmelfahrt wurde der Herr Jesus „in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes“ (16,19). In der Sprache der Bibel bedeutet „Sitzen zur Rechten Gottes“ die Teilhabe an seiner Herrschermacht. „Zur Rechten des Vaters sitzend“ richtet Jesus sein Reich auf, das Reich Gottes. In den Himmel aufgenommen, erlangt Maria Teilhabe an der Macht ihres Sohnes, sie widmet sich der Ausbreitung des Reiches Gottes und nimmt teil an der Verbreitung der göttlichen Gnade in der Welt. Wenn wir die Analogie zwischen der Himmelfahrt Christi und der Aufnahme Marias in den Himmel betrachten, dürfen wir den Schluß ziehen, daß Maria, in Abhängigkeit von Christus, die Königin ist, die eine von ihrem Sohn ihr geschenkte Vollmacht über das Universum besitzt und ausübt. 3. Der Titel der Königin ersetzt gewiß nicht den der Mutter: ihr Königtum bleibt eine Zugabe zu der ihr eigenen mütterlichen Sendung und drückt lediglich die Vollmacht aus, die ihr verliehen wurde, um diese Sendung zu erfüllen. Papst Pius XII. macht diese mütterliche Dimension des Königtums der Jungfrau deutlich, indem er die Bulle Ineffabilis Deus von Pius IX. zitiert: „Da Maria uns mit mütterlicher Liebe zugetan ist und die Interessen unseres Heils wahmimmt, dehnt sie ihre liebende Sorge auf das ganze Menschengeschlecht aus. Vom Herrn als Königin des Himmels und der Erde eingesetzt, über alle Chöre der Engel und die ganze himmlische Hierarchie der Heiligen erhoben, thronend zur Rechten ihres einzigen Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, erhält sie ganz gewiß das, was sie mit ihren mütterlichen Gebeten erbittet; sie findet das, was sie sucht, und es kann ihr nicht fehlen“ (AAS 46[1954]636-637). 4. Die Christen schauen also mit Vertrauen auf zu Maria, der Königin, und das vermindert keineswegs, sondern verstärkt vielmehr ihre kindliche Hingabe an die, die in der Ordnung der Gnade Mutter ist. Als Königin kann Maria sogar noch viel wirksamer ihre Sorge den Menschen zuwenden, gerade kraft ihres Zustandes in der Herrlichkeit, der die Folge ihrer Aufnahme in den Himmel ist. Das beleuchtet der hl. Germanus von Konstantinopel 98 A UDIENZEN UND ANGEL US gut mit dem Gedanken, daß dieser Zustand die tiefste Beziehung Marias zu ihrem Sohn gewährleiste und ihre Fürbitte für uns möglich mache. Sich an Maria wendend sagt er: Christus hat „sozusagen deine Lippen und dein Herz nahe bei sich haben wollen, und so gewährt er alle Wünsche, die du vorbringst, wenn du um deine Kinder Leid hast, und er fuhrt mit seiner göttlichen Macht alles aus, um was du ihn bittest“ (Hom. 1, PG 98, 348). 5. Man darf also schließen, daß die Aufnahme Marias in den Himmel nicht nur der vollen Verbundenheit Marias mit Christus zustatten kommt, sondern auch jedem von uns: Sie ist uns zur Seite, denn ihr Dasein in der jenseitigen Herrlichkeit gestattet es ihr, uns auf unserem täglichen irdischen Lebensweg zu folgen. So lesen wir wiederum beim hl. Germanus: „Du weilst geistigerweise bei uns, und dein Wachen über uns macht deine Lebensgemeinschaft mit uns offensichtlich“ {Hom. 1, PG 98, 344). Weit also davon entfernt, Distanz zwischen uns und ihr zu schaffen, läßt der verherrlichte Zustand Marias vielmehr eine beständige, aufmerksam sorgende Nähe zu. Sie kennt alles, was in unserem Leben geschieht, und steht uns in den Prüfungen des Daseins mit mütterlicher Liebe bei. In die himmlische Herrlichkeit aufgenommen, widmet sich Maria ganz dem Heilswerk, um jedem Lebenden das Glück zukommen zu lassen, das ihr selbst zuteil wurde. Sie ist eine Königin, die alles gibt, was sie besitzt, indem sie uns vor allem das Leben und die Liebe Christi zuwendet. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich euch alle, die ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid. Mein besonderer Gruß gilt den Pilgern aus der Diözese Feldkirch in Österreich sowie allen anwesenden Schülern und Schülerinnen aus Deutschland. Euch allen, euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Die hl. Birgitta - Vorbild für ein Leben nach den Werten des Evangeliums Und nun noch einen herzlichen Gruß an die Jugendlichen, an die Kranken und an die Neuvermählten. Heute begeht die Kirche in der Liturgie das Gedächtnis der hl. Birgitta von Schweden, die sich in glühender Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern ganz der Sache des Evangeliums widmete und sich in den Dienst der Einheit der Christen stellte. Liebe Jugendliche, ich fordere euch auf, dem Beispiel der hl. Birgitta zu folgen, euer Leben in den Werten des Evangeliums Wurzeln schlagen zu lassen und in offenem und herzlichem Dialog den Glauben zu bezeugen. 99 AUDIENZEN UND ANGELUS Und ihr, liebe Kranke, opfert in missionarischer Gesinnung eure täglichen Leiden auf für die volle Gemeinschaft unter allen Jüngern des Herrn. Zum Schluß wünsche ich euch, ihr lieben Neuvermählten, daß ihr Zeugnis dafür zu geben wißt, wie wichtig die Sendung der christlichen Familie in der Kirche und in der Gesellschaft ist. Allen meinen Segen. Konkrete Erfahrungen von Kirche beim Weltjugendtag Angelus in Castel Gandolfo am 27. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. In diesen Tagen findet in Assisi der Weltkongreß der Pfadfinderführer statt. Dieses bedeutsame Treffen bietet mir die willkommene Gelegenheit zu einem herzlichen Gmß an die in der Stadt von Franziskus und Klara Versammelten und an die Jugendlichen in aller Welt. Ich nehme damit gewissermaßen schon etwas vorweg von der Freude, sie im August beim nächsten Weltjugendtag zu treffen. Insbesondere möchte ich jetzt die Jugendlichen Frankreichs, die mit uns durch Radio und Fernsehen verbunden sind, in der ihnen vertrauten Sprache grüßen, um ihnen Ansporn zu geben, sich geistig gut auf das wichtige Welttreffen vorzubereiten. In französischer Sprache fuhr der Papst fort: 2. Liebe Jugendliche Frankreichs, ich grüße euch herzlich. Ich bin gewiß, daß der Weltjugendtag für jeden von euch ein ausgesprochener Tag des Gebetes, der Ge-schwisterlichkeit im Miteinander-Teilen und eine echte kirchliche Erfahrung wird. Ihr habt der Kirche viel zu sagen; ihr habt ihr auch viele Fragen zu stellen. Die Kirche will euch zuhören. Sie will euch Den entdecken lassen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Sie möchte euch helfen, eure Erwartungen und Bestrebungen zu verwirklichen und die Schwierigkeiten, die ihr etwa durchzumachen habt, zu überwinden, damit ihr die Talente, die in euch sind, entfaltet und euer Leben schön sei. Wenn ihr Christus fragt: „Meister, wo wohnst du?“, dann könnt ihr mit der Kirche ihn entdecken, ihn, den Herrn, der dem Leben Sinn gibt und der sich mit euch verbünden will. Habt keine Angst, euch zur Begegnung mit Jesus führen zu lassen, der euer Glück will! Wenn ihr in der Kirche lebt, werdet ihr entdecken, daß ihr nicht allein auf dem Weg seid, daß wir miteinander von der Liebe Christi leben und daß wir solidarisch sind. Im Lauf der verschiedenen Treffen in den Diözesen Frankreichs, in denen ihr aufgenommen werdet, und wenn wir alle zusammen in Paris sein werden, wird Christus mitten unter uns sein und mit uns gehen. Jesus hat uns ja gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 18,20). 100 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Ebenso werden diese Tage der Gemeinsamkeit euch Gelegenheit geben, mit Jugendlichen aus anderen Ländern und anderen Kontinenten zusammenzukommen. Ich fordere euch auf, geschwisterlich einander aufzunehmen und so der Welt die großen menschlichen und geistigen Werte zu zeigen, die ihr in euch tragt. Wenn ihr euch an die Erwachsenen wendet, daß sie euch auf dem Weg begleiten mögen, werdet ihr sie bitten, das Evangelium an euch weiterzugeben und Zeugen des Herrn für euch zu sein. Ich grüße alle Katholiken Frankreichs, und ich danke den christlichen Gemeinschaften, daß sie im Lauf des Monats August die Jugendlichen aufnehmen. Der Papst sagte wieder in italienisch: Maria, die das menschliche Wachstum ihres Sohnes Jesus mit mütterlicher Liebe verfolgt hat, möge über die Erwartungen und das Engagement der Jugendlichen unserer Zeit wachen, auf daß sie mit ihren Idealen und ihrer Begeistemng ihren unentbehrlichen Beitrag zum Aufbau der Zivilisation der Liebe leisten können. Wie die Pilger englischer, spanischer und portugiesischer Sprache in ihren jeweiligen Sprachen, so begrüßte der Papst auch die deutschsprachigen mit folgenden Worten: Zu unserem gemeinsamen Gebet begrüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache, sehr herzlich, und wünsche Euch allen einen erholsamen Urlaub. Maria — überragendes Glied der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 30. Juli 1. Die außergewöhnliche Rolle, die Maria im Heilswerk spielt, lädt uns dazu ein, die zwischen ihr und der Kirche bestehende Beziehung tiefer zu betrachten. Manche sind der Ansicht, Maria könne nicht als Glied der Kirche angesehen werden, da die ihr verliehenen Privilegien: die Unbefleckte Empfängnis, die göttliche Mutterschaft und die einzigartige Mitwirkung am Heilswark, ihr eine die Gemeinschaft der Gläubigen übertreffende Stellung geben. Das II. Vatikanische Konzil jedoch hat keine Bedenken, Maria als Glied der Kirche darzustellen, wenn es auch näher erläutert, daß sie es in „überragender und völlig einzigartiger Weise“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 53) ist. Maria ist Typus, Urbild und Mutter der Kirche. Aufgrund der vom Herrn empfangenen außergewöhnlichen Gaben unterscheidet sich die heilige Jungfrau von allen anderen Gläubigen, doch sie gehört zur Kirche und ist mit vollem Recht deren Glied. 2. Die Lehre des Konzils hat eine bedeutsame Grundlage in der Heiligen Schrift. Die Apostelgeschichte zeigt Maria von Anfang an in der Urgemeinde anwesend (vgl. 2,42), als sie zusammen mit den Jüngern und einigen gläubigen Frauen betend den Heiligen Geist erwartet, der auf sie alle herabsteigen wird. 101 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach Pfingsten lebt die heilige Jungfrau weiterhin inmitten der Gemeinschaft, nimmt an den Gebeten teil, am Hören auf die Unterweisung der Apostel und am „Brotbrechen“, d. h. an der Eucharistiefeier (vgl. Apg 2,42). Die im Haus von Nazaret in enger Verbundenheit mit Jesus gelebt hatte, lebt jetzt in der Kirche in tiefer Gemeinschaft mit ihrem in der Eucharistie gegenwärtigen Sohn. 3. Als Mutter des eingeborenen Sohnes Gottes ist Maria Mutter der Gemeinschaft, die den Mystischen Leib Christi bildet, und begleitet dessen erste Schritte. Sie nimmt diese Mission an. Sie setzt sich ein und gibt dem kirchlichen Leben mit ihrer mütterlichen und beispielhaften Anwesenheit Anregung. Diese Solidarität hat in ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Erlösten ihren Ursprung. Im Unterschied zu ihrem Sohn bedurfte Maria ja der Erlösung, da sie „mit allen erlösungsbedürftigen Menschen in der Nachkommenschaft Adams verbunden“ (Lumen Gentium, Nr. 53) ist. Das Privileg der Unbefleckten Empfängnis hat sie aufgrund einer besonderen Heilswirkung von seiten des Erlösers vor dem Makel der Sünde bewahrt. „Als überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche“ (Lumen Gentium, Nr. 53) nutzt Maria die ihr von Gott verliehenen Gaben dazu, eine vollständigere Solidarität mit den Brüdern und Schwestern ihres Sohnes zu verwirklichen, die nun auch ihre Kinder geworden sind. 4. Als Glied der Kirche stellt Maria ihre persönliche Heiligkeit, eine Frucht der Gnade Gottes und ihrer eigenen treuen Mitwirkung, in den Dienst der Brüder und Schwestern. Die makellose Jungfrau ist für alle Christen eine wirksame Unterstützung im Kampf gegen die Sünde und eine ständige Ermutigung, als solche zu leben, die von Christus erlöst, vom Geist geheiligt und Kinder des Vaters sind. In die Urgemeinde eingegliedert, ist „Maria, die Mutter Jesu“ (Apg 1,14), von allen geachtet und geehrt. Jeder begreift die Vorrangstellung derer, die den Sohn Gottes geboren hat, den einzigen und universalen Erlöser. Der jungfräuliche Charakter ihrer Mutterschaft gestattet ihr im übrigen, den außerordentlichen Beitrag zu bezeugen, den jene zum Wohl der Kirche anbieten, die, in gelehriger Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist auf menschliche Fruchtbarkeit verzichtend, sich vollständig in den Dienst des Gottesreiches stellen. Dazu berufen, aufs engste beim Opfer des Sohnes und dem Geschenk des göttlichen Lebens an die Menschheit mitzuwirken, setzt Maria ihr mütterliches Werk nach Pfingsten fort. Das im Kreuz verborgene Geheimnis der Liebe entfacht ihren apostolischen Eifer und nimmt sie als Glied der Kirche für die Verbreitung der Frohen Botschaft in Anspruch. Die Worte des Gekreuzigten auf Golgota: „Frau, siehe, dein Sohn!“ (Joh 19,26), mit denen ihr die Rolle der Mutter aller Gläubigen zuerkannt wird, eröffneten ihrer Mutterschaft neue, unbegrenzte Horizonte. Die Gabe des Heiligen Geistes, die sie am Pfingstfest zur Ausübung dieser Mission empfing, veranlaßt sie, all denen die 102 A UDIENZEN UND ANGEL US Hilfe ihres mütterlichen Herzens anzubieten, die zur vollen Erfüllung des Reiches Gottes hin unterwegs sind. 5. Als überragendes Glied der Kirche lebt Maria in einer einzigartigen Beziehung zu den göttlichen Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit: zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist. Das Konzil, das sie „die Mutter des Sohnes Gottes und daher die bevorzugt geliebte Tochter des Vaters und das Heiligtum des Heiligen Geistes“ {Lumen Gentium, Nr. 53) nennt, erinnert an die bedeutendste Auswirkung dieser bevorzugenden Liebe des Vaters, nämlich die göttliche Mutterschaft. Des empfangenen Geschenkes eingedenk, teilt Maria mit den Gläubigen die Haltung eines kindlichen Gehorsams und einer tiefen Dankbarkeit, und sie fordert einen jeden auf, die Zeichen des göttlichen Wohlwollens im eigenen Leben zu erkennen. Das Konzil verwendet den Ausdruck „Heiligtum“ (sacrarium) des Heiligen Geistes und will damit das Band der Anwesenheit, der Liebe und des Zusammenwirkens zwischen der Jungfrau und dem Heiligen Geist unterstreichen. Die Jungfrau, die der hl. Franziskus von Assisi schon als „Braut des Heiligen Geistes“ anruft (vgl. Antiphon „Santa Maria Vergine“ in: FontiFrancescane, 281), lädt durch ihr Beispiel die anderen Glieder der Kirche ein, sich großmütig dem geheimnisvollen Wirken des Parakleten anzuvertrauen und in ständiger liebender Verbundenheit mit ihm zu leben. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich euch der Fürsprache der Jungfrau Maria empfehle, heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Jugendlichen. Euch allen und euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Berufung der Jugend zur Heiligkeit - zum Wachsen in der Vertrautheit mit Christus Angelus in Castel Gandolfo am 3. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Einen herzlichen Gruß richte ich an euch alle, die ihr hier zum sonntäglichen Angelusgebet versammelt seid. Vor allem begrüße ich die Pilger, die mich besuchen wollten, und ich danke ihnen. Ich wünsche ihnen, daß ihr Aufenthalt in Rom eine Gelegenheit sei, den Glauben an Christus zu erneuern und die Geschichte und das Leben der Kirche mehr und tiefer kennenzulemen. 103 AUDIENZEN UND ANGELUS Wir sind in der Vorbereitung auf den Weltjugendtag, und im Lauf dieser Sonntage gehen meine Gedanken mit besonderer Liebe zu den Jugendlichen der ganzen Welt, die an diesem außergewöhnlichen Tpeffen teilnehmen werden, das vom 18. bis 24. August in Paris auf dem Programm steht. 2. Liebe Jugendliche, ich erwarte euch in Paris, wo es für mich eine große Freude sein wird, euch zu treffen und in Gebet und Besinnung den gemeinsamen Glauben an Christus, die Quelle unsterblichen Lebens, mit euch zu teilen. Aus jedem Winkel der Welt sieht die Kirche die neue Generation anrücken, dürstend nach Wahrheit, Freiheit und Glück: Ihr seid es, liebe Jugendliche, voll Verlangen nach innerem Leben und nach dem Gespräch mit Christus. Ihr seid auf der Suche nach echten Lehrern und Zeugen, die euch den Weg der Wahrheit und der Liebe zeigen. Manchmal fragt ihr euch: „Wer wird uns beten lehren? Wer wird uns in das lebenspendende Geheimnis der Frohen Botschaft einführen?“ Schaut auf die, die euch auf dem steilen und begeisternden Weg des Glaubens und der Heiligkeit vorangegangen sind. Sie werden euch helfen, an diesem Glaubenszeugnis, das ihr Leben gekennzeichnet hat, teilzuhaben. Nach Heiligkeit streben, Jesus auf dem anfordemden Weg des Evangeliums folgen, das ist - wie euch bekannt - der grundlegende Aspekt jedes Christenlebens. Was ist Heiligkeit anders, als in eine tiefe Beziehung zu Gott kommen, der Dreifaltigkeit der Liebe, und wachsen in der Vertrautheit mit Christus, dem menschgewordenen Sohn Gottes? Und trägt echte Askese nicht zur Vereinheitlichung des inneren Seins bei und zum ganzheitlichen Wachstum der Person? 3. Liebe Jugendliche, Christus sagt zu jedem von euch: „Steh auf, und geh!“ Er zählt auf euch, er erwartet jeden von euch. Er fordert euch auf, euch eurer Würde als Menschen bewußt zu werden, für die er sein Blut vergossen hat. Er kommt euch auf der Straße des Lebens entgegen; er verzeiht euch und schenkt euch seine Freude und seinen Frieden. Auf diesem Weg der Vertiefung des Evangeliums und der Begegnung mit Christus ist die Mutter des menschgewordenen Wortes euch zur Seite. Betrachtet Maria! Wißt, wie sie, ,ja“ zu sagen auf den Ruf des Herrn. Bittet sie, euch in den täglichen Entscheidungen zu leiten, damit ihr eure Berufung verwirklichen und ganz und gar in der Freiheit der Kinder Gottes leben könnt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Ich wünsche euch allen einen gesegneten Sonntag und erholsamen Urlaub. 104 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria — Typus und Urbild der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 6. August 1. Die dogmatische Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils erklärt, nachdem sie Maria als „überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche“ dargestellt hat, daß Maria im Hinblick auf die Kirche auch „Typus und klarstes Urbild im Glauben und in der Liebe“ (Nr. 53) ist. Die Konzilsväter schreiben Maria die Funktion des „Typus“, d. h. des Abbildes der Kirche, zu. Sie entnehmen diesen Ausdruck dem hl. Ambrosius, der im Kommentar zum Evangelium der Verkündigung schreibt: „Mit gutem Grund ist sie [Maria] eine Vermählte, zugleich aber auch Jungfrau, denn sie ist Vorbild [Typus] der Kirche, die makellos ist, aber auch Braut. Als Jungfrau hat sie uns vom Geist empfangen, als Jungfrau gebiert sie uns ohne Schmerzenslaut“ (In Ev. sec. Luc., II, 7, CCL 14, 33, 102-106; BKV, Bd. 21, Kempten/München 1921, S. 52 f.). Maria ist also Urbild der Kirche durch die makellose Heiligkeit, die Jungfräulichkeit, die Brautschaft und die Mutterschaft. Der hl. Paulus bedient sich des Wortes „Typus“, um das mit den Sinnen wahrnehmbare Bild einer geistigen Wirklichkeit zu bezeichnen. So sieht er im Durchzug des Volkes Israel durch das Rote Meer einen „Typus“ oder ein Bild der christlichen Taufe und im Manna und im Wasser, das aus dem Felsen entspringt, einen „Typus“ oder ein Bild der eucharistischen Speise und des eucharistischen Trankes (vgl. 1 Kor 10,1-4). Wenn das Konzil Maria als Typus der Kirche bezeichnet, dann fordert es uns damit auf, in ihr die sichtbare Gestalt der geistigen Wirklichkeit der Kirche zu erkennen und in ihrer reinen Mutterschaft die Ankündigung der jungfräulichen Mutterschaft der Kirche. 2. Es muß aber noch genauer gesagt werden, daß, im Unterschied zu den Bildern und Typen des Alten Bundes, die lediglich Vorausbilder zukünftiger Wirklichkeiten sind, in Maria die bezeichnete geistige Wirklichkeit schon anwesend ist, und zwar in herausragender Weise. Der Durchzug durch das Rote Meer, von dem wir im Buch Exodus lesen, ist ein Heilsereignis der Befreiung, aber er war gewiß keine Taufe, die die Sünden vergeben und das neue Leben schenken konnte. Ebenso enthielt das Manna, das kostbare Geschenk Jahwes an sein in der Wüste pilgerndes Volk, nichts von der zukünftigen Wirklichkeit der Eucharistie, vom Leib des Herrn, noch hatte das Wasser aus dem Felsen schon das für die vielen vergossene Blut Christi in sich. Der Exodus ist das große Werk, das Jahwe für sein Volk vollbrachte, aber er ist nicht die geistige und endgültige Erlösung, die von Christus im Ostergeheimnis vollbracht werden sollte. Im übrigen sagt Paulus in bezug auf den jüdischen Kult: „Das alles ist nur ein Schatten von dem, was kommen wird, die Wirklichkeit aber ist Christus“ 105 A UDIENZEN UND ANGEL US (Kol 2,17). Ein Echo darauf ist der Brief an die Hebräer, der, diese Auslegung systematisch entfaltend, den Gottesdienst des Alten Bundes darstellt als , Abbild und Schatten der himmlischen Dinge“ (Hebr 8,5). 3. Wenn das Konzil erklärt, daß Maria Urbild der Kirche ist, so will es sie aber nicht mit den Urbildern oder Typen des Alten Bundes gleichsetzen, sondern es will bestätigen, daß sich in ihr voll und ganz die angekündigte und dargestellte geistige Wirklichkeit erfüllt. Die heilige Jungfrau ist ja Urbild der Kirche nicht als unvollkommenes Vorausbild, sondern als geistige Fülle, die sich in verschiedener Weise im Leben der Kirche wiederfinden wird. Die besondere Beziehung, die hier zwischen dem Bild und der dargestellten Wirklichkeit besteht, hat ihre Grundlage im göttlichen Plan, der zwischen Maria und der Kirche ein enges Band knüpbt. Der Heilsplan, der die Vorbilder des Alten Bundes auf die Erfüllung im Neuen Bund hinordnet, bestimmt ebenso, daß Maria in vollkommener Weise das lebt, was sich später in der Kirche verwirklicht. Die Vollkommenheit, die Gott Maria verliehen hat, gewinnt daher ihre wahrste Bedeutung, wenn sie als Vorzeichen des göttlichen Lebens in der Kirche verstanden wird. 4. Nachdem das Konzil erklärt hat, daß Maria „Typus der Kirche“ ist, fügt es hinzu, daß sie auch deren „klarstes Urbild“ ist, Beispiel der Vollkommenheit, dem nachzufolgen und das nachzuahmen ist. Maria ist in der Tat „klarstes Urbild“, weil ihre Vollkommenheit über die aller anderen Glieder der Kirche hinausgeht. Bezeichnenderweise fügt das Konzil hinzu, daß sie diese Funktion „im Glauben und in der Liebe“ verwirklicht. Ohne zu vergessen, daß Christus das höchste Vorbild ist, legt das Konzil auf diese Weise nahe, daß es im Vorbild Marias innere Haltungen gibt, die dem Christen helfen, in eine echte Beziehung zu Christus zu kommen, ln der Tat lernt der Gläubige, wenn er auf Maria schaut, in tieferer Verbundenheit mit Christus leben, ihm in lebendigem Glauben folgen, in ihn sein Vertrauen und seine Hoffnung setzen, ihn mit seinem ganzen Sein lieben. Die Funktionen des „Typus und Urbildes der Kirche“ beziehen sich besonders auf die jungfräuliche Mutterschaft Marias und werfen Licht auf deren besonderen Platz im Heilswerk. Diese grundlegende Struktur im Dasein Marias spiegelt sich wider in der Mutterschaft und der Jungfräulichkeit der Kirche. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Ministranten und Jugendlichen. Euch allen und euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. 106 AUDIENZEN UND ANGELUS Gedenken an Papst Paul VI. Heute gilt das Gedenken vor allem meinem verehrten Vorgänger, dem Diener Gottes Paul VI., am 19. Jahrestag seines frommen Todes in Castel Gandolfo am 6. August 1978, dem Fest der Verklärung des Herrn. In Liebe und mit unveränderter Bewunderung erinnern wir uns seiner und bedenken, wie providentiell seine pastorale Sendung war, die er in den Jahren des II. Vatikanischen Konzils und in der ersten Zeit von dessen praktischer Anwendung erfüllte. Er lebte in voller Hingabe an den Dienst der Kirche, die er mit all seinen Kräften liebte und für die er unaufhörlich bis zum Ende seines irdischen Daseins wirkte. Als ich heute morgen in der Kapelle des Apostolischen Palastes in Castel Gandolfo für ihn die heilige Messe feierte, habe ich den Herrn gebeten, das Beispiel eines so treuen Dieners Christi und der Kirche möge für uns alle, die wir von der göttlichen Vorsehung berufen sind, an der Schwelle des neuen Jahrtausends das Evangelium zu bezeugen, eine Ermutigung und ein Antrieb sein. Maria, die Mutter der Kirche, möge für uns bitten. Von ihr wollen wir auch in der heutigen Katechese wieder sprechen. Weltjugendtag - Blick auf Kirche und Gesellschaft im Dritten Jahrtausend Angelus in Castel Gandolfo am 10. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir wollen in Gedanken unseren Weg fortsetzen, der zu dem vom 18. bis 24. August in Paris stattfindenden Weltjugendtag führt. Er wird, wie ich schon gesagt habe, in dieser unmittelbaren Vorbereitungszeit auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 eine außergewöhnliche, von der Vorsehung gefügte Zusammenkunft von Jugendlichen der ganzen Welt sein. Das Treffen in Paris, bei dem Jungen und Mädchen von jedem Kontinent, jeder Rasse und Kultur zusammenströmen, ist in der Tat so etwas wie das Bild der Kirche des Dritten Jahrtausends und der zukünftigen Menschheit. Die jungen Menschen, Hoffnung und Zukunft der Welt und der christlichen Gemeinschaft, sind berufen, die Haupthandelnden in dieser Zeit zu sein, in der die Grundlagen für eine von stärkerer Solidarität und offenerem geschwisterlichen Miteinander geprägten Gesellschaft gelegt werden. Wie aber soll eine versöhnte und von Grund auf erneuerte Menschheit zustandegebracht werden, wenn nicht vom Evangelium ausgehend? 2. „Meister, wo wohnst du? - Kommt und seht!“ (Joh 1,38 f.). Das Thema des 12. Weltjugendtages ist eine ausdrückliche und dringende Aufforderung, den 107 AUDIENZEN UND ANGELUS Blick auf den Herrn zu richten, ihn mit allen Mitteln zu suchen und ihm mit beständiger Treue zu folgen. Nur durch Christus können wir eine Welt wahren Friedens und fruchtbarer Versöhnung ins Leben rufen. Jesus ist der Friede, der das menschliche Dasein, die einzelnen und die Familien, die Nationen und die Völker versöhnt. In der Stunde seines Leidens hat er gebetet: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21), und er hat seinen Jüngern aller Zeiten die Aufgabe übertragen, Baumeister dieser übernatürlichen Einheit und Begründer wahren und dauerhaften Friedens zu sein. 3. Liebe Jugendliche, um euer Leben aufzubauen, braucht ihr Frieden! Geht zu Jesus, dem Meister und Herrn dieses Friedens, den niemand in der Welt euch geben kann. Werdet in seiner Schule Menschen, die den „Dialog der Bekehrung“ fördern, der gewissermaßen den „innersten geistlichen Raum“ bildet, „in dem Christus in der Macht des Geistes sie alle [die christlichen Gemeinschaften] ohne Ausnahme dazu bringt, sich vor dem Vater zu prüfen und sich zu fragen, ob sie seinem Plan über die Kirche treu gewesen sind“ (Ut unum sint, Nr. 82). Wie mein verehrter Vorgänger Paul VI. schrieb, von dessen Tod wir vor einigen Tagen das Jahresgedächtnis begangen haben: „Möge uns der Heilige Geist auf dem Weg der Versöhnung leiten, damit die Einheit unserer Kirchen ein immer leuchtenderes Zeichen der Hoffnung und des Trostes für die ganze Menschheit werde“ (ebd., Nr. 99). Rufen wir darum Maria, die Mutter der Einheit und die Königin des Friedens, an. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich begrüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Ich wünsche euch allen eine gesegnete Vorbereitung auf das Fest Mariä Himmelfahrt. Graß und Segen an die Teilnehmer der Friedens-Marathonfahrt der Radler „Chemobyl 2000“ Den Teilnehmern an der internationalen karitativen Friedens-Marathonfahrt der Radler, „Chemobyl-2000“, noch ein besonderes Wort. Mit Freude empfange ich euch alle, die ihr am Internationalen Fahrrad-Marathon für den Frieden, „Chemobyl-2000“, teilgenommen habt. Ich begrüße die Förderer, die Organisatoren, die Athleten und alle, die in irgendeiner Weise zum Zustandekommen dieses wohltätigen Wettbewerbs beigetragen haben. Er wirft ein gutes Licht auf den Wert des Sports, der in den Dienst der Solidarität und des Friedens gestellt wird. Möge dieses sportliche Unternehmen eine Stufe der Annäherung zwischen den Völkern bezeichnen in dieser Zeit, die uns mit großen Schritten dem Dritten Jahrtausend entgegenführt. In diesem Sinn rufe ich auf alle den Segen des allmächtigen Gottes herab. 108 AUDIENZEN UND ANGELUS Vorbild der Mütterlichkeit der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 13. August 1. Gerade in der Gottesmutterschaft findet das Konzil die Grundlage für die besondere Beziehung, die Maria mit der Kirche verbindet. In der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium heißt es: „Die selige Jungfrau ist durch das Geschenk und die Aufgabe der göttlichen Mutterschaft, durch die sie mit ihrem Sohn und Erlöser vereint ist, und durch ihre einzigartigen Gnaden und Gaben auch mit der Kirche auf das innigste verbunden“ (Nr. 63). Auf diese Voraussetzung bezieht sich die genannte dogmatische Konstitution über die Kirche stets, um die Vorrechte zu erläutern, die die heilige Jungfrau als „Typus“ und „Modell“ gegenüber dem Mystischen Leib Christi ausübt: „Im Geheimnis der Kirche, die ja auch selbst mit Recht Mutter und Jungfrau genannt wird, ist die selige Jungfrau Maria vorangegangen, da sie in hervorragender und einzigartiger Weise das Urbild sowohl der Jungfrau wie der Mutter darstellt“ (ebd.). Die Mutterschaft Marias wird „hervorragend und einzigartig“ genannt, denn sie ist eine einmalige und unwiederholbare Tatsache: Maria ist ja, ehe sie ihre mütterliche Funktion den Menschen gegenüber ausübt, die Mutter des eingeborenen, menschgewordenen Sohnes Gottes. Die Kirche hingegen ist Mutter insofern sie Christus geistigerweise in den Gläubigen gebiert und übt also ihre Mutterschaft den Gliedern des Mystischen Leibes gegenüber aus. So bildet die heilige Jungfrau also für die Kirche ein sie übertreffendes Modell, gerade aufgrund der Einmaligkeit ihres Vorrechtes als Mutter Gottes. 2. Lumen Gentium erinnert bei tieferem Eingehen auf die Mutterschaft Marias daran, daß diese sich auch in herausragender seelischer Verfassung vollzogen hat: „Im Glauben und Gehorsam gebar sie den Sohn des Vaters auf Erden, und zwar ohne einen Mann zu erkennen, vom Heiligen Geist überschattet, als neue Eva, die nicht der alten Schlange, sondern dem Boten Gottes einen von keinem Zweifel verfälschten Glauben schenkte“ (Nr. 63). Aus diesen Worten ergibt sich klar, daß der Glaube und der Gehorsam Marias bei der Verkündigung fjr die Kirche Tugenden zum Nachahmen darstellen und daß sie in gewissem Sinn den Anfang zu ihrem mütterlichen Weg im Dienst an den zum Heil berufenen Menschen bilden. Die göttliche Mutterschaft kann nicht von der universalen Dimension losgelöst werden, die ihr vom Heilsplan Gottes zuerkannt wurde. Das Konzil erkennt sie an mit den Worten: „Sie gebar einen Sohn, den Gott gesetzt hat zum Erstgeborenen unter vielen Brüdern (Rom 8,29), den Gläubigen nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt“ (Lumen Gentium, Nr. 63). 3. Die Kirche wird Mutter, und sie nimmt Maria als Modell. In dieser Hinsicht sagt das Konzil: „Nun aber wird die Kirche, indem sie Marias geheimnisvolle Heiligkeit betrachtet, ihre Liebe nachahmt und den Willen des Vaters genau er- 109 AUDIENZEN UND ANGELUS füllt, durch die gläubige Annahme des Wortes Gottes auch selbst Mutter: Durch Predigt und Taufe nämlich gebiert sie die vom Heiligen Geist empfangenen und aus Gott geborenen Kinder zum neuen und unsterblichen Leben“ {Lumen Gentium, Nr. 64). Wenn wir diese Beschreibung des mütterlichen Wirkens der Kirche genauer untersuchen, können wir feststellen, wie die Geburt des Christen hier gewissermaßen mit der Geburt Jesu verbunden wird, sozusagen als deren Auswirkung: die Christen sind „vom Heiligen Geist empfangen“, und so wird ihre Geburt - Frucht der Predigt und der Taufe - der Geburt des Erlösers ähnlich. Im übrigen ahmt die Kirche, Maria betrachtend, sie nach in der Liebe, in der gläubigen Aufnahme des Wortes Gottes und der Bereitwilligkeit, den Willen des Vaters zu erfüllen. Indem sie dem Beispiel der heiligen Jungfrau folgt, kommt sie zu fruchtbarer geistlichar Mutterschaft. 4. Die Mutterschaft der Kirche macht jedoch die Mutterschaft Marias nicht überflüssig. Maria übt weiterhin ihren Einfluß auf das Leben der Christen aus und trägt so dazu bei, der Kirche mütterliche Züge zu verleihen. Im Licht Marias ist die Mütterlichkeit der kirchlichen Gemeinschaft, die eher etwas allgemein erscheinen könnte, aufgerufen, sich jedem von Christus erlösten Menschen gegenüber in konkreterer und persönlicherer Weise zu zeigen. Maria, die sich als Mutter aller Gläubigen zeigt, weckt unter ihnen Beziehungen echter geistlicher Geschwisterlichkeit und unaufhörlichen Dialogs. Die tägliche Glaubenserfahrung aller Zeiten und aller Orte zeigt deutlich, daß viele die Notwendigkeit empfinden, Maria die täglichen Sorgen des Lebens anzuempfehlen, und daß sie ihr vertrauensvoll ihr Herz öffnen, um ihre mütterliche Fürsprache zu erbitten und unter ihrem Schutz sicher und ruhig zu sein. Die von den Menschen aller Zeiten an Maria gerichteten Gebete, die zahlreichen Formen und Kundgebungen marianischer Frömmigkeit, die Wallfahrten zu Kirchen und Orten, die an die Wunder erinnern, die Gott der Vater durch die Mutter seines Sohnes gewirkt hat, das alles zeigt den außerordentlichen Einfluß, den Maria auf das Leben der Kirche ausübt. Die Liebe des Gottesvolkes zur heiligen Jungfrau läßt das Bedürfnis erkennen, persönliche Beziehungen zur himmlischen Mutter anzuknüpfen. Gleichzeitig stützt und stärkt die geistliche Mutterschaft Marias die Kirche in der konkreten Ausübung ihrer Mutterschaft. 5. Die beiden Mütter: die Kirche und Maria, sind, die eine wie die andere, wesentlich für das Leben der Kirche. Man könnte sagen, daß die eine eine mehr objektive, die andere eine mehr innerliche Mutterschaft ausübt. Die Kirche wird Mutter in der Predigt des Wortes Gottes und in der Verwaltung der Sakramente, besonders der Taufe, der Feier der Eucharistie und der Vergebung der Sünden. Die Mutterschaft Marias kommt überall im Bereich der Gnadenausteilung zum Ausdruck, besonders im Rahmen der persönlichen Beziehungen. 110 AUDIENZEN UND ANGELUS Es sind zwei untrennbare Mutterschaften: Beide lassen ja die gleiche göttliche Liebe erkennen, die sich den Menschen mitteilen will. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Jugendlichen, die heute dem Nachfolger des Petrus begegnen wollen. Ich erneuere meine Einladung zum Jugendtreffen, das in wenigen Tagen junge Menschen aus der ganzen Welt in Paris zusammenfuhren wird. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Das Ziel des Daseins vor Äugen Angelus am 15. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Liturgie feiert heute das Hochfest der Aufnahme der hl. Jungfrau mit Seele und Leib in den Himmel. So betrachtet die Kirche sie, an diesem Tag zu höchster Freude aufgerufen. Sie erkennt in der sonnenbekleideten, lichtstrahlenden Frau ein Zeichen sicherer und tröstlicher Hoffnung. Welch eine Fülle seliger Freude wird den Gläubigen heute im Geheimnis der in den Himmel aufgenommenen Gottesmutter verheißen! Maria zeigt uns, was am Ende die erwartet, die „das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28). Sie spornt uns an, uns nicht bei den Sorgen der gegenwärtigen Stunde aufzuhalten, sondern den Blick zu erheben hin zu den grenzenlosen, friedvollen Horizonten, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt und wo auch sie, die demütige Magd von Nazaret, jetzt in der himmlischen Herrlichkeit ist. Dieser frohen Hoffnung, dieser immer neuen Verheißung bedarf vor allem der heutige Mensch, der sich, beunruhigt und angstvoll, fortwährend der Frage über das Rätsel des Todes gegenübergestellt sieht. 2. Nach dem Plan des Schöpfers ist jeder Mensch berufen, in Maria und im Geheimnis ihrer Aufnahme in den Himmel das unerhörte, seiner Natur bestimmte Ziel des Daseins neu zu entdecken, nämlich: Christus, dem menschgewordenen Wort, dem wahren Bild des himmlischen Vaters, gleichgestaltet zu werden, um mit ihm den Weg des Glaubens zu gehen und mit ihm zur Fülle des seligen Lebens aufzuerstehen. In dieser Sicht ist das Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel eine willkommene Aufforderung, über die höchste Würde jedes Menschen, auch hinsicht- 111 AUDIENZEN UND ANGELUS lieh seiner körperlichen Dimension, nachzudenken. Es ist eine, auch zur Vorbereitung auf den nun schon nahen Weltjugendtag sehr passende Besinnung. Vor allem an die Jugendlichen, die Hoffnung einer neuen Welt zu Beginn des dritten christlichen Jahrtausends, möchte ich die Aufforderung richten, „euren Leib als lebendiges und heiliges Opfer Gott darzubringen“ und euch nicht dieser Welt anzugleichen (vgl. Röm 12,1 f.). Jesus, der Lehrer der Unsterblichkeit, ruft uns, ihm in Reinheit des Lebens und echter Liebe zu folgen. 3. Liebe Jungen und Mädchen, die ich, so Gott will, in einigen Tagen in Paris zu treffen hoffe, schaut auf Maria, die tota pulchra, die ganz Schöne, ganz rein an Seele und Leib. Laßt euch von ihr führen, damit von euren für die Wahrheit offenen und von der Schönheit der Schöpfung faszinierten Herzen vielsagende Gesten liebevoller Annahme und hochherziger Hingabe an die Brüder und Schwestern ausgehen. Seid mit Maria Zeugen einer die Grenzen des irdischen Lebens überschreitenden Hoffnung. Geht Tag für Tag mit ihr, gestützt auf die Hoffnung, eines Tages im ewigen Glück des Himmels zu ihr zu gelangen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die deutschsprachigen Pilger. Mitten im Sommer zünden wir im Geist noch einmal die Osterkerze an. Dabei denken wir an Maria. Wir feiern Ostern für Maria. Ich wünsche euch, daß die Gottesmutter das Modell eures Lebens wird. Wie Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, so sollt auch ihr aus der Hoffnung leben, einmal für immer beim Herrn zu sein. Treffpunkt einer Kirche der Jugendlichen Angelus am 17. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Morgen beginnt in Paris der zwölfte Weltjugendtag, ein bedeutungsvolles Stück des Weges der Kirche zum Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend. Wir haben uns durch das Gebet auf dieses wichtige Treffen vorbereitet und haben an den vorigen Sonntagen gemeinsam über einige Themen des kommenden internationalen Jugendtreffens nachgedacht. Ich möchte mich nun besonders an die Jugendlichen wenden, die an dieser Woche intensiver geistlicher Gemeinschaft und gemeinsamen Lebens und Feiems teilnehmen. 2. Liebe Jugendliche, ein so außergewöhnliches Ereignis gibt euch Gelegenheit, unmittelbar die Katholizität der Kirche zu erleben. In der französischen Hauptstadt 112 AUDIENZEN UND ANGELUS werden sich ja Jungen und Mädchen aus verschiedenen Ländern der Welt treffen. Und mit ihnen werden auch alle die geistig vereint sein, die aus den einzelnen Kontinenten, physisch zwar fern, aber mit ihren Gedanken und ihrem Herzen nach Paris kommen. Die Kirche der Jugendlichen trifft sich! Ich wünsche mir von ganzem Herzen, daß die eurer Altersstufe eigene Begeisterung dem ganzen Volk Gottes helfe, sich der so hohen Berufung bewußt zu werden, zu der Jesus sie bestimmt hat. Möge euer Beispiel vor allem euren Altersgenossen Mut machen, die auf der Suche sind, ihrem Leben einen echten Sinn zu geben. 3. „Geht hinaus in die ganze Welt!“ (Mk 16,15). Diese Aufforderung des Auferstandenen an die Jünger gilt auch euch, die ihr berufen seid, Apostel Christi in unserer Zeit zu sein. Der Aufenthalt in Paris wird für euch eine Gelegenheit sein, die kirchliche und missionarische Verpflichtung besonders stark zu spüren. Mit ihren Zeiten des Dialogs und der Reflexion, mit den liturgischen Feiern und den Kontemplationspausen werden diese Tage euch helfen, auf eine neue Weise das Dasein und Wirken des Geistes zu erfahren, „der in der Kirche wirkt, sei es in sakramentaler Gestalt, vor allem durch die Firmung, sei es vermittels vielfältiger Gnadengaben, Aufgaben und Dienste, die von Ihm zu ihrem Wohl geweckt worden sind“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 45). Im Glauben gestärkt und der Ausgießung des Heiligen Geistes in den Sakramenten der Taufe und der Firmung bewußt, werdet ihr mit neuem Eifer in eure Heimatländer zurückkehren. Ihr werdet Boten der Hoffnung, Zeugen der erbarmenden Liebe des Herrn sein. Maria, das Heiligtum des Heiligen Geistes, die im Abendmahlssaal mit den Aposteln im Gebet ausharrte, begleite den kommenden Weltjugendtag mit ihrem Schutz. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich die Pilger aus den deutschsprachigen Ländern. Ihr seid nach Castel Gandolfo gekommen, um euch mit mir im Angelus-Gebet zu vereinen. Ich bitte euch, mir auch in den nächsten Tagen im Geist verbunden zu bleiben und meine Reise zum Weltjugendtag nach Paris mit eurem Gebet zu begleiten. Für heute wünsche ich euch einen gesegneten und erholsamen Sonntag. 113 AUDIENZEN UND ANGELUS Vorbild der Jungfräulichkeit der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 20. August 1. Die Kirche ist Mutter und Jungfrau. Nachdem das Konzil bestätigt hat, daß sie nach dem Vorbild Marias Mutter ist, erkennt es ihr auch die Bezeichnung Jungfrau zu und gibt dazu folgende Erklärung: „Auch sie ist Jungfrau, da sie das Treuewort, das sie dem Bräutigam gegeben hat, unversehrt und rein bewahrt und in Nachahmung der Mutter ihres Herrn in der Kraft des Heiligen Geistes jungfräulich einen unversehrten Glauben, eine feste Hoffnung und eine aufrichtige Liebe bewahrt“ (Lumen Gentium, Nr. 64). Maria ist also Vorbild auch der Jungfräulichkeit der Kirche. Dazu ist genauer zu sagen, daß der Kirche die Jungfräulichkeit nicht im engeren Sinn zukommt, da diese nicht der Lebensstand der großen Mehrheit der Gläubigen ist. Denn nach dem Plan der göttlichen Vorsehung ist der Weg der Ehe der mehr verbreitete, und wir könnten sagen, der übliche Weg der zum Glauben Berufenen. Die Gabe der Jungfräulichkeit ist einer begrenzten Anzahl von Gläubigen Vorbehalten, die zu einer besonderen Aufgabe innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft berufen sind. Das Konzil aber hält, auf die Lehre des hl. Augustinus Bezug nehmend, daran fest, daß die Kirche Jungfrau ist im geistigen Sinn der Unversehrtheit im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Die Kirche ist also nicht im leiblichen Sinn Jungfrau in allen ihren Gliedern; sie besitzt vielmehr die Jungfräulichkeit des Geistes („virginitas mentis“), nämlich „den unversehrten Glauben, die feste Hoffnung und die aufrichtige Liebe“ (In lo.Tr. 13,12 , PL 35,1499; BKV Bd. 8, Kempten/München 1913, S. 230). 2. Die Konstitution Lumen Gentium erinnert dann auch zugleich daran, daß die Jungfräulichkeit Marias, Modell der Jungfräulichkeit der Kirche, auch die physische Dimension einschließt, denn sie empfing Jesus in jungfräulicher Weise durch das Wirken des Heiligen Geistes ohne Mitwirken des Mannes. Maria ist Jungfrau dem Leibe und dem Herzen nach, wie es ersichtlich wird aus ihrer im Augenblick der Verkündigung entschieden geäußerten Absicht, in inniger Vertrautheit mit dem Herrn zu leben. Darum stellt sie, die als „Jungfrau der Jungfrauen“ angerufen wird, ohne Zweifel für alle ein sehr erhabenes Beispiel der Reinheit und der völligen Hingabe an den Herrn dar. In besonderer Weise aber lassen sich die christlichen Jungfrauen von ihr anregen sowie alle, die sich radikal und ausschließlich dem Herrn weihen in den verschiedenen Formen des geweihten Lebens. So beeinflußt die Jungfräulichkeit Marias, nachdem sie eine wichtige Rolle im Heilswerk übernommen hat, weiterhin wohltuend das Leben der Kirche. 3. Vergessen wir nicht, daß das bedeutendste und erhabenste Beispiel für jedes keusche Leben ganz gewiß Christus ist. Maria aber bildet das besondere Vorbild für die aus Liebe zu Jesus, dem Herrn, gelebte Keuschheit. 114 AUDIENZEN UND ANGEL US Sie ermutigt alle Christen, mit ganzem Einsatz die ihrem jeweiligen Stand entsprechende Keuschheit zu leben und sich in den unterschiedlichen Bedingungen des Daseins dem Herrn anzuvertrauen. Sie, die im wahrsten Sinn des Wortes Heiligtum des Heiligen Geistes ist, hilft den Gläubigen, ihren Leib wieder als Tempel Gottes zu entdecken (vgl. 1 Kor 6,19) und seinen Adel und seine Heiligkeit zu achten. Zur heiligen Jungfrau schauen die Jugendlichen auf bei der Suche nach der echten Liebe, und sie rufen ihre mütterliche Hilfe an, um beharrlich die Reinheit zu bewahren. Maria erinnert die Eheleute an die grundlegenden Werte der Ehe, sie hilft ihnen, die Versuchung zur Entmutigung zu überwinden und die Leidenschaften zu beherrschen, die ihr Herz zu überwältigen versuchen. Marias völlige Hingabe an Gott bildet für sie einen starken Ansporn, in gegenseitiger Treue zu leben und nie den Schwierigkeiten nachzugeben, welche die eheliche Gemeinschaft gefährden. 4. Das Konzil fordert die Gläubigen auf, ihren Blick auf Maria zu richten, um ihren Jungfräulich unversehrten“ Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe nachzuahmen. Die Unversehrtheit des Glaubens zu schützen, ist auch für die Kirche eine wichtige Aufgabe. Sie ist zu beständiger Wachsamkeit aufgerufen, auch auf Kosten von Opfern und Kämpfen. In der Tat ist der Glaube der Kirche bedroht nicht nur von denen, die die Botschaft des Evangeliums zurückweisen, sondern vor allem von denen, die nur einen Teil der offenbarten Wahrheit annehmen und sich weigern, das ganze Glaubenserbe der Braut Christi voll zu teilen. Diese Versuchung, die wir bereits seit den Anfängen der Kirche finden, besteht in ihrem Leben leider auch weiterhin. Sie treibt dazu, die Offenbarung nur teilweise anzunehmen oder dem Worte Gottes eine begrenzte und persönliche Auslegung zu geben, der jeweils vorherrschenden Mentalität und Einzelwünschen entsprechend. Da Maria dem Worte Gottes voll zugestimmt hat, bildet sie für die Kirche ein unübertreffliches Modell „jungfräulich unversehrten“ Glaubens, der folgsam und durchhaltend die offenbarte Wahrheit in seiner Ganzheit aufiiimmt. Und mit ihrer beständigen Fürsprache erwirkt sie für die Kirche das Licht der Hoffnung und die Flamme der Liebe, Tugenden, von denen sie in ihrem Erdenleben allen ein unvergleichliches Beispiel gegeben hat. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Ministranten, Jugendlichen und Chorgemeinschaften. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. 115 AUDIENZEN UND ANGELUS Gemeinschaftserfahrung in einer lebendigen Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 27. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude konnte ich in den vergangenen Tagen in Paris am zwölften Weltjugendtag teilnehmen. Ich bin dem Herrn sehr dankbar, der es mir gewährt hat, dieses außerordentliche Ereignis des Glaubens und der Hoffnung zu erleben. Dem Herrn Präsidenten der Französischen Republik und allen Obrigkeiten möchte ich gern meinen Dank zum Ausdruck bringen für die liebenswürdige Aufnahme, die sie mir zuteil werden ließen. Ebenso danke ich allen, die auf verschiedenen Ebenen wirksam zum geordneten und friedlichen Verlauf der ganzen Kundgebung beigetragen haben. Mein Dank geht sodann mit brüderlicher Herzlichkeit an Kardinal Jean-Marie Lustiger, den Erzbischof von Paris, an Msgr. Michel Dubost, den Vorsitzenden des Organisationskomitees, und an die ganze Französische Bischofskonferenz für die große Sorgfalt, womit die verschiedenen Phasen des Welttreffens vorbereitet und durchgeführt wurden. Schließlich gilt mein herzlicher Dank allen Freiwilligen wie auch allen Familien, die mit ihrer großmütigen Bereitschaft die Teilnahme so vieler Menschen an einer so bedeutsamen kirchlichen Veranstaltung möglich gemacht haben. 2. Der Zwölfte Weltjugendtag hat den Zustrom von Jungen und Mädchen aus etwa 160 Ländern aus allen Teilen der Erde gesehen in einer Anzahl, die jede Voraussicht überstieg. Sie haben sich in der französischen Hauptstadt getroffen, um die Freude ihres Glaubens an Christus zu bekunden und zu erleben, wie schön es ist, als Glieder der einen Kirche Christi zusammenzusein. Als sie nach Frankreich kamen, fanden sie großzügige Gastfreundschaft bei ihren französischen Altersgenossen, die sie in herzlichem, brüderlich-schwesterlichen Geist aufnahmen, zunächst überall im ganzen Land und dann in der Ile-de-France. Es war für sie eine äußerst glückliche Gelegenheit, das kulturelle und geistige Erbe Frankreichs zu entdecken, dessen Stellung in der Geschichte der Kirche gut bekannt ist. Und sie konnten einer lebendigen Kirche und einer dynamischen und offenen Gesellschaft gegenübertreten. Sicherlich bleibt dem Gedächtnis aller die Erinnerung an die wunderbaren Litur-giefeiem eingeprägt, die kennzeichnenden bedeutendsten Augenblicke des „Tri-duums“ mit dem Höhepunkt in der feierlichen Zelebration am Sonntag, den 24. August. Sowohl in dem eindrucksvollen Umfeld von Notre Dame, wo die Seligsprechung von Friedrich Ozanam stattfand, als auch bei der Tauf-Vigilfeier in dem aus Lichtem gebildeten „Dom“ in Longchamp vollzogen sich die Riten in einer Atmosphäre intensiver Religiosität, wozu Musik und Gesang aus verschiedenen Kulturen beitrugen, jeweils im passenden Stil dargeboten. 116 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Das zentrale Leitthema für die Besinnung in den verschiedenen Abschnitten des Treffens war die Frage, die zwei Jünger eines Tages an Jesus richteten: „Meister, wo wohnst du?“, und die Antwort, die sie darauf erhielten: „Kommt und seht!“ (Joh 1,38 f.). Damit lud der Herr sie ein, in unmittelbare Beziehung zu ihm zu treten, um seinen Weg zu teilen („kommt“) und seine Person gründlich kennenzulernen („seht“). Die Botschaft war klar: Um Christus zu verstehen, genügt es nicht, seine Lehre zu hören; man muß das Leben mit ihm teilen, muß irgendwie seine lebendige Gegenwart erfahren. So fügte sich das Thema des Weltjugendtages in die Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend ein, das dem Menschen von heute Christus Jesus vorstellen will als den einzigen Erlöser der Welt, gestern, heute und morgen. Dieser Weltjugendtag wollte den jungen Menschen, die auf der Suche sind nach dem letzten Sinn ihres Lebens, die Antwort anbieten: die Entdeckung Christi, des für das Heil des Menschen fleischgewordenen Wortes. Er bringt Licht in das Geheimnis des Menschen jenseits des Todes und befähigt dazu, hier, im Diesseits, eine Gesellschaft aufzubauen, in der die Würde des Menschen geachtet wird und wirkliche Geschwisterlichkeit herrscht. 4. Der Leitfaden, der Besinnung und Gebet inspirierte und die großen Versammlungen miteinander verband, war die Bezugnahme auf die Feier des Ostergeheimnisses, das die Kirche im heiligen österlichen Triduum begeht. In der grandiosen Szenerie des Champ-de-Mars, beherrscht von dem stolzen, gewaltigen Bauwerk des Eiffelturms, fand meine erste Begegnung mit der Jugend statt. Es wurde wiederum die große Lehre vom Dienst am Nächsten gehört, die Jesus bei der Fußwaschung gab, und an die Jugendlichen wurde die Einladung gerichtet, in den verschiedenen Vigilien des Abends über das Sakrament der Eucharistie nachzudenken, die unerschöpfliche Quelle jeder echten Liebe. In diesem Zusammenhang war sehr bedeutungsvoll die Seligsprechung von Friedrich Ozanam, Apostel der Caritas und Begründer der Konferenzen des hl. Vinzenz von Paul (Vinzenzkonferenzen) und überdies hervorragende Gestalt eines tiefschürfenden katholischen Intellektuellen. Das Gespräch über die Liebe wurde weiter entfaltet im Kreuzweggebet am Freitag. Dabei konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die höchste Gabe, Christus selbst, der sich zum Diener gemacht hat für das Heil der Welt. Die eindrucksvolle Taufvigil des Samstags im Hippodrom von Longchamp ließ die Gedanken bei der Neugeburt des Christen verweilen und bei seiner Berufung, in einer Beziehung persönlicher Gemeinschaft mit dem Erlöser zu leben. Am Sonntag, den 24. August, fand dort die große Eucharistiefeier statt, bei der das Hauptthema wieder aufgenommen wurde: Es ist notwendig, sich auf Christus hin zu bewegen („kommt!“), um ihn immer tiefer so zu erkennen, wie er wirklich ist („seht!“). In Ihm gelangt der Gläubige, durch die „Torheit“ des Kreuzes, zur höchsten Weisheit der Liebe, und am eucharistischen Tisch entdeckt er die tiefe Ein- 117 AUDIENZEN UND ANGELUS heit, die aus Menschen von allen Enden der Erde einen einzigen mystischen Leib macht. Das Schauspiel, das die Jugendlichen auf dem ungeheuer weiten Platz von Long-champ boten, war eine sprechende Bestätigung dieser Wahrheit: Trotz der Verschiedenheit von Sprache, Kultur, Nationalität und Hautfarbe gaben sich Jungen und Mädchen der fünf Kontinente die Hand, tauschten Grüße aus, lächelten einander zu, beteten und sangen miteinander. Man sah deutlich, daß sie sich wie zu Hause fühlten, Glieder einer einzigen großen Familie. An eine Welt, die von Spaltungen aller Art zerfurcht, in gegenseitiger Gleichgültigkeit eingefroren und der Angst globaler Entfremdung ausgesetzt ist, haben die Jugendlichen in Paris eine Botschaft gerichtet: Der Glaube an Christus, den gekreuzigten und auferstandenen, kann eine neue Geschwisterlichkeit begründen, in der man sich gegenseitig annimmt, weil man sich liebt. 5. Am Ende der großen Konzelebration hatte ich beim Angelusgebet die Freude, die demnächst stattfmdende Proklamation der hl. Theresia von Lisieux zur Kirchenlehrerin anzukündigen. Jung auch sie, gleich denen, die am Welttag teilnah-men, hat Theresia in wunderbarer Weise die umwälzende Verkündigung der Liebe Gottes verstanden, sie als Geschenk empfangen und sie gelebt in demütigem Vertrauen und der Einfachheit der Kiemen, die sich in Jesus Christus ganz und gar dem Vater anvertrauen. Darin ist sie maßgebende Lehrerin für die Gegenwart und die Zukunft der Kirche geworden. Was wir gemeinsam in den letzten Tagen in Paris erlebt haben, war ein außergewöhnliches Ereignis voll Hoffnung, einer Hoffnung, die aus dem Herzen der Jugendlichen übergesprungen ist in die Welt. Wir wollen beten, daß der Elan so vieler Jungen und Mädchen von den vier Enden der Erde auch weiterhin reichlich Frucht trage in der immer jungen Kirche des neuen Jahrtausends. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Unter allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern grüße ich besonders die Schüler-, Ministranten- und Jugendgruppen, die so zahlreich bei dieser Audienz anwesend sind. Einen Gruß richte ich auch an die Freunde des Karmelitenordens und nicht zuletzt an alle Mütter, die heute ihre Patronin, die hl. Mutter Monika, feiern. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 118 AUDIENZEN UND ANGEL US Vom Weltjugendtag zum Welttreffen der Familien Angelus in Castel Gandolfo am 31. August Liebe Brüder und Schwestern! l.In Paris konnte ich anläßlich des 12. Weltjugendtages die Lebendigkeit der Jungen“, an Begeisterung und Liebe zu Jesus reichen Kirche mit Händen greifen. Die Jugendlichen werden die Zeugen und Boten des Evangeliums im dritten Jahrtausend sein. Sie werden die Protagonisten bei dem großen Werk des Aufbaus der Zivilisation der Liebe sein, die das Menschenherz ersehnt. Doch um diese anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen, wollen sie geformt, ermutigt und geführt werden. Insbesondere brauchen sie ständigen Halt in der Familie, einer wirklich christlichen Familie. Der Gedanke geht hier zu einem anderen wichtigen Ereignis auf Weltebene, das gedanklich mit dem Weltjugendtag in Zusammenhang steht. Ich beziehe mich auf das 2. Welttreffen des Papstes mit den Familien, das vom kommenden 2. bis 5. Oktober in Rio de Janeiro stattfinden und zum Thema haben wird: „Die Familie: Geschenk und Verpflichtung. Hoffnung der Menschheit.“ Im Lauf der nächsten sonntäglichen Begegnungen zum Angelusgebet werden wir Gelegenheit haben, miteinander über die Bedeutung dieses Welttreffens nachzudenken, das mit Nachdruck unterstreichen wird, daß die Familie der erste und grundlegende Weg der Kirche ist. Die Zukunft der Menschheit und des Gottesvolkes selbst geht über die Verteidigung und die volle Wertschätzung der Familie. 2. Meine Gedanken wenden sich nun dem gequälten Algerien zu. Von dort kommen weitere Nachrichten von unglaublichen Gewalttaten, die pausenlos so viele unschuldige Menschen heimsuchen. Bestürzt über solche barbarische Grausamkeit, vertraue ich die vielen Opfer der göttlichen Barmherzigkeit an und erflehe vom Herrn Trost für die vom Leid gebrochenen Angehörigen. Wolle Gott die Herzen aller an diesen Gemetzeln Beteiligten rühren, damit eine so ungerechtfertigte Spirale der Gewalt ein Ende findet und das Land den ersehnten Frieden wiederfinden kann. Ich denke ebenfalls mit angstvoller Besorgnis an das Heilige Land. Seit den schrecklichen Attentaten, die sich am vergangenen 30. Juli in Jerusalem ereignet haben, treffen von dort zunehmend beunruhigende Nachrichten ein. Besonders betrüblich ist die äußerst schwierige Lage, die sich vor allem für Betlehem ergeben hat mit Konsequenzen auch für zahlreiche Pilger. Ich habe erfahren, daß es zu Entscheidungen gekommen ist, die diese Schwierigkeiten mindern oder beseitigen sollten: Ich hoffe inständig, daß damit ein erster Schritt zu einem Normalisierungsprozeß getan ist, der von Tag zu Tag dringlicher erscheint. In diesem Sinn bete ich und lade alle ein zu beten. Denn die Besorgnis ist sehr groß wegen der weiterhin starken Spannungen und der ungeheuren Schwierigkeiten, welche die Bevölkerung von Betlehem und aller palästinensischen Gebiete gezwungen ist, täglich auf sich zu nehmen. 119 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Liebe Brüder und Schwestern, wenden wir uns mit Vertrauen an den Herrn, daß er die Verantwortlichen leite und ihnen Kraft gebe. Er möge ihnen helfen, konkrete Fortschritte in Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden zu erzielen und zugleich Provokationen und Haltungen zu vermeiden, welche die Würde, die Rechte und die berechtigten Wünsche eines jeden verletzen. Wir wollen diese Anliegen aufnehmen und sie der Heiligen Jungfrau anvertrauen: Sie schütze und erleuchte die Familien, die von Gewalt erschütterten Nationen und die ganze Menschheit. Nach dem Angelus begrüßte der Papst die Anwesenden in verschiedenen Sprachen. Auf deutsch sagte er: Herzlich begrüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Ich wünsche euch allen einen erholsamen Aufenthalt in der Ewigen Stadt. Vorbild der Heiligkeit der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 3. September 1. Im Epheserbrief beschreibt der hl. Paulus die bräutliche Beziehung zwischen Christus und der Kirche mit den folgenden Worten: „Christus [hat] die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben [...], um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen. So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos“ (Eph 5,25-27). Das II. Vatikanische Konzil erinnert, auf die Worte des Apostels zurückkommend, daran, daß „die Kirche in der seligsten Jungfrau schon zur Vollkommenheit gelangt ist“, während „die Christgläubigen [sich] noch [bemühen], die Sünde zu besiegen und in der Heiligkeit zu wachsen“ (Lumen Gentium, Nr. 65). Es wird so der Unterschied hervorgehoben, der zwischen den Gläubigen und Maria besteht, wenngleich die einen wie die andere der heiligen Kirche angehören, die Christus „ohne Flecken und Falten“ gemacht hat. Denn während die Gläubigen die Heiligkeit durch die Taufe empfangen, ist Maria von jedem Flecken der Ur-sünde bewahrt und von Christus im voraus erlöst worden. Außerdem können die Gläubigen, obschon sie „vom Gesetz der Sünde“ befreit sind (vgl. Röm 8,2), noch in Versuchung fallen, und in ihrem Leben macht sich noch die menschliche Schwäche bemerkbar. „Wir alle verfehlen uns in vielen Dingen“, heißt es im Jakobusbrief (3,2). Daher lehrt das Konzil von Trient: Niemand kann „im ganzen Leben alle Sünden, auch [nicht] die verzeihlichen meiden“ (vgl. DS/DH1573). Eine Ausnahme von dieser Regel bildet aufgrund göttlichen Vorrechtes die Unbefleckte Jungfrau, wie ebenfallc das Konzil von Trient festhält (vgl. ebd.). 120 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Unbeachtet der Sünden ihrer Mitglieder ist die Kirche in erster Linie die Gemeinschaft derer, die zur Heiligkeit berufen sind und sich täglich bemühen, sie zu erreichen. Auf diesem schwierigen Weg zur Vollkommenheit fühlen sie sich von deijenigen ermutigt, die das „Urbild der Tugenden“ ist. Das Konzil bemerkt, daß „die Kirche über Maria in frommer Erwägung nachdenkt und sie im Licht des menschgewordenen Wortes betrachtet“. Indem sie das tut, „dringt sie verehrend in das erhabene Geheimnis der Menschwerdung tiefer ein und wird ihrem Bräutigam mehr und mehr gleichgestaltet“ (Lumen Gentium, Nr. 65). Die Kirche blickt also auf Maria. Sie betrachtet nicht nur das wunderbare Geschenk ihrer Gnadenfülle, sondern bemüht sich auch, die Vollkommenheit nachzuahmen, die bei ihr Frucht der vollendeten Umsetzung des Gebotes Christi ist: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ {Mt 5,48). Maria ist die Allheilige. Sie ist für die Gemeinschaft der Gläubigen das Paradigma der authentischen Heiligkeit, die sich in der Gemeinschaft mit Christus verwirklicht. In der Tat ist das irdische Leben der Gottesmutter von vollkommenem Einklang mit der Person des Sohnes und gänzlicher Hingabe an das von ihm vollbrachte Erlösungswerk gekennzeichnet. Den Blick auf die mütterliche Vertrautheit gerichtet, die sich in der Stille des Lebens in Nazaret entwickelte und in der Stunde des Opfers zur Vollkommenheit gelangte, bemüht sich die Kirche, Maria auf ihrem täglichen Weg nachzuahmen. Sie wird auf diese Weise immer mehr ihrem Bräutigam gleichgestaltet. Wie Maria mit dem Kreuz des Erlösers vereint, macht sich die Kirche in den Schwierigkeiten, Gegensätzen und Verfolgungen, die in ihrem Leben das Geheimnis des Leidens ihres Herrn erneuern, auf die ständige Suche nach völliger Gleichgestaltung mit ihm. 3. Die Kirche lebt vom Glauben; sie sieht in der, „die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45), den ersten und vollkommenen Ausdruck ihres Glaubens. Auf diesem Weg vertrauensvoller Hingabe an den Herrn geht die Jungfrau den Jüngern voraus, indem sie dem göttlichen Wort in einem ständigen Crescendo zustimmt, das alle Etappen ihres Lebens erfaßt und sich selbst auf die Sendung der Kirche ausdehnt. Ihr Beispiel ermutigt das Volk Gottes, den Glauben zu leben und seinen Inhalt zu vertiefen und zu entfalten, die Heilsereignisse im Herzen bewahrend und meditierend. Maria wird für die Kirche auch zum Vorbild der Hoffnung. Als sie die Botschaft des Engels vernahm, richtete die Jungfrau als erste ihre Hoffnung auf das Reich ohne Ende, das zu errichten Jesus gesandt war. Sie bleibt fest beim Kreuz des Sohnes in der Erwartung der Erfüllung des göttlichen Versprechens. Nach Pfingsten stützt die Gottesmutter die von Verfolgung bedrohte Kirche in der Hoffnung. Sie ist daher für die Gemeinschaft der Glaubenden und für die einzelnen Christen die Mutter der Hoffnung, die ihre Kinder in der Erwartung des Reiches ermutigt und geleitet und ihnen beisteht in den täglichen Prüfungen wie auch in den manchmal tragischen Ereignissen der Geschichte. 121 AUDIENZEN UND ANGELUS In Maria erkennt die Kirche schließlich das Vorbild ihrer Liebe. Wenn wir auf die Situation der ersten Christengemeinde blicken, entdecken wir, daß die Einmütigkeit der Herzen, die sich bei der Erwartung von Pfingsten zeigt, mit der Anwesenheit der heiligen Jungfrau verbunden ist (vgl. Apg 1,14). Und gerade dank der ausstrahlenden Liebe Marias ist es zu allen Zeiten in der Kirche möglich, Eintracht und geschwisterliche Liebe zu bewahren. 4. Das Konzil unterstreicht die Vorbildrolle, die Maria für die Kirche in ihrer apostolischen Sendung hat, ausdrücklich mit den folgenden Worten: „Daher blickt die Kirche auch in ihrem apostolischen Wirken mit Recht zu ihr auf, die Christus geboren hat, der dazu vom Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau geboren wurde, daß er durch die Kirche auch in den Herzen der Gläubigen geboren werde und wachse. Diese Jungfrau war in ihrem Leben das Beispiel jener mütterlichen Liebe, von der alle beseelt sein müssen, die in der apostolischen Sendung der Kirche zur Wiedergeburt der Menschen mitwirken“ (Lumen Gentium, Nr. 65). Nach ihrem Mitwirken am Heilswerk durch die Mutterschaft, die Vereinigung mit dem Opfer Christi und die mütterliche Hilfe für die entstehende Kirche fahrt Maria fort, die Christengemeinschaft und alle Glaubenden im hochherzigen Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums zu unterstützen. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Pilgern aus der Erzdiözese München und Freising unter der Leitung des Erzbischofs Friedrich Kardinal Wetter und des Weihbischofs Franz Schwarzenböck. Des weiteren begrüße ich die Stipendiaten des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes sowie die Familienmütter der Schönstattbewegung, der Jugendkantorei des Eichstätter Domchores und die Pilgergruppe evangelisch-lutherischer Christen aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Worte an die Polen in Erinnerung des 1. Septembers 1939 Meine Lieben, heute ist es mir unmöglich, nicht des 1. Septembers 1939 zu gedenken: des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs und der ganzen Erfahrung des Zweiten Weltkriegs in unserem Vaterland. Heute ist der 3. September, der damals auf einen Sonntag fiel. Der Krieg war bereits im Gang, und deutsche Verbände näherten sich Krakau. Wir wenden uns aus diesem Anlaß in besonderer Weise an Maria, die Königin Polens, mit den Worten des Liedes: „Wie sehr hast du, Maria, unter dem Kreuz 122 AUDIENZEN UND ANGELUS deines Sohnes gelitten!“ Und indem wir ihres Leidens beim Kreuz gedenken, empfehlen wir ihr unser Vaterland und vor allem die Leidenden an. Wir beten, daß sie ihre Leiden abkürze. Und für die, welche diese nicht zu tragen wissen, bitten wir um die Gabe der Ausdauer und des Sieges. Das der Gottesmutter und Königin Polens gewidmete Lied ist eine Art historischer Rechenschaftsbericht unserer Erfahrungen von 1939 und des ganzen Weltkriegs, der uns so viel Qual, so viele Leiden und Opfer gekostet hat, die nötig waren, um am Ende den Sieg zu erlangen. Heute und in diesen Tagen empfehlen wir Gott in besonderer Weise unser Vaterland an. Gelobt sei Jesus Christus! Mutter Teresa: Den Armen dienen heißt dem Leben dienen Angelus in Castel Gandolfo am 7. September 1. Mir liegt es am Herzen, in diesem Augenblick des Gebets unserer lieben Schwester Mutter Teresa von Kalkutta zu gedenken, die vor zwei Tagen ihren langen irdischen Lebensweg beendet hat. Ich hatte oft Gelegenheit, sie zu treffen. Und ihre zierliche Gestalt, gebeugt von einem Leben im Dienst an den Ärmsten der Armen, aber stets getragen von einer unerschöpflichen inneren Kraft - der Kraft der Liebe Christi -, ist mir lebhaft in Erinnerung. Missionarin der Nächstenliebe - das war Mutter Teresa in Tat und Wahrheit. Durch ihr mitreißendes Beispiel hat sie viele Menschen angezogen, die bereit sind, alles zu verlassen, um Christus zu dienen, der in den Armen gegenwärtig ist. Missionarin der Nächstenliebe. Ihre Sendung begann jeden Morgen, bevor der Tag anbrach, vor der Eucharistie. In der Stille der Kontemplation vernahm Mutter Teresa von Kalkutta den Widerhall des Schreies Jesu am Kreuz: „Mich dürstet.“ Dieser Schrei, den sie tief in ihr Herz aulhahm, drängte sie, hinauszugehen auf die Straßen Kalkuttas und aller Elendsviertel der Welt auf der Suche nach Jesus in den Armen, den Verlassenen, den Sterbenden. 2. Liebe Brüder und Schwestern, diese weltweit als Mutter der Armen anerkannte Schwester hinterläßt ein beredtes Zeugnis für alle: für Glaubende wie für Nichtglaubende. Sie hinterläßt uns das Zeugnis der Liebe Gottes, die sie in sich aufgenommen hat und die ihr Leben in ein vorbehaltloses Geschenk für die Brüder umgewandelt hat. Sie hinterläßt uns das Zeugnis der Kontemplation, die zur Liebe wird, und der Liebe, die zur Kontemplation wird. Das von ihr vollbrachte Werk spricht für sich und bezeugt den Menschen unserer Zeit die hohe Bedeutung des Lebens, die leider oft in Vergessenheit zu geraten scheint. Sie hat gerne betont: „Den Armen dienen heißt, dem Leben dienen.“ Mutter Teresa ließ keine Gelegenheit aus, auf jede Art und Weise die Liebe zum Leben hervorzuheben. Sie wußte aus Erfahrung, daß das Leben seinen vollen Wert erfährt - 123 AUDIENZEN UND ANGELUS auch inmitten von Schwierigkeiten und Widersprüchen wenn es der Liebe begegnet. Dem Evangelium gemäß wurde sie zum „guten Samariter“ für jeden Menschen, dem sie begegnete, für jedes Leben in Krise unter Leiden und Mißachtung. 3. Im großen Herzen von Mutter Teresa war der Familie ein besonderer Platz Vorbehalten. „Eine Familie, die betet, ist eine glückliche Familie“, sagte sie beim 1. Welttreffen der Familien. Noch heute behalten die Worte der unvergeßlichen Mutter der Armen ihre ganze Kraft. „In der Familie - sagte sie - liebt man einander, wie Gott liebt: Es ist eine miteinander teilende Liebe. In der Familie erfährt man die Freude, zu lieben, einander zu lieben. In der Familie muß man lernen, miteinander zu beten. Die Frucht des Gebets ist der Glaube, die Frucht des Glaubens ist die Liebe, die Frucht der Liebe ist der Dienst und die Frucht des Dienstes ist der Friede“ (Mutter Teresa am 8. Oktober 1994 in der röm. Lateranuniversität anläßlich des 1. Welttreffens der Familien', vgl. L’Osservatore Romano, ital. Tagesausgabe v. 9.10.94, S. 4). Wie könnte man diese Einladung unbeachtet lassen, das authentische Wohl und das wahre Glück der Familie auf der soliden Grundlage von Gebet, Liebe und gegenseitigem Dienst zu errichten? Mögen diese Gedanken von Mutter Teresa einen nützlichen Beitrag zur Vorbereitung des 2. Welttreffens des Papstes mit den Familien bilden, das vom kommenden 2. bis 5. Oktober in Rio de Janeiro stattfinden wird. Wir empfehlen dem Herrn die selbstlose Seele dieser demütigen und treuen Ordensflau an und bitten die heilige Jungfrau, daß sie ihren Mitschwestem und allen, die sie in der ganzen Welt gekannt und geliebt haben, Trost und Beistand gibt. Auf deutsch sprach der Papst folgende Grußworte: Sehr herzlich begrüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich die Pilgergruppe aus Regensburg willkommen, die zu Fuß nach Rom gekommen ist. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Sonntag. Vorbild der Kirche im Gottesdienst Ansprache bei der Generalaudienz am 10. September 1. Im Apostolischen Schreiben Marialis cultus stellt der Diener Gottes Paul VT. ehrwürdigen Andenkens die Jungfrau als Vorbild der Kirche bei der Feier des Gottesdienstes dar. „Die Vorbildlichkeit der seligen Jungfrau Maria in dieser Beziehung ergibt sich aus der Tatsache, daß sie als erhabenstes Vorbild der Kirche in der Ordnung des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus anerkannt ist, d. h. jener inneren Haltung, mit der die Kirche, vielgeliebte Braut und mit dem Herrn eng verbunden, ihn anruft und durch ihn dem ewigen Vater Anbetung erweist“ (Marialis cultus, Nr. 16). 124 AUDIENZEN UND ANGEL US 2. Sie, die bei der Verkündigung völlige Verfügbarkeit für den Plan Gottes gezeigt hat, ist für alle Gläubigen ein erhabenes Vorbild des bereitwilligen Hörens auf das Wort Gottes. Durch ihre Antwort an den Engel: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38), mit der sie sich bereit erklärte, in vollkommener Weise den Willen des Herrn zu erfüllen, wird Maria mit Recht die Seligpreisung Jesu zuteil: „Selig sind [...] die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ {Lk 11,28). Durch diese Haltung, die ihr ganzes Dasein trägt, weist uns die Jungfrau den Weg des Hörens auf das Wort des Herrn: ein wesentliches Element des Gottesdienstes, das typisch für die christliche Liturgie geworden ist. Ihr Vorbild läßt uns verstehen, daß Gottesdienst nicht in erster Linie darin besteht, die Gedanken und Gefühle des Menschen zum Ausdruck zu bringen, sondern im Hören auf das Wort Gottes, um es zu kennen, in sich aufzunehmen und im täglichen Leben wirksam werden zu lassen. 3. Jede liturgische Feier ist Gedächtnis des Geheimnisses Christi in seinem Heilswirken für die ganze Menschheit und will die persönliche Teilnahme der Gläubigen am Ostergeheimnis fordern, das in den Zeichen und Worten des Ritus neu zum Ausdruck gebracht und gegenwärtig gesetzt wird. Maria war Zeugin der Heilsereignisse in ihrem geschichtlichen Ablauf, der im Tod und in der Auferstehung des Erlösers seinen Höhepunkt erreichte; sie „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ {Lk 2,19). Sie beschränkte sich nicht darauf, bei den einzelnen Ereignissen anwesend zu sein, sondern suchte deren tiefe Bedeutung zu verstehen, indem sie mit ganzer Seele in das einwilligte, was sich geheimnishaft dabei erfüllte. Maria erscheint daher als das höchste Vorbild der persönlichen Teilnahme an den göttlichen Geheimnissen. Sie führt die Kirche in der Betrachtung des gefeierten Geheimnisses und der Anteilnahme am Heilsereignis und fordert in den Gläubigen den Wunsch nach inniger persönlicher Einbindung in Christus, um durch Hingabe des eigenen Lebens am universalen Heil mitzuwirken. 4. Maria ist ebenfalls das Vorbild des Gebets der Kirche. Aller Wahrscheinlichkeit nach war Maria ins Gebet vertieft, als der Engel Gabriel in das Haus von Nazaret trat und sie grüßte. Gewiß hat dieser Gebetskontext die Jungfrau in ihrer Antwort an den Engel und im hochherzigen Ja zum Geheimnis der Menschwerdung unterstützt. In der Verkündigungsszene haben die Künstler Maria fast immer in betender Haltung dargestellt. Es sei unter allen an Fra Angelico erinnert. Das gibt einen Hinweis für die Kirche und jeden Gläubigen, in welcher Atmosphäre die Feier des Gottesdienstes vor sich gehen soll. Wir können noch hinzufügen, daß Maria für das Volk Gottes das Beispiel jedes Ausdrucks seines Gebetslebens ist. Insbesondere lehrt sie die Christen, wie sie sich an Gott wenden sollen, um in den verschiedenen Situationen des Lebens Hilfe und Beistand von ihm zu erbitten. 125 AUDIENZEN UNDANGELUS Ihr mütterliches Eintreten bei der Hochzeit zu Kana und ihre Gegenwart im Abendmahlssaal unter den Aposteln beim Gebet in der Erwartung von Pfingsten legen nahe, daß das Bittgebet eine wesentliche Form des Mitwirkens an der Entfaltung des Heilswerkes in der Welt ist. Ihrem Vorbild folgend, lernt die Kirche, mutig zu bitten, beharrlich fürzubitten und vor allem um die Gabe des Heiligen Geistes zu bitten (vgl. ££11,13). 5. Die Jungfrau ist für die Kirche auch Vorbild in der hochherzigen Teilnahme am Opfer. Bei der Darstellung Jesu im Tempel und vor allem unter dem Kreuz vollbringt Maria die Hingabe ihrer selbst, die sie als Mutter mit dem Leiden und den Prüfungen des Sohnes vereint. Im täglichen Leben wie bei der Feier der Eucharistie ermutigt die „opfernde Jungfrau“ (Marialis cultus, Nr. 20) so die Christen, „geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (/ Petr 2,5). Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung begrüße ich Euch, hebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, die Ihr nach Rom gekommen seid, um die Gräber der Märtyrer und der Heiligen zu besuchen, die nach dem Vorbild Mariens wahrhaftige Hörer des Wortes gewesen sind. Insbesondere heiße ich die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt der Kirchenchöre im Bistum Passau sowie die anderen Chöre willkommen. Euch allen und Euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Die Familie: Geschenk und Verpflichtung, Hoffnung der Menschheit Angelus in Castel Gandolfo am 14. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ein wichtiger kirchlicher Anlaß steht nunmehr nahe bevor: das 2. Welttreffen des Papstes mit den Familien, das vom kommenden 2. bis 5. Oktober in Brasilien, in Rio de Janeiro, stattfinden wird. Im Lauf der vergangenen Monate wurden in verschiedenen Teilen der Welt Fami-lientreffen abgehalten, die dem Nachdenken und Gebet im Hinblick auf diese neue Begegnung galten. Deren Vorbereitung wird von der Erz'iözese Rio de Janeiro und der Bischofskonferenz Brasiliens, unterstützt vom Päpstlichen Rat für die Familie, mit Einsatz und Begeisterung besorgt. Es ist nötig, das aktive Interesse für 126 AUDIENZEN UND ANGELUS das große Anliegen der Familie zu verstärken; denn durch sie geht die Zukunft der Menschheit und der Neuevangelisierung (vgl. Familiaris consortio, Nr. 86). Das ist ein fester Punkt in der Lehre des II. Vatikanischen Konzils. In der Pasto-ralkonstitution Gaudium et spes lesen wir: „Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden“ (Nr. 47). Es ist eine Gewißheit der Kirche und der Völker, die in der auf Ehe gegründeten Familie ein unveräußerliches Gut der Menschheit anerkennen. In der Tat ist die geistige und kulturelle Identität der Familien die Grundlage für die Identität der Nation, der sie angehören. 2. Gerade diese grundlegende Wahrheit will das Thema des Treffens unterstreichen: „Die Familie: Geschenk und Verpflichtung. Hoffnung der Menschheit.“ Es hebt die zentrale Rolle der Familie als Urzelle der Gesellschaft und Heiligtum des Lebens hervor. Um sich erneuern und den Forderungen der Zeiten begegnen zu können, will die Familie von der Gesellschaft anerkannt, in ihren Rechten respektiert und gefordert sein. Hier erinnert man sich an eine andere Aussage des Konzils, wonach „das künftige Schicksal der Menschheit in den Händen jener ruht, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können“ (Gaudium et spes, Nr. 31). Es gibt viele Männer und Frauen in der Welt, die mit ihrem Zeugnis diese Triebkräfte weitergeben. Ich appelliere an die Regierenden und Gesetzgeber, daß die Institutionen diese grundlegende Rolle der Familie aufs beste fordern mögen. Ebenso wünsche ich mir, daß die Medien ein positives Werk vollbringen und mit Respekt und Verantwortungssinn die Reflexion und den Dialog über die Familie und ihre Probleme fordern. 3. Möge das Welttreffen in Rio de Janeiro eine große Mobilmachung der Gewissen bewirken, damit die Menschheit die Ordnung, die Gott in die Schöpfung gelegt hat, zur Orientierung nimmt und auf ihrem Weg befolgt. Ich lade die christlichen Familien in aller Welt ein, bei dieser großen Aufgabe mitzuwirken, und wünsche von Herzen, daß ihnen das Treffen von Rio de Janeiro neuen Schwung für ihren apostolischen Einsatz geben kann. Beten wir zu der Königin der Familien, daß sie unsere Anstrengungen in dieser Hinsicht segne und gelingen lasse. Nach dem Gebet sprach der Papst u. a. die folgenden Grußworte auf deutsch: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Ich wünsche euch allen einen gesegneten Sonntag. 127 AUDIENZEN UND ANGEL US Gebet für Friedensgespräche in Nordirland Der Papst an die englischsprachigen Besucher beim Angelus: [...] Meine Gedanken gehen voller Hoffnung zu den wichtigen Gesprächen, die diese Woche in Nordirland stattfinden werden. Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft haben dort den ernsthaften und aufrichtigen Wunsch nach einer friedlichen Lösung für den schon lange bestehenden Konflikt erkennen lassen. Ich fordere euch auf, dafür zu beten, daß Gott die an diesen Gesprächen Beteiligten bei der schwierigen, aber wesentlichen Aufgabe leite, eine Übereinkunft über den zukünftigen Weg zu finden [...]. Mutter der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 17. September 1. Das II. Vatikanische Konzil nennt Maria „überragendes Glied“, „Typus“ und „Urbild“ der Kirche und stellt sodann fest: „Die katholische Kirche verehrt sie, vom Heiligen Geist belehrt, in kindlicher Liebe als geliebte Mutter“ {Lumen Gentium., Nr. 53). Genau genommen, schreibt der Konzilstext der Jungfrau nicht ausdrücklich den Titel „Mutter der Kirche“ zu, doch verkündet er dessen Inhalt in unwiderlegbarer Weise, wobei er auf eine vor mehr als zwei Jahrhunderten 1748 von Papst Benedikt XIV. gegebene Erklärung zurückgreift {Bullarium romanum, Serie 2, t. 2, n. 61, S. 428). In dem genannten Dokument erklärt mein verehrter Vorgänger, indem er die kindlichen Gefühle der Kirche beschreibt, die in Maria ihre geliebte Mutter erkennt, die Jungfrau indirekt zur Mutter der Kirche. 2. Der Gebrauch dieses Beinamens war in der Vergangenheit ziemlich selten, er ist aber in jüngerer Zeit in Äußerungen des Lehramts der Kirche und in der Frömmigkeit des Christenvolkes häufiger geworden. Die Gläubigen riefen Maria vor allem unter den Titeln „Mutter Gottes“, „Mutter der Gläubigen“ oder „unsere Mutter“ an, um deren persönliche Beziehung zu jedem ihrer Kinder zu betonen. Später begann man dank der größeren Aufmerksamkeit, die dem Geheimnis der Kirche und den Beziehungen Marias zur Kirche geschenkt wurde, die Jungfrau häufiger als „Mutter der Kirche“ anzurufen. Dieser Ausdruck ist vor dem II. Vatikanischen Konzil in der Lehre von Papst Leo XIII. anzutreffen. Es heißt dort, daß Maria „in aller Wahrheit Mutter der Kirche“ war (vgl. Acta Leonis XIII, 15, 302). Später wird der Beiname mehrfach in der Lehre von Johannes XXIII. und Paul VI. verwendet. 3. Wenngleich der Titel „Mutter der Kirche“ Maria erst spät zuerkannt wurde, drückt er eine mütterliche Beziehung der Jungfrau zur Kirche aus, wie sie schon in einigen Texten des Neuen Testaments beschrieben wird. Maria ist von der Ver- 128 AUDIENZEN UND ANGELUS kündigung an gerufen, mit ihrem Ja zum Kommen des messianischen Reiches beizutragen, das sich mit der Bildung der Kirche erfüllt. Dadurch, daß Maria in Kana den Sohn zur Ausübung der messianischen Macht bewegt, bietet sie einen grundlegenden Beitrag zur Verwurzelung des Glaubens in der ersten Gemeinde der Jünger und wirkt an der Errichtung des Reiches Gottes mit, das seinen „Keim“ und „Anfang“ in der Kirche hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 5). Auf Golgota erweist Maria dem Heilswerk durch die Vereinigung mit dem Opfer ihres Sohnes ihren mütterlichen Beitrag, der die Form einer schmerzhaften Geburt, der Geburt der neuen Menschheit, annimmt. Mit den an Maria gerichteten Worten „Frau, siehe dein Sohn“ verkündet der Gekreuzigte nicht nur ihre Mutterschaft in bezug auf den Apostel Johannes, sondern auch auf jeden Jünger. Der Evangelist selbst weist mit der Feststellung, daß Jesus sterben mußte, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Job 11,52), daraufhin, daß die Geburt der Kirche Frucht des Erlösungsopfers ist, mit dem Maria mütterlich vereint ist. Der Evangelist Lukas berichtet von der Gegenwart der Mutter Jesu in der ersten Gemeinde zu Jerusalem (vgl. Apg 1,14). Er unterstreicht die Mutterrolle Marias gegenüber der in Entstehung begriffenen Kirche — analog zu derjenigen, die sie bei der Geburt des Erlösers hatte. Die mütterliche Dimension wird so zu einem Grundelement der Beziehung Marias zum neuen Volk der Erlösten. 4. Der Heiligen Schrift folgend, anerkennt die Lehre der Väter die Mutterschaft Marias in bezug auf das Werk Christi und daher die Kirche, wenn auch nicht immer in ausdrücklicher Form. Nach dem hl. Irenäus ist Maria „zur Heilsursache für das ganze Menschengeschlecht geworden“ (vgl. Haer. 3,22,4; PG 7,959) und der reine Schoß der Jungfrau „gebiert die Menschen neu in Gott“ (vgl. Haer. 4,33,11; EG 7,1080). Ihm stimmt der hl. Ambrosius zu, wenn er sagt: „Eine Jungfrau hat das Heil der Welt geboren, eine Jungfrau hat allen Dingen Leben gegeben“ (vgl. Ep. 63,33; PL 16,1198), und andere Väter, die Maria „Mutter des Heils“ nennen (vgl. Seve-rianos von Gabala, Or. 6 de mundi creatione, 10, PG 54,4; Faustus von Riez, Max. Bibi. Patrum VI, 620-621). Im Mittelalter wendet sich der hl. Anselm folgendermaßen an Maria: „Du bist die Mutter der Rechtfertigung und der Gerechtfertigten, die Mutter der Versöhnung und der Versöhnten, die Mutter des Heils und der Geretteten“ (vgl. Or. 52,8; PL 158,957), während andere Autoren ihr den Titel „Mutter der Gnade“ und „Mutter des Lebens“ geben. 5. Der Titel „Mutter der Kirche“ widerspiegelt also die tiefe Überzeugung der Christgläubigen, die in Maria nicht nur die Mutter der Person Christi, sondern auch der Gläubigen sehen. Diejenige, die als Mutter des Heils, des Lebens und der Gnade, Mutter der Geretteten und Mutter der Lebenden anerkannt ist, wird mit gutem Recht Mutter der Kirche genannt. 129 AUDIENZEN UND ANGELUS Papst Paul VI. hätte es gewünscht, daß das II. Vatikanische Konzil „Maria zur Mutter der Kirche, d. h. des ganzen Gottesvolkes, der Gläubigen wie der Hirten“ erklärte. Er selbst hat es in der Schlußansprache der dritten Sitzungsperiode des Konzils (21. Nov. 1964) getan und zugleich gewünscht, daß „die Jungfrau von nun an vom ganzen Christenvolk mit einem so liebreichen Titel noch mehr geehrt und angerufen werde“ (vgl. AAS [1964J37). Auf diese Weise hat mein verehrter Vorgänger ausdrücklich die im 8. Kapitel von Lumen Gentium bereits enthaltene Lehre verkündet und den Wunsch ausgedrückt, daß der Marientitel Mutter der Kirche einen immer wichtigeren Platz in der Liturgie und in der Frömmigkeit des Christenvolkes einnehme. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften aus verschiedenen Orten Deutschlands, aus der Schweiz und aus Österreich. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Worte an die Polen: [...] Es sei auch daran erinnert, daß heute, am 17. September, der 58. Jahrestag der Invasion Polens durch die Sowjetunion ist. Dieser Tag war der Beginn eines schweren Leidensweges für viele unserer Landsleute vor allem im Osten, der lange Jahre dauerte. Wir wollen sie alle Gott und der heiligen Maria anvertrauen -auch die Invasoren: die aus dem Westen und die aus dem Osten. Wir wollen dafür danken, daß Polen nach diesen Prüfungen die Unabhängigkeit wiedererlangt hat. Familien, seid das Salz der Erde und das Licht der Welt! Angelus in Castel Gandolfo am 21. September Liebe Brüder und Schwestern! l.Das Welttreffen des Papstes mit den Familien, das in den ersten Tagen des kommenden Monats in Rio de Janeiro stattfinden wird, rückt näher. Auch heute gelten meine Überlegungen diesem wichtigen Ereignis, bei dem ich - so Gott will - selbst den Vorsitz fuhren werde. Es ist wichtig, daß die christlichen Gemeinschaften und besonders die Familien sensibilisiert und vorbereitet daran teilnehmen. Mit großer Befriedigung habe ich vernommen, daß aus allen Teilen der Welt Vertreter von Vereinigungen und Bewegungen für die Familie und für das Leben nach 130 AUDIENZEN UND ANGELUS Rio de Janeiro kommen werden. Miteinander werden sie ein starkes Zeugnis geben, das die Bedeutung einer Herausforderung im positiven Sinn haben wird. Sie werden der Welt sagen, daß es, wenn man sein Leben nach dem Evangelium ausrichtet, möglich ist, treue, verantwortliche und selbstlose Liebe zu leben. Sie werden zeigen, daß die Familie die natürliche Wiege ist, wo es möglich ist, menschliches Leben mit Freude anzunehmen, zu beschützen und zu erziehen. Liebe Familien! Seid das Salz der Erde und das Licht der Welt (vgl. Mt 5,13.14)! Es ist heute mehr denn je eure dringende Aufgabe, die Schönheit und Größe wahrer Liebe durch eure Lebensweise zu verkünden. Im Ehesakrament schöpft ihr aus dem Geheimnis der Liebe Christi und der Kirche und bringt so in euch das Licht des Evangeliums zum Leuchten, worin sich das Heil der Welt findet. 2. Gestern Nachmittag hat in Bologna der 23. Nationale Eucharistische Kongreß begonnen, der am nächsten Sonntag feierlich zum Abschluß kommen wird. Das Thema des Kongresses „Jesus Christus, einziger Retter der Welt, gestern heute und in Ewigkeit“ stellt dieses außerordentliche geistliche Ereignis in einen engen Bezug zum Großen Jubeljahr 2000, für das es eine bedeutsame Etappe ist. Es schließt gewissermaßen das erste Jahr unmittelbarer Vorbereitung auf die Jubiläumsfeier, welches der Reflexion über Jesus gewidmet war. So Gott will, werde ich die Freude haben, persönlich an den Abschlußveranstaltungen des Kongresses am kommenden Samstag und Sonntag teilzunehmen. Ich möchte indes schon jetzt alle Gläubigen einladen, im Gebet geistlich zu dieser Begegnung im Glauben und starken Erfahrung des Kirche-Seins beizutragen, das die gesamte Kirche in Italien um den eucharistischen Jesus vereint, um ihn zu verehren und neue Kraft von ihm zu erhalten beim täglichen Einsatz im Dienst des Evangeliums. 3. Wir wollen unser Gebet der Fürsprache der allerheiligsten Maria, Mutter des fleischgewordenen Wortes und Königin der Familien, anvertrauen. Möge sie von ihrem göttlichen Sohn das gute Gelingen dieser bedeutenden kirchlichen Ereignisse erwirken. An die deutschsprachigen Besucher richtete der Papst folgende Worte: Herzlich begrüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Ich wünsche euch allen einen erholsamen Aufenthalt in der Ewigen Stadt. 131 AUDIENZEN UND ANGELUS Die himmlische Fürsprache der Mutter der göttlichen Gnade Ansprache bei der Generalaudienz am 24. September 1. Maria ist die Mutter der Menschheit in der Ordnung der Gnade. Das II. Vatikanische Konzil hebt diese Rolle Marias hervor und führt sie auf ihr Mitwirken am Erlösungswerk Christi zurück. Sie „war nach dem Ratschluß der göttlichen Vorsehung hier auf Erden die erhabene Mutter des göttlichen Erlösers, in einzigartiger Weise vor anderen seine großmütige Gelahrtin und die demütige Magd des Herrn“ {Lumen Gentium, Nr. 61). Mit dieser Aussage will die Konstitution Lumen Gentium der Tatsache gebührende Beachtung erweisen, daß die Jungfrau zutiefst mit dem Erlösungswerk Christi vereint war und „in einzigartiger Weise“ des Heilands „großmütige Gefährtin“ wurde. Durch die Taten jeder Mutter, von ganz gewöhnlichen bis zu höchst anspruchsvollen, wirkt Maria aus freien Stücken am Werk des Heils der Menschheit in tiefer und beständiger Übereinstimmung mit ihrem göttlichen Sohn mit. 2. Das Konzil hebt weiter hervor, daß die Mitwirkung Marias von den evangelischen Tugenden des Gehorsams, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe getragen war und unter dem Einfluß des Heiligen Geistes vollbracht wurde. Es weist sodann darauf hin, daß Maria gerade aus diesem Mitwirken die Gabe der universalen geistlichen Mutterschaft zukommt: Mit Christus im Heilswerk vereint, das die geistliche Wiedergeburt der Menschheit einschließt, wird sie die Mutter der zu neuem Leben wiedergeborenen Menschen. Wenn das Konzil sagt, daß Maria „uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ ist (vgl. ebd.), will es betonen, daß ihre geistliche Mutterschaft sich nicht allein auf die Jünger beschränkt, als habe man den Satz Jesu auf Golgota „Frau, siehe dein Sohn“ (Joh 19,26) in restriktivem Sinn zu interpretieren. Tatsächlich wollte der Gekreuzigte mit diesen Worten eine innige Beziehung zwischen Maria und dem Lieblingsjünger herstellen, der eine typologische Figur von universaler Bedeutung ist; er wollte also seine Mutter allen Menschen zur Mutter geben. Anderseits läßt die universale Wirkung des Erlösungsopfers und das wissentliche Mitwirken Marias an der Opferhingabe Christi keine Einschränkung bei ihrer Mutterliebe zu. Die universale mütterliche Sendung Marias vollzieht sich im Kontext ihrer einzigartigen Beziehung zur Kirche. Durch ihre Sorge für jeden Christen, ja für jeden Menschen, führt sie die Kirche im Glauben zu einer immer tieferen Annahme des Wortes Gottes, stärkt ihre Hoffnung, vermehrt ihre Liebe und geschwisterliche Gemeinschaft und ermutigt ihre apostolische Dynamik. 3. Während ihres Erdenlebens hat Maria der Kirche für sehr kurze Zeit geistliche Mutterschaft erwiesen. Diese Funktion ist indes nach der Aufnahme in den Himmel in ihrem ganzen Wert in Erscheinung getreten und dazu bestimmt, durch die 132 AUDIENZEN UNDANGELUS Jahrhunderte bis zum Ende der Welt fortzudauem. Das Konzil stellt ausdrücklich fest: „Diese Mutterschaft Marias in der Gnadenökonomie dauert unaufhörlich fort, von der Zustimmung an, die sie bei der Verkündigung gläubig gab und unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, bis zur ewigen Vollendung aller Auserwählten“ {Lumen Gentium, Nr. 62). In das ewige Reich des Vaters aufgenommen, kann Maria ihrem göttlichen Sohn -und daher uns allen - näher die Funktion der mütterlichen Fürsprache, die ihr von der göttlichen Vorsehung anvertraut wurde, geistlich wirksamer ausführen. 4. Christus nahe und in Gemeinschaft mit ihm, der „die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten [kann]; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten“ {Hebr 7,25), wollte der himmlische Vater Maria haben: Die priesterliche Fürsprache des Erlösers wollte er mit der mütterlichen der Jungfrau verbinden. Sie versieht diese Funktion zum Wohl derer, die in Gefahr sind und zeitlicher Gunsten, vor allem aber des ewigen Heils bedürfen. „In ihrer mütterlichen Liebe trägt sie Sorge für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen. Deshalb wird die selige Jungfrau in der Kirche unter dem Titel der Fürsprecherin, der Helferin, des Beistandes und der Mittlerin angerufen“ {Lumen Gentium, Nr. 62). Diese dem Glauben des Christenvolkes entsprungenen Beinamen helfen, das Wesen des Eintretens der Mutter des Herrn im Leben der Kirche und der einzelnen Gläubigen besser zu verstehen. 5. Der Titel „Fürsprecherin“ geht auf den hl. Irenäus zurück. Dieser behandelt den Ungehorsam Evas und den Gehorsam Marias und sagt, daß im Augenblick der Verkündigung „die Jungfrau Maria Fürsprecherin“ Evas wurde (vgl. Haer. 5,19,1; PG 7,1175-1176). In der Tat hat sie durch ihr „Ja“ die Stammutter verteidigt und von den Folgen ihres Ungehorsams befreit. Auf diese Weise wurde sie zur Ursache des Heils für sie und das ganze Menschengeschlecht. Maria übt ihre Rolle als „Fürsprecherin“ aus, indem sie sowohl mit dem Heiligen Geist, dem Parakleten [Beistand], zusammenwirkt als auch mit dem, der am Kreuz für seine Verfolger gebetet hat (vgl. Lk 23,34) und den Johannes unseren „Beistand beim Vater“ {1 Joh 2,1) nennt. Als Mutter verteidigt sie ihre Kinder und schützt sie vor den durch ihre eigenen Sünden verursachten Schäden. Die Christen rufen Maria als „Helferin“ an, denn sie erkennen ihre mütterliche Liebe, die die Nöte ihrer Kinder sieht und bereit ist, ihnen zur Hilfe zu kommen, vor allem wenn das ewige Heil auf dem Spiel steht. Die Überzeugung, daß Maria denen, die leiden oder sich in schweren Gefahrensituationen befinden, nahe ist, hat die Gläubigen dazu gebracht, sie als Beistand“ anzurufen. Genau diese zuversichtliche Gewißheit kommt in den Worten des ältesten Mariengebets zum Ausdruck: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau [...]“ (vgl. Breviario Romano-, deutsch in Gotteslob 32,3). 133 AUDIENZEN UND ANGEL US Als mütterliche Mittlerin trägt Maria unsere Wünsche und Bitten vor Christus und vermittelt uns göttliche Gaben, während sie fortwährend für unc Fürsprache hält. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung begrüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Mein besonderer Gruß gilt den Sportfunktionären, den Sportlern und den Sportjournalisten aus Oberösterreich, die in Begleitung des Herrn Bischofs Kurt Krenn nach Rom gekommen sind. Des weiteren begrüße ich besonders herzlich die zahlreichen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Dank für Fortschritte in der Ökumene Aus den Grußworten an die englischsprachigen Teilnehmer: [...] Herzlich heiße ich auch die verschiedenen hier anwesenden ökumenischen Gruppen willkommen, insbesondere das Exekutivkomitee des Weltrates der Methodisten. Gott dankbar für die bisherigen Fortschritte in unserem offiziellen Dialog, bete ich, daß der Heilige Geist die Gemeinsame Kommission bei ihrer laufenden Arbeit leiten möge. Einen besonderen Gruß übermittle ich dem Generalsekretär, Dr. Haie, der wegen des kürzlichen Unfalls seiner Frau nicht hier sein konnte, und bete für deren baldige Genesung. Ich bin ebenfalls erfreut, die Delegation der „Disciples of Christ“ am 20. Jahrestag unseres gegenseitigen Dialogs zu begrüßen. Möge die fortgesetzte Arbeit der internationalen Kommission über das Thema der Sendung der Kirche uns ständig auf dem Weg zu immer größerer Einheit voranbringen. Von Herzen grüße ich die Vertreter des Zentrums für Christlich-Jüdische Verständigung. Ich hoffe, daß Ihr Besuch das Einvernehmen und die Zusammenarbeit unter uns in Anbetracht der zahlreichen gemeinsamen Anliegen weiter stärken möge [...]. 134 AUDIENZEN UND ANGELUS Die mütterliche Mittlerschaft Marias Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Oktober 1. Unter den Titeln, die Maria im Kult der Kirche zuerkannt wurden, nennt das achte Kapitel von Lumen Gentium jenen der „Mittlerin“. Wenngleich einige Konzilsväter diese Auswahl nicht ganz teilten (vgl. Acta Synodalia III,8, 163-164), wurde dieser Beiname dennoch zur Bestätigung des Wertes der darin ausgedrückten Wahrheit in die dogmatische Konstitution über die Kirche aufgenommen. Doch achtete man darauf, keine besondere Theologie der Mittlerschaft damit zu verbinden, sondern ihn lediglich unter den anderen Maria zuerkannten Titeln aufzuzählen. Der Konzilstext nennt überdies bereits den Inhalt des Titels „Mittlerin“, wenn er sagt, daß Maria „durch ihre vielfältige Fürbitte fort[fahrt], uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken“ (Lumen Gentium, Nr. 62). Wie ich in der Enzyklika Redemptoris Mater erwähne, ist die Mittlerschaft Marias „eng mit ihrer Mutterschaft verbunden und besitzt einen ausgeprägt mütterlichen Charakter, der sie von der Mittlerschaft der anderen Geschöpfe unterscheidet“ (Redemptoris Mater, Nr. 38). Unter diesem Gesichtspunkt ist sie einzig in ihrer Art und besonders wirksam. 2. Was die von einigen Konzilsvätem vorgebrachten Schwierigkeiten hinsichtlich des Ausdrucks „Mittlerin“ betrifft, war schon das Konzil selbst darum bemüht, eine Antwort zu geben. Es bestätigte, daß Maria „uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ ist (Lumen Gentium, Nr. 61). Es sei daran erinnert, daß die Mittlerschaft Marias wesentlich durch ihre göttliche Mutterschaft gekennzeichnet ist. Die Zuerkennung der Rolle einer Mittlerin ist implizit in dem Ausdruck „unsere Mutter“ enthalten. Damit wird eine Lehre von der marianischen Mittlerschaft nahegelegt, die den Akzent auf die Mutterschaft setzt. Sodann macht der Titel „Mutter in der Ordnung der Gnade“ deutlich, daß die Jungfrau mit Christus bei der geistlichen Wiedergeburt der Menschheit zusammenwirkt. 3. Die mütterliche Mittlerschaft Marias verdunkelt die einzige und vollkommene Mittlerschaft Christi nicht. In der Tat stellt das Konzil, nachdem es Maria als „Mittlerin“ erwähnt hat, unverzüglich klar: „Das aber ist so zu verstehen, daß es der Würde und Wirksamkeit Christi, des einzigen Mittlers, nichts abträgt und nichts hinzufugt“ (Lumen Gentium, Nr. 62). Diesbezüglich zitiert es den bekannten Text aus dem ersten Brief an Timotheus: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,5-6). Das Konzil sagt weiter: „Marias mütterliche Aufgabe gegenüber den Menschen aber verdunkelt oder mindert diese einzige Mittlerschaft Christi in keiner Weise, sondern zeigt ihre Wirkkraft“ (Lumen Gentium, Nr. 60). 135 AUDIENZEN UND ANGEL US Weit davon entfernt, ein Hindernis für die Ausübung der einzigen Mittlerschaft Christi zu sein, läßt Maria vielmehr deren Fruchtbarkeit und Wirkkraft hervortreten. „Jeglicher heilsame Einfluß der seligen Jungfrau auf die Menschen kommt nämlich nicht aus irgendeiner sachlichen Notwendigkeit, sondern aus dem Wohlgefallen Gottes und fließt aus dem Überfluß der Verdienste Christi, stützt sich auf seine Mittlerschaft, hängt von ihr vollständig ab und schöpft aus ihr seine ganze Wirkkraft“ {ebd., Nr. 60). 4. Aus Christus kommt der Wert der Mittlerschaft Marias, und daher hindert der heilsame Einfluß der seligen Jungfrau „in keiner Weise [...]die unmittelbare Vereinigung der Glaubenden mit Christus, sondern [fordert sie]“ {ebd., Nr. 60). Die wesenseigene Ausrichtung des Wirkens der Mittlerin auf Christus veranlaßt das Konzil, den Gläubigen ans Herz zu legen, bei Maria Hilfe zu suchen, „damit sie unter diesem mütterlichen Schutz dem Mittler und Erlöser inniger anhangen“ {ebd., Nr. 62). Wenn die Worte aus dem Brief des hl. Paulus an Timotheus Christus als einzigen Mittler verkünden (vgl. 1 Tim 2,5-6), heißt das, daß sie jede andere parallele Mittlerschaft ausschließen, nicht aber eine untergeordnete Mittlerschaft. Tatsächlich fordert der Autor, bevor er die einzige und ausschließliche Mittlerschaft Christi hervorhebt, „zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen [...]“ {1 Tim 2,1). Ist die Fürbitte nicht eine Form von Mittlerschaft? Nach dem hl. Paulus ist die einzige Mittlerschaft Christi sogar dazu bestimmt, weitere, abhängige und mit Dienstämtem verbundene Mittlerschaften hervorzurufen. Indem der Apostel die Einzigartigkeit der Mittlerschaft Christi verkündet, beabsichtigt er lediglich, jede autonome oder konkurrierende Mittlerschaft auszuschließen, nicht andere mit dem unendlichen Wert des Werkes des Erlösers vereinbare Formen. 5. Es ist möglich, in verschiedenen Bereichen des Heilswerkes an der Mittlerschaft Christi teilzuhaben. Nach dem ausdrücklichen Hinweis, daß ,Jeeine Kreatur [...] mit dem menschgewordenen Wort und Erlöser jemals in einer Reihe aufgezählt werden [kann]“, legt Lumen Gentium (Nr. 62) dar, wie es den Geschöpfen möglich ist, gewisse Formen von Mittlerschaft in Abhängigkeit von Christus auszuüben. In dem Konzilstext heißt es: „Wie vielmehr am Priestertum Christi in verschiedener Weise einerseits die Amtspriester, andererseits das gläubige Volk teilnehmen und wie die eine Gutheit Gottes auf die Geschöpfe in verschiedener Weise wirklich ausgegossen wird, so schließt auch die Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlöserc im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie“{ebd., Nr. 62). In dem Willen, Teilnahme an der einzigen Mittlerschaft Christi zu erwecken, tut sich die unentgeltliche Liebe Gottes dar, der teilen möchte, was er besitzt. 6. Was ist die mütterliche Mittlerschaft Marias in Wahrheit anderes als ein Geschenk des Vaters an die Menschheit? Und daher schließt das Konzil: „Eine sol- 136 AUDJENZEN UND ANGEL US che untergeordnete Aufgabe Marias zu bekennen, zögert die Kirche nicht, sie erfahrt sie auch ständig und legt sie den Gläubigen ans Herz [...]“ (ebd., Nr. 62). Maria versieht ihr mütterliches Wirken in ständiger Abhängigkeit von der Mittlerschaft Christi. Von ihm erhält sie alles, was ihr Herz den Menschen geben will. Die Kirche erfahrt auf ihrem irdischen Pilgerweg „ständig“ die Wirksamkeit des Wirkens der „Mutter in der Ordnung der Gnade“. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Unter allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern grüße ich besonders die Teilnehmer an der Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“. Ich wünsche Euch, daß Ihr aus diesen Tagen in der Ewigen Stadt mit ihren vielfältigen Eindrücken, den Gottesdiensten und Begegnungen Kraft für Euren Alltag schöpfen könnt. Ebenso herzlich begrüße ich die Pilger aus der Erzdiözese Bamberg, die im Rahmen einer Leserreise der Kirchenzeitung „Heinrichsblatt“ nach Rom gekommen sind. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Appell für Algerien und Kongo-Brazzaville Im Monat Oktober, der heute beginnt, läßt uns das Rosenkranzgebet oft Maria, die Königin des Friedens, anrufen. Ihr vertraue ich besonders die gequälte Bevölkerung von Algerien an. Durch die Fürsprache der heiligen Jungfrau wollen wir den Herrn darum bitten, daß man den Willen und Weisen finde, um die grauenvolle Kette der Gewalt zu sprengen und die unzähligen tiefen Wunden zu heilen! Gleichzeitig lade ich euch ein, für Kongo-Brazzaville zu beten, wo es in diesen Wochen zu einer erneuten Verschärfung des schon lange anhaltenden blutigen Konflikts gekommen ist, während die nationale und internationale Vermittlung stocken. Ich ermahne die streitenden Parteien und die internationale Gemeinschaft eindringlich, eine friedliche Übereinkunft zu finden, bevor das Land und seine Bevölkerung noch größere Zerstörungen und Menschenopfer erleiden. Ich hoffe, daß rasch eine Gefechtseinstellung erreicht wird als erster Schritt zu einer verhandlungsmäßigen Lösung der Krise. 137 AUDIENZEN UND ANGEL US Tragende Pfeiler von Kirche und Staat - Ehe und Familie Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Oktober 1. „Die Familie: Geschenk und Verpflichtung. Hoffnung der Menschheit“, so lautete das Thema des Zweiten Welttreffens mit den Familien, das in den vergangenen Tagen in Rio de Janeiro, in Brasilien, stattgefunden hat. Vor den Augen und im Herzen sind mir noch die Bilder und Eindrücke dieses großen Ereignisses gegenwärtig, das eine der bedeutsamsten Stationen auf dem Weg der Kirche zum Großen Jubeljahr 2000 darstellt. Dem Herrn bin ich zutiefst dankbar dafür, daß er mir nach dem Weltjugendtag in Paris die Freude gewährt hat, diese Begegnung mit den Familien zu haben. Die Jugendlichen und die Familien! Das trifft sich gut, denn wenn man sagen kann, daß die Jugendlichen die Zukunft sind, so gilt ebenso, daß es ohne die Familie keine Zukunft der Menschheit gibt. Um die Werte, die dem Leben Sinn geben, in sich aufnehmen zu können, ist es für die jungen Generationen notwendig, in der von Gott selbst für Mann und Frau gewollten Lebens- und Liebesgemeinschaft geboren zu werden und aufzuwachsen, in der „Hauskirche“, welche die zur harmonischen Entwicklung jedes neuen Erdenbürgers vorgesehene göttlich-menschliche Architektur bildet. Das Treffen mit den Familien der ganzen Welt hat mir den willkommenen Anlaß geboten, zum dritten Mal Brasilien zu besuchen. So konnte ich erneut diesem der Kirche und mir persönlich so lieben Volk begegnen, einem an Geschichte, Kultur und Menschlichkeit, aber auch an Glauben und Hoffnung reichen Volk. Die Stadt Rio de Janeiro, Symbol der Schönheiten Brasiliens und zugleich seiner Gegensätze, bot dem Treffen einen recht bedeutungsvollen Rahmen, gekennzeichnet durch eine Vielfalt an ethnischer und kultureller Zugehörigkeit. Von der Höhe des Corcovado schien die große Christusstatue mit den ausgebreiteten Armen den Familien der ganzen Welt zu sagen: Kommt zu mir! Ein Gedanke der Ehrerbietung gilt dem Staatspräsidenten, mit dem ich in Rio eine herzliche Unterredung hatte: Ihm sowie den zivilen und militärischen Behörden der Nation erneuere ich den Ausdruck meiner Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme. Auch Kardinal Eugenio de Araüjo Sales, dem Erzbischof von Säo Se-bastiäo do Rio de Janeiro, und dem brasilianischen Episkopat, der sich mutig für die Sache der Familie einsetzt, spreche ich meine Dankbarkeit aus ebenso all denen, die ihren Beitrag zu diesem großen Fest der Liebe und des Lebens geleistet haben. Auf das brasilianische Volk rufe ich den ständigen Segen des Herrn herab, damit die Nation durch den Einsatz aller in Gerechtigkeit und Solidarität wachsen kann. 2. In Rio hat es sich um das zweite große Welttreffen der Familien mit dem Papst gehandelt. Das erste hatte 1994 in Rom im Zusammenhang mit dem Internationalen Jahr der Familie stattgefunden. Diese von der Kirche auf weltweiter Ebene 138 AUDIENZEN UND ANGELUS veranstalteten Begegnungen bringen den Willen und Vorsatz des Gottesvolkes zum Ausdruck, miteinander einen bevorzugten „Weg“ zu beschreiten: Es ist der „Weg“ des Evangeliums, der „Weg“ des Friedens, der „Weg“ der Jugend und - in diesem Fall - der „Weg“ der Familie. Ja, die Familie ist in herausragender Weise der „Weg der Kirche“, die in ihr ein wesentliches und unabdingbares Element des Planes Gottes für die Menschheit erkennt. Die Familie ist der bevorzugte Ort für die persönliche und soziale Entwicklung. Wer die Familie fordert, fordert den Menschen; wer sie angreift, greift den Menschen an. Mit der Familie und dem Leben stehen heute grundlegende Herausforderungen auf dem Spiel, wobei es mit um die Würde des Menschen selbst geht. 3. Daher verspürt die Kirche die Notwendigkeit, vor allen Menschen die Schönheit des Planes Gottes für die Familie zu bezeugen und die Familie als Hoffnung der Menschheit vorzustellen. Die große Zusammenkunft in Rio de Janeiro hatte zum Ziel, vor der Welt die „gute Nachricht“ von der Familie zu verkünden. Dieses Zeugnis haben Männer und Frauen, Eltern und Kinder verschiedener Kulturen und Sprachen gegeben, denen die Annahme des Evangeliums von der Liebe Gottes in Christus gemeinsam war. Ehe und Familie waren der Gegenstand vertiefter Studien auf dem pastoraltheologischen Kongreß, den ich die Freude hatte zu beschließen. In meiner Ansprache an die Teilnehmer behandelte ich die zentrale Rolle, die diese Themen in der Pastoral der Kirche innehaben müssen. In Rio konnte man im großen Maracanä-Stadion sozusagen eine „Symphonie“ der Familie erleben: eine einzige Symphonie, die aber in verschiedenen kulturellen Modalitäten zum Ausdruck gebracht wurde. Gemeinsame Basis aller Erfahrungen war immer das Sakrament der Ehe, wie es die Kirche auf der Grundlage der göttlichen Offenbarung bewahrt. Bei der Eucharistiefeier in der Kathedrale und vor allem am Sonntag auf dem Aterro do Flamengo erklangen die Worte aus der Heiligen Schrift, welche die Grundlage der christlichen Auffassung von der Familie bilden. Worte aus dem Buch Genesis, die von Christus im Evangelium bestätigt werden: nämlich, „daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen und [...] gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein“ {Mt 19,4-5). Jesus fügt hinzu: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (ebd. 19,6). Das ist die Wahrheit über die Ehe, auf der die Wahrheit über die Familie gründet. Hier haben wir das Geheimnis ihres glücklichen Gelingens und zugleich die Quelle ihrer Sendung, die darin besteht, einen Widerschein der Liebe des Dreieinigen Gottes, des Schöpfers und Erlösers des Lebens, in der Welt leuchten zu lassen. Das Treffen in Rio war somit eine beredte „Epiphanie“ der Familie. Diese trat in Erscheinung in der Verschiedenartigkeit ihrer wirklichen und möglichen Ausdrucksformen, aber auch in der Einzigkeit ihrer substantiellen Identität: einer auf 139 AUDIENZEN UND ANGELUS Ehe gegründeten Liebesgemeinschaft, berufen, Heiligtum des Lebens, kleine Kirche, Zelle der Gesellschaft zu sein. Aus dem Maracanä-Stadion in Rio de Janeiro, das gewissermaßen eine riesige Kathedrale geworden war, wurde - durch gelebte Erfahrungen bekräftigt - eine „Botschaft der Hoffnung“ in die ganze Welt verkündet: Es ist beglückend und möglich, wenn auch anfordemd, eine treue, für das Leben offene Liebe zu leben; es ist möglich, an der Sendung der Kirche und am Aufbau der Gesellschaft teilzuhaben. Diese Botschaft möchte ich heute am Abschluß meiner sechsten internationalen Reise in diesem Jahr erklingen lassen. Möge dank der Hilfe Gottes und dem besonderen Schutz Marias, der Königin der Familien, die Erfahrung von Rio de Janeiro ein Unterpfand des erneuerten Pilgems der Kirche auf dem bevorzugten „Weg“ der Familie sein und ebenso Vorzeichen einer vermehrten Aufmerksamkeit seitens der Gesellschaft für die Sache der Familie; denn sie ist die Sache des Menschen und der Gesellschaft. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Jugendlichen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands und aus Österreich. Aus Münster ist die große Schulfamilie des Bischöflichen Gymnasiums Sankt Mauritz anläßlich der Feier seines 100jährigen Bestehens gekommen. Ebenso herzlich begrüße ich die Angehörigen und Freunde der sieben Diakone aus dem „Collegium Germanicum et Hungaricum“, die übermorgen zu Priestern geweiht werden. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. 140 AUDIENZEN UND ANGELUS Neue Selige: aufrichtige Marienverehrer Angelus am 12. Oktober 1. Am Schluß dieser Eucharistiefeier grüße ich von Herzen euch alle, liebe Pilger, die ihr aus Italien, aus Europa und aus Amerika nach Rom gekommen seid. Mein Gedanke gilt besonders den Gläubigen aus den Diözesen Brescia und Tursi-Lagonegro sowie aus der Erzdiözese Spoleto-Norcia, die trotz der großen, mit dem Erdbeben verbundenen Schwierigkeiten in großer Zahl gekommen sind. Allen lege ich ans Herz, in die Spuren der neuen Seligen zu treten und sich ihre Lehre zunutze zu machen, um nach ihrem Vorbild Zeugen der barmherzigen Liebe Gottes in unserer Zeit zu sein. Der Papst ging von italienisch zu französisch über: 2. Ich grüße die Pilger französischer Sprache, die an der heutigen Seligsprechung teilgenommen haben, besonders die Schwestern von der „Societe de Marie repa-ratrice“. Sie mögen Beispiel an der sei. Maria von Jesus nehmen, die dem Herrn ,ja“ zu sagen gewußt hat, und wie die Mutter Christi den Brüdern und Schwestern dienen. ... sagte dann auf spanisch: Mit Liebe grüße ich die Pilger spanischer Sprache und ganz besonders die Bischöfe und Gläubigen, die aus Mexiko zur Seligsprechung von Pater Ellas del So-corro Nieves gekommen sind, sowie die Mitglieder der Augustinischen Familie, die heute das Glück hatten, zwei ruhmreiche Söhne von ihr zur Ehre der Altäre emporsteigen zu sehen. Die Jungfrau Maria, Königin der Märtyrer und der Jungfrauen, möge euch helfen, ihr Beispiel nachzuahmen. Euch alle segne ich von Herzen. ... und schließlich wieder auf italienisch: 3. Zusammen mit den neuen Seligen wenden wir nun unsere Gedanken der Jungfrau, Königin aller Heiligen, zu. In beredter Weise erstrahlt die Marienverehrung in den Brüdern und Schwestern, die wir heute zu den Ehren der Altäre erhoben haben. Sie liebten und verehrten die Gottesmutter mit der Zuneigung von Kindern. Ihr ganzes Leben lang, und besonders in Augenblicken von Schwierigkeiten und Prüfungen, haben sie sich an sie gewandt; ihren Händen und ihrem Mutterherzen haben sie sich und ihre Tätigkeit anempfohlen. Die heilige Jungfrau, die wir in diesem Monat Oktober in besonderer Weise mit dem Gebet des Rosenkranzes ehren, wolle uns helfen, mit Bereitschaft und Treue auf den Ruf zu antworten, den Gott an jeden von uns richtet entsprechend der Verschiedenheit der Gaben und Charismen. 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Abschließend komme ich nicht umhin, daran zu drinnem, daß ich vor einer Woche, am letzten Sonntag, in Rio de Janeiro, in Brasilien, das 2. Welttreffen mit den Familien feiern konnte. Ich gedenke aller und danke für die große Gastfreundschaft der Brasilianer und vor allem des Kardinals von Rio de Janeiro, der in diesen ganzen Tagen Familien aus aller Welt beherbergt hat. Maria, die Mutter der Familien, segne alle Familien Brasiliens und der Welt. Die Verehrung der seligen Jungfrau Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Oktober 1. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ...“ {Gal 4,4). Die Marienverehrung beruht auf dem wunderbaren göttlichen Entschluß, die menschliche Identität des Gottessohnes - wie der Apostel Paulus hervorhebt - für immer an eine Frau zu binden: Maria von Nazaret. Das Geheimnis der Gottesmutterschaft Marias und ihres Mitwirkens am Erlösungswerk ruft in den Gläubigen aller Zeiten eine Haltung des Lobpreises sowohl gegenüber dem Erlöser als auch der Frau, die ihn in der Zeit geboren und dadurch an der Erlösung mitgewirkt hat, hervor. Ein weiterer Grund für eine dankbare Liebe zur seligen Jungfrau ist durch ihre universale Mutterschaft geboten. Indem der himmlische Vater Maria zur Mutter der ganzen Menschheit erwählt hat, wollte er sozusagen die mütterliche Dimension seiner göttlichen Zärtlichkeit und seiner Sorge für die Menschen aller Epochen offenbar machen. Auf Golgota hat Jesus mit den Worten „Siehe dein Sohn“, „Siehe deine Mutter“ {Joh 19,26.27) Maria im voraus all denen gegeben, die die gute Nachricht des Heils empfangen würden. So hat er die Voraussetzungen für unsere Kindesliebe zu ihr geschaffen. Johannes folgend, sollten die Christen durch die Marienverehrung Christi Liebe zu seiner Mutter, die sie in ihr Leben aufiiehmen, fortsetzen. 2. Die Evangelien bezeugen eine Marienverehrung von den Anfängen der Kirche an. Die ersten zwei Kapitel des Lukasevangeliums scheinen die besondere Aufmerksamkeit der Judenchristen für die Mutter Jesu aufzuzeichnen, die ihre Hochschätzung für sie bekundeten und eifrig ihr Gedächtnis bewahrten. Den Kindheitsberichten können wir ferner den ersten Ausdruck und die Begründung der Marienverehrung entnehmen, die in den Worten Elisabets zusammengefaßt sind: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen ... Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ {Lk 1,42.45). Spuren einer in der ersten Christengemeinde bereits vorhandenen Verehrung liegen im Gesang des Magnifikats vor: „... von nun an preisen mich selig alle Ge- 142 AUDIENZEN UND ANGELUS schlechter“ (ebd. 1,48). Indem sie Maria diese Worte in den Mund legten, erkannten die Christen ihr eine einzigartige Größe zu, die bis zum Ende der Welt verkündet werden würde. Darüber hinaus zeugen die Berichte der Evangelien (vgl. Lk 1,34-35; Mt 1,23 und Joh 1,14), die ersten Glaubensformeln und eine Textstelle beim hl. Ignatius von Antiochien (vgl. Smirn. 1,2: SC 10,155) von einer besonderen Bewunderung der ersten Gemeinden für die Jungfrau Maria, eng zusammenhängend mit dem Geheimnis der Menschwerdung. Das Johannesevangelium, das auf die Gegenwart Marias am Anfang und Ende des öffentlichen Lebens des Sohnes hinweist, läßt ein lebhaftes Bewußtsein der Rolle Marias im Erlösungswerk in völliger Liebesabhängigkeit von Christus bei den ersten Christen vermuten. 3. Das II. Vatikanische Konzil unterstreicht den besonderen Charakter der Marienverehrung mit den Worten: „Maria wird durch Gottes Gnade nach Christus, aber vor allen Engeln und Menschen erhöht, mit Recht, da sie ja die heilige Mutter Gottes ist und in die Mysterien Christi einbezogen war, von der Kirche in einem Kult eigener Art geehrt“ {Lumen Gentium, Nr. 66). Unter Anspielung auf das Mariengebet des dritten Jahrhunderts „Sub tuum praesi-dium - Unter deinen Schutz und Schirm“ - fugt es sodann hinzu, daß diese Besonderheit sich von Anfang an abzeichnet: „Schon seit ältester Zeit wird die selige Jungfrau unter dem Titel der ,Gottesgebärerin‘ verehrt, unter deren Schutz die Gläubigen in allen Gefahren und Nöten bittend Zuflucht nehmen“ {ebd.). 4. Diese Feststellung findet in der Ikonographie und in der Lehre der Kirchenväter seit dem zweiten Jahrhundert Bestätigung. In Rom kann man in den Priscilla-Katakomben die erste Darstellung der Gottesmutter mit Kind bewundern, während zu derselben Zeit der hl. Justinus und der hl. Irenäus von Maria als der neuen Eva sprechen, die durch ihren Glauben und Gehorsam den Unglauben und Ungehorsam der ersten Frau wiedergutgemacht hat. Nach dem Bischof von Lyon reichte as nicht, daß Adam in Christus freigekauft wurde, sondern es war „recht und nötig, daß Eva in Maria wiederhergestellt würde“ (vgl. Dem., 33). Auf diese Weise unterstreicht er die Bedeutung der Frau im Heilswerk und bietet eine Grundlage für die Untrennbarkeit der Marienverehrung von der Verehrung Jesu, welche die christlichen Jahrhunderte kennzeichnen sollte. 5. Die Marienverehrung kam anfänglich in der Anrufung Marias als „Theotokos“ [d. h. Gottesgebärerin] zum Ausdruck. Dieser Titel erfuhr eine maßgebende Bestätigung durch das Konzil von Ephesus nach der nestorianischen Krise im Jahr 431. Schon die Reaktion des Volkes auf die unklare und schwankende Position des Nestorius, der soweit ging, die Gottesmutterschaft Marias zu leugnen, und die freudige Aufnahme der Entscheidungen der Ephesinischen Synode bestätigen die Verwurzelung der Verehrung Marias unter den Christen. So ist „vor allem seit der 143 AUDIENZEN UND ANGEL US Synode von Ephesus [...] die Verehrung des Gottesvolkes gegenüber Maria wunderbar gewachsen in Verehrung und Liebe, in Anrufung und Nachahmung (Lumen Gentium, Nr. 66). Sie drückte sich speziell in den liturgischen Festen aus. Unter diesen erhielt seit Beginn des 5. Jahrhunderts „der Tag Mariä Theotokos“ besondere Bedeutung, der in Jerusalem am 15. August gefeiert wurde und später zum Fest der Entschlafimg oder der Aufnahme in den Himmel wurde. Unter dem Einfluß des Protoevangeliums des Jakobus wurden ferner die Feste der Geburt, der Empfängnis und der Darstellung Mariä eingeführt, die in beachtlichem Maß dazu beitrugen, einige wichtige Aspekte des Mysteriums Marias ins Licht zu rücken. 6. Wir können wohl sagen, daß die Marienverehrung sich bis in unsere Tage mit bewundernswerter Kontinuität entwickelt hat, wobei Zeiten der Blüte und Zeiten der Krise einander ablösten. Doch hatten letztere oft das Verdienst, vermehrt deren Erneuerung zu fördern. Nach dem II. Vatikanischen Konzil scheint die Marienverehrung dazu bestimmt, sich im Einklang mit der Vertiefung des Mysteriums der Kirche und im Dialog mit der modernen Kultur weiterzuentwickeln, um immer mehr im Glauben und Leben des auf Erden pilgernden Gottesvolkes verwurzelt zu werden. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern des deutschen Sprachraumes. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Teilnehmern der Di-özesanwallfahrten aus dem Erzbistum Paderborn und dem Bistum Münster. Außerdem sind zahlreiche Chorgemeinschaften unter uns, die zur größten Ehre Gottes ihre Stimmen erklingen lassen. Ich freue mich auch, daß eine Gmppe evangelischer Pfarrer, Mitglieder des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem sowie zahlreiche Schüler- und Jugendgruppen zu dieser Audienz gekommen sind. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Aufruf zum Welttag der Armut am 17. Oktober Übermorgen, am 17. Oktober, wird der Welttag der Armut begangen. Aus diesem Anlaß wiederhole ich meinen Appell, daß jeder sich entsprechend seiner Verantwortung dafür einsetze, die Ursachen der Armut zu beseitigen. Niemand darf gegenüber den „vom Leben Verwundeten“ gleichgültig bleiben! Die Kirche ist mit großer Achtung und Liebe allen nahe, die die Armut ihrer Würde, ihres Familienlebens, der Möglichkeit, Ausbildung zu erhalten und eine Arbeit zu haben, beraubt. Es sind unsere Brüder und Schwestern, die Christus mit besonderer Vorliebe liebt. Sie warten auf unsere konkrete Solidarität. 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Vorbild von Theresia leben — ein inniges Vertrauensverhältnis mit Gott pflegen Angelus am 19. Oktober Am heutigen Weltmissionssonntag ist unsere Aufmerksamkeit vor allem auf die hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom hl. Antlitz gerichtet, die ich an diesem Morgen die Freude hatte, zur Lehrerin der universalen Kirche zu erklären. Sie ist Vorbild missionarischen Engagements und Patronin der Missionen, obwohl sie nie die Klausur des Karmels von Lisieux verlassen hatte. Man könnte sagen, daß Theresia sich die außerordentliche missionarische Projektion der Gottesmutter Maria zu eigen gemacht hatte, die durch ihre betende Gegenwart und vollkommene Liebe die erste Gemeinde der Apostel trug, so daß die zu Pfingsten vom Heiligen Geist entfesselte Dynamik die Verkündigung des Evangeliums bis an die entferntesten Grenzen der Erde brachte. Die Verbundenheit der hl. Theresia vom Kinde Jesus mit Maria war schon seit den Tagen ihrer Kindheit tief. Der unvergeßlichen Erfahrung des „Lächelns Marias“, das sie auf dem Antlitz der in ihrem Zimmer aufgestellten Statue betrachtete (vgl. Ms A, 30r°), schrieb sie ihre wundersame Genesung im Alter von zehn Jahren zu. Die „lächelnde Muttergottes“ stand auch vor ihrem Bett in der Krankenstation, wo die Heilige, von der Krankheit dahingerafft, ihr kurzes Erdendasein beschloß. Der Geist kindlichen Vertrauens zur Muttergottes, der das ganze Dasein der kleinen Theresia prägte, wird uns allen heute als nachahmenswertes Beispiel vorgestellt. Die hl. Theresia vom Kinde Jesus möge uns helfen, die Jungfrau, Mutter und Königin aller Heiligen, zu lieben und in der Nachfolge nachzuahmen. Ich grüße die Pilger italienischer Sprache, die gekommen sind, um an dieser feierlichen Zeremonie teilzunehmen. Einen herzlichen Gruß möchte ich insbesondere zu Beginn des Akademischen Jahres an die Professoren und Studenten der römischen kirchlichen Universitäten richten. Meine Lieben, die „Lektion“, welche die kleine Theresia dem Christenvolk bietet, hat für euch eine besondere Aussagekraft: Es ist in der Tat notwendig, daß diejenigen, welche gerufen sind, die Glaubenswahrheiten zu betrachten und weiterzugeben, jenes innige Vertrauensverhältnis mit Gott pflegen, das den „Kleinen“ und „Demütigen“ eigen ist. Macht euch diese Lehre zunutze! Danach sprach der Papst Grußworte in weiteren Sprachen u. a. auf französisch: Von Herzen grüße ich die Pilger französischer Sprache, und in besonderer Weise die aus der Gegend von Lisieux, wo die hl. Theresia vom Kinde Jesus gelebt hat. Ihre Botschaft und geistliche Gestalt haben zahlreiche Institute inspiriert, die sich die Verkündigung des Evangeliums zum Anliegen gemacht hatten, insbesondere die 1941 von Kardinal Suhard gegründete „Mission de France“, von der vielfältige missionarische Initiativen zugunsten der Armen und in der wissenschaftlichen 145 AUDIENZEN UND ANGELUS Welt ausgegangen sind. Mögen alle die neue Kirchenlehrerin zum Vorbild im geistlichen Leben und für den Mut im Apostolat nehmen! Abschließend fugte er wieder auf italienisch hinzu: Und zum Schluß einen herzlichen Gruß an alle Karmeliten und Karmelitinnen, hier unter uns und auf der ganzen Welt. Zum Wesen der Marienverehrung Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Oktober 1. Das II. Vatikanische Konzil sagt: Der Kult der seligen Jungfrau, „wie er immer in der Kirche bestand, ist zwar durchaus einzigartig, unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen Wort gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, und er fördert diesen gar sehr“ (Lumen Gentium, Nr. 66). Mit diesen Worten hebt die Konstitution Lumen Gentium die Merkmale der Marienverehrung hervor. Wenngleich die Rerehrung der Gläubigen für Maria mehr ist als der Kult der Heiligen, so stellt sie doch etwas Geringeres dar als der Kult der Anbetung, der allein Gott gilt; von diesem unterscheidet sie sich wesentlich. Der Ausdruck „Anbetung“ bezeichnet die Form des Kultes, den der Mensch Gott darbringt, den er als Schöpfer und Herrn des Alls bekennt. Von der göttlichen Offenbarung erleuchtet, beten die Christen den Vater an „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23). Mit dem Vater beten sie Christus an, das menschgewordene Wort, und bekennen mit dem Apostel Thomas: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). In denselben Akt der Anbetung beziehen sie schließlich den Heiligen Geist mit ein, der „mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und mitverherrlicht wird“ (DH/[DSJ, 150), wie das Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis festhält. Wenn die Gläubigen Maria als „Gottesmutter“ anrufen und an ihr die höchste einem Geschöpf verliehene Würde betrachten, erweisen sie ihr damit doch nicht denselben Kult wie den göttlichen Personen. Eine unendliche Distanz liegt zwischen der Marienverehrung und dem Kult, der der Heiligsten Dreifaltigkeit und dem menschgewordenen Wort dargebracht wird. Demzufolge erhält schon die Sprache, mit der die Christengemeinschaft sich an die Jungfrau wendet, auch wenn manchmal Ausdrücke des Gotteskultes anklingen, einen davon völlig verschiedenen Sinn und Wert. So unterscheidet sich die Liebe, die die Gläubigen für Maria nähren, von derjenigen, die sie Gott schulden: Während der Herr über alles andere, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken geliebt werden soll (vgl. Mt 22,37), entspricht das Gefühl, das die Christen mit der Jungfrau verbindet, der Zuneigung der Kinder zur Mutter auf geistlicher Ebene. 146 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Zwischen der Marienverehrang und dem Gott dargebrachten Kult besteht jedoch Kontinuität: Die Maria erwiesene Verehrung ist auf die Anbetung der Heiligsten Dreifaltigkeit hingeordnet und bewirkt sie. Das Konzil hebt hervor, daß die Verehrung der Christen für die Jungfrau den Kult, der dem menschgewordenen Wort, dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, „sehr fördert“. Es fügt in christologischer Perspektive hinzu: „Die verschiedenen Formen der Verehrung der Gottesmutter, die die Kirche im Rahmen der gesunden und rechtgläubigen Lehre je nach den Verhältnissen der Zeiten und Orte und je nach Eigenart und Veranlagung der Gläubigen anerkannt hat, bewirken, daß in der Ehrung der Mutter der Sohn, um dessentwillen alles ist (vgl. Kol 1,15-16) und in dem nach dem Wohlgefallen des ewigen Vaters die ganze Fülle wohnt (Kol 1,19), richtig erkannt, geliebt, verherrlicht wird und seine Gebote beobachtet werden“ (Lumen Gentium, Nr. 66). Von den ersten Anfängen der Kirche an ist die Marienverehrung dazu bestimmt, die treue Annahme Christi zu fördern. Die Gottesmutter zu verehren bedeutet, die Gottheit Christi zu bejahen. In der Tat wollten die Väter des Konzils von Ephesus, als sie Maria zur „Theotokos - Gottesmutter“ erklärten, den Glauben an Christus als wahren Gott bestätigen. Der Schluß des Berichtes vom ersten Wunder Jesu, das in Kana durch das Eintreten Marias bewirkt wurde, macht deutlich, daß ihr Wirken auf die Verherrlichung des Sohnes ausgerichtet war. Der Evangelist schreibt: „So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2,11). 3. Die Marienverehrung fördert bei denen, die sie dem Geist der Kirche gemäß üben, auch die Anbetung des Vaters und des Heiligen Geistes. Indem nämlich die Gläubigen den Wert der Mutterschaft Marias anerkennen, entdecken sie darin einen besonderen Erweis der Zärtlichkeit des Gottvaters. Das Geheimnis der Jungfrau und Mutter hebt das Wirken des Heiligen Geistes hervor, der in ihrem Schoß die Empfängnis des Kindes bewirkt und dessen Leben ständig gelenkt hat. Die Titel Trösterin, Fürsprecherin, Helferin, die Maria von der Frömmigkeit des Christenvolkes zugesprochen werden, heben das Wirken des Tröstergeistes hervor und verdunkeln es keineswegs, sie machen die Gläubigen bereit, seine Gaben zu empfangen. 4. Das Konzil stellt schließlich fest, daß die Marienverehrung „durchaus einzigartig“ ist, und weist auf den Unterschied gegenüber der Anbetung Gottes und der Verehrung der Heiligen hin. Die Marienverehrung besitzt eine unwiederholbare Besonderheit, denn sie bezieht sich auf eine aufgrund ihrer persönlichen Vollkommenheit und ihrer Sendung einzigartige Person. Ganz und gar außergewöhnlich sind in der Tat die Gaben, die die göttliche Liebe Maria verliehen hat: so die makellose Heiligkeit, die Gottesmutterschaft, die Verbindung mit dem Erlösungswerk und vor allem mit dem Kreuzesopfer. 147 AUDIENZEN UND ANGEL US Die Marienverehrung bringt den Lobpreis und die Dankbarkeit der Kirche für diese außerordentlichen Gaben zum Ausdruck. An sie, die Mutter der Kirche und Mutter der Menschheit geworden ist, wendet sich das Christenvolk, von kindlichem Zutrauen bewegt, um ihre mütterliche Fürsprache zu erbitten und die notwendigen Güter für das Leben auf Erden in Hinblick auf die ewige Glückseligkeit zu erlangen. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Freude begrüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Insbesondere heiße ich die vielen Pfarreien, Chorgemeinschaften und Schulen willkommen, die die Herbstferien nutzen, um Rom zu besuchen. Ich grüße sehr herzlich die Lehrer, die Schülerinnen und Schüler des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums und der Bischöflichen Realschule in Koblenz. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Der Rosenkranz - eine auf Christus ausgerichtete Meditation Angelus am 26. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Monat Oktober ist dem Gebet des Rosenkranzes gewidmet. Es ist ein Volksgebet schlechthin und gehört somit zum geistlichen Erbe des ganzen Gottesvolkes. Meine Vorgänger haben dieses Gebet sehr geliebt. Papst Pius XII. verehrten Andenkens bezeichnete es als „Kompendium des ganzen Evangeliums“ (Schreiben an den Erzbischof von Manila; AAS 38[1946]419). Da sich das erste Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 nun dem Ende zuneigt, möchte ich an die Worte von Papst Paul VI. erinnern, der im Apostolischen Schreiben Marialis cultus sagte: Der Rosenkranz ist „als biblisches Gebet, in dessen Mitte das Geheimnis der erlösenden Menschwerdung steht, [...] ganz klar auf Christus hin ausgerichtet. Auch sein charakteristischstes Element, die litaneiartige Wiederholung des ,Gebrüßet seist du, Maria, [...] ist der tragende Grund, auf dem sich die Betrachtung der Geheimnisse [im Leben des Herrn] entfaltet [...] und diese gleichsam mit dem Herzen derjenigen schauen läßt, die dem Herrn am nächsten stand“ (Marialis cultus, Nm. 46-47; AAS 66[1974] 155-156). 2. Wie viele Male im Lauf der Geschichte hat die Kirche zu diesem Gebet gegriffen — speziell in besonders schwierigen Augenblicken! Der heilige Rosenkranz ist 148 AUDIENZEN UND ANGEL US ein bevorzugtes Mittel gewesen, um die Gefahr des Krieges zu bannen und von Gott das Geschenk des Friedens zu erlangen. Hat die Jungfrau, als sie vor achtzig Jahren in Fatima den drei Hirtenkindem erschien, etwa nicht das Gebet des Rosenkranzes für die Bekehrung der Sünder und den Frieden in der Welt verlangt? Und wie könnte das Gebet für den Frieden am Ende eines Jahrhunderts fehlen, das schreckliche Kriege erfahren hat und leider weiterhin Gewalt und Konflikte erlebt? Möge uns der Rosenkranz Marias in diesen Jahren der Vorbereitung auf das dritte christliche Jahrtausend helfen, Versöhnung und Frieden für die ganze Menschheit von Gott zu erflehen. 3. Doch der Friede der Welt geht durch den Frieden der Familie, der Grundzelle der großen Menschheitsfamilie. Deshalb wird ihr die besondere Aufmerksamkeit der Kirche zuteil, wie das jüngste Welttreffen in Rio de Janeiro bezeugte. Ich möchte heute allen christlichen Familien wieder das Gebet des Rosenkranzes empfehlen, um die Freude erfahren zu können, sich in Gemeinsamkeit einzufmden und mit Maria die freudenreichen, schmerzensreichen und glorreichen Geheimnisse unserer Erlösung zu meditieren und so die freudigen und schwierigen Augenblicke des täglichen Lebens zu heiligen. Miteinander beten hilft der Familie, geeinter, heiterer und dem Evangelium treuer zu sein. Maria, die Königin des heiligen Rosenkranzes, sei jeder Familie Lehrmeisterin und Wegweiserin in diesem mir besonders lieben Gebet. Marienverehrung und Bilderkult Ansprache bei der Generalaudienz am 29. Oktober 1. Nachdem das II. Vatikanische Konzil die Verehrung der seligen Jungfrau lehrmäßig gerechtfertigt hat, ermahnt es alle Gläubigen zu deren Förderung: „Diese katholische Lehre trägt die Heilige Synode wohlbedacht vor. Zugleich mahnt sie alle Kinder der Kirche, die Verehrung, vor allem die liturgische, der seligen Jungfrau großmütig zu fördern, die Gebräuche und Übungen der Andacht zu ihr, die im Laufe der Jahrhunderte vom Lehramt empfohlen wurden, hochzuschätzen“ (Lumen Gentium, Nr. 67). Mit diesem letzten Hinweis wollten die Konzilsväter den Wert einiger Gebete wie Rosenkranz und Engel des Herrn hervorheben, die der Tradition des Christenvolkes lieb sind und häufig von den Päpsten als wirksame Mittel empfohlen wurden, um das Glaubensleben und die Verehrung der Jungfrau zu nähren. 2. Das Konzil ermahnt sodann die Gläubigen, „das, was in früherer Zeit über die Verehrung der Bilder Christi, der seligen Jungfrau und der Heiligen festgesetzt wurde, ehrfürchtig zu bewahren“ (ebd., Nr. 67). Es bezieht sich damit auf die Beschlüsse des II. Konzils von Nizäa aus dem Jahr 787, das die Rechtmäßigkeit des Kultes der heiligen Bilder bestätigte im Gegen- 149 AUDIENZEN UND ANGEL US satz zu denen, die deren Vernichtung wollten, da sie diese für unangemessen hielten, die Gottheit darzustellen (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 33). Wir beschließen „mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit - erklärten die Väter jener Versammlung -, in den heiligen Kirchen Gottes, auf den heiligen Geräten und Gewändern, Wänden und Tafeln, Häusern und Wegen, ebenso wie die Darstellung des kostbaren und lebendigmachenden Kreuzes die ehrwürdigen und heiligen Bilder - seien sie aus Farben, Stein oder sonst einem geeigneten Material -anzubringen; (dies gilt) für das Bild unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus, unserer unbefleckten Herrin, der heiligen Gottesgebärerin, der ehrwürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen“ (DH/[DS], 600). Unter Berufung auf diese Definition wollte Lumen Gentium die Rechtmäßigkeit und den Wert der heiligen Bilder bekräftigen im Gegensatz zu einigen Tendenzen, die in die Richtung gingen, sie aus Kirchen und Andachtsstätten zu entfernen, um alle Aufmerksamkeit auf Christus zu konzentrieren. 3. Das II. Konzil von Nizäa beschränkt sich nicht darauf, die Rechtmäßigkeit der Bilder festzustellen, sondern sucht, deren Nutzen für die christliche Frömmigkeit darzulegen: „Je häufiger sie [Christus, die Gottesmutter und die Heiligen] nämlich durch eine bildliche Darstellung angeschaut werden, desto häufiger werden auch diejenigen, die diese betrachten, emporgerichtet zur Erinnerung an die Urbilder und zur Sehnsucht nach ihnen und dazu, daß sie diesen einen Gruß und achtungsvolle Verehrung zuwenden“ (DH/[DS'], 601). Hier handelt es sich um Weisungen, die in besonderer Weise für die Verehrung der Jungfrau Gültigkeit haben. Die Bilder, Darstellungen und Statuen der Muttergottes, die sich in Häusern, an Straßen und Plätzen sowie in zahllosen Kirchen und Kapellen finden, helfen den Gläubigen, ihre ständige Gegenwart und ihren erbarmungsvollen Schutz in verschiedenen Lebenslagen anzurufen. Sie machen die mütterliche Zärtlichkeit der Jungfrau konkret anschaulich und gewissermaßen sichtbar und laden dazu ein, sich an sie zu wenden, mit Vertrauen zu ihr zu beten und sie in der hochherzigen Annahme des göttlichen Willens nachzuahmen. Keines der bekannten Bilder gibt das authentische Antlitz Marias wieder, wie schon Augustinus feststellte (vgl. De Trini-tate 8,7); dennoch helfen sie uns, eine lebendigere Beziehung zu ihr herzustellen. Es ist daher der Brauch zu ermutigen, Marienbilder an Kultstätten und anderen Orten anzubringen, um ihre Hilfe in Gefahren und ihre Ermahnung zu einem immer heiligmäßigeren und gottergebenen Leben anschaulich zu machen. 4. Um den rechten Gebrauch der heiligen Bilder zu fördern, stellt das Nizänische Konzil weiter fest: „Die Verehrung des Bildes geht über auf das Urbild, und wer das Bild verehrt, verehrt in ihm die Person des darin Abgebildeten“ (DH/[DS'], 601). Wenn die Gläubigen im Bild Christi die Person des menschgewordenen Wortes verehren, vollbringen sie also eine wahre Kulthandlung, die nichts mit Götzendienst gemeinsam hat. Analog dazu vollbringt der Glaubende, der eine Darstellung Marias verehrt, einen Akt, der letztlich dazu bestimmt ist, die Person der Mutter Jesu zu verehren. 150 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Das II. Vatikanum ermahnt daher Theologen und Prediger, sich ebenso der Übertreibung wie der Geistesenge bei der Betrachtung der einzigartigen Würde der Gottesmutter zu enthalten, und fügt hinzu: „Unter der Führung des Lehramtes sollen sie in der Pflege des Studiums der Heiligen Schrift, der heiligen Väter und Kirchenlehrer und der kirchlichen Liturgien die Aufgaben und Privilegien der seligen Jungfrau recht beleuchten, die sich immer auf Christus beziehen, den Ursprung aller Wahrheit, Heiligkeit und Frömmigkeit“ (Lumen Gentium, Nr. 67). Die wahre Marienlehre hat ihr sicheres Fundament in der Treue zur Heiligen Schrift und zur Tradition wie auch zu den liturgischen Texten und zum Lehramt. Ihr unerläßliches Merkmal ist der Bezug auf Christus: Denn alles in Maria kommt aus Christus und ist auf ihn bezogen. 6. Schließlich bietet das Konzil den Gläubigen einige Anhaltspunkte, um ihre kindliche Beziehung zu Maria echt zu leben: „Die Gläubigen aber sollen eingedenk sein, daß die wahre Andacht weder in unfruchtbarem und vorübergehendem Gefühl noch in irgendwelcher Leichtgläubigkeit besteht, sondern aus dem wahren Glauben hervorgeht, durch den wir zur Anerkennung der Erhabenheit der Gottesmutter geführt und zur kindlichen Liebe zu unserer Mutter und zur Nachahmung ihrer Tugenden angetrieben werden“ {Lumen Gentium, Nr. 67). Mit diesen Worten warnen die Konzilsväter vor „Leichtgläubigkeit“ und Überbetonung des Gefühls. Ihnen ist vor allem daran gelegen zu bekräftigen, daß wahre Marienverehrung aus dem Glauben und liebender Anerkennung der Würde Marias hervorgeht, zur kindlichen Liebe zu ihr führt und den festen Vorsatz weckt, ihre Tugenden nachzuahmen. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Chor- und Musikgruppen, die ihre Stimmen zur größeren Ehre Gottes erklingen lassen. Ebenso freue ich mich, daß sieder so viele Schüler, Jugend- und Ministrantengruppen nach Rom gepilgert sind. Nicht vergessen möchte ich die Ärztegruppe der Missionsärztlichen Klinik Würzburg. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 151 AUDIENZEN UND ANGELUS Gemeinschaft im Gebet und in der Liturgie Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Für das christliche Volk stellen die ersten beiden Novembertage einen wichtigen Zeitabschnitt des Glaubens und Betens dar, das deren „eschatologische“ Ausrichtung - auf die das Zweite Vatikanische Konzil nachdrücklich hingewiesen hat (vgl. Lumen Gentium, 7. Kapitel) - ganz einzigartig herausstellt. Die auf Erden pilgernde Kirche feiert alle Fleiligen und gedenkt aller verstorbenen Gläubigen; dadurch lebt sie die geistliche Verbindung, die sie mit der himmlischen Kirche vereint, und bringt diese Verbindung in der Liturgie zum Ausdruck. Fleute erweisen wir den Heiligen aller Zeiten die Ehre, und zugleich beten wir für unsere Toten, wenn wir die Friedhöfe besuchen. Wie tröstlich ist doch der Gedanke, daß unsere lieben Verstorbenen sich in der Gesellschaft Marias, der Apostel, der Märtyrer, der Bekenner des Glaubens, der Jungfrauen und aller Heiligen des Paradieses befinden! 2. So hilft uns der heutige Feiertag, eine grundsätzliche Wahrheit des christlichen Glaubens zu vertiefen, die wir im Credo bekennen: die „Gemeinschaft der Heiligen“. In diesem Zusammenhang äußert sich das Zweite Vatikanische Konzil: „Alle nämlich, die Christus zugehören und seinen Geist haben, wachsen zu der einen Kirche zusammen und sind in ihm miteinander verbunden (vgl. Eph 4,16). Die Einheit der Erdenpilger mit den Brüdern, die im Frieden Christi entschlafen sind, hört keineswegs auf, wird vielmehr nach dem beständigen Glauben der Kirche gestärkt durch die Mitteilung geistlicher Güter [...] Durch ihre brüderliche Sorge also findet unsere Schwachheit reichste Hilfe“ (Lumen Gentium, Nr. 49). Diese wunderbare Gemeinschaft findet ihre intensivste und höchste Erfüllung in der göttlichen Liturgie, vor allem in der Feier des eucharistischen Opfers: Darin „sind wir also sicherlich dem Kult der himmlischen Kirche innigst verbunden, da wir uns in verehrendem Gedenken vereinigen vor allem mit Maria, der glorreichen, allzeit reinen Jungfrau, aber auch mit dem hl. Joseph wie auch den hll. Aposteln und Märtyrern und allen Heiligen“ (ebd., Nr. 50). 3. In der glorreichen Versammlung der Heiligen hat Gott der Mutter des menschgewordenen Wortes den ersten Platz geben wollen. Durch alle Jahrhunderte und bis in Ewigkeit steht Maria an der Spitze der Gemeinschaft der Heiligen als einzigartige Wächterin über die Verbindung der Weltkirche mit Christus, ihrem Herrn. Für die Menschen, die Christus auf dem Weg des Evangeliums nachfolgen wollen, ist Maria die sichere und erfahrene Führerin, die fürsorgliche und aufmerksame Mutter, der man jeden Wunsch und jede Schwierigkeit anvertrauen kann. 152 AUDIENZEN UND ANGELUS Beten wir gemeinsam zur Königin aller Heiligen, damit sie uns dabei helfe, dem Aufruf Gottes, heilig zu sein, so wie er heilig ist (vgl. Lev 19,2; Mt 5,48), mit großherziger Treue zu entsprechen. Gebet und Hilfe für vom Erdbeben Betroffene Meine Gedanken richten sich natürlich auf die Bevölkerung des Erdbebengebiets: auf die Familien, die alten Leute, die Kinder, die Menschen, die jetzt mit widrigen Umständen zu kämpfen haben, wie auch auf die freiwilligen Helfer und diejenigen, die durch ihren Einsatz die vom Erdbeben verursachten Entbehrungen zu lindem versuchen. Ich bete zum Herrn, damit diese Notsituation - auch dank der Solidarität aller Menschen - überwunden werden kann. Schließlich möchte ich zum Gebet für alle Erdbebentoten auffordem. Wir vereinen sie mit der Erinnerung an alle verstorbenen Gläubigen, derer wir in der morgigen Liturgie gedenken. Möge das Licht der christlichen Hoffnung in jedem Herzen neu entfacht werden. Trennung ist nicht der letzte Schritt Angelus am Fest Allerseelen, 2. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern haben wir den Feiertag Allerheiligen begangen, und heute lädt uns die Liturgie ein, der verstorbenen Gläubigen zu gedenken. Der Betrachtung jener, die schon in die Herrlichkeit Gottes eingegangen sind, fügt die Kirche die Erinnerung an unsere Angehörigen hinzu, die uns vorangegangen sind, bezeichnet mit dem Siegel des Glaubens, und die nun ruhen in Frieden (vgl. Römischer Kanon). Ich bin im Geiste mit denen verbunden, die dieser Tage die Gräber ihrer Toten auf den Friedhöfen von Rom und der ganzen Welt besuchen. Meine geistliche Pilgerreise geht besonders dorthin, wo die Opfer von Gewalt und Krieg, von Ungerechtigkeit und Hunger begraben sind. Jesus, der gesagt hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25), gewähre allen Toten die Ruhe der Gerechten und die Fülle des ewigen Lebens. 2. Die kirchliche Tradition hat immer dazu aufgefordert, für die Toten zu beten. Die Grundlage der Gebete für die Verstorbenen findet sich in der Gemeinschaft des mystischen Leibes. Das Zweite Vatikanische Konzil bestätigt das: „Aus der tiefen Anerkennung dieser Gemeinschaft des ganzen mystischen Leibes Jesu Christi hat die pilgernde Kirche seit den Anfängen christlicher Religion das Gedächtnis der Verstorbenen mit großer Ehrfurcht gepflegt“ (Lumen Gentium, Nr. 50). Deshalb empfiehlt sie, die Friedhöfe zu besuchen, die Gräber zu pflegen und für die Toten zu beten als Zeugnis vertrauensvoller Hoffnung, trotz des Schmerzes 153 AUDIENZEN UND ANGELUS wegen der Trennung von unseren Lieben. Der Tod ist nicht das letzte Wort über das menschliche Schicksal, weil der Mensch zu einem Leben ohne Grenzen bestimmt ist, das seine Erfüllung in Gott findet. Deshalb betont das Konzil: „Jedem also, der ernsthaft nachdenkt, bietet daher der Glaube, mit stichhaltiger Begründung vorgelegt, eine Antwort auf seine Angst vor der Zukunft an; und zugleich zeigt er die Möglichkeit, mit den geliebten Brüdern, die schon gestorben sind, in Christus Gemeinschaft zu haben in der Hoffnung, daß sie das wahre Leben bei Gott erlangt haben“ (Gaudium et spes, Nr. 18). 3. In diesem Glauben an die höchste Bestimmung des Menschen wenden wir uns jetzt an Maria, die das Drama des Todes Christi unter dem Kreuz miterlebt und dann an der Freude seiner Auferstehung teilgehabt hat. Sie, die Pforte des Himmels, möge uns helfen, den Wert der Gebete für unsere geliebten Verstorbenen immer besser zu verstehen. Sie unterstütze uns bei unserer täglichen Pilgerreise auf dieser Erde und helfe uns, das letztendliche Ziel des Lebens, nämlich das Paradies, nie aus den Augen zu verlieren. Totengedenken des Papstes auf polnisch: Heute begebe ich mich auf eine geistige Wallfahrt zu den polnischen Friedhöfen: zur Kathedrale des Wawel, nach Auschwitz und zu anderen Konzentrationslagern, auf den Friedhof von Rakowicki, wo meine Eltern ruhen. In meinem innigen Gebet empfehle ich Gott alle diese Verstorbenen. „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen. Sie mögen ruhen in Frieden. Amen.“ Das Gebet zu Maria Ansprache bei der Generalaudienz am 5. November l.Die Marienverehrung hat im Verlauf der Jahrhunderte eine ununterbrochene Entwicklung durchgemacht. Neben den traditionellen liturgischen Festen zu Ehren der Mutter des Herrn sind, oft gutgeheißen und ermutigt vom kirchlichen Lehramt, zahllose Ausdrucksformen der Frömmigkeit aufgeblüht. Viele Andachten und Gebete zu Maria sind eine Fortsetzung der Liturgie; sie haben bisweilen dazu beigetragen, ihren Aufbau zu bereichern, wie im Fall des Offiziums zu Ehren der seligen Jungfrau und anderer frommer Dichtungen, die ins Brevier Eingang gefunden haben. Das erste bekannte Mariengebet geht auf das 3. Jahrhundert zurück und beginnt mit den Worten: „Sub tuum praesidium - Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter ...“. Seit dem 14. Jahrhundert ist jedoch das ,Ave Maria“ das gebräuchlichste Mariengebet unter den Christen. Indem es die ersten Worte des Engels an Maria wiederholt, fuhrt es die Gläubigen zur Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung. Das lateinische Wort 154 AUDIENZEN UND ANGEL US „Ave“ gibt den griechischen Ausdruck „Chaire“ wieder, der eine Aufforderung zur Freude darstellt und mit „Freue dich“ übersetzt werden könnte. Der ostkirchliche Hymnus „Akathistos“ betont dieses „Freue dich“ mit großer Eindringlichkeit. Im „Ave Maria“ wird die Jungfrau „voll der Gnade“ genannt, womit der Vollkommenheit und Schönheit ihrer Seele Anerkennung erwiesen wird. Die Wendung „der Herr ist mit dir“ offenbart die besondere persönliche Beziehung zwischen Gott und Maria, die sich in den großen Plan des Bundes Gottes mit der ganzen Menschheit einfügt. Der Satz „Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus“ bekräftigt sodann die Verwirklichung des göttlichen Planes im jungfräulichen Leib der Tochter Zion. „Heilige Maria, Mutter Gottes - flehen die Christen zu der durch außerordentliches Privileg makellosen Mutter des Herrn -, bitte für uns Sünder!“ Ihr vertrauen sie sich an für den gegenwärtigen Augenblick und die Stunde des Todes. 2. Auch das traditionelle Gebet des „Angelus“ lädt ein, das Geheimnis der Menschwerdung zu meditieren. Es fordert die Christen auf, Maria zum Bezugspunkt in den verschiedenen Phasen ihres Tagesablaufes zu machen und sie nachzuahmen in der Bereitschaft, den göttlichen Heilsplan zu verwirklichen. Dieses Gebet läßt uns das große Ereignis der Menschheitsgeschichte, die Menschwerdung, gewissermaßen miterleben, auf die sich jedes „Ave Maria“ immer wieder bezieht. Darin liegt der Wert und die Anziehungskraft des „Angelus“, wie sie viele Male nicht nur von Theologen und Priestern, sondern auch von Dichtem und Malern zum Ausdmck gebracht wurden. In der Marienverehrung hat der Rosenkranz einen bedeutenden Platz eingenommen. Durch die Wiederholung des „Ave Maria“ fuhrt er die Gläubigen zur Betrachtung der Glaubensgeheimnisse. Auch dieses einfache Gebet, das die Liebe des Christenvolkes zur Gottesmutter stärkt, richtet das Gebet zu Maria klar auf sein Ziel hin aus: nämlich die Verherrlichung Christi. Papst Paul VI. schätzte wie seine Vorgänger - speziell Leo XIII., Pius XII. und Johannes XXIII. - die Praxis des Rosenkranzgebetes hoch und wünschte deren Verbreitung in den Familien. Im Apostolischen Schreiben Marialis cultus legte er ferner die diesbezügliche Lehre dar, wobei er unterstrich, daß es sich um ein „biblisches Gebet“ handelt, „in dessen Mitte das Geheimnis der erlösenden Menschwerdung steht“, ein Gebet, das „ganz klar auf Christus hin ausgerichtet“ ist (Nr. 46). Dem Rosenkranz schließt sich in der Volksfrömmigkeit oft das Gebet von Litaneien an. Deren bekannteste ist die im Heiligtum von Loreto gebetete, die deshalb „Lauretanische“ genannt wird. Sie helfen mit ganz einfachen Anrufungen, sich auf die Person Marias zu konzentrieren, um den geistlichen Reichtum zu erfassen, den die Liebe des Vaters über sie ausgegossen hat. 155 AUDIENZEN UND ANGEL US 3. Wie die Liturgie und die christliche Frömmigkeit beweisen, hat die Kirche die Verehrung Marias stets hochgeachtet und als mit dem Glauben an Christus untrennbar verbunden angesehen. Die Marienverehrung hat in der Tat ihre Grundlage im Plan des Vaters, im Willen des Erlösers und im begeisternden Wirken des Parakleten. Die Jungfrau, die von Christus das Heil und die Gnade empfangen hat, ist berufen, eine bedeutende Rolle bei der Erlösung der Menschheit zu spielen. Mit der Marienverehrung erkennen die Christen den Wert der Gegenwart Marias auf dem Weg zum Heil an und wenden sich darum an sie, um Gnaden aller Art zu erhalten. Sie wissen vor allem, daß sie auf ihre mütterliche Fürsprache zählen können, um vom Herrn alles zu erhalten, was für die Entfaltung des göttlichen Lebens und die Erlangung des ewigen Heils notwendig ist. Wie die zahlreichen der Jungfrau zuerkannten Titel und die unablässigen Wallfahrten zu den Marienheiligtümem belegen, drängt das Vertrauen zur Mutter des Herrn die Gläubigen, sie in den täglichen Nöten anzurufen. Sie sind gewiß, daß ihr Mutterherz angesichts materieller oder spiritueller Not ihrer Kinder nicht unberührt bleiben kann. So trägt die Verehrung der Mutter Gottes, indem sie zu Vertrauen und Spontaneität ermutigt, zu einem gelösteren Klima des geistlichen Lebens bei und läßt die Gläubigen voranschreiten auf dem anspruchsvollen Weg der Seligpreisungen. 4. Wir wollen schließlich daran erinnern, daß die Marienverehrung durch die Betonung der menschlichen Dimension der Menschwerdung das Antlitz eines Gottes besser entdecken läßt, der die Freuden und Leiden der Menschheit teilt. Das ist der „Gott mit uns“, den Maria in ihrem allerreinsten Schoß als Menschen empfangen hat, den sie geboren, umsorgt und mit unsäglicher Liebe begleitet hat seit den Tagen in Nazaret und Betlehem bis hin zu jenen des Kreuzes und der Auferstehung. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken zur Marienverehrung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Unter Euch heiße ich die Pilgergruppe aus Peuer-bach anläßlich ihres 25jährigen Romfahrtjubiläums willkommen sowie die Gruppe der Mesner aus der Region Kempten im Allgäu. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Bernhard Lichtenberg - Märtyrer unseres Jahrhunderts Grußworte in tschechischer Sprache: [...] Der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg hat während des zweiten Weltkriegs die Gläubigen öffentlich aufgefordert, für die verfolgten Juden und die 156 AUDIENZEN UND ANGELUS Häftlinge in den Konzentrationslagern zu beten. Er wurde inhaftiert und verurteilt [Dachau]; er starb am 5. November 1943. Letztes Jahr hatte ich die Freude, ihn seligzusprechen. Mit dieser leuchtenden Priestergestalt möchte ich euch alle Priester und Laien eurer Heimat in Erinnerung bringen, die in diesem Jahrhundert für den Glauben an Christus gelitten haben oder gestorben sind. Sie sind euch Vorbilder und Beschützer [...]. Konkrete Vorbilder gelebter Nächstenliebe Angelus nach den Seligsprechungen am 9. November 1. Vor dem Gebet des Angelus möchte ich euch alle von Herzen grüßen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr gekommen seid, um an dieser besonderen Eucharistiefeier teilzunehmen. In der jeweiligen Sprache wandte sich der Papst an verschiedene Gruppen: - Ich grüße zuerst die ungarischen Pilger, die sich heute der Seligsprechung ihres Landsmannes Vilmos Apor erfreuen. Meine Lieben, wißt euch das Vorbild des neuen Seligen zunutze zu machen, um die Werte des christlichen Glaubens in jedes Projekt wahren moralischen und gesellschaftlichen Fortschrittes im Dienst eurer edlen Nation einfließen zu lassen. - Ich grüße sodann die Gläubigen aus der Diözese Como und die Missionare und Missionarinnen der großen scalabrinischen Familie, die heute in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche Gott Dank erweisen für die Seligsprechung von Giovanni Batti-sta Scalabrini, dem „Vater der Migranten“. Möge sein Vorbild alle anspomen, den Migranten und Flüchtlingen, unseren Brüdern und Schwestern, immer mehr Aufmerksamkeit und Solidarität entgegenzubringen. - Nun gilt mein herzlicher Gruß den Bischöfen und Gläubigen aus Mexiko: Die Seligsprechung von „Mutter Vicentita,,, wie ihr sie liebevoll nennt, erfreut heute den Weg der Kirche in Mexiko und auf dem ganzen amerikanischen Kontinent. Ihr Vorbild als Ordens- und Krankenschwester ist Ansporn für die im Gesundheitswesen Tätigen, sich im Hinblick auf das dritte Jahrtausend entsprechend dem Evangelium einzusetzen. ... und kehrte dann zur italienischen Sprache zurück: 2. Am heutigen Sonntag, dem 9. November, feiert die Kirche in Italien den 47. Nationalen Tag des Danksagens (Giomata Nazionale del Ringraziamento), der auf eine Initiative des italienischen Bauernverbandes (Confederazione Nazionale dei Coltivatori Diretti) zurückgeht. Es ist ein passender Anlaß, die Gaben Gottes anzuerkennen und dem Herrn unsere Dankbarkeit zu erweisen. 157 AUDIENZEN UND ANGELUS Am Ende dieses zweiten Jahrtausends wird die Notwendigkeit deutlich, den Blick in die Höhe zum Spender jeder vollkommenen Gabe zu erheben und anzuerkennen, daß alles von seiner vorsehenden und erbarmenden Liebe kommt. Doch wir können Gott nicht danken, ohne uns als Christen tatkräftig dafür einzusetzen, daß sich in allen Gesellschaftsschichten Achtung und Solidarität besonders gegenüber den Wehrlosesten und Bedürftigsten unserer Brüder und Schwestern verbreitet. Das Vorbild der neuen Seligen ist in dieser Hinsicht überaus lehrreich und ermutigend. Das Erntedankfest ist für unsere Gemeinschaften eine große Gelegenheit, über eine erneuerte Verkündigung des „sozialen Evangeliums“ der Kirche und über eine umfassende Aufwertung der Arbeit und jedes menschlichen Mühens zum Dienst am Plan Gottes, des Schöpfers und Erlösers, nachzudenken. 3. Durch die drei neuen Seligen wollen wir diese unsere Anliegen Maria anvertrauen. Die Jungfrau, Mutter der Kirche und Königin aller Heiligen, wolle uns unter ihren Mantel nehmen und auf unserem Lebensweg und in unserem christlichem Zeugnis geleiten. Mutter der Einheit und der Hoffnung Ansprache bei der Generalaudienz am 12. November 1. Nachdem das II. Vatikanische Konzil die Beziehungen zwischen Maria und der Kirche beleuchtet hat, stellt es mit Freude fest, daß die Jungfrau auch von Christen verehrt wird, die nicht der katholischen Gemeinschaft angehören: „Dieser Heiligen Synode bereitet es große Freude und Trost, daß auch unter den getrennten Brüdern solche nicht fehlen, die der Mutter des Herrn und Erlösers die gebührende Ehre erweisen“ (Lumen Gentium, Nr. 69, vgl. Redemptoris Mater, Nm. 29-34). Mit Recht können wir sagen, daß die universale Mutterschaft Marias, auch wenn sie die Spaltungen unter den Christen noch schmerzlicher in Erscheinung treten läßt, ein großes Zeichen der Hoffnung für den ökumenischen Weg ist. Viele protestantische Gemeinschaften haben sich aufgrund eines besonderen Verständnisses der Gnade und der Ekklesiologie der Marienlehre und Marienverehrung widersetzt, da sie das Mitwirken Marias am Heilswerk als beeinträchtigend für die einzige Mittlerschaft Christi ansahen. In dieser Perspektive würde die Verehrung der Mutter gewissermaßen in Konkurrenz zu der dem Sohn gebührenden Ehre treten. 2. In jüngerer Zeit hat jedoch die Vertiefung des Gedankens der ersten Reformatoren offenere Positionen gegenüber der katholischen Lehre deutlich werden lassen. Die Schriften Luthers zum Beispiel lassen Liebe und Verehrung für Maria erkennen, die als Vorbild aller Tugend gepriesen wird. Luther betont die erhabene Heiligkeit der Gottesmutter und bekennt an manchen Stellen das Privileg der Unbe- 158 AUDIENZEN UND ANGEL US fleckten Empfängnis. Auch teilt er mit anderen Reformatoren den Glauben an die immerwährende Jungfräulichkeit Marias. Das Studium des Denkens von Luther und Calvin wie auch die Analyse bestimmter Texte evangelischer Christen haben dazu beigetragen, eine erneute Aufmerksamkeit gewisser Protestanten und Anglikaner für verschiedene Themen der mariologischen Lehre zu schaffen. Einige sind sogar zur katholischen Auffassung sehr nahen Positionen gelangt, was die grundlegenden Punkte der Lehre über Maria betrifft wie Gottesmutterschaft, Jungfräulichkeit, Heiligkeit und geistliche Mutterschaft. Das Bemühen, den Wert der Gegenwart der Frau in der Kirche hervorzuheben, fordert die Anstrengungen, die Rolle Marias in der Heilsgeschichte anzuerkennen. Alle diese Daten bilden Gründe zur Hoffnung für den ökumenischen Weg. Der tiefe Wunsch der Katholiken wäre es, mit allen Brüdern und Schwestern in Christus die Freude teilen zu können, die aus der Gegenwart Marias im Leben nach dem Geist kommt. 3. Das Konzil erwähnt unter den Brüdern, die „der Mutter des Herrn und Erlösers die gebührende Ehre erweisen“, besonders die Orientalen, „die sich zur Verehrung der allzeit jungfräulichen Gottesmutter mit glühendem Eifer und andächtiger Gesinnung vereinen“ (Lumen Gentium, Nr. 69). Wie aus den zahlreichen Bekundungen der Verehrung hervorgeht, stellt die Verehrung für Maria ein bedeutsames Element der Gemeinschaft zwischen Katholiken und Orthodoxen dar. Es bleiben dennoch einige Meinungsverschiedenheiten über die Dogmen von der Unbefleckten Empfängnis und von der Aufnahme in den Himmel bestehen, wenngleich diese Wahrheiten anfänglich gerade von einigen orientalischen Theologen dargelegt worden waren. Man denke nur an große Schriftsteller wie Gregorios Palamas (f 1359), Nikolaos Kabasilas (t nach 1363), Georgios Scholarios (f nach 1472). Diese wohl eher in der Formulierung als im Inhalt liegenden Unstimmigkeiten dürfen allerdings nicht den gemeinsamen Glauben an die Gottesmutterschaft Marias, ihre immerwährende Jungfräulichkeit, ihre vollkommene Heiligkeit, ihre mütterliche Fürsprache beim Sohn vergessen lassen. Wie das II. Vatikanische Konzil feststellt, vereinen der „glühende Eifer“ und die „andächtige Gesinnung“ Orthodoxe und Katholiken in der Verehrung der Mutter Gottes. 4. Am Schluß von Lumen Gentium lädt das Konzil dazu ein, Maria die Einheit der Christen anzuvertrauen:,,Alle Christgläubigen mögen inständig zur Mutter Gottes und Mutter der Menschen flehen, daß sie, die den Anfängen der Kirche mit ihren Gebeten zur Seite stand, auch jetzt, im Himmel über alle Seligen und Engel erhöht, in Gemeinschaft mit allen Heiligen bei ihrem Sohn Fürbitte einlege“ (Nr. 69). 159 AUDIENZEN UND ANGEL US Wie die Gegenwart Marias in der ersten Gemeinde die im Gebet gefestigte und zum Ausdruck gebrachte Eintracht der Herzen förderte (vgl. Apg 1,14), so wird die innigere Gemeinschaft mit der „Mutter der Einheit“, wie Augustinus sie nennt (,Sermo 192,2; PL 38,1013), die Christen dazu bringen, das so sehr ersehnte Geschenk der ökumenischen Einheit genießen zu können. An die heilige Jungfrau richten wir unablässig unser Gebet: Sie, die zu Anfang den Weg der im Gebet und der Verkündigung des Evangeliums geeinten Christengemeinde unterstützte, möge heute mit ihrer Fürsprache die Aussöhnung und volle Gemeinschaft unter den an Christus Glaubenden erlangen. Als Mutter der Menschen kennt Maria die Bedürfnisse und Wünsche der Menschheit genau. Ihre besondere Fürsprache erbittet das Konzil, damit „alle Völkerfamilien, mögen sie den christlichen Ehrennamen tragen oder ihren Erlöser noch nicht kennen, in Friede und Eintracht glückselig zum einen Gottesvolk versammelt werden zur Ehre der heiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit“ (Lumen Gentium, Nr. 69). Friede, Eintracht und Einheit, die Hoffnung der Kirche und der Menschheit, scheinen noch weit entfernt. Es handelt sich jedoch um Gaben des Geistes, um die wir ohne Unterlaß bitten sollen, indem wir Maria zum Vorbild nehmen und auf ihre Fürsprache vertrauen. 5. Mit dieser Bitte teilen die Christen die Erwartung der von der Tugend der Hoffnung Erfüllten, die die Kirche auf dem Weg in die Zukunft Gottes unterstützt. Nachdem sie persönlich die Glückseligkeit derer, „die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45) erreicht hat, begleitet die Jungfrau die Gläubigen - und die Kirche als Ganzes -, damit sie unter den Freuden und Bedrängnissen dieses Lebens in der Welt die wahren Propheten der Hoffnung seien, die nicht enttäuscht. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, die zu dieser Audienz gekommen sind. Besonders grüße ich die Ritter vom Heiligen Grab der Komturei Bozen und die Mitarbeiter des Rupertus-blattes aus Salzburg. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen! 160 AUDIENZEN UND ANGELUS Zwischen Menschen und Nationen die Mauern der Trennung niederreißen Angelus am 16. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Soeben ist in der Petersbasilika die große konzelebrierte Eucharistiefeier zur Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika zu Ende gegangen: Etwas mehr als fünfhundert Jahre seit dem Beginn der Evangelisierung der „Neuen Welt“ findet die erste gesamtamerikanische Synode der Geschichte statt. Die zu diesem Anlaß nach Rom gekommenen Synodenväter werden die Aufgabe haben, die vielgestaltige amerikanische Realität gründlich zu beleuchten. Denn die Kirche will sich, ausgehend von der Erfahrung aus fünf Jahrhunderten der Evangelisierung, bereit machen, um den großen Herausforderungen des dritten Jahrtausends entgegentreten zu können. Ziel ist es, die Botschaft des Evangeliums immer mehr zu verbreiten, damit Christus von allen gekannt und als der wahre Erlöser des Menschen aufgenommen wird. Gerade auf Christus ist unsere Aufmerksamkeit in diesem ersten Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 konzentriert gewesen. Er ist es, der die Mauern der Trennung zwischen Mensch und Mensch, zwischen Nation und Nation niederreißt. Die Christen sind, auch wenn sie ihr Vaterland lieben und ehren, Männer und Frauen „ohne Grenzen“, denn die kirchliche Gemeinschaft kennt keine Grenzen der Rasse, Sprache und Kultur. 2. Ein eindringlicher Aufruf, über diese Wirklichkeit nachzudenken, ergeht heute von der Kirche in Italien an uns. Sie begeht den jährlichen „Nationalen Tag der Migration“, der unter dem Thema „Mit Christus für eine Welt ohne Grenzen“ steht. In diesem Jahr, das auch das europäische Jahr gegen den Rassismus ist, ist der Einsatz von allen auf eine versöhnte Menschheit ausgerichtet, die die Unterschiede achtet und offen ist für gegenseitiges Kennenlemen. Ich spreche den vielen Initiativen der Solidarität mit Migranten und Flüchtlingen, von denen sich leider viele in einer schwierigen, von Unsicherheit geprägten Lage befinden, meine Wertschätzung und Ermutigung aus. Ich vertraue die Anliegen dieses Tages der Fürsprache von Bischof Giovanni Battista Scalabrini an, dem „Vater der Migranten“, den ich gerade am letzten Sonntag seliggesprochen habe. 3. Maria, die Mutter der Menschheit, möge durch ihre Fürbitte die Vorsätze konkreten Einsatzes bekräftigen, die anläßlich des heutigen „Tages der Migration“ wie auch auf der Bischofssynode für Amerika gefaßt werden. Meine Gedanken gelten besonders dem amerikanischen Kontinent, der überreich geschmückt ist mit Heiligtümern, in denen das Gottesvolk die heilige Jungfrau verehrt. Die himmlische Königin Amerikas wolle eine reichliche Ausgießung des Heiligen Geistes erwirken: Er möge das Unterscheidungsvermögen erleuchten und die Arbeiten und Pastoralen Beschlüsse der Synode leiten. 161 AUDIENZEN UND ANGELUS Klausurschwestem bedürfen unserer Solidarität Am kommenden Freitag, Gedenktag U. Lb. Frau in Jerusalem, findet der jährliche Tag „Pro Orantibus“ statt, d. h. für die Klausurschwestem, die sich im Schweigen und in der Einkehr in spezieller Weise dem Gebet widmen. Ich lade alle zu einem besonderen Gedenken dieser unserer Schwestern ein, die -wie die hl. Therese von Lisieux schrieb - ein Leben im „Fierzen“ der Kirche gewählt haben und der geistlichen wie materiellen Solidarität bedürfen. Warnung vor neuem Konflikt im Irak Das Los unserer Brüder und Schwestern in der Golffegion bietet Anlaß zu neuerlicher, ernster Besorgnis. In diesem Augenblick äußerster Spannung, wo die Möglichkeit eines neuen bewaffneten Konflikts im Irak nicht ausgeschlossen scheint, möchte ich meine Stimme betrübt zu dem Aufruf erheben, den Weg des Dialogs und der Diplomatie zur Auffechterhaltung und Festigung der Achtung vor der Gerechtigkeit und dem internationalem Recht nicht zu verlassen. Ich denke besonders an die Zivilbevölkerung, speziell die Kinder und Kranken, die gegen ihren Willen in eine Spirale der Gewalt hineingerissen würden, die ihre ohnehin schwierige Situation noch tragischer werden ließe. Flehen wir zum Herrn, daß er Verstand und Herz der für das Geschick der Völker Verantwortlichen erleuchte, damit sie verstehen, daß der Friede das einzige geeignete Mittel ist, Gerechtigkeit zu garantieren. Neuer Katechesezyklus: Das Große Jubiläum des Jahres 2000 Ansprache bei der Generalaudienz am 19. November 1. Das Jahr 2000 ist nunmehr sehr nahe gerückt. Ich halte es daher für angebracht, die Mittwochskatechesen auf Themen auszurichten, die uns unmittelbarer helfen können, den Sinn des Jubiläums zu verstehen, um es in Tiefe zu leben. Mit dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich alle Mitglieder der Kirche aufgefordert, „ihr Herz den Eingebungen des Geistes zu öffnen“, damit sie bereit werden, „das große Jubiläumsereignis mit erneuertem Glauben und offenherziger Beteiligung zu feiern“ (Nr. 59). Diese Aufforderung wird immer dringlicher in dem Maß, als das historische Datum näherrückt. Es handelt sich in der Tat um ein Ereignis, das eine Trennungslinie ist zwischen den beiden abgelaufenen Jahrtausenden und der neuen Phase, die sich für die Zukunft der Kirche und der Menschheit öffnet. 162 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf sie muß man sich im Licht des Glaubens vorbereiten. Denn für die Glaubenden ist der Übergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend nicht einfach ein Zeitabschnitt im unaufhaltsamen Strom der Zeit, sondern eine wichtige Gelegenheit, um sich den göttlichen Plan besser zu Bewußtsein zu bringen, der sich in der Geschichte der Menschheit entfaltet. 2. Der neue Katechesezyklus will gerade dem dienen. Seit langer Zeit verfolgen wir ein systematisches Programm von Reflexionen über das Credo. Unser letztes Thema war Maria im Geheimnis Christi und der Kirche. Davor hatten wir über die Offenbarung, die Dreifaltigkeit, Christus und sein Heilswerk sowie den Heiligen Geist und die Kirche nachgedacht. Das Glaubensbekenntnis würde uns an diesem Punkt einladen, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben zu betrachten: Themen, die die Zukunft des Menschen und der Geschichte betreffen. Gerade diese eschatologische Thematik trifft sich jedoch auf natürliche Weise mit dem von Tertio millennio adveniente vorgelegten Weg der Vorbereitung auf das Jubiläum in trinitärem Schlüssel. Dabei ist für das laufende Jahr eine besondere Aufmerksamkeit auf Christus vorgesehen, um dann zum Jahr des Heiligen Geistes und schließlich zum Jahr des Vaters zu kommen. Im Licht der Dreifaltigkeit erhalten auch die „letzten Dinge“ Sinn, und es wird möglich, den Weg des Menschen und der Geschichte auf das endgültige Ziel hin tiefer zu erfassen: die Rückkehr der Welt zu Gottvater; zu ihm fuhrt Christus, Sohn Gottes und Herr der Geschichte, durch die lebenspendende Gabe des Heiligen Geistes. 3. Dieser weite Horizont der in Bewegung befindlichen Geschichte wirft einige Grundfragen auf: Was ist die Zeit? Welches ist ihr Ursprung? Was ist ihr Ziel? In der Tat: Wenn wir auf die Geburt Christi blicken, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die zweitausend Jahre Geschichte, die uns von diesem Ereignis trennen. Doch geht der Blick auch zu den Jahrtausenden, die ihm vorangegangen sind, und es wird selbstverständlich, bis zum Ursprung des Menschen und der Welt zurückzugreifen. Die heutige Wissenschaft ist damit beschäftigt, Hypothesen über den Beginn und die Entwicklung des Universums zu formulieren. Doch das, was mit Instrumenten und wissenschaftlichen Kriterien erfaßt werden kann, ist nicht alles, und sowohl der Glaube wie die Vernunft verweisen über kontrollier- und meßbare Daten hinaus auf die Perspektive des Mysteriums. Auf diese Perspektive weist schon der erste Satz in der Bibel hin: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Alles ist von Gott erschaffen. Vor der Schöpfung existierte daher nichts außer Gott. Er ist ein transzendenter Gott, der alles mit seiner Allmacht, und von keiner Notwendigkeit veranlaßt, in einem absolut freien und unentgeltlichen Akt einzig aus Liebe erschaffen hat. Er ist der dreifältige Gott, der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. 163 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Als er das All erschuf, hat Gott die Zeit erschaffen. Von ihm kommt der Anfang der Zeit wie auch ihr ganzer weiterer Fortgang. Die Bibel unterstreicht, daß die Lebewesen in jedem Augenblick vom göttlichen Wirken abhängen. „Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (Ps 104,29-30). Die Zeit ist also ein Geschenk Gottes. Fortlaufend von ihm erschaffen, steht sie in seinen Händen. Er leitet ihren Fortgang nach seinen Plänen. Jeder Tag ist für uns ein Geschenk der göttlichen Liebe. Von diesem Gesichtspunkt aus empfangen wir auch das Ereignis des Großen Jubiläums als ein Geschenk der Liebe. 5. Gott ist der Herr der Zeit nicht nur als Schöpfer der Welt, sondern auch als Urheber der neuen Schöpfung in Christus. Er ist eingeschritten, um die durch die Sünde zutiefst geschädigte Befindlichkeit des Menschen zu sanieren und zu erneuern. Auf den Glanz der neuen Schöpfung hat er sein Volk lange vorbereitet, speziell durch das Wort der Propheten: „Schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn. Nein, ihr sollt euch ohne Ende freuen und jubeln über das, was ich erschaffe. Denn ich mache aus Jerusalem Jubel und aus seinen Einwohnern Freude“ {Jes 65,17-18). Die Verheißung hat sich vor zweitausend Jahren mit der Geburt Christi verwirklicht. In diesem Licht bildet das Jubiläumsereignis eine Einladung, die christliche Ära als eine Periode der Erneuerung der Menschheit und des Universums zu feiern. Trotz Schwierigkeiten und Leiden waren es zweitausend Jahre der Gnade. Auch die Jahre, die kommen werden, bleiben in den Händen Gottes. Die Zukunft des Menschen ist vor allem Zukunft Gottes - in dem Sinn, daß er allein sie kennt, sie vorbereitet und verwirklicht. Gewiß, er verlangt und fordert dabei die Mitarbeit des Menschen, doch hört er deshalb nicht auf, der transzendente Regisseur der Geschichte zu sein. Mit dieser Gewißheit bereiten wir uns auf das Jubiläum vor. Gott allein kennt die Zukunft. Wir wissen aber, daß es in jedem Fall eine Zukunft der Gnade sein wird, die Erfüllung eines göttlichen Planes der Liebe für die ganze Menschheit und einen jeden von uns. Wir sind daher, wenn wir in die Zukunft blicken, voller Zuversicht und lassen uns nicht von Furcht ergreifen. Der Weg zum Jubiläum ist ein großer Weg der Hoffnung. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, die zu dieser Audienz gekommen sind. Besonders begrüße ich die Gruppe von Matrosen des Segelschulschiffes „Gorch Fock“, das in diesen Tagen bei Civitavecchia vor Anker liegt. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause 164 AUDIENZEN UND ANGELUS sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbqndenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Enzyklika MEDIATOR Dei von Papst Pius XII. war Magna Charta für die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils Morgen ist der 50. Jahrestag der Promulgation der Enzyklika Mediator Dei meines verehrten Vorgängers, Papst Pius XII. Die Bedeutung dieser lehramtlichen Initiative wird aus der Tatsache klar ersichtlich, daß die aus dem II. Vatikanischen Konzil hervorgegangene Liturgiereform auf eine lange Vorgeschichte zurückblickt, die ihre Magna Charta gerade in dieser Enzyklika fand. 50 Jahre später sind die von Papst Pius XII. gegebenen Leitlinien höchst aktuell, beleuchten sie doch den zentralen Kern der Frage von Entwicklung und Fortschritt der Liturgie und von der Beteiligung der Gläubigen an der Liturgie. Danken wir dem Herrn für dieses Dokument, das auch für unsere Zeit ein wichtiger Bezugspunkt bleibt auf dem Weg der Erneuerung der Liturgie, die das Herz der Kirche ist. Bewußtsein für die Liturgie im Leben der Kirche stärken Angelus am Christkönigssonntag, 23. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am heutigen Sonntag, dem letzten im Kirchenjahr, feiern wir Christus, den König des Alls: Er erscheint als König der Geschichte und der Schöpfung, der Zeit und der Ewigkeit. Mit diesem Sonntag beschließen wir das erste Jahr der dreijährigen, unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000, die thematisch dem Weg „durch Christus - im Geist - zum Vater“ folgt. Während dieses ersten Jahres 1997 haben wir die Aufmerksamkeit auf Jesus Christus, unseren einzigen Retter, gerichtet. Das vor uns liegende zweite Jahr wird besonders dem Heiligen Geist gewidmet sein. Am nächsten Sonntag, dem Ersten Adventssonntag, werde ich die Freude haben, diesen weiteren Abschnitt auf dem Weg zur Heiligen Pforte des dritten Jahrtausends feierlich mit einer hl. Messe in der Petersbasilika zu eröffnen. 2. Am Ende eines Kirchenjahres und Anfang eines neuen sind wir eingeladen, uns die Rolle der Liturgie im Leben der Kirche vermehrt zum Bewußtsein zu bringen. Die Liturgie zeigt den Weg der Kirche durch die Zeit an und stärkt unablässig ihren Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe. In diesem Zusammenhang möchte ich gern daran erinnern, daß fast genau vor fünfzig Jahren, am 20. Novembep 1947, Papst Pius XII. die Enzyklika Mediator Dei veröffentlicht hat - ein wahrer Meilenstein in der Geschichte der katholischen Liturgiereform. 165 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Dokument greift mit bewundernswerter Ausgewogenheit und pastoralem Weitblick die Emeuerungsvorschläge der liturgischen Bewegung auf, Übertriebenes mäßigend; mit theologischem und spirituellem Tiefgang beschreibt es den öffentlichen Kult der Kirche und unterscheidet, was unwandelbar daran ist und was hingegen Entwicklungen und Änderungen unterliegt; es tritt für die aktive, persönliche Teilnahme der Laien ein. Das II. Vatikanische Konzil hat in der Konstitution über die Liturgie und in anderen Dokumenten weitgehend auf die Enzyklika Mediator Dei zurückgegriffen und deren lehrmäßigen und pastoralen Entwurf vervollständigt. Ein Entwurf, der für seine volle Umsetzung verlangt, daß er vom ganzen Gottesvolk immer besser aufgenommen wird. 3. Zusammen mit euch sage ich dem Herrn Dank für diese wichtige Initiative meines verehrten Vorgängers, die noch heute von Bedeutung und aktuell ist. Möge eine echte Erneuerung der Liturgie das Werk der Neuevangelisierung fördern. Dafür erbitten wir die Fürsprache der seligen Gottesgebärerin, die, „durch ein unzerreißbares Band mit dem Heilswerk ihres Sohnes verbunden“ (Sacrosanctum Con-cilium, Nr. 103), den Weg der Kirche durch die Zeit stets begleitet. Ihr vertrauen wir das zu Ende gehende und das bevorstehende Kirchenjahr dankbar an. Ihr Vorbild helfe uns, die vergehenden Tage, Wochen und Jahre in Offenheit und Gehorsam gegenüber dem Wirken der göttlichen Gnade zu leben, um am Ende Anteil zu haben an der ewigen Liturgie des Himmels. Im Anfang war das Wort Ansprache bei der Generalaudienz am 26. November 1. Die Feier des Großen Jubiläums lenkt unseren Blick auf Jesus Christus als Endpunkt der ihm vorausgehenden Zeit und Ausgangspunkt der Zeit, die ihm folgt. Nicht nur für diejenigen, die an ihn glauben, sondern für die gesamte Menschheit hat er eine neue Geschichte eröffnet, denn das von ihm gewirkte Heil ist jedem Menschen angeboten. Seitdem breiten sich die Früchte seiner Erlösungstat auf geheimnisvolle Weise in der ganzen Geschichte aus. Mit Christus hat die Ewigkeit Einzug in die Zeit gehalten. „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1). Mit diesen Worten beginnt Johannes sein Evangelium und läßt uns gleichsam über den Beginn unserer Zeit hinaus in die Ewigkeit Gottes zurückblicken. Anders als Matthäus und Lukas, die sich vor allem mit den Umständen der menschlichen Geburt des Gottessohnes befassen, richtet Johannes sein Interesse auf das Geheimnis dessen göttlicher Vorausexistenz. In diesem Satz bedeutet „im Anfang“ den absoluten Beginn, den Beginn ohne Beginn, eben die Ewigkeit. Der Ausdruck nimmt die Worte aus der Schöpfungsgeschichte auf: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Doch bei der Schöpfung handelte es sich um den Beginn der Zeit, während es hier, wo vom „Wort“ die Rede ist, um die Ewigkeit geht. 166 AUDIENZEN UND ANGELUS Zwischen den beiden Anfängen besteht eine unendliche Distanz: die Distanz zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Gott und den Geschöpfen. 2. Als das „Wort“ besitzt Christus eine ewige Existenz, er hat einen Ursprung, der weit vor seiner Geburt in der Zeit zurückliegt. Der Evangelist Johannes bezieht sich hier auf ein klares Wort Jesu. Als die Juden ihm vorwarfen, daß er sage, Abraham gesehen zu haben, erwiderte er: „Amen, amen ich sage euch: Noch ehe Abraham wurde, bin ich“ (Joh 8,58). Die Worte betonen den Kontrast zwischen dem „Werden“ Abrahams und dem „Sein“ Jesu. Der Ausdruck „genesthai“, der im griechischen Text in bezug auf Abraham gebraucht wird, bedeutet „werden“ oder „ins Dasein treten“: Es ist das geeignete Wort, um die den Geschöpfen eigene Seinsweise zu bezeichnen. Nur Jesus kann dagegen sagen „ich bin“; mit diesem Ausdruck bezeichnet er die ,Tülle des Seins“, die über alles „Werden“ erhaben bleibt. Er gibt also das Bewußtsein zu erkennen, ein ewiges persönliches „Sein“ zu besitzen. 3. Indem Jesus den Ausdruck „ich bin“ auf sich anwendet, macht er sich den Namen Gottes zu eigen, der dem Mose im Exodus offenbart wurde. Jahwe, der Herr, der ihm die Sendung aufgetragen hat, sein Volk von der Knechtschaft in Ägypten zu befreien, sichert ihm Beistand und Nähe zu und enthüllt ihm das Geheimnis seines Namens gleichsam als Pfand seiner Treue: „Ich bin der ,Ich-bin-da“‘ (Ex 3,14). So wird Mose den Israeliten sagen können: „Der ,Ich-bin-da‘ hat mich zu euch gesandt“ (ebd.). Der Name drückt die rettende Gegenwart Gottes für sein Volk, aber auch sein unzugängliches Geheimnis aus. Diesen göttlichen Namen eignet Jesus sich zu. Im Johannesevangelium kommt er mehrmals auf seinen Lippen (vgl. 8,24.28.58; 13,19). Jesus zeigt damit auf ein-drückliche Weise, daß die Ewigkeit in seiner Person nicht nur der Zeit vorausgehend ist, sondern auch in die Zeit hineinreichend. Jesus teilt zwar die Befindlichkeit der Menschen, aber er weiß um sein ewiges Sein, das seinem ganzen Tun einen höheren Wert verleiht. Er selbst hat auf diesen ewigen Wert hingewiesen: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31; parr.). Seine Worte wie auch seine Taten sind von einmaligem, endgültigem Wert; sie sind immer wieder neu an die Adresse der Menschheit gerichtet bis zum Ende der Zeit. 4. Das Werk Jesu hat zwei eng zusammenhängende Aspekte: Es ist eine erlösende Tat, die die Menschheit von der Macht des Bösen befreit, und es ist eine neue Schöpfung, die den Menschen die Teilnahme am göttlichen Leben ermöglicht. Die Befreiung vom Bösen war im alten Bund vorgestaltet, doch nur Christus kann sie ganz verwirklichen. Nur er, der der Sohn ist, hat ewige Macht über die Menschheitsgeschichte: „Wenn euch [...] der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei“ (Joh 8,36). Der Hebräerbrief unterstreicht diese Wahrheit nachdrücklich und zeigt auf, wie das einzige Opfer des Sohnes eine „ewige Erlösung“ für uns bewirkt hat (Hebr 9,12), die den Wert der Opfer des Alten Bundes bei weitem übersteigt. 167 AUDIENZEN UND ANGEL US Die neue Schöpfung kann nur von demjenigen herkommen, der allmächtig ist, denn es wird der menschlichen Existenz göttliches Leben vermittelt. 5. Die Perspektive des ewigen Ursprungs des „Wortes“, die vom Johannesevangelium besonders hervorgehoben wird, läßt uns in die Tiefe des Geheimnisses Christi Vordringen. Gehen wir daher auf das Große Jubiläum zu, indem wir immer fester unseren Glauben an Christus bekennen, der „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ ist. Diese Worte des Glaubensbekenntnisses öffnen uns den Weg zum Geheimnis, sind Einladung, uns ihm zu nähern. Auch unserer Generation gibt Jesus wie vor zweitausend Jahren seinen Jüngern und Zuhörern Zeugnis vom Bewußtsein seiner göttlichen Identität: des Geheimnisses des „Ich-bin-da“. Wegen dieses Geheimnisses ist die Menschheitsgeschichte nicht mehr dem Fall preisgegeben, sondern hat einen Sinn und eine Richtung: Sie wurde gleichsam fruchtbar gemacht von der Ewigkeit her. Für alle klingt das Versprechen tröstlich, das Christus seinen Jüngern gegeben hat: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Grußworte in deutscher Sprache: Liebe deutschsprachige Pilger und Besucher! Ich wünsche Euch allen einen besinnlichen Advent und eine gute Vorbereitung auf das Kommen dessen, der uns erlöst hat. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Feierliche Eröffnung des Jahres des Heiligen Geistes Angelus am Ersten Adventssonntag, 30. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute, am Ersten Adventssonntag, beginnt das zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000. Es ist „in besonderer Weise dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Anwesenheit in der Gemeinschaft der Jünger Christi gewidmet“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 44). Die Gläubigen sind eingeladen, die „Gabe der Gaben“, den Geist Gottes, neu zu entdecken, dessen Funktion in der Kirche vergleichbar ist mit der der Seele im menschlichen Leib (vgl. Lumen Gentium, Nr. 7). Ein besonderes Anliegen für das Gebet und den Einsatz der Gläubigen ist in diesem Jahr die Einheit der Kirche, „nach der die wahren Gaben und Charismen streben, die der Geist in ihr geweckt hat“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 47). Möge Gott die Einheit aller Christen bald voranbringen, damit wir die Schwelle des Jahres 2000 „wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zu- 168 AUDIENZEN UNDANGELUS versieht“ überschreiten können, „der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein “ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Am Fest des Apostels Andreas, Bruder des Petrus, richten wir dieses Gebet an den Geist des Herrn, indem wir uns geistlich mit unseren Brüdern der Kirche von Kon-stantinopel verbinden. 2. Heute morgen hatte ich in der Vatikanbasilika während der Eröffnung des „Jahres des Heiligen Geistes“ die Freude, den zahlreichen Missionaren und Missiona-rinnen Roms, die die Stadtmission durchfuhren werden, ihr Kreuz zu überreichen. Sie werden die Familien aufsuchen, das Evangelium in „Zentren des Zuhörens“ vortragen und die Jugendlichen zu besonderen Dialog- und Glaubenstreffen einla-den, damit die gesamte Diözesangemeinschaft sich in geeigneter Weise vorbereiten kann, das einzigartige „Jahr der Gnade“, das Große Jubeljahr 2000, zu leben. Ich grüße noch einmal alle Missionare und Missionarinnen und versichere sie meines Gebets für das Apostolat, das sie unter der Führung des Kardinalvikars und der Weihbischöfe unternehmen werden. Ich erinnere sodann daran, daß die Diözese Rom an diesem Ersten Adventssonntag einen Zeitabschnitt der Sensibilisierung und der Sammlung konkreter Hilfe finden Bau neuer Kirchen beginnt. Die Römer rufe ich auf, dieses Projekt mit dem Namen „Fünfzig Kirchen für Rom 2000“ zu unterstützen, damit jene 350 000 Gläubigen, die noch immer keine Stätte für den Gottesdienst haben, sie so bald wie möglich verwirklicht sehen. Auch der Pfarreibau trägt zur Verwirklichung der Stadtmission bei: Räume für die Verkündigung des Gotteswortes und die Feier der Sakramente zu haben ist in der Tat unentbehrlich für das Leben der Kirche. Ein solcher Ort wird auch zu einer Stätte der Begegnung, der den Nachfragen der Bürger entgegenkommt in einer Zeit, wo menschliche und gesellschaftliche Kontakte sich oft schwierig gestalten. Der Herr gewähre diesem Projekt der Diözese Rom seine Hilfe und seinen Segen. 3. Richten wir nun unseren Blick auf Maria, die „Frau, die der Stimme des Geistes gehorsam ist“, die „Frau der Hoffnung“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 48). Gestern haben wir die Novene des Hochfestes der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter begonnen: Ihr wollen wir den Weg der Einheit der Christen, die Stadtmission Roms und das neue Kirchenjahr anvertrauen. Appell für entführten Bischof in Kolumbien In spanisch sagte der Papst: Mit Sorge habe ich die Nachrichten von der Entführung des Bischofs der Prälatur Tibü, Msgr. Jose de Jesus Quintero Dfaz, eines Mannes der Kirche und Förderers des Friedens, verfolgt. Diesem Bruder im Bischofsamt und den anderen entführten Personen bin ich in diesen schwierigen Augenblicken nahe und begleite sie mit meiner Zuneigung und mit meinem Gebet. 169 AUDIENZEN UND ANGELUS Indem ich mein Bedauern über diese Tat zum Ausdruck bringe, bitte ich die Entführer, daß sie diesem Hirten der Kirche die Freiheit zurückgeben, damit er sein Amt im Dienst am Volk Gottes weiter ausüben kann. Auch wünsche ich inständig, daß den Qualen der Entführungen, die dem Zusammenleben in Kolumbien Schaden zufügen, ein Ende gesetzt werde, damit dieses geliebte Land zu Wegen der Eintracht und des sozialen Friedens findet. Christus in der Geschichte vor seiner Ankunft Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Dezember 1. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (vgl. Joh 1,14). Mit diesen einfachen und klaren Worten drückt der Evangelist Johannes das Ereignis der Menschwerdung aus. Auch an einer anderen Textstelle kurz davor spricht Johannes vom „Wort“, wobei er den Blick auf dessen ewige Existenz richtet. Er beschreibt diese mit dem bekannten Satz: „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1). In dieser johannäischen Perspektive, die die Ewigkeit mit der Zeit verbindet, wird auf geheimnisvolle Weise der Weg Christi auch in der ihm vorausgegangenen Geschichte angedeutet. Lange vor seiner Menschwerdung begann die Ankündigung seiner Gegenwart in unserer Welt. Das „Wort“ war in gewisser Weise von Anfang an in der Geschichte der Menschheit zugegen. Durch den Heiligen Geist hat es sein Kommen als Erlöser vorbereitet und die Herzen im Verborgenen darauf gerichtet, Erwartung in der Hoffnung zu hegen. Spuren einer Hoffnung auf Befreiung finden sich in den verschiedenen Kulturen und religiösen Traditionen. 2. Doch Christus ist in besonderer Weise in der Geschichte des Volkes Israel, des Bundesvolkes, gegenwärtig. Diese Geschichte ist durch die Erwartung des Messias, des Inbegriffs des Königs, von Gott geweiht, gekennzeichnet, der die Verheißungen des Herrn vollends erfüllen wird. In dem Maß als diese Haltung sich ausprägte, offenbarte Christus immer deutlicher sein Antlitz als der verheißene und erwartete Messias, wobei auch Hinweise auf bitteres Leiden, verbunden mit einem gewaltsamen Tod, erkennbar wurden (vgl. Jes 53,8). In der Tat brachte das geschichtliche Eintreffen der Weissagungen mit dem Skandal des Kreuzes ein gewisses Messiasbild in die Krise: Bei einem Teil des jüdischen Volkes hatte sich nämlich die Erwartung eines eher politischen Befreiers, der nationale Unabhängigkeit und materiellen Wohlstand bringen würde, festgesetzt. 3. Während seines Erdendaseins gibt Jesus deutlich das Bewußtsein zu erkennen, Bezugspunkt für die Geschichte seines Volkes zu sein. Denen, die ihm vorwarfen, daß er sich für größer halte als Abraham, weil er für alle, die sein Wort befolgen würden, die Überwindung des Todes versprochen hatte (vgl. Joh 8,51), entgegnete er: „Euer Vater Abraham jubelte, weil er meinen Tag sehen sollte. Er sah ihn und 170 AUDIENZEN UND ANGEL US freute sich“ (Joh 8,56). Abraham war also innerlich ausgerichtet auf das Kommen Christi. Die Freude Abrahams über die Geburt Isaaks und dessen „Wiedergeburt“ nach dem Opfer war nach göttlichem Plan eine messianische Freude: Sie bezog sich vorausgreifend und vorausdeutend auf die endgültige Freude, die der Retter bringen würde. 4. Weitere herausragende Gestalten des jüdischen Volkes erscheinen im Licht Christi in ihrem vollen Wert. So ist es bei Jakob der Fall, wie wir im Bericht des Evangeliums über die Begegnung Jesu mit der Samariterin lesen können. Der Brunnen, den der Urvater seinen Söhnen hinterlassen hatte, wird in den Worten Christi zum Vorzeichen des Wassers, das er zu trinken gibt: des Wassers des Heiligen Geistes, des sprudelnden Wassers für das ewige Leben (vgl. Joh 4,14). Auch Mose kündigt einige Grundzüge der Sendung Christi an. Als Befreier des Volkes von der Knechtschaft in Ägypten weist er zeichenhaft auf den wahren Auszug des Neuen Bundes hin, der sich im Ostermysterium vollzieht. Als Gesetzgeber des Alten Bundes stellt er Jesus vorausdeutend dar, der die Seligpreisungen des Evangeliums verkündet und die Glaubenden durch das innere Gesetz des Geistes leitet. Auch das Manna, das Mose dem hungernden Volk zur Speise gibt, ist ein erstes Zeichen des endgültigen Geschenkes Gottes. „Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben“ (Joh 6,32-33). Die Eucharistie verwirklicht die in der Gabe des Manna verborgene Bedeutung. Christus tritt somit als die wahre und vollkommene Erfüllung dessen auf, was in Zeichen im Alten Bund vorangekündigt worden war. Eine weitere Geste des Mose ist von prophetischem Wert: Um den Durst des Volkes in der Wüste zu stillen, läßt er Wasser aus dem Felsen springen. Beim Laubhüttenfest verspricht Jesus, daß er den geistlichen Durst der Menschheit stillen wird: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen“ {Joh 7,37-38). Die reichliche Ausgießung des Heiligen Geistes, wie sie von Jesus durch das Bild der Ströme lebendigen Wassers angekündigt wird, ist vorgebildet in dem von Mose gegebenen Wasser. Auch Paulus, der sich auf dieses messianische Ereignis bezieht, unterstreicht dessen geheimnisvollen Bezug auf Christus: „[...] alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem lebenspendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus“ (7 Kor 10,4). Neben Abraham, Jakob und Mose weist auch David auf Christus hin. Er weiß, daß der Messias einer seiner Nachkommen sein wird, und beschreibt dessen Idealbild. Christus verwirklicht dieses Bild auf transzendenter Ebene und weist darauf hin, daß David selbst in geheimnisvoller Weise auf seine Autorität anspielt, indem er im Psalm 110 den Messias seinen „Herrn“ nennt (vgl. Mt 22,45; parr.). 171 AUDIENZEN UND ANGELUS Aus der Geschichte des Alten Testamentes treten einige Charakterzüge des Bildes von Jesus hervor, eines Bildes, das in gewisser Weise von den Gesichtszügen der Persönlichkeiten, die als seine Vor-Gestalten gelten, „übernommen“ ist. 5. Außer in voraus weisenden Gestalten und Gesten ist Christus in den prophetischen Texten des Alten Testamentes gegenwärtig, die sein Kommen und sein Heilswerk beschreiben. Besonders wird er in der Erscheinungsform des geheimnisvollen „Nachwuchses“ angekündigt, von dem die Genesis in der Erzählung von der Ursünde spricht, wobei sein Sieg im Kampf gegen den Feind der Menschheit unterstrichen wird. Dem auf den Weg des Bösen geratenen Menschen verheißt die Weissagung Gottes das Kommen eines anderen Menschen, Nachwuchs der Frau; er wird der Schlange den Kopf zertreten (vgl. Gen 3,15). Die prophetischen Lieder vom Gottesknecht (Jes 42,1-4; 49,1-6; 50,4-9; 52,13-53,12) stellen uns einen Befreier vor, der in seiner sittlichen Vollkommenheit das Bild von Christus zu enthüllen beginnt. Es ist das Antlitz eines Mannes, der die messianische Würde in der niedrigen Lage des Knechtes zu erkennen gibt. Er gibt sich selbst zum Opfer, um die Menschheit von der Knechtschaft der Sünde zu befreien. Er verhält sich auf vorbildliche Weise in körperlichem und vor allem geistlichem Leiden und läßt großmütig Unrecht über sich ergehen. Als Frucht seines Opfers erhält er ein neues Leben und erlangt das universale Heil. Seine erlesene Führung finden wir in Christus wieder, dem menschgewordenen Gottessohn, dessen Erniedrigung im Geheimnis des Kreuzes einen unübertreffba-ren Höhepunkt erreicht. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt dem Männergesangverein Eintracht aus Ingenheim und der Pilgergruppe aus Lonsee. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. 172 AUDIENZEN UND ANGELUS Den Weg des Herrn bereiten - die Welt menschlicher gestalten Angelus am Zweiten Adventssonntag, 7. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute feiern wir den Zweiten Adventssonntag - einen geeigneten Zeitpunkt, um durch Einlassen auf das Wort Gottes unser Herz und unseren Verstand tiefer zu erleuchten, damit der Heilige Geist uns bereit mache, den kommenden Herrn würdig zu empfangen. In der heutigen Liturgie steht die Gestalt Johannes’ des Täufers im Vordergrund, des Propheten, der gesandt war, dem Messias den Weg zu bereiten. Seine Stimme ruft „in der Wüste“, in die er hinausgezogen ist. Dort „erging“ - wie der Evangelist Lukas schreibt — „das Wort Gottes“ an ihn (Lk 3,2) und machte ihn zum Vorboten des Gottesreiches. Wie sollten nicht auch wir seinen starken Aufruf zur Umkehr, zur Einkehr und zu einem einfachen Lebensstil in uns aufnehmen - in einer Zeit wie der unseren, die zunehmend der Zerstreuung und Zersplitterung, dem Kult des äußeren Scheins ausgesetzt ist? Die „Wüste“ weckt auf den ersten Blick Gefühle der Einsamkeit, des Verlassenseins, der Angst; die „Wüste“ ist aber auch der geeignete Ort für die Begegnung mit Gott. 2. Von Geschlecht zu Geschlecht ertönt der Ruf Johannes’ des Täufers: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden " (Lk 3,4-5). Wie dringend nötig und aktuell ist dieser Aufruf sowohl in persönlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht! Gott will kommen und bei den Menschen aller Orte und aller Zeiten wohnen; er ruft sie zur Mitarbeit mit ihm im Heilswerk. Aber wie? Die heutige Liturgie gibt uns darauf Antwort: Wir sollen die durch Ungerechtigkeit versperrten „Straßen ebnen“; wir sollen „die Schluchten auffüllen“, wo es an Güte, Barmherzigkeit, Achtung und Verständnis mangelt; wir sollen dafür sorgen, daß sich die „Berge und Hügel senken“, die Hochmut, Schranken und Gewalt aufgerichtet haben; alles Unebene, wodurch die Menschen gehindert sind, ein freies und würdiges Leben zu führen, soll „zum ebenen Weg werden“. Allein so machen wir uns bereit, wirklich Weihnachten zu feiern. 3. Am Vorabend des Hochfestes der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter richten wir unseren Blick auf Maria, die demütige Magd des Herrn, die zum Wirken des Heiligen Geistes ihre Mitarbeit beigetragen hat. Derselbe Geist, der ihr unbeflecktes Herz mit dem Feuer des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe erfüllt hat, erneuere unser Gewissen, damit wir uns auftna-chen, die Wege der Gerechtigkeit und des Guten zu ebnen, um den Immanuel, den „Gott ist mit uns“, zu empfangen. 173 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria als Vorbild - mit der Ankunft des Herrn ist die Zukunft gesichert Angelus am Fest der Unbefleckten Empfängnis, 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute feiert die Kirche die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria - ein Fest, mit dem das Christenvolk besonders verbunden ist. Es findet zu Beginn des Kirchenjahres, in der Adventszeit statt und erleuchtet so den Weg der Kirche zum Geburtsfest des Herrn. Dem heutigen Hochfest liegt das biblische Bild der Verkündigung zu Grunde, bei der wir den geheimnisvollen Gruß des Engels vernehmen: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28). „Voll der Gnade“! Das ist Maria, wie Gott sie in seinem unergründlichen Ratschluß von Ewigkeit her gedacht und gewollt hat: ein Geschöpf, ganz von der göttlichen Liebe erfüllt, alles Güte, alles Schönheit, alles Heiligkeit. 2. „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz“ (1 Sam 16,7). Das Herz Marias ist ganz auf die Erfüllung des göttlichen Willens ausgerichtet. Deshalb ist die Jungfrau das Urbild der christlichen Hoffnung und Erwartung. Wenn wir die biblische Szene der Verkündigung betrachten, verstehen wir, daß die göttliche Botschaft Maria nicht unvorbereitet trifft. Im Gegenteil, in wachsamer Erwartung ist sie in tiefes Schweigen versenkt. So kann sie die Verheißung der Propheten Israels vernehmen, besonders die berühmte messianische Weissagung des Jesaja: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ (Jes 7,14). In ihrem Herzen ist keine Spur von Eigensucht: Nichts wünscht sie für sich, sondern allein die Ehre Gottes und das Heil der Menschen. Das Vorrecht, von der Erbsünde bewahrt zu sein, ist ihr nicht Anlaß zum Selbstruhm, sondern vielmehr zum vollkommenen Dienst an der Erlösungssendung des Sohnes. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Die Menschheit unserer Zeit, die sich anschickt, ins dritte Jahrtausend einzutreten, findet in der Unbefleckten das Vorbild der Erwartung und die Mutter des Heils. Maria lehrt uns, dem Fatalismus und untätiger Schicksalsergebenheit sowie jeder Versuchung eines Chiliasmus zu entgehen. Sie lehrt uns, in die Zukunft zu blicken in dem Bewußtsein, daß Gott auf uns zukommt; wir sind gerufen, uns in Gebet und wachender Erwartung auf diese Begegnung vorzubereiten. Indem wir auf sie schauen, die weise Jungfrau, lernen wir, bereit zu sein, um vor Christus hintreten zu können bei seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. Maria helfe uns, dem Herrn entgegenzugehen in lebendigem Glauben, freudiger Hoffnung und tätiger Liebe. 174 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Menschwerdung - Eintritt der Ewigkeit in die Zeit Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Dezember 1. Das Große Jubiläum lädt uns ein, der 2000 Jahre des Christentums zu gedenken; somit lenkt es unseren Blick zurück auf das Ereignis, das die christliche Zeitrechnung eingeleitet hat: die Geburt Jesu. Von diesem außergewöhnlichen Ereignis gibt das Lukasevangelium in einfachen und ergreifenden Worten Bericht: Maria „gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7). Die Geburt Jesu macht das Geheimnis der Menschwerdung sichtbar, das sich schon im Augenblick der Verkündigung im Schoß der Jungfrau vollzogen hatte. Es wird das Kind geboren, das sie, gehorsames und mitverantwortliches Werkzeug im göttlichen Plan, durch das Wirken des Heiligen Geist empfangen hat. Aufgrund der Menschennatur, die er im Schoß Marias angenommen hat, beginnt der ewige Sohn Gottes als Kind zu leben und „wächst heran, und seine Weisheit nimmt zu, und er findet Gefallen bei Gott und den Menschen“ (vgl. Lk 2,52). Er zeigt sich also als wahrer Mensch. 2. Diese Wahrheit wird von Johannes im Prolog zu seinem Evangelium herausgestellt, wo es heißt: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Wenn der Evangelist „Fleisch geworden“ sagt, will er damit auf die Menschennatur anspielen - jedoch nicht nur in ihrer sterblichen Befindlichkeit, sondern in ihrer Ganzheit. Alles, was menschlich ist, außer der Sünde, hat der Gottessohn angenommen. Die Menschwerdung ist Frucht einer unermeßlichen Liebe, die Gott dazu getrieben hat, unser menschliches Los in allem teilen zu wollen. Die Menschwerdung des Wortes Gottes hat eine grundlegende Änderung in der Befindlichkeit der Zeit selbst bewirkt. Wir können sagen, daß in Christus die menschliche Zeit sich mit Ewigkeit gefüllt hat. Diese Umwandlung betrifft das Geschick der ganzen Menschheit, denn „der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Er ist gekommen, um allen die Teilhabe an seinem göttlichen Leben anzubieten. Das Geschenk dieses Lebens bringt eine Anteilnahme an seiner Ewigkeit mit sich. Jesus hat dies besonders hinsichtlich der Eucharistie gesagt: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben“ {Joh 6,54). Die Wirkung des eucharistischen Mahles ist es, dieses Leben schon von jetzt an zu besitzen. An anderer Stelle hat Jesus dieselbe Perspektive durch das Symbol lebendigen Wassers aufgezeigt, das den Durst zu löschen vermag, das lebendige Wasser seines Geistes, das für das ewige Leben gegeben wird (vgl. Joh 4,14). Das Leben der Gnade enthüllt so eine Dimension von Ewigkeit, die das Erdendasein erhebt und in einer Linie wirklicher Kontinuität auf den Eintritt in das himmlische Leben ausrichtet. 175 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Die Vermittlung des ewigen Lebens Christi bedeutet auch eine Teilhabe an seiner Haltung kindlicher Liebe zum Vater. In der Ewigkeit „war das Wort bei Gott“ (vgl. Joh 1,1), befand sich also in einem Band vollkommener Gemeinschaft mit dem Vater. Als das Wort Fleisch wurde, begann dieses Band sich im ganzen menschlichen Verhalten Jesu auszudrücken. Auf Erden lebte der Gottessohn in ständiger Gemeinschaft mit dem Vater in einer Haltung vollkommenen Gehorsams aus Liebe. Der Eintritt der Ewigkeit in die Zeit ist das Eintreten der ewigen Liebe, die den Sohn mit dem Vater verbindet, in das Erdenleben Jesu. Darauf spielt der Hebräerbrief an, wenn er von den inneren Einstellung Christi bei seinem Eintritt in die Welt spricht: „Ja, ich komme [...], um deinen Willen, Gott, zu tun“ (10,7). Der unendliche „Sprung“ vom himmlischen Leben des Gottessohnes in den Abgrund des Menschendaseins ist von dem Willen getragen, den Plan des Vaters in ganzer Hingabe zu erfüllen. Wir sind aufgerufen, dieselbe Haltung anzunehmen und auf dem offenen Weg des menschgewordenen Gottessohnes zu gehen, um so seinen Weg zum Vater zu teilen. Die Ewigkeit, die in uns eintritt, ist höchste Liebes-macht, die unser ganzes Leben leiten will bis zu seinem letzten Ziel, verborgen im Geheimnis des Vaters. Jesus selbst hat die beiden Bewegungen - eine absteigende und eine aufsteigende -, die die Menschwerdung bestimmen, in untrennbarer Weise vereinigt: „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Die Ewigkeit ist in das Menschenleben eingetreten. Nun ist das Menschenleben gerufen, mit Christus die Reise von der Zeit in die Ewigkeit zu tun. 4. Wenn in Christus die Zeit auf eine höhere Ebene emporgehoben wird und Zugang zur Ewigkeit erhält, so bedeutet das auch, daß das herannahende Jahrtausend nicht einfach als weiterer Schritt im Ablauf der Zeit angesehen werden darf, sondern als ein Teilstück des Weges der Menschheit auf ihr endgültiges Ziel hin zu betrachten ist. Das Jahr 2000 ist nicht nur die Pforte eines neuen Jahrtausends; es ist die Pforte der Ewigkeit, die in Christus fortfahrt, sich für die Zeit zu öffnen, um ihr ihre wahre Richtung und ihre wirkliche Bedeutung zu geben. Damit eröffnet sich unserem Geist und Herzen eine viel weitere Perspektive für die Betrachtung der Zukunft. Oft wird die Zeit wenig geschätzt. Sie scheint den Menschen zu enttäuschen mit ihrer Vergänglichkeit und ihrem schnellen Fluß, die alle Dinge zunichte machen. Doch wenn die Ewigkeit in die Zeit eingetreten ist, dann muß die Zeit selbst als etwas an Werten Reiches anerkannt werden. Ihr unaufhaltsamer Fluß ist nicht eine Reise ins Nichts, sondern ein Weg in die Ewigkeit. Die wahre Gefahr ist nicht das Vergehen der Zeit, sondern ein schlechter Gebrauch von ihr, der einer Ablehnung des von Christus dargebotenen ewigen Lebens gleichkommt. Der Wunsch nach dem ewigen Leben und dem ewigen Glück muß unaufhörlich im Menschenherzen geweckt werden. Die Feier des Jubiläums möchte gerade diesen Wunsch wachsen lassen, indem es den Glaubenden und den 176 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschen unserer Zeit hilft, das Herz weit zu machen für ein Leben ohne Grenzen. Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Diese Gedanken führen mich zur Aktion „Licht ins Dunkel“, die auch heuer in Österreich stattfinden wird. Das Dunkel der Welt hat viele Gesichter: Armut, Krankheit, Behinderung, Krieg und Gewalt. Für unzählige Menschen in Not hat die Aktion, die in diesem Jahr ihr 25jähriges Bestehen feiern kann, „Licht ins Dunkel“ gebracht. Durch den Lichtblick, deb Menschen in Not geschenkt wurde, können sie erahnen, daß Jesus Christus, das wahre Licht der Welt, auch in dunklen Stunden nahe ist. Allen gilt mein Wunsch: Christus hat die Finsternis hell gemacht. Gesegnete Weihnachten! Ebenso herzlich grüße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, besonders die Schönstatt-Pilgergruppe aus verschiedenen Diözesen. Ihnen allen sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Appell zum Tag der Menschenrechte Heute wird der „Tag der Menschenrechte“ gefeiert, der an die Verkündigung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 erinnern soll. Heute beginnt auch die Kampagne 1998 zum Gedächtnis des 50. Jahrestages dieses historischen Ereignisses. In diesem Kontext findet (in Italien) eine wichtige nationale Kundgebung statt, an der sich öffentliche Institutionen und private Organisationen beteiligen. Indem ich mich diesen Initiativen anschließe, spreche ich den herzlichen Wunsch aus, daß die Rechte jedes Menschen von allen immer mehr geachtet und gefordert werden zum Schutz der Menschenwürde und zu Gunsten einer authentischen Entwicklung der gesamten Menschheit. Die Ankunft des Herrn ist Grund zu heiligem Optimismus Angelus am Dritten Adventssonntag, 14. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor zwei Tagen ist die Bischofssynode für Amerika zu Ende gegangen. Es war eine starke Erfahrung des Kirche-Seins, an der ich persönlich mit großem Interesse teilgenommen habe: eine Erfahrung tiefer Gemeinschaft unter Hirten und kirchlichen Gemeinschaften im Dienst der Neuevangelisierung. Die Synodenversammlung hat auch die Bande der Solidarität gestärkt, zu deren Festigung und 177 AUDIENZEN UND ANGELUS Ausweitung die katholische Kirche in allen Regionen des Amerikanischen Kontinents beitragen kann. Heute möchte ich die bei den Synodenarbeiten gefaßten Beschlüsse und Pläne geistig sammeln und als Pilger zu der Grotte von Betlehem tragen in Erwartung der Geburt des Retters der Welt. 2. Die Liturgie des heutigen Dritten Adventssonntags, der auch „Gaudete“-Sonn-tag genannt wird, lädt uns ein, den inneren Rhythmus unseres Pilgerwegs dem Herrn entgegen zu intensivieren. Der Herr kommt, um uns zu retten. Jesus kommt, der Quell unseres Friedens. Deshalb sollen wir trotz aller Schwierigkeiten und Probleme von heiligem Optimismus erfüllt sein. Der Apostel Paulus ermutigt uns: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4). Die für das christliche Weihnachtsfest typische Atmosphäre des Friedens und der Freude ist heute schon hier auf dem Petersplatz zu verspüren dank des Weihnachtsbaumes und der Krippe, die schon fast fertig aufgestellt sind. Noch mehr bemerkt man sie dank der Anwesenheit vieler Jungen und Mädchen aus Rom, die mit den Jesuskindern ihrer Krippen gekommen sind, um sie einem schönen Brauch zufolge vom Papst segnen zu lassen. Ich wende mich in besonderer Weise an euch, liebe Kinder. Weihnachten ist das Fest eines Kindes. Es ist daher euer Fest! Ihr erwartet es ungeduldig und bereitet euch mit Freude darauf vor, indem ihr die Tage zählt, die noch bis zum 25. Dezember fehlen. Von Herzen segne ich die Statuen des Jesuskindes und die Krippen, die ihr bei euch zu Hause aufbaut. Ich segne euch und die Kinder in der ganzen Welt, vor allem die auf dem amerikanischen Kontinent, an die die Synodenväter oft gedacht haben. Das Jesuskind erfülle euch alle mit seiner Freude, vor allem die, welche von körperlichem Leiden oder Mangel an Liebe heimgesucht sind. 3. Auf dem adventlichen Pilgerweg zur Heiligen Grotte begleitet uns Maria, die „Frau des Schweigens“, die über alles nachdenkt und es in ihrem unbefleckten Herzen bewahrt. Die Heilige Jungfrau wolle uns helfen, daß wir uns in einer kontemplativen Haltung auf das Weihnachtsfest vorbereiten, erneut staunend über das unaussprechliche Geheimnis Gottes, der Mensch wird, damit der Mensch zu Gott zurückkehre. 178 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Zeit des Evangeliums Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Dezember 1. Der Eintritt der Ewigkeit in die Zeit durch das Geheimnis der Menschwerdung macht das ganze Leben Christi auf Erden zu einem außergewöhnlichen Zeitabschnitt. Die Spanne dieses Lebens ist eine einmalige Zeit, die Zeit der Fülle der Offenbarung, in der der ewige Gott durch sein menschgewordenes Wort unter dem Schleier seines Menschendaseins zu uns spricht. Es ist eine Zeit, die für immer maßgebender Bezugspunkt bleiben wird: die Zeit des Evangeliums. Alle Christen erkennen sie als die Zeit, von der ihr Glaube Ausgang nimmt. Es ist die Zeit eines Menschenlebens, das jedes Menschenleben geändert hat. Es ist ein kurzes Leben, das Leben Christi, doch unvergleichlich an Intensität und Wert. Wir haben es mit dem größten Reichtum für die Geschichte der Menschheit zu tun: einem unerschöpflichen Reichtum, weil es der Reichtum der Ewigkeit und der Göttlichkeit ist. 2. Besonders glücklich waren diejenigen, die zur Zeit Jesu lebten und die Freude hatten, ihm zu begegnen, ihn zu sehen, ihn zu hören. Jesus selbst nennt sie selig: „Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht. Ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört“ (Lk 10,23-24). Die Formel „Ich sage euch“ läßt erkennen, daß der Satz über die einfache Feststellung eines historischen Tatbestandes hinausgeht. Jesus spricht hier Worte, die Offenbarung sind und den tiefen Sinn der Geschichte erleuchten. In der ihm vorausgegangenen Vergangenheit sieht Jesus nicht nur äußere Ereignisse, die auf sein Kommen vorbereiten, sondern erblickt tief in den Herzen die den Ereignissen zugrundeliegenden und deren endgültige Erfüllung vorwegnehmenden Sehnsüchte. Die Zeitgenossen Jesu sind sich zum großen Teil ihres Privilegs gar nicht bewußt. Sie sehen und hören den Messias, ohne in ihm den ersehnten Retter zu erkennen. Sie wenden sich an ihn, ohne zu wissen, daß sie mit dem von den Propheten angekündigten Gesalbten Gottes sprechen. Mit dem Hinweis „... was ihr seht ..., was ihr hört“ lädt Jesus seine Hörer ein, sich auf das Geheimnis einzulassen und über den Schleier des sinnlich Erfaßbaren hinauszugehen. Er hilft bei diesem Schritt vor allem seinen Jüngern: „Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut“ (Mt 4,11). In diesem Weg der Jünger auf die Entdeckung des Geheimnisses zu wurzelt unser Glaube, der gerade auf ihrem Zeugnis begründet ist. Wir haben nicht das Privileg, Jesus zu sehen und zu hören, wie es in den Tagen seines Erdenlebens möglich war, doch empfangen wir mit dem Glauben die unermeßliche Gnade, in das Geheimnis Christi und seines Reiches einzutreten. 179 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Die Zeit des Evangeliums öffnet die Tür für eine tiefe Kenntnis der Person Christi. Hier können wir an die tadelnden Worte denken, die Jesus an Philippus richtete: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus?“ (Joh 14,9). Von jemandem, der als Apostel in ganz engem Kontakt mit dem Messias lebte, erwartete sich Jesus eine tiefdringende, von Liebe getragene Erkenntnis. Dank dieser innigen Beziehung hätte er verstehen müssen, daß in Jesus sich das Antlitz des Vaters offenbart. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (ebd.). Die Jünger sind berufen, mit dem Blick des Glaubens im Antlitz Christi das unsichtbare Antlitz des Vaters zu erkennen. 4. Die Spanne des Erdenlebens Jesu wird im Evangelium wie ein Hochzeitsfest dargestellt: eine Zeit, die dazu gemacht ist, Freude zu verbreiten. „Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten“ {Mk 2,19). Jesus gebraucht hier ein einfaches und aussagekräftiges Bild. Er ist der Bräutigam, der das Fest seiner Hochzeit ansagt, der Hochzeit der Liebe zwischen Gott und der Menschheit. Er ist der Bräutigam, der seine Freude mitteilen will. Die Freunde des Bräutigams sind eingeladen, sich mit ihm zu freuen und am Hochzeitsmahl teilzunehmen. Aber noch im gleichen Kontext der Hochzeit kündigt Jesus den Augenblick an, wo er nicht mehr bei ihnen sein wird: „Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten“ (Mk 2,20): eine klare Anspielung auf sein Opfer. Jesus weiß, daß auf die Freude Trauer folgen wird. Dann werden die Jünger „fasten“, d. h. leiden in der Teilnahme an seiner Passion. Das Kommen Christi auf Erden ist mit all der Freude, die es für die Menschheit bringt, unauflöslich mit dem Leiden verbunden. Das Hochzeitsfest ist vom Drama des Kreuzes gezeichnet, doch wird es seinen Höhepunkt in der Osterfreude finden. 5. Dieses Drama ist die Frucht des unausweichlichen Kampfes Christi mit der Macht des Bösen: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“ {Joh 1,5). Die Sünden von allen Menschen spielen eine wesentliche Rolle in diesem Drama. Besonders schmerzlich war aber für Christus die fehlende Anerkennung von seiten einer bestimmten Schicht seines Volkes. Der Stadt Jerusalem macht er den Vorwurf: „Du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt“ (Lk 19,44). Die Zeit der Anwesenheit Christi auf Erden war die Zeit der Gnade Gottes. Es fehlte gewiß nicht an denen, die eine positive Antwort, die Antwort des Glaubens, gaben. Vor dem Bericht vom Wehklagen Jesu über die widerspenstige Stadt (vgl. Lk 19,41-44) beschreibt Lukas uns den „königlichen“, „messianischen“ Einzug Jesu in Jerusalem, als „alle Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben (begannen) wegen all der Wundertaten, die sie erlebt hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe“ {Lk 19,37-38). Diese Begeisterung konnte jedoch vor den Augen 180 AUDIENZEN UND ANGELUS Jesu nicht die bittere, offensichtliche Tatsache verbergen, daß er von den Führern seines Volkes und der von ihnen aufgewiegelten Menge abgelehnt wurde. Zudem hatte Jesus vor seinem triumphalen Einzug in Jerusalem sein Opfer angekündigt: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45; vgl. Mt 20,28). Die Zeit des Erdenlebens Christi ist somit durch seine erlösende Opfer-Hingabe gekennzeichnet. Es ist die Zeit des Paschamysteriums von Tod und Auferstehung, aus dem das Heil der Menschen hervorgeht. Geheimnis der Menschwerdung birgt befreiende Kraft Angelus am Vierten Adventssonntag, 21. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am heutigen, vierten und letzten Adventssonntag ist unser Blick ganz auf das bevorstehende Weihnachtsfest gerichtet. Die Liturgie erinnert uns daran, daß der Herr nahe ist: Wir müssen uns bereit machen, ihn aufzunehmen. Das ist der Sinn der gesamten Adventszeit, die die Kirche wohlweislich zur Vorbereitung von Weihnachten bestimmt hat, damit die Gläubigen in Fülle das Geheimnis der Menschwerdung leben können. Das Wort Gottes stellt uns Vorbilder des Wartens auf den Herrn, der kommt, vor. An erster Stelle die Jungfrau Maria, die in vollkommener Zustimmung zum Plan Gottes das fleischgewordene Wort in ihrem Schoß aufnimmt; dann Johannes den Täufer, der alle ermahnt: „Bereitet dem Herrn den Weg“ (vgl. Lk 3,4); und weiter den hl. Josef, den gerechten und weisen Mann, der die geheimnisvollen Pläne der göttlichen Vorsehung in gehorsamer Mitarbeit annimmt. Die Hirten von Betlehem schließlich, die, in der Nacht bei ihrer Herde wachen, bereit sind, die Engelsbotschaft von Weihnachten zu empfangen: Sie eilen zur Grotte und erkennen in dem Kind den erwarteten Retter. Das sind die Vorbilder, die wir nachahmen sollen zur Vorbereitung auf ein authentisch gelebtes Weihnachten. 2. Mit dem Ersten Adventssonntag hat das in besonderer Weise dem Heiligen Geist gewidmete Jahr begonnen. Es ist eine weitere Gelegenheit, über die Rolle nachzudenken, die der Geist Gottes bei der Menschwerdung des Wortes spielt. Mit der Geburt des Herrn bewirkt der Schöpfergeist den Beginn einer neuen Schöpfung, der im Pascha mit dem Sieg Christi über die Sünde und den Tod zur Vollendung gelangen wird. Im menschgewordenen Wort, geboren von der Jungfrau Maria als Erstgeborener von vielen Brüdern, erschafft der Geist auch die neue Menschheit der Erlösten. Weihnachten setzt somit den Anfang der Kirche, des Volkes des Neuen Bundes, das wir in der Krippe durch Maria, Josef und die Hirten vertreten sehen. Und wie die Geburt Jesu durch das Wirken des Heiligen Geistes möglich wurde, so können der einzelne Christ und die Gemeinschaft der Kir- 181 AUDIENZEN UND ANGELUS che dieses Geheimnis und dessen erneuernde Kraft nur im Geist lebendig neu vollziehen. 3. Auf diesem geistlichen Weg führt uns Maria, die der Heilige Geist vollkommen folgsam gegenüber dem Schöpfer- und Erlöserwillen Gottes gemacht hat. Die Kusine Elisabet wird, als sie ihren Besuch erhält, ebenfalls vom Heiligen Geist erfüllt und wendet sich so an die ,Mutter des Herrn“: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Möge der Geist des Herrn in jedem Glaubenden ein inniges und überzeugtes „Ja“ zu Christus hervorrufen, der im Weihnachtsereignis kommt, um uns mit seiner Macht zu befreien und unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken. 182 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit Vertrauen die anspruchsvolle Botschaft annehmen! Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! In der Atmosphäre ergriffener Betrachtung des Weihnachtsgeheimnisses, in der wir uns gerade befinden, könnte die heutige Liturgie, die uns die Gestalt eines Märtyrers vorstellt, etwas unpassend erscheinen. Und doch stimmt die Reflexion über das heroische Zeugnis des hl. Stephanus vollkommen zusammen mit dem Kontext der Menschwerdung des Gottessohnes. Der Evangelist Johannes sagt: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt ... Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf ‘ (Joh 1,5.11). Weihnachten ist Feier der Ankunft Gottes bei uns, es ist aber auch Einladung, mit Vertrauen die Botschaft anzunehmen, die er uns durch seine Geburt gebracht hat. Der hl. Stephanus wollte, „erfüllt vom Heiligen Geist“ (Apg 7,55), seine Verfolger davon überzeugen, mußte aber einen schmerzlichen Mißerfolg hinnehmen. Auf seine Beweisgründe reagierten sie mit Gewalt. Die Begebenheit des Erzmärtyrers, deren gerade am Tag nach Weihnachten gedacht wird, läßt uns schon in das Ostermysterium Christi eintreten: Licht, das die Finsternis besiegt - in einem geistigen Kampf, an dem die ganze Menschheit mitbeteiligt ist. Liebe Brüder und Schwestern, das Zeugnis, das der Märtyrer Stephanus für Christus abgelegt hat, erinnert uns daran, daß das Evangelium ernst und anspruchsvoll ist. Die Gnade des Heiligen Geistes wirkt jedoch immerfort in den Herzen, um sie zu großzügiger Zustimmung zu bewegen. Maria, die dem Wirken des Heiligen Geistes stets folgsame Jungfrau, möge uns mit ihrer mütterlichen Fürsprache auf diesem Weg vertrauensvoller Annahme des Willens Gottes helfen. Anteilnahme am Massaker in Chiapas (Mexiko) Die Freude dieser Weihnachtstage wurde durch einen grausamen Vorfall getrübt, der sich in einer Kirche der Diözese San Cristöbal de las Casas (in Mexiko) ereignet hat: Zahlreiche Personen wurden zwei Tage vor Weihnachten niedergemetzelt, als sie sich beim Gebet befanden. Mit zutiefst von Schmerz erfülltem Herzen erhebe ich zum Herrn Bittgebete für die Opfer und flehe um Trost für ihre Angehörigen und diese so schwer geprüfte katholische Gemeinde. Mein Wunsch ist, daß die Lösungen für die unerledigten sozialen Probleme in Chiapas im Dialog und in geschwisterlicher Solidarität gesucht werden. 183 AUDIENZEN UND ANGELUS Familienbildung ist das Gebot der Stunde Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Heiligen Familie, 28. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der dem Weihnachtsfest eigenen Atmosphäre der Freude feiern wir das Fest der Heiligen Familie. Die Gedanken gehen natürlich zur Institution Familie, welche die Kirche von Anfang an immer mit Zuneigung und Fürsorge gestärkt hat. In unserer Zeit, in der die Familie oft unter Schwierigkeiten leidet oder sozialen und wirtschaftlichen Einflüssen ausgesetzt ist, die ihren inneren Zusammenhalt bedrohen, fühlt sich die Kirche gerufen, ihren Beitrag der Orientierung und Hilfe zu leisten. Heute lädt sie die Familien ein, auf das Haus von Nazaret zu blicken, wo Jesus das „Evangelium von der Familie“ verkündet. Aus diesem erhabenen Zeugnis können die christlichen Familien Kraft und Weisheit schöpfen, um die Pflichten des Alltags bewältigen zu können. 2. Die Familie ist die Grundlage und Sicherheit einer wirklich freien und solidarischen Gesellschaft. Wie sollte man hier nicht auch die Dringlichkeit des Schutzes und der Förderung ihrer wirklichen Rechte unterstreichen. Die Familie ist in der Tat von vielen Seiten her Angriffen und Herausforderungen ausgesetzt. Ich denke zum Beispiel an die anhaltenden Bedrohungen, die das Leben vieler Familien gefährden: Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, eine dem Geschenk des Lebens feindliche, ja manchmal die Vernichtung von Leben durch Abtreibung und Euthanasie befürwortende Mentalität, ein die anderen ignorierender oder instrumentalisierender Individualismus, der die Ursache der vielen Einsamkeit ist, an der die heutige Gesellschaft leidet, nicht zuletzt die Einsamkeit zahlreicher alter Menschen, die aus den heimischen Räumen und selbst aus der familiären Fürsorge verbannt sind. Neben so besorgniserregenden Phänomenen gibt es noch schwerere Bedrohungen, die direkt die Struktur der Familie angreifen und ihr Erscheinungsbild und ihre Rolle in der Gesellschaft entstellen. All dies läßt erkennen, wie dringlich es ist, auf einer klugen und verständigen Fa-milienpastoral zu beharren, die die Mitglieder der Familie selbst als ihre eigentlichen Träger hat. Nur so wird es möglich sein, den negativen Kräften, die dieses Bollwerk jeder wahren Zivilisation zerstören wollen, entgegenzuwirken und über sie zu siegen. 3. Vor bald drei Jahren schrieb ich im Brief an die Familien'. „Durch die Familie hindurch fließt die Geschichte des Menschen, die Geschichte der Errettung der Menschheit.“ Sie befindet sich „im Zentrum des großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen der Liebe und allem, was sich der Liebe widersetzt ... Der Familie ist die Aufgabe anvertraut, vor allem für die Befreiung der Kräfte des Guten zu kämpfen, dessen Quelle sich in Christus, dem Erlöser des Menschen, befindet“ (Nr. 23). Um diese Sendung zu erfüllen, hat die 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Familie außer den gebotenen sozialen, zivilen und kirchlichen Initiativen die Hilfe des Herrn nötig. Es ist wichtig, daß ihre Mitglieder lernen, mit beharrlichem gemeinsamem Gebet in Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe darum zu bitten. Das ist der Wunsch, den ich allen christlichen Familien ausspreche, begleitet mit meinem Gebet zu Maria, der Königin der Familien. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Einen besonderen Gruß möchte ich nun an die zahlreichen „Focolarini“ aus verschiedenen Ländern Europas richten, die hier mit Chiara Lubich anwesend sind. Meine Lieben, ich danke euch für euren willkommenen Besuch und wünsche euch allen, daß ihr eure Weihe an den Herrn immer intensiver lebt und in diesen Tagen in Besinnung und Gebet das Geheimnis der Geburt Christi vertieft, der gekommen ist, unsere Menschennatur zu teilen. An alle gehen meine herzlichsten Glückwünsche für diese Weihnachtszeit und für das neue Jahr. 185 II Predigten und Ansprachen hei den Reisen REISEN 1. Pastoralbesuch in Sarajevo (12./13. April) Logik der Gewalt muß der Logik des Friedens weichen Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen am 12. April Sehr geehrte Mitglieder der Präsidentschaft von Bosnien-Herzegowina, Vertreter der Regierung und internationaler Organisationen, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Jetzt, da ich den Boden von Bosnien-Herzegowina berühren darf, gilt mein erster Gedanke Gott, der heute meinen seit langem gehegten Wunsch erhört hat, diese Pilgerreise verwirklichen zu können. Endlich kann ich hier bei euch sein, euch sehen, mit euch sprechen, nachdem ich aus der Feme eure Leiden während der traurigen Zeit des noch nicht allzulange zurückliegenden Konflikts mit soviel Kummer geteilt habe. Am liebsten würde ich all die Bewohner dieser so leidgeprüften Region umarmen, besonders jene, die vorzeitig einen nahestehenden Menschen verloren haben, jene, die an ihrem Leib die vom Krieg hinterlassenen Wundmale tragen, und jene, die ihre Häuser in diesen langen Jahren der Gewalt verlassen mußten. Sie alle mögen wissen, daß sie im Herzen des Papstes einen besonderen Platz einnehmen. Bei meinen Interventionen, die der Friedensforderung in diesem Lande dienen sollten, ließ ich mich von der Sorge leiten, die Achtung eines jeden Menschen und seiner Rechte zu sichern ohne ethnischen oder religiösen Unterschied. Dabei galt meine besondere Sorge den Ärmsten und den am meisten Bedürftigen. Wenn ich nun Sarajevo betrete, möchte ich vor allem den Herren Mitgliedern der Präsidentschaft meinen ergebenen Gruß entbieten. Mein Dank gilt Ihnen für Ihre Einladung, Ihre bereitwillige Aufnahme sowie Ihre Gastfreundschaft, die Sie mir nun entgegenbringen. Ferner möchte ich mich an die drei Bevölkerungsgruppen von Bosnien-Herzegowina wenden, Kroaten, Muslime und Serben, denen ich mit Freude schon im ersten Augenblick meiner Anwesenheit in ihrem Land tiefste Achtung und herzliche Freundschaft bezeige. 2. Gerne nehme ich die Gelegenheit dieser direkten Begegnung mit den höchsten Instanzen von Bosnien-Herzegowina wahr, um einem jeden meine herzliche Ermutigung auszusprechen, auf dem Weg des Friedensprozesses und des Wiederaufbaus des Landes und seiner Institutionen weiterzuschreiten. 189 REISEN Es handelt sich hier nicht nur um einen materiellen Wiederaufbau, sondern es ist vor allem notwendig, für die geistige Wiederaulrichtung des inneren Menschen zu sorgen, in den die zerstörerische Furie des Krieges sich nicht selten tief eingegraben und womöglich die Werte, auf welchen jegliches bürgerliche Zusammenleben gründet, gefährdet hat. Genau da, bei den spirituellen Fundamenten menschlichen Zusammenlebens, muß neu begonnen werden. Nie wieder Krieg, nie wieder Haß und Intoleranz! Das lehren uns dieses Jahrhundert und dieses nunmehr zu Ende gehende Jahrtausend. Mit dieser Botschaft möchte ich meinen Pastoralbesuch beginnen. An die Stelle der unmenschlichen Logik der Gewalt muß die konstruktive Logik des Friedens gesetzt werden. Der Racheinstinkt muß der befreienden Kraft der Vergebung weichen, damit sie dem erbitterten Nationalismus und den daraus resultierenden ethnischen Spannungen ein Ende bereite. Wie in einem Mosaik ist es notwendig, einer jeden Komponente dieser Region den Schutz der eigenen politischen, nationalen, kulturellen und religiösen Identität zu gewährleisten. Verschiedenheit bedeutet Reichtum, wenn sie zur gegenseitigen Ergänzung der Kräfte im Dienst des Friedens und zum Aufbau eines wirklich demokratischen Bosnien-Herzegowina wird. 3. In Achtung und Freundschaft begrüße ich alle diplomatischen, internationalen, zivilen und militärischen Autoritäten, die hier zusammengekommen sind. Mit meinem Besuch möchte ich den Regierungen, den internationalen sowie den religiösen und humanitären Organisationen meine aufrichtige Wertschätzung zum Ausdruck bringen, ebenso auch jedem einzelnen, der sich während all dieser Jahre dafür eingesetzt hat, daß in dieser Region die Mauer des Unverständnisses und der Feindschaft niedergerissen und die Werte des gegenseitigen Respektes wieder bestätigt würden zur Wiederaufnahme des Dialogs, zu konstruktivem gegenseitigen Verstehen und für den Frieden. Der Flughafen von Sarajevo, auf dem wir uns befinden, war in den Jahren des vergangenen Krieges des öfteren das einzige Eingangstor für humanitäre Hilfeleistungen. Durch dieses Eingangstor komme nun auch ich als „Pilger des Friedens und der Freundschaft“, und es ist mir ein Anliegen, mit all meiner Kraft der Sache des Friedens und der Wiederversöhnung in Gerechtigkeit zu dienen. Diesem edlen Unternehmen müssen nun alle Menschen guten Willens ihre besten Energien widmen. Der Friede wird siegen, wenn alle in Wahrheit und Gerechtigkeit zu wirken wissen und den gerechtfertigten Erwartungen der Einwohner dieser Region entgegenkommen, die in der Vielfalt ihrer Zusammensetzung zum Rang eines Symbols für ganz Europa aufsteigen können. Zum Abschluß dieser kurzen Grußworte möchte ich nicht unterlassen, all jenen Ehre zu erweisen, die bei der Erfüllung ihrer Friedensmissionen und den von internationalen, nationalen und privaten Organisationen unternommenen humanitären Hilfeleistungen ihr Leben lassen mußten. Ihrem Opfer verdanken wir es, daß die Pforte des Friedens sich nicht völlig verschloß und es der wehrlosen und leidenden Bevölkerung fast nie an den notwendigen Mitteln fehlte, um zu überleben 190 REISEN und auf bessere Zeiten zu warten. Nun, da der Friede endlich errungen ist, ist der Einsatz für dessen Erhaltung eine Pflicht der Dankbarkeit denen gegenüber, die für dieses erhabene Ziel gestorben sind. Möge der Herrgott den Bewohnern von Bosnien-Herzegowina, allen Völkern des Balkan, allen Menschen in Europa und in der ganzen Welt gewähren, daß die Zeit des Friedens in der Gerechtigkeit niemals ein Ende nehme. Den anderen vergeben und selbst um Vergebung bitten! Predigt bei der Vesper in der Kathedrale mit den Priestern, Ordensleuten und Seminaristen am 12. April Herr Kardinal, verehrte Bischöfe aus Bosnien-Herzegowina, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, die ihr hier zusammengekommen seid, liebe Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Seminaristen! 1. „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm“ (1 Petr 2,9). Mit diesem Wort des Apostels Petrus an die Christen wende ich mich an euch, um euch meinen herzlichen Gruß zu entbieten: euch, die Gott „aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gemfen hat“, euch, die ihr die Aufgabe habt, vor der Welt „seine großen Taten“ zu verkünden“ (ebd.). Welche „großen Taten“? Zahllos sind die „wunderbaren Dinge“, die Gott in der Geschichte der Menschen vollbracht hat! Aber unter all diesen ist die eine „wunderbare Tat“ gewiß die Auferstehung Jesu Christi, von der her jenes neue Volk seinen Anfang genommen hat, zu dem wir gehören. Im Ostergeheimnis sind die alten Feindschaften überwunden worden: Die erst „nicht sein Volk“ waren, weil es „für sie kein Erbarmen gab“, wurden jetzt - oder sind berufen, es zu werden - das „eine Volk Gottes“, das im Blut Christi „Erbarmen gefunden hat“ (vgl. ebd. 2,10). Das ist die frohe Botschaft, die die Kirche in dieser Osterzeit aufs neue erlebt und verkündet, wenn sie das Lied des Lobes und Dankes zu Christus Jesus erhebt, der „wegen unserer Verfehlungen hingegeben und wegen unserer Gerechtmachung auferweckt wurde“ (vgl. Röm 4,25). 2. Liebe Brüder und Schwestern, aus tiefstem Herzen danke ich dem Herrn, der mir gestattet hat, diese Pilgerfahrt, die ich seit langem gewünscht und erwartet hatte, nun auch wirklich zu unternehmen. Ich freue mich, zusammen mit euch hier in dieser Kathedrale zu sein, um mich mit eurem Gebet zu dem, der „unser Friede“ (Eph 2,14) ist, zu vereinen. Herzlich grüße ich euch alle und besonders Kardinal Vinko Puljic, dem ich für seine im Namen aller Anwesenden gesprochenen Worte danke. In diesem Augen- 191 REISEN blick gedenke ich der Priester und geweihten Menschen, die in diesen schwierigen Jahren so sehr gelitten haben. Ich vergesse nicht diejenigen, die vermißt sind, wie die Priester Grgic und Matanovic, über deren Los ich Klarheit zu schaffen ersuche. In besonderer Weise gedenke ich derer, die das Zeugnis ihrer Liebe zu Christus und zu den Brüdern mit ihrem Blut bezahlt haben. Möge das von ihnen vergossene Blut der Kirche neue Kraft einflößen. Sie wünscht ja nichts anderes, als in Bosnien-Herzegowina das Evangelium des ewigen Heiles in Freiheit verkünden zu können in Achtung vor jedem Menschen, jeder Kultur und jeder Religion. Ich bin nach Sarajevo gekommen, um in diesem gepeinigten Land die Botschaft des Apostels Paulus zu verkünden: „Christus ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riß ... die trennende Wand der Feindschaft nieder“ (Eph 2,14). In die hohe „trennende Wand“ wurde endlich „die Bresche des Friedens“ gebrochen. Das inständige, sorgenvolle Gebet, dessen Symbol das in der Petersbasilika in den furchtbaren Tagen des Krieges entzündete Licht war, ist erhört worden. Nun wird das Licht euch übergeben, damit es von dieser Kathedrale aus weiterhin das Vertrauen in die mütterliche Hilfe der Heiligsten Jungfrau nähre und jeden an die Pflicht erinnere, unermüdlich im Dienst des Friedens zu wirken. 3. Hier, in dieser „Märtyrerstadt“, und in ganz Bosnien-Herzegowina, das vom Wüten einer unsinnigen „Logik“ des Todes, der Zwietracht und der Vernichtung gezeichnet ist, gab es Menschen, die dafür kämpften, „die trennende Wand niederzureißen“. Ihr wart es, die ihr in Leiden und Gefahren aller Art mit Eifer daran gearbeitet habt, den Weg zum Frieden zu öffnen. Insbesondere denke ich an euch Priester, die ihr während der traurigen Kriegszeit euren Gläubigen zur Seite geblieben seid, mit ihnen gelitten und euren Dienst mutig und treu weiter ausgeübt habt. Dank euch für dieses Zeichen der Liebe zu Christus und zu seiner Kirche! In diesen Jahren habt ihr Seiten wahren Heldentums geschrieben, die nicht vergessen werden dürfen. Heute bin ich gekommen, um euch zu sagen: Mut! Werdet nicht müde, den so lange ersehnten Frieden weiter voranschreiten zu lassen! Gottes Tagesanbruch ist schon da, ist mitten unter euch, das Licht des neuen Tages erhellt schon euren Weg. Meine Lieben, ich lege euch ans Herz, als Träger der Hoffnung und klare Zeugen für den Frieden Christi unter denen zu bleiben, die euch als eure Herde anvertraut wurden, sollte es auch um den Preis großer Opfer sein. Haltet in eurer Sendung entschieden fest am Sinn eurer Berufung und eurer Identität als Priester Christi! Es sei euch ein Grund zum Stolz, mit dem hl. Paulus sagen zu können: „In allem erweisen wir uns als Gottes Diener: durch große Standhaftigkeit, in Bedrängnis,... durch lautere Gesinnung, durch Erkenntnis, durch Langmut, durch Güte, durch den Heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe“ (2 Kor 6,4-6). 4. Auch euch, liebe Ordensmänner und Ordensflauen, möchte ich die Dankbarkeit der Kirche zum Ausdruck bringen für das kostbare Werk, das ihr im Dienst des 192 REISEN Gottesvolkes vollbracht habt und noch vollbringt, indem ihr mit der Profeß der evangelischen Räte und in zahlreichen Formen des Apostolats Zeugnis für das Evangelium gebt. Wißt das echte Charisma neu zu beleben, das euch von den Gründern und Gründerinnen anvertraut wurde. Entdeckt unaufhörlich seinen Reichtum, und lebt es immer überzeugter und intensiver. Wie sollte ich in dieser Kathedrale nicht an Msgr. Josip Stadler erinnern, den ersten Erzbischof des erneuerten alten Bischofssitzes Yrhbosna, heute Sarajevo, und Gründer der Kongregation der „Dienerinnen vom Kinde Jesu“, der einzigen aus Bosnien-Herzegowina stammenden Kongregation? Möge das lebendige Andenken an diesen großen Bischof, der dem Apostolischen Stuhl in unerschütterlicher Treue zugetan und immer bereit war, den Brüdern zu dienen, alle geweihten Menschen in dieser mir so lieben Region in ihrem missionarischen Einsatz ermutigen und unterstützen! Ein besonderes Wort gilt euch, liebe Minderbrüder. Ich grüße euch zusammen mit eurem Generalminister, der heute abend bei uns ist. Im Lauf der Jahrhunderte habt ihr euch sehr bemüht, um in Bosnien-Herzegowina den christlichen Glauben zu verbreiten und zu erhalten. Ihr habt wirksam zur Verkündigung des Evangeliums unter diesen Völkerschaften beigetragen. Eure ruhmreiche Vergangenheit verpflichtet euch im gegenwärtigen Augenblick zu bewährter Hochherzigkeit in den Spuren des hl. Franziskus, der, wie sein erster Biograph sagt, „im Herzen, auf den Lippen, in den Ohren, in den Augen, in den Händen und in allen anderen Gliedern“ ganz erfüllt war von leidenschaftlich liebender Erinnerung an Jesus, den Gekreuzigten (/ Cel. 115), dessen Wundmale er im Herzen trug, noch ehe er sie an seinen Gliedern hatte (vgl. II Cel. 11). Die Aufforderung, die er an seine Brüder richtete, ist äußerst aktuell: „Ich rate meinen Brüdern im Herrn Jesus Christus, ich fordere sie auf und ermahne sie, daß sie, wenn sie durch die Welt gehen, nicht streiten. Sie sollen Wortgefechte vermeiden und nicht über die anderen richten; sie sollen vielmehr sanftmütig, friedvoll und bescheiden sein, gütig und demütig und sollen höflich und offen mit allen sprechen, wie es sich ziemt“ (Regola bollata, 3. Kap.). Welchen Nutzen werden die Einheit der Kirche, die apostolische Tätigkeit und die Sache des Friedens aus einem solchen Zeugnis franziskanischer Milde ziehen! 5. Ein Wort auch an euch, liebe Seminaristen, Hoffnung der Kirche in diesem Land. Laßt euch nach dem Beispiel des Dieners Gottes Petar Barbaric von Christus faszinieren! Macht die Entdeckung, wie schön es ist, ihm euer Leben zu schenken, um den Brüdern sein Evangelium des Heils zu bringen. Die Berufung ist ein Abenteuer, das es wert ist, bis auf den Grund gelebt zu werden. Das Geheimnis eines voll verwirklichten Lebens besteht in der großmütigen und beharrlichen Antwort auf den Ruf des Herrn. Euch allen, Priestern, Ordensleuten und Seminaristen, möchte ich eine doppelte Empfehlung hinterlassen: Lebt unter euch jene Solidarität und Einmütigkeit - 193 REISEN „seid ganz eines Sinnes und einer Meinung“ (1 Kor 1,10) die ein unmißverständliches Zeugnis für die wirksame Gegenwart Christi ist. Pflegt im Geist der Demut und des Gehorsams die Gemeinschaft und die tatkräftige pastorale Zusammenarbeit mit euren Bischöfen nach der Ermahnung des hl. Ignatius von Antiochien: „Ich beschwöre euch, tragt Sorge dafür, alles im Einvernehmen mit Gott unter der Leitung des Bischofs zu tun“ (Ad Magn. 6,1). Das ist im übrigen auch die Lehre, an die das II. Vatikanische Konzil erinnert, wenn es sagt: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi“ (Lumen Gentium, Nr. 27). Infolge dieses Auftrags, so erläutert das Konzil, „haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, Urteile zu fällen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln“ (ebd.). Die Gläubigen, so zieht das Konzil die Schlußfolgerung, müssen daher „dem Bischof anhangen wie die Kirche Jesus Christus und wie Jesus Christus dem Vater, damit alles in Einigkeit übereinstimme und überströme zur Verherrlichung Gottes“ (ebd.). 6. Meine Lieben, für alle ist die Zeit zu einer gründlichen Gewissenserforschung gekommen: die Zeit eines entschlossenen Bemühens um Versöhnung und Frieden. Als Diener der Liebe Gottes seid ihr gesandt, die Tränen vieler Menschen zu trocknen, die um ihre ermordeten Verwandten weinen, auf den hilflosen Schrei derer zu hören, die ihre Rechte mit Füßen getreten und das, was sie liebten, der Vernichtung anheimgegeben sahen. Als Brüder und Schwestern aller seid den Flüchtlingen, den Evakuierten und denen nahe, die aus ihrem Haus vertrieben wurden und sich dessen beraubt sahen, worauf sie ihre Zukunft zu bauen gedachten. Richtet die Alten, die Waisen und die Witwen auf. Macht den Jugendlichen Mut, die oft gezwungen waren, auf eine ruhige Eingliederung ins Leben zu verzichten und in der Härte des Krieges vorzeitig erwachsen werden mußten. Es muß laut und mit aller Kraft gesagt werden: Nie wieder Krieg! Jeden Tag muß die Mühe gegenseitiger Begegnung wieder neu aufgenommen werden, muß das eigene Gewissen nicht nur nach seinem Verschulden befragt werden, sondern auch nach den Energien, die man für den Aufbau des Friedens einzusetzen bereit ist. Es muß der Primat der ethischen, moralischen und spirituellen Werte anerkannt und das Recht jedes Menschen verteidigt werden, in Ruhe und Eintracht zu leben. Jede Form von Intoleranz und Verfolgung, wurzelnd in Ideologien, die die Person in ihrer unverletzlichen Würde mißachten, muß verurteilt werden. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Der Nachfolger des Petrus ist hier unter euch als Pilger für Frieden, Versöhnung und Gemeinschaft. Er ist hier, um alle daran zu erinnern, daß Gott nur dem verzeiht, der auch seinerseits den Mut hat zu verzeihen. Man muß seinen Geist für die Logik Gottes öffnen, um dahin zu gelangen, daß man an seinem Volk Anteil hat und „die wunderbaren Taten seiner Liebe“ (vgl. 1 Petr 2,9) verkünden kann. Die Kraft eures Beispiels und eures Gebetes 194 REISEN wird vom Herrn für die, die ihn noch nicht gefunden haben, den Mut erlangen, Verzeihung zu erbitten und zu gewähren. Bitten wir Maria, die hier in so vielen Heiligtümern verehrt wird, uns bei der Hand zu nehmen und uns zu lehren, daß gerade der Mut, Verzeihung zu erbitten und zu gewähren, der Anfang des Weges zum wahren Frieden ist. Vertrauen wir ihr die mühsame, aber notwendige Aufgabe an, um mit zäher Beharrlichkeit die „Zivilisation der Liebe“ aufzubauen. Maria, Königin des Friedens, bitte für uns! Jesus Christus ist euer Beistand! Predigt während der Eucharistiefeier im Kosevo-Stadion in Sarajevo am 13. April „Wir haben einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten“ {1 Job, 2,1). 1. Wir haben einen Beistand, der in unserem Namen spricht. Wer ist dieser Beistand, der sich für uns zum Sprecher macht? Die heutige Liturgie bietet uns eine hinreichende Antwort: „Wir haben einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten“ (1 Joh 2,1). In der Apostelgeschichte lesen wir: „Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs [...] hat seinen Knecht Jesus verherrlicht“ (3,13). Er wurde von seinen eigenen Landsleuten verleugnet und verraten, sogar dann, als Pilatus ihn freilassen wollte. Sie verlangten, daß ein Mörder begnadigt würde, Barabbas. Auf diese Weise wurde der Urheber des Lebens zum Tode verurteilt (vgl. ebd. 3,13-15). „Aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt“ {ebd. 3,15). So spricht Petrus, der ein direkter Zeuge der Passion, des Todes und der Auferstehung war. Und als solcher wurde er zu den Söhnen Israels und zu allen Völkern der Welt ausgesandt. Als er sich an seine Landsleute wandte, klagt er sie nicht nur an, sondern er verzeiht ihnen auch: „Nun Brüder, ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt, ebenso wie eure Führer“ {ebd. 3,17). Petrus ist ein Zeuge, der sich der Wahrheit über den Messias bewußt war, der am Kreuz die alten Weissagungen der Propheten erfüllt hat: Jesus Christus wurde zum Beistand beim Vater, zum Beistand des auserwählten Volkes und überhaupt der ganzen Menschheit. Der hl. Johannes fügt hinzu: „Wir haben einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt“ {1 Joh 2,1-2). Heute endlich kommt der Nachfolger Petri zu euch, um hier unter euch diese Glaubenswahrheit zu wiederholen. Ihr Menschen von Sarajevo und aus ganz Bosnien-Herzegowina, ich komme heute zu euch, um euch zu sagen: Ihr habt einen Beistand bei Gott. Sein Name ist Jesus Christus, der Gerechte! 195 REISEN 2. Petras und Johannes wie auch die anderen Apostel wurden Zeugen dieser Wahrheit, da sie mit eigenen Augen Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, sahen. Er erschien mitten unter ihnen im Abendmahlsaal und zeigte ihnen die Wunden seiner Leiden; er erlaubte ihnen sogar, daß sie ihn berührten, damit sie sich selbst davon überzeugen konnten, daß er derselbe Jesus war, den sie als „den Meister“ kannten. Und um vollends die Wahrheit über die Auferstehung zu bestätigen, nahm er das Brot, das sie ihm angeboten hatten, und aß es mit ihnen - so, wie er es viele Male vor seinem Tod mit ihnen getan hatte. Jesus hatte seine eigene Identität bewahrt trotz der außergewöhnlichen Transformation, die sich an ihm nach der Auferstehung vollzogen hatte. Und jene Identität bewahrt er immer noch. Er ist derselbe, heute und gestern, und er bleibt derselbe in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). Als solcher, nämlich als wahrer Mensch, ist er der Beistand aller Menschen beim Vater; ja nicht nur das: Er ist überhaupt der Beistand der ganzen Schöpfung, die durch ihn und in ihm erlöst wurde. Er tritt vor den Vater als erfahrenster und kompetentester Zeuge all dessen, was durch das Kreuz und die Auferstehung in der Geschichte der Menschheit und dieser Welt vollbracht wurde. Er spricht die Sprache der Erlösung, das heißt die Sprache der Befreiung von der Knechtschaft der Sünde. Jesus wendet sich an den Vater als wesensgleicher Sohn und gleichzeitig als wahrer Mensch, und er spricht die Sprache aller Generationen und der ganzen Menschheitsgeschichte: die Sprache der Siege und Niederlagen, aller Leiden und Schmerzen eines jeden einzelnen und aller Völker und Nationen der ganzen Welt. Christus spricht auch eure Sprache, liebe Brüder und Schwestern von Bosnien-Herzegowina, die ihr solange durch soviel Leid geprüft wurdet. Er hat gesagt: „So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden“, aber er fügte hinzu: „und am dritten Tag von den Toten auferstehen [...] Ihr seid Zeugen dafür“ (Z£ 24,46.48). Ihr Bewohner dieses Landes, habt Mut! Ihr habt einen Beistand bei Gott. Sein Name ist Jesus Christus, der Gerechte! 3. Sarajevo: eine Stadt, die zum Symbol wurde, in gewissem Sinn ein Symbol des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit dem Namen Sarajevo verbindet sich zum Beispiel der Ausbrach des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914. Am Ende dieses Jahrhunderts verbindet sich mit dem Namen dieser Stadt die schmerzhafte Erfahrung eines Krieges, der im Laufe von fünf langen Jahren in dieser Region einen unwahrscheinlichen Todesschatten und Spuren der Zerstörung hinterlassen hat. Während dieser Zeit hörte der Name dieser Stadt nicht auf, die Seiten der Chronik zu füllen und Thema politischer Interventionen von Staatsoberhäuptern, Strategen und Generälen zu sein. Die ganze Welt hat von Sarajevo immer wieder in historischen, politischen und militärischen Begriffen gesprochen. Auch der Papst hat nicht gezögert, seine Stimme angesichts eines so tragischen Krieges zu erheben und sehr oft und bei verschiedenen Gelegenheiten hatte er den Namen dieser Stadt auf den Lippen, aber auch stets im Herzen. Schon vor einigen Jahren war es sein brennender Wunsch, persönlich zu euch kommen zu können. 196 REISEN Heute ist dieser Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Dank sei Gott! Die Worte, mit denen ich euch meinen Gruß entbiete, sind dieselben, die einst Christus nach seiner Auferstehung an seine Jünger richtete: „Der Friede sei mit euch“ (Lk 24,36). Der Friede sei mit euch, ihr Männer und Frauen von Sarajevo! Der Friede sei mit euch, ihr Bewohner von Bosnien-Herzegowina! Der Friede sei mit euch, Brüder und Schwestern dieses geliebten Landes! Ich begrüße Kardinal Vinko Puljic, den eifrigen Hirten dieser Kirche, und ich danke ihm für seine Worte des Willkommens und der Gemeinschaftsbezeigung, die er auch im Namen von Weihbischof Msgr. Pero Sudar und aller Anwesenden an mich richtete. Weiter grüße ich den verehrten und mutigen Bischof Msgr. Franjo Komarica zusammen mit seinen Gläubigen aus der Diözese Banja Luka sowie den verehrten und eifrigen Bischof Msgr. Ratko Peric mit seinen Gläubigen aus der Diözese Mostar-Duvno und Trebinje-Mrkan. Ich grüße die hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe sowie euch alle, ihr Priester und Ordensleute und ihr gläubigen Laien. Mein ergebener Wilkommensgruß gilt auch den zivilen und diplomatischen Autoritäten, die sich hier versammelt haben, sowie auch den Repräsentanten anderer kirchlicher Konfessionen, die uns mit ihrer Anwesenheit beehren wollten. Der Friede, den Jesus seinen Jüngern schenkt, ist nicht jener Friede, die Sieger den Besiegten auferlegen, die Stärkeren den Schwächeren. Dieser Friede findet seine Legitimierung nicht in den Waffen, sondern er geht im Gegenteil aus der Liebe hervor. Liebe Gottes zum Menschen ist Liebe des Menschen zum Menschen. Laut hallt heute das göttliche Gebot wider: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6,5; Lev 19,18). Mit diesem Saldo als Voraussetzung kann der errungene Friede gefestigt und ausgebaut werden. „Selig nämlich, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ {Mt 5,9). Sarajevo, Bosnien-Herzegowina, ihr habt einen Beistand bei Gott, Jesus Christus, den Gerechten! 4. Als Diener des Evangeliums möchte der Papst zusammen mit den Hirten von Bosnien-Herzegowina sowie der gesamten Kirche eine noch tiefere Dimension enthüllen, die sich hinter der Lebensrealität dieser Region verbirgt, die seit Jahren die ganze Welt beschäftigt. Sarajevo, Bosnien-Herzegowina, eure Geschichte, eure Leiden, eure Erfahrungen der vergangenen Kriegsjahre, von denen wir hoffen, daß sie nie mehr wiederkehren mögen, haben einen Beistand bei Gott: Jesus Christus, den einzigen Gerechten. In ihm haben all die vielen Toten, deren Gräber sich auf diesem Boden vervielfältigt haben, einen Beistand bei Gott; aber auch jene, über deren Verlust Mütter, Witwen und verwaiste Kinder klagen. Wer sonst, wenn nicht Christus, könnte bei Gott Beistand für all jene Leiden und Prüfungen sein? Wer sonst, Sarajevo, könnte diese Seite deiner Geschichte bis in die tiefsten Tiefen lesen und verstehen? Wer sonst, ihr Völker des Balkan, könnte diese Seite eu- 197 REISEN an alle Volksgruppen der nahen Bundesrepublik Jugoslawien richten, die ich schon seit langer Zeit zu besuchen wünsche. Ich bin ihnen in ihren Schwierigkeiten und Hoffnungen mit meiner Solidarität und mit meinem Gebet nahe. Meine guten Wünsche gehen auch zu den Volksgruppen der früheren jugoslawischen Republik Makedonien, für die ich Frieden und Wohlstand vom Herrn erbitte. 2. Wie in allen anderen Teilen der Welt fördert der Hl. Stuhl auch in dieser Region die Achtung der gleichen Würde der Völker und ihres Rechtes, frei die eigene Zukunft wählen zu können. Zugleich setzt er sich dafür ein, daß jeder mögliche Raum für wechselseitige Solidarität in einem Klima friedvollen und zivilen Zusammenlebens gewahrt werde. Das erfordert den Mut des Weitblicks und die Geduld der kleinen Schritte, damit der Geist loyalen und konstruktiven Einvernehmens blühen kann, bis er reiche Frucht bringt. Ein Klima des Friedens und gegenseitiger Achtung ist der einzige Weg zur wirksamen Bekämpfung der überzogenen Nationalismen, die in Vergangenheit und Gegenwart die Ursache so vieler Trauer und Zerstörung sind. Diese Länder, in denen Osten und Westen die Anstrengung des Dialogs und der gegenseitigen Zusammenarbeit intensiver verspürt haben, sind zum Symbol unseres Jahrhunderts voller Bitterkeit, aber auch reich an Verheißungen für ganz Europa geworden. 3. Aus Sarajevo, der Stadt, die Symbol ist für dieses 20. Jahrhundert, das sich dem Ende zuneigt, möge der Appell für einen solidarischen Einsatz auf dem Weg des Friedens zu allen europäischen Völkern gehen! Das vor der Türe stehende neue Jahrtausend öffne sich mit dem festen Entschluß, eine Ära zivilen Wachstums in Eintracht zu bauen mit dem Beitrag der besonderen Gaben, durch die im Lauf ihrer Geschichte jede Nation von Gott, dem Herrn und Vater aller Völker, bereichert wurde! Das ist der herzliche Wunsch, den ich zusammen mit euch voll Zuversicht Maria, der Königin des Friedens, anvertraue, zu der wir mit dem traditionellen Gebet der Osterzeit beten. Geistige Erneuerung - Wege zum Frieden Ansprache bei der Begegnung mit den Staatsautoritäten von Bosnien-Herzegowina am 13. April Sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums von Bosnien-Herzegowina! 1. Aufrichtig danke ich Ihnen, sehr geehrte Herren, für die freundliche Aufnahme und die herzlichen Worte, die der Vorsitzende des Präsidiums im Namen aller an mich gerichtet hat. Ihnen und Ihren Familien entbiete ich meinen ergebensten Gruß, in den ich auch gern die hier anwesenden Autoritäten und all jene einschlie- 200 REISEN ßen möchte, die auf irgend eine Weise zivile oder militärische Verantwortung im täglichen Werk der Konsolidierung des Friedens und des zivilen Zusammenlebens in Bosnien-Herzegowina tragen. Seit Jahrhunderten trafen sich in dieser Region, nicht selten unter Konflikten, das Abend- und das Morgenland. Seit langer Zeit ist hier ein Zusammenleben verschiedener Kulturen möglich, die, jede auf ihre Weise, diese Region mit ihren Werten bereichert haben. In Bosnien-Herzegowina leben die südslawischen Völker zusammen, als Stamm geeint, durch die Geschichte aber getrennt. In dieser Hauptstadt z. B. ragen die katholische Kathedrale, die orthodoxe Kathedrale, die islamische Moschee und die jüdische Synagoge zum Himmel. Diese vier Gebäude sind nicht nur der Ort, wo die an den einen Gott Glaubenden ihren Glauben bekennen, sondern sie stellen auch ein sichtbares Mahnzeichen dar für die Art von ziviler Gesellschaft, die die Menschen dieser Region errichten wollen; nämlich eine Gesellschaft des Friedens, deren Mitglieder Gott als den einen Herrn und Vater aller anerkennen. Die Spannungen, die zwischen den einzelnen Menschen und zwischen den ethnischen Bevölkerungsgruppen als Erbe der Vergangenheit und als Folge der Nähe und der Verschiedenheit entstehen können, müssen in den religiösen Werten Gründe zur Beschwichtigung und Zügelung, ja zum Einvernehmen im Hinblick auf eine konstruktive Zusammenarbeit finden. 2. Ich hatte bereits bei anderen Gelegenheiten betont - und ich wiederhole es heute hier —, daß Sarajevo, die Stadt, in der Spannungen zwischen verschiedenen Kulturen, Religionen und Völkern aufeinanderprallen, als die Symbolstadt unseres Jahrhunderts betrachtet werden kann. Denn genau hier hat der Erste Weltkrieg 1914 seinen Ausgang genommen; hier haben die Schrecken des Zweiten Weltkrieges besonders heftig gewütet; und hier hat schließlich am Ende unseres Jahrhunderts die Bevölkerung zwischen Zerstörung und Tod endlose Jahre der Angst und des Schreckens erlebt. Nun engagiert sich Bosnien-Herzegowina nach so viel Leid endlich dafür, den Frieden aufzubauen. Dies ist ein nicht ganz einfaches Unterfangen, wie die Erfahrung der vergangenen Monate nach Beilegung des Konfliktes gezeigt hat. Dennoch ist Friede unter Mitwirkung der internationalen Gemeinschaft möglich, ja er ist notwendig. In historischer Hinsicht könnten Sarajevo und ganz Bosnien-Herzegowina, wenn ihre institutionelle Ordnung im Frieden konsolidiert wird, am Ende dieses Jahrhunderts zu einem Beispiel des Zusammenlebens in der Verschiedenheit werden für viele Nationen in Europa und in der Welt, die mit solchen Schwierigkeiten zu tun haben. 3. Die Methode, an die man sich bei der Lösung der Probleme, die auf diesem heiklen Weg auftreten, unbedingt zu halten hat, ist der Dialog, der sich am gegenseitigen Zuhören und am gegenseitigen Respekt inspiriert. Die Methode des Dialogs, die sich trotz der Widerstände immer mehr durchsetzt, verlangt von allen Be- 201 REISEN teiligten Loyalität, Mut, Geduld und Beharrlichkeit. Die Mühen dieser Konfrontierung werden reichlich belohnt werden. Langsam werden die von diesem vergangenen schrecklichen Krieg verursachten Wunden heilen können, und es wird der konkreten Hoffnung auf eine würdigere Zukunft für alle in diesem Gebiet zusammenlebenden Bevölkerungsgruppen Platz eingeräumt werden. Der Dialog wird sich unter Achtung der Rechtsgleichheit entwickeln müssen, die jedem einzelnen Bürger mittels angemessener rechtlicher Hilfsmittel ohne Vorzüge und Diskriminierungen gewährleistet sein sollte. Man muß sich unbedingt dafür einsetzen, daß allen Arbeitsplätze zugesichert werden, ist doch die Arbeit die Quelle für Wiederaufbau und Entwicklung unter Achtung der personalen Würde. So sollen die Vertriebenen und Flüchtlinge aus allen Teilen von Bosnien-Herzegowina auch das Recht genießen können, ihre Häuser zurückzuerhalten, die sie während der Wirren des Konflikts verlassen mußten. Rechtsgleichheit möge auch den ethnisch-religiösen Gemeinschaften gewährt werden. Bosnien-Herzegowina ist ein Mosaik von Kulturen, Religionen und Völkergruppen, die, wenn sie in ihrer Verschiedenheit anerkannt und geschützt werden, mit ihren jeweiligen Gaben dazu beitragen können, den gemeinsamen Kulturschatz der bürgerlichen Gesellschaft zu bereichern. 4. Es ist eine große und allen anvertraute Aufgabe, einen wahren und dauerhaften Frieden zu schaffen. Sicherlich hängt sehr viel von denen ab, die in der Öffentlichkeit Verantwortung tragen. Dennoch hängt das Schicksal des Friedens in nicht weniger entscheidendem Maße von einer erneuerten Solidarität des Geistes ab, auch wenn es zum großen Teil den rechtlichen Regelungen anheimgestellt ist, welche effektiv in einem ehrlichen Dialog und unter Achtung der Gerechtigkeit entworfen werden müssen. Diese innere Einstellung muß sowohl innerhalb der Staatsgrenzen von Bosnien-Herzegowina wie auch in den Beziehungen zu den angrenzenden Staaten und der Gemeinschaft der Nationen gepflegt werden. Doch eine solche Haltung kann sich nur auf der Grundlage der Vergebung durchsetzen. Um auf dem von soviel Blut und Haß getränkten Grund stabil zu stehen, muß das Gebäude des Friedens durch den Mut des Verzeihenkönnens gestützt werden. Man muß um Vergebung bitten, aber auch selbst vergeben können! Meine Herren Präsidenten, ich lege Ihnen diese Überlegungen ans Herz und möchte das auch bei allen übrigen Autoritäten jeglichen Ranges und Bereiches tun, damit sich die Hoffnung auf ein beständiges Erstarken des so mühselig errungenen Friedens festige und mehr und mehr eine ruhige und nutzbringende Zukunft für alle Einwohner dieses geliebten Landes Bosnien-Herzegowina verwirklicht werde. Auch bei Schwierigkeiten, Hindernissen und Widerständen möge die Hoffnung niemals erlöschen! Gott verläßt die nicht, die für den Frieden wirken. Ihn, den allmächtigen Herrn des Universums, bitte ich, er möge allen seinen Trost spenden, und er möge in den Herzen die großzügigen Absichten zu aufrichtigem Dialog, rechtem Einvernehmen und gemeinsamem Engagement für die Wiederherstellung des Friedens stärken. 202 REISEN Mitarbeit am Neuaufbau der Gesellschaft im Geiste Christi Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen von Bosnien-Herzegowina am 13. April Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Sehnlichst habe ich mir gewünscht, diese brüderliche Begegnung mit euch zu erleben, und danke nun Gott, daß ich mit euch die göttliche Eucharistie, den Höhepunkt im Leben der Kirche, feiern durfte. Das Verbundensein um den Altar macht das Band, das uns an Christus bindet, deutlicher sichtbar und ist grundlegend für die Gemeinschaft, die zwischen uns und mit dem Volke Gottes besteht. Ich grüße dich, Kardinal Vinko Puljic, der du, unterstützt von Msgr. Pero Sudar, mit Mut und Weisheit die Herde der Kirche von Vrhbosna-Sarajevo weidest; ich grüße dich, Msgr. Franjo Komarica, starkmütiger Bischof der gepeinigten Kirche von Banja Luka; ich grüße dich, Msgr. Ratko Peric, der du mit Eifer der Kirche von Mostar-Duvno vorstehst und Apostolischer Administrator von Trebinje-Mrkan bist. Jedem von euch möchte ich danken für das unerschrockene Zeugnis, das ihr während des vergangenen Konfliktes vor der Kirche Gottes gegeben habt, als ihr trotz der ernsten Gefahren und der schwierigen Situation stets wachsam und besorgt bei euren Gemeinden geblieben seid und mit ihnen Leiden, Heimsuchungen und Entbehrungen aller Art geteilt habt. Wenn ich euch Hirten wissen lasse, wie sehr ich euch zugetan bin, so möchte ich damit auch die euch anvertrauten Kirchen herzlich grüßen: eure Priester, die Personen des gottgeweihten Lebens und die Laien, besonders jene, die als Folgen der leidvollen Kriegszeit an Körper oder Geist heimgesucht sind. Der Nachfolger des Petrus ist in eurer Mitte. Er weiß um eure Leiden und eure Mühsal und ermutigt euch in eurem Glauben im Blick auf Christus, unseren Anwalt beim Vater und unseren sicheren Frieden. 2. Die göttliche Vorsehung hat euch erwählt, um das Volk Gottes zu weiden, und hat euch als Vorbilder für die Herde bestellt (vgl. 1 Petr 5,2-3). Durch euer Dienstamt und in Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus gebt ihr dem Werk Christi Beständigkeit, dem Werk des ewigen Hirten der Seelen, der alle Völker lehrt und mit der Gabe der Sakramente die heiligt, die sein Wort im Glauben annehmen. Bei dieser euch von Gott anvertrauten Aufgabe seid ihr nicht allein. Wenn ihr die Leitung eurer Kirchen in Gemeinschaft untereinander und mit dem Bischof von Rom ausübt, seid ihr zu Gliedern der Körperschaft der Bischöfe bestellt und daher berufen, an der Sorge für die Universalkirche teilzunehmen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22; Christus Dominus, Nr. 4). Seid eifrig darauf bedacht, ehrwürdige Brüder, die Gemeinschaft mit den Bischöfen der ganzen Welt aufrechtzuhalten, angefangen mit denen eurer Region und insbesondere denen von Kroatien. Und übt aufmerksam die gegenseitige Liebe in 203 REISEN offenem, herzlichem Dialog und in wechselseitiger Hilfe. Die Liebe, die unter euch herrscht, sei den Priestern, die euch helfen, und den Gläubigen, die auf euch als auf erleuchtete Führer schauen, zum Vorbild, ebenso aber auch den Menschen guten Willens, die nicht selten in euren Worten und in eurer Autorität einen Antrieb zum Aufbau einer wirklich von den Werten des Friedens, der Eintracht und der Gerechtigkeit inspirierten Gesellschaft suchen. 3. Der Konflikt, der sich fünf lange Jahre in eurer Region abgespielt hat, stellt euch vor gewiß nicht leichte Probleme. Nachdem der Waffenlärm aufgehört hat, muß sich nun immer stärker der Wille zum Aufbau des Friedens durchsetzen. Die erste Aufgabe, die auf diesem schwierigen Weg auf euch wartet, besteht darin, die schmerzgeprüften und manchmal durch Haß- und Rachegefuhle verrohten Seelen wieder zu heilen. Das ist ein Prozeß, der all eure vom Glauben an Christus, den Herrn des Lebens und Arzt des Geistes, gestärkten Kräfte beansprucht. Dies ist das Ziel, das ihr euch auch in eurem Hirtenbrief vom vergangenen Februar gesteckt habt. Ihr seid dazu berufen, Träger einer neuen Kultur zu sein. Sie entspringt aus der unerschöpflichen Quelle des Evangeliums und predigt die Achtung aller gegenüber allen; sie macht die Vergebung der Schuld zur Bedingung für das Wiederaufblühen des bürgerlichen Lebens; sie kämpft mit den Waffen der Liebe, damit sich immer mehr der Wunsch nach Förderung des einen gemeinsamen Wohles durchsetze. Das entbindet euch nicht von der Pflicht, die prophetische Stimme zu erheben, um die Gewalttätigkeiten zu verurteilen, die Ungerechtigkeiten zu entlarven, das, was böse ist, beim Namen zu nennen und mit jedem rechtmäßigen Mittel die euch anvertrauten Gemeinden zu verteidigen. Das ist besonders dann notwendig, wenn Übergriffe von Menschen, die durch erlittene Gewalt innerlich verbittert sind, die Gläubigen und die Kirche unmittelbar mit Einschüchterungen oder intoleranten Tätlichkeiten zu treffen suchen. Habt keine Furcht, mit allen euch zur Verfügung stehenden legitimen Mitteln eure Stimme vernehmbar zu machen, ohne euch von irgendeiner irdischen Macht ängstigen zu lassen. 4. Nach den vergangenen Gewalttätigkeiten geht es nun darum, nicht nur die christliche Gemeinschaft, sondern auch die von soviel Heimsuchungen betroffene, verstreute bürgerliche Gesellschaft wieder aufzubauen. Bei dieser Aufgabe läßt Gott euch nicht allein. Er hat euch Priester, Ordensleute und aktive Laien an die Seite gestellt, die euch in euren Mühen unterstützen und bereit sind, auf eure Stimme zu hören, um die Verkündigung, die Rettung schenkt, die Nächstenliebe, die Erleichterung bringt, und die Solidarität, die alle eint, zum Wiederaufblühen zu bringen. Dankt dem Herrn für diese Gaben, und wißt die Fähigkeiten eines jeden auszuwerten, damit der Weg der neuen Evangelisierung mit neuem Schwung vorangehe. 204 REISEN Habt mit väterlicher Güte Verständnis für die Schwierigkeiten, denen eure engsten Mitarbeiter täglich begegnen. Unterstützt sie mit eurem Gebet und eurem guten Herzen, und spornt sie an, sich Kraft zu holen in der täglichen Begegnung mit Christus, dem Ewigen Hohenpriester, vor allem im Gebet und in der Feier der Eucharistie. Möge euer Eifer als Väter im Glauben aus allem das Beste zu machen wissen, so daß die Gaben eines jeden der Gemeinschaft der Christen und der bürgerlichen Gesellschaft zum Wohl gereichen. Beim Planen und Durchführen der Pastoralprogramme der einzelnen Diözesen wird es - unter eurer Führung und unter Berücksichtigung der Eigenart eines jeden Charismas, sowohl der Diözesan- wie der Ordenspriester - nicht an der Zusammenarbeit aller fehlen dürfen, und der gegenseitige Austausch der Gaben soll auch die Liebe vermehren, die Spannungen entschärfen und ein Dienst an der Einheit sein. Erzieht auch eure Seminaristen nach diesen Kriterien und Werten, damit in ihnen sich deutlich das Bewußtsein ausbilde, daß sie eines Tages berufen sein werden, der Kirche mit Opferbereitschaft und Hochherzigkeit und im Gehorsam gegenüber dem rechtmäßigen Hirten zu dienen. 5. Das Hauptwerk, dem ihr euch unermüdlich widmen werdet, ist „das Gebet und der Dienst am Wort“ (vgl. Apg 6,4), damit das Evangelium Christi in dieser Region weiter verkündet wird und das wohltätige „Wort des Lebens“ der Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina Hoffnung und Trost bringen könne. Durch den Vorsitz bei der liturgischen Versammlung, vor allem bei der Feier der heiligen Eucharistie, teilt ihr die Gaben Gottes zur Nahrung für die Gläubigen aus, nachdem ihr sie klar belehrt und hingeführt habt „zur Erkenntnis der wahren Gottesverehrung [...], in der Hoffnung auf das ewige Leben, das der wahrhaftige Gott schon vor ewigen Zeiten verheißen hat“ (Tit 1,1-2). Die Kirche muß am Ende dieses und nun an der Schwelle des neuen Jahrtausends beharrlich fortfahren in ihrer Sendung, die Frohe Botschaft zu verkünden, damit „alle Menschen gerettet werden“ (7 Tim 2,4). Die drei Jahre der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 mögen euch in ausdauernder Predigttätigkeit finden, nach den Hinweisen, die ich selbst im Apostolischen Schreiben Tertio mil-lennio adveniente gegeben habe. Wenn ihr alle diese Ziele verfolgt, baut ihr den Leib Christi hier auf Erden in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche auf (vgl. Eph 4,12). 6. Trotz ihrer Armut möge die Kirche in Bosnien-Herzegowina nicht die Armen vergessen, die an ihre Türen klopfen. Durch die Zerstörungen, die der vergangene Konflikt hinterlassen hat, blieben zerrissene Familien, Witwen und Waisen, Flüchtlinge und Evakuierte, Behinderte und Leidtragende als euer Erbe zurück. Ihr müßt an ihrer Seite bleiben und ihnen durch eure konkrete Nächstenliebe und eure Hirtensorge Erleichterung bringen. In dieser Hinsicht muß ich den Organisationen der Caritas ein besonderes Lob spenden, die in den einzelnen Diözesen so viel 205 REISEN getan haben und noch tun, um die Leiden der Menschen, die sich in Schwierigkeiten befinden, zu erleichtern. Das Zeugnis der Nächstenliebe fördert ein besseres Verständnis zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen in dieser Region, denn Schmerz und Not kennen keine Grenzen. Durch mildtätige Nächstenliebe tragt ihr zum aufrichtigen Dialog mit allen euren Landsleuten bei, die sich dem Aufbau der Kultur der Liebe widmen. So wird es - vergebend und um Vergebung bittend - möglich sein, aus der Spirale der gegenseitigen Beschuldigungen herauszukommen und mit Entschiedenheit den Weg des moralischen und zivilen Wiederaufbaus einzuschlagen. „Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,13). Die Methode des beharrlichen und tiefschürfenden Dialogs muß sodann vor allem das Verhältnis zu den orthodoxen und den anderen christlichen Brüdern und Schwestern kennzeichnen, mit denen uns nicht wenige Bande des Glaubens verbinden. Sucht im übrigen auch mit herzlichen Worten und aufrichtigem Verhalten Motive zur Begegnung und Verständigung mit den Anhängern des Islam, damit ein friedliches Zusammenleben in gegenseitiger Respektierung der Rechte jedes einzelnen und jedes Volkes Zustandekommen kann. 7. Ehrwürdige Brüder, während der Nachfolger des Petrus euch heute in euren guten Vorsätzen bestärken möchte, will er euch auch aufs neue sagen, daß ihr auf eurem Weg nicht allein seid. Wir sind bei euch und werden immer bei euch sein, um euch in den Anstrengungen, die ihr macht, zu unterstützen, damit in der ganzen Kirche „das Band der Liebe, das alles zusammenhält und vollkommen macht“ (vgl. Kol 3,14), fest sei. Ich vertraue euer apostolisches Bemühen dem mütterlichen Schutz Marias, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens, an, die ihr ja, zusammen mit den euch anvertrauten Gemeinschaften mit großer Andacht verehrt. Die Mutter Gottes, Vorbild der Vollkommenheit für die ganze Kirche, helfe euch bei euren Anstrengungen und euren Plänen, so daß durch eure Gegenden der Osterhymnus weiterklingt: „Scimus Christum surrexisse a mortuis vere. Tu nobis, victor Rex, mise-rere! - Wir wissen, daß Christus wahrhaft von den Toten erstanden ist. Du Sieger und König, erbarme dich unser!“ In diesem Sinn erteile ich jedem von euch als Unterpfand meiner Zuneigung einen besonderen Apostolischen Segen, in den ich gern eure Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und alle Gläubigen einschließe, denen eure Hirtensorge gilt. 206 REISEN Friede ist Gabe und Aufgabe Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Orthodoxen Kirche am 13. April Hochwürdigster Herr Metropolit von Dabar-Bosnien, Msgr. Nikolaj, liebe Brüder in Christus! 1. Aufrichtig danke ich der göttlichen Vorsehung, die es mir ermöglichte, während dieses Besuches in Sarajevo mit euch zusammenzutreffen. Mit „dem heiligen Kuß“ (Röm 16,16) des Friedens und der Liebe unseres Herrn Jesus Christus grüße ich alle serbisch-orthodoxen Gläubigen von Bosnien-Herzegowina, denen ich tiefe Achtung entgegenbringe. Mein herzlicher Grüß gilt vor allem Ihnen, hochwürdigster Herr Metropolit Nikolaj, aber auch allen, die Ihnen behilflich sind im Regierungs- Heiligungs- und Leitungsamt der Gläubigen der Serbisch-Orthodoxen Kirche. Auch geht mein ergebener und brüderlicher Gruß an Seine Seligkeit, den Patriarchen Pavle und an die Hirten eurer Gemeinschaften, die die geistliche Leitung dieses Teiles des Gottesvolkes in Bosnien-Herzegowina innehaben, indem sie das Evangelium verkünden und die göttlichen Mysterien feiern. 2. Es ist die göttliche Gnade, die uns alle im Glauben an den dreieinigen Gott verbindet, der sich in Christus geoffenbart hat. Sie führt uns in der Achtung und Liebe zur der Heiligen Schrift zusammen, welche die gemeinsame Wurzel für die von den Vätern gepredigte und in den ersten ökumenischen Konzilien verkündete Lehre darstellt. Nach dieser Lehre sind wir berufen, uns zu Verkündern auf den Spuren der Apostel zu machen, denen der Dienst der Versöhnung anvertraut wurde (vgl. 2 Kor 5,18). Es ist dies eine Aufgabe, die uns im Kontext der gegenwärtigen Schwierigkeiten dazu drängt, mit vereinten Kräften unseren oft von den Schmeicheleien dieser Welt angezogenen Zeitgenossen das einzige Wort anzubieten, das wirklich Heil bringt, und die Gnade, die Hoffnung vermittelt. Nach diesen traurigen Jahren des Krieges und des Brudermordes nunmehr am Vorabend eines neuen christlichen Jahrtausends spüren wir alle die Dringlichkeit einer wirklichen Versöhnung zwischen Katholiken und Orthodoxen, so daß man mit neuem Herzen und neuem Geist den Weg einer immer vollkommeneren Nachfolge Christi einschlagen kann, des Hohen Priesters und einzigen Hirten seiner Herde. Verzeihen wir, und bitten wir um Verzeihung: Das ist der Anfang, um neues Vertrauen zu wecken und neue Verbindungen zwischen denen zu schaffen, die im Sohne Gottes den einzigen Heiland der Menschheit anerkennen. 3. Das Erbe, das uns verbindet, eine lebendige Gabe des Heiligen Geistes, dieses Erbe ist wesentlich größer und verbindender als das, was uns noch trennt und noch hindert, in vollkommener Einheit unseren Glauben zu verkünden. Die Einheit aller Christen ist Geschenk des Herrn, und im Gebet flehen wir inständig darum. 207 REISEN Der auferstandene Christus lebt unter uns, er begleitet die Kirche auf ihrem Weg, er läßt immer wieder neue Jünger aus ihr hervorgehen und gewährt in reichem Maße sein heilbringendes Verzeihen und seine lebenspendende Gnade. Gemeinsam sind wir also durch den Willen des Meisters gehalten, einem jeden Menschen das Evangelium zu bringen. Gemeinsam also fühlen wir uns vom Wunsch beseelt, daß der Glaube wachsen und daß aus dem Glauben der Friede unter allen Völkergruppen von Bosnien-Herzegowina erwachsen möge. Wir sind uns dessen alle bewußt, daß nicht die Welt den Frieden geben kann. Deshalb nämlich wenden wir uns an Christus und hören nochmals seine Worte: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (Joh 14,27). 4. Das Engagement, den Frieden zu verwirklichen, verbindet uns noch mehr als Brüder im gemeinsamen Zeugnis des Herrn der Geschichte. Dieses gemeinsame Zeugnis ist das Gebet, das wir heute zusammen zu Ihm erheben, indem wir uns im Geiste mit all unseren Gemeinschaften verbinden. Wir sind alle Kinder eines Zeugnisses der Liebe, jenes Zeugnisses eines Gottes, „der die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (vgl. Joh 3,16). Jeder ist dazu berufen, die herrlichen Gaben zu kosten und mitzuteilen, die Gott durch das Heilswerk in unseren Herzen und in der Geschichte der Menschheit aussäen wollte. Die Sehnsucht nach einem vollkommenen Frieden und der konkrete Wille, diesen Frieden zu schaffen, verbunden durch den lebhaften Wunsch nach vollständiger Einheit, fuhren auch heute unsere Schritte an. Mit diesen Gedanken will ich der gesamten orthodoxen Gemeinschaft von Bosnien-Herzegowina den Friedensgruß des Apostels zurufen: „Der Herr des Friedens aber schenke euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise. Der Herr sei mit euch allen“ (2 Thess 3,16). Geistliche Fundamente neu beleben Ansprache bei der Begegnung mit der jüdischen Gemeinschaft von Sarajevo am 13. April Sehr geehrter Herr Präsident der jüdischen Gemeinschaft von Sarajevo, liebe Freunde und Brüder! 1. Den Herrn preise ich, den Gott unserer Väter, und ich danke Ihnen allen für diese Zusammenkunft, in der es mir vergönnt ist, mit Ihnen gemeinsam den Wunsch nach Frieden zu teilen. Ich entbiete heute Ihnen allen, die Sie hier anwesend sind, meinen herzlichen Gruß und möchte mich damit gleichsam auch an all 208 REISEN Ihre Brüder und Schwestern im Glauben wenden, die auf dem Territorium von Bosnien-Herzegowina leben. Das große geistliche Erbe, das uns im Wort Gottes verbindet, kundgetan im Gesetz und von den Propheten, ist für uns alle eine beständige und sichere Führung auf dem Weg des Friedens, der Eintracht und des gegenseitigen Respektes. In der Tat ist es Gott, der seinem Volk den Frieden verkündet und der sich zum Garanten der daraus hervorgehenden Güter macht. Er ruft in uns ein starkes Engagement hervor, um diesen Frieden zu verwirklichen, da er nämlich das Programm ist, das dem Bundesvolk diktiert wurde. 2. Schalom! Der Friede ist Gabe des Allerhöchsten, aber er ist auch Aufgabe des Menschen. Wir müssen ihn daher erbitten und uns gleichzeitig dafür einsetzen, daß das göttliche Werk durch konkrete Entschlußfassungen, respektvolles Verhalten und Werke der Brüderlichkeit Frucht bringe. Es ist dies ein Engagement, das einem jeden von uns die Umkehr des Herzens abverlangt. Dem kommt aber Gott mit seinem übergroßen Reichtum an Segen entgegen: „Wenn du zum Herrn, deinem Gott, zurückkehrst und auf seine Stimme hörst in allem, wozu ich dich heute verpflichte, du und deine Kinder, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, dann wird der Herr, dein Gott, dein Schicksal wenden, er wird sich deiner erbarmen, sich dir zukehren und dich aus allen Völkern zusammenführen, unter die der Herr, dein Gott, dich verstreut hat“ {Dtn 30,2-3). Lasset uns also mit Mut und als wahre Brüder und Erben der Verheißungen auf dem Pfad der Versöhnung und des gegenseitigen Verzeihens wandeln. Dies ist der Wille des Herrn: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ {Dtn 6,5; Lev 19,18). Wir Zeugen der Zehn Gebote wissen wohl, daß man die vollkommene Beachtung des Gebotes „Du sollst nicht töten“ nur durch den großherzigen Einsatz in der Nächstenliebe erlangt. 3. Auf diesem Pfad wollen wir wandeln, unterstützt durch die Hilfe Gottes, um so eine Gesellschaft aufzubauen, in der durch die Übeltaten der Menschen nicht mehr Trauer und Tränen hervorgerufen werden. Es soll eine Gesellschaft sein, in der alle gemeinsam am Wiederaufbau einer neuen Gesellschaft arbeiten, deren Fundamente nichts anderes sind, als jene von der wahren Liebe zu allen errichteten. Richten wir unsere Augen und unseren Sinn zum Herrn empor, und preisen wir ihn für diese heutige brüderliche Zusammenkunft in der Hoffnung, daß somit ein neuer Morgen einer menschlicheren Gemeinschaft anbrechen kann, die die ewigen Werte der Gerechtigkeit, der Solidarität, der Zusammenarbeit, der Toleranz und des Respektes zu ihren Fundamenten macht. Lasset uns zueinander sprechen: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 136/ 135,1). 209 REISEN Gemeinsamer Einsatz für Gemeinwohl und Frieden Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der islamischen Gemeinschaft am 13. April Sehr geehrter Herr Reis ul-Ulema, verehrte Herren! 1. Meinen herzlichen Gruß entbiete ich Ihnen, und ich danke Ihnen für diese Zusammenkunft, die mir ein Anliegen ist und die es mir gestattet, zusammen mit Ihnen, Herr Reis ul-Ulema Mustafa efendija Ceric, und Ihren engsten Mitarbeitern alle Muslime von Bosnien-Herzegowina zu begrüßen. Wie Ihnen bekannt ist, betrachtet die Kirche mit Hochachtung die Muslime, die, wie das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung bringt, den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat (vgl. Nostra aetate, Nr. 3). Zu diesem Gottesglauben, der die Muslime den Gläubigen der monotheistischen Religionen nahe bringt, muß man noch zusätzlich erwähnen, daß die islamische Tradition eine große Hochachtung für das Gedächtnis Jesu bewahrt, den sie als einen großen Propheten betrachtet, und für Maria, seine jungfräuliche Mutter. Möge eine solche Nähe immerzu ein tieferes gegenseitiges humanes und spirituelles Verständnis gestatten. Möge ein brüderliches und konstruktives gegenseitiges Verständnis auch zwischen den hier in Bosnien-Herzegowina lebenden Gemeinschaften verschiedener Glaubensüberzeugung behilflich sein. 2. Gott ist einzig, und in seiner Gerechtigkeit will er von uns, daß wir gemäß seinem heiligen Willen leben, uns gegenseitig als Brüder fühlen und uns engagieren, dafür zu arbeiten, daß der Friede in den zwischenmenschlichen Beziehungen gewährleistet ist. Alle Menschenwesen sind von Gott auf diese Erde gestellt, damit sie einen Pilgerweg des Friedens beschreiten, und zwar ein jeder ausgehend von der jeweiligen Situation, in der er sich befindet, und von der Kultur, der er angehört. Auch die islamische Gemeinschaft von Bosnien-Herzegowina weiß um dieses gottgewollte „Schicksal“, aber gleichzeitig sind ihr auch die Mühen dieser notwendigen Wegstrecke bekannt, um sie zu gewährleisten, und sie spürt heute die Folgen eines Krieges, der niemandem Leid und Schmerz erspart hat. Es ist nun die Zeit gekommen, einen ehrlichen Dialog der Brüderlichkeit aufzunehmen, in dem Verzeihen angenommen und gewährt wird. Es ist die Zeit gekommen, Haß und Rachsucht zu überwinden, die immer noch die Festigung eines wirklichen Friedens in Bosnien-Herzegowina behindern. Gott ist barmherzig - dies ist ein Ausspruch, den alle Gläubigen lieben und teilen. Denn eben weil Gott so ist und Barmherzigkeit will, ist es für uns alle eine Pflicht, uns in diese Logik der Liebe hineinzuversetzen, um so das Ziel des wahren gegenseitigen Verzeihens zu erlangen. 210 REISEN Der Friede ist eine Gabe Gottes, die er uns in seiner Güte gewährt, von ihm gefordert und unserem Gewissen abverlangt. Er will den Frieden unter den Menschen, aber auch unter den Nationen. Das ist es also, was der Herrgott von uns fordert, denn er selbst erweist jedem Mann und jeder Frau seine Liebe und sein heilbringendes Verzeihen. 3. Es ist mein Wunsch, daß die Gemeinschaften des Islam, einer Religion des Gebetes, sich in der Anrufung des allmächtigen Gottes mit allen Menschen guten Willens vereinen können, um so in Einheit der Meinungen gemeinsam jenen wirksamen Frieden zu erflehen, der es gestattet, in effektiver Weise für das Gemeinwohl zu leben und zusammenzuarbeiten. Möge der Allerhöchste all jene beschützen, die aufrichtig und in gegenseitigem Verständnis die Kräfte für einen großzügigen und bereitwilligen Einsatz vereinen, um so die moralischen Werte wieder aufzurichten, die allen Menschen gemeinsam sind, die an Gott glauben und seinen Willen lieben. Auf diese Menschen guten Willens sowie auf Sie alle, die Sie hier zugegen seid, rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes herab. Großherzigkeit und Weitblick üben in der Weiterarbeit am friedlichen Zusammenleben Ansprache zur Verleihung des „Friedenspreises Johannes XXIII.“ an karitative Einrichtungen am 13. April Sehr verehrte Damen und Herren! 1. Mit Freude entbiete ich Ihnen meinen herzlichen Gruß. „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Gerne habe ich den Vorschlag angenommen, den „Internationalen Friedenspreis Johannes XXIII.“ an vier humanitäre Organisationen zu verleihen, die sich besonders ausgezeichnet haben durch ihren aktiven Hilfseinsatz in den schwierigen Jahren des Krieges in Bosnien-Herzegowina und in der Republik Kroatien. In einem oft von großen Spannungen und Schwierigkeiten gekennzeichneten Umfeld haben sie mit ihrer Präsenz und ihrem weitherzigen und mutigen Einsatz konkrete Zeichen der Hoffnung gesetzt und dazu beigetragen, den Aufbau einer Zukunft der Versöhnung und echten Solidarität unter verschiedenen Völkern und Kulturen in dieser geliebten Region in Gang zu bringen. 2. Der Preis, den ich heute die Freude habe, an Sie zu überreichen, sehr verehrte Vertreter humanitärer Vereinigungen, die jeweils mit der katholischen, der serbisch-orthodoxen, der muslimischen und der jüdischen Gemeinschaft verbunden sind, bezieht seine geistige Anregung aus dem Wunsch nach Frieden, der von meinem verehrten Vorgänger, Papst Johannes XXIII., kraftvoll vor der ganzen Welt zum Ausdruck gebracht worden war. Er hatte in der Enzyklika Pacem in ter- 211 REISEN ris darauf hingewiesen, daß „allen Menschen guten Willens eine ungeheure Aufgabe zukommt; die Aufgabe, die Beziehungen des Zusammenlebens in Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit wiederherzustellen“, und betont, daß es sich um eine „höchst vornehme“ Aufgabe handle, nämlich „jene, den wahren Frieden in der von Gott festgelegten Ordnung zu verwirklichen“ (vgl. Nr. V). Der von Ihnen geleistete Einsatz an Hilfe und menschlicher Förderung, vor allem an den Schwächsten und Hilflosesten, ist an dem allgemeinen Grundsatz der Würde jeder Person und der Solidarität unter den Menschen ausgerichtet. Aus diesem Grund freut es mich, heute den „Internationalen Friedenspreis Johannes XXIII.“ an die „Caritas“ der Bischofskonferenz von Bosnien-Herzegowina, an „Dobrotvor“ von Sarajevo, an „Merhamet“ von Sarajevo und an „La Benevolencija“ von Sarajevo zu verleihen. Die heutige Preisverleihung will nicht nur eine Anerkennung des von Ihnen und Ihren Mitarbeitern in jüngster Vergangenheit geleisteten höchst humanitären Einsatzes sein, sondern auch eine Ermutigung, großherzig und weitblickend in der gegenwärtigen Wiederaufbauphase weiterzuarbeiten und auf ein friedliches Zusammenleben in Sarajevo, in Bosnien-Herzegowina und in der ganzen Region hinzuwirken. Sie möchte darüber hinaus den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß das Beispiel, das Ihre Organisationen sowie die Personen und Institutionen gegeben haben, welche Ihnen die zu verteilenden Hilfsmittel zuleiteten, auch anderswo Nachahmung finde bei allen, die der Sache des Friedens und der Versöhnung unter den Völkern zu dienen gewillt sind. 3. Wie Johannes XXIII. in der erwähnten Enzyklika hervorhob, ist der Aufbau des Friedens „ein so edles und hohes Unterfangen, daß die menschlichen Kräfte -auch wenn sie von allem lobenswerten guten Willen getragen sind - allein keine Wirkung erzielen können. Damit die menschliche Gesellschaft ein möglichst getreues Spiegelbild des Reiches Gottes sei, bedarf es der Hilfe von oben“ (vgl. ebd.). Bei diesem bedeutungsvollen Anlaß lade ich Sie ein, zusammen mit mir Geist und Herz zum Himmel zu erheben, damit von oben der unentbehrliche Beistand auf alle herabkomme, die oft unter schwierigen und lebensgefährlichen Umständen Tag für Tag auf den leidenden Menschen zugehen - in der Absicht, wirksam zum Aufbau einer Gesellschaft beizutragen, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Gebe Gott, daß in Sarajevo und der gesamten Region das Klima gerechten und stabilen Friedens gefestigt werde! Gott beschütze die Bewohner des Balkans! Möge bald überall auf der Erde Friede herrschen. Der Friede Gottes sei stets mit Ihnen, er begleite alle humanitären Tätigkeiten Ihrer Organisationen! 212 REISEN Nie wieder Krieg! - Wege des Friedens, der Gerechtigkeit, der Zusammenarbeit zum Aufbau einer neuen Gesellschaft Ansprache anläßlich der Abschiedszeremonie in Sarajavo am 13. April Herr Präsident, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Bevor ich diese für mich sehr bedeutsame Pilgerreise nach Sarajevo antrat, habe ich in Gedanken und Gebeten ständig die Ereignisse in dieser so leidgeprüften Region verfolgt. Die vielen Leiden und die Tragödien, die sich hier im Laufe der letzten Jahre ereigneten, haben in meiner Seele stets ein tiefes und leidvolles Echo hervorgerufen. So oft habe ich die Aufmerksamkeit von Menschen guten Willens und von internationalen Instanzen auf eure Situation gelenkt, auf daß diesem Konflikt ein Ende bereitet würde, einem Konflikt, der im Begriff war, ein Land zu zerstören. Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand, damit die Verantwortlichen sich für einen gerechten und dauerhaften Frieden einsetzten. Nun kann ich am Ende meines so ersehnten Besuches sagen, daß ich direkt und aus nächster Nähe eine Menschlichkeit kennengelemt habe, die man wirklich als mutig und stolz bezeichnen kann, und das bezeuge ich vor einer Gesellschaft, die trotz der weiter anhaltenden Schwierigkeiten den Willen hat, einen Neuanfang zu machen, und die ihre Zukunft aufzubauen beabsichtigt, indem sie Wege des Friedens, der Gerechtigkeit und Zusammenarbeit beschreitet. 2. Ich danke Gott dafür, hier eine wirklich lebendige Kirche vorgefunden zu haben, eine Kirche, die trotz ungeheurer Aversionen und Schmerzen voller Enthusiasmus ist und die ihr Kreuz zu tragen wußte, um so allen Zeugnis von der heilbringenden Kraft der Frohen Botschaft des Evangeliums zu bringen. Diese Kirche verkündet nun weiterhin, daß die Zeit der Hoffnung gekommen ist, indem sie sich konkret im Friedensprozeß für die einsetzt, die durch das Leid verbittert sind. Sie lädt zu Übungen einer brüderlichen Nächstenliebe ein, die bereit ist, die Arme für alle offen zu halten, und zwar in Achtung der Ideen und Gefühle eines jeden einzelnen. Nun, da ich im Begriff bin, nach Rom zurückzukehren, versprecht mir, stets die Worte zu wiederholen: Nie wieder Krieg! Das ist ein Wunsch, aber gleichzeitig auch ein Gebet, welches ich den Herzen und der Intelligenz aller anvertraue. Für Bosnien-Herzegowina ist dies wirklich der Zeitpunkt, den Frieden aufzubauen. Um ein solch anspruchsvolles Unternehmen zum Gelingen zu bringen, muß an eure wertvollsten Energien und an die Zusammenarbeit aller Bewohner von Bosnien-Herzegowina appelliert werden, und zwar im Bewußtsein, daß alle Menschen Brüder sind, weil alle Kinder des einzigen Gottes sind. 213 REISEN Wie viele Male habe ich in den vergangenen Jahren dafürgehalten, euch zu versichern, daß „ihr nicht verlassen seid, wir sind mit euch. Immer mehr werden wir mit euch sein“. Die ganze Kirche steht euch zur Seite bei diesem schwierigen Unterfangen, eine neue Zivilisation zu errichten, nämlich die Zivilisation der Liebe. Bevor ich nun abreise, möchte ich euch sagen: Im Geiste bleibe ich bei euch. Im Geiste bleibe ich bei euren Familien und euren Gemeinschaften. 3. Nochmals danke ich allen, die uns einen ruhigen Ablauf dieser Pilgerreise gewährleisteten. Ganz besonders danke ich den Autoritäten von Bosnien-Herzegowina und des Kantons Sarajevo sowie auch den internationalen Autoritäten, die hierfür ihren Einsatz gewährten. Meine Dankbarkeit gilt weiter Ihnen, Herr Kardinal, und allen meinen Brüdern im Bischofsamt sowie dem Klerus, den Ordensangehörigen, allen gläubigen Laien und all jenen, die mir auf vielfache Weise ihre Wertschätzung, ihren Respekt und ihre Zuneigung entgegenbrachten. Der allmächtige und erbarmungsreiche Gott segne euch alle und beschütze euch. 214 REISEN 2. Pastoralbesuch in der Tschechischen Republik (25. bis 27. April) Die Botschaft des hl. Adalbert ist auch heute aktuell! Ansprache bei der Begrüßung am Flughafen von Prag am 25. April Herr Präsident der Republik, Herr Kardinal-Erzbischof von Prag, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Vertreter der politischen, zivilen und militärischen Behörden, liebe Brüder und Schwestern! 1. Als ich vor zwei Jahren auf diesem Flughafen mit einem großen seelsorgerischen Programm zu einem Besuch eintraf, der mich nach Mähren und dann nach Polen führte, und ich gezwungen war, meinen Aufenthalt in Prag auf wenige Stunden zu beschränken, äußerte ich euch gegenüber den Wunsch, „euch 1997 wieder [zujsehen, wenn ich zu einem längeren Besuch anläßlich der tausendjährigen Jubiläumsfeier des Martyriums des hl. Adalbert zurückkommen ... werde“ (Ansprache am 20. Mai, in: O.R.,dt., 2.6.95, S. 6). Der Wunsch ist heute in Erfüllung gegangen: Hier bin ich, abermals durch die Gnade des Herrn, um gemeinsam mit euch das Ereignis zu erleben, auf das ihr euch während dieser zehn Jahre vorbereitet habt. In der Tat war es der betrauerte Kardinal Frantisek Tomäsek, der mit wahrem prophetischem Sinn das „Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung“ zur Vorbereitung auf die Jahrtausendfeier des hl. Adalbert angesagt hatte. Er hatte als der Mann Gottes, der er war, wie Abraham „Hoffnung gegen alle Hoffnung“ (vgl. Röm 4,18). Und er wurde belohnt: Er erlebte die Heiligsprechung der Agnes von Böhmen, den Stärkungsprozeß der demokratischen Grundsätze noch vor dem Fall der Berliner Mauer, die Wiedererrichtung der Freiheit für die Kirche nach langen Jahren der Verfolgung. Nachdem ihm im April 1990 die Freude zuteil geworden war, den Papst zu empfangen, hat er gewiß vom Himmel Gefallen daran gefunden, mich weitere zwei Male zu seinem Volk zurückkehren zu sehen. Die Geschichte wird wirklich von der allmächtigen Hand Gottes gelenkt! 2. Von Herzen danke ich Ihnen, Herr Präsident, für Ihr Hiersein und dafür, daß Sie mich willkommen heißen auch im Namen der gesamten Tschechischen Republik, die Sie mit so hohem Ansehen vertreten, von dem Augenblick an, da Sie unter den Urhebern der Wiedergeburt dieses Landes waren. 215 REISEN An Sie, lieber Herr Kardinal, Erzbischof von Prag, und an alle Brüder im Bischofsamt geht mein herzlicher Gruß und der Ausdruck meiner Freude, von neuem in diesem geliebten Land zu sein, zum Höhepunkt der Feierlichkeiten zu Ehren des hl. Adalbert, die mit großer pastoraler Intelligenz vorbereitet und organisiert wurden. In Liebe grüße ich die Geistlichen, die Ordensbrüder und -Schwestern und die Gläubigen dieses Landes der Heiligen wie auch alle Bürger der Republik. 3. Wie ihr wißt, ist der Anlaß, der mich erneut zu euch geführt hat, zweifach: Wir wollen am Sonntag das Fest des hl. Adalbert feiern und bei dieser Gelegenheit über die Botschaft nachdenken, die aus dem Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung hervorgeht. Das Jahrtausend und das Jahrzehnt: Eben um mit euch diese beiden großen Momente des historisch-geistlichen Lebens eures Vaterlandes zu verbringen, bin ich zurückgekommen. Und ich bin um so lieber gekommen, als dieses Jahr 1997 auch das erste der drei Jahre der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 ist. Wie sollte man nicht einen goldenen Faden sehen, der diese drei großen Begebenheiten untereinander verbindet? In diesem Moment, der mich tiefbewegt, kann ich nicht umhin, die Worte zu erwähnen, die ich während der im Jahre 1990 hier in Prag gehaltenen Predigt an euch richtete, als ich von dem von Kardinal Tomäsek ausgerufenen Jahrzehnt als von einer „weitblickenden Einladung“ sprach, die religiöse und bürgerliche Geschichte eures Vaterlandes zu vertiefen (vgl. Insegna-menti, XIII,1,1990, S. 963; Der Apostolische Stuhl, 1990, S. 397). Es war eine Aufforderung, auf die Herausforderungen der Gegenwart durch das Schöpfen von Licht und Kraft aus der Vergangenheit zu antworten. Und welch Bündel von Licht erreicht uns vom Martyrium des hl. Adalbert, das sich vor nunmehr tausend Jahren vollzog! Die sanftmütige und anziehende Figur des hl. Bischofs spricht mit unveränderter Kraft auch zu der jetzigen Generation. Er war - wie ich bereits Gelegenheit hatte zu bemerken - „der erste Tscheche auf dem Bischofsstuhl von Prag, der erste Tscheche von wahrhaft europäischer Bedeutung [...]. Der hl. Adalbert gehört zusammen mit den Patronen Europas, Benedikt, Kyrill und Methodius, zu den Begründern der christlichen Kultur in Europa, namentlich in Mitteleuropa“ (ebd.). 4. Das Jahrzehnt und das Jahrtausend bringen sich gut in Einklang mit der Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres Zweitausend, die für 1997 auf das Thema „Jesus Christus, einziger Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit“, konzentriert ist. Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Tertio Millennio adveniente angegeben habe, sind wir gerufen, sein Geheimnis zu vertiefen, indem wir „mit erneuertem Interesse“ auf die Bibel zurückgreifen und die Taufe als „Grundlage des christlichen Daseins“ wiederentdecken (vgl. Nr. 40-41). 216 REISEN Auch unter dem ökumenischen Profil ist das eine bedeutsame Verpflichtung, denn „die Hervorhebung der zentralen Stellung Christi, des Wortes Gottes und des Glaubens sollte es nicht verabsäumen, in den Christen anderer Konfessionen Interesse und günstige Aufnahme zu wecken“ (Nr. 41). Es ist mir deshalb eine besondere Freude, meinen Gedanken beim Sprechen dieser Worte den lieben Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften zuzuwenden, die in dieser Republik tätig sind. Ich grüße sie herzlich und sage ihnen „auf Wiedersehen“ bei der ökumenischen Gebetsversammlung, die wir am Sonntag nachmittag in der Kathedrale der Heiligen Veit, Wen-zeslaus und Adalbert begehen werden. Ich vertraue jedoch darauf, daß die spirituellen Begründungen dieses meines Besuchs Widerhall auch unter jenen Menschen finden, die aus unterschiedlichen Gründen der Kirche und der Religion im allgemeinen femstehen. Zu meinen Erfahrungen als junger Geistlicher und Bischof in Krakau gehört, daß ich nicht wenigen dieser Menschen nahekommen konnte, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, und stets habe ich mit großer Achtung auf die innere Not geblickt, die diese nicht selten begleitet. Ich bin gewiß, daß das Erbe der christlichen Werte — deren bevorzugter Zeuge der hl. Adalbert in von Unwissenheit und Barbarei gekennzeichneten Zeiten war — diejenigen nicht gleichgültig läßt, denen, auch wenn sie fern vom Glauben sind, die zivilen, kulturellen und geistigen Wurzeln am Herzen liegen, welche die Geschichte eures Vaterlandes so tief durchzogen haben! 5. Ich bin dabei, mich auf den Weg meiner apostolischen Reise zu begeben, zum Benediktinerkloster von Brevnov, das vor 1004 Jahren vom hl. Adalbert gegründet worden war. Diesem vertraue ich den guten Ausgang meiner Pilgerfahrt an und hoffe, daß diese Jahrtausendfestlichkeiten ein weiterer Schritt vorwärts sind bei der stetig wachsenden geistigen und sittlichen Reife aller geliebten Kinder dieses gesegneten Landes. Herr Präsident, verehrte Brüder, meine Damen und Herren! Mit diesen Wünschen, die meinem Herzen entspringen, erneuere ich mein aufrichtiges Dankeschön für den mir erwiesenen Empfang und empfehle dem Segen des allmächtigen Gottes euch, eure Familien und euer Vaterland an, das - obgleich unter verständlichen Schwierigkeiten - entschieden auf dem Weg zu Horizonten des Friedens, des Fortschritts und der inneren und äußeren Zusammenarbeit ist. Pochvalen bud’ Jezis Kristus! 217 REISEN Fortsetzen der geistlichen Erneuerung in Kirche und Gesellschaft Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen der Tschechischen Bischofskonferenz am 25. April Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Lebhaft ersehnt habe ich dieses Treffen mit euch, die ihr die Verantwortung tragt, das Volk Gottes in diesen Regionen im Glauben zu leiten und in Liebe zu führen. Ich danke Gott, daß ich heute hier bei euch sein kann in diesem Hause, das allen Gastfreundschaft entgegenbringt, da es ja so etwas wie das Haus des Papstes ist. Ich bin euch dankbar für die Sorgfalt, mit der ihr diesen Besuch vorbereitet habt. Möge er reichlich Früchte der Erneuerung hervorbringen im christlichen Leben der einzelnen Diözesen und kirchlichen Bezirke, die nach der kürzlich erfolgten Errichtung der Diözesen Plzen in Böhmen und Ostrava-Opava in Mähren und Schlesien in wenigen Jahren an Zahl zugenommen haben. Herzlich grüße ich jeden von euch, angefangen bei Ihnen, lieber Kardinal-Erzbischof von Prag und Nachfolger des hl. Adalbert, und bei Ihnen, Herr Erzbischof von Olomouc, in dankbarer Erinnerung an Ihre und der Gläubigen Gastfreundschaft während der Pilgerreise vor zwei Jahren. Einen besonderen Gruß richte ich auch an Msgr. Karel Otcenäsek, in dessen Diözese die hl. Messe für die Jugend zu feiern ich morgen die Freude haben werde. Freude bereitet es mir auch, den Apostolischen Exarchen des neuen Exarchats für die in der Tschechischen Republik ansässigen Gläubigen des byzantinisch-slawischen Ritus zu sehen. Zusammen mit den residierenden Bischöfen möchte ich auch die Weihbischöfe grüßen, unter ihnen die beiden von Prag, die kürzlich die Bischofsweihe empfangen haben. Ich bin hier, um mit euch zusammen Gott Dank zu bezeigen für die geistlichen Gaben, mit denen er im Laufe des Jahrzehnts der geistlichen Erneuerung, das auf einen Wunsch des unvergeßlichen Kardinals Frantisek Tomäsek zurückgeht, die Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien gesegnet hat. Ein Jahrzehnt, das in einer noch sehr dunklen Zeit angesagt wurde, um die Gläubigen auf die Jahrtausendfeier des Martyriums des hl. Adalbert vorzubereiten. 2. Heute abend spricht der hl. Adalbert zu uns über sein Leben als Bischof, verzehrt vom Eifer für die ihm anvertraute Herde und zugleich von Gott ergriffen nach dem benediktinischen Ideal von Gebet und Arbeit. Die alte Biographie, die Bruno von Querfurt verfaßt hat, beschreibt lapidar diese Bischofsgestalt: Bene vixit, bene docuit, ab eo quod ore dixit nusquam opere recessit: „Er lebte ausgezeichnet, er lehrte ausgezeichnet, nie wich er in seinen Werken von dem ab, was sein Mund sagte“ {Legende Nascitur purpureus flos, XI). Und nicht weniger ein- 218 REISEN dringlich zeichnet er seine Mönchstugenden, die Liebe zum Gebet, zum Schweigen, zur Demut und zur Verborgenheit: Erat laetus ad omne iniunctum opus, non solum maioribus sed etiam minoribus aboedire paratus, quae est prima via virtutis: „Er freute sich über jede ihm übertragene Arbeit, bereit, nicht nur den Vorgesetzten zu gehorchen, sondern auch den Untergebenen; das ist der vorzüglichste Weg der Tugend“ (ebd., XIV). In seiner reichen Persönlichkeit, seiner kraftvollen und milden Gestalt als ein Mensch mit wachem Empfinden für die Werte der christlichen Zivilisation und als Bischof, der offen war für die großen europäischen Dimensionen und das Charisma besaß, in ein einziges brennendes Verlangen nach dem Apostolat die verschiedenen Völker Europas einzubeziehen, ist Adalbert für uns ein Vorbild. Er war ein unbestechlicher Hirte, der angesichts von Verkommenheit und Schwächen zäh am unwandelbaren Gesetz Gottes festhielt. Er war ein mutiger und verantwortungsbewußter Missionar, berufen, die Horizonte der Evangelisierung und der Verkündigung immer mehr auszuweiten. 3. Der hl. Adalbert trat in der zivilen wie auch der kirchlichen Gesellschaft seiner Zeit ungeheuer schweren Herausforderungen entgegen. Er verpflichtete sich einem bedeutenden Werk, das, wenn es auch nicht sogleich sichtbare Früchte erbrachte, doch im Laufe der Zeit Auswirkungen hatte, die noch heute andauem. Die Herausforderungen, denen ihr, liebe Bischöfe, euch heute gegenübergestellt seht, sind nicht weniger gewichtig als die damaligen. Ich denke in erster Linie an die religiöse Gleichgültigkeit, die, wie ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente betont habe, viele Menschen dazu bringt, so zu leben, als ob es Gott nicht gäbe, oder sich mit einer vagen Religiosität zu begnügen, die außerstande ist, es mit dem Problem der Wahrheit und mit der Pflicht zu entsprechender Konsequenz aufzunehmen (vgl. Nr. 36). Vierzig Jahre systematischer Abdrosselung der Kirche, Beseitigung ihrer Hirten, der Bischöfe und Priester, Einschüchterung der einzelnen Menschen und der Familien, das alles lastet schwer auf der jetzigen Generation. Es zeigt sich besonders im moralischen Bereich der Familie, wie aus einigen statistischen Daten zu entnehmen ist, die bei Gelegenheit des Internationalen Jahres der Familie erstellt wurden. Fast die Hälfte der Ehepaare werden geschieden oder trennen sich, vor allem in Böhmen. Die Zahl der Abtreibungen, die - wenn auch Anzeichen einer geringfügigen Verminderung da sind - immer noch praktiziert werden, gehört zu den höchsten in der Welt. Folglich nimmt der Geburtenrückgang immer größere Ausmaße an: Seit einigen Jahren ist die Zahl der Todesfälle bereits höher als die der Geburten. Eine weitere Herausforderung für die Verkündigung des Evangeliums bildet der Hedonismus, der aus den angrenzenden Ländern in diese Gegenden eingedrungen ist und dazu beigetragen hat, die Krisis der Werte ins tägliche Leben und in die Struktur der Familie zu tragen und sogar den Sinn des Lebens zu interpretieren. Symptom für die Situation ernster gesellschaftlicher Übel ist auch das Überhandnehmen von Erscheinungen wie Pornographie, Prostitution und Pädophilie. 219 REISEN Liebe Brüder, ihr seid euch dieser Herausforderungen bewußt, die euer Gewissen als Hirten und euer Verantwortungsbewußtsein beunruhigen. Sie dürfen euch nicht entmutigen, sondern sollen eine Gelegenheit zu erneutem Einsatz und erneuter Hoffnung sein. Zur gleichen Hoffnung, die den hl. Adalbert trotz der Prüfungen, auch geistlicher Prüfungen, erfüllte. Es ist die Hoffnung, die aus dem Bewußtsein kommt, daß „die Nacht vorgerückt und der Tag nahe ist“ (vgl. Röm 13,12), weil Christus, der Auferstandene, bei uns ist. Es gibt in der Gesellschaft auch nicht wenige gute Kräfte. Viele von ihnen wenden sich an die Pfarreien und zeichnen sich aus durch ihr Bemühen um persönliche Heiligung und apostolischen Einsatz. Ich möchte wünschen, daß sie mit eurer Hilfe Schwierigkeiten und Hindernisse immer überwunden können. 4. Die Familie möge für euch Hirten im Mittelpunkt eurer Aufmerksamkeit stehen. Als „Hauskirche“ bildet sie die gediegenste Gewähr für die erwünschte Erneuerung im Hinblick auf das dritte Jahrtausend. Ich spreche meine Wertschätzung aus für die in allen Landesteilen zustandegekommenen zahlreichen Initiativen und Zentren für Familien und zur Förderung konkreter Hilfen für die Kinder, für die Jugend in Schwierigkeiten und für die alleinstehenden Mütter. In der Familie, in der es noch von tiefem Glauben geprägte Bräuche, Traditionen, Gewohnheiten und Sitten gibt, ist der am besten geeignete Nährboden zum Aufblühen von Berufungen zu finden. Als die Stimme der Hirten zum Schweigen gezwungen war, haben die Familien es verstanden, das von den Vorfahren überkommene christliche Erbe auffechtzuerhalten und Pflanzstätte christlicher Bildung für die Kinder zu sein, von denen eine ansehnliche Zahl Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen wurden. Das heutige Konsumdenken kann sich negativ auf das Entstehen und die Pflege von Berufungen auswirken. Daher besteht die Notwendigkeit, der Förderung von Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben einen pastoralen Vorrang zuzuerkennen. Die Familie ist auch der entscheidende Punkt in der Heranbildung der Jugend. Das Europa des Jahres 2000 braucht hochherzige, kühne, unverdorbene junge Leute, die es verstehen, verantwortungsbewußt ihre Zukunft anzupacken. Liebe Bischöfe, meine Brüder, ich möchte euch ganz besonders meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen für die eifrige Sorge, mit der ihr auf das menschliche und geistliche Wachstum der Jugend bedacht seid. Schon seit der Zeit der Unterdrückung bestand ein dichtes, von mutigen Priestern geleitetes Netz von Aktivitäten zugunsten der Ausbildung der Jungen und der Mädchen. So hat sich eine feinmaschige Aktion zum Wohl der Jugend entwickelt mit Häusern als Treffpunkten, Tagen geistlicher Einkehr und periodischen weiterbildenden Zusammenkünften. Dieses gesegnete Wirken hat reiche Früchte geistlicher Reife hervorgebracht. In dieser Hinsicht sind also alle jene freiwilligen Initiativen zu ermutigen, die Bildungswert für die Jugend haben können. 220 REISEN 5. Große Freude habe ich über die karitativen Tätigkeiten, die die Diözesen von Böhmen und Mähren durch geeignete Organe, vor allem durch die Caritas, ausüben. Solche Organisationen sind durch ihre Anwesenheit imstande, den Edelmut der Allgemeinheit für klug ausgewählte und gut dargestellte Ziele zu wecken. Ich denke besonders an die Hilfe für Menschen, die in der Heimat unbeachtet Armut leiden, an das lobenswerte Hilfswerk für die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina, an die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Missionswerke und der Werke für die Leprakranken und die Ausgegrenzten in der ganzen Welt. In der reichgefächerten Präsenz der Kirche in der Tschechischen Republik haben auch zahlreiche Bewegungen ihren Platz, die auf allen Gebieten der Pastoral, insbesondere der Jugendpastoral, Zusammenwirken zur Förderung eines reifen Gewissens. Ich empfehle ihnen, sich immer in Übereinstimmung mit den Hirten der Kirche zu halten und einen echten Geist der Zusammenarbeit zu pflegen. Zeugnis dafür ist bereitwillige Verfügbarkeit gegenüber den pastoralen Hinweisen, die die Hirten in der Ausübung ihrer Verantwortung im Dienst der ihnen anvertrauten Herde erlassen. Liebe Brüder im Bischofsamt, ihr wißt gut, wie sehr die Kirche jede echte Form der Kultur achtet und fordert und sich bemüht, mit ihr in Gemeinschaft und ins Gespräch zu kommen. Der Ort, an dem Kirche und Kultur sich begegnen, ist die Welt und in ihr der Mensch, der berufen ist, sich fortschreitend zu verwirklichen mit Hilfe der von der Kirche vermittelten göttlichen Gnade und aller Art geistiger Unterstützung, die das Kulturerbe der Nation bereitstellt. Die wahre Kultur bedeutet Humanisierung, während die falschen Kulturen entmenschlichend sind. Wenn sich also der Mensch für die Kultur entscheidet, so bestimmt er damit sein Los. Prag war im intellektuellen Leben ein Leuchtfanal von ungewöhnlichem Ansehen. In diesem Jahr wird die 650-Jahr-Feier der Gründung der berühmten Karlsuniversität begangen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde das tschechiche kulturelle Leben von vielen manchmal entgegengesetzten Strömungen durchzogen, von denen noch unauslöschliche Spuren zurückgeblieben sind. In eurem pastoralen Handeln müßt ihr besonders auch für die Kultur immer Sorge tragen. 6. Bei der Durchführung dieser vielfältigen Aufgaben sind die Priester eure ersten Mitarbeiter; ohne sie könnte euer Handeln nicht nutzbringend sein. Ich empfehle euch: Liebt euren Klerus, seid euren Priestern nahe, die, wie ich wohl weiß, mit außerordentlicher pastoraler Arbeit belastet sind, mit der Sorge für Pfarreien, die manchmal zahlenmäßig sehr groß sind und Zeit, Verfügbarkeit und Anstrengung erfordern. Viele Priester haben in Staatsgefängnissen zu leiden gehabt mit Folgen, die sich noch immer bemerkbar machen und sich mit zunehmendem Alter verschlimmern. Die jüngeren Priester, die voller Begeisterung für das Apostolat aus dem Seminar kamen, können manchmal versucht sein, aufgrund der Einsamkeit oder auch weil gewisse, im Westen schon weitverbreitete Theorien im Umlauf sind, der Routine, wenn nicht gar der Entmutigung nachzugeben. Seid ihnen nahe. 221 REISEN Nehmt sie als Brüder auf. Laßt sie spüren, daß ihr sie liebt und daß ihr nicht auf ihre Arbeit verzichten könnt. Ebenso wichtig ist es, volle und echte Zusammenarbeit mit den männlichen und weiblichen, den aktiven und kontemplativen Ordensgemeinschaften zu pflegen, in besonderer Weise mit den Ordensmännem, die die Priesterweihe empfangen haben und mit Großmut und Hingabe Pfarrgemeinden betreuen. Sie stellen einen wesentlichen Teil eurer Priester dar. Auch die vielfältigen Verlagstätigkeiten zur Herausgabe von Büchern und Zeitschriften verdienen Unterstützung und Wertschätzung durch euer weitblickendes pastorales Bemühen. Ebenso alle die anderen zahlreichen Hilfen zum Apostolat und zum christlichen Zeugnis, die der Heilige Geist in den männlichen und weiblichen Ordensfamilien erstehen läßt. 7. Mir sind noch offene Probleme in den im übrigen herzlichen und aufrichtigen Beziehungen zwischen der Kirche und den zuständigen staatlichen Autoritäten bekannt. Ich erlaube mir, einige der dringendsten Argumente anzufuhren, um eure Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, nicht nur im Rahmen dieser Feiern zu Ehren des hl. Adalbert, sondern auch im Hinblick auf den nächsten Besuch „ad limina Apostolorum“. Es gibt noch keine klare Norm zur Regelung der Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche. Sicherlich ist es jetzt, fast acht Jahre nach dem Zusammenbruch des Regimes, notwendig und für beide Teile nützlich, zu der erwünschten Definition der gegenseitigen Rechte und Pflichten zu kommen. Der Hl. Stuhl ist verpflichtet, im Einverständnis mit eurer Bischofskonferenz nach dieser Lösung zu suchen. Bekanntlich verlangt die katholische Kirche hier wie auch anderswo keine Privilegien, sie will nicht bedient sein, sondern dienen nach dem Beispiel ihres Gründers (vgl. Mt 20,28). Sie wünscht frei und mit Würde ihre Sendung ausüben zu können, die in der Evangelisierung und in der menschlichen Förderung zum Ausdruck kommt, das heißt also in der Predigt des Evangeliums, in religiöser Unterweisung, in der Ausbildung der Heranwachsenden und der Jugendlichen, in der Universi-tätspastoral und in karitativer und Fürsorgetätigkeit. In diesem Rahmen stellt sich die Frage der Rückerstattung der Güter, die in den dunklen Jahren der Verfolgung durch Willkürakte enteignet wurden. In jener Periode wurde die Kirche um die Schenkungen betrogen, die ihr von privater Seite und durch verschiedene Institutionen zugekommen waren und die bestimmten Zwecken der Erziehung und der Karitas dienten. Die Kirche hat das Recht, unabhängig zu leben, und wenn sie diese Güter verlangt, so tut sie es, weil sie mit deren Hilfe den unveräußerlichen Erfordernissen ihrer Sendung entsprechen kann. Die Kirche ist bereit, wie es seit dem Beginn des freien Daseins in dieser Nation wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde, über die Modalitäten der Rückgabe der enteigneten Güter in Dialog zu treten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwen- 222 REISEN dig, eine genaue und vorausschauende Aktionslinie von seiten des Staates sowie der Kirche festzulegen. Sodann wird es notwendig sein, daß eine gemischte Kommission, bestehend aus qualifizierten Vertretern des Staates und der Kirche, objektiv und kompetent über diese Probleme verhandelt. Aufgrund der Erfahrung, die in analogen Fällen in anderen Ländern gemacht wurde, könnte eine Kommission unter dem Vorsitz des Apostolischen Nuntius und zusammengesetzt aus einer angemessenen Anzahl von Bischöfen und Laienexperten diese Probleme mit einer entsprechenden Kommission von Regierungsseite prüfen, um so bald wie möglich zu einer befriedigenden Lösung der noch ungelösten Fragen zu kommen. Schließlich ist es ferner dringend notwendig, daß der Kirche gestattet wird, in Gebieten von herausragend geistlichem Charakter präsent zu sein, wie es nun seit langer Zeit in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Ich nehme Bezug auf den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen, der heute als ein erstrangiger Beitrag zum Aufbau eines Europa betrachtet zu werden verdient, das auf jenem christlichen Kulturerbe begründet ist, das die Völker von West- und Osteuropa gemeinsam haben. Ich denke sodann an die Krankenhaus- und Gefangnisseelsorge, und insbesondere an den geistlichen Beistand im Heer durch die Anwesenheit von gut vorgebildeten Militärkaplänen. Ein erster Versuch in dieser Hinsicht ist mir bei den in Bosnien-Herzegowina stationierten Truppen bekannt, der gute Erfolge aufweist. Wenn ich an diese Aufgaben erinnert habe, so tat ich es auch deshalb, um deutlich zu machen, daß der Hl. Stuhl in unmittelbarer Kenntnis eurer Wünsche und Bedürfnisse immer zu eurer Verfügung ist und sein wird, um euch eine diskrete und konkrete Zusammenarbeit zur Lösung dieser Probleme anzubieten. 8. Herr Kardinal, verehrte Brüder! Die Jahrtausendfeier des hl. Adalbert hat uns Gelegenheit geboten, über die Probleme der Kirche in dieser Nation nachzudenken. Gewiß, sie sind vorhanden, und sie mögen auch ernst sein. Andererseits aber sind sie auch der Beweis dafür, daß die Kirche lebendig ist, daß sie im Wachsen ist und sich als emstzunehmende Gesprächspartnerin den verschiedenen Instanzen der geistlichen, kulturellen, sozialen und politischen Erneuerung stellt. Nach den langen Jahren der Verfolgung hat das Jahrzehnt geistlicher Erneuerung dazu beigetragen, auf den verschiedenen Sektoren des kirchlichen und bürgerlichen Lebens die erwartete Antwort in der Linie der tausendjährigen christlichen Kultur des Landes konkret werden zu lassen. Ja, wir können wiederholen, daß „die Nacht vorgerückt und der Tag nahe ist“. Wenn noch Schattenzonen verbleiben, so sind sie ein Grand, um sich noch mehr einzusetzen. In der Enzyklika Ut unum sint habe ich die Sendung des Nachfolgers Petri im Bereich des Bischofskollegiums als die eines „Wächters“ beschrieben, der seine Brüder, die Bischöfe, bestärkt, damit man „in allen Teilkirchen die wirkliche Stimme des Hirten Christus höre“ (vgl. Nr. 994). Ich danke darum dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, weil er uns Gelegenheit zu der Erfahrung gegeben hat, 223 REISEN daß wir uns „gemeinsam für das Evangelium eingesetzt“ (Phil 1,5) und gegenseitig Kraft und Ermutigung geschenkt haben nach „dem überfließenden Reichtum seiner Gnade“ (vgl. Eph 2,7). Ich gestatte mir, am Höhepunkt der Adalbertfeier euch zu fragen: Custos, quid de nocte? Custos, quid de nocte? „Wächter, wie lange noch dauert die Nacht? Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?“ (Jes 21,11). Der Tag muß anbrechen. Aufgehen muß die neue Morgenröte der Sonne der Gerechtigkeit (vgl. Mal 3,20), Christus, Gott von Gott, Licht vom Licht, ohne den keine Zivilisation der Liebe aufgebaut werden kann. Seid also Wächter, die der Herde das Nahen besserer Zeiten ankündigen. Möge, so ist es mein Wunsch, mit dem einmütigen Wirken aller Kräfte, die um das Wohl des Menschen besorgt sind, jener Friede Christi sich festigen, der unerläßlich ist für die Errichtung einer Ordnung der Gerechtigkeit, des Friedens und des Fortschritts, wonach sich dieses von euch und von mir so geliebte Volk in seinen tiefsten Bestrebungen sehnt. Gott segne euch und begleite euch bei dem schwierigen und begeisternden Werk, das ihr soeben durchführt! Erneuert mit Gottes Geist das Angesicht der Welt Predigt während der Heiligen Messe mit den Jugendlichen in Hradec Krälove (Königsgrätz) am 26. April Meine lieben Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Priester aus ganz Europa. Verehrter Bischof Karel, Oberhirt dieser Diözese! 1. „Veni Creator Spiritus!“ Die Lesungen, die wir gehört haben, liebe Jugendliche, sprechen von der Ausgießung des Heiligen Geistes. Diese fand nach dem Johannesevangelium zunächst am Tag der Auferstehung selbst statt. Christus erscheint im Abendmahlssaal, wo sich die Jünger eingeschlossen haben, und spricht, nachdem er sich zu erkennen gegeben hat, so zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist; wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (loh 20,22-23). Was fünfzig Tage nach der Auferstehung, an Pfingsten, geschieht, wird die Bestätigung und öffentliche Kundgebung dieser Ausgießung vom Osterabend sein. Die Apostel erwarten diesen Moment, zusammen mit der Mutter Jesu im Gebet versammelt, wie uns die erste Lesung in Erinnerung gebracht hat (vgl. Apg 1,13-14). Sie wissen, daß jenes Ereignis eine Wende in ihr Leben und ihre Sendung bringen wird. Und tatsächlich bildet die Pfingsterfahrung den Anfang der Sendung der Kirche, die von jenem Augenblick an öffentlich in Erscheinung tritt und beginnt, das Evangelium zu verkündigen. Die Kirche weiß, daß sie durch den Heiligen Geist entstanden ist: Wie Christus von der Jungfrau Maria durch die Macht des Heiligen Geistes geboren wurde, so 224 REISEN hat auch die Kirche an ihrem Beginn die lebendigmachende Kraft des Geistes empfangen. Und das ist der Grund, warum sie nicht aufhört, inständig zu bitten: „Sende deinen Geist aus, Herr, das Antlitz der Erde zu erneuern“ (vgl. Ps 104,30). 2. Seit dem Pfingsttag hat das von Christus vollbrachte Heilswerk durch die Kirche immer neue Wege gefunden, sich in der Welt zu verbreiten. Im neunten Jahrhundert hat das Evangelium — von den heiligen Brüdern aus Saloniki, Cyrill und Methodius, verkündigt - euer Land, „das Große Mähren“, und auch die benachbarten slawischen Völker erreicht, wo es aufhahmebereiten Boden fand. Eure Vorfahren haben das Christentum von den „Aposteln der Slawen“ empfangen und sind ihrerseits Apostel geworden. So ist zum Beispiel die Taufe Polens an die apostolische Tätigkeit der benachbarten Tschechen gebunden. Aus Böhmen stammt auch der hl. Adalbert: aus dem großen böhmischen Geschlecht Slavnik, dessen Wiege sich hier im Gebiet der Diözese Hradec Krälove befand, wo wir uns begegnen. Mit der heutigen Zelebration danken wir Gott für die Jahrtausendfeier des hl. Adalbert: für dessen Sendung und für das von ihm für Christus bis hin zum Opfer seines Lebens abgelegte Zeugnis. 3. Liebe Jungen und Mädchen der Diözesen der Tschechischen Republik! Junge Freunde, die ihr aus anderen Ländern Europas gekommen seid! Verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, die ihr sie hierher begleitet habt! Ordensbrüder und -schwestem und ihr alle, liebe, hier anwesende Gläubige! Herzlich begrüße ich euch auf diesem wundervollen Platz, wo sich die einzige dem Heiligen Geist geweihte Kathedrale erhebt, wie der hochgeschätzte Msgr. Karel Otcenäsek, Bischof dieser Diözese, zu bemerken pflegt. In alter, ihm wohlbekannter Freundschaft danke ich ihm für die herzlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Einen besonderen Dank möchte ich auch an die Bürger von Hradec Krälove für den lebendigen Geist der Gastfreundschaft richten, die sie auch bei dieser Gelegenheit zu zeigen wußten, indem sie ihre Plätze in der Mitte des Platzes den Jugendlichen aus den verschiedenen Teilen des Landes abgetreten haben, die hier zu der ihnen gewidmeten Begegnung zusammengetroffen sind. Außerdem schulde ich allen Gläubigen der Diözese ein Wort außerordentlicher Wertschätzung für die Großzügigkeit, mit der sie - oft zum Preis beträchtlicher Opfer - zum Bau des „Zentrums der Neuevangelisierung und Bildung“ beigetragen haben, zu dem der Bischof den Anstoß gegeben hatte. Ich bin sicher, sie werden auch in der Unterstützung seiner günstigen Wirksamkeit fortzufahren wissen. Aber laßt uns zu euch, liebe Jugendliche, zurückkommen. Im Bereich der Festlichkeiten zu Ehren des hl. Adalbert ist das euer Tag, liebe Jungen und Mädchen, und es freut mich, euch hier so zahlreich zu sehen. Vor zwei Jahren, im Mai 1995, bin ich mit vielen von euch in Svaty Kopecek gewesen. Ich erinnere mich immer mit Freude an jene Begegnung, bei der ich das „Vaterunser“ erklärte: eines der schönsten Jugendtreffen, an denen ich je teilgenommen habe. Einige Monate später fand die Pilgerfahrt der Jugendlichen nach Loreto statt, wohin ihr zahlreich mit euren 225 REISEN Bischöfen gekommen seid. Eure Vertreter haben sich auch an den Welttreffen von Denver und Manila beteiligt. Ich grüße euch alle in Liebe. Ein besonderes Gedenken gilt denjenigen, die sich nicht hier mit uns einfinden konnten. Ganz besonders euch kranken Kindern und Jugendlichen, die ihr eure Leiden für den Nächsten opfert; und euch jungen Klausurschwestem, die ihr das kontemplative Leben gewählt habt und so viel für eure Gleichaltrigen betet. 4. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Adalbert empfand diese Worte, als wären sie an ihn selbst gerichtet. Erster Bischof von Prag böhmischen Blutes, war er am Ende des ersten Jahrtausends Erbe der Tradition einer Heiligkeit von den ihm vorangegangenen Märtyrern, insbesondere von Ludmilla und Wenzel. Zur gleichen Zeit blickte er auf die Zukunft: Getragen von einem leidenschaftlichen Glauben an Christus, unternahm er jede Anstrengung für die geistige Wiedergeburt Prags und des Vaterlandes. Er kämpfte für die Wahrheit. Er ließ nicht zu, daß der Geist der Zeit sie erstickte. Dafür lebte er, entschlossen, vor keinem Druck von seiten der Gesellschaft seiner Zeit zurückzuweichen. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend - dessen Hauptpersonen ihr, Jungen und Mädchen, sein werdet - stellt sich euch der hl. Adalbert als furchtloser Zeuge des Glaubens dar. Wenn ihr auf ihn blickt, könnt ihr Inspiration und Licht finden, um den Herausforderungen des Augenblicks mutig zu begegnen. Er lehrt euch, euch den anderen im hochherzigen Geschenk eurer selbst zu öffnen. Ihr habt große Sehnsucht nach Freiheit und der Fülle des Lebens: All das kann man nicht mittels der egoistischen Suche des eigenen Vorteils, sondern nur im Sich-der-Liebe-Öffnen erreichen. Die Berufung zur Liebe ist eure wesentliche Berufung. Jesus ruft euch zu diesem Weg: Antwortet ihm Ja“, wie es der hl. Adalbert getan hat. Wenn ihr mit der Kraft der Liebe Christi die unterdrückenden Grenzen des Egoismus überwindet, werdet ihr die Erbauer des neuen Europa und der Welt von morgen sein. 5. „Sende deinen Geist aus, Herr, das Antlitz der Erde zu erneuern.“ Wir haben diese vom Psalm angeregte Anrufung von der ersten christlichen Gemeinde empfangen, die im Abendmahlssaal versammelt war, und heute wird mir die Freude zuteil, sie mit euch, Jugendlichen, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend zu wiederholen. Ihr lebt in einer Situation, die unter gewissen Gesichtspunkten der der ersten Christen ähnlich ist. Die Welt ringsum kannte das Evangelium nicht. Aber sie verirrten sich nicht. Nachdem sie das Geschenk des Geistes empfangen hatten, schlossen sie sich um die Apostel zusammen und liebten einander brüderlich. Sie wußten, daß sie das neue Ferment waren, das die im Untergang begriffene römische Welt notwendig hatte. So in der Liebe vereint, überwanden sie jeden Widerstand. Seid auch ihr wie sie! Seid Kirche, um der Welt von heute die frohe Botschaft des Evangeliums zu bringen. Der hl. Adalbert war ein leidenschaftlicher Diener der 226 REISEN Kirche. Seid ihr es auch! Die Kirche braucht euch! Nach vierzigjährigen Versuchen, sie zu knebeln, erlebt sie hier bei euch - wenn auch inmitten vieler Schwierigkeiten - einen wunderbaren Aufschwung. Sie zählt auf eure frischen Kräfte, auf den Beitrag eurer Intelligenz und Begeisterung. Habt Vertrauen in die Kirche, wie sie Vertrauen hat in euch! 6. „Sende deinen Geist aus, Herr, das Antlitz der Erde zu erneuern.“ Die Kirche, die den Heiligen Geist an Pfingsten empfangen hat, bringt ihn dem Menschen jeder Zeit. Sie bringt ihn auch euch durch ihre Sakramente. Diese erinnern an die wesentlichen Stationen eures Lebens: Ihr wurdet im Wasser und im Geist getauft, und viele von euch haben bereits die Firmung erhalten, das Sakrament, in dem der Geist euch befähigt und verpflichtet, Zeugen Christi zu sein. Bittet den Heiligen Geist, seine Gegenwart in eurem Leben zu offenbaren. Mir ist die Erfahrung der wirkenden Kraft des Heiligen Geistes besonders von meinem Vater vermittelt worden, als ich gerade in eurem Alter war. Wenn ich mich in einer schwierigen Lage befand, riet er mir dazu, zum Heiligen Geist zu beten; und diese seine Unterweisung hat mir den Weg gezeigt, dem ich bis zum heutigen Tage gefolgt bin. Ich spreche zu euch von dieser Sache, weil ihr jung seid, wie ich es damals war. Und ich spreche zu euch davon auf der Grundlage vieler, auch in schwierigen Zeiten verbrachter Lebensjahre. 7. Kehren wir zum Abendmahlssaal zurück. Jesus haucht die Apostel an und sagt zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Ich wünsche, liebe Jungen und Mädchen, daß besonders diese Worte in euch bleiben: in eurem Kopf und eurem Herzen. Der Heilige Geist wird der Kirche als Kraftquelle gegeben, um die Sünde zu besiegen. Nur Gott hat die Macht, die Sünden zu vergeben, weil nur Er den Menschen bis auf den Grund erforscht und dessen Verantwortlichkeit gänzlich ermessen kann. Die Sünde bleibt in ihrer psychologischen Tiefe ein Geheimnis, in das einzutreten nur Gott die Macht hat, um dem Menschen mit eindringlichem Wort zu sagen: „Deine Sünden sind dir vergeben, es ist dir verziehen“ (vgl. Mt 9,2.5; Mk 2,5.9; Lk 5,20.23). Ich möchte, liebe Freunde, daß ihr euch daran erinnert. Es gibt, das wissen wir, die sogenannten „Gesellschaftssünden“, aber letzten Endes hängt jede Sünde von der Verantwortlichkeit eines konkreten Menschen ab. Dieser konkrete Mensch kämpft mit der Sünde, besiegt sie oder wird von ihr besiegt. Der konkrete Mensch leidet, wenn er von der Sünde besiegt ist. Ja, die Gewissensbisse sind schmerzlich. Sie können nicht beseitigt werden. Früher oder später muß man die Vergebung suchen. Wenn das Böse, das wir begangen haben, andere Menschen betrifft, ist es nötig, auch um deren Vergebung zu bitten; aber damit die Schuld tatsächlich vergeben ist, muß man immer die Vergebung Gottes erhalten. Im Sakrament der Wiederversöhnung hat uns Christus ein großes Geschenk gemacht. Wenn wir es mit Treue zu leben wissen, wird es zu einer unerschöpflichen 227 REISEN Quelle neuen Lebens. Vergebt es nicht! Wißt mit Freuden aus dieser Quelle die Gnade zu schöpfen, die Heilung, die Freude und den Frieden, um am Leben Christi selbst Anteil zu nehmen, das im Heiligen Geist übertragenes Leben des Vaters ist. 8. Liebe Freunde! Euch vertraue ich die Aufgabe an, in ausschlaggebender Weise zur Evangelisierung eures Landes, des tschechischen Landes, beizutragen. Tragt Christus ins dritte Jahrtausend. Verlaßt euch auf Ihn! Sein Versprechen überwindet die Jahrhunderte: „Wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten“ (Mk 8,35). Habt keine Angst! Habt keine Angst! Das Leben mit Christus ist ein wundervolles Abenteuer. Er allein kann dem Leben vollen Sinn verleihen, Er allein ist der Mittelpunkt der Geschichte. Lebt von Ihm! Mit Maria! Mit euren Heiligen! Bittet Christus um die Gabe des Geistes. Es ist nämlich gerade Er, der Geist, die göttliche Person, die die Aufgabe hat, die Gewissen der Menschen zu heilen, zu läutern und zu heiligen und so das Antlitz der Erde zu erneuern. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß das für euch, für euer Land, für alle diejenigen, die zum tausendjährigen Erbe des hl. Adalbert gehören, und für die Menschen der ganzen Welt geschehe. Mögen sich in euch die in der heutigen Liturgie von der Kirche mit solcher Kraft verkündigten Worte bewahrheiten: Veni Sancte Spiritus, komm, Heiliger Geist! In Dir ist die Quelle des Lichtes und des Lebens; in Dir ist das Feuer der immerwährenden Liebe; in Dir das Geheimnis der Hoffnung, die nicht enttäuscht. Komm, Heiliger Geist! Amen. Seid Vorbilder und Begleiter für die Christus-Suchenden! Ansprache bei der Begegnung mit Kranken und Ordensgemeinschaften am 26. April Liebe Kranke, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Wer siegt, den werde ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen“ (Offb 3,12). Ein Grund zur Freude ist für mich dieses Treffen in der alten Basilika St. Margareta, dem Herzen der Erzabtei Brevnov. An diesem an Erinnerungen so reichen Ort ist sozusagen die Quelle der religiösen und der nationalen Geschichte eures Heimatlandes entsprungen. Dieses Benediktinerkloster ist, wie ihr wißt, eng mit dem Namen und dem Leben des hl. Adalbert verbunden. Hier hatte er sich eine Zufluchtsstätte erbaut und eine Zelle, wo er in Verborgenheit und im Gebet die notwendige innere Kraft schöpfen konnte. Das von ihm gewünschte und mit der Hilfe des Fürsten Boleslav II. aus 228 REISEN dem Geschlecht der Pryemysliden erbaute Kloster wurde zur Wiege des benedik-tinischen Mönchtums in Böhmen-Mähren und zum Zentrum, von dem aus das Christentum sich in diesem Teil Europas verbreitete. 2. Zehn Jahrhunderte nach seinem Martyrium kommt uns der hl. Adalbert noch vor wie der Sieger, den Gott als starke Säule aufgestellt hat, um eure christliche Geschichte zu stützen. Seine Gestalt als Mönch, als Bischof, als Missionar und als Apostel von Mittel-Osteuropa ist auch heute noch beeindruckend. Allen stellt sie eine Art und Weise der Treue zu Christus und zur Kirche vor Augen, die fähig ist, bis zum letzten und höchsten Zeugnis des Martyriums zu gehen. In der von Bruno von Querfurt verfaßten Biographie des hl. Adalbert ist zu lesen, daß der Heilige, als er sich entschloß, die Welt zu verlassen, von einem ganz bestimmten Verlangen getrieben wurde: „Una cogitatio, unum Studium erat: nihil concupiscere, nihil quaerere praeter Christum“ {Legende Nascitur purpureus flos, XI). Sein einziger Gedanke, seine einzige Absicht war, nichts zu wünschen, nichts zu suchen außer Christus. Das gleiche Programm übergibt er uns heute. Vor allem legt er es euch vor, Brüder und Schwestern, die ihr zwei grundlegende Aspekte des christlichen Lebens darstellt: den der einzigartigen Angleichung an Christus, den Gekreuzigten, durch das Leiden, und den der besonderen Weihe an Gott und der Hingabe an die Ausbreitung seines Reiches. Ich grüße euch in Liebe, zusammen mit Kardinal Vlk, den Bischöfen und den anderen anwesenden Obrigkeiten, und ein besonderes Gedenken gilt dem Herrn Erzabt, dem ich für seine Willkommensworte danke, und den Benediktinermönchen, bei denen wir zu Gast sind. 3. Nun wende ich mich an euch, liebe kranke Brüder und Schwestern. Durch das Leid werdet ihr zum Bild jenes „Gottesknechtes“, der nach dem Wort des Jesaja „unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen“ hat (Jes 53,4; vgl. Mt 8,17; Kol 1,24). Ihr bildet eine verborgene Kraft, die mächtig zum Leben der Kirche beiträgt: Mit euren Leiden nehmt ihr an der Erlösung der Welt teil. Auch ihr seid, wie der hl. Adalbert, von Gott wie eine Säule in den Tempel der Kirche gestellt, um eine äußerst wirksame Stütze für sie zu werden. Liebe Kranke, die Kirche ist euch dankbar für die Geduld, die christliche Ergebung, ja für die Hochherzigkeit und Hingabe, womit ihr, manchmal auch heroisch, das Kreuz tragt, das Jesus euch auf die Schultern gelegt hat. Ihr seid seinem Herzen nahe! Er ist bei euch, und ihr legt für ihn ein wertvolles Zeugnis ab in dieser an Werten armen Welt, die oft die Liebe mit dem Vergnügen verwechselt und das Opfer als etwas Sinnloses betrachtet. Bei dieser Jahrtausendfeier des Martyriums des hl. Adalbert, die in das erste Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 fallt, des Jahres, das „Christus, dem einzigen Erlöser der Welt, gestern, heute und immer“, geweiht ist, vertraue ich euch meine Anliegen für die ganze Kirche und für die Kirche in eu- 229 REISEN rem Land an: Opfert eure Leiden auf für die Erfordernisse der Neuevangelisierung; für die missionarische Kirche, in der der Herr noch heute seine Blutzeugen erweckt, wie damals den hl. Adalbert; für die Fernstehenden und für die, die den Glauben verloren haben. Ich bitte euch auch, für das Wirken der Kirche in diesem Land zu beten: für die Bischöfe und Priester; um Vermehrung der Priester- und Ordensberufungen; für die Sache des Ökumenismus. Der hl. Adalbert, ein Sohn der tschechischen Nation und unerschrockener Zeuge Christi, möge euch ein heftiges Verlangen nach der vollen Einheit unter den Christen einflößen. All diese Hoffnungen lege ich euch in die Hände und ins Herz, liebe leidende Brüder und Schwestern. Die schmerzensreiche Jungfrau, die das Leiden gekannt hat und euch versteht, sei euch als liebevolle Mutter nahe. Und während ich an euch, die physisch und geistig hart Geprüften, denke, möchte ich eine dringende Aufforderung an die Verantwortlichen der Nation richten, immer mitfühlend und aufmerksam zu sein für die Situationen des Leidens in der heutigen Gesellschaft. Die Bedürfnisse der Kranken seien den zivilen Obrigkeiten und jedem Bürger ein Anliegen. Innerhalb der Gesellschaft möge eine wirksame und beständige Solidarität gefordert werden. Die Achtung vor dem Menschen und vor dem Leben, von dessen Beginn an bis zu seinem natürlichen Erlöschen, sei der große Schatz der Zivilisation in diesem Land! 4. Nun möchte ich mich an euch, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen der ganzen Nation, wenden! Der hl. Adalbert zeigt jedem von euch, wie es möglich ist, das kontemplative Leben mit dem apostolischen Leben zu verbinden, und er stellt es ins Licht, wie sehr das geweihte Leben für die Kirche und für die Welt im Plan der Vorsehung liegt. Ihr bildet eine lebendige und unverzichtbare Kraft für die christliche Gemeinschaft. Ich denke zurück an das Treffen mit euch vor sieben Jahren im Sankt-Veits-Dom. Damals ging eine lange und schwierige Zeit der Unterdrückung zu Ende, die die Gläubigen und besonders euch zum Schweigen gezwungen hatte. Auch in den dunklen Jahren habt ihr es verstanden, ein großes Zeugnis der Treue zur Kirche abzulegen. Die Ältesten unter euch haben während der zwei schrecklichen Diktaturen, der nationalsozialistischen und der kommunistischen, große Demütigungen erfahren und Leiden durchgemacht. Viele geweihte Menschen wurden in Konzentrationslagern festgehalten, in Gefängnisse gesperrt, in Bergwerke und zu Zwangsarbeiten geschickt. Aber auch in solchen Situationen wußten sie Beispiele großer Würde in der Übung der christlichen Tugenden zu geben, wie der Jesuit P. A. Kajpr, der Dominikaner P. S. Braito, die Borromäerin Vojtecha Hasmandovä. Und sehr viele andere mit ihnen. Dieser Reichtum an Taten der Liebe, des Opfers und der vollkommenen Aufopferung, die nur Gott zur Gänze bekannt sind, haben gewiß das neue Aufblühen von Berufungen in diesen neuen Zeiten der wiedergefundenen religiösen Freiheit vorbereitet. 230 REISEN 5. Liebe Brüder und Schwestern! Die Jahrtausendfeier zum Gedächtnis des hl. Adalbert ist eine unmittelbare und eindringliche Frage an euch. Adalbert, ein Mann der Kultur und des Gebetes, Missionar und Bischof, ließ in seinem Innern nie die ursprüngliche Berufung als Benediktinermönch zum Erlöschen kommen. Er war eine starke Festung zur Verteidigung des Evangeliums. Der Herr wolle auch euch für die neue Evangelisierung als Säulen in seinen geistigen Tempel, die Kirche, stellen. In der neuen Atmosphäre der Freiheit, die man atmet, und in den tiefgreifenden Umgestaltungen in Kultur und Mentalität stellt ihr fest, vielleicht mehr als in der Vergangenheit, wie das geweihte Leben Widerständen und Schwierigkeiten begegnet, wie es schwerverständlich und unmotiviert erscheinen kann. Verliert nicht den Mut! Vermittelt den Jugendlichen, die an den Türen eurer Häuser anklopfen, hohe und anfordemde Ideale. Laßt sie erfahren, wie das Ostergeheimnis im Alltag des Ordens gelebt wird. Laßt aus eurem Leben den starken Glanz der Liebe leuchten, in der die Schönheit der totalen Weihe an Gott ihre Quelle hat. Laßt euch als Zeugen und Propheten der Transzendenz des menschlichen Lebens „vom geoffenbarten Wort und von den Zeichen der Zeit“ (Apostol. Schreiben Vita consecrata, Nr. 81) befragen. Lebt radikal die Nachfolge Christi, und strebt mit allen Kräften nach der Vollkommenheit der Liebe: „Streben nach Heiligkeit: das ist zusammengefaßt das Programm jedes geweihten Lebens, auch im Hinblick auf dessen Erneuerung an der Schwelle des dritten Jahrtausends“ (ebd., Nr. 93). 6. Diese Geschichte erneuter Treue zu Christus und zu den Brüdern müßt ihr schreiben in einer Welt mit drängenden und konkreten Problemen, die euch antreiben, mit Großmut euren Beitrag zu leisten. Wißt ihn in voller Übereinstimmung mit dem Evangelium und im Geist eures besonderen Charismas anzubieten. Eure Ganzhingabe an Gott möge Überzeugung ausstrahlen und Werte künden, die ein Anruf an eure Zeitgenossen sein und sie auf Perspektiven hinweisen können, die den Plan Gottes mit dem Menschen voll respektieren. Bleibt in eurem Handeln immer mit den Anweisungen der kirchlichen Obrigkeiten verbunden. Ohne die Kirche wird das geweihte Leben unverständlich. Doch was wäre die Kirche ohne euch, Mönche und Nonnen, kontemplative Seelen, ohne die Ordensmänner, die Ordensfrauen und die Mitglieder der Säkularinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens, die sich der Verkündigung des Evangeliums, dem Beistand der Kranken, der alten und der ausgegrenzten Menschen und der Erziehung der Jugend in den Schulen widmen? Die Kirche braucht euch! In euch macht sie ihre mütterliche Fruchtbarkeit und ihre jungfräuliche Reinheit sichtbar. Wißt den Sinn für das Absolute Gottes und Freude, Optimismus und Hoffnung um euch zu verbreiten. Das sind Wirklichkeiten, die aus einem in die Liebe und in die Schönheit Gottes eingetauchten Leben kommen und aus dem „Nichts-Gesucht-Ha-ben außer Christus“, so, wie es beim hl. Adalbert war. 231 REISEN 7. Liebe Gottgeweihte, liebe Kranke, ich wünsche jedem von euch, daß ihr im täglichen Leben die unergründliche Liebe Gottes und die Fülle seiner Gnaden zu begreifen versteht, und ich vertraue euch alle dem mütterlichen Schutz Marias an, die am Fuß des Kreuzes ihre vollkommene Hingabe an den göttlichen Willen mit überzeugter und vertrauensvoller Zustimmung zu besiegeln wußte. Die Heilige Jungfrau leite eure Schritte in der Christus-Suche. Er sei die einzige und tiefe Sehnsucht eures Herzens! Meinen Segen euch allen! Eure Geschichte — geprägt vom Leben und Wirken des hl. Adalbert Predigt während der Eucharistiefeier auf dem Letnä-Platz in Prag am 27. April 1. „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Wir sind auf diesem weiten Platz versammelt, um miteinander ein feierliches „Te Deum“ zu singen zum Dank für das Jahrtausend seit der Geburt im Himmel des hl. Adalbert, Bischof von Prag, Apostel des Evangeliums im Herzen Europas und Zeuge Christi bis zum äußersten Opfer seines Lebens. Wie der gute Hirt gab er von Anfang an sein Leben für die Herde hin und opferte es endgültig im Martyrium, das er unter den Preußen erlitt, als diese noch den heidnischen Religionen anhingen. Er also ist der eifrige Hirt, den die Vorsehung an den Anfang der Geschichte der slawischen Völker Mitteleuropas - der Tschechen, der Polen und der Slowaken - sowie auch des ungarischen Volkes gestellt hat. In diesem Jahr begehen wir zur Erinnerung die Tausendjahrfeier seines Martyriums: ein Ereignis, das alle Teilkirchen, die seit mehr als zehn Jahrhunderten unter diesen Völkern leben und das Evangelium verkünden, mit besonderer Intensität zu feiern sich verpflichtet fühlen, angefangen auf diesem böhmischen Boden, wo der Heilige das Licht der Welt erblickte. 2. Vom Nachfolger Petri zum Bischofsdienst am Sitz in Prag, in Böhmen, gerufen, hatte Adalbert kein leichtes Amt. Angesichts des Widerstands der eigenen Landsleute mußte er seinen Bischofsstuhl verlassen und nach Rom gehen, wo er auf dem Aventinhügel ein monastisches Leben nach der benediktinischen Tradition begann. Er kehrte nach Prag zurück, als die Umstände günstiger geworden schienen; doch die Gegnerschaft seiner Landsleute zwang ihn ein weiteres Mal zum Verlassen der Heimat. Er lebte von nun an als Missionar zunächst im Flachland Pannoniens, dem heutigen Ungarn; dann wurde er in Gnesen, am Hof Boleslavs des Tapferen, gastlich aufgenommen. Allerdings blieb er auch dort nicht lange. Neuerlich brach er als Missionar des Evangeliums auf und zog ins Baltikum, wo er den Märtyrertod 232 REISEN fand. Um einen hohen Preis erwarb Boleslav der Tapfere die sterblichen Überreste des befreundeten Bischofs und ließ sie nach Gnesen bringen. Im Jahre 1000 wurde bei den Reliquien des Märtyrers eine wichtige Versammlung abgehalten, bei der Entscheidungen getroffen wurden, die einen erheblichen Einfluß auf die Umstände des nationalen und kirchlichen Lebens im Polen der Piasten haben sollten. Die Christen dieses Volkes verehren deshalb den hl. Adalbert als einen ihrer Hauptpatrone; sie sehen in ihm ein beredtes Zeichen der verwandtschaftlichen Beziehung, die seit den Anfängen die Nachbarvölker von Böhmen und Polen verbindet. In Polen ist die Erinnerung an den hl. Adalbert vor allem mit der Kirche in Gnesen verbunden. Die Gläubigen begeben sich dennoch oft auf Wallfahrt nach Prag. Denn hier nahm die Mission des Heiligen ihren Anfang, der in einer tiefen geistlichen Beziehung zu den Patronen der Kirche in Böhmen stand: dem hl. Wenzel und der hl. Ludmilla - beide am Anfang einer langen Reihe von Heiligen, die euer Land hervorgebracht hat. 3. Im Abschnitt aus dem Kolosserbrief, den wir gehört haben, schreibt der Apostel Paulus: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (1,24). Es ist schwer, Worte zu finden, die die Bedeutung des Martyriums des hl. Adalbert besser ausdrücken könnten! Er war Verwalter des Evangeliums, Diener des lebendigen Christus in der Kirche. Er wurde wie die Apostel zum öffentlichen und mutigen Zeugen des Geheimnisses Christi. „Jenes Geheimnis - schreibt der Apostel Paulus -, das seit ewigen Zeiten und Generationen verborgen war. Jetzt wurde es seinen Heiligen offenbart; Gott wollte ihnen zeigen, wie reich und herrlich dieses Geheimnis unter den Völkern ist“ (ebd. 1,26-27). 4. Es handelt sich um ein Geheimnis, das für alle Völker bestimmt ist: sowohl für die, welche in der Welt der Antike von den Apostolischen Reisen des hl. Paulus berührt wurden, als auch für die, welche die Missionstätigkeit der Kirche im Lauf des ersten und zweiten Jahrtausends erreicht hat. An der Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend unterzog sich der hl. Adalbert dieser apostolischen Mühe, um das Geheimnis Christi zu den heidnischen Völkern in der Mitte Europas zu bringen. Heute, am Ende des zweiten Jahrtausends, da wir tausend Jahre seit dem Martyrium des hl. Adalbert feiern, scheint er selbst mit den Worten des Kolosserbriefs zu uns zu sprechen: „Ihr habt Christus Jesus als Herrn angenommen. Darum lebt auch in ihm! Bleibt in ihm verwurzelt und auf ihn gegründet, und haltet an dem Glauben fest, in dem ihr unterrichtet wurdet. Hört nicht auf zu danken“ (Kol 2,6-7). Der Paulustext warnt uns vor jeder Wissenschaft und Philosophie, die sich - wie der Apostel schreibt - auf die „Elementarmächte der Welt“ (vgl. ebd. 2,8) beruft, d. h. auf eine nur menschliche Überlieferung und nicht auf Chri- 233 REISEN stus. In heutiger Sprache könnte man sagen: Paulus warnt uns vor Verweltlichung und Säkularisierung. Eine überaus aktuelle Mahnung zu diesem Jubiläumsanlaß! 5. Liebe Brüder und Schwestern! Was für eine große Freude, heute mit euch allen das Adalbert-Millennium feiern zu können! Ich danke dem Herrn, der uns die Möglichkeit gibt, hier auf dem Letnä-Platz zusammenzusein - genau wie vor sieben Jahren. Einen herzlichen und brüderlichen Gruß richte ich zu allererst an den lieben Kardinal-Erzbischof von Prag, Miloslav Vlk, Nachfolger des hl. Adalbert. Mit ihm grüße ich die Bischöfe der Tschechischen Republik, die Kardinale und Bischöfe aus ganz Europa; die Priester, die Ordensmänner und die Ordensfrauen. Meine ehrerbietigen Gedanken gehen sodann zu den Vertretern aus der Welt der Politik, der Kultur und der Wissenschaft: Mit ihrer Anwesenheit bezeugen sie die nicht allein religiöse, sondern auch gesellschaftliche Bedeutung dieses Gedenkanlasses. Ich grüße euch von Herzen, liebe Gläubige aus Böhmen, Mähren und Schlesien -und euch alle, Brüder und Schwestern, die ihr aus der Slowakei, Polen und anderen Ländern Europas angereist und heute willkommene Gäste bei dieser festlichen Feier seid. Mit Ergriffenheit denke ich an Kardinal Frantisek Tomäsek, der ein Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung zur Vorbereitung auf das Adalbert-Millennium ausgerufen hatte, damit die historischen Wurzeln des Landes und dessen tiefe christliche Traditionen neu entdeckt würden. Im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 stellt diese Feier nicht nur an die Bürger der Tschechischen Nation, sondern an alle, die den heiligen Märtyrer als Vater im Glauben verehren, einige deutliche Fragen: Wie steht es um das geistliche Erbe, das er hinterlassen hat? Welche Früchte wurden daraus gewonnen? Sind die Christen von heute imstande, in der Lehre und dem Vorbild ihres großen Hirten Inspiration und Antrieb zu finden, um wirksam zum Aufbau der neuen Zivilisation der Liebe beizutragen? 6. Auch heute übt der hl. Adalbert mit seiner gestandenen Persönlichkeit, ausgestattet mit felsenfester Entschlossenheit, offen für die geistlichen und materiellen Bedürfnisse der Brüder, eine besondere Faszination aus. Viele sehen in ihm einen würdigen Vertreter nicht nur der tschechischen Nation, sondern auch der glücklicherweise noch ungeteilten christlichen Tradition. In diesem Licht ist der hl. Adalbert ein - wir könnten sagen - vielschichtiger Zeuge, den Gott der Christengemeinschaft der Vergangenheit und der Gegenwart gegeben hat. Er ist ein Zeichen für jene Eintracht und Zusammenarbeit, die zwischen der Kirche und der Gesellschaft bestehen muß. Er ist ein Zeichen für das zwischen dem tschechischen und dem polnischen Volk bestehende Band. Ich sage das mit lebhaftem Wohlgefallen, werde ich doch - so Gott will — in einem Monat unter meinen Landsleuten sein, um mit ihnen das Tausendjahr-Gedenken eures Heiligen zu feiern. Durch ihn auch hat sich das Christentum in Polen gut entwik-kelt. Zur Zeit gelangt eine beachtliche Zahl polnischer Priester in die tschechi- 234 REISEN sehen Diözesen - Fracht des Blutes dieses großen Märtyrers —, um in dieser Phase der Hoffnung nach der langen Periode der Gewalt und Unterdrückung in der Pastoral in euren Gemeinden mitzuarbeiten. Der hl. Adalbert ist ein Heiliger für die Christen von heute: Er lädt sie ein, sich nicht in sich zu verschließen und den Schatz der Wahrheit, den sie besitzen, in einer geistig unfruchtbaren Abwehrhaltung gegenüber der Welt zurückzubehalten. Er heißt sie im Gegenteil, sich der heutigen Gesellschaft zu öffnen in der Suche nach allem, was sie an Gutem und Wertvollem besitzt, um es wenn nötig im Licht des Evangeliums zu reinigen. 7. „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Die Worte der Liturgie des heutigen Hochfestes finden in gewissem Sinn ihre Krönung im Text aus dem Evangelium nach Johannes. Das Gleichnis vom „guten Hirten“ hat die Person und Sendung Christi zum Mittelpunkt. Er ist tatsächlich der gute Hirt, der sein Leben für die Schafe hingibt, wie er es auf Golgota mit seinem Leiden und Tod am Kreuz tat. In dem Augenblick, da er sich hingibt, ist Christus sich des universalen Wertes, den sein Opfer besitzt, deutlich bewußt. Er sagt: „Ich gebe mein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,15), und fügt sogleich hinzu — gewissermaßen im Gedenken an alle diejenigen, für die er sich hingibt: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten“ (ebd. 10,16). Auf Golgota sind die Völker und Nationen der Erde bereits geistlich zugegen; sie alle sind zum Heil berufen. 8. Das Evangelium ist für alle Menschen bestimmt, denn alle sind erlöst durch das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Alle: also auch die Völker, zu denen vor tausend Jahren der hl. Adalbert als Zeuge des Geheimnisses Christi gesandt worden war. Tausend Jahre später, da wir des Martyriums und des ganzen, vom Evangelium geprägten Lebens des hl. Adalbert gedenken, singen wir mit der ganzen Gemeinschaft der Christen: „Te Deum laudamus ... - Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir ... Dich preist der Märtyrer leuchtendes Heer.“ Und zugleich anempfehlen wir der göttlichen Vorsehung das Geburtsland des heiligen Bischofs, die berühmte Nation, aus der er hervorging, sowie alle slawischen Völker, die am Beginn ihrer Geschichte die Früchte seiner Mission erfahren haben. „Salvum fac po-polum tuum, Domine ... - Rette dein Volk, o Herr, und segne dein Erbe ...“ „Salvum fac!“ Das in diesem Land vom hl. Adalbert begonnene Heilswerk möge festen Bestand haben und unter euch reichliche Früchte bringen - unter seinen Landsleuten wie auch unter denjenigen, zu denen er gesandt wurde! Amen. 235 REISEN Vorbild der Heiligen - Kräfte des Geistes für das Gemeinwohl mobilisieren Regina Caeli in Prag am 27. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Ende dieser Eucharistiefeier lade ich euch ein, die Gedanken mit dem Re-gina-Caeli-Gebet auf Maria zu richten. Auch heute haben wir viele Gründe, der Heiligsten Jungfrau zu sagen: „Freue dich, du Himmelskönigin!“ Ist es nicht ein Grund zur Freude, die Tausendjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert zu begehen? Wir haben uns das wundervolle Zeugnis dieser beispielhaften Hirtengestalt in Erinnerung gerufen, die unermüdlich den Nahen und Femen Christus verkündete, und wir haben aufmerksam zugehört. Der hl. Adalbert spricht auch heute zu uns! Mit der mitreißenden Kraft seines Beispiels zeigt er den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Jugendlichen das Ideal eines Lebens in großmütiger Hingabe an den Herrn und die Brüder und Schwestern. Er ermutigt alle, dem Ruf des rechten Gewissens zu folgen, um das Herz für die Werte der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit, der Liebe und des Friedens zu öffnen. Er richtete darüber hinaus an jeden Sohn und jede Tochter dieser Nation die Einladung, die Einheit trotz aller Verschiedenheit zu suchen, die Kultur zu fördern, um so die innersten Kräfte des Geistes bei der Suche nach dem Gemeinwohl zu mobilisieren. 2. „Freue dich, du Himmelskönigin!“ Grund zur Freude sind auch die leuchtenden Gestalten der Heiligen, die dieses Land groß gemacht haben: Ludmilla, Wenzel, Adalbert - sie sind Wurzeln der tschechischen Nation, hervorgegangen aus dem Stamm, den die heiligen Brüder aus Thessaloniki, Kyrill und Methodius, und ihre Schüler gepflanzt haben. Ihnen folgten in den weiteren Jahrhunderten Prokop, der bescheidene Benediktiner; Agnes von Böhmen, die ganz Gott und den Armen gehörte; Zdislava, die beispielhafte Frau und Mutter im alltäglichen Leben der Burg von Lemberk. In dieser Reihe von Heiligen fehlen nicht Priester und Märtyrer wie Johannes von Nepomuk und Johann Sarkander und Missionare wie Johann Nepomuk Neumann. Wahrhaftig, das Evangelium ist hier nicht vergeblich gepredigt worden! Vor sieben Jahren habe ich genau hier in diesem Letnä-Park gesagt, was ich heute wiederholen möchte: „Eure christliche Geschichte ist [...] nicht zu Ende. Eure Heiligen schweigen nicht [...] Eure Heiligen sind lebendig. Mögen sie die Bürgen eurer Vergangenheit und eurer Zukunft sein“ (Predigt am 21.4.1990, Nr. 4; vgl. In-segnamenti,\,XIII, 1,1990, S. 963 f.; deutsch in: Der Apostolische Stuhl, Bd. 1990, S. 397). 3. „Regina caeli laetare, alleluia!“ Freuen also auch wir uns mit der Mutter Gottes, und blicken wir mit dem Herzen voller Hoffnung in die Zukunft. 236 REISEN Geliebte Brüder und Schwestern! Maria möge am Ende dieses Adalbert-Millenniums in Erwartung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 eure großmütigen Vorsätze der Treue zu Christus und der geistlichen Erneuerung vor ihren auferstandenen Sohn tragen. Wir freuen uns mit dir, Mutter der Kirche, und danken dir für diese großen Gaben. Vergiß dieses Volk nicht, begleite es mit deinem mütterlichen Schutz jetzt und immer. Freue dich, du Himmelskönigin! Gemeinsames Beten und Mühen um Einheit Ansprache während des Ökumenischen Gebets zu Ehren des hl. Adalbert im Sankt-Veits-Dom zu Prag am 27. April Liebe Brüder in Christus! 1. „Wir [sind] verpflichtet, [...] zu Mitarbeitern für die Wahrheit [zu] werden“ (3 Joh 8). So ermahnt uns der dritte Brief des Johannes. Mit diesen Worten, die uns innerlich tief berühren, begrüße ich euch zu diesem ökumenischen Gebet, bei dem wir die Sehnsucht nach der Einheit besonders intensiv empfinden. Ja, wir müssen Mitarbeiter für die Wahrheit sein. Ungeachtet des Gebotes, das uns Christus beim letzten Abendmahl hinterlassen hat, sind wir Christen leider gespalten. Die tiefen Wunden, die im Laufe der Glaubensgeschichte Europas gerissen wurden, sind eine Anfrage an unser Gewissen. Das gilt in dieser Stunde ganz besonders in bezug auf die in der Geschichte der tschechischen Nation eingetretenen Spaltungen. Es ist, Gott sei Dank, auch eine Stunde des Dialogs im Gebet. Das erlaubt uns, miteinander über die Wahrheit nachzudenken, die, wie ich in der Enzyklika Ut unum sint geschrieben habe, „das Gewissen formt und sein Handeln in Richtung Einheit orientiert“ (Nr. 33). 2. Die Suche nach der Wahrheit macht uns bewußt, daß wir Sünder sind. Auf Grund gegenseitiger Unverständnisse, die häufig durch Mißtrauen, wenn nicht gar Feindseligkeit bedingt waren, haben wir uns gespalten. Wir haben gesündigt. Wir haben uns vom Geist Christi entfernt. Deshalb schrieb ich in dem Apostolischen Schreiben Orientale lumen: „Die Sünde unserer Spaltung ist sehr schwer: ich empfinde das Bedürfnis, daß unsere gemeinsame Verfügbarkeit gegenüber dem Geiste, der uns zur Umkehr ruft, wachsen möge [...] Mit jedem Tag regt sich in mir eindringlicher der Wunsch, die Geschichte der Kirchen neu zu überprüfen, um schließlich eine Geschichte unserer Einheit zu schreiben“ (Nr. 17-18). Das Näherrücken des dritten Jahrtausends verlangt von allen Christen die Bereitschaft, beim Wiederanhören der Abschiedsrede Christi im Abendmahlssaal eine strenge Gewissensprüfung im Lichte des Geistes 237 REISEN vorzunehmen. Wir müssen die Dringlichkeit spüren, daß wir die Aufgabe haben, alle zusammen zur demütigen Anerkennung der einen Wahrheit zu gelangen. Wir fühlen es, heute erleben wir die Stunde der Wahrheit. Dieses Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläumsjahr, das meinem Wunsch gemäß der Reflexion über Jesus Christus gewidmet ist, kann in ökumenischer Hinsicht ein willkommener Anlaß zu einer wahrhaftigeren und damit stärker von einigender Kraft erfüllten Begegnung mit ihm, unserem einzigen Herrn und Meister, sein. 3. Ist nicht vielleicht auch die großartige Kathedrale, in der wir uns hier befinden, ein Symbol der Einheit? Dieses Juwel der Kunst und des Glaubens ist vor mehr als 650 Jahren von Kaiser Karl IV. und Erzbischof Emst von Pardubitz errichtet worden. Sie haben mit diesem Bauwerk den Grundstein für die kirchliche und zivile Gemeinschaft gelegt. Hier ruhen Heilige und Könige. Hier werden der Schatz der Nation - die Trophäen der tschechischen Krone - und der Kirchenschatz - die Reliquien vieler ihrer Heiligen - aufbewahrt. Ich werde gleich nachher bei der berühmten Reliquie des hl. Adalbert und am Grab des hl. Wenzel in der ihm geweihten Kapelle beten: das sind Heilige der noch nicht getrennten christlichen Gemeinschaft. Ich verweilte im Gebet am Grabstein von Kardinal Tomäsek, der durch seinen festen Glauben dazu beigetragen hat, auch in den dunkelsten Zeiten der Unterdrückung in jedem die Hoffnung lebendig zu erhalten bis zur Befreiung der Heimat. Was wir heute erleben, ist also die Stunde der Hoffnung. Dieser in seiner einzigartigen Architektur mit der Seitenfront der Prager Burg verschmolzene Dom ist der Ort der kirchlichen und patriotischen Tradition, und er ist das Symbol der Einheit der Nation. 4. Ich freue mich, von hier aus, gleichsam von einer „Stadt, die auf dem Berg liegt“ (vgl. M/5,14), auf die Anstrengungen zu Wiederannäherung und Dialog hinzuweisen, die die verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften in diesem Land unternehmen, um die Wunden der Vergangenheit zu heilen. Bei meinem ersten Besuch vor sieben Jahren zitierte ich die „besorgten Worte“, die ich von Kardinal Beran beim II. Vatikanischen Konzil über den „Fall des böhmischen Priesters Jan Hus“ gehört hatte, und sprach den Wunsch aus, daß „der Platz, den Jan Hus unter den Reformatoren der Kirche neben anderen bekannten Reformergestalten einnimmt, genauer“ bestimmt werden möge (vgl. Insegna-menti,XIII, 1,1990, S. 969; vgl. Der Apostolische Stuhl, Bd. 1990, S. 381). Meiner Anregung folgend, arbeitet die ökumenische Kommission „Husovskä“ ernsthaft in der angegebenen Richtung. Besondere Bedeutung gewinnen im Rahmen dieser Arbeit Initiativen, wie die Jan Hus gewidmete Tagung 1993 in Bayreuth, zu der in Vertretung des Hl. Stuhls Kardinal Edward Idris Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, eingeladen war. Außerdem weiß ich, daß der Erzbischof von Prag, Kardinal Miloslav Vlk, an den ökumenischen Begegnungen teilnimmt, die jedes Jahr am 6. Juli, dem Jahrestag des unglückseligen Todes von Jan Hus, stattfinden. 238 REISEN Für erwähnenswert halte ich auch die Arbeit der ökumenischen Kommission zur Erforschung der tschechischen Glaubensgeschichte im 16. und 17. Jahrhundert. Von einem wahrhaft ökumenischen Geist inspiriert, will sie wissenschaftlich gültige Hilfen für ein besseres, vorurteilsfreies Verständnis von Ereignissen liefern, die in der Vergangenheit zu Unruhen und Ausschreitungen im Verhältnis zwischen lutherischen und katholischen Brüdern führten und deren hinreichende Klarstellung noch aussteht. Schließlich blicke ich mit großer Zuversicht auf die trostreiche Abhaltung der jährlichen ökumenischen Wortgottesdienste. Zu diesen Gottesdiensten kommen die Vertreter aller christlichen Kirchen und Gemeinschaften der Republik sowohl zu Beginn des Jahres (auf die internationale Initiative des Evangelischen Bundes hin) als auch in der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen zusammen. In der Atmosphäre intensiver Andacht und brüderlicher Liebe, die bei solchen Begegnungen entsteht, wird die Sehnsucht nach der einen Eucharistie noch brennender spürbar. 5. Diese eindrucksvolle ökumenische Begegnung heute ist für uns alle auch die Stunde der Liebe. Ich wünsche mir aufrichtig, daß für einen jeden die Worte gelten mögen, die der Apostel Johannes an den unbekannten Empfänger seines dritten Briefes schreibt: „Lieber Bruder, du handelst treu in allem, was du an den Brüdern, sogar an fremden Brüdern tust. Sie haben vor der Gemeinde für deine Liebe Zeugnis abgelegt“ (3 Joh 5-6). Dieser Text kann für uns ein leuchtender Bezugspunkt und ein anspomendes Motiv für unseren ökumenischen Einsatz sein. Denn in der Liebe ist es möglich, gemeinsam Gott um Vergebung zu bitten und den Mut aufzubringen, die Ungerechtigkeiten und Beleidigungen der Vergangenheit, so groß und verwerflich sie auch gewesen sein mögen, einander zu vergeben. Die Schranken der gegenseitigen Verdächtigung und des Mißtrauens müssen niedergerissen werden, um die neue Zivilisation der Liebe aufzubauen. Sie wird aus unserem ehrlichen Bemühen entstehen, Mitarbeiter für die Verbreitung der Wahrheit, der Hoffnung und der Liebe zu sein. Für den heiligen Bischof Adalbert wurde die Einheit seiner Herde zum Ziel, zum anstrengenden Engagement und zum Sorgenkind seines Lebens, und er hat das Verdienst, die verschiedenen Völker Europas in der Sehnsucht nach der Einheit geformt zu haben. Seinem Ideal folgend, wiederhole ich heute auch von diesem Dom aus die Worte, die ich vor zwei Jahren von Olmütz aus an das Land gerichtet habe, als ich im Namen der Kirche von Rom die Nichtkatholiken um Vergebung für zugefügtes Umecht bat und sie gleichzeitig der Vergebung der katholischen Kirche für die Leiden versicherte, die deren Kinder erlitten haben: „Möge dieser Tag einen Neubeginn zeitigen in dem gemeinsamen Bemühen, Christus, seinem Evangelium, seinem Gebot der Liebe und seinem höchsten Wunsch nach Einheit der an ihn Glaubenden zu folgen“ (Predigt am 21. Mai 1995, Nr. 5; in: O.R.dt., 26.5.95, S. 4). 239 REISEN 6. Liebe Brüder! Es bleibt noch viel Arbeit zu tun, es gibt Gelegenheiten, die nicht versäumt, himmlische Gaben, die nicht vernachlässigt werden dürfen, um dem zu entsprechen, was der Herr von allen und von jedem einzelnen Getauften erwartet. Wichtig ist, daß sich alle Kirchen um die theologische Dimension des ökumenischen Dialogs bemühen und die zunehmenden Übereinstimmungen weiter offen und ernsthaft prüfen. Wir müssen die Einheit suchen, wie der Herr sie will, und daher ist es notwendig, sich mehr und mehr zu den Ansprüchen seines Reiches zu bekehren. Wir sind aufgerufen, nach dem Vorbild von Bischof Adalbert Mitarbeiter für die Wahrheit, die Hoffnung und die Liebe zu sein! Ich danke euch, liebe Brüder, für die Teilnahme an diesem von der Vorsehung bestimmten Gebetserlebnis. Ich danke auch dem Präsidenten der Republik und dem Ministerpräsidenten sowie den Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens des Landes, die sich ihre Anwesenheit hier nicht nehmen ließen. Christus steht vor uns. Er, der uns „liebte bis zum Ende“, ist für uns alle unerschöpfliche Quelle von Kraft, schöpferischer ökumenischer Inspiration, Geduld und Ausdauer. Er ist die Wahrheit! Liebe Brüder, ich sage Dank! Im Namen unseres Herrn Jesus Christus, Herrn der Geschichte und Führer unserer Herzen, sage ich Dank! Er segne euch! Aus bewährter Tradition wirtschaftliche Erfolge nicht überbewerten! Ansprache vor dem Abflug in Prag am 27. April Sehr geehrter Herr Staatspräsident, Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Vertreter des Parlaments, der Regierung und des Militärs, liebe Brüder und Schwestern! 1. Beim Abschied von eurem Land möchte ich Gott danken für den erneuten Beweis des Glaubens und der Zuneigung, den ihr mir anläßlich der Tausendjahrfeiern des Martyriums des hl. Adalbert entgegengebracht habt. Vor meinen Augen und in meinem Herzen habe ich noch die Menschenmengen, die meine Pilgerreise begleitet haben: die Jugendlichen, die mit ihrem Gesang und Gebet den Großen Platz von Hradec Krälove erfüllt haben, und die Kranken, die Ordensmänner und Ordensffauen, die sich in der Erzabtei von Brevnov drängten. Wie könnte man weiter die tiefe geistige Sammlung vergessen, die heute morgen die eucharistische Feier in der großen Esplanade von Letna beseelte, und das ökumenische Gebet mit den Brüdern der anderen christlichen Kirchen und Gruppierungen, das gerade in der Kathedrale vom hl. Veit zu Ende gegangen ist? Allen gilt mein tiefempfundener und herzlicher Dank! 240 REISEN 2. Besonders möchte ich Ihnen, Herr Staatspräsident, meine aufrichtige Erkenntlichkeit ausdrücken für die zuvorkommende und auserlesene Gastfreundschaft, die Sie mir während meines Aufenthaltes in der Tschechischen Republik erwiesen haben. Außerdem möchte ich meine besondere Dankbarkeit Kardinal Miloslav Vlk, Msgr. Karel Otcenäsek, Bischof von Hradec Krälove, und allen anderen Brüdern im Bischofsamt dafür aussprechen, daß sie mich zu meinem dritten Besuch in dieses Land eingeladen und mir auch im Verlauf dieser apostolischen Reise ihre brüderliche und herzliche Gemeinschaft gezeigt haben. Mit ihnen danke ich den Priestern und Mitarbeitern in der Seelsorge und hoffe, daß ihr Einsatz zur Vorbereitung und Durchführung der Tausendjahrfeier des hl. Adalbert eine tiefe Spur in der Religionsgeschichte der einzelnen Ortskirchen und der ganzen Nation hinterlasse. 3. Mein herzliches Gedenken gilt euch, Bürger der Tschechischen Republik. Die außergewöhnlichen Eigenschaften eures Volkes - seelische Stärke, Beharrlichkeit, Aufgeschlossenheit gegenüber den anderen, Friedensliebe - haben euch zunächst geholfen, einer der grausamsten ideologischen Unterdrückungen Osteuropas zu widerstehen, und dann ermöglicht, in den letzten Jahren erfreuliche Ergebnisse der Zivilisation und des Fortschritts zu erreichen. Ich beglückwünsche euch zu diesen Errungenschaften, fordere euch aber gleichzeitig auf, dem geistigen Fortschritt besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Nur die volle Entfaltung der sittlichen Tugenden eines Volkes kann das friedvolle und einmütige Zusammenleben all seiner Mitglieder sichern. Genau dies ist die Botschaft des hl. Adalbert, dem es in schwierigen Zeiten gelang, die Zukunft eures Landes und anderer europäischer Völker auf den Primat Gottes und der geistigen Werte zu gründen. Sein Zeugnis möge euch dabei helfen, den wirtschaftlichen Errungenschaften ihre gerechte Gewichtung beizumessen, ohne jedoch der faszinierenden Illusion vom Mythos der Konsumgesellschaft nachzugeben. Außerdem ermutige ich euch, wieder auf die Werte zurückzugreifen, die die wahre Größe einer Nation ausmachen: intellektuelle und sittliche Redlichkeit, Verteidigung der Familie, Aufnahme der Bedürftigen, Achtung des menschlichen Lebens von der Zeugung bis zu seinem natürlichen Ende. Der heilige Bischof und Märtyrer erinnert euch an die bleibenden spirituellen Wurzeln eures Landes und spornt euch dazu an, mit großer Sorgfalt das Erbe des Glaubens und der Zivilisation zu hüten, das seit der Predigttätigkeit der hl. Kyrill und Method von einer Generation zur nächsten bis zu euch gelangt ist. Es ist in den Volksbräuchen, in den Werken der Philosophen, der Schriftsteller und der Künstler eures Landes sowie in den vielfältigen Ausdrucksformen eurer Kultur gegenwärtig und stellt die Gewähr eurer Identität und eurer Zukunft dar. 4. An euch, Brüder und Schwestern der auf tschechischem Boden pilgernden katholischen Kirche, möchte ich einen besonderen Gruß richten, und ich fordere 241 REISEN euch auf, aufrichtig und selbstlos mit allen zusammenzuarbeiten im Hinblick auf das größere Wohl eures Vaterlands. Das Vorbild des hl. Adalbert, mutig angesichts der Schwierigkeiten und Herausforderungen seiner Zeit und Christus bis zum äußersten Zeugnis des Märtyrertods treu, soll euch eine Anregung sein, euch großherzig für ein erneutes Werk der Evangelisierung einzusetzen. Dazu sind notwendige Voraussetzungen: gründliche Kenntnis des Glaubens durch eine gediegene Ausbildung in der Hl. Schrift und der Theologie, überzeugte Teilnahme an der Liturgie und am Gemeindeleben, großzügiger Dienst an den bedürftigen Brüdern, ein offenherziger und ehrlicher Dialog mit den Nah- und Fernstehenden und ein offenes Ohr für die Erwartungen all derer, die in eurer Umgebung leben. 5. Schließlich möchte ich all jenen meine besondere Anerkennung aussprechen, die sich mit großer Fachkenntnis und Hingabe für die Vorbereitung und Durchführung dieser Pastoraireise eingesetzt haben: die bischöflichen Kommissionen von Prag und Hradec Krälove; die Staats- und Gemeindepolizei und all jene, die zum nicht immer leichten Ordnungsdienst beigetragen haben; die Offiziere und Piloten der Hubschrauber, die Journalisten, Radio- und Femsehsprecher, die mit ausführlichen Berichten die verschiedenen Stationen dieser Reise begleitet haben. Allen spreche ich meinen herzlichen Dank aus. 6. Dem hl. Adalbert, dem großen Sohn und himmlischen Schutzpatron dieser Gegend, vertraue ich die Hoffnungen und die Zukunft des gesamten tschechischen Volkes an in der Hoffnung, daß die neuen Generationen sich des historischen Erbes, dessen Träger sie sind, würdig erweisen. Erneut spreche ich jedem von euch meine aufrichtigen Wünsche für Wohlstand und Frieden aus und rufe den mütterlichen Schutz der sei. Jungfrau Maria auf euch herab. Alle segne ich mit großer Zuneigung im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. S Pänem Bohem. Mäm väs velmi räd! Stäle väs vsechny nosim ve svem srdci! 242 REISEN 3. Pastoralbesuch im Libanon (10./11. Mai) Im Dienst der Gemeinschaft Zeichen der Vergebung setzen Ansprache während der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen von Beirut am 10. Mai Herr Präsident! Herr Kardinal! Seligkeiten, Exzellenzen! Meine Damen und Herren! 1. Zuallererst danke ich dem Herrn Staatspräsidenten für die freundlichen Begrüßungsworte, die er soeben im Namen aller Libanesen an mich gerichtet hat; besonders bewegt bin ich von dem Empfang, der mir aus diesem denkwürdigen Anlaß bereitet wird. Meine Dankbarkeit gilt auch den höchsten Autoritäten des Staates, insbesondere Seiner Exzellenz dem Herrn Parlamentspräsidenten und Seiner Exzellenz dem Herrn Ministerpräsidenten. Ich danke den katholischen Patriarchen und Bischöfen sowie den anderen religiösen Führern von Christen, Muslimen und Drusen, den staatlichen und militärischen Autoritäten und allen libanesischen Freunden für ihren herzlichen Empfang. Ich grüße auch die Söhne und Töchter dieses Landes, die über Radio oder Fernsehen an dieser Zeremonie teilnehmen. Allah iuberekum! (Gott segne euch!) 2. Zuerst sollte man wohl an die Zwischenlandung erinnern, die Papst Paul VI. am 2. Dezember 1964 auf dem Weg nach Bombay in Beirut einlegte. Er bekundete auf diese Weise seine besondere Aufmerksamkeit für den Libanon und ließ erkennen, daß der Hl. Stuhl dieses Land und seine Bewohner schätze und liebe. Heute habe ich tief ergriffen zum Zeichen der Freundschaft und Achtung die libanesische Erde geküßt. Ich komme zu euch, liebe Libanesen, als ein Freund, der ein Volk besucht und es auf seinem täglichen Weg unterstützen will. Ich komme als Freund des Libanon, um die Söhne und Töchter dieses Gastlandes zu ermutigen, dieses Landes mit seinen alten religiösen und kulturellen Traditionen, das sich nach Unabhängigkeit und Freiheit sehnt. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend muß der Libanon, während er seine spezifischen Reichtümer bewahrt und ganz er selbst bleibt, bereit sein, sich den neuen Realitäten der modernen Gesellschaft zu öffnen und seinen Platz im Konzert der Nationen einzunehmen. 243 REISEN 3. Während der Kriegsjahre habe ich mit der ganzen Kirche die schweren Zeiten, die das libanesische Volk durchmachte, aufmerksam verfolgt und habe durch das Gebet an den Leiden, die es ertrug, teilgenommen. Bei zahlreichen Gelegenheiten habe ich, bereits zu Beginn meines Pontifikates, an die internationale Gemeinschaft appelliert, den Libanesen bei der Wiedererlangung des Friedens in einem von allen anerkannten und respektierten Staat zu helfen und den Wiederaufbau einer Gesellschaft in Gerechtigkeit und Brüderlichkeit zu unterstützen. Nach menschlichem Urteil sind wegen des Konflikts unzählige Menschen umsonst gestorben. Familien wurden auseinandergerissen. Libanesen mußten fern ihrer Heimat ins Exil gehen. Menschen verschiedener Kulturen und Religionen, die in schöner Eintracht und guter Nachbarschaft lebten, mußten erfahren, daß man sie auseinanderriß, ja brutal zu Gegnern machte. Diese Zeit, die zum Glück zu Ende ist, bleibt in der Erinnerung aller gegenwärtig und läßt in den Herzen zahlreiche Wunden zurück. Doch der Libanon ist aufgerufen, sich entschlossen der Zukunft zuzuwenden, die in Freiheit von der Entscheidung seiner Bewohner bestimmt wird. In diesem Geist möchte ich den Söhnen und Töchtern dieses Landes meine Anerkennung aussprechen. Sie haben in den unruhigen Zeiten, an die ich soeben erinnert habe, selbst unter Lebensgefahr das Beispiel der Solidarität, der Brüderlichkeit, der Verzeihung und der Liebe gegeben. Ich verneige mich besonders vor der Haltung unzähliger Frauen, darunter Mütter und Ehefrauen, die als Förderinnen der Einheit, als Erzieherinnen zum Frieden und zum Zusammenleben und als unermüdliche Partnerinnen des Dialogs zwischen den Menschengruppen und zwischen den Generationen gewirkt haben. 4. Von nun an ist jeder aufgefordert, sich für Frieden, Versöhnung und brüderliches Zusammenleben zu engagieren, indem er von sich aus Zeichen der Vergebung setzt und im Dienst der nationalen Gemeinschaft arbeitet, damit nie wieder die Gewalt über den Dialog, Angst und Lüge über das Vertrauen, das Ressentiment über die brüderliche Liebe siegen. In diesem neuen Libanon, den ihr nach und nach wieder aufbaut, muß jeder Bürger einen Platz erhalten, besonders alle jene, die, von einem echten patriotischen Gefühl erfüllt, sich in der Politik oder im Wirtschaftsleben engagieren wollen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Vorbedingung für jede wirklich demokratische Praxis das gerechte Gleichgewicht zwischen den lebendigen Kräften der Nation gemäß dem Subsidiaritätsprinzip, das die Teilnahme und Verantwortung jedes einzelnen an den Entscheidungen fordert. Andererseits ist die Führung der „res publica“ auf Dialog und Kompromiß gegründet, nicht um Sonderinteressen durchzusetzen oder Privilegien auffechtzuerhalten, sondern damit alle Maßnahmen im Dienst an den Brüdern erfolgen, unabhängig von den kulturellen oder religiösen Unterschieden. 5. Am 12. Juni 1991 habe ich die Einberufung der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon angekündigt. Nach mehreren Etappen der Reflexion 244 REISEN und des Austausches innerhalb der katholischen Kirche im Libanon, ist die Synode im November und Dezember 1995 zusammengetreten. Heute bin ich zu euch gekommen, um feierlich die Abschlußphase der Synodenversammlung zu begehen. Ich überbringe den Katholiken, den Christen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und allen Menschen guten Willens die Früchte der Arbeit der Bischöfe, die durch den freundschaftlichen Dialog mit den Brüder-Delegierten eine Bereicherung erfahren haben: das nachsynodale Apostolische Schreiben Eine neue Hoffnung für den Libanon. Dieses Dokument, das ich heute abend in Anwesenheit der Jugend unterzeichnen werde, ist weder ein Abschluß noch ein Endpunkt des eingeschlagenen Weges. Im Gegenteil, es ist eine Aufforderung an alle Libanesen, voller Zuversicht eine neue Seite ihrer Geschichte aufzuschlagen. Es ist der Beitrag der Weltkirche zu einer größeren Einheit in der katholischen Kirche im Libanon, zur Überwindung der Spaltungen zwischen den verschiedenen Kirchen und zur Entwicklung des Landes, an der sich alle Libanesen beteiligen sollen. 6. Während ich zum ersten Mal den Boden des Libanon betrete, möchte ich Ihnen, Herr Staatspräsident, noch einmal sagen, wie dankbar ich fiir Ihren Empfang bin. Meine herzlichen Wünsche gelten Ihnen persönlich und Ihrem Auftrag für Ihre Mitbürger. Durch Sie richte ich meine herzlichen Grüße an alle libanesischen Bürger. Mit ihnen allen bete ich für den Libanon, damit er so sein möge, wie der Allerhöchste es will. Allah iuberekum! (Gott segne euch!) Wahrung eines reichen Erbes geistiger Vielfältigkeit Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen in der Basilika Unserer Lieben Frau vom Libanon in Harissa am 10. Mai Vom Balkon der Kirche Unserer Lieben Frau vom Libanon aus sprach der Papst aus dem Stegreif zu den Jugendlichen: O welch ein „Belo Horizonte“! Wißt ihr, was das heißt: „Belo Horizonte“? Ihr wißt es gut. Es liegt in Brasilien. Das war nämlich so: Als ich 1980 dieses Land zum ersten Mal besuchte und die Jugendlichen in der Stadt traf, die „Belo Horizonte“ heißt, und als ich auf sie schaute, wie ich jetzt auf euch schaue, da sagte ich damals: Was für ein „Belo Horizonte“! Siebzehn Jahre sind vergangen; heute erinnere ich mich an jenen Augenblick und wiederhole: Was für ein „Belo Horizonte“! Das Pfingstfest: Ihr sollt diesen „Happy Birthday“ an diesem Tag, an diesem Sonntag feiern. Aber unser heutiges Programm sieht vor, daß das Treffen in der Basilika stattfindet, darum denke ich, daß wir vielleicht die Hitze da drinnen ertragen werden, anderenfalls kommen wir hierher zurück. 245 REISEN Liebe Jugendliche des Libanon! 1. Es ist mir eine besondere Freude, euch während meiner apostolischen Reise in euer Land heute abend zu treffen. Zuerst möchte ich Kardinal Nasrallah Pierre Sfeir, Patriarch von Antiochia der Maroniten, für seine Willkommensgrüße danken sowie Msgr. Habib Bacha, Vorsitzender der bischöflichen Kommission für das Laienapostolat, für seine einführenden Worte über die Jugend im Libanon. Liebe Jugendliche, ich bin besonders empfänglich für die Worte, die ihr durch eure Vertreter mit Offenheit und Vertrauen an mich richten werdet. Ich verstehe die Erwartungen, die ihr hegt, und eure Ungeduld angesichts der alltäglichen Situation, die euch unveränderlich erscheint. So entdecke ich die Gesichter von Jungen und Mädchen, die mit dem ganzen Eifer und Elan ihrer Jugend trotzdem den Wunsch haben, sich der Zukunft zuzuwenden: Sie bitten den Herrn, ihnen Kraft und Mut zu schenken, ihnen seine Liebe und seine Hoffnung mitzuteilen, so wie wir im Eröffnungsgebet unserer Feier darum bitten werden. Im Laufe der vergangenen Jahre habe ich euch immer durch mein Gebet unterstützt, und ich habe mich an Christus gewandt mit der Bitte, euch auf eurem Weg zum Frieden und in eurem persönlichen und sozialen Leben beizustehen. 2. Wir werden nachher die Geschichte der Emmausjünger aus dem Evangelium hören. Ihre Erfahrung kann für euch hilfreich sein, denn sie ähnelt der Erfahrung eines jeden von euch. Von den Ereignissen der Osterwoche traurig gestimmt, vom Tod Jesu verwirrt und enttäuscht, daß ihre Erwartungen sich nicht erfüllt haben, entschließen sich die beiden Jünger dazu, Jerusalem am Ostertag zu verlassen und in ihren Heimatort zurückzukehren. Die Hoffnung, die Christus ihnen während der drei Jahre der Gemeinschaft im Heiligen Land gebracht hatte, scheint mit seinem Tod wie weggefegt. Indessen erinnern sich die Pilger von Emmaus auf ihrem Weg dorthin an die Botschaft des Herrn, eine Botschaft der Liebe und der brüderlichen Güte, eine Botschaft der Hoffnung und des Heils. In ihren Herzen bewahren sie die Erinnerung an die Taten und Gesten, die er im Laufe seines öffentlichen Lebens vollbracht hatte, vom Anfang am Jordanufer bis hinauf nach Golgota, auch auf dem Weg über Tyrus und Sidon. Jeder von ihnen besinnt sich auf die Worte und auf die Begegnungen mit dem Herrn, der seine Zuneigung, sein Mitgefühl und seine Liebe gegenüber jedem Menschen zum Ausdruck brachte. Alle waren von seiner Lehre und seiner Güte tief beeindruckt. Christus schaute über den Schandfleck der Sünde hinweg auf die innere Schönheit des nach dem Abbild Gottes geschaffenen Wesens. Er konnte das tiefe Verlangen nach Wahrheit und die Sehnsucht nach Glück erkennen, die in der Seele einer jeden Person zu Hause sind. Durch seinen Blick, seine ausgestreckte Hand und seine tröstenden Worte rief Jesus jeden Menschen auf, sich nach seinem Fehltritt wieder zu erheben, denn jeder Mensch hat einen Wert, der über das, was er getan hat, hinausgeht, und es gibt keine Sünde, die nicht vergeben werden kann. 246 REISEN Die Jünger rufen sich all dies ins Gedächtnis zurück und beginnen so über die Frohe Botschaft nachzudenken, die der Messias gebracht hat. Im Laufe ihrer Wanderung auf dem Weg nach Emmaus - während sie also über die Person Christi, seine Worte und sein Leben nachdenken - werden sie vom Auferstandenen selbst eingeholt, der ihnen die tiefe Bedeutung der Schrift enthüllt und sie den Plan Gottes entdecken läßt. Die Ereignisse in Jerusalem, der Tod am Kreuz und die Auferstehung bringen der ganzen Menschheit Heil. Der Tod ist überwunden, der Weg des ewigen Lebens ist endgültig offen. Aber die beiden Männer erkennen den Herrn immer noch nicht. Ihr Herz ist verdunkelt und verwirrt. Erst am Ende ihrer Reise, als Jesus das Brot mit ihnen bricht, als er die Geste des Abendmahls, des Gedenkens an seinen Opfertod, wiederholt, öffnen sich ihre Augen, um die Wahrheit zu empfangen: Jesus ist auferstanden; er geht ihnen auf den Wegen der Welt voran. Die Hoffnung ist nicht tot. Sofort kehren sie nach Jerusalem zurück, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Von diesem Versprechen gestärkt, wissen auch wir, daß Christus lebt und inmitten seiner Brüder tatsächlich gegenwärtig ist, jeden Tag und bis ans Ende der Zeit. 3. Christus ist unaufhörlich auf diesem Emmausweg, diesem synodalen Weg mit seiner Kirche. In der Tat bedeutet das Wort „Synode“: miteinander auf dem Weg sein. Er ist diesen Weg auch mit den Hirten der katholischen Kirche im Libanon gegangen, während der Sonderversammlung, die im November und Dezember 1995 in Rom stattgefunden hat. Liebe Jugendliche, er will diesen Weg auch mit euch gehen - mit euch, denn die Bischofssynode für den Libanon fand ja für euch statt: Ihr seid die Zukunft. Wenn ihre eure täglichen Aufgaben beim Studium oder bei der Arbeit erfüllt, wenn ihr euren Brüdern dient, wenn ihr eure Zweifel oder eure Hoffnungen teilt, wenn ihr - allein oder in der Kirche - über die Schrift nachdenkt, wenn ihr an der Eucharistie teilnehmt, gesellt Christus sich zu euch; er geht an eurer Seite; er ist eure Kraft, eure Nahrung und euer Licht. Liebe Jugendliche! Ihr dürft in eurem täglichen Leben keine Angst davor haben, euch von Christus einholen zu lassen, wie er es bei den Jüngern von Emmaus getan hat. In eurem persönlichen Leben und im Leben der Kirche werdet ihr vom Herrn begleitet, und er setzt seine Hoffnung auf euch. Christus hat Vertrauen zu euch, daß ihr für euer eigenes Dasein und für das eurer Brüder und Schwestern sowie für die Zukunft der Kirche im Libanon und die Zukunft eures Landes Verantwortung übernehmt. Es lebe der Frieden! Heute und morgen fordert Jesus euch auf, eure Pfade zu verlassen, um mit ihm zu gehen, vereint mit allen Gläubigen der katholischen Kirche und dem ganzen libanesischen Volk. 4. Seid ihr also bereit, Christus nachzufolgen? Wenn ihr bereit seid, Christus nachzufolgen und euch von ihm ergreifen zu lassen, wird er euch zeigen, daß das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung der Schlüssel par excellence zum Verständnis des christlichen und menschlichen Lebens ist. In der Tat gibt es im Leben jedes Menschen Stunden, in denen Gott wie in der Nacht am Gründonners- 247 REISEN tag zu schweigen scheint; Stunden höchster Not wie am Karfreitag, in denen Gott diejenigen, die er liebt, zu verlassen scheint; und Stunden des Lichts, wie in der Dämmerung des Ostermorgens, der den endgültigen Sieg des Lebens über den Tod gesehen hat. Nach dem Vorbild Christi, der sein Leben in die Hände des Vaters gelegt hat, werdet auch ihr große Dinge tun können, wenn ihr auf Gott vertraut. Denn wenn wir nur auf uns selbst zählen, legen unsere Projekte allzu oft private und parteiische Interessen an den Tag. Aber es kann sich alles ändern, wenn man in erster Linie auf den Herrn zählt, der kommt, um das innere Wesen zu verwandeln und zu läutern und um ihm Frieden zu bringen. Die von euch angestrebten Veränderungen für euer Land erfordern zunächst und vor allem Veränderungen in den Herzen. 5. Es ist nämlich eure Aufgabe, die Mauern zu Fall zu bringen, die während der schmerzlichen Epochen der Geschichte eurer Nation aufgerichtet werden konnten; ihr sollt innerhalb eures Landes keine neuen Mauern errichten. Im Gegenteil: Ihr sollt Brücken zwischen den Menschen, den Familien und den verschiedenen Gemeinschaften bauen. Mögt ihr in eurem täglichen Leben konkrete Gesten der Versöhnung zeigen, um vom Mißtrauen zum Vertrauen zu gelangen! Außerdem habt ihr die Aufgabe, darüber zu wachen, daß jeder Libanese, und vor allem jeder Jugendliche, im gemeinsamen Haus am sozialen Leben teilhaben kann. So wird eine neue Brüderlichkeit entstehen, und so werden solide Bande geknüpft, denn die hauptsächliche und entscheidende Waffe für den Aufbau des Libanon ist die Liebe. Wenn ihr aus der inneren Gemeinschaft mit dem Herrn, der Quelle der Liebe und des Friedens, eure Kraft schöpft, werdet ihr eurerseits zu Erbauern des Friedens und der Liebe. Dadurch werden wir, wie der Apostel sagt, als seine Jünger erkannt. Ihr, die ihr euch nach Frieden und Brüderlichkeit sehnt und den Wunsch habt, euch jeden Tag für dieses Land einzusetzen, das euch so am Herzen liegt, ihr seid der Reichtum des Libanon. Mit euren Eltern, euren Erziehern und allen Erwachsenen, die im sozialen und kirchlichen Bereich arbeiten, müßt ihr den Libanon der Zukunft vorbereiten, um daraus ein vereintes Volk zu machen mit all seiner kulturellen und geistigen Vielfalt. Der Libanon ist ein vielversprechendes Erbe. Bemüht euch um eine solide staatsbürgerliche und sittliche Erziehung, damit euch eure Verantwortung zum Wiederaufbau dieser Nation voll bewußt wird. Unter den Elementen, die die Einheit innerhalb eines Staates fördern, ist auch der Sinn für den Dialog mit allen Brüdern zu nennen unter Achtung der verschiedenen Empfindungen und der unterschiedlichen Geschichte der jeweiligen Gemeinschaften. Weit davon entfernt, die Menschen einander zu entfremden, ist diese grundsätzliche Einstellung der Aufgeschlossenheit eines der wesentlichen moralischen Elemente des demokratischen Lebens sowie eines der wichtigsten Mittel zur Entwicklung der Solidarität, um das Sozialgefüge wiederzubilden und um dem Leben der Nation neuen Schwung zu geben. 248 REISEN 6. Um euch meine Achtung und mein Vertrauen auszudrücken, werde ich jetzt gleich am Ende der Predigt vor euch allen das Nachsynodale Apostolische Schreiben unterzeichnen. Durch eure Überlegungen habt ihr einen bedeutenden Beitrag zur Vorbereitung der Versammlung geleistet, bei der ihr verteten wart und während der man auf euch gehört hat. Heute wähle ich euch als bevorrechtigte Zeugen und als Treuhänder der Emeuerungsbotschaft, die die Kirche und euer Land brauchen. Ich fordere euch auf, eine eifrige und aktive Rolle bei der Umsetzung der Richtlinien der Synodenversammlung zu spielen. Mit den Patriarchen und den Bischöfen, den Hirten der Herde, mit den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und mit der Gesamtheit des Christenvolkes habt ihr die Aufgabe, durch das Wort und durch euer ganzes Leben Zeugen des Auferstandenen zu sein. In der christlichen Gemeinschaft ist ein jeder von euch aufgerufen, seinen Teil an Verantwortung zu übernehmen. Indem ihr auf Christus hört, der euch ruft und der euer Dasein glücklich machen will, werdet ihr auf eure besondere Berufung antworten: im Priesteramt, im geweihten Leben oder im Ehestand. In jeder Lebenssituation ist der Einsatz in der Nachfolge Christi eine Quelle großer Freude. Die Kirche, in der wir uns heute versammelt haben, befindet sich auf dem Gipfel des Berges: Sie ist für die Einwohner Beiruts und der umliegenden Gegend sowie für die Besucher, die in euer Land gelangen, sichtbar; so soll auch euer Zeugnis für eure Freunde ein leuchtendes Vorbild sein! Vergeht nicht eure Identität als Christen und euren Stand als Jünger des Herrn. Das ist euer Stolz, eure Hoffnung und euer Auftrag. Empfangt dieses Schreiben als ein Geschenk der Universalkirche an die Kirche im Libanon und an euer Land in der Gewißheit, daß eure Tatkraft und euer Mut tiefe Veränderungen in euch selbst und in der ganzen Gesellschaft hervorbringen werden. Setzt euren Glauben und eure Hoffnung auf Christus. In ihm werdet ihr nicht enttäuscht. 7. Bitten wir die selige Jungfrau Maria, Unsere Liebe Frau vom Libanon, über euer Land und seine Einwohner zu wachen und euch mit ihrer mütterlichen Fürsorge beizustehen, damit ihr würdige Erben der Heiligen eures Landes sein könnt und damit der Libanon eine neue Blütezeit erlebt. Dieses Land gehört nämlich zu den Heiligen Stätten, die Gott liebt, denn er ist gekommen, um hier seinen Wohnsitz zu nehmen und um uns daran zu erinnern, daß wir die irdische Stadt aufbauen müssen, den Blick auf die Werte des himmlischen Reiches gerichtet. Nach der Predigt fügte der Papst folgendes hinzu: Ich wollte euch noch sagen, daß ihr diese Ansprache aufmerksam verfolgt habt. Ich möchte euch aber auch sagen, daß ich euch beobachtet habe: Reagieren sie im richtigen Moment? Applaudieren sie, wenn man applaudieren sollte? Ich konnte feststellen, daß es wirklich so war. So habt ihr eure Prüfung bestanden! Jetzt müssen wir in die Basilika, in die Kirche zurückkehren, um den liturgischen Teil zu feiern. Ihr sollt auch daran teilnehmen, und dann werde ich wieder hierherkommen, um euch zu treffen! 249 REISEN Mutig und standhaft den Weg des Friedens und der Versöhnung gehen Predigt während der Eucharistiefeier auf dem Marinegelände in Beirut am 11. Mai 1. Heute grüße ich den Libanon. Schon seit langem wollte ich kommen und aus vielen Gründen! Ich besuche euer Land erst jetzt, um die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon abzuschließen. Die Synodenversammlung hat ihre Arbeiten vor fast zwei Jahren in Rom durchgeführt. Aber der feierliche Teil, die Veröffentlichung des nachsynodalen Dokuments, findet nun im Libanon statt. Dieser Umstand gestattet mir, zum ersten Mal in eurem Land zu verweilen und euch die Liebe zu bekunden, die die Kirche und der Apostolische Stuhl eurer Nation und allen Libanesen entgegenbringen: den Katholiken verschiedener Riten -Maroniten, Melchiten, Armenier, Chaldäer, Syrer und Lateiner -, den Gläubigen der anderen christlichen Kirchen sowie den Muslimen und den Drusen, die an den einen Gott glauben. Aus tiefstem Herzen grüße ich euch alle bei diesem so wichtigen Anlaß. Wir wollen nun die Früchte der Synode für den Libanon vor Gott tragen. Ich danke Kardinal Nasrallah Pierre Sfeir, dem maronitischen Patriarchen, für die Willkommensworte, die er in eurer aller Namen an mich gerichtet hat. Ich danke auch den Kardinälen, die mich begleiten; durch ihre Anwesenheit unterstreichen sie die Verbundenheit des Apostolischen Stuhls mit dem Libanon. Ich grüße die anwesenden Patriarchen und Bischöfe und ebenso alle Personen, die an den Arbeiten der Synode für den Libanon teilgenommen haben. Es ist mir eine Freude, die verehrten Patriarchen und Vertreter der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu begrüßen - und besonders die Bruderdelegierten der Synode, die bei diesem Fest ihrer katholischen Brüder und Schwestern mit dabeisein wollen. Auch an die muslimischen und drusischen Persönlichkeiten richte ich einen sehr herzlichen Gruß. Mit Ehrerbietung bringe ich dem Präsidenten der Republik, dem Präsidenten des Parlaments, dem Präsidenten des Ministerrates sowie den Autoritäten des Staates meinen Dank für ihre Anwesenheit bei diesem Gottesdienst zum Ausdruck. 2. In dieser außerordentlichen Versammlung wollen wir vor der Welt die Bedeutung des Libanon und seine historische, in Jahrhunderten vollbrachte Mission bekunden: Als Land zahlreicher religiöser Konfessionen hat er gezeigt, daß diese unterschiedlichen Konfessionen in Frieden, Geschwisterlichkeit und Zusammenarbeit miteinander leben können; er hat gezeigt, daß man das Recht jedes Menschen auf Religionsfreiheit respektieren kann; daß alle geeint sind in der Liebe zu diesem Vaterland, das in Jahrhunderten gereift ist und dabei das geistige Erbe der Väter, insbesondere des heiligen Mönches Maron, bewahrt hat. 250 REISEN 3. Wir sind hier in einem Gebiet, auf das vor zweitausend Jahren Christus, der Retter der Welt, seinen Fuß gesetzt hat. Die Heilige Schrift teilt uns mit, daß Jesus bei seiner Predigertätigkeit über die Grenzen des damaligen Palästina hinausging, daß er auch das Gebiet der zehn Städte der Dekapolis — insbesondere Tyrus und Sidon - besucht und dort Wunder gewirkt hat. Männer und Frauen des Libanon, der Gottessohn selbst war der erste Evangelisator eurer Vorväter. Das ist ein außerordentliches Privileg. Wenn von Tyrus und Sidon die Rede ist, kann ich es nicht unterlassen, das große Leid zu erwähnen, das die dortige Bevölkerung erlebt. Heute bitte ich Jesus, daß er diesem Leiden ein Ende setzt. Ich erbitte von ihm die Gnade eines gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost unter Achtung vor den Rechten und Erwartungen aller. Wenn wir die Worte aus dem heutigen Evangelium vernehmen - dem Evangelium der acht Seligpreisungen in der Bergpredigt -, können wir nicht vergessen, daß das Echo dieser einst in Galiläa gesprochenen Heilsworte schon bald hierher gelangt war. Die Autoren des Alten Testaments wandten sich in ihren Schriften oft den Bergen des Libanon und des Hermon zu, die sie am Horizont sahen. Der Libanon ist also ein biblisches Land. Er liegt in unmittelbarer Nähe der Stätten, wo Jesus seine Sendung vollbrachte, und empfing so als eines der ersten Länder die Frohbotschaft - die Frohbotschaft, die eure Vorväter aus dem Mund des Heilands empfangen haben. Sicher haben eure Vorfahren durch die Predigt der Apostel, und besonders durch die Missionsreisen des hl. Paulus, die Heilsgeschichte vernommen und von den Ereignissen Kunde erhalten, die sich vom Palmsonntag bis zum Karfreitag und zum Ostersonntag zugetragen haben. Christus wurde gekreuzigt und begraben, doch am dritten Tag ist er auferstanden. Das Paschamysterium Jesu Christi ist der eigentliche Kern der Heilsgeschichte, wie es in der Messe der Paulinische Zuruf nach der Wandlung schön deutlich macht: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Die ganze Kirche, im Osten und im Westen, erwartet sein Kommen. Die Söhne und Töchter des Libanon erwarten seine Wiederkunft. Wir alle leben den Advent der Endzeit der Geschichte und suchen, das Kommen Christi vorzubereiten und das Reich Gottes aufzubauen, das er verkündigt hat. 4. Die erste Lesung dieser Messe aus der Apostelgeschichte bringt uns die Zeit nach der Himmelfahrt Christi in Erinnerung, als die Apostel auf sein Geheiß in den Abendmahlssaal zurückkehrten und dort im Gebet verharrten; mit ihnen waren die Mutter Jesu und die Brüder und Schwestern der Urgemeinde, die den ersten Kern der Kirche bildete (vgl. Apg 1,12-14). Jedes Jahr lebt die Kirche nach dem Himmelfahrtsfest wieder dieses neuntägige Gebet, die Novene zum Heiligen Geist. Die Apostel beten, mit Maria im Abendmahlssaal versammelt, damit sich die Verheißung erfüllt, die der auferstandene Christus ihnen gegeben hat: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen 251 REISEN wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Diese erste Novene der Apostel zum Heiligen Geist ist das Modell dafür, was die Kirche jedes Jahr tut. Die Kirche betet: „Veni, Creator Spiritus! - Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein, besuch das Herz der Kinder dein: die deine Macht erschaffen hat, erfülle nun mit deiner Gnad...“ Mit Ergriffenheit spreche ich dieses Gebet der universalen Kirche mit euch, liebe Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter des Libanon. Wir haben die Zuversicht: Der Heilige Geist wird das Antlitz eures Landes erneuern - „et renovabis faciem terrae“. 5. In dem Apostelbrief, den wir heute lesen, schreibt der hl. Petrus: „Freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln. Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr seligzupreisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch“ (1 Petr 4,13-14). Man hat oft vom „Märtyrer Libanon“ gesprochen, vor allem zur Zeit des Krieges, der euer Land vor über zehn Jahren verwüstet hat. In diesem historischen Kontext gelten die Worte des hl. Petrus für alle, die in diesem Land gelitten haben. Der Apostel schreibt: „Freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn der Geist Gottes ruht auf euch, er ist der Geist der Herrlichkeit“ (vgl. ebd.). Ich vergesse nicht, daß wir nahe beim historischen Herzen von Beirut versammelt sind: dem „Märtyrerplatz“, den ihr aber auch „Freiheitsplatz“ und „Einheitsplatz“ genannt habt. Ich bin gewiß: Die Leiden der vergangenen Jahre werden nicht vergeblich gewesen sein; sie werden eure Freiheit und eure Einheit stärken. Heute inspiriert das Wort Jesu unser Gebet. Wir bitten, daß die Trauernden getröstet werden, daß die Barmherzigen Erbarmen finden (vgl. Mt 5,4.7), daß dank der Vergebung, die sie vom Vater empfangen, alle bereit sind, ihrerseits Unrecht zu verzeihen. Wir bitten, daß die Söhne und Töchter dieses Landes sich glücklich schätzen, Frieden zu stiften und Söhne und Töchter Gottes genannt zu werden (vgl. Mt 5,9). Ja, durch das Leiden haben wir Anteil am Leiden Christi; ebenso werden wir Anteil an seiner Herrlichkeit haben. 6. Der Heilige Geist, der Geist Jesu Christi, ist Geist der Herrlichkeit. Bitten wir heute dafür, daß diese göttliche Herrlichkeit alle umfasse, die auf libanesischer Erde Leiden erfahren. Bitten wir, daß sie zu einer Quelle geistlicher Kraft für euch alle werde, für die Kirche und für die Nation, damit der Libanon seine Rolle in Nahost, unter den Nachbarländern und gemeinsam mit allen Ländern der Welt erfüllen kann. Geist Gottes, flöße dein Licht und deine Liebe in die Herzen ein, um die Versöhnung unter den Menschen, in den Familien, unter Nachbarn, in den Städten und Dörfern und im Schoß der Institutionen der zivilen Gesellschaft zu vollenden! Geist Gottes, deine Kraft vereinige alle Söhne und Töchter dieses Landes, damit sie mutig und beständig miteinander auf dem Weg des Friedens und Zusammenle- 252 REISEN bens gehen in Achtung vor der Würde und Freiheit der Personen, zur Entfaltung eines jeden und zum Wohl des ganzen Landes! Geist Gottes, gib den libanesischen Familien, daß sie die Gnadengaben der Ehe zum Tragen bringen! Gib den Jugendlichen, daß sie mit Zuversicht ihre Persönlichkeit gestalten und sich ihrer Verantwortung in der Kirche und im Staat bewußt werden! Geist Gottes, gewähre den Gläubigen des Libanon, daß sie die Einheit jeder einzelnen Patriarchalkirche und der ganzen Kirche im Libanon festigen! Hilf ihnen, neue Schritte auf dem Weg zur vollen Einheit aller zu tun, die das Geschenk des Glaubens an Christus, den Retter, empfangen haben! Geist Gottes, „der du ... Tröster wirst genannt..., Lebensbrunn, Licht, Lieb und Glut“, mache in diesem Volk die von der Synodenversammlung erwarteten Früchte offenbar! Geist des Lichtes und der Liebe, sei für die Söhne und Töchter des Libanon Quelle der Kraft, geistlicher Kraft, besonders in dieser Stunde an der Schwelle zum dritten Jahrtausend des Christentums! Komm, Geist Gottes! Veni, Sancte Spiritus! Amen. Die Zukunft in gegenseitiger Achtung und im Dialog gestalten! Regina Caeli in Beirut am 11. Mai Am Ende der heiligen Messe auf dem Marinegelände in Beirut leitete der Papst mit den folgenden Worten zum gemeinsamen Regina-Caeli-Gebet über, das anschließend in arabischer Sprache gesungen wurde. Der Papst sprach französisch: Im Augenblick des Mariengebets am Ende dieser Feier wollen wir auch die Heiligen anrufen, die in diesem Land gelebt haben. Mit euch bete ich zum hl. Maron, zum hl. Charbel und zur sei. Rafka. Mein Gedanke geht auch zum ehrwürdigen Al-Hardini, den ich hoffe, demnächst seligsprechen zu dürfen. Mit euch vertraue ich alle Söhne und Töchter des Landes Unserer Lieben Frau vom Libanon an. Möge die Mutter des Herrn, die unter dem Kreuz und zu Pfingsten im Abendmahlssaal anwesend ist, ihre in diesem Land lebenden oder über die ganze Welt verstreuten Kinder im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe sammeln. Sie stehe euren Hirten in ihrem Amt zur Seite! Sie unterstütze die Treue im Gebet und den Dienst in den Werken der Liebe der Mönche und Nonnen und aller Ordensmänner und Ordensflauen! Sie begleite die Laien in ihrem kirchlichen Leben und in ihrem Dienst an der Gesellschaft! Sie stärke die Familien in der Einheit der Liebe und im Einsatz bei ihrer Erziehungsaufgabe! Sie führe die Jugendlichen auf den Wegen des Lebens! Maria möge in ihrer mütterlichen Zärtlichkeit die Ärmsten trösten, die körperlich oder seelisch Leidenden, die Gefangenen und die Flüchtlinge! 253 REISEN Unsere Liebe Frau vom Libanon wache über das ganze Volk, das in diesem so hart geprüften Land lebt! Der Nachfolger Petri, der hierhergekommen ist, um allen eine Botschaft des Glaubens und der Hoffnung zu bringen, vertraut es dir an. Mögen wir an der Schwelle des neuen Jahrtausends die prophetische Botschaft Jesajas sich verwirklichen sehen: „Nur noch kurze Zeit, dann verwandelt sich der Libanon in einen Garten, und der Garten wird zu einem Wald“ (Jes 29,17)! O heiligste Jungfrau, gewähre diesem auf alten Ursprung zurückgehenden, aber stets jungen Volk, daß es ein würdiger Erbe seiner ruhmvollen Geschichte bleibt und dynamisch seine Zukunft im Dialog unter allen, in gegenseitiger Achtung der verschiedenen Gruppen und in geschwisterlicher Eintracht aufbaut! Königin des Friedens, beschütze den Libanon! Königin des Friedens, wir bitten dich, erhöre uns! Weiterer Schritt auf dem synodalen Weg Improvisierte Worte bei der Begegnung mit den Patriarchen und Bischöfen am 11. Mai Es wurden viele Personen in Erinnerung gebracht. Ich möchte unterstreichen, daß, wenn man so sagen will, der gegenwärtige Abschluß der Synodenversammlung für den Libanon einen weiteren Schritt auf dem synodalen Weg bezeichnet. Sie ist nicht nur eine traditionelle Synode, sondern auch eine regionale Synode, die Synode für den Libanon und eine Regionalsynode, nicht nur für das Land, sondern auch ein wenig für Kleinasien. Und hier muß ich an die Persönlichkeit meines Landsmannes Kardinal Wladyslaw Rubin erinnern, der der erste Vorgänger von Kardinal Schotte gewesen ist. Ich erinnere mich um so mehr an ihn, weil ich sehr mit ihm verbunden war. Er hat hier an der St.-Josephs-Universität studiert, und er ist dem Libanon immer sehr verbunden, sehr anhänglich an ihn geblieben. Ich hoffe, daß die Bischofssynode als die erste in dieser entscheidenden Zeit sehr zweckdienlich war und daß der synodale Gedanke immer mehr Sinn bekommen und einen großen Fortschritt machen wird. Das heißt, daß in der Kirche Roms, wenn sie auch keine synodale Kirche ist, doch der Bischofssynode mehr und mehr Bedeutung und ein höherer Stellenwert gegeben wird. Sie ist also eine synodale Kirche in einem anderen Sinn, aber auf jeden Fall eine synodale Kirche, in der die Bischofssynode eine bedeutende Rolle spielt. Das kann uns, meine ich, unseren orthodoxen Brüdern näherbringen. In diesem Geist erwarte ich Eure Seligkeiten heute nachmittag. Wir werden uns mit den orthodoxen Patriarchen treffen, die an dieser Feierlichkeit haben teilnehmen wollen und die auch an der Synode - zumindest durch ihre Stellvertreter - teilnehmen wollten, und werden mit ihnen sprechen. Ich freue mich sehr auf dieses Treffen. Dank für alles! 254 REISEN Wachsen einer humanen Gesellschaft verschiedener Kulturen und Religionen Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen von Beirut am 11. Mai Herr Staatspräsident! 1. Sie haben es sich nicht nehmen lassen, mich zum Abschluß meines Pastoralbe-suches in Ihrem Land mit der für die libanesische Tradition typischen Zuvorkommenheit und Freundlichkeit zu grüßen. Ich möchte Ihnen noch einmal danken für den Empfang, den Sie mir bereitet haben, für die getroffenen Vorkehrungen, die den Ablauf der verschiedenen Begegnungen, die ich erleben durfte, erleichtert haben. Mein Dank gilt den zivilen und militärischen Autoritäten, den Verantwortlichen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften für ihre Zuvorkommenheit während der vergangenen zwei Tage in diesem schönen Land, das mir so am Herzen liegt. Meinen lebhaften Dank und meine Anerkennung spreche ich auch den Mitgliedern der Sicherheitsdienste und allen Freiwilligen aus, die hochherzig, erfolgreich und diskret zum Gelingen meines Besuches beigetragen haben. 2. Während der Gottesdienste und der verschiedenen Begegnungen, die ich hatte, konnte ich die tiefe Liebe der libanesischen Katholiken und aller ihrer Landsleute zu ihrer Heimat und ihre enge Verbundenheit mit ihrer Kultur und ihren Traditionen feststellen. Sie sind in zahlreichen Fällen ihrem Land und ihrem Erbe treu geblieben und bekunden noch heute dieselbe Treue. Ich ermutige sie, auf diesem Weg weiterzugehen und in der Region und in der Welt ein Beispiel zu geben für das Zusammenleben zwischen den Kulturen und Religionen in einer Gesellschaft, wo alle Menschen und die verschiedenen Gemeinschaften als ebenbürtig angesehen werden. 3. Bevor ich den Boden Ihres Landes verlasse, erneuere ich meinen Appell an die Autoritäten und an das ganze libanesische Volk, eine neue Gesellschaftsordnung aufzubauen, die auf die wesentlichen sittlichen Werte gegründet und darauf bedacht ist, die Vorrangstellung des Menschen und der menschlichen Gruppen im Leben der Nation und bei den Gemeinschaftsentscheidungen zu garantieren. Eine solche Beachtung des Menschen, die von Natur aus zur libanesischen Seele gehört, wird für das Land und die Region Früchte des Friedens tragen. Ich ermahne die Führer der Nationen zur Einhaltung des internationalen Rechtes besonders in Nahost, damit die Souveränität, die rechtmäßige Autonomie und die Sicherheit der Staaten garantiert und das Recht und die verständlichen Wünsche und Ansprüche der Völker respektiert werden. Während ich die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft in der Region begrüße, wünsche ich mir, daß der Prozeß der Suche nach einem gerechten und dauerhaften Frieden weiter entschlossen, mutig und zielstrebig unterstützt werden möge. Ich wünsche mir auch, daß Anstrengungen 255 REISEN unternommen und intensiviert werden, um das Wachstum des Landes, den Weg der Libanesen zu einer immer demokratischeren Gesellschaft, zur völligen Unabhängigkeit seiner Institutionen und zur Anerkennung seiner Grenzen - unerläßliche Voraussetzungen für die Gewährleistung seiner Integrität - zu unterstützen. Doch wird nichts erreicht werden können, wenn sich nicht alle Bürger des Landes, jeder in seinem Bereich, engagiert einlassen auf den Weg der Gerechtigkeit, der Gleichheit und des Friedens im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben sowie im Mittragen von Verantwortung in der Gesellschaft. 4. Noch einmal möchte ich den Patriarchen, den libanesischen Bischöfen, dem Klerus, den Ordensmännem und Ordensfrauen sowie den Laien der katholischen Kirche, die mein Kommen so intensiv vorbereitet haben, meine tiefe Dankbarkeit aussprechen. Allen habe ich das nachsynodale Apostolische Schreiben anvertraut, damit es sie auf ihrem geistlichen Weg und bei ihren Anstrengungen an der Seite ihrer Brüder leite. Beeindruckt von der Aufnahme durch die libanesischen Katholiken, deren pastorale Lebenskraft ich kennen und schätzen lernen konnte, möchte ich sie meiner Zuneigung und meiner tiefen geistlichen Verbundenheit versichern und sie einladen, barmherzige Zeugen der Liebe Gottes und Boten des Friedens und der Brüderlichkeit zu sein. Mein respektvoller Gruß geht auch an die Führer der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, an alle Christen der anderen Konfessionen und an die Gläubigen des Islam mit dem Wunsch, daß alle den religiösen Dialog und die Zusammenarbeit fortsetzen mögen, um offenkundig zu machen, daß die religiösen Überzeugungen Quellen der Brüderlichkeit sind, und Zeugnis davon zu geben, daß aus Liebe zu Gott, zu ihren Brüdern und zu ihrer Heimat ein Leben miteinander möglich ist. In Ihrer Person, Herr Präsident, grüße und danke ich allen Libanesen, während ich ihnen meine inständigen Wünsche für Frieden und Wohlergehen darbringe. Möge Ihre Nation, deren Berge einem Leuchtturm am Ufer des Meeres gleichen, den Ländern der Region ein Zeugnis für sozialen Zusammenhalt und gutes Einvernehmen zwischen allen kulturellen und religiösen Komponenten bieten! Während ich noch einmal meinen Dank ausspreche, rufe ich auf alle Ihre Landsleute die Fülle des göttlichen Segens herab. 256 REISEN 4. Pastoraireise nach Polen (31. Mai bis 10. Juni) Gemeinsam den Glauben an Christus bekennen Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Breslau (Wroclaw) am 31. Mai Sehr geehrter Herr Präsident der Republik Polen! Lieber Herr Kardinal-Metropolit von Breslau/Wroclaw! 1. Herzlich danke ich für die Begrüßungsworte, die der Herr Präsident im Namen der staatlichen Autoritäten der Republik Polen gesprochen hat. Ich drücke auch dem Metropoliten von Breslau meinen Dank für die Grußadresse aus, die er im Namen dieser Erzdiözese und im Namen des Episkopats und der ganzen Kirche in Polen an mich gerichtet hat. Alle hier an mich gerichteten guten Worte will ich aus ganzem Herzen erwidern. So befinde ich mich wieder als Pilger unter euch, liebe Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter unseres gemeinsamen Vaterlandes. Es ist die sechste Reise des polnischen Papstes in sein Heimatland. Doch gleichwohl erfaßt mich jedesmal tiefe Ergriffenheit. Jede Rückkehr nach Polen ist wie die Rückkehr unter das vertraute Dach des Elternhauses, wo uns jeder noch so kleine Gegenstand an das erinnert, was dem Herzen am nächsten und teuersten ist. Wie sollte ich also in diesem Augenblick nicht der Göttlichen Vorsehung danken, daß sie es mir ein weiteres Mal ermöglicht hat, der Einladung der Kirche in Polen und der staatlichen Autoritäten zum Besuch meiner Heimat zu folgen! Ich habe diese Einladung voll Freude angenommen und will heute noch einmal ganz herzlich dafür danken. Ich umarme in diesem Augenblick im Geiste und mit dem Herzen meine ganze Heimat und alle Landsleute ohne Ausnahme. Ich grüße die Kirche in Polen, den Kardinal-Primas, alle Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensfamilien und das ganze gläubige Volk, das sehr an seinem katholischen Glauben hängt. Mein besonderer Gruß gilt der polnischen Jugend, denn sie ist die Zukunft dieses Landes. Ich grüße ganz besonders die Menschen, die vom Leiden der Krankheit, der Einsamkeit, des fortgeschrittenen Alters oder der Armut und Not betroffen sind. Ich grüße die Brüder und Schwestern der orthodoxen Kirche Polens und der reformatorischen Kirchen und Gemeinschaften und auch unsere älteren Brüder im Glauben Abrahams sowie diejenigen in diesem Land, die sich zum Islam bekennen. Ich grüße alle Menschen guten Willens, die aufrichtig nach der Wahrheit und dem Guten suchen. Ich möchte niemanden übergehen, denn ich trage euch alle in meinem Herzen und gedenke eurer in meinen Gebeten. 257 REISEN 2. Sei gegrüßt, Polen, meine Heimat! Auch wenn es mir beschieden ist, in der Feme zu leben, höre ich doch nicht auf, mich als Sohn dieses Landes zu fühlen, und nichts, was dieses Land betrifft, ist mir fremd. Ich freue mich mit euch über die Erfolge, die ihr erzielt, und nehme an euren Sorgen teil, Bürger Polens. Mit Optimismus erfüllt einen - zum Beispiel - zweifellos der wirklich nicht leichte Prozeß des „Erlemens der Demokratie“ und die schrittweise Konsolidierung der Strukturen eines demokratischen Rechtsstaates. Auf dem Gebiet der Wirtschaft und der sozialen Reformen sind nicht wenige Erfolge festzustellen, die von den angesehenen internationalen Stellen anerkannt werden. Doch es fehlt auch nicht an Problemen und mitunter schmerzlichen Spannungen, die es mit gemeinsamer, solidarischer Anstrengung aller unter Achtung der Rechte eines jeden Menschen, besonders des schutzlosen und schwächsten, zu lösen gilt. Ich bin überzeugt, daß die Polen eine Nation sind, die über ein enormes Potential an Fähigkeiten des Geistes, des Verstandes und des Willens verfügt; eine Nation, die vieles vermag und in der Familie der europäischen Länder eine bedeutende Rolle entfalten kann. Und genau das wünsche ich meiner Heimat von Herzen. Ich komme zu euch, liebe Landsleute, als der, der allen und jedem einzelnen von euch dienen - einen apostolischen Dienst leisten - will. Der Dienst des Nachfolgers des heiligen Petras ist, gemäß des Wortes Christi, der Dienst des Glaubens: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,32). Das ist die Sendung des Petras, und das ist die Sendung der Kirche. Den Blick auf das Beispiel ihres Meisters geheftet, hat sie keinen anderen Wunsch, als dem Menschen durch die Verkündigung des Evangeliums zu dienen. „Der Mensch in der vollen Wahrheit seiner Existenz, seines persönlichen und zugleich seines gemeinschaftsbezogenen und sozialen Seins - im Bereich der eigenen Familie, auf der Ebene der Gesellschaft und so vieler verschiedener Umgebungen, auf dem Gebiet der eigenen Nation oder des eigenen Volkes [...], schließlich auch im Bereich der gesamten Menschheit - dieser Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muß: er ist der erste und grundlegende Weg der Kirche, ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung führt“ (Redemptor hominis, Nr. 14). 3. Ich komme zu euch, liebe Landsleute, im Namen Jesu Christi - dessen, der „derselbe [ist] gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Das ist das Leitwort dieses Besuches. Im Verlauf dieser apostolischen Pilgerreise möchte ich mit euch zusammen den Glauben an den bekennen, der das „Zentrum des Kosmos und der Geschichte“ und im besonderen das Zentrum der Geschichte dieser Nation ist, die vor über tausend Jahren die Taufe empfangen hat. Es ist notwendig, daß wir dieses Glaubensbekenntnis zusammen mit der ganzen Kirche erneuern, die sich geistig auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet. 258 REISEN Der Weg dieser Pilgerreise ist sehr dicht, drei Städte markieren seine Hauptetappen: Breslau, Gnesen und Krakau. Also vor allem Breslau, das den 46. Eucharistischen Weltkongreß beherbergt. „Macht ihm Platz, der Herr kommt vom Himmel...“ Ich bin überzeugt, daß dieser Eucharistische Kongreß wirksam zur Ausweitung des Lebensraumes beitragen wird, der Christus, dem gekreuzigten und auferstandenen Christus, Christus, dem Erlöser der Welt im Allerheiligsten Sakrament geboten wird - im Leben dieser Kirche in Breslau, im Leben der Kirche in Polen und auf dem ganzen Erdball. Es geht hier darum, den Zugang zu allen Reichtümem des Glaubens und der Kultur zu erschließen, die mit der Eucharistie verbunden sind. Es handelt sich um einen spirituellen Raum, um einen Raum des menschlichen Denkens und des menschlichen Herzens, um einen Raum des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und auch um einen Raum der Umkehr, der Läuterung und der Heiligkeit. Das alles haben wir im Sinn, wenn wir singen: „Macht ihm Platz...“ Die zweite Etappe gilt dem uralten Gnesen. Mein Besuch erfolgt in dem Jahr, in dem die Kirche von Polen die Tausendjahrfeier des Martyriums des heiligen Adalbert begeht. Zusammen mit uns begehen dieses Jubiläum die benachbarten Tschechen, aber auch die Ungarn, die Slowaken und die Deutschen. Im Rahmen meiner Pilgerfahrt will ich zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, vor allem für das Geschenk des Glaubens danken, der in unserer Geschichte durch das Blut des Märtyrers Adalbert gefestigt worden ist. Dieses Jubiläum enthält auch eine klare europäische Dimension. Denn es erinnert uns an die historische Begegnung von Gnesen im Jahr 1000, die bei den Reliquien des Märtyrers stattfand. Die Gestalt des hl. Adalbert hat sich sehr tief in die Geistesgeschichte nicht nur Polens, sondern auch Europas eingeschrieben, und die Botschaft, die sie enthält, hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren. Und schließlich Krakau, und das heißt das 600jährige Gründungsjubiläum der Jagellonen-Universität zu Krakau und besonders ihrer theologischen Fakultät, die den Bemühungen der sei. Königin Hedwig zu verdanken ist. Auch hier handelt es sich um ein für den Geist der polnischen Nation und der polnischen Kultur entscheidendes Ereignis. Um diese drei Schwerpunkte gliedert sich das Gesamtprogramm dieser sehr umfangreichen und dichten Reise. Sie wird von der Gestalt Jesu Christi, der „derselbe ist gestern, heute und morgen“ (vgl. Hebr 13,8), zu einem einzigen Ganzen zusammengefügt - der Gestalt Jesu Christi, der seine Kraft so wunderbar im Leben der Heiligen und der Seligen offenbart, denen die Kirche die Ehre der Altäre zuerkennt. Davon werden zu uns die Heilig- und Seligsprechungen großer polnischer Männer und Frauen sprechen, die ich im Laufe dieses apostolischen Besuches vornehmen werde. Wir wollen miteinander unseren Glauben an Christus bekennen und ihn auch wieder in unsere Familien, überall dorthin einladen, wo wir leben und arbeiten - wir wollen ihn aufs neue in unser gemeinsames Haus, das Polen heißt, einladen. 259 REISEN Abschließend danke ich noch einmal für diesen so herzlichen Empfang auf heimatlichem Boden. Ich grüße alle Anwesenden, ich grüße alle, die zur Teilnahme am Eucharistischen Weltkongreß hierher gekommen sind, und auch alle meine Landsleute und segne alle von Herzen. Bekenntnis zu Christus in der Eucharistie Predigt beim Wortgottesdienst zur Verehrung des heiligsten Sakramentes im Dom zu Breslau (Wroclaw) am 31. Mai 1. „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,35). Als Pilger am 46. Eucharistischen Weltkongreß komme ich zuerst in den uralten Dom von Breslau (Wroclaw), um aus Glauben vor dem heiligsten Sakrament -dem „Brot des Lebens“ - niederzuknien. Ich tue das tiefbewegt und mit dankerfülltem Herzen gegenüber der göttlichen Vorsehung für das Geschenk dieses Kongresses und dafür, daß dieser hier, in Breslau (Wroclaw), in Polen - meiner Heimat - stattfindet. Christus sagte zu der Menge, die ihn nach der wunderbaren Brotvermehrung suchte: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird“ {Joh 6,26-27). Wie schwer fiel es denen, die Jesus hörten, diese „Zeichenhaftigkeit“ zu begreifen: das Übergehen vom Zeichen zu dem Geheimnis, auf das jenes Zeichen verweist, vom täglichen Brot zu jenem Brot, „das für das ewige Leben bleibt“! Auch uns, Menschen des 20. Jahrhunderts, fällt das nicht leicht. Die Eucharistischen Kongresse werden eben deshalb veranstaltet, um die ganze Welt an diese Wahrheit zu erinnern: „Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt.“ Die Gesprächspartner Christi, die das Gespräch fortsetzen, fragen mit Recht: „Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?“ {Joh 6,28). Und Christus antwortet: „Das ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat“ {Joh 6,29). Das ist eine Aufforderung, an den Menschensohn, an den Spender der Speise zu glauben, die nicht verdirbt. Ohne Glauben an den, den der Vater gesandt hat, ist es unmöglich, diese unvergängliche Gabe zu erkennen und anzunehmen. Dazu sind wir hier - hier, in Breslau, beim 46. Eucharistischen Weltkongreß. Wir sind hier, um zusammen mit der ganzen Kirche unseren Glauben an den in der Eucharistie gegenwärtigen Christus, an Christus - das lebendige Brot und Brot, das das Leben schenkt - zu bekennen. Wir sagen mit dem hl. Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ {Mt 16,16), und weiter: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ {Joh 6,68). 260 REISEN 2. „Herr, gib uns immer dieses Brot!“ (Joh 6,34). Die wunderbare Brotvermehrung hatte bei den Augenzeugen des Geschehens nicht die erwartete Glaubensantwort hervorgerufen. Sie verlangten ein neues Zeichen: „Welches Zeichen tust du, damit wir es sehen und dir glauben? Was tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen“ (Joh 6,30-31). Die Jünger, die Jesus umgeben, erwarten also ein ähnliches Zeichen wie das Manna, das ihre Vorfahren in der Wüste gegessen hatten. Jesus fordert sie jedoch auf, sich etwas mehr als eine gewöhnliche Wiederholung des Manna-Wunders zu erwarten, sich eine Speise ganz anderer Art zu erwarten. Christus sagt zu ihnen: „Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben“ (Joh 6,32-33). Der Mensch verspürt in sich außer dem leiblichen Hunger noch einen anderen, wesentlicheren Hunger, der sich nicht mit einer gewöhnlichen Speise stillen läßt. Es handelt sich um den Hunger nach Leben, den Hunger nach Ewigkeit. Das Zeichen des Manna war die Ankündigung des Kommens Christi, der dadurch, daß er selbst zum „lebendigen Brot“ wird, den Hunger des Menschen nach Ewigkeit stillen würde, der „der Welt das Leben gibt“. Und nun bitten jene, die das hören, Jesus um die Erfüllung dessen, was durch das Zeichen des Manna angekündigt worden war; dabei sind sie sich vielleicht nicht bewußt, wie weit ihre Bitte geht: „Herr, gib uns immer dieses Brot!“ (Joh 6,34). Was für eine bedeutungsschwere Bitte! Wie hochherzig und zugleich überraschend ist ihre Erfüllung! „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben [...] Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,35.55-56). „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ (Joh 6,54). Was für eine großartige Würde ist uns zuteil geworden! Der Sohn Gottes gibt sich uns hin im heiligsten Sakrament seines Leibes und seines Blutes. Wie unendlich groß ist Gottes Freigebigkeit! Er antwortet auf unser tiefstes Verlangen, das nicht nur Verlangen nach irdischem Brot ist, sondern bis an den Horizont des ewigen Lebens reicht. Das ist das große Geheimnis des Glaubens! 3. „Rabbi [Meister], wann bist du hierher gekommen?“ (Joh 6,25). Diese Frage stellten Jesus jene, die ihn nach der wunderbaren Brotvermehrung suchten. Auch wir stellen heute, hier in Breslau, dieselbe Frage. Alle Teilnehmer am Eucharisti-schen Weltkongreß stellen sie. Und Christus antwortet uns: Ich bin gekommen, als eure Vorfahren die Taufe empfingen, zur Zeit der Könige Mieszko I. und Boles-law des Tapferen, als die Bischöfe und Priester in diesem Land das „Geheimnis des Glaubens“ zu feiern begannen, das alle zusammenführte, welche nach der Speise hungerten, die das ewige Leben gibt. 261 REISEN So gelangte Christus vor mehr als tausend Jahren nach Breslau, als hier die Kirche entstand und Breslau zu einem der ersten Bischofssitze im Lande der Piasten wurde. Im Laufe der Jahrhunderte hat Christus alle Orte auf der Erde erreicht, von wo die Teilnehmer an diesem Eucharistischen Kongreß kommen. Und seitdem dauert seine stets gleichermaßen stille, ergebene und freigebige Gegenwart in der Eucharistie fort. Fürwahr, „da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Wir wollen jetzt, an der Schwelle des dritten Jahrtausends, unsere Dankbarkeit in besonderer Weise zum Ausdruck bringen. Dieser Eucharistische Kongreß von Breslau hat eine internationale Dimension. Es nehmen daran nicht nur die Gläubigen Polens, sondern Gläubige aus der ganzen Welt teil. Alle gemeinsam wollen wir unserem tiefen Glauben an die Eucharistie und unserer überschwenglichen Dankbarkeit für die eucharistische Speise, vkn der sich ganze Generationen von Christgläubigen seit fast zweitausend Jahren nähren, Ausdruck verleihen. Wie unerschöpflich und für alle offen ist die Kostbarkeit der Liebe Gottes! Wie unendlich groß ist unsere Dankesschuld gegenüber dem in der Eucharistie gegenwärtigen Christus! Wir tragen dem Rechnung und rufen mit dem hl. Thomas von Aquin aus: „Quantum potes, tantum aude: quia maior omni laude nec laudare sufficis“ - „Laß dein Lob zum Himmel dringen; ihn zu rühmen, ihm zu singen, hat kein Mensch genug geatn“ (Lauda Sion; Gotteslob, Nr. 545). Diese Worte bringen sehr gut die Haltung der Teilnehmer am Eucharistischen Kongreß zum Ausdruck. Wir versuchen in diesen Tagen, dem Herrn Jesus in der Eucharistie die Ehre und den Lobpreis zu erweisen, den er verdient. Wir versuchen, ihm zu danken für seine Anwesenheit, dafür, daß er nunmehr seit fast zweitausend Jahren bei uns ist. „Wir danken dir, unser Vater ... / du hast uns geistliche Speise und Trank / und das ewige Leben geschenkt / durch Jesus, deinen Knecht. / Dir sei Ehre in Ewigkeit!“ (vgl. Didache, 14,9 f.). Gemeinsames Zeugnis durch Umkehr der Herzen Ansprache während des Ökumenischen Gottesdienstes in der „Hala Ludowa“ in Breslau (Wroclaw) am 31. Mai Gelobt sei Jesus Christus! 1. Herzlich begrüße ich alle Teilnehmer an unserem gemeinsamen ökumenischen Gebet. Dem Bischof von Oppeln (Opole) danke ich für seine Grußworte. Ich begrüße den Vorsitzenden des Polnischen Ökumenischen Rates, Msgr. Jan Szarek, und in seiner Person alle Vertreter der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die dem Polnischen Ökumenischen Rat angehören. Als Gemeinschaft in Christus verbun- 262 REISEN den, begrüße ich die Schwestern und Brüder der anderen orthodoxen Ortskirchen, die Vertreter der protestantischen Kirchen und Gemeinschaften aus dem Ausland und auch die Repräsentanten der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Jesus, unser Herr und Erlöser, hat uns hier zusammengerufen. Gelobt sei bei dieser Begegnung sein heiliger Name; der Heilige Geist bewirke, daß das Gotteswort, das wir im Glaubensgehorsam gehört haben, Frucht bringe. Ich danke dem Herrn Präsidenten und den höchsten Autoritäten für ihre Anwesenheit bei diesem bedeutenden ökumenischen Gebetstreffen. 2. Der Leitgedanke dieses Wortgottesdienstes besteht in der Bitte, die Jesus in sein hohepriesterliches Gebet am Tag vor seinem Leiden und Sterben am Kreuz eingeschlossen hat. Es ist das Gebet für die Einheit seiner Jünger: Vater, „ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,20-21). Diese Bitte bezieht sich nicht nur auf die Apostel, sondern auch auf alle nachfolgenden Generationen derer, die von den Aposteln den gleichen Glauben empfangen sollten. Wir nehmen ständig Bezug auf diese Worte Christi im Abendmahlssaal, ob im ökumenischen Gebet oder in der ökumenischen Arbeit: „Ut unum sint.“ Es handelt sich hier um die Einheit nach dem Bild der Dreifaltigkeit: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin“ (ebd.). Die Wechselbeziehung der Personen in der Einheit der göttlichen Dreifaltigkeit ist die höchste Form der Einheit, ihr höchstes Vorbild. Während Christus für die Einheit seiner Jünger betet, zeigt er auch, daß diese Einheit Geschenk und zugleich Verpflichtung ist. Sie ist ein Geschenk, das wir vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist empfangen. Zugleich ist sie eine Verpflichtung, weil sie uns als Aufgabe gestellt worden ist. Angefangen von den Aposteln, ist sie allen christlichen Generationen aufgetragen worden - allen, im ersten und im zweiten Jahrtausend. Christus kommt zweimal auf diesen wesentlichen Gedanken zurück. Denn er betet: „Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Joh 17,22-23). Hier überschreitet Christus gewissermaßen die Grenzen der göttlichen Dreieinigkeit und geht zu der Einheit über, die Aufgabe der Christen ist. Er sagt: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ {Joh 17,23). Die Jünger Christi sollen eine vollendete, auch sichtbare Einheit bilden, damit die Welt in ihnen ein Zeichen sieht, das sie selbst verstehen kann. Die Einheit der Christen hat deshalb auch die wesentliche Bedeutung, die Glaubwürdigkeit der Sendung Christi zu bezeugen und die Liebe des Vaters zu Ihm und zu seinen Jüngern zu offenbaren. Gerade deshalb ist diese Einheit höchstes Geschenk der Heiligsten Dreifaltigkeit und zugleich dringendste Pflicht aller Bekenner Christi. 3. Indem die Kirchen auf die Stimme des Heiligen Geistes hören, fühlen sie sich zur Suche nach einer immer tieferen, nicht nur innerlichen, sondern auch sichtba- 263 REISEN ren Einheit aufgerufen. Hier gibt es kein Zurück. Es handelt sich um eine Einheit, die ein Zeichen für die Welt wird, damit die Welt erkennt und damit die Welt glaubt. Es darf in der ökumenischen Bewegung keine Rückschritte geben! Die Christen, die in den Gesellschaften leben, in denen viele unter der Tragik äußerer und innerer Spaltungen leiden, sollen ständig das Bewußtsein des einzigartigen Geschenkes der Versöhnung mit Gott in Jesus Christus vertiefen. Nur auf diese Weise können sie selbst Wortführer der Versöhnung unter denen werden, die sich mit Gott versöhnen wollen, und so zur Versöhnung unter den Kirchen beitragen, die ein Weg und Antrieb zur Versöhnung unter den Völkern ist. Dieser Aufruf zur Versöhnung ist auch das Thema der 2. Europäischen Ökumenischen Tagung, die vom 23. bis 29. Juni dieses Jahres in Graz, in Österreich, stattfindet. Die Auswirkungen so vieler Umwälzungen, die in der universalen und europäischen Geschichte geschehen sind, machen in der Tat die Versöhnung notwendig. Gern denke ich an unsere letzte Begegnung von 1991 in der Dreifaltigkeitskirche von Warschau zurück. Damals sagte ich, daß wir der Toleranz bedürfen, daß aber Toleranz allein unter den Kirchen viel zu wenig ist. Was sind das für Geschwister, die einander nur tolerieren? Es ist notwendig, daß sie sich gegenseitig annehmen. Heute erinnere ich an diese Worte und bekräftige sie ganz entschieden. Aber auch mit dem gegenseitigen Annehmen darf man sich nicht zufrieden geben. Denn der Herr der Geschichte konfrontiert uns mit dem Beginn des dritten Jahrtausends. Eine wichtige Stunde schlägt. Unsere Antwort muß dem großen Moment dieses besonderen ,Kairos“ Gottes angemessen sein. Hier, an diesem Ort, will ich sagen: Toleranz allein genügt nicht! Gegenseitiges Annehmen allein genügt nicht. Jesus Christus, der ist und der kommt, erwartet von uns ein erkennbares Zeichen der Einheit; er erwartet ein gemeinsames Zeugnis. Schwestern und Brüder, ich komme mit dieser Botschaft zu euch. Ich bitte um ein gemeinsames Zeugnis, das vor der Welt für Christus abgelegt wird. In Christi Namen bitte ich darum! Zuerst wende ich mich an alle Gläubigen der katholischen Kirche, besonders an meine Mitbrüder im Bischofsamt, an den Klerus, an die Ordensleute und an alle Laien. Ich wage auch euch, liebe Schwestern und Brüder der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, darum zu bitten. Im Namen Jesu bitte ich um ein gemeinsames christliches Zeugnis. Der Westen braucht unseren lebendigen und tiefen Glauben unbedingt, während er in dieser historischen Epoche ein neues System vielfältiger Beziehungen aufbaut. Der geistlich verwüstete Osten, dem jahrelang nach Plan der Atheismus eingeimpft worden ist, braucht ein deutliches Zeichen der Nachfolge Christi. Europa braucht uns alle, solidarisch um das Kreuz und das Evangelium vereint. Wir müssen aufmerksam die Zeichen der Zeit lesen. Jesus Christus erwartet von uns allen ein Glaubenszeugnis. Das Gelingen der Evangelisierung ist verbunden mit dem Zeugnis der Kirche für die Einheit. Zeichen eines solch gemeinsamen Zeugnisses ist die geschwisterliche Zusammenarbeit auf ökumenischer Ebene in Polen. Dabei denke ich an die beauftragte Gruppe, die eine Arbeit über das Taufsakrament als Grundlage der Einheit 264 REISEN erstellt hat, die unter den Christen bereits besteht. Das Ergebnis dieser Arbeit konnte schon veröffentlicht werden. Gerade bereitet ihr die ökumenische Übersetzung der Heiligen Schrift vor. Eine Privatinitiative einiger Personen hat sich in eine offizielle Zusammenarbeit unter den Kirchen verwandelt. Frucht dieser Zusammenarbeit ist die ökumenische Übersetzung des Matthäusevangeliums, die am 17. Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Wir hoffen, daß zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 eine ökumenische Ausgabe der gesamten Heiligen Schrift erscheinen wird. Jetzt beabsichtigt ihr, eine neue ökumenische Struktur zwischen den Kirchen aufzubauen, die sich durch größere Dynamik auszeichnet. Diese in jeder Hinsicht notwendige Initiative geht vom Polnischen Ökumenischen Rat aus. Ich hoffe, daß diese Idee zu einem wirksamen Forum der Begegnung, des Dialogs, der Verständigung sowie des gemeinsamen konkreten Handelns und damit auch des Zeugnisses wird. Ich möchte den Initiatoren dieses Plans herzlich danken und meine aufrichtige Wertschätzung für diese edlen Bemühungen ausdrücken. 4. Zum gemeinsamen Zeugnis führt der schwierige Weg der Versöhnung, ohne die keine Einheit möglich ist. Für unsere Kirchen ist die Versöhnung notwendig. Wie können wir mit Christus voll versöhnt sein, wenn wir unter uns nicht voll versöhnt sind? Wie können wir zusammen und wirksam für Christus Zeugnis ablegen, wenn wir nicht unter uns versöhnt sind? Wie können wir uns miteinander versöhnen, ohne einander zu vergeben? Die Vergebung ist die Voraussetzung für die Versöhnung. Aber man kann sie nicht erlangen ohne innere Umwandlung und Umkehr, die Werk der Gnade sind. „Das Engagement für die Ökumene muß sich daher auf die Umkehr der Herzen und auf das Gebet stützen“ (Ui unum sint, Nr. 2). Die Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel weist auf die Notwendigkeit der Umkehr hin und nimmt dabei Bezug auf die Zerstreuung Israels: „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land [...] Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch“ (36,24.26). Um den ökumenischen Weg der Einheit zu gehen, sind eine Umwandlung des Herzens und eine Erneuerung des Denkens notwendig. Wir sollten also vom Heiligen Geist die Gnade der Demut, eine Haltung geschwisterlicher Hochherzigkeit gegenüber den anderen erbitten. Im Brief an die Epheser ermutigt der hl. Paulus die Adressaten, ein Leben zu führen, das der Würde ihrer Berufung entspricht, demütig, friedfertig und geduldig zu sein und einander in Liebe zu ertragen (vgl. 4,1-3). Ein solches Zusammenwirken der Menschen mit der Gnade des Heiligen Geistes ist Unterpfand der gemeinsamen Hoffnung aller Jünger Christi, zur vollen Einheit zu gelangen. Unterstützen wir unser ökumenisches Engagement durch inniges Gebet. In unserem zweiten Jahrtausend, in dessen Verlauf die Einheit der Jünger Christi dramatische Spaltungen im Osten und im Westen erlitten hat, ist für uns das Gebet um die Erlangung der vollen Einheit eine besondere Aufgabe. Es ist unsere Pflicht, ein- 265 REISEN dringlich den Aufbau der von Christus gewollten Einheit zu erstreben, und es ist unsere Pflicht, für diese Einheit zu beten: Denn sie ist Geschenk der Heiligsten Dreifaltigkeit. Je stärker wir mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist verbunden sind, um so leichter wird es uns fallen, den gegenseitigen Umgang als Brüder und Schwestern zu vertiefen. 5. Die heutige Begegnung findet im Rahmen des Internationalen Eucharistischen Kongresses statt, der gerade hier in Breslau stattflndet. Er ist Ausdruck unseres Glaubens und unserer Frömmigkeit, aber auch ein hoher Akt des Gottesdienstes, der in der Kirche die Erinnerung an Christus wachhält. Indem die Eucharistie das Geheimnis der Erlösung, das von Christus am Kreuz vollbrachte Opfer, gegenwärtig setzt, bewirkt sie die Einheit in Ihm und weckt den Wunsch und die Hoffnung auf unsere Auferstehung in der Fülle seines Lebens. Dieses große Glaubensgeheimnis festigt unsere innere Überzeugung der persönlichen Verbundenheit mit Christus und weckt den Wunsch nach Versöhnung mit den anderen. Die Christen, die den durch die gleiche Taufe verbundenen Kirchen angehören, anerkennen gemeinsam die wichtige Rolle, die die Eucharistie in der Versöhnung mit Gott und mit dem Nächsten spielt, obwohl „es wegen der den Glauben berührenden Divergenzen noch nicht möglich [ist], miteinander die Eucharistie zu feiern. Doch haben wir den sehnlichen Wunsch, gemeinsam die eine Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird schon zu einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet. Gemeinsam wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend ,mit nur einem Herzen <1>. Diese ,reale, obgleich noch nicht volle <2> Gemeinschaft endlich besiegeln zu können, scheint manchmal näher zu sein“ (Ut unum sint, Nr. 45). <1> „Statio Orbis“. Heute ist der Höhepunkt des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses: „Statio Orbis“! Heute versammelt sich geistig um diesen Altar die Kirche des gesamten Erdkreises. Sie will vor der ganzen Welt ein weiteres Mal feierlich ihren Glauben an die Eucharistie bekennen und ein Danklied für dieses unvergleichliche Geschenk der göttlichen Liebe anstimmen. Wahrhaftig, „da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Die Kirche lebt von der Eucharistie und schöpft aus ihr die geistlichen Kräfte, um die eigene Sendung zu erfüllen. Es ist die Eucharistie, die ihr die Kraft gibt, zu wachsen und eins zu sein. Die Eucharistie ist das Herz der Kirche! Dieser Kongreß reiht sich organisch in den Kontext des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ein. Im Programm der geistlichen Vorbereitung auf das Jubiläum ist dieses Jahr der besonderen Betrachtung der Person Jesu Christi gewidmet: „Jesus Christus, der einzige Erlöser der Welt gestern, heute und in <2> „Statio Orbis“. Heute ist der Höhepunkt des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses: „Statio Orbis“! Heute versammelt sich geistig um diesen Altar die Kirche des gesamten Erdkreises. Sie will vor der ganzen Welt ein weiteres Mal feierlich ihren Glauben an die Eucharistie bekennen und ein Danklied für dieses unvergleichliche Geschenk der göttlichen Liebe anstimmen. Wahrhaftig, „da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Die Kirche lebt von der Eucharistie und schöpft aus ihr die geistlichen Kräfte, um die eigene Sendung zu erfüllen. Es ist die Eucharistie, die ihr die Kraft gibt, zu wachsen und eins zu sein. Die Eucharistie ist das Herz der Kirche! Dieser Kongreß reiht sich organisch in den Kontext des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ein. Im Programm der geistlichen Vorbereitung auf das Jubiläum ist dieses Jahr der besonderen Betrachtung der Person Jesu Christi gewidmet: „Jesus Christus, der einzige Erlöser der Welt gestern, heute und in Bei diesem großen Fest, das wir hier in Breslau unter der Teilnahme nicht nur von Katholiken, sondern auch von Brüdern und Schwestern anderer Kirchen aus Polen und dem Ausland feiern, kann man den Keim der ökumenischen Umkehr und der erhofften Versöhnung der christlichen Kirchen sehen. Sie wird vollendet sein, wenn sich alle zur gemeinsamen Feier um den gleichen Kelch versammeln können. Das wird Ausdruck der Einheit aller Gemeinschaften auf Orts- und auf Weltebene sein, der Ausdruck unserer vollendeten Einheit mit dem Herrn und untereinander. Denn „fast alle streben, wenn auch auf verschiedene Weise, zur einen sichtbaren Kirche Gottes hin, die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes“ (Ut unum sint, Nr. 7). In den vergangenen Jahren hat sich der Abstand, der die Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften voneinander trennt, deutlich verringert. Aber er ist immer noch zu groß! Zu groß! Christus wollte ihn nicht! Wir müssen alles tun, um die Fülle der Gemeinschaft wiederzuerlangen. Wir dürfen auf diesem Weg nicht stehenbleiben. Erinnern wir uns noch einmal an das hohepriesterliche Gebet Jesu, in dem er sagt: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin [...] 266 REISEN damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Diese Worte Christi sollen für uns alle eine Mahnung sein, daß wir uns anstrengen, das große Werk der Einheit an der Schwelle des herannahenden Jahres 2000 voranzutreiben. In der Liturgie von heute singen wir den Psalm vom Guten Hirten: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er [...] fuhrt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (Ps 23,1-4). Das ist eine große Ermutigung zu Zuversicht und Hoffnung für die Ökumene. Wenn die Spaltungen unter den Christen der „finsteren Schlucht“ entsprechen, die alle unsere Gemeinschaften durchqueren müssen, ist dennoch der Herr, ist Christus, der Gute Hirte, bei ihnen. Er ist es, der vorangeht, er ist es, der die getrennten christlichen Gemeinschaften zu jener Einheit gelangen läßt, für die er am Tag vor seinem Leiden am Kreuz so innig gebetet hat. Während dieses gemeinsamen ökumenischen Gebetes beten wir zu Gott, der unser aller Vater ist, daß er alle seine zerstreuten Kinder sammle und sie kraftvoll auf den Weg der Vergebung und der Versöhnung führe, damit sie gemeinsam Zeugnis ablegen für Jesus Christus, seinen Sohn, unseren Herrn und Erlöser. Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,21). Vater, gib, daß „alle eins seien -ut unum sint“ (vgl. Joh 17,21)! Eucharistie und Freiheit — Kraftquellen der Einheit und nicht der Spaltung Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses - „Statio Orbis“ in Breslau (Wroclaw) am 1. Juni <3> <3> „Statio Orbis“. Heute ist der Höhepunkt des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses: „Statio Orbis“! Heute versammelt sich geistig um diesen Altar die Kirche des gesamten Erdkreises. Sie will vor der ganzen Welt ein weiteres Mal feierlich ihren Glauben an die Eucharistie bekennen und ein Danklied für dieses unvergleichliche Geschenk der göttlichen Liebe anstimmen. Wahrhaftig, „da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Die Kirche lebt von der Eucharistie und schöpft aus ihr die geistlichen Kräfte, um die eigene Sendung zu erfüllen. Es ist die Eucharistie, die ihr die Kraft gibt, zu wachsen und eins zu sein. Die Eucharistie ist das Herz der Kirche! Dieser Kongreß reiht sich organisch in den Kontext des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ein. Im Programm der geistlichen Vorbereitung auf das Jubiläum ist dieses Jahr der besonderen Betrachtung der Person Jesu Christi gewidmet: „Jesus Christus, der einzige Erlöser der Welt gestern, heute und in 267 REISEN Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8). Durfte also dieses eucharistische Bekenntnis des Glaubens der ganzen Kirche in diesem Jahr fehlen? Auf dem Weg der Eucharistischen Kongresse, der alle Erdteile umfaßt, ist jetzt Breslau, Polen, Mittelosteuropa an der Reihe. Die Umwälzungen hier haben eine neue Epoche in der Geschichte der zeitgenössischen Welt eröffnet. Die Kirche will auf diese Weise Christus danken für das Geschenk der Freiheit, die von all diesen Nationen wiedererlangt wurde, die in den Jahren der totalitären Unterdrückung so sehr gelitten haben. Der Kongreß findet in Breslau statt, in einer geschichtsträchtigen, traditionsreichen christlichen Stadt. Die Erzdiözese Breslau bereitet sich auf ihre Tausendjahrfeier vor. Breslau liegt beinahe am Kreuzungspunkt zwischen drei Ländern, die durch ihre Geschichte eng miteinander verbunden sind. In gewissem Sinn ist es eine Stadt der Begegnung, die Stadt, die vereint. Hier treffen sich sozusagen die geistigen Traditionen des Ostens und des Westens. Das alles verleiht diesem Eucharistischen Kongreß, und besonders dieser „Statio Orbis“, eine außerordentliche Bedeutung. Mit Auge und Herz umfange ich unsere ganze große eucharistische Gemeinschaft, die wahrhaftig international und weltweit ist. Durch ihre Vertreter ist heute in Breslau die universale Kirche präsent. Ich richte einen besonderen Gruß an alle anwesenden Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, angefangen von meinem Legaten bei diesem Kongreß, Kardinal Angelo Sodano, meinem Staatssekretär. Ich grüße den polnischen Episkopat unter der Führung Herrn Kardinalprimas. Ich grüße Kardinal Henryk Gulbinowicz, den Oberhirten der Kirche von Breslau, die so hochherzig die Aufgabe übernommen hat, ein so großes Ereignis wie diesen Kongreß auszurichten. Die Freude dieser Feier wird noch verstärkt durch die Teilnahme unserer christlichen Brüder. Ich danke ihnen, daß sie gekommen sind, um sich unserem Lobpreis und unserer Fürbitte anzuschließen. Ich danke den orthodoxen Kirchen, die die Entsendung ihrer Vertreter veranlaßten. Unter ihnen danke ich besonders dem lieben Metropoliten Damaskinos, der hier meinen lieben Bruder, den ökumenischen Patriarchen Bartolomaios I., vertritt. Diese Anwesenheit bezeugt unseren Glauben und stärkt unsere Hoffnung, den Tag anbrechen zu sehen, wo wir in voller Treue gegenüber dem Willen unseres einen Herrn gemeinsam an demselben Kelch kommunizieren können. Ich danke dem Metropoliten Teofan, der den lieben Patriarchen von Moskau, Aleksej II., vertritt. Ich heiße die Priester sowie die männlichen und weiblichen Ordensfamilien willkommen und grüße sie. Ich grüße euch alle, liebe Pilger, die ihr vielleicht von weit entfernten Orten aus aller Welt angereist seid. Ich grüße euch, liebe Landsleute aus ganz Polen. Ich grüße auch all diejenigen, die sich in diesem Augenblick mit uns über Radio und Fernsehen in aller Welt vereinen. Das ist wirklich und wahrhaftig eine „Statio Orbis“! Angesichts dieser eucharistischen Versammlung, die sich in diesem Augenblick um den Altar schart und unseren ganzen Planeten umgreift, kann man nur schwer eine tiefe Bewegung unterdrücken. 268 REISEN 2. „Geheimnis des Glaubens“! Um das Geheimnis der Eucharistie zu ergründen, muß man immer wieder in den Abendmahlssaal zurückkehren, in dem am Gründonnerstag das letzte Abendmahl stattgefunden hat. Gerade in der heutigen Liturgie spricht der hl. Paulus von der Einsetzung der Eucharistie. Scheinbar ist das der älteste Text über die Eucharistie, der sogar der Erzählung der Evangelisten vorausgeht. Im ersten Brief an die Korinther schreibt Paulus: „Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1 Kor 11,23-26). Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit. Diese Worte enthalten den Wesenskem des eucharistischen Geheimnisses. Wir finden hier das, was wir jeden Tag bezeugen und wessen wir teilhaftig werden, während wir die Eucharistie feiern und empfangen. Im Abendmahlssaal wirkt Jesus die Wandlung. Kraft seiner Worte wird das Brot, auch wenn es die äußere Gestalt des Brotes bewahrt, sein Leib, und der Wein, obwohl er die äußere Gestalt des Weines behält, sein Blut. Das ist das große Geheimnis des Glaubens! Wenn wir dieses Geheimnis feiern, erneuern wir nicht nur das, was Christus im Abendmahlssaal getan hat, sondern wir dringen auch in das Geheimnis seines Todes ein. „Deinen Tod verkünden wir!“ Es ist der Tod, der Erlösung schafft. „Deine Auferstehung preisen wir!“ Wh nehmen am Heiligen Triduum und an der Ostemacht teil. Wh haben teil am Heilsgeheimnis Christi und erwarten seine Wiederkunft in Herrlichkeit. Durch die Einsetzung der Eucharistie sind wir in die Endzeit eingetreten, in die Zeit des Wartens auf das zweite und endgültige Kommen Christi, wenn über die Welt Gericht gehalten und gleichzeitig das Erlösungswerk vollendet wird. Die Eucharistie spricht nicht nur darüber. Das alles wird in der Eucharistie gefeiert - das alles vollzieht sich in ihr. Die Eucharistie ist wirklich das große Sakrament der Kirche. Die Kirche feiert Eucharistie, und die Eucharistie baut zugleich Kirche. 3. „Ich bin das lebendige Brot“ (Joh 6,51). Die Botschaft des Johannesevangeliums vervollständigt das liturgische Bild dieses großen eucharistischen Geheimnisses, das wir heute als Höhepunkt des Internationalen Eucharistischen Kongresses in Breslau feiern. Die Worte des Johannesevangeliums sind die große Ankündigung der Eucharistie nach der wunderbaren Brotvermehrung bei Kafamaum. Indem er gleichsam der Zeit vorauseilte, offenbarte Christus, was die Eucharistie sei, noch bevor sie eingesetzt war. Er sagte: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). Als diese Worte den Widerspruch vieler seiner 269 REISEN Zuhörer hervorrief, sagte Jesus: „Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag. Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ {Joh 6,53-56). Das sind Worte, die den Wesenskem der Eucharistie betreffen. Ja, Christus kam in die Welt, um dem Menschen das göttliche Leben zu spenden. Er verkündete nicht nur die frohe Botschaft, sondern setzte auch die Eucharistie ein, die bis zum Ende der Zeiten sein Heilsgeheimnis gegenwärtig machen soll. Als Ausdrucksform wählte er Naturprodukte: Brot und Wein, Speise und Trank, die der Mensch zu sich nehmen muß, um sich am Leben zu erhalten. Gerade die Eucharistie ist diese Speise und dieser Trank. Diese Speise enthält die ganze Kraft der von Christus gewirkten Erlösung. Zum Leben braucht der Mensch Speise und Trank. Um das ewige Leben zu erlangen, braucht der Mensch die Eucharistie. Das ist die Speise und der Trank, die das Leben des Menschen umwandeln und ihm den Horizont des ewigen Lebens eröffnen. Indem er den Leib und das Blut Christi zu sich nimmt, trägt der Mensch schon hier auf Erden in sich den Keim zum ewigen Leben, denn die Eucharistie ist das Sakrament des Lebens in Gott. Christus sagt: „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich ißt, durch mich leben“ {Joh 6,57). 4. „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit“ {Ps 144/145,15). In der ersten Lesung der Liturgie von heute erzählt uns Mose von Gott, der sein Volk ernährt, während es durch die Wüste dem gelobten Land entgegengeht: „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während dieser vierzig Jahre in der Wüste geführt hat, um dich gefügig zu machen und dich zu prüfen. Er wollte erkennen, wie du dich entscheiden würdest... [Gott speiste] dich in der Wüste mit dem Manna ..., das deine Väter noch nicht kannten, um dich gefügig zu machen, dich zu prüfen und dir zuletzt Gutes zu tun“ (Dtn 8,2.16). Das Bild eines Volkes auf der Wanderschaft in der Wüste, das aus diesen Worten hervorgeht, spricht auch uns an, die wir auf das Ende des zweiten Jahrtausends nach Christi Geburt zugehen. In diesem Bild finden alle Völker und Nationen der ganzen Welt ihren Platz, besonders jene, die Hunger leiden. Während dieser „Statio Orbis“ muß man die ganze „Landkarte des Hungers“ vor Augen haben, die viele Teile der Welt umfaßt. In diesem Augenblick leiden Millionen unserer Brüder und Schwestern Hunger, und viele sterben daran - vor allem die Kinder! In einer Zeit fortschreitender, nie dagewesener Entwicklung von Technik und Technologie ist das Drama des Hungers eine gewaltige Herausforderung und eine ungeheure Anklage! Die Erde ist in der Lage, alle zu ernähren. Warum sterben dann heute am Ausgang des 20. Jahrhunderts Tausende von Menschen an Hunger? Hier ist eine ernste Gewissenerforschung auf Weltebene not- 270 REISEN wendig, eine Gewissenserforschung, die die soziale Gerechtigkeit und die elementare zwischenmenschliche Solidarität betrifft. An dieser Stelle gilt es, an die Grundwahrheit zu erinnern, daß die Erde Gott gehört und daß Gott alle in ihr enthaltenen Schätze in die Hände des Menschen gelegt hat, damit er sie in rechter Weise nütze und sie dem Wohl aller dienen. Das ist die Bestimmung der geschaffenen Güter. Dafür spricht selbst das Naturgesetz. Während dieses Eucharistischen Kongresses darf eine solidarische Bitte um Brot im Namen aller, die Hunger leiden, nicht fehlen. Wir richten sie zuerst an Gott, den Vater aller: „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Aber wir richten sie auch an die Männer und Frauen in Politik und Wirtschaft, auf denen die Verantwortung einer gerechten Verteilung der Güter auf Welt- und auf Landesebene lastet: Man muß der Geißel des Hungers endlich ein Ende setzen! Die Solidarität muß die Oberhand gewinnen über die schrankenlose Profitgier und jene Anwendungen der Marktgesetze, die den unveräußerlichen Menschenrechten nicht Rechnung tragen. Auf jedem von uns lastet ein kleiner Teil der Verantwortung für diese Ungerechtigkeit. Jeder von uns kommt in irgendeiner Weise mit dem Hunger und Elend anderer in Berührung. Mögen wir das Brot mit denen teilen, die es nicht oder die weniger davon haben als wir! Mögen wir unsere Herzen für die Bedürfnisse der Brüder und Schwestern öffnen, die Armut und Elend leiden! Manchmal schämen sie sich, es zuzugeben, und verbergen die eigene Not. Ihnen muß sich eine brüderliche Hand diskret entgegenstrecken. Das ist es auch, was uns die Eucharistie, das Brot des Lebens, lehrt. Besonders eindrucksvoll hatte das der heilige Bruder Albert, der „Poverello“ von Krakau, der sein Leben dem Dienst an den Notleidenden widmete, zusammengefaßt. Er sagte oft: „Man muß gut sein wie das Brot, das für alle auf dem Tisch liegt und von dem sich jeder, der Hunger hat, ein Stück abschneiden kann, um ihn zu stillen.“ 5. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1). Das Thema dieses 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses von Breslau ist die Freiheit. Die Freiheit hat einen besonderen Geschmack, besonders hier in diesem Teil Europas, der viele Jahre schmerzlich geprüft wurde, weil ihm die Freiheit vom nazistischen und kommunistischen Totalitarismus vorenthalten wurde. Schon der Klang des Wortes „Freiheit“ läßt die Herzen höher schlagen. Dies liegt sicher daran, daß man in den vergangenen Jahrzehnten einen sehr hohen Preis dafür zahlen mußte. Tief sind die Wunden, die nach dieser langen Zeit in den Menschenherzen verblieben sind. Viel Zeit wird noch vergehen müssen, bevor sie heilen können. Der Kongreß ruft uns auf, die Freiheit des Menschen im Hinblick auf die Eucharistie zu betrachten. Wir singen in der Kongreßhymne: „Du hast uns das Geschenk der Eucharistie hinterlassen, um die innere Freiheit neu zu ordnen.“ Das ist eine entscheidende Aussage. Hier ist die Rede von der „Ordnung der Freiheit“. Ja, wahre Freiheit erfordert Ordnung. Aber um welche Ordnung handelt es sich hier? Es geht hier vor allem um die moralische Ordnung, um die Ordnung der Werte- 271 REISEN skala, um die Ordnung der Wahrheit und des Guten. Wenn im Wertebereich Leere herrscht, wenn auf der moralischen Ebene Chaos und Verwirrung regieren, stirbt die Freiheit, und aus dem freien Menschen wird ein Sklave - ein Sklave der Instinkte, der Leidenschaften und der Pseudowerte. Es stimmt: Die Ordnung der Freiheit aufzubauen, ist mit Anstrengung verbunden! Die wahre Freiheit kostet immer Mühe! Jeder von uns muß ständig diese Mühe auf sich nehmen. Daraus ergibt sich die Frage: Kann der Mensch allein, ohne Christus oder sogar gegen Christus die Ordnung der Freiheit errichten? Es ist eine außerordentlich dramatische Fragestellung, aber aktueller denn je in einem gesellschaftlichen Kontext, der von einem Demokratieverständnis durchwirkt ist, das sich an der liberalen Ideologie anlehnt! Denn man versucht den Menschen und ganze Gesellschaften davon zu überzeugen, daß Gott ein Hindernis ist auf dem Weg zur vollen Freiheit, daß die Kirche gegen die Freiheit ist, daß sie kein Verständnis für die Freiheit und sogar vor ihr Angst hat. Hier haben wir eine unglaubliche Verwirrung der Begriffe! Die Kirche hört nicht auf, in der Welt die Verkünderin des Evangeliums der Freiheit zu sein! Das ist ihre Sendung. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ {Gal 5,1). Deshalb hat ein Christ keine Angst vor der Freiheit, noch flüchtet er vor ihr! Er nimmt sie in schöpferischer und verantwortlicher Weise an und sieht sie als seine Lebensaufgabe. Denn die Freiheit ist nicht nur eine Gabe Gottes; sie ist uns auch als Aufgabe gestellt! Sie ist unsere Berufung: „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder“, schreibt der Apostel Paulus {Gal 5,13). Die Behauptung, die Kirche sei eine Feindin der Freiheit, ist besonders absurd hier, in diesem Land, auf diesem Boden, bei diesem Volk, wo die Kirche so viele Male bewiesen hat, daß sie eine wahre Hüterin der Freiheit ist! Sowohl im letzten Jahrhundert als auch in diesem Jahrhundert und in den letzten fünfzig Jahren. Sie ist die Hüterin der Freiheit, weil sie glaubt, daß Christus uns zur Freiheit befreit hat. „Du hast uns das Geschenk der Eucharistie hinterlassen, um die innere Freiheit neuzuordnen.“ Worin besteht diese Ordnung der Freiheit nach dem Vorbild der Eucharistie? In der Eucharistie ist Christus als derjenige gegenwärtig, der sich dem Menschen schenkt und der dem Menschen dient: „Da er die Seinen [...] liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Die wahre Freiheit wird nach der Bereitschaft zum Dienst und zur Selbsthingabe bemessen. Nur die so verstandene Freiheit ist wirklich kreativ, erhebt unser Menschsein und knüpft zwischenmenschliche Beziehungen. Sie baut auf und spaltet nicht! Wie sehr brauchen die Welt, Europa und Polen diese Freiheit, die eint! Christus in der Eucharistie wird immer ein unerreichbares Vorbild für die Haltung der „Proexistenz“ sein, das heißt der Haltung dessen, der für den anderen da ist. Er war ganz da für seinen himmlischen Vater und im Vater für jeden Menschen. Das II. Vatikanische Konzil betont, daß der Mensch sich selbst und damit seine Freiheit im Vollsinn „nur durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst“ finden kann (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Heute, während dieser „Statio Orbis“, lädt uns die 272 REISEN Kirche ein, in diese eucharistische Schule der Freiheit zu gehen, damit wir mit den Augen des Glaubens auf die Eucharistie schauen und Baumeister einer neuen Ordnung der Freiheit werden, die dem Evangelium entspricht - in unserem Herzen und in den Gesellschaften, in denen wir leben und arbeiten dürfen. 6. „Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?“ (Ps 8,5). Wenn wir die Eucharistie betrachten, überfallt uns gläubiges Staunen nicht nur gegenüber dem Geheimnis Gottes und seiner unbegrenzten Liebe, sondern auch gegenüber dem Geheimnis des Menschen. Vor der Eucharistie kommen uns unwillkürlich die Worte des Psalmisten über die Lippen: „Was ist der Mensch, daß du dich seiner annimmst?“ Welch großen Wert hat der Mensch in den Augen Gottes, wenn Gott selbst ihm seinen Leib zur Speise gibt! Welch großen Raum birgt des Menschen Herz, wenn es nur durch Gott erfüllt werden kann! „Du hast uns geschaffen für dich (Gott) - bekennen wir mit dem hl. Augustinus -, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir“ (Bekenntnisse, 1.1.1.). „Statio Orbis“ des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses ... Die ganze Kirche erweist dir, Christus, in der Eucharistie verborgener Erlöser des Menschen, heute ganz besonders Ehre und Lobpreis. Sie bekennt öffentlich ihren Glauben an dich, der du dich für uns zum Brot des Lebens gemacht hast. Und sie sagt dir Dank dafür, daß du der Gott-mit-uns bist, denn du bist der Emmanuel! Dir sei Lob und Preis ... dir sei Ehre und Herrlichkeit, unser Herr auf immer und für alle Zeit. Mit deinem Volk bringen wir dir unsere Verneigung und unsere Lieder dar, wir, deine Diener. Wir danken deiner Großherzigkeit für diese große Gabe deiner Allmacht. Du hast dich uns Unwürdigen, hier Anwesenden in diesem Sakrament gegeben. Amen! Eucharistie verpflichtet zum Dienst am Menschen Dank- und Grußworte zum Abschluß der Messe bei der „Statio Orbis“ in Breslau (Wroclaw) am 1. Juni Die heilige Messe zum Abschluß des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses geht nun zu Ende. In diesem Augenblick können wir mit dem inspirierten Autor die Worte wiederholen: ,AUe Enden der Erde sahen das Heil unsres Gottes“ (Ps 98,3): „Die Erde sah ihren Retter“ - sie sah ihn hier in Breslau, sie sah ihn mit den Augen des Glaubens des hier versammelten Gottesvolkes, mit den Augen des Glaubens der Vertreter aller Kontinente unserer Erde. Ich möchte meine Dankbarkeit gegenüber der göttlichen Vorsehung zum Ausdruck bringen, daß der 46. Internationale Eucharistische Kongreß hier in Breslau gefeiert werden konnte. Ich danke allen Anwesenden, daß sie an diesem „großen 273 REISEN Geheimnis unseres Glaubens“, am Geheimnis des eucharistischen Christus, teilgenommen haben. Ich danke von neuem den hier anwesenden Kardinälen, an ihrer Spitze dem Kardinalprimas; ich danke dem Gastgeber des Kongresses, Kardinal Henryk, sowie Kardinal Franciszek von Krakau. Ein besonderer Gruß gilt Kardinal Joachim Meisner, der hier in Breslau geboren ist. Ich danke allen Erzbischöfen und Bischöfen, die aus allen Teilen der Welt hierher nach Breslau gekommen sind. Ich grüße die Vertreter der Behörden der Republik Polen und danke allen für ihre Anwesenheit. Ich grüße die Vertreter der örtlichen Behörden: den Woiwoden sowie den Präsidenten der Stadt Breslau. Ich grüße alle Institutionen der Kirche in Breslau: die klerikalen und die laikalen, die Päpstliche Theologische Fakultät, das Metropolitan-Seminar, die männlichen und die weiblichen Ordensinstitute, die Hochschulen und die Vertreter des Handwerks. Ich grüße alle, die diesen Kongreß vorbereitet haben. Herzlich grüße ich die Delegationen, die aus allen Teilen Polens und der Welt zu dem Kongreß gekommen sind: aus Asien, aus Australien, aus Afrika, aus den beiden Amerika, aus Europa. In besonderer Weise grüße ich die Pilger, die aus den Bruderländem hierher gekommen sind: aus Böhmen, aus der Slowakei, aus der Ukraine, aus Weißrußland, aus Litauen, aus Lettland und aus Estland. Vielleicht begegnen viele von euch zum ersten Mal dem pilgernden Papst. Vielleicht täusche ich mich, aber ich höre vor allem die Pilger aus Kasachstan. Danken wir Gott, daß er uns diese Gnade gewährt hat, gemeinsam - mit einem Herzen und einer Seele (vgl. Apg 4,32) - Christus in der Eucharistie zu lobpreisen. Wir beschließen diesen Eucharistischen Kongreß in einem im Lauf der Geschichte so sehr geprüften Land. Der niederschlesische Boden ist ein besonders zeugnisträchtiger Boden. Er ist ein von der Gegenwart großer Glaubenszeugen geheiligter Boden. Auf diesem Boden hat die hl. Hedwig, Mutter der schlesischen Piasten, Werke der Barmherzigkeit vollbracht. Hier hat die sei. Teresia Benedikta vom Kreuz (Edith Stein), deren Heiligsprechung bevorsteht, den ersten Teil ihres Lebens verbracht. Schwestern und Brüder! Hier in Breslau haben wir dem eucharistischen Christus die Ehre erwiesen. Dieses große Geheimnis des Glaubens, die Eucharistie, werde nun zum Dienst am Menschen, besonders dem allerkleinsten. Mit Christus wollen wir darangehen, die Zivilisation der Liebe aufzubauen, die Zivilisation der Wahrheit, die Zivilisation der „Freiheit“, zu der Christus uns befreit hat (vgl. Gal 5,1). Heute wird der Tag des Kindes gefeiert. Ich möchte jedem Kind in Breslau, jedem Kind in Polen und in der Welt einen Kuß geben: vor allem den verlassenen, den wegen der Gleichgültigkeit ihrer Mitmenschen leidenden, den nicht erwünschten. An diesem Tag wünsche ich allen Kindern, daß sie die Freude und die Liebe erfahren können, die man ihnen schuldet und die Gott selbst so sehr für sie wünscht. Auf diesem Eucharistischen Kongreß spricht man verschiedene Sprachen, so will auch ich es zum Abschluß tun: 274 REISEN Der Papst grüßte die Anwesenden in englisch, italienisch, spanisch, französisch, russisch. Schließlich sagte er auf deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Einen herzlichen Gruß richte ich an alle, die aus den deutschsprachigen Ländern zu dieser „Statio Orbis“ gekommen sind. Ihr habt euch um diesen Altar versammelt, um Gottes Wort zu hören und das Brot des Lebens zu empfangen. Von dieser Eucharistiefeier gestärkt, sollt ihr in eure Heimat zurückkehren, um dort das Evangelium des Lebens zu verkünden und zu bezeugen! Verbindung von Eucharistie und Priestertum ist untrennbar Angelus in Breslau (Wroclaw) am 1. Juni „Wir grüßen dich, lebendiges Brot, in dem Jesus Christus seine Gottheit verbirgt!“ 1. Am Schluß dieser eindrucksvollen Eucharistiefeier wenden wir uns im Angelusgebet an Maria. Wir alle kennen dieses Gebet. Wir wissen, daß es uns an die Szene der Verkündigung erinnert. „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist.“ Der Moment der Verkündigung ist auch der Augenblick der jungfräulichen Empfängnis des Gottessohnes. Deshalb erinnert uns dieses Mariengebet, das wir dreimal am Tag sprechen, auch an dieses tiefe Geheimnis der Menschwerdung. „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. [...] Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,28.42). Am heutigen Sonntag, am Ende der „Statio Orbis“, die den Eucharistischen Kongreß in Breslau beschließt, werden wir uns der besonderen Beziehung bewußt, die zwischen dem Geheimnis der Menschwerdung und der Eucharistie besteht. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“, wiederholen wir im Angelusgebet. Gerade dieses „Fleisch“ wird Eucharistie, wenn der Priester über Brot und Wein die Worte spricht, die Christus im Abendmahlssaal gesagt hat: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Leib und Blut. „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (vgl. 1 Kor 11,24-25). Diese wunderbare Beziehung zwischen dem fleischgewordenen Wort und der Eucharistie drückt ein polnisches Sakramentslied sehr schön aus: „Wir grüßen dich, lebendiges Brot, / in dem Jesus Christus seine Gottheit verbirgt. / Ave, Jesu, Mariens Sohn, / im heiligen Brot bist du wahrer Gott.“ 2. So enthüllt uns also das Angelusgebet seine tiefe eucharistische Bedeutung. Auf dem Altar opfert sich Christus und schenkt uns unter den Gestalten von Brot und Wein den Leib und das Blut zur Speise, die ihm seine Mutter Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes gegeben hat. Als Gott, unser Vater, Maria zur Mutter 275 REISEN seines eingeborenen Sohnes erwählte, hat er sie in besonderer Weise mit der Eucharistie verbunden. Maria, lehre uns, dieses tiefe Glaubensgeheimnis immer besser zu erfassen, damit wir stets voll Freude und Dankbarkeit die Einladung deines Sohnes annehmen: „Nehmet und esset alle davon. Das ist mein Leib [...] Nehmet und trinket alle daraus: Das ist mein Blut.“ „Wir grüßen dich, Engelsbrot, / wir beten dich an in diesem Sakrament. / Ave, Jesu, Mariens Sohn, / in dem heiligen Brot bist du wahrer Gott.“ 3. Möge das eucharistische Geheimnis euer ganzes Leben durchdringen! Möge eure Liebe zu Gott und den Nächsten aus der Eucharistie Kraft schöpfen, möge sich euer Glaube entzünden und eure Hoffnung stark werden! Indem wir die Gegenwart Christi in der Eucharistie preisen, danken wir Gott auch für das Priestertum. Priestertum und Eucharistie sind unlösbar miteinander verbunden. Der Priester ist Diener der Eucharistie. In der Gemeinschaft der Kirche erfüllt er in besonderer Weise Christi Gebot: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Durch das Weihesakrament zu Christus, dem Hohenpriester, gehörig, feiert der Priester in Seiner Kraft das eucharistische Opfer. Es gibt kein Priestertum ohne Eucharistie. Und es gibt kein eucharistisches Opfer ohne Priestertum. Das Angelusgebet, das wir gleich sprechen werden, soll daher auch Danksagung für das Geschenk des Priestertums und eindringliche Bitte um neue Berufungen sein. Mögen viele den Ruf des „Herrn der Ernte“ hören und mit Maria das hochherzige „fiat“ Gott als Antwort geben. Bitten wir die Jungfrau Maria, daß wir bei ihrem Sohn viele eifrige Diener der Eucharistie für die Kirche erhalten. Eucharistie überschreitet alle Grenzen Ansprache bei der Begegnung mit den Delegationen am 46. Internationalen Eucharistischen Kongreß im Seminar von Breslau (Wroclaw) am 1. Juni Bevor der Papst seine Ansprache begann, sagte er: Zunächst möchte ich mich für meine Verspätung entschuldigen, aber ich wollte das Grab meines Freundes Kardinal Boleslaw Kominek, das sich in der Kathedrale befindet, besuchen und auch die Gräber anderer polnischer und deutscher Breslauer Bischöfe und Erzbischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die sich nicht in der Kathedrale, sondern auf den Friedhöfen von Breslau befinden, und dadurch ist es zu dieser Verspätung gekommen. Verehrte Gäste! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir treffen uns heute nachmittag zu dieser Begegnung, um gemeinsam der göttlichen Vorsehung für das Geschenk des Eucharistischen Kongresses zu dan- 276 REISEN ken. Wir danken Gott für diese Zeit des Gebetes und der Verehrung und auch der theologischen Reflexion über jenes großartige Geheimnis unseres Glaubens, das die Eucharistie darstellt. Acht Tage lang habt ihr die besondere Gnade des Zusammenseins erfahren. Was alle vereinte, war der Glaube an die Realpräsenz [wirkmächtige Gegenwart] Christi unter den Gestalten von Brot und Wein und auch das Wissen darum, daß er immer in unserer Mitte ist, „damit wir das Leben haben und es in Fülle haben“ (vgl. Joh 10,10). Die Stadt Breslau hat sich in diesen Tagen in einen großen Abendmahlssaal verwandelt, in dem sich alle Gläubigen an einem gemeinsamen Tisch um Christus versammelten, um seine Worte zu hören, ihn mit Gesang und Gebet zu loben und seinen heiligen Leib als Speise zu empfangen. An den Feierlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Kongreß stattfanden, nahm nicht nur diese Stadt, sondern die ganze Erzdiözese Breslau und die Kirche in Polen teil. Die heilige Messe heute vormittag, die zusammen mit dem Papst von zahlreichen Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen und auch von einer großen Schar von Priestern konzelebriert wurde, war eine wirkliche „Statio Orbis“, eine riesengroße Versammlung von Pilgern aus der ganzen Welt, besonders aus Europa. Sie ist zum sichtbaren Bild der „in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelten“ Kirche geworden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4). Während wir für dieses Geschenk danken, bringen wir mit den Worten der Didache den Dank der ganzen Kirche zum Ausdruck: „Du, Herrscher, Allmächtiger / hast alles geschaffen um deines Namens willen, / Speise und Trank den Menschen zum Genuß gegeben; / uns aber hast du geistliche Speise und Trank geschenkt und / ewiges Leben durch Jesus, deinen Knecht... / Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit!“ (Didache, X.3; [Schriften des Urchristentums, Bd. 2, hrsg. von Klaus Wengst, Darmstadt 1984, S. 81]). 2. Ich empfinde es als eine besondere Freude, heute mit euch Zusammentreffen zu können. Ich begrüße alle Delegaten, die als Vertreter ihrer über die ganze Welt verstreuten Kirchengemeinden, Diözesen, Länder und Nationen nach Breslau gekommen sind. Unter euch sind Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien. Meine besondere Anerkennung möchte ich denjenigen unter euch aussprechen, die zur Ausrichtung dieses Kongresses beigetragen haben. Worte besonderen Dankes richte ich an Kardinal Edouard Gagnon, Vorsitzenden des Päpstlichen Komitees für die Eucharistischen Weltkongresse, sowie auch an die Mitglieder dieses Komitees. Meine Dankbarkeit gilt auch Kardinal Henryk Gulbinowicz, Metropolit von Breslau und zugleich Präsident des Nationalkomitees, und allen, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Ich danke auch den einzelnen Sektionen, Kommissionen und allen Menschen guten Willens. Ihr habt weder Zeit noch Mühe gespart. Eure Arbeit und der großzügige organisatorische Einsatz haben bewirkt, daß der Kongreß zu einem großen Ereignis im Leben der Kirche und zu einem tiefen geistlichen Erlebnis für viele geworden ist. Aus tiefstem Herzen danke ich auch allen Schwestern und Brüdern der anderen Kirchen und kirchlichen Gemein- 277 REISEN schäften, die mit uns zusammen für die Einheit der Christen gebetet haben, für ihre Anwesenheit. fch danke auch den Mitgliedern anderer Religionen und religiösen Traditionen. Es ist nicht möglich, hier alle aufzuzählen, verzeiht mir daher, wenn ich jemanden ausgelassen habe. 3. Liebe Brüder und Schwestern, ich habe gesagt, daß der 46. Eucharistische Weltkongreß ein großes kirchliches Ereignis gewesen ist. Ich würde sagen, er ist zu einer großen Erfahrung der in der Eucharistie vereinten Weltkirche geworden. Die Kirche lebt von der Eucharistie und wird beständig aus ihr geboren. Die Kirche verwirklicht sich auf besondere Weise durch die Eucharistie, die gleichsam der Zenit ist, dem alles in der Kirche zustrebt. „Die heiligste Eucharistie enthält ja -wie das Konzil sagt - das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 5). Deshalb muß die Kirche, wenn sie sich selbst und ihre Sendung wirklich bis zum Letzten begreifen will, unaufhörlich diese eucharistische Gegenwart Christi entdecken, über sie nachdenken und aus ihr leben. Pflegen und vertiefen wir in unserem Herzen eine große Dankbarkeit gegenüber Gott für die Gnaden, mit denen er seine Kirche beschenkt. Liebe Brüder und Schwestern, wir alle konnten erleben, wie sich Menschen verschiedener Rassen, Sprachen, Nationen und Kulturen im Geheimnis der Eucharistie begegneten. Jawohl. Die Eucharistie überschreitet alle Grenzen. In ihr wird die Einheit der Kirche als mystischer Leib Christi sichtbar. Mit welcher Klarheit erfüllen sich hier die Worte des hl. Augustinus, der die Eucharistie „Sakrament der Pietät, Zeichen der Einheit und Band der Liebe“ nannte (In loan. Ev. tr., 26,13,6: .PZ35,1613; BKV, Bd. V, S. 39 f). Die Eucharistie ist das schlagende Herz der Kirche. „Die Eucharistie baut die Kirche auf; sie baut sie auf als die wahre Gemeinschaft des Volkes Gottes, als Versammlung der Gläubigen, die von demselben Merkmal der Einheit gekennzeichnet ist, das schon die Apostel und ersten Jünger des Herrn ausgezeichnet hat. Die Eucharistie baut immer wieder neu diese Gemeinschaft und Einheit auf; sie baut sie stets auf und erneuert sie in der Kraft des Opfers Christi, weil sie seines Todes am Kreuz gedenkt, um dessen Preis wir von ihm erlöst worden sind“ (Redemptor hominis, Nr. 20). Genau in diesem Zusammenhang muß jeder Eucharistische Kongreß und seine Rolle im Leben der ganzen Kirche verstanden werden. 4. Laßt mich noch einen sehr wichtigen Aspekt hervorheben, nämlich den Ort, an dem der Kongreß stattfindet. Es ist Polen, eines der Länder Mittel-Osteuropas, das zusammen mit anderen Ländern dieser Region nach Jahren der Unterdrückung durch das totalitäre kommunistische System vor kurzem die Freiheit und Souveränität wiedergewonnen hat. Bedeutungsvoll ist auch das Motto des Kongresses: „Christus hat uns zur Freiheit befreit“ (Gal 5,1). Hier, in diesem Teil Europas, erhält das Wort „Freiheit“ eine besondere Bedeutung. Wir kennen den bitteren Ge- 278 REISEN schmack von Versklavung, Krieg und Ungerechtigkeit. Das kennen auch jene Länder, die wie wir die tragischen Erfahrungen des Fehlens persönlicher und sozialer Freiheit erlebt haben. Heute freuen wir uns über die wiedergewonnene Freiheit, aber „man darf die Freiheit nicht nur besitzen und verbrauchen. Sie muß ständig durch die Wahrheit errungen werden. Die Freiheit birgt in sich die reife Verantwortung des menschlichen Gewissens, die das Ergebnis dieser Wahrheit ist. Sie kann richtig oder falsch gebraucht werden, im Dienste wahrer oder falscher, vorgetäuschter Güter“ (Cykl Jasnogörski, 7.11.1990). Der in der Eucharistie gegenwärtige Christus lehrt uns, was wahre Freiheit bedeutet und wie wir sie gebrauchen sollen. Eine intensive Rückkehr zur Eucharistie ist heute unbedingt notwendig. Sie allein vermag dem Menschen die Fülle der grenzenlosen Liebe Gottes zu offenbaren und so auf sein Verlangen nach Liebe zu antworten. Sie allein kann seine Freiheitsbestrebungen steuern, indem sie ihn auf die neue Dimension menschlichen Seins hinweist. Wenn wir nämlich entdecken, daß wir dazu berufen sind, uns selbst Gott und dem Nächsten hinzugeben, erfüllt der Glanz der Wahrheit unsere Freiheit und bringt die Liebe zum Leuchten. Danken wir Gott für diese gnadenreichen Tage. Beten wir dafür, daß dieser Eucha-ristische Kongreß in den Herzen der Menschen die Liebe für den in der Eucharistie gegenwärtigen Christus stärken möge. In der Enzyklika Redemptor hominis habe ich geschrieben: „In der Kirche müssen alle, besonders aber die Bischöfe und die Priester, darüber wachen, daß dieses Sakrament der Liebe den Mittelpunkt im Leben des Gottesvolkes bildet, auf daß durch alle Ausdrucksformen des geschuldeten Kultes Christus ,Liebe für Liebe‘ erwiesen wird und er wirklich das ,Leben unserer Seele <4> wird“ (Nr. 20). <4> „Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (Lk 1,46). So beginnt das Magnificat! Die Worte dieses Gesanges haben wir im heutigen Tagesevangelium gehört. Nach der Verkündigung besuchte Maria ihre Verwandte Elisabet. Aber als Elisabet Ma- Gebe Gott, daß diese Tage des Gebetes zu einer echten Umkehr der Herzen führen, zum Wachstum der Heiligkeit beitragen und das Engagement im Wirken für Einheit und Frieden wiederbeleben. Ich möchte euch noch einmal für eure Anwesenheit danken und für alle hier anwesenden verehrten Gäste von Christus reiche Gnaden erbitten. Ich erteile allen den Apostolischen Segen als Zeichen meines Wohlwollens und meiner Anerkennung. Seid Zeugen der Liebe Christi - in euren Ländern, in allen Kontinenten, bis an die Grenzen der Erde. Amen! Das Brechen des eucharistischen Brotes muß gesellschaftspolitische Konsequenzen haben Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Flughafen von Liegnitz (Legnica) am 2. Juni 279 REISEN rias Graß hörte, hatte sie eine besondere, wundersame Eingebung. Im Grande ihrer Seele erkannte sie, daß die junge Verwandte, die nach ihr schwanger geworden war, den Messias in ihrem Schoß trag. Als sie Maria begrüßt, ruft sie daher aus: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Fracht deines Leibes!“ (Lk 1,42). Und Maria erwidert die Begrüßung Elisabets, indem sie Gott mit den Worten des Magnificat preist: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, / und mein Geist jubelt über Gott, / meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Die Kirche kommt immer wieder auf diesen Gesang zurück, sie singt ihn sehr oft -sie wiederholt ihn jeden Tag und ganz besonders bei der Vesperandacht - und dankt Gott aus demselben Grand wie Maria: nämlich dafür, daß der Sohn Gottes Mensch geworden und gekommen ist, um unter uns zu wohnen. Und heute singen wir während der Liturgie der hl. Messe in Liegnitz, im Land der Piasten, gemeinsam Maria das Magnificat, um unsere Dankbarkeit für die ständige Gegenwart Christi in der Eucharistie zum Ausdruck zu bringen. Denn unsere Begegnung findet anläßlich des Eucharistischen Weltkongresses von Breslau statt, der gestern zu Ende gegangen ist. Mit Marias Worten danken wir für alles Gute, an dem wir durch das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn teilhaben. Wir bringen diesen Dank zusammen mit allen Generationen von Glaubenden auf der ganzen Welt dar. Und es ist für uns eine besondere Freude, daß dieser allgemeine Lobeshymnus hier im niederschlesischen Liegnitz erklingt. Ich freue mich, daß ich hierher kommen und mit der Kirchengemeinde Zusammentreffen konnte, die seit fünf Jahren zur neuen Diözese Liegnitz gehört. Ich begrüße herzlich euren Bischof, Monsignor Tadeusz, seinen Weihbischof, die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen der Diözese. Ich begrüße auch die Pilger, die aus Deutschland und aus der Tschechischen Republik gekommen sind, sowie die Lausitzer Sorben. Ich danke ihnen allen für ihre Anwesenheit. Eure Diözese ist noch jung, doch das Christentum in dieser Region hat eine lange und reiche Tradition. Liegnitz ist, wie wir alle wissen, ein historischer Ort: hier hat sich der dem Haus der Piasten zugehörige Herzog Heinrich der Fromme, der Sohn der hl. Hedwig, den Eindringlingen aus dem Osten - den Tartaren - entgegengestellt und ihrem gefährlichen Eroberangszug nach Westen Einhalt geboten. Aus diesem Grand halten viele Historiker diese wenn auch zunächst verlorene Schlacht für eine der wichtigsten in der Geschichte Europas. Eine außerordentliche Bedeutung kommt ihr auch unter dem Gesichtspunkt des Glaubens zu. Welche Motive im Herzen Heinrichs überwogen - der Wille, die Heimaterde und das bedrängte Volk zu verteidigen, oder die Absicht, die muslimischen Heerscharen, die das Christentum bedrohten, aufzuhalten - läßt sich nur schwer einwandfrei feststellen. Es scheint, daß bei ihm beide Motive, miteinander untrennbar verwoben, vorhanden gewesen sind. Während Heinrich sein Leben für das seiner Herrschaft anvertraute Volk hingab, gab er es zugleich für den Glauben an Christus hin. Und eben 280 REISEN darin bestand ein bezeichnendes Merkmal seiner Frömmigkeit, die die Generationen seither in seinem Beinamen festhielten und bewahrten. Diese mit dem Ort unseres heutigen Gottesdienstes verbundenen historischen Umstände sind für uns Vorbereitung auf eine Reflexion über das Geheimnis der Eucharistie unter einem besonderen Gesichtspunkt, unter dem Gesichtspunkt des sozialen Lebens. Das Konzil lehrt nämlich richtig, daß „die christliche Gemeinde nur auferbaut wird, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat; von ihr muß darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen“ {Presbyterorum Ordinis, Nr. 6). 2. „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16). Diese Worte des hl. Paulus waren an eine bestimmte christliche Gemeinde - die von Korinth - gerichtet, aber sie lassen sich ebenso auf alle Gemeinden anwenden, die sich im Laufe der Jahrhunderte in Städten und Dörfern entwickelt haben. Wovon lebten die ersten Gemeinden? Woher empfingen sie den Geist Gottes? Wie die Apostelgeschichte bezeugt, hielten die Christen von Anfang an fest an den Gebeten, am Hören des Wortes und am Brechen des Brotes, das heißt am eucharistischen Gottesdienst (vgl. Apg 2,42). Auf diese Weise kehrten sie jeden Tag in den Abendmahlssaal, also zu dem Augenblick zurück, als Christus die Eucharistie einsetzte. Von diesem Zeitpunkt an vollzog sich der Anfang eines Neuaufbaus. Die Eucharistie wurde zur Quelle eines tiefen Bandes zwischen den Jüngern und Christus: Sie baute die „communio“, die Gemeinschaft seines Mystischen Leibes, auf. Eine Gemeinde, die in der Liebe verwurzelt und von der Liebe durchdrungen war. Sichtbares Zeichen dieser Liebe war die tägliche Sorge für jeden, der sich in Not befand. Die Austeilung des eucharistischen Brotes war für die Christen die Aufforderung dazu, auch das tägliche Brot mit denen zu teilen, die keines hatten. Es gab, wie wir in der Apostelgeschichte lesen, auch wohlhabende Leute, die „Hab und Gut verkauften und davon allen gaben, jedem so viel, wie er nötig hatte“ (vgl. Apg 2,45). Diese Tätigkeit der Urgemeinde der Kirche in sämtlichen Bereichen des sozialen Lebens war die Fortführung der Sendung Christi, der Welt eine neue Gerechtigkeit - die Gerechtigkeit des Reiches Gottes - zu bringen. 3. Brüder und Schwestern! Während wir heute die Eucharistie feiern, wird auch für uns klar, daß wir aufgerufen sind, nach demselben Leben und aus demselben Geist zu leben. Eine große Aufgabe unserer Generation, aller Christen der heutigen Zeit besteht darin, das Licht Christi in das Alltagsleben hineinzutragen. Es auf die „modernen Areopage“, in die großen Bereiche der modernen Zivilisation und Kultur, der Politik und der Wirtschaft zu tragen. Der Glaube darf nicht nur im Inneren des menschlichen Geistes gelebt werden. Er muß äußerlich im sozialen Leben seinen Ausdruck finden. „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer 281 REISEN Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben“ (1 Joh 4,20-21). Das ist die große Aufgabe, die vor uns gläubigen Menschen, steht. Ich habe wiederholt die sozialen Fragen in meinen Ansprachen und vor allem in den Enzykliken Laborem exercens, Sollicitudo rei socialis und Centesimus annus behandelt. Wir müssen jedoch immer wieder auf diese Themen zurückkommen, solange es in der Welt Ungerechtigkeit, und sei es auch nur die kleinste, gibt. Andernfalls würde die Kirche der ihr von Christus anvertrauten Sendung - der Sendung der Gerechtigkeit - untreu. Zwar ändern sich die Zeiten und die Verhältnisse, aber noch immer gibt es unter uns Menschen, die der Stimme der Kirche und des Papstes bedürfen, damit ihre Ängste, ihr Leid und ihr Elend zur Sprache gebracht werden. Sie dürfen nicht enttäuscht werden. Sie sollen wissen, daß die Kirche mit ihnen war und ist und daß der Papst mit ihnen ist; mit dem Herzen und im Gebet umarmt er jeden, der von Leid getroffen ist. Der Papst wird - ja er muß -von den sozialen Problemen sprechen, denn hier geht es immerhin um den Menschen, um konkrete Personen. Ich spreche davon auch in Polen, weil ich weiß, daß meine Nation diese Botschaft der Gerechtigkeit braucht. Heute, in der Zeit des Aufbaus eines demokratischen Staates, in der Zeit einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung treten nämlich alle Mängel des sozialen Lebens in unserem Lande besonders deutlich zutage. Jeden Tag werden wir gewahr, wie viele notleidende Familien, besonders kinderreiche Familien es gibt; wie viele alleinerziehende Mütter, die für den Unterhalt ihrer Kinder kämpfen; wie viele alte und verlassene Menschen, denen es an Mitteln für das Lebensnotwendigste mangelt. In den Waisenhäusern und Altenheimen gibt es nicht wenige, die nicht genügend Brot und Kleidung haben. Und wie könnten wir die Kranken vergessen, die wegen Geldmangels nicht mit der nötigen Fürsorge umgeben werden können? Auf den Straßen und Plätzen nimmt die Zahl der Obdachlosen zu. Die Anwesenheit aller dieser Brüder unter uns, die ja auch zur selben Nation und zum selben Leib Christi gehören, darf nicht stillschweigend übergangen werden. Wir können nicht, während wir an den Tisch des Herrn treten, um seinen Leib zu essen, jenen gegenüber gleichgültig bleiben, denen es am täglichen Brot mangelt. Man muß von diesen Menschen sprechen, aber auch auf ihre Nöte eingehen. Diese Verpflichtung lastet besonders auf jenen, die die Macht ausüben; ihnen, die im Dienst des Gemeinwohls stehen, obliegt die Aufgabe, geeignete Gesetze zu beschließen und die Wirtschaft des Landes so zu lenken, daß für diese schmerzlichen Erscheinungen im sozialen Leben eine gerechte Lösung gefunden wird. Den Menschen, die Hilfe erwarten, entsprechend unseren Möglichkeiten Hilfe zu leisten, ist aber auch unsere gemeinsame Pflicht, eine Pflicht aus Liebe. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Christus (Mt 25,40). „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan“ (Mt 25,45). Es braucht unser christliches Wirken, unsere Liebe, damit Christus, der in den Brüdern gegenwärtig ist, nicht Not leidet. 282 REISEN In dieser Hinsicht ist in unserem Land schon viel geschehen. Auch die Kirche in Polen tat und tut diesbezüglich viel. Initiativen zum Wohl der Bedürftigen, der Kranken und der Obdachlosen, nicht nur im eigenen Land, sondern auch außerhalb der Landesgrenzen, sind inzwischen fester Bestandteil der Pastoraltätigkeit der Kirche. Der Freiwilligendienst und die karitativen Werke nehmen eine erfreuliche Entwicklung. Ich will daher allen - aus der Reihe des Klerus, der Ordensleute und der Laien -, die jeden Tag ihr Einfühlungsvermögen für die Nöte des anderen, ihre Fähigkeit zu freigebiger Güterteilung und ihren engagierten Einsatz zugunsten anderer Menschen unter Beweis stellen, meine Anerkennung aussprechen. Euer Dienst, der sich oft im Verborgenen vollzieht und von den Massenmedien meist stillschweigend übergangen wird, bleibt immer ein Zeichen für die pa-storale Glaubwürdigkeit der Sendung der Kirche. Trotz aller dieser Anstrengungen bleibt noch ein großes Betätigungsfeld. Ich ermuntere euch, Brüder und Schwestern, dazu, in euch selber die Sensibilität gegenüber jeder Form von Not zu wecken und hochherzig daran mitzuwirken, daß allen, die ohne Hoffnung sind, Hoffnung gebracht wird. Die Eucharistie möge für euch die unerschöpfliche Quelle dieser Sensibilität und der erforderlichen Kraft sein, um diese im täglichen Leben umzusetzen. 4. Ich möchte noch kurz auf die Frage der menschlichen Arbeit eingehen. Ich habe am Anfang meines Pontifikats diesem Problem eine ganze Enzylika, Laborem ex-ercens, gewidmet. Viele Probleme sind heute, sechzehn Jahre nach Veröffentlichung dieser Enzyklika, noch immer aktuell. Viele von ihnen haben sich in unserem Land sogar noch verschärft. Müssen da nicht alle jene erwähnt werden, die sich infolge der Umstrukturierung der Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe mit dem dramatischen Verlust der Arbeitsplätze konfrontiert sehen? Wie viele Einzelpersonen und ganze Familien sind dadurch in äußerste Armut geraten! Wie viele junge Menschen sehen es angesichts des voraussichtlichen Mangels an Arbeitsplätzen in dem von ihnen gewählten Beruf nicht mehr als sinnvoll an, ein Studium aufzunehmen und die Qualifikation ihrer Studienleistung zu erhöhen! In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis schrieb ich, Arbeitslosigkeit sei ein Kennzeichen von sozialer und wirtschaftlicher Unterentwicklung der Staaten (vgl. Nr. 18). Man muß daher alles nur mögliche tun, um diesem Phänomen vorzubeugen. Denn „die Arbeit ist ein Gut für den Menschen — für sein Menschsein —, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird“1 (Laborem exercens, Nr. 9). Sie stellt jedoch für die Christen, die über die Produktionsmittel verfügen, auch eine aus dem Glauben und aus der Liebe erwachsende Verpflichtung dar, nämlich sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen und auf diese Weise in ihrer unmittelbaren Umgebung zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit beizutragen. Ich bitte Gott inständig darum, daß alle, die sich ehrlich durch ihrer Hände Arbeit ihr Brot verdienen wollen, die geeigneten Bedingungen dafür erhalten. 283 REISEN Mit der Situation der Arbeitslosigkeit hängt eine Einstellung zur Arbeit zusammen, die den Arbeiter lediglich als Produktionsinstrument betrachtet und damit den Menschen in seiner Würde als Person verletzt. In der Praxis nimmt dieses Phänomen die Form der Ausbeutung an. Sie äußert sich häufig in Beschäftigungsbedingungen, die den Arbeiter nicht nur ohne jede Rechtsgarantie lassen, sondern ihn in einem solchen Maße der Ungewißheit und der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes aussetzen, daß er sich praktisch jeder Freiheit bei der Berufswahl beraubt sieht. Sehr oft zeigt sich diese Ausbeutung darüber hinaus in einer Festlegung der Arbeitszeit, die dem Arbeiter das Recht auf Erholung und die Sorge um das geistliche Wohl der Familie vorenthält. Dazu kommen nicht selten auch eine ungerechte Bezahlung und Versäumnisse im Bereich der Sozial- und Krankenversicherung. Immer wieder, besonders im Fall von Frauen, wird das Recht auf Achtung der Würde der Person mißachtet. Die menschliche Arbeit darf nicht bloß als eine für die Produktion notwendige Kraft - die sogenannte „Arbeitskraft“ - behandelt werden. Der Mensch darf nicht als Produktionsinstrument angesehen werden. Der Mensch ist Schöpfer der Arbeit und ihr Stifter. Es muß alles getan werden, damit die Arbeit nicht ihre Würde verliert. Das Ziel der Arbeit - jeder Arbeit - ist der Mensch selbst. Mit ihrer Hilfe sollte er seine Persönlichkeit vervollkommnen und vertiefen können. Wir dürfen nie vergessen - und ich sage das hier noch einmal mit aller Deutlichkeit -, daß die Arbeit „für den Menschen“ und nicht der Mensch „für die Arbeit“ da ist. Gott stellt uns vor große Aufgaben, wenn er unser Zeugnis auf sozialem Gebiet verlangt. Als Christen, als gläubige Menschen müssen wir unser Gewissen für jede Art von Ungerechtigkeit und für jede Form offener oder getarnter Ausbeutung sensibilisieren. Ich wende mich hier vor allem an jene Brüder in Christus, die den anderen Arbeit geben. Laßt euch nicht von der Aussicht auf unmittelbaren Gewinn auf Kosten anderer irreführen. Hütet euch vor jedem Anschein von Ausbeutung. Sonst wird jedes Teilen des eucharistischen Brotes zu einem Vorwurf und zu einer Anklage gegen euch werden. Allen hingegen, die eine Arbeit, jede Art von Arbeit, antreten, sage ich: Führt sie verantwortungsvoll, ehrlich und sorgfältig aus. Übernehmt eure Aufgaben im Geist der Mitwirkung am Schöpfungswerk Gottes. „Unterwerft euch die Erde“ (vgl. Gen 1,28). Übernehmt die Arbeit im Geist der Verantwortung für die Förderung des Gemeinwohls, das nicht nur dieser Generation, sondern allen dienen soll, die künftig in diesem Land - unserer Heimat, Polen - wohnen werden. 5. „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor. Wenn du auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, hörst, indem du den Herrn, deinen Gott, liebst, auf seinen Wegen gehst und auf seine Gebote, Gesetze und Rechtsvorschriften achtest, dann wirst du leben und zahlreich werden, und der Herr, dein Gott, wird dich [...] segnen“ (Dtn 30,15-16) - diese Worte aus der letzten Verfügung des Mose hallen heute mit voller Kraft in unserer Heimat wider. „Wähle also das Leben“! (Dtn 30,19), mahnt Mose. 284 REISEN Auf welchem Weg werden wir in das dritte Jahrtausend gehen? „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor“, sagt der Prophet. Brüder und Schwestern, ich bitte euch: „Wählt also das Leben“! Diese Wahl vollzieht sich im Herzen, im Gewissen jedes Menschen, bleibt aber nicht ohne Einfluß auch auf das Leben einer Gesellschaft - einer Nation. Jeder Gläubige ist also irgendwie für die Gestalt des sozialen Lebens verantwortlich. Der Christ, der aus dem Glauben lebt, der aus der Eucharistie lebt, ist aufgerufen, seine eigene und die Zukunft seiner Nation aufzubauen - eine Zukunft, die auf die festen Fundamente des Evangeliums gegründet ist. Habt also keine Angst, die Verantwortung für das soziale Leben in unserer Heimat zu übernehmen. Das ist die große Aufgabe, die sich dem Menschen stellt: Mutig auf die Welt zuzugehen; die Grundlagen für die Zukunft zu legen, damit sie eine Zeit der Achtung für den Menschen sei; eine Zeit, die offen sein soll für die Frohe Botschaft! Tut das mit der Einmütigkeit, die aus der Liebe zum Menschen und aus der Heimatliebe entsteht. Am Ende dieses Jahrhunderts braucht es „eine große Tat und ein großes Werk“ -schrieb einmal Stanislaw Wyspianski -, um die Zivilisation, in der wir leben, mit dem Geist der Gerechtigkeit und Liebe zu durchdringen. „Eine große Tat und ein großes Werk“ ist notwendig, damit die moderne Kultur sich der Heiligkeit weit öffnet, die Menschenwürde pflegt und den Umgang mit dem Schönen lehrt. Wir bauen auf das Evangelium, um zusammen mit den nachfolgenden Generationen der in einer freien und wohlhabenden Heimat lebenden Polen mit dem Psalmisten danken zu können: „Ich will dich [Herr] preisen Tag für Tag / und deinen Namen loben immer und ewig. / Groß ist der Herr und hoch zu loben, / seine Größe ist unerforschlich. / Ein Geschlecht verkünde dem andern den Ruhm deiner Werke und erzähle von deinen gewaltigen Taten“ (Ps 145,2-4). 6. „Meine Seele preist die Größe des Herrn“! Während des Eucharistischen Weltkongresses in Niederschlesien danken wir mit Maria für die Eucharistie — Quelle der sozialen Liebe. Ausdruck dieser Verbundenheit mit Maria soll die Krönung des Gnadenbildes der Muttergottes von Grüssau (Krzeszöw) sein. Das Heiligtum Grüssau (Krzeszöw) ist von Anna, der Witwe Heinrichs des Frommen, ein Jahr nach der Schlacht von Liegnitz gegründet worden. Bereits im 13. Jahrhundert versammelten sich Pilgerscharen vor dem Bild der Seligen Gottesmutter. Und schon damals wurde das Heiligtum Domus Gratiae Mariae genannt. Es war wirklich ein Haus der Gnade, die von der Gottesmutter reichlich ausgeteilt wurde, ein Haus, wo sich in großer Zahl Pilger aus verschiedenen Ländern einfanden, besonders Böhmen, Deutsche, Lausitzer Sorben und Polen. Wir freuen uns darüber, daß auch heute die Muttergottes zahlreiche Pilger aus diesen untereinander benachbarten Nationen zusammengeführt hat. 285 REISEN Möge dieses Zeichen der Krönung Marias und des Jesuskindes Ausdruck unserer Dankbarkeit für die göttlichen Wohltaten sein, welche die Verehrer Mariens, die das Haus der Gnade von Gnissau (Krzeszow) aufsuchen, so überreich empfangen haben und noch empfangen. Es soll auch Zeichen sein für unsere Einladung an Jesus und Maria zur Herrschaft in unseren Herzen und im Leben unserer Nation. Damit wir alle Tempel Gottes und mutige Zeugen seiner Liebe zu den Menschen werden. Der schweren Prüfungen gedenken Grußworte zum Abschluß der Eucharistiefeier in Liegnitz (Legnica) am 2. Juni Ich danke der Göttlichen Vorsehung für diese schöne eucharistische Begegnung bei Sonnenschein. Ich möchte alle Bewohner des Liegnitzer Landes grüßen. Die meisten von euch sind nach dem Krieg hierhergekommen. Trotz vieler Schwierigkeiten habt ihr das religiöse Leben und die heimatliche Kultur gepflegt. Heute danke ich euch allen für diese Haltung, die von tiefem Glauben und aufrichtiger Liebe zur Heimat geprägt ist. Ganz besonders begrüßen möchte ich die einst nach Sibirien deportierten Landsleute und ihre Familien, die heute hier anwesend sind. In der Diözese Liegnitz leben viele, die, während sie aus dem Glauben Kraft schöpften, die Erfahrung Sibiriens und die schweren Prüfungen der Jahre des Krieges und der Nachkriegszeit und die Schrecken der Konzentrationslager durchgemacht haben. Nur dank des Glaubens habt ihr die grauenhaften Zustände in dem unmenschlichen Land überlebt, in dem ihr dann oft lange Jahre leben mußtet. Der gütige Gott vergelte euch eure Leiden und schenke den Toten die ewige Ruhe. Ich grüße die ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Groß-Rosen (Ro-goznica). Unter schwierigsten Bedingungen, besonders in den Granitsteinbrüchen, haben in diesem Lager Menschen verschiedener Nationen, darunter auch Polen -Priester und Laien -, Zwangsarbeit geleistet. Viele sind dabei umgekommen. Es ist gut, daß ihr euch jenes Ortes erinnert, wo der Mensch zutiefst gedemütigt wurde, wo aber auch die Größe des menschlichen Geistes offenkundig geworden ist. Anwesend sind hier auch die Bergleute und Hüttenarbeiter aus den Stahlwerken von Waldenburg (Walbrzych) und Umgebung und aus den Kupferminen. Ich grüße euch alle, Brüder und Schwestern, sowie ich auch die ganze Welt der Arbeit im Liegnitzer Land grüße. Gott sei mit euch! Ganz besonders grüßen möchte ich unsere Gäste. Unter uns sind der Kardinalstaatssekretär, der Kardinalprimas, der Kardinalmetropolit von Breslau, die Kardinale Maida von Detroit in den Vereinigten Staaten, VIk von Prag, Meisner von Köln, Machargki von Krakau und viele Bischöfe aus Polen und der übrigen Welt. 286 REISEN Ich danke allen für ihre Solidarität gegenüber der Kirche von Liegnitz. Einen besonderen Glückwunsch richte ich an Msgr. Adam Kozlowiecki aus Sambia anläßlich seines 60jährigen Priesterjubiläums. Ganz herzlich danke ich den Behörden der Woiwodschaft und der Stadt und allen, die die heutige Feier vorbereitet haben. Möge die Gnadenreiche Muttergottes, deren Bildnis wir heute gekrönt haben, über euren Glauben wachen und jedem von euch und der ganzen Diözese Liegnitz bei der Verwirklichung der Aufgaben beistehen, die die göttliche Vorsehung euch in der heutigen Zeit anvertraut. Gott vergelte euch die tiefe eucharistische Freude dieses Tages. Gott segne euch alle. Märtyrer sind Vorbilder für unser glaubwürdiges Zeugnis-Geben Predigt während des Wortgottesdienstes in Landsberg (Gorzow) am 2. Juni 1. „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ {Röm 8,35). So lautet die Frage, die der hl. Paulus im Brief an die Römer stellt. Heute wiederholen wir sie während des Besuches bei der Ortskirche von Landsberg an der Warthe (Gorzow Wielkopolski). Im Geist dieser Liebe grüße ich herzlich das Volk Gottes dieser Diözese. Ich grüße den Oberhirten dieser Kirche, Bischof Adam, die Weihbischöfe, den Klerus und auch die Pilger, die aus den Nachbardiözesen und aus dem Ausland gekommen sind. Es freut mich, heute mit euch gemeinsam beten und diesen Wortgottesdienst feiern zu können. Ich danke der göttlichen Vorsehung für diese Begegnung mit euch. Ich danke den Kardinälen, den Erzbischöfen und den Bischöfen, die an unserer Begegnung teilnehmen. Eure Kirche hat einige Märtyrer als Schutzpatrone, die neben dem hl. Adalbert zu den ältesten christlichen Glaubenszeugen in Polen gehören. Die kirchliche Tradition hat das Gedächtnis dieser Eremiten beibehalten; es waren Benedikt, Johannes, Matthäus, Isaak und Kristin. Sie lebten hier in dieser Gegend zur Zeit von Boles-law dem Tapferen (Chrobry). Wie der Märtyrertod des hl. Adalbert, so wurde auch ihr Martyrium in der Chronik des hl. Bruno von Querfurt beschrieben, der als Glaubensbote und Bischof zur Zeit von Boleslaw dem Tapferen im westlichen und nördlichen Polen das Evangelium predigte. Sie werden Polnische Brüder genannt, obwohl unter ihnen Fremde waren. Zwei von ihnen kamen aus Italien nach Polen, um hier das monastische Leben nach der Regel des hl. Benedikt einzupflanzen. Neben dem Martyrium des hl. Adalbert steht ihr Märtyrertod gleichsam an der Schwelle des christlichen Jahrtausends in unserem Land. 2. Die Märtyrer sind außerordentliche Zeugen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der soeben verlesene Text des Briefes an die Römer erinnert uns an das trinitarische Geheimnis, von dem die Erlösung der Welt ausgeht. 287 REISEN Gott, schreibt der Apostel, „hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben“; nach dieser Feststellung fragt Paulus: „Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Rom 8,32). Ja, Jesus Christus, der für uns gestorben und am dritten Tag auferstanden ist, sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein. Nichts kann uns scheiden von dieser Liebe Christi (vgl. Rom 8,34-35). Durch den Glauben sind wir mit ihr verbunden. Und dieser Glaube an die Heilsmacht des Todes und der Auferstehung Christi gibt uns die Kraft, alles zu überwinden: „Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37). Seine erlösende Liebe verbindet uns mit Gott. Sie ist die Quelle unserer Rechtfertigung. Ihr entnehmen wir die Gewißheit, alles zu überwinden, wie der Apostel schreibt. Die ersten Märtyrer in Polen hatten diese Gewißheit, alles überwinden zu können. Die Märtyrer der Kirche aller Zeiten hatten sie. Während wir ihr Zeugnis bewundern, aus dem deutlich wird, daß „die Liebe stark wie der Tod ist“ (vgl. Hld 8,6), stellt sich im Herzen eines jeden von uns unwillkürlich die Frage: Wären mein Glaube, meine Hoffnung und meine Liebe so stark, um ein solch heroisches Zeugnis abzulegen? Die Antwort scheint aus dem liturgischen Gebet zu kommen, das ich soeben gesprochen habe: „Gott, du hast die Anfänge des Glaubens im polnischen Volk durch das Blut der heiligen Märtyrer Benedikt, Johannes, Matthäus, Isaak und Kristin geheiligt; stütze unsere Schwachheit mit deiner Gnade, auf daß wir in Nachahmung der Märtyrer, die für dich starben, dich mutig durch das Zeugnis unseres Lebens bekennen.“ Gott ist es, der unserer Schwachheit mit seiner Gnade zu Hilfe kommt. Er stärkt uns mit der Macht seines Geistes, damit wir fähig werden, ein mutiges Glaubenszeugnis abzulegen. 3. „Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37). Brüder und Schwestern, dort, wo das Blutzeugnis nicht erforderlich ist, muß das Zeugnis des täglichen Lebens noch deutlicher sein. Man muß für Gott überall in Wort und Tat in allen Lebensbereichen Zeugnis ablegen: in der Familie, am Arbeitsplatz, im Büro und in der Schule. Überall, wo der Mensch sich müht und wo er sich ausruht. Man muß Gott bekennen durch die eifrige Teilnahme am Leben der Kirche; durch die Sorge für den schwachen und den leidenden Menschen und auch dadurch, daß man Verantwortung für die Dinge des öffentlichen Lebens übernimmt aus Sorge um die Zukunft des Volkes, die auf der Wahrheit des Evangeliums gründet. Eine solche Haltung erfordert einen reifen Glauben und persönliches Engagement. Sie will sich in konkreten Taten äußern. Manchmal erfordert eine solche Haltung den Heroismus einer totalen Entäußerung. Haben wir nicht auch in unserer Zeit und in unserem Leben vielfach Formen der Demütigung erlebt, weil wir Christus treu bleiben und auf diese Weise die christliche Würde bewahren wollten? Jeder Christ ist berufen, wo immer die Vorsehung ihn hingestellt hat, sich vor den Menschen zu Christus zu bekennen (vgl. Mt 10,32). Wie sollte man hier nicht an das Zeugnis der Treue zur Tradition und zur Kirche erinnern, das ihr in schwierigen Zeiten gegeben habt? Viele von euch tragen im Herzen die schmerzlichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Nach Kriegsende 288 REISEN habt ihr in diesen Gegenden gleichsam ein neues Leben angefangen, weil ihr aus verschiedenen Teilen Polens und sogar aus dem Ausland gekommen seid. Ihr wurdet entwurzelt, mußtet eure Heimat verlassen, habt aber dennoch die Wurzeln des Glaubens bewahrt. In der schwierigen Übergangsperiode seid ihr zur Kirche gestanden, die sich bemühte, euren geistlichen und materiellen Nöten abzuhelfen, wie eine gute Mutter für ihre Kinder sorgt. Ich danke dem Klerus und den Ordensfrauen, die nicht zögerten, die Heimatdiözesen zu verlassen, um hier einen hochherzigen Dienst zu übernehmen. Ihr habt einander geholfen, das gemeinsame Haus aufzubauen, nicht nur das materielle, sondern vor allem das geistliche Haus in den Herzen der Menschen. In schweren Stunden wart ihr die Stütze dieser Leute, indem ihr ihnen das Licht des Glaubens gebracht und Christus als einzige Quelle der Hoffnung aufgezeigt habt. Ich kann hier nicht alle Namen nennen, aber ich möchte dankbar wenigstens an den verstorbenen Msgr. Wilhelm Pluta, den großen Oberhirten dieser Diözese, erinnern. In einer für unser Land sehr schwierigen Zeit legte er gewissermaßen die Fundamente für diese Diözese. Lange Jahre hindurch leitete er die Kirche von Landsberg, zuerst als Administrator und dann als ihr erster Bischof. Heute ist er gewiß unter uns. Ich danke Dir, Bischof Wilhelm, für das, was Du für die Kirche in diesem Land geleistet hast. Ich danke Dir für Deine Mühe, für Deinen Mut, für Deine Weisheit und für Deine große Frömmigkeit. Ich danke Dir auch für das, was Du für die Kirche in Polen getan hast. Einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des religiösen Lebens in dieser Gegend hat euer Priesterseminar geleistet, aus dem Scharen von Priestern hervorgegangen sind, auf die man sehr gehofft hatte und die hier so notwendig waren. Heute bringt das alles eine reiche Ernte. Wir danken der göttlichen Vorsehung dafür, daß sich heute die Kirche in eurer Diözese so blühend entwickelt. In seinen Anfängen wurde dieses Land mit dem Blut der heiligen Märtyrer, der Polnischen Brüder, getränkt, die wie brennende Fackeln eure Kirche heute in eine neue Zeit führen. Die neue Zeit, das nahende dritte Jahrtausend, wird weiter euer Zeugnis erfordern. Euch werden neue Aufgaben gestellt. Habt keine Angst, sie zu übernehmen. Die Aufgaben, die Gott uns stellt, sind einem jeden von uns angemessen. Sie übersteigen unsere Möglichkeiten nicht. Gott kommt uns in den Augenblicken unserer Schwäche zu Hilfe. Nur er kennt unsere Schwachheit wirklich. Er kennt sie besser als wir selbst. Trotzdem weist er uns nicht ab. Im Gegenteil, er wendet sich in seiner barmherzigen Liebe dem Menschen zu, um ihn zu stärken. Diese Stärkung empfängt der Mensch durch den lebendigen Kontakt mit Gott. Auf diesen Aspekt möchte ich euch besonders hinweisen. Inmitten der gewohnten menschlichen Beschäftigungen dürfen wir den Kontakt mit Christus nicht verlieren. Wir brauchen besondere Augenblicke, die ausschließlich für das Gebet bestimmt sind. Das Gebet ist unerläßlich, sowohl im persönlichen Leben als auch im Apostolat. Man kann kein wahrer christlicher Zeuge sein, wenn man nicht zuvor durch das Gebet gestärkt worden ist. Es ist Quelle der Inspiration, der Kraft und des Mutes ange- 289 REISEN sichts der Schwierigkeiten und Hindernisse; es ist Quelle der Standhaftigkeit und der Fähigkeit, mit neuer Kraft Projekte anzugehen. Das Gebetsleben wird vor allem durch die Teilnahme an der Liturgie der Kirche befruchtet. Das innerliche Leben braucht zu seiner Entfaltung die Teilnahme an der heiligen Messe und den Empfang des Sakramentes der Versöhnung. Auf diese Weise wird das ganze Dasein von Christus durchdrungen: von ihm selbst, von seiner Gnade. Denn er hat gesagt: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,56). Die Eucharistie ist die geistliche Speise, aus der wir auf dem Weg des Glaubenszeugnisses in ganz besonderer Weise geistliche Kraft schöpfen und reiche Frucht bringen. Darum ist die Teilnahme an der Sonntagsmesse so wichtig. Weder familiäre Sorgen noch andere Angelegenheiten sollten dem Bereich des geistlichen Lebens vorenthalten bleiben. Jedes menschliche Tun erhält in Christus einen tieferen Sinn und wird wahres Zeugnis. Wenn das Herz im Geist des Gebetes verwurzelt ist, öffnet es sich dem unendlichen und ewigen Gott. Es will diesem Gott dienen und von ihm Kraft und Licht schöpfen, damit sein Tun ein christliches sei. „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Durch den Glauben erkennen wir in unserem Leben die Verwirklichung des göttlichen Liebesplanes, wir entdecken die ständige Sorge des Vaters, der im Himmel ist. Liebe Brüder und Schwestern, die Polnischen Brüder geben uns als Märtyrer ein Beispiel solchen Lebens. Benedikt, Johannes, Matthäus, Isaak und Kristin waren es, die in der Stille ihrer Einsiedeleien viel Zeit für das Gebet verwandten und sich so auf den großen Auftrag vorbereiteten, den Gott in seinem unerforschlichen Plan für sie bereitet hatte: das äußerste Zeugnis für ihn zu geben, das Leben für das Evangelium zu opfern. Mit ihrem Blutzeugnis, das die Polnischen Brüder, wie wir sie nennen, während der Anfänge unserer Nation und der Kirche in dieser Nation dargebracht haben, wollten sie allen, die nach ihnen kommen sollten, sagen, daß das Zeugnis für Christus Vorbereitung braucht. Denn das Zeugnis entsteht, reift und erhält seinen Adel in der Atmosphäre des Gebets, des tiefen und geheimnisvollen Zwiegesprächs mit Gott. Es entsteht auf den Knien! Man kann nicht den anderen Christus zeigen, wenn man ihm im eigenen Leben noch nicht begegnet ist. Erst dann hat das Zeugnis wirklich Wert. Es wird zum Samenkorn für die Menschheit, Salz der Erde und Licht, das unseren Brüdern und Schwestern die Finsternis auf dem Weg durch diese Welt erhellt. „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ So fragt heute der Apostel Paulus an unserer Stelle. Möge dieser Ruf tief in unser Herz und unseren Geist und Verstand eindringen! Seid wachsam, damit euch nichts von dieser Liebe scheidet: keine falschen Schlagworte, keine irrige Ideologie, kein Nachgeben gegenüber der Versuchung, sich auf etwas einzulassen, was nicht aus Gott stammt oder nur den eigenen Vorteil zu suchen. Lehnt alles ab, was diese Verbundenheit zerstört und schwächt. Befolgt treu Gottes Gebote und das, was ihr bei der Taufe versprochen habt. 290 REISEN 4. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ {Mt 10,28). Dies sind Worte Christi aus dem Matthäusevangelium. Die Kirche bezieht sie auf die Märtyrer, in unserem Fall auf den hl. Adalbert und auf die heiligen Polnischen Brüder. Das Martyrium ist die höchste Ausdruckskraft eines Menschen, der durch sein Zusammenwirken mit der Gnade zum heroischem Zeugnis fähig wird. Im Martyrium erkennt die Kirche „ein leuchtendes Zeichen“ ihrer Heiligkeit. Ein wertvolles Zeugnis für die Kirche und für die Welt, „damit man ... nicht in die gefährlichste Krise gerät, die den Menschen überhaupt heimsuchen kann: die Verwirrung in bezug auf Gut und Böse, was den Aufbau und die Bewahrung der sittlichen Ordnung der einzelnen und der Gemeinschaften unmöglich macht. Die Märtyrer und, im weiteren Sinne, alle Heiligen der Kirche stärken durch das beredte und faszinierende Beispiel ihres Lebens das sittliche Empfinden. Durch ihr hervorragendes Zeugnis für das Gute sind sie ein lebendiger Vorwurf für all jene, die das Gesetz überschreiten“ (vgl. Veritatis splendor, Nr. 93). Wenn ihr auf das Vorbild der Märtyrer schaut, habt keine Angst, Zeugnis abzulegen. Habt keine Angst vor der Heiligkeit. Habt den Mut, nach dem Vollmaß des Menschseins zu streben! Verlangt es von euch selbst, auch wenn andere es nicht von euch verlangen! Der Mensch hat eine natürliche Furcht nicht nur vor Leiden und Tod, sondern auch vor Meinungen, die sich von seinen eigenen unterscheiden, besonders wenn sie von Medien verbreitet werden, die so mächtig sind, daß sie zum Druckmittel werden. Deshalb zieht er es vor, sich viel lieber der Umgebung, der gängigen Mode anzupassen, als sich dem Risiko auszusetzen, das mit dem Evangelium Christi verbunden ist. Die Märtyrer erinnern daran, daß die Würde der menschlichen Person keinen Preis hat; sie ist eine Würde, „die niemals, und sei es auch aus guter Absicht, herabgesetzt oder verstellt werden darf, wie auch immer die Schwierigkeiten aussehen mögen“ {Veritatis splendor, Nr. 92). „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“ {Mk 8,36). Deshalb wiederhole ich mit Christus: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten körnen“ {Mt 10,28). Ist die Würde des Gewissens nicht wichtiger als irgendein äußerer Profit? Die Polnischen Märtyrerbrüder, deren Gedächtnis wir heute in der Liturgie feiern, der hl. Adalbert, der hl. Stanislaus, der hl. Andreas Bobla, der hl. Maximilan Maria Kolbe und die Märtyrer aller Zeiten, sie alle bezeugen den Primat des Gewissens und seiner unzerstörbaren Würde, den Primat des Geistes über den Körper, den Primat der Ewigkeit über die Zeitlichkeit. Was hier zu Beginn dieses christlichen Jahrtausends, zur Zeit von Boleslaw dem Tapferen, geschehen ist, hat sich viele Male in der Geschichte wiederholt, zuletzt auch in der Geschichte unseres Jahrhunderts. Wie viele Männer und Frauen haben sich gegenüber anderen in diesem Jahrhundert heroisch zu Christus bekannt! Wir glauben, daß der Tod, den sie erlitten, um ihrem Gewissen treu zu bleiben, um Christus treu zu bleiben, in den Herzen der Glaubenden Antwort finden wird: Ihr Zeugnis wird die Schwachen und Ängstli- 291 REISEN chen stärken, es wird die Saat dafür sein, daß die Kirche in diesem Land der Pia-sten neu auflebt. Christus versichert uns, daß er sich vor seinem Vater im Himmel zu all denen bekennen wird, die sich vor den Menschen zu ihm bekennen (vgl. Mt 10,32-33), auch um den Preis schwerster Opfer. Christus warnt uns aber auch davor, dem Glauben abtrünnig zu werden und auf das Zeugnis vor anderen zu verzichten. Die ganze Kirche empfängt heute die Gnaden durch die Mittlerschaft der Märtyrer. Die ganze Kirche freut sich über ihr mutiges Bekenntnis des Glaubens, aus dem unsere Schwachheit Kraft schöpft. Es ist für uns ein Hoffnungszeichen! „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? ... Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,35.38-39). Der Papst fügte noch hinzu: Meine Lieben, wenn ich diese große Versammlung des Gottesvolkes der Diözese Landsberg vor mir sehe, kommen mir Erinnerungen an vergangene, aber nicht allzu ferne Zeiten in den Sinn. Ich erinnere mich an das tausendjährige Jubiläum der Taufe Polens, das wir 1966 gemeinsam hier gefeiert haben. Damals haben wir polnischen Bischöfe unser Vaterland kennengelemt. Wir haben alle polnischen Diözesen, eine nach der anderen, kennengelemt. Überall haben wir gemeinsam das „Te Deum laudamus“ - „Großer Gott, wir loben dich“ - gesungen. Ich möchte heute von hier aus für das besondere Geschenk danken, das die Jahrtausendfeier Polens für mich gewesen ist. Am 16. Oktober 1978, dem liturgischen Fest der hl. Hedwig von Schlesien, während des Konklave sagte nach meiner Wahl der Kardinalprimas und Kardinal der Millenniumsfeier zu mir: „Jetzt mußt du die Kirche ins dritte Jahrtausend führen.“ Und dafür, meine Lieben, bin ich nach Polen gekommen. Ich bin zum Eucharistischen Kongreß nach Breslau gekommen. Ich bin zur Jahrtausendfeier des hl. Adalbert nach Gnesen gekommen. Ich bin gekommen, um auf diesen Wegen der Millennien um die Gnade zu bitten, den Auftrag, den mir vielleicht die göttliche Vorsehung in den Worten des großen Primas des Millenniums anvertraut hat, erfüllen zu können. Aber, meine Lieben, die Jahre vergehen. Ihr müßt auf den Knien zu Gott darum beten, daß ich dieser Aufgabe tatsächlich gerecht werde. Nach dem Wortgottesdienst sagte der Papst folgendes: Zum Abschluß möchte ich noch meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß ich gemeinsam mit euch beten konnte. Ich danke der göttlichen Vorsehung für diese Begegnung in Landsberg. Mit eurer Diözese verbinden mich viele Erinnerungen. Sie liegt in einem wunderschönen Naturgebiet, das ich bei meinen Fußwanderungen und vor allem bei den Kajakausflügen bestaunen konnte. Diese Erinnerungen bleiben für immer in meinem Herzen und in meinem Gebet. Die Gegend von 292 REISEN Landsberg ist sehr schön. Ich danke diesem Flecken Erde für die Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit, die ich hier stets erfahren habe. Jene Bande, die mich einst mit eurer Diözese verbanden, erneuern sich heute, wenn ich euch in so großer Zahl hier auf diesem Platz vor der Kirche der Polnischen Märtyrerbrüder versammelt sehe. Diese Erinnerungen werden aufs neue in mir wach, während ich unter den Bischöfen Msgr. Jerzy Stroba, Msgr. Ignacy Jez und Msgr. Jözef Michalik sehe. Ich grüße viele Priester, die ich kenne, aber ich kann nicht alle namentlich aufzählen. Ich grüße alle, die hier anwesend sind. Unter uns weilen auch ehemalige Frontsoldaten und Vertreter der Organisationen ehemaliger Frontsoldaten, die aus Polen und aus dem Ausland gekommen sind. Ich danke heute diesen Söhnen unserer Nation für alle ihre Opfer, die sie rückhaltlos für die Verteidigung der höchsten Werte - der Freiheit und der Menschenwürde - gebracht haben. Mit besonderer Liebe denke ich an die einst nach Sibirien Deportierten und ihre Familien, an diejenigen von ihnen, die anwesend sind, und an jene, die in anderen Teilen Polens oder im Ausland leben. Es gäbe noch so viele Dinge, an die ich mich erinnern kann; aber ich muß nun schließen. Gott segne euer Land, dem ich soviel verdanke. Gelobt sei Jesus Christus! Im Geist des hl. Adalbert die Einheit eines christlichen Europa sichtbar werden lassen Predigt während der Heiligen Messe zur Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert in Gnesen am 3. Juni 1. Veni, Creator Spiritus! Heute stehen wir am Grab des hl. Adalbert in Gnesen. Auf diese Weise begehen wir den Höhepunkt der Tausendjahrfeier von Adalbert. Vor einem Monat habe ich diesen Weg zu Ehren des hl. Adalbert in Prag und in seiner Heimatstadt Libice, die in der Diözese Königgrätz liegt, begonnen. Heute sind wir in Gnesen, also an dem Ort, wo er seinen Pilgerweg auf Erden vollendete. Ich danke dem einen dreifältigen Gott, daß mir am Ende dieses Jahrtausends erneut die Gnade geschenkt wird, bei den Reliquien des hl. Adalbert zu beten, die einer der wertvollsten Schätze unserer Nation sind. Wir wollen diesen geistlichen Weg des hl. Adalbert nachgehen, der in gewissem Sinn im Abendmahlssaal beginnt. Gerade die heutige Liturgie führt uns in den Abendmahlssaal, in den die Apostel vom Ölberg zurückkehrten, nachdem Christus in den Himmel aufgefahren war. Vierzig Tage lang war er ihnen nach seiner Auferstehung erschienen und hatte mit ihnen über das Reich Gottes gesprochen. Er befahl ihnen, nicht von Jerusalem wegzugehen, sondern, wie er sagte, auf die Ver- 293 REISEN heißung des Vaters zu warten, „die ihr von mir vernommen habt“: „Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft. [...]. Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,4-5.8). Die Apostel erhalten also den Missionsauftrag. Auf Grund der Worte des Auferstandenen sollen sie zu allen Völkern gehen, sie zu Jüngern Jesu machen und auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen (vgl. Mt 28,14-20). Zunächst jedoch kehren sie in den Abendmahlssaal zurück. Dort verharren sie im Gebet und warten darauf, daß sich die Verheißung erfüllt. Am zehnten Tag, dem Pfingstfest, sandte ihnen Christus den Heiligen Geist, der ihre Herzen umwandelte. Sie wurden stark und bereit, den Missionsauftrag zu übernehmen. So begannen sie das Werk der Evangelisierung. Die Kirche setzt dieses Werk fort. Die Nachfolger der Apostel gehen weiterhin zu allen Völkern und machen sie zu Jüngern Jesu. Gegen Ende des ersten Jahrtausends kamen, besonders aus den angrenzenden Gebieten, Söhne und Töchter verschiedener Nationen, die schon christianisiert waren, nach Polen. Unter ihnen hat der hl. Adalbert, der aus dem benachbarten und verwandten Böhmen nach Polen gekommen war, einen besonderen Platz. Er war in gewisser Weise der Urheber des zweiten Anfangs der Kirche im Land der Piasten. Die Taufe der Nation im Jahr 966, zur Zeit von Mieszko I., wurde mit seinem Märtyrertod besiegelt. Hinzu kommt, daß mit Adalbert Polen in die europäische Länderfamilie eintritt. Denn in Anwesenheit eines päpstlichen Legaten treffen sich am Grab des hl. Adalbert Kaiser Otto III. und Boleslaw der Tapfere (Chrobry). Diese Begegnung geht als „Begegnung von Gnesen“ in die Geschichte ein. Selbstverständlich hatte sie politische Bedeutung, aber sie ist auch für die Kirche wichtig. Am Grab des hl. Adalbert wird von Papst Silvester II. die Errichtung der ersten polnischen Kirchenprovinz verkündet: Gnesen, der die Bischofssitze Krakau, Breslau und Kolberg angegliedert werden. 2. Das Samenkorn, das stirbt, bringt reiche Frucht (vgl. Joh 12,24). Diese Worte aus dem Johannesevangelium, die Christus einst an die Apostel gerichtet hat, bewahrheiten sich besonders bei Adalbert. Sein Tod ist das vollendete Zeugnis. „Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben“ (Joh 12,25). Der hl. Adalbert legte auch für den apostolischen Dienst Zeugnis ab. Denn Christus sagt: „Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren“ {Joh 12,26). Adalbert folgte Christus nach. Er ging einen langen Weg, der ihn von der Geburtsstadt Libice nach Prag und von Prag nach Rom führte. Als er dann bei seinen Landsleuten in Prag weiterhin auf Widerstand stieß, zog er als Missionar in Richtung Pannonische Ebene und dann durch die Mährische Pforte nach Gnesen und ins Baltikum. Da Adalbert Zeugnis für Christus ablegte und den Märtyrertod erlitt, 294 REISEN war seine Mission gleichsam die Krönung der Evangelisierung des Landes der Piasten. Boleslaw der Tapfere erwarb den Leichnam des Blutzeugen und ließ ihn hierher nach Gnesen bringen. In Adalbert erfüllten sich die Worte Christi. Über die Liebe zum irdischen Leben hatte er die Liebe zum Gottessohn gestellt. Als treuer und hochherziger Knecht folgte er Christus nach und bezahlte sein Zeugnis mit dem eigenen Leben. Darum hat der Vater ihn geehrt. Das Volk Gottes hat ihn auf Erden als Heiligen verehrt, weil es davon überzeugt war, daß ein Blutzeuge Christi im Himmel von der Herrlichkeit des Vaters umgeben ist. „Das Weizenkom, das stirbt, bringt reiche Frucht“ (vgl. Joh 12,24). Wie haben sich diese Worte im Leben und Tod des hl. Adalbert buchstäblich verwirklicht! Sein Blutzeugnis bildet zusammen mit dem Blut anderer polnischer Märtyrer die Grundlage der Kirche Polens und des Staates im Land der Piasten. Die Aussaat des Märtyrerblutes von Adalbert bringt auch weiterhin neue geistliche Frucht. Von den Anfängen seiner staatlichen Existenz an hat ganz Polen im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte daraus Kraft geschöpft. Die Begegnung von Gnesen hat Polen den Weg in die Gemeinschaft mit der ganzen Staatenfamilie Europas geöffnet. An der Schwelle des zweiten Jahrtausends hat die polnische Nation das Recht erlangt, sich wie die anderen Nationen am Prozeß zu beteiligen, der Europa ein neues Gesicht geben sollte. Deshalb ist der hl. Adalbert ein großer Patron für unseren Kontinent, der damals begann, sich in Christi Namen zusammenzuschließen. Durch sein Leben und durch seinen Tod legte der heilige Märtyrer das Fundament für die europäische Identität und Einheit. Während der Tausendjahrfeier der Taufe Polens bin ich oft diesen geschichtlichen Spuren gefolgt, als ich mit den Reliquien des hl. Stanislaus von Krakau nach Gnesen pil-gerte. Ich danke der göttlichen Vorsehung, daß es mir heute noch einmal geschenkt ist, diesen Weg zu gehen. Wir danken dir, hl. Adalbert,daß du uns hier so zahlreich versammelt hast. Unter uns sind bedeutende Gäste. Ich denke vor allem an die Staatsoberhäupter der Länder, die mit der Person des Vojtech-Adalbert verbunden sind. Ich danke für ihre Anwesenheit Herrn Kwasniewski, dem Präsidenten von Polen, Herrn Havel, dem Präsidenten der Tschechischen Republik, Herrn Brazauskas, dem Präsidenten von Litauen, Herrn Herzog, dem Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Kovac, dem Präsidenten der Slowakischen Republik, Herrn Kuczma, dem Präsidenten der Ukraine, und Herrn Göncz, dem Präsidenten von Ungarn. Meine Herren Präsidenten, ihre Anwesenheit heute hier in Gnesen hat eine besondere Bedeutung für ganz Europa. Wie vor tausend Jahren besteht auch heute der Wille zu einem friedlichen Zusammenleben und zum Aufbau eines neuen Europa, das in Solidarität vereint ist. Ihre Anwesenheit bezeugt diesen Willen. Ich bitte sie, den von ihnen vertretenen Nationen freundlicherweise meine herzlichen Grüße zu übermitteln. Meinen Dank spreche ich auch den Kardinalen aus, die aus der Ewigen Stadt gekommen sind, angefangen vom Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano. Außerdem 295 REISEN danke ich den Kardinalen der Länder, die mit der Person des hl. Adalbert verbunden sind, an ihrer Spitze Kardinal Miloslav Vlk, dem Nachfolger des hl. Adalbert auf dem Bischofsstuhl von Prag. Ich freue mich, daß auch Kardinäle aus den fernsten Teilen der Welt, von Amerika bis Australien, zu uns gekommen sind. Ich begrüße herzlich die polnischen Kardinäle, allen voran den Kardinalprimas, die Erzbischöfe und die Bischöfe, und danke ihnen für ihre Anwesenheit. Ich danke auch den orthodoxen Bischöfen, den Oberhäuptern der Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, sowie den Verantwortlichen anderer kirchlicher Gemeinschaften. Einen herzlichen Gruß richte ich an Erzbischof Muszynski, den Metropoliten von Gnesen, und an euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr aus ganz Polen zu diesem Treffen gekommen seid. 3. Mir ist noch deutlich die Begegnung von Gnesen im Juni 1979 in Erinnerung, als der aus Krakau stammende Papst erstmals auf dem Lech-Hügel die Eucharistie feiern konnte. Damals waren der unvergeßliche Primas des Jahrtausends, der ganze polnische Episkopat und zahlreiche Pilger, die nicht nur aus Polen, sondern auch aus den Nachbarländern gekommen waren, anwesend. Heute, nach achtzehn Jahren, sollte man auf jene Predigt von Gnesen zurückgreifen, die in gewissem Sinn zum Programm des Pontifikats wurde. In erster Linie aber war sie eine bescheidene Auslegung der Pläne Gottes fiir die letzten fünfundzwanzig Jahre unseres Jahrtausends. Damals sagte ich: „Will nicht Christus vielleicht, fugt es nicht der Heilige Geist, daß dieser polnische, dieser slawische Papst gerade jetzt die geistige Einheit des christlichen Europas sichtbar macht, das durch die zwei großen Traditionen des Westens und Ostens geprägt wurde ...? Ja, Christus will es. Der Heilige Geist fügt es so, daß das jetzt gesagt wurde, hier, in Gnesen“ (Pfingstgot-tesdienst vor der Kathedrale, 3. Juni 1979). Von diesem Ort strömte dann die gewaltige Kraft des Heiligen Geistes aus. Hier begann die Idee von der Neuevangelisierung konkrete Formen anzunehmen. Seitdem sind große Umwälzungen geschehen, neue Möglichkeiten haben sich eröffnet, und andere Männer und Frauen sind aufgetreten. Die Mauer, die Europa teilte, ist gefallen. Fünfzig Jahre nach Beginn des zweiten Weltkrieges endeten seine Auswirkungen, die bis dahin das Gesicht Europas geprägt hatten. Ein halbes Jahrhundert der Spaltung ist beendet. Millionen von Bewohnern Mittel- und Osteuropas mußten einen furchtbaren Preis dafür bezahlen. Deshalb danke ich heute hier, am Grab des hl. Adalbert, dem allmächtigen Gott für das große Geschenk der Freiheit, das den europäischen Nationen zuteil geworden ist. Ich greife die Worte des Psalmisten auf: „Da sagte man unter den andern Völkern: / Der Herr hat an ihnen Großes getan. / Ja, Großes hat der Herr an uns getan. / Da waren wir fröhlich“ (Ps 126,2-3). 4. Liebe Brüder und Schwestern, nach vielen Jahren sage ich es noch einmal: Es bedarf einer neuen Verfügbarkeit. Denn es hat sich in manchmal sehr schmerzlicher Weise gezeigt, daß die Wiedererlangung des Selbstbestimmungsrechtes und 296 REISEN die Erweiterung der politischen und wirtschaftlichen Freiheiten nicht ausreichen, um die europäische Einheit aufzubauen. Wie könnte man hier die Tragödie der Völker im ehemaligen Jugoslawien, das Drama des albanischen Volkes und die ungeheuren Lasten unerwähnt lassen, unter denen alle Gesellschaften leiden, die die Freiheit wiedergewonnen haben und sich mit großer Anstrengung vom Joch des kommunistischen totalitären Systems frei machen? Ist es nicht so, daß nach dem Fall der sichtbaren Mauer eine andere, unsichtbare Mauer zum Vorschein kam, die unseren Kontinent noch immer teilt - die Mauer, die durch die Herzen der Menschen geht? Es handelt sich um eine Mauer, die gebaut ist auf Angst und Aggressivität, auf dem Mangel an Verständnis für die Menschen anderer Herkunft, anderer Hautfarbe oder anderer Glaubensüberzeugungen. Es ist die Mauer des politischen und wirtschaftlichen Egoismus, des schwindenden Gespürs für den Wert des menschlichen Lebens und für die Würde eines jeden Menschen. Sogar die Erfolge, die in jüngster Zeit im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereich zweifellos zu verzeichnen sind, können die Existenz dieser Mauer nicht verbergen. Sie wirft ihren langen Schatten auf ganz Europa. Das Ziel einer wahren Einheit Europas liegt noch in weiter Feme. In Europa wird es keine Einheit geben, solange diese nicht auf der Einheit des Geistes beruht. Dieses tiefste Fundament der Einheit wurde vom Christentum nach Europa gebracht; es wurde im Laufe der Jahrhunderte von seinem Evangelium, seinem Menschenbild und seinem Beitrag zur Entwicklung der Geschichte der Völker und Nationen gefestigt. Das bedeutet nicht, sich die Geschichte einverleiben zu wollen. Denn die Geschichte Europas ist ein breiter Strom, in den viele Nebenflüsse münden, und die Vielfalt der Traditionen und Kulturen machen ihren großen Reichtum aus. Die Fundamente der europäischen Identität liegen im Christentum. Daß gegenwärtig die geistige Einheit Europas fehlt, ist hauptsächlich auf die Krise dieses christlichen Selbstverständnisses zurückzuführen. 5. Brüder und Schwestern, Jesus Christus, „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8), hat dem Menschen seine Würde offenbart! Er ist der Garant dieser Würde! Es waren die Patrone Europas, die Heiligen Benedikt, Cyrill und Methodius, die die Wahrheit über Gott und den Menschen in die europäische Kultur einpflanzten. Es waren die Scharen heiliger Missionare, die uns heute der heilige Bischof und Märtyrer Adalbert in Erinnerung ruft. Sie haben die europäischen Völker die Nächstenliebe, ja sogar die Feindesliebe gelehrt und diese Botschaft mit dem Lebensopfer für sie besiegelt. Aus dieser frohen Botschaft, dem Evangelium, haben unsere Brüder und Schwestern in Europa in den nachfolgenden Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag gelebt. Das bezeugen die Bauten der Kirchen, Abteien, Krankenhäuser und Universitäten. Das verkünden die Bücher, Skulpturen und Gemälde; das rufen die Werke der Dichter und Komponisten in Erinnerung. Mit dem Evangelium wurden die Grundlagen der geistigen Einheit Europas gelegt. Am Grab des hl. Adalbert stelle ich deshalb die Frage: Dürfen wir das christliche Lebensgesetz verwerfen, das bekräftigt, daß nur der reiche Frucht trägt, der sein 297 REISEN Leben aus Liebe zu Gott und den Mitmenschen hingibt und damit einem Samenkorn gleicht, das in die Erde gefallen ist? Hier, von diesem Ort aus, wiederhole ich den Ruf, der am Anfang meines Pontifikats stand: Öffnet die Tore für Christus! Im Namen der Achtung der Menschenrechte, im Namen der Freiheit, der Gleichheit, der Brüderlichkeit, im Namen der zwischenmenschlichen Solidarität und der Liebe rufe ich: Habt keine Angst! Öffnet die Tore für Christus! Ohne Christus ist es nicht möglich, den Menschen zu verstehen. Deshalb wird sich die Mauer, die sich heute in den Herzen erhebt, die Mauer, die Europa teilt, nicht abtragen lassen ohne die Rückkehr zum Evangelium. Denn ohne Christus ist es nicht möglich, eine dauerhafte Einheit aufzubauen. Die Einheit gelingt nicht, wenn man sich von den Wurzeln, aus denen die Nationen und Kulturen Europas gewachsen sind, trennt und vom großen Reichtum der geistigen Kultur der vergangenen Jahrhunderte löst. Wie kann man ein „gemeinsames Haus“ für ganz Europa bauen, wenn es nicht mit den Bausteinen der Gewissen der Menschen errichtet wird, mit Bausteinen, die im Feuer des Evangeliums gebrannt, durch ein solidarisches Liebesband in der Gesellschaft zusammengefügt und als Frucht der Liebe zu Gott gereift sind? Für die Verwirklichung dieses Bauwerks hat sich der hl. Adalbert eingesetzt; für diese Zukunft opferte er sein Leben. Heute erinnert er uns daran, daß man eine neue Gesellschaft nicht ohne den erneuerten Menschen aufbauen kann. Er ist die stabilste Grundlage der Gesellschaft. 6. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend ist das Zeugnis des hl. Adalbert in der Kirche weiter lebendig und trägt Frucht. Wir müssen sein Werk der Evangelisierung mit neuer Kraft aufgreifen. Helfen wir denen, die Christus und seine Lehre vergessen haben, ihn wiederzuentdecken. Das wird gelingen, wenn erneut Scharen von Menschen damit beginnen, als treue Zeugen des Evangeliums unseren Kontinent zu durchqueren; wenn die Werke von Architektur, Literatur und Kunst für den Menschen unserer Zeit in ansprechender Weise denjenigen darstellen, der „derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“; wenn die Menschen in der Liturgie der Kirche erkennen, wie schön es ist, Gott zu ehren, und wenn sie in unserem Leben ein Zeugnis der christlichen Barmherzigkeit, der heroischen Liebe und der Heiligkeit entdecken können. Liebe Brüder und Schwestern, was ist das für eine außergewöhnliche Stunde der Geschichte, in der wir leben dürfen! Welch wichtige Aufgaben hat Christus uns anvertraut! Er ruft jeden von uns auf, den neuen Frühling der Kirche vorzubereiten. Er will, daß die Kirche, die ein und dieselbe ist wie in den Zeiten der Apostel und des hl. Adalbert,voller Frische mit den Knospen neuen Lebens und aus dem Antrieb des Evangeliums ins neue Jahrtausend eintritt. Im Jahr 1949 rief der Primas des Jahrtausends aus: „Hier, am Grab des hl. Adalbert, werden wir die Fak-keln entzünden, die unserem Land das ,Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk‘ (Lk 2,32) ankündigen werden“ (Hirtenbrief zur Eröffnung). Heute wiederholen wir diesen Ruf und erbitten Licht und Feuer vom Heiligen 298 REISEN Geist, um unsere Fackeln anzuzünden als Boten des Evangeliums bis an die äußersten Grenzen der Erde. 7. Der hl. Adalbert ist immer mit uns. Er ist von der Glorie des Martyriums umgeben - hier in Gnesen, der Stadt der Piasten, und in der Kirche auf der ganzen Welt. Im Ausblick auf das neue Jahrtausend scheint es, als wolle er uns heute mit den Worten des hl. Paulus sagen: „Vor allem: lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht. Ob ich komme und euch sehe oder ob ich fern bin, ich möchte hören, daß ihr in dem einen Geist feststeht, einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpft und euch in keinem Fall von euren Gegnern einschüchtem laßt“ (Phil 1,27-28). Darum geht es: in dem einen Geist und einmütig für den Glauben zu kämpfen. Fleute, nach nunmehr tausend Jahren, lesen wir noch einmal dieses Testament von Paulus und Adalbert. Wir bitten, daß ihre Worte sich auch in unserer Generation bewahrheiten. Denn in Christus wurde uns die Gnade geschenkt, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch seinetwegen zu leiden, weil wir den gleichen Kampf zu bestehen hatten, von dem uns Adalbert sein Zeugnis hinterlassen hat (vgl. Phil 1,29-30). Während sich die Kirche und Europa auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereiten, vertrauen wir uns dem hl. Adalbert an und bitten ihn um seine Fürsprache für uns. Wir rufen den Heiligen Geist an, den Geist der Weisheit und der Stärke: Veni, Creator Spiritus! Amen. Rückbesinnung auf gemeinsame Werte Grußworte zum Abschluß der Messe zur Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert in Gnesen am 3. Juni „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Diese Worte, liebe Brüder und Schwestern, erhalten besondere Bedeutung an diesem geschichtsträchtigen Ort. Christus hat uns hier zusammengeführt zu einer einzigen Gemeinschaft, die Gott Dank sagt für das außerordentliche Geschenk des hl. Adalbert, der vor tausend Jahren zur Grundlage wurde für die Kirche und den im Entstehen begriffenen Staat. Ich spreche meine große Freude aus, daß ich mit euch diese Eucharistie bei den Reliquien des hl. Märtyrers und Patrons Polens habe feiern können. Ich danke Gott, der es mir gewährt hat, daß ich als Papst zum zweiten Mal Gnesen besuchen konnte. Von Herzen grüße ich alle Anwesenden. Ich richte meinen Gruß an die Mitglieder des Parlaments - an ihrer Spitze der Präsident des Senats - und an die Vertreter der administrativen und autonom verwalteten Behörden: an die Woiwoden sowie an die Präsidenten und Bürgermeister der Städte und zahlreichen Gemeinden. Mein besonderer Dank gilt dem Woiwoden von Posen (Poznan) und dem Präsi- 299 REISEN denten der Stadt Gnesen (Gniezno), die dafür gesorgt haben, daß die Stadt des hl. Adalbert,die erste Hauptstadt Polens, würdig hergerichtet und auf neuen Glanz gebracht wurde. Herzlich grüße ich auch die Vertreter von verschiedenen Organisationen und Vereinigungen. Unter uns sind die Frontkämpfer, das Heer, die Pfadfinder und die Polizisten, denen ich für ihren Dienst besonders danke. Ich bin erfreut über das Eintreffen im Ausland lebender Polen hier an der Wiege unserer Nation. Ich grüße die Gruppen von Polen aus den Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien, Argentinien und anderen Teilen der Welt. Ich grüße auch die verschiedenen Gruppen des Apostolats - an erster Stelle die Katholische Aktion -, die vom hl. Adalbert den Eifer im Apostolat lernen und, zu den Wurzeln zurückkehrend, das Bewußtsein ihrer Identität erneuern wollen. Seine Spiritualität, deren Grundlagen in großen Zügen zusammengefaßt auf dem Portal des Domes zu Gnesen dargestellt sind, kann auch uns die Richtung angeben, um in den Werten zu wachsen, deren Europa bei seinem Streben nach Einheit bedarf. Sie gründen in der Tat auf dem Evangelium, auf seinem Geist und auf seiner Kraft. Besondere Grußworte richte ich an die Jugendlichen, besonders an die, welche von Liednitz (Lednica) die ganze Nacht hindurch zum Grab des hl. Adalbert gewandert sind. Seid stark in Gott! Zur Erinnerung an meine Pilgerfahrt zum Grab des hl. Adalbert überlasse ich euch die von mir gesegnete Kopie des prachtvollen Baldachins, der sich über den kleinen Sarg des hl. Adalbert erhebt und in seiner Form der berühmten Confessio Ber-ninis in der Petersbasilika zu Rom nachempfunden ist. Ich habe meine Unterschrift auf das restaurierte Grab des hl. Adalbert gesetzt zum Zeichen der jahrhundertelangen Gemeinschaft zwischen der Kirche von Rom und der Kirche in Polen und der persönlichen Verbundenheit des Nachfolgers Petri mit seiner Nation. Ich habe auch den von den deutschen Bischöfen gestifteten Bronzealtar geweiht. In Polen lasse ich als Geschenk die gekrönten Bildnisse der Muttergottes zurück; den Bewohnern von Bromberg (Bydgoszcz) bringe ich den Titel einer Basilica minor für die monumentale Kirche der Missionsväter, die sich im Herzen ihrer Stadt befindet; den Bewohnern von Königsberg (Kaliningrad) das Bild des hl. Adalbert. Empfangt zum Schluß meinen Segen! Botschaft an die europäischen Staatsoberhäupter anläßlich der Tausendjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert vom 3. Juni Exzellenzen! Ihre Anwesenheit hier in Gnesen, wo wir die Tausendjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert festlich begehen, ist von ganz besonderer Bedeutung. Bei dieser 300 REISEN außerordentlichen Gelegenheit grüße ich Sie mit Hochachtung und danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, um mit der Kirche diesen großen Heiligen an seinem Grab zu ehren. Vor zehn Jahren stellte der geschätzte Kardinal Tomässek den hl. Adalbert als „das Symbol der geistigen Einheit Europas“ vor. In der Tat ist die Erinnerung an ihn in Mitteleuropa besonders lebendig. Dies zeigt sich darin, daß sich manche Völker dieses Kontinents bewußt sind, Erben der Glaubensboten zu sein, die ihren Ländern den christlichen Glauben kraftvoll eingepflanzt und in ihrer Kultur dem vom Christentum geprägten Menschenbild Zugang verschafft haben. Geboren in Böhmen, nicht lange nachdem Cyrill und Methodius mit der Evangelisierung der Slawen begonnen hatten, gelang es Adalbert, nach dem Vorbild dieser berühmten Vorläufer die geistlichen Traditionen des Ostens und des Westens zu vereinen. Nach seiner Ausbildung in Magdeburg wurde er Priester und alsbald Bischof von Prag. Er lernte auch das Rom der Päpste und die Stadt Pavia kennen. Er pilgerte nach Frankreich und ging nach Mainz, wo er ein enger Freund von Kaiser Otto III. wurde, bevor er zu seiner letzten Mission an der baltischen Küste aufbrach. In den wenigen Jahren seiner Tätigkeit als Geistlicher und Missionar hinterließ er in verschiedenen Ländern seine Spuren, so daß er einer der Schutzpatrone des polnischen Volkes wurde, das glücklich ist, seine sterblichen Überreste als einen seiner wertvollsten Schätze zu bewahren. Der fortdauernde Einfluß von Adalbert liegt maßgeblich in der Harmonie, die er unter den verschiedenen Kulturen herstellte, indem er sie einander anglich, in seiner Unabhängigkeit, die ihn als Mann der Kirche auszeichnete, ebenso wie in seiner unermüdlichen Verteidigung der Menschenwürde, der Qualität des gesellschaftlichen Lebens und des Dienstes an den Armen sowie in der geistlichen Tiefe seiner monastischen Erfahrung. In allen diesen Eigenschaften bleibt er ein außergewöhnlicher Ratgeber auch für diejenigen, die heute am Aufbau eines neuen Europa mitwirken und dabei dessen kulturellen und religiösen Wurzeln treu bleiben. Adalbert lebte in einer bewegten Zeit. Er erfuhr schwere Schicksalsschläge in seiner Familie und begegnete großen Hindernissen in seiner Amtsführung. Er erlitt das Martyrium, weil er es nicht unterlassen konnte, die Heilsbotschaft zu verkünden. Auch in diesem so stürmischen Jahrhundert machten die Völker im Herzen Europas schreckliche Prüfungen durch. Jetzt haben sich neue Ausblicke eröffnet. Könnten sich die Europäer doch entschlossen um eine konstruktive Zusammenarbeit bemühen mit dem Ziel, den Frieden untereinander und in ihrer Nachbarschaft zu festigen! Sie mögen keine Nation aus den Gebilden ausschließen, die gerade im Entstehen sind! Dies gilt auch für schwächere Nationen. Heute sind die politisch Verantwortlichen noch vor ungeheure Aufgaben gestellt. Die Festigung der demokratischen Institutionen, die wirtschaftliche Entwicklung und die internationale Zusammenarbeit erreichen nur dann ihr wahres Ziel, wenn sie den Wohlstand sicherstellen, damit der Mensch alle Dimensionen seiner Persönlichkeit entfalten kann. Darin besteht die Größe der Rolle der politisch Ver- 301 REISEN antwortlichen, daß sie stets die Würde eines jeden Menschen achten und die Bedingungen für eine großherzige Solidarität schaffen, wo kein Mitbürger auf der Strecke bleibt. Sie besteht ferner darin, daß jeder eine Bildungsmöglichkeit bekommt, daß die edelsten menschlichen und geistigen Werte anerkannt und verwirklicht werden und daß jeder seine religiöse Überzeugung bekennen und mit-teilen kann. Wenn Europa auf diesem Weg voranschreitet, wird es seinen Zusammenhalt festigen und denjenigen treu bleiben, die die Fundamente seiner Kultur gelegt haben. So erfüllt Europa seine uralte Berufung in der Welt. Exzellenzen, angesichts Ihrer weitreichenden und schwerwiegenden Pflichten möge die Botschaft des hl. Adalbert für Sie eine Quelle fruchtbarer Inspiration sein! Indem ich Ihnen für Ihr heutiges Kommen erneut danke, entbiete ich Ihnen meine besten Wünsche zur Erfüllung Ihrer hohen Aufgaben für Sie persönlich und für die Gemeinschaft der Völker, die Sie vertreten. Ich bitte Gott, er möge Ihnen die Fülle seines Segens schenken. Gnesen, am 3. Juni 1997 Joannes Paulus PP. II Lebt eure Verbundenheit mit dem auferstandenen Christus! Ansprache beim Treffen mit der Jugend auf dem Mickiewicz-Platz in Posen (Poznan) am 3. Juni Liebe Bewohner der Stadt Przemyslaw (Peremysl)! Liebe junge Freunde! 1. „Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat; laßt uns jubeln und uns an ihm freuen!“ Auf meiner diesjährigen Pastoraireise in die Heimat begegne ich überall Zeichen großer Güte und Freude. So war es in Breslau, in Liegnitz, in Landsberg, in Gnesen, und so ist es auch hier in Posen. Es kann sein, daß Posen an der Spitze steht... Von Herzen danke ich für dieses Treffen und für die so zahlreiche Beteiligung, obwohl jetzt die Zeit der Prüfungen und Notengebung für die Schulzeugnisse ist. Ich grüße jede und jeden von euch, einen nach dem andern, und durch euch grüße ich die ganze Jugend Polens und auch eure Eltern, Erzieher, Seelsorger und Professoren und die ganze Universitätswelt. Ein herzliches Grußwort richte ich an den Oberhirten der Kirche von Posen, an seinen Weihbischof und an das Volk Gottes der geliebten Erzdiözese. Ich grüße auch den Erzbischof Msgr. Jerzy Stroba, der in dieser Erzdiözese lange Jahre das Hirtenamt innehatte. Ich danke ihm für all das, was er für die Kirche in der Welt und besonders in Polen getan hat. „Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat.“ 302 REISEN 2. Den Abschnitt aus dem Matthäusevangelium, den wir soeben gelesen haben, fuhrt uns an den See Gennesaret. Die Apostel waren ins Boot gestiegen, um Christus an das andere Ufer vorauszufahren. Während sie in diese Richtung ruderten, sahen sie ihn auf dem See entgegenkom-men. Christus ging auf dem Wasser, als sei es fester Boden. Die Apostel erschraken, weil sie meinten, er sei ein Gespenst. Als Jesus sie schreien hörte, sagte er zu ihnen: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht“ {Mt 14,27). Und Petrus erwiderte ihm: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, daß ich auf dem Wasser zu dir komme. Jesus sagte: Komm!“ {Mt 14,28). Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu. Als er aber sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: „Herr, rette mich!“ {Mt 14,30). Da streckte Jesus sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ {Mt 14,31). Dieses dem Evangelium entnommene Ereignis hat einen sehr tiefen Inhalt. Es betrifft das Hauptproblem des menschlichen Lebens, den Glauben an Jesus Christus. Petrus hatte sicher Glauben, wie er später bei Cäsarea Philippi großartig bewies, aber in jenem Augenblick war sein Glaube noch nicht gefestigt. Als der Wind heftiger wurde, begann Petras unterzugehen, weil er zweifelte. Nicht der Wind war der Grand, weshalb Petras im See unterzugehen begann, sondern sein mangelnder Glaube. Dem Glauben von Petrus hatte etwas Wesentliches gefehlt: die vollständige Hingabe an Christus, das volle Vertrauen in Ihn im Augenblick schwerer Prüfung; es hatte ihm die vorbehaltlose Hoffnung auf Ihn gefehlt. Glaube, Hoffnung und Liebe bilden das Fundament des christlichen Lebens, dessen Eckstein Jesus Christus ist. Im Kreuzestod Jesu und in seiner Auferstehung aus dem Grab hat sich die Liebe Gottes für den Menschen und für die Welt voll geoffenbart. Jesus ist der einzige Weg zum Vater, der einzige Weg, der zur Wahrheit und zum Leben führt (vgl. Joh 14,6). Diese Botschaft, die die Kirche von Anfang an allen Menschen und allen Völkern verkündet, wurde unserer Generation vom II. Vatikanischen Konzil in Erinnerung gerufen. Erlaubt mir, daß ich einen kurzen Abschnitt aus der Konstitution Gaudium et spes zitiere: „Die Kirche aber glaubt: Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann; es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie gerettet werden sollen. Sie glaubt ferner, daß in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist. Die Kirche bekennt überdies, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“ (Nr. 10). Liebe Jungen und Mädchen, folgt Christus nach mit der Begeisterung eurer jungen Herzen. Nur er kann dem Menschen die Angst nehmen. Schaut auf Jesus aus dem Innersten eures Herzens und eures Geistes! Er ist euer unzertrennlicher Freund. 303 REISEN Diese Botschaft über Christus, der ich meine erste Enzyklika Redemptor hominis gewidmet habe, verkünde ich den jungen Menschen in allen Erdteilen während der Pastoraireisen und bei den Weltjugendtagen. Sie ist auch das Thema des Treffens im August, das die Jugendlichen mit dem Papst in Paris haben werden: Dazu lade ich euch herzlich ein. Als Christen seid ihr berufen, den Glauben und die Hoffnung zu bezeugen, damit die Menschen — schreibt der hl. Paulus - „nicht ohne Hoffnung sind und ohne Gott in der Welt leben“, sondern „Christus kennenlernen“, unsere Hoffnung (vgl. Eph 2,12; 4,20). Der Glaube an Christus und die Hoffnung, die er lehrt, befähigen den Menschen, sich selbst zu überwinden, all das zu überwinden, was in ihm schwach und sündhaft ist; zugleich helfen ihm dieser Glaube und diese Hoffnung, das Böse und die Auswirkungen der Sünde in der ihn umgebenden Welt zu besiegen. Christus hat Petrus von der Angst befreit, die ihn auf dem stürmischen See befallen hatte. Christus hilft auch uns, die schwierigen Augenblicke im Leben zu überwinden, wenn wir uns voll Glaube und Hoffnung an ihn wenden und ihn um Hilfe bitten. „Habt Vertrauen; ich bin es; furchtet euch nicht!“ {Mt 14,27). Ein starker Glaube, aus dem unbegrenzte Hoffnung erwächst, eine Tugend, die heute nötiger denn je ist, nimmt dem Menschen die Angst und gibt ihm die geistliche Kraft, allen Stürmen des Lebens gewachsen zu sein. Habt keine Angst vor Christus! Vertraut ihm bis ins Letzte! Er allein „hat Worte des ewigen Lebens“. Christus enttäuscht nie! Hier an dieser Stelle, auf dem „Adam-Mickiewicz“-Platz, stand einst ein Denkmal zu Ehren des Heiligsten Herzens Jesu als sichtbares Zeichen für den Sieg, den die Polen durch den Glauben und die Hoffnung auf Christus errungen hatten. Das Denkmal war 1932 mit den Spenden des ganzen Volkes zum Dank für die wiedererlangte Unabhängigkeit errichtet worden. Das wiedererstandene Polen hatte sich um das Heiligste Herz Jesu versammelt, um aus dieser Quelle der hochherzigen Liebe die Kraft zu schöpfen für den Aufbau der Zukunft des Vaterlandes auf dem Fundament der Wahrheit Gottes in Einheit und Eintracht. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde dieses Denkmal zu einem so gefährlichen Symbol christlichen und polnischen Geistes, daß es vom Invasor am Anfang der Besetzung zerstört wurde. 3. Liebe Jungen und Mädchen! Wie oft sind in diesem ausgehenden Jahrhundert Glaube und Hoffnung der polnischen Nation auf die Probe, eine sehr harte Probe, gestellt worden! Es genügt, an den Ersten Weltkrieg zu erinnern und in diesem Zusammenhang an die Entschiedenheit derer, die entschlossen um die Wiedererlangung der Freiheit kämpften. Es genügt, an die zwanzig Jahre zwischen den beiden Weltkriegen zu denken, als man alles wiederaufbauen mußte. Dann kam der Zweite Weltkrieg und die schreckliche Besatzungszeit auf Grund des Paktes zwischen Hitler-Deutschland und Sowjet-Rußland, durch den Polen als Staat auf der europäischen Landkarte ausradiert werden sollte. Welch radikale Herausforderung war diese Zeit für alle Polen! Die Generation des Zweiten Weltkrieges wurde gleichsam wirklich auf 304 REISEN dem großen Altar des Kampfes geopfert, um dem Vaterland die Freiheit zu erhalten und sicherzustellen. Wie viele Menschenleben, junge, vielversprechende Leben hat das gekostet! Welch hohen Preis zahlten die Polen zuerst an der Front vom September 1939 und dann an allen Fronten, wo die Alliierten gegen den Angreifer kämpften. Nach Kriegsende folgte eine lange Zeit von fast fünfzig Jahren mit einer neuen Gefahr, diesmal nicht des Krieges, sondern des Friedens. Denn der Sieg der Roten Armee brachte Polen nicht nur die Befreiung von der Hitler-Besatzung, sondern auch eine neue Periode der Unterdrückung. Während die Menschen zur Besatzungszeit an der Front, in den Konzentrationslagern und in der geheimen politischen und militärischen Widerstandsbewegung gestorben waren - deren letzter Aufschrei der Aufstand von Warschau gewesen war -, brachten die ersten Jahre der neuen Regierung eine Folge von Mißhandlungen gegenüber unzähligen Polen, und vor allem den besten, mit sich. Die neuen Machthaber suchten mit allen Mitteln die Nation zu unterdrücken und sie sich in politischer und ideologischer Hinsicht zu unterwerfen. Die Jahre nach dem Oktober 1956 waren nicht so hart; dennoch dauerte dieser Kampf gegen die Nation und gegen die Kirche bis in die achtziger Jahre hinein. Er war die Folge der Herausforderung des Glaubens und der Hoffnung der Polen, die weiterhin all ihre Kräfte aufboten, um sich nicht geschlagen zu geben, und die religiösen und nationalen Werte verteidigten, die damals besonders gefährdet waren. Meine Lieben, das mußte hier an diesem Ort gesagt werden. Es mußte vor euch, jungen Menschen, noch einmal wiederholt werden, weil ihr die Verantwortung für die Geschicke Polens im dritten Jahrtausend übernehmen werdet. Das Wissen um unsere Vergangenheit hilft uns, uns in die lange Ahnenreihe einzugliedem, um den nachfolgenden Generationen das gemeinsame Wohl, das Vaterland, weiterzugeben. Man muß hier noch ein anderes Denkmal erwähnen, das Denkmal für die Toten vom Juni 1956. Es war auf diesem Platz mit Hilfe der Bevölkerung von Posen und von Wielkopolska am 25. Jahrestag der traurigen Ereignisse errichtet worden, in denen der große Volksaufstand gegen das unmenschliche System der Unterdrük-kung der Herzen und des Geistes der Menschen zum Ausdruck gekommen war. Ich wollte 1983 zu diesem Denkmal kommen, als ich erstmals als Papst eure Stadt besuchte, aber mir wurde damals nicht erlaubt, unter den Kreuzen von Posen zu beten. Heute ist es mir eine Freude, zusammen mit euch, der Jugend Polens, vor diesem Denkmal niederknien zu können, um die Arbeiter zu ehren, die bei der Verteidigung der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Unabhängigkeit des Vaterlandes ihr Leben opferten. 4. Wir blicken noch einmal auf den See Gennesaret, auf dem das Boot Petri fährt. Der See stellt gleichsam die Welt dar, auch die Welt von heute, in der wir leben und in der die Kirche ihre Sendung erfüllt. Diese Welt stellt eine Herausforderung für den Menschen dar, wie der See eine Herausforderung an Petrus war. Als täg- 305 REISEN licher Arbeitsplatz des Fischers war ihm der See nahe und vertraut, und andererseits war er eine Naturgewalt, mit der man die eigenen Kräfte und die eigene Erfahrung messen mußte. Der Mensch muß in diese Welt kommen, er muß gewissermaßen in sie eintauchen, denn er hat von Gott den Auftrag erhalten, „sie sich zu unterwerfen“ durch Arbeit, Studium und kreative Mühe (vgl. Gen 1,28). Andererseits kann man den Menschen nicht ausschließlich auf den Bereich der materiellen Welt reduzieren und dabei den Schöpfer vergessen. Denn das ist gegen die Natur des Menschen, gegen seine innere Wahrheit, weil das menschliche Herz, wie der hl. Augustinus sagt, unruhig ist, bis es Ruhe findet in Gott (vgl. Confes., 1,1: CSEL 33, S. 1). Die menschliche Person, nach Gottes Bild und Abbild Gottes geschaffen, darf nicht Sklavin der Dinge, der Wirtschaftssysteme, der technischen Zivilisation, des Konsums und des leicht zu erzielenden Erfolges werden. Der Mensch darf nicht Sklave seiner Neigungen und seiner manchmal absichtlich geschürten Leidenschaften werden. Er muß dieser Gefahr widerstehen. Er muß verstehen, mit seiner eigenen Freiheit umzugehen, indem er das wählt, was wirklich das Gute ist. Laßt euch nicht versklaven! Laßt euch nicht von Pseudowerten, Halbwahrheiten und faszinierenden Trugbildern verführen, von denen ihr euch später enttäuscht, verwundet und vielleicht mit einem verpfuschten Leben abwenden werdet. In der Ansprache, die ich einmal vor der UNESCO hielt, sagte ich, daß die erste und wesentliche Aufgabe der Kultur die Erziehung des Menschen ist. Und daß es in der Erziehung hauptsächlich darum geht, „daß der Mensch immer mehr Mensch wird; daß er mehr ,sein‘ kann und nicht nur mehr ,haben1 kann; daß er versteht, mehr und mehr voll Mensch ,zu sein1. Deshalb ist es notwendig, daß der Mensch versteht, ,mehr zu sein1, nicht nur ,mit‘ den anderen, sondern auch ,für‘ die anderen“ (2. Juni 1980). Diese Wahrheit ist von grundlegender Bedeutung für die Selbsterziehung, die Selbstverwirklichung, um in sich die eigene Menschlichkeit und das göttliche Leben, das im Taufsakrament eingepflanzt und im Firmsakrament gefestigt wurde, zu entfalten. Die Selbsterziehung zielt gerade auf mehr Mensch und mehr Christ „sein“ hin; darauf, die vom Schöpfer empfangenen Talente in sich selbst zu entdecken und zu entfalten und die Berufung zur Heiligkeit zu verwirklichen. Manchmal mag die Welt wirklich ein gefährliches Naturelement sein; aber ein Mensch, der aus dem Glauben und aus der Hoffnung lebt, hat die Kraft des Heiligen Geistes in sich, um die Gefahren dieser Welt zu bestehen. Petrus ging auf den Wogen des Sees, auch wenn es gegen die Gesetze der Schwerkraft war, weil er Jesus in die Augen blickte. Als er zweifelte, als er den persönlichen Kontakt mit dem Meister verlor, begann er unterzugehen und wurde getadelt: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ {Mt 14,31). Aus dem Beispiel des Petrus lernen wir, wie wichtig im geistlichen Leben die persönliche Verbundenheit mit Christus ist: Sie muß ständig erneuert und vertieft werden. Wie? Vor allem durch das Gebet. Meine Lieben, betet und lernt beten; lest das Wort Gottes, und denkt darüber 306 REISEN nach; festigt die Verbundenheit mit Christus durch das Sakrament der Versöhnung und der Eucharistie; besprecht die Schwierigkeiten des inneren Lebens und des Apostolats in den Jugendgruppen, in den Gemeinschaften und in den kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, die heute in unserem Land zahlreich sind. 5. Liebe junge Freunde! Wir begehen die Jahrtausendfeier des Martyriums des hl. Adalbert. Heute sagte ich während der Eucharistiefeier in Gnesen, daß der hl. Adalbert für Christus Zeugnis abgelegt hat, indem er um des Glaubens willen den Märtyrertod auf sich nahm. Dieses Martyrium des großen Slawenapostels stellt Anforderungen an euch: Es fordert auch heute das Lebenszeugnis eines jeden von euch. Es verlangt neue Männer und Frauen, die in dieser Welt die „Kraft und die Weisheit“ (vgl. I Kor 1,22-25) des Evangeliums Gottes im eigenen Leben deutlich machen; in dieser Welt, die oftmals ein unzähmbares, bedrohliches Naturelement, eine stürmische See zu sein scheint und zugleich so sehr nach Christus dürstet, nach der Frohen Botschaft. Die Welt braucht die Liebe so sehr. Seid in dieser Welt Träger des Glaubens und der christlichen Hoffnung, indem ihr jeden Tag die Liebe lebt. Seid treue Zeugen des auferstandenen Christus, scheut euch nie vor Hindernissen, die sich euch auf eurem Lebensweg entgegenstellen. Ich zähle auf euch, auf eure jugendliche Begeisterung und auf eure Hingabe an Christus. Ich habe die polnische Jugend kennengelemt. Sie hat mich nie enttäuscht. Die Welt braucht euch. Die Kirche braucht euch. Polens Zukunft hängt von euch ab. Baut und festigt in Polen die „Zivilisation der Liebe“: im persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben, in den Schulen, den Universitäten, den Pfarreien und in den Familien, die ihr eines Tages gründen werdet. Laßt es dabei nicht fehlen an jugendlicher Begeisterung, scheut keine Mühe und kein Opfer. „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13). Dem Schutz Marias, der Jungfrau voll des Glaubens, der Mutter der Schönen Liebe, der Königin Polens, vertraue ich euch und die ganze Jugend unseres Vaterlandes an. Zum Abschluß des Treffens mit der Jugend schloß der Papst folgende Gruß- und Dankesworte an: ... Statt dem Papst zu schmeicheln, solltet ihr lieber an Paris denken ... Ich möchte noch einmal allen danken: den Jugendlichen, den Schülern, den Studenten, den jungen Arbeitern aus Industrie und Landwirtschaft, den Soldaten, den Seminaristen, den Novizen und dem ganzen jungen Posen und eurer jungen Kirche. Ich bitte euch, meinen Gruß auch den Älteren zu bringen, euren Eltern, euren Familien und allen Bewohnern dieses Gebiets von Großpolen (Wielkopolska). Grüßt mir vor allem die Kranken, die Behinderten und die Alten. Ich möchte noch einmal besonders all derer gedenken, die sich um eure Erziehung kümmern, und zwar der in großer Zahl anwesenden Professoren und Lehrer. Herzlich grüße ich also die Rektoren der weltlichen und kirchlichen Hochschulen von 307 REISEN Posen, die Vertreter der akademischen Senate dieser Hochschulen und deren ganzen Lehrkörper. Ich grüße die Lehrer der Volks- und Mittelschulen. Ich danke ihnen, daß sie mit ihren Schülern und Studenten an dieser Gebetswache teilgenommen haben. Eure Anwesenheit ist für die Jugendlichen ein Zeugnis des Glaubens, die Bestätigung, daß sie auf euch zählen können nicht nur als Personen, die Wissen vermitteln, sondern auch als Pädagogen, als Begleiter auf den Wegen des Lebens, denen sie ihr Vertrauen schenken können. Auf den Zuruf der Jugendlichen „Bleibe bei uns!“ ergriff der Papst schließlich noch einmal das Wort: Alles ist möglich. Auf jedem Fall sagt dann, wenn ihr in Paris seid, zu allen: „Wir sind aus Posen, wir kommen von dort, wo mit Mieszko I. und Boleslaw dem Tap-ferenPolen entstanden ist. Wir kommen genau aus dieser Stadt! Und wir haben Polen stets mit Sorge behandelt, damit es erhalten bleibe.“ Der polnische Staat hat hier seinen Ursprung. Vergeßt das nicht in Paris. Gott segne euch! Der Schutz des Lebens beginnt in der Familie Predigt bei der Heiligen Messe in der St.-Josefs-Kirche in Kalisch (Kalisz) am 4. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der göttlichen Vorsehung sage ich Dank, daß ich heute eure Stadt besuchen darf: Kalisch, das in den ältesten Chroniken lange vor dem Entstehen des polnischen Staates verzeichnet ist. Ich war schon einige Male hier und erinnere mich an die Begegnung und an die Menschen, die daran teilnahmen. Ich grüße euch alle, die ihr hier versammelt seid, aus ganzem Herzen. Ich grüße eure junge Diözese und ihren ersten Bischof-Ordinarius, den Weihbischof, den Klerus, die Ordensleute und das ganze Volk Gottes in Kalisch. Ich grüße dich, Kalisch, mit deinem ganzen reichen Erbe der Vergangenheit und Gegenwart. Ich hoffe, daß all das heute in der Eucharistiefeier in irgendeiner Weise lebendig wird. „Hl. Josef, glücklicher Mann!“ Wie froh bin ich, diese Eucharistie in der St.-Josefskirche feiern zu können! Denn sie hat eine besondere Bedeutung in der Geschichte der Kirche und der Nation. Während wir das Evangelium hören, das uns die Flucht nach Ägypten in Erinnerung ruft, kommen uns die Worte aus der liturgischen Vorbereitung auf die heilige Messe in den Sinn: „Hl. Josef, glücklicher Mann, dem es nicht nur gegeben war, Gott zu sehen und zu hören, den viele Könige sehen wollten und nicht gesehen haben und hören wollten und nicht gehört haben (vgl. Mt 13,17); du konntest Ihn sogar auf den Armen tragen, liebkosen, bekleiden und behüten!“ Dieses Gebet zeigt den hl. Josef als Beschützer des Sohnes Gottes; dann folgt die Bitte: „Gott, du hast uns das königliche Priestertum ge- 308 REISEN schenkt, gib, wir bitten dich, daß wir wie der hl. Josef, der es verdiente, deinen eingeborenen Sohn, geboren von der Jungfrau Maria, zu berühren und mit Achtung auf seinen Armen zu tragen, die Gnade erlangen, an deinem Altar in Herzensreinheit und lauteren Werken zu dienen, damit wir heute den heiligsten Leib und das Blut deines Sohnes würdig empfangen und den ewigen Lohn in der kommenden Welt erhalten.“ Das ist ein schönes Gebet! Ich bete es jeden Tag vor der heiligen Messe, und das tun gewiß viele Priester in der Welt. Josef, der Bräutigam der Jungfrau Maria, der Pflegevater des Sohnes Gottes, war kein Priester, aber er hatte teil am gemeinsamen Priestertum der Gläubigen. Weil er Jesus als Vater und Beschützer in seinen Armen halten und tragen durfte, bitten die Priester den hl. Josef innig, das euchari-stische Opfer mit der gleichen Verehrung und Liebe feiern zu körnen, mit der er seine Sendung als Pflegevater des Sohnes Gottes erfüllte. Diese Worte sind sehr anschaulich. Die Hände des Priesters, die den eucharistischen Leib Christi berühren, wollen vom hl. Josef die gleiche Gnade der Keuschheit und Verehrung erbitten, die der heilige Zimmermann von Nazaret seinem Adoptivsohn erwiesen hat. Deshalb ist es recht, daß im Programm der Pilgerfahrt zum Eucharistischen Kongreß in Breslau auch der Besuch in der St.-Josefskirche von Kalisch vorgesehen ist. 2. „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten“ {Mt 2,13). Josef hörte diese Worte, während er schlief. Der Engel hatte ihm befohlen, mit dem Kind zu fliehen, weil es von einer tödlichen Gefahr bedroht wurde. Aus dem soeben gelesenen Evangelium erfahren wir Näheres über diejenigen, die dem Kind nach dem Leben trachteten: in erster Linie Herodes, aber dann auch alle seine Anhänger. Auf diese Weise lenkt die Liturgie unsere Gedanken auf das Problem des Lebens und seines Schutzes. Josef von Nazaret, der Jesus vor der Grausamkeit des Herodes rettete, steht hier vor uns als großer Verteidiger der Sache für den Schutz des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod. An diesem Ort wollen wir deshalb der göttlichen Vorsehung und dem hl. Josef das menschliche Leben anempfehlen, besonders das der noch ungeborenen Kinder in unserem Vaterland und in der ganzen Welt. Das Leben hat einen unantastbaren Wert und eine unwiderrufliche Würde - insbesondere deshalb, weil jeder Mensch - so lesen wir heute in der Liturgie - zur Teilhabe am Leben Gottes berufen ist. Der hl. Johannes schreibt: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ {1 Joh 3,1). Mit den Augen des Glaubens können wir den unendlichen Wert jedes Menschen besonders klar erkennen. Indem das Evangelium die frohe Botschaft von Jesus verkündet, ist es auch die frohe Botschaft vom Menschen und seiner hohen Würde. Es lehrt die Sensibilität gegenüber dem Menschen, jedem Menschen. Wir „heißen Kinder Gottes“. Wenn die Kirche das Recht auf Leben verteidigt, bezieht sie sich auf eine breitere Ebene, auf eine universale Ebene, die alle Menschen verpflichtet. Das Recht auf Leben ist nicht nur eine Frage der Ideologie, nicht nur ein 309 REISEN religiöses Recht; es ist ein Recht des Menschen! Das fundamentalste Recht des Menschen! Gott befiehlt: „Du sollst nicht morden!“ (Ex 20,13). Dieses Gebot ist zugleich ein Grundprinzip und eine Norm des Moralgesetzes, eingeschrieben in das Gewissen eines jeden Menschen. Das Maß der Zivilisation, das ein universales, immerwährendes, alle Kulturen umfassendes Maß ist, besteht in ihrer Beziehung zum Leben. Eine Gesellschaft, die die Schutzlosen ausgrenzt, verdient es, barbarische Gesellschaft genannt zu werden, auch wenn sie große Errungenschaften auf den Gebieten von Wirtschaft, Technik, Kunst und Wissenschaft verzeichnen kann. Getreu ihrer von Christus empfangenen Sendung, hat die Kirche trotz der Schwachheit und Untreue vieler ihrer Söhne und Töchter konsequent die große Wahrheit über die Nächstenliebe in der Menschheitsgeschichte vorangebracht; sie hat die gesellschaftlichen Spaltungen gemildert; sie hat die ethnischen und rassischen Unterschiede überwunden; sie hat sich der Kranken, Waisen, Alten, Behinderten und Obdachlosen angenommen. Sie hat in Wort und Tat gelehrt, daß niemand aus der großen Menschheitsfamilie ausgeschlossen und keiner an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden darf. Wenn die Kirche das ungeborene Leben verteidigt, dann deshalb, weil sie auch mit Liebe und Sorge auf jede Frau blickt, die vor der Geburt steht. Hier in Kalisch, wo der hl. Josef, dieser große Verteidiger und fürsorgliche Beschützer des Lebens Jesu, ganz besonders verehrt wird, möchte ich euch an die Worte erinnern, die Mutter Teresa von Kalkutta an die Teilnehmer der von der UNO in Kairo 1994 einberufenen Internationalen Konferenz über „Bevölkerung und Entwicklung“ gerichtet hat: „Ich spreche zu euch aus dem Innersten meines Herzens, ich spreche zu jedem Menschen in allen Ländern der Welt [...] zu den Müttern, den Vätern und den Söhnen und Töchtern in den Großstädten, in den Kleinstädten und in den Dörfern. Jeder von uns ist heute hier dank der Liebe Gottes, der uns geschaffen hat, dank unserer Eltern, die uns angenommen haben und uns das Leben schenken wollten. Das Leben ist das größte Geschenk Gottes. Und deshalb ist es schmerzlich zu sehen, was heute in so vielen Teilen der Welt geschieht: Das Leben wird absichtlich vernichtet durch Krieg, Gewalt und Abtreibung. Wir sind von Gott für Großes geschaffen worden: zu lieben und geliebt zu werden. Ich habe oft bekräftigt - und dessen bin ich sicher -, daß der Hauptzerstörer des Friedens in der Welt von heute die Abtreibung ist. Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind töten kann, was hält dich und mich davon ab, uns gegenseitig zu töten? Nur Er, der das Leben erschaffen hat, hat das Recht, es zu nehmen. Niemand anders hat dieses Recht: weder die Mutter noch der Vater noch der Arzt noch ein Amt noch eine Konferenz noch eine Regierung [...] Mich erschreckt der Gedanke an all diejenigen, die das eigene Gewissen ersticken, um die Abtreibung vornehmen zu können. Nach dem Tod werden wir Gott, dem Spender des Lebens, von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Wer wird vor Gott die Verantwortung für Millionen und Abermillionen von Kindern übernehmen, denen die Möglichkeit verweigert wurde zu leben, zu lieben und geliebt zu werden? [...] Ein Kind ist für 310 REISEN die Familie, für die Nation das größte Geschenk. Verweigern wir uns nie diesem Geschenk Gottes.“ Dieses lange Zitat stammt von Mutter Teresa von Kalkutta. Ich bin froh, daß Mutter Teresa auch in Kalisch hat sprechen können. 3. Liebe Brüder und Schwestern, seid solidarisch mit dem Leben. Ich richte diesen Appell an alle meine Landsleute, unabhängig von der religiösen Überzeugung des einzelnen. Ich richte ihn an alle Menschen ohne Ausnahme. Von diesem Ort aus wiederhole ich noch einmal, was ich im Oktober des vergangenen Jahres gesagt habe: „Eine Nation, die ihre eigenen Kinder ermordet, ist eine Nation ohne Zukunft.“ Ihr müßt mir glauben, daß es für mich nicht leicht war, das im Gedanken an meine Nation zu sagen; doch ich wünsche für sie eine Zukunft, eine wunderbare Zukunft. Deshalb ist eine allgemeine Mobilisierung der Gewissen und eine gemeinsame ethische Anstrengung notwendig, um eine groß angelegte Strategie zum Schutz des Lebens in Gang zu setzen. Die Welt ist heute zum Schauplatz des Kampfes um das Leben geworden. Der Kampf zwischen der Zivilisation des Lebens und der Zivilisation des Todes dauert an. Darum ist es so wichtig, die „Kultur des Lebens“ aufzubauen: d. h. kulturelle Werke und Modelle zu schaffen, die die Größe und Würde des menschlichen Lebens hervorheben; wissenschaftliche und erzieherische Einrichtungen zu gründen, die eine rechte Sicht der menschlichen Person, des Ehe- und Familienlebens fordern: Bereiche zu schaffen, die im praktizierten Alltag die barmherzige Liebe verkörpern, die Gott jedem zuwendet, besonders dem leidenden, schwachen und armen ungeborenen Menschen. Ich weiß, daß in Polen viel für den Schutz des Lebens getan wird. Ich danke allen, die sich in vielfacher Weise bei diesem Aufbau der „Kultur des Lebens“ engagieren. Insbesondere spreche ich meine Dankbarkeit und meine Hochschätzung denen in unserem Vaterland aus, die mit hohem Verantwortungsbewußtsein gegenüber Gott, gegenüber dem eigenen Gewissen und der Nation das menschliche Leben verteidigen und die Würde von Ehe und Familie hochhalten. Ich danke herzlich der Vereinigung der Bewegungen für den Schutz des Lebens, den Verbänden der Katholischen Familien und allen anderen Organisationen und Einrichtungen, die in den vergangenen Jahren in unserem Land entstanden sind. Ich danke den Ärzten, den Krankenschwestern und den Personen, die das Leben der Ungeborenen verteidigen. Und ich bitte alle: Wacht über das Leben! Verteidigt und schützt weiterhin das Leben! Das ist euer großer Beitrag zum Aufbau der Zivilisation der Liebe. Mögen die Scharen der Verteidiger des Lebens ständig zunehmen! Verliert den Mut nicht! Dies ist eine große Sendung, die euch von der göttlichen Vorsehung anvertraut ist. Gott, von dem jedes Leben ausgeht, segne euch. Seit der Zeit, als ich noch Hirte, Bischof, Kardinal in Polen war, stehe ich in der Schuld einiger Personen, die hochherzig und mutig bei der Verteidigung des Lebens mit mir zusammengearbeitet haben. Für all das möchte ich ihnen heute aufs neue von Herzen danken. Gott vergelte es euch! 311 REISEN 4. Die Pflicht zum Dienst lastet auf allen und auf jedem einzelnen, aber diese Verantwortung liegt ganz besonders auf der Familie, die eine „Gemeinschaft des Lebens und der Liebe“ ist (Gaudium et spes, Nr. 48). Brüder und Schwestern, vergebt nie, keinen Augenblick lang, welch hohen Wert die Familie in sich selbst darstellt. Dank der sakramentalen Gegenwart Christi, dank des freiwilligen Versprechens, mit dem sich die Ehepartner einander schenken, ist die Familie eine geheiligte Gemeinschaft. Sie ist eine Gemeinschaft von Personen, die in Liebe verbunden sind. Darüber schreibt der hl. Paulus: „Die Liebe freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf1 (vgl. 1 Kor 13,6-8). Jede Familie kann eine solche Liebe aufbauen. Aber sie kann von den Ehepartnern in der Ehe nur und ausschließlich „durch die aufrichtige Hingabe ihrer selbst“ erreicht werden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24), die bedingungslos, für immer und unbegrenzt sein muß. Diese eheliche und familiäre Liebe wird ständig veredelt und vervollkommnet durch gemeinsame Sorgen und Freuden sowie durch das gegenseitige Sich-Tragen in schwierigen Augenblicken. Jeder vergißt sich selbst zum Wohl des Geliebten. Eine wahre Liebe erlöscht nie. Sie wird eine Kraftquelle der ehelichen Treue. Ihrem sakramentalen Bund getreu, wird die christliche Familie ein wahres Zeichen der unentgeltlichen und universalen Liebe Gottes zu den Menschen. Diese Liebe Gottes bildet den geistlichen Mittelpunkt der Familie und ihr Fundament. Durch diese Liebe entsteht die Familie, entwickelt sie sich und reift sie. So ist sie Quelle des Friedens und des Glücks für die Eltern und Kinder. Sie ist ein wahrer Hort des Lebens und der Einheit. Liebe Brüder und Schwestern, Ehegatten und Eltern, das Sakrament, das euch miteinander vereint, verbindet euch in Christus! Es verbindet euch mit Christus! „Dies ist ein tiefes Geheimnis!“ (Eph 5,32). Gott „hat euch seine Liebe geschenkt“. Er kommt zu euch, Er ist unter euch gegenwärtig und nimmt Wohnung in euren Herzen, in euren Familien und in euren Häusern! Das wußte der hl. Josef sehr genau. Deshalb zögerte er nicht, sich und seine Familie Gott anzuvertrauen. Durch diese Hingabe erfüllte er seine Sendung, die ihm von Gott im Hinblick auf Maria und ihren Sohn aufgetragen war, bis zum Letzten. Ermutigt durch das Beispiel und den Schutz des hl. Josef, sollt ihr ein ständiges Zeugnis der Hingabe und der Hochherzigkeit geben. Schützt und behütet das Leben eines jeden eurer Kinder, jeder Person, besonders der Kranken, Schwachen und Behinderten. Gebt Zeugnis für die Liebe zum Leben und laßt andere hochherzig daran teilhaben! Der hl. Johannes schreibt: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (1 Joh 3,1). Der Mensch, in Christus Adoptivkind Gottes, hat wirklich teil an der Sohnschaft des Sohnes Gottes. Deshalb setzt der hl. Johannes den Gedankengang so fort: „Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn 312 REISEN wir werden ihn sehen, wie er ist“ (I Joh 3,2). Seht, das ist der Mensch! Das ist seine volle, unvergleichliche Würde! Der Mensch ist berufen, am Leben Gottes teilzuhaben; seinen Schöpfer und Vater zu kennen und zu lieben, zuerst durch alle seine Geschöpfe hier auf Erden und dann in der seligen Schau seiner Gottheit in der Ewigkeit. Seht, das ist der Mensch! Auf dem Weg des Eucharistischen Kongresses wird dieser Mensch auf Schritt und Tritt offenbar. Der Mensch in der Gemeinschaft der Familie und der Nation! Der Mensch, der teilhat am Leben Gottes! Der hl. Josef - Schutzpatron von Kalisch Gruß- und Dankesworte zum Abschluß der Messe in Kalisch (Kalisz) am 4. Juni Liebe Brüder und Schwestern! Am Ende dieser Eucharistiefeier möchte ich meine Dankbarkeit Gott gegenüber zum Ausdruck bringen, daß er es mir gestattet hat, die Kirche und die Diözese von Kalisch zu besuchen. Ich danke der Vorsehung auch dafür, daß ich zusammen mit euch in der St.-Josefskirche habe beten können. Es ist eine in ganz Polen bekannte Wallfahrtsstätte, die von ganzen Pilgerscharen besucht wird. Darüber hinaus besitzt sie noch eine andere, besondere Bedeutung, die sich mit den letzten fünfzig Jahren unserer Geschichte verbindet. Die St.-Josefskirche wurde und wird oft von Priestern besucht, die einst im Konzentrationslager Dachau inhaftiert waren. Ihre Zahl nimmt von Jahr zu Jahr ab. Ich möchte die noch lebenden in besonderer Weise grüßen, wie ich es früher tat, als ich Metropolit von Krakau war. Ich grüße vor allem Msgr. Adam Kozlowiecki, Msgr. Kazimierz Majdanski und Msgr. Ignacy Jez - die letzten lebenden Bischöfe unter den ehemaligen Häftlingen von Dachau. Ich möchte ihnen für diese Initiative danken, die im Zweiten Weltkrieg in den schrecklichen Tagen der Gefangenschaft entstand, als die Menschenwürde mißachtet und mit Füßen getreten wurde, als unsere Gesellschaft durch Hitlers Soldaten versklavt wurde. Meinerseits sowie im Namen aller Anwesenden möchte ich den hier versammelten, ehemals in Dachau inhaftiert gewesenen Priestern dafür danken, daß sie den Kontakt zur St.-Josefskirche in Kalisch hergestellt haben und ihr Leiden, ihr Opfer und ihr Schicksal als Häftlinge von Dachau demjenigen anvertrauten, der der Beschützer der Kirche Gottes ist. Wir danken ihnen auch, weil sie - nachdem sie aus dem Lager Dachau befreit wurden - fortfahren, inständig Dank zu sagen, und jedes Jahr zur Wallfahrtsstätte des hl. Josef in Kalisch pilgern, um für ihre Verfolger zu beten, ohne ihre Brüder zu vergessen, die die Erfahrung des Konzentrationslagers nicht überlebt haben und nicht das befreite Vaterland sehen konnten. 313 REISEN In Gedanken und mit dem Herzen umarme ich alle Brüder und Schwestern, die in den über ganz Polen und außerhalb der Grenzen verstreuten Vernichtungslagern dasselbe Los traf. In diesen Stätten grauenvoller Qual haben Millionen Menschen den Tod gefunden. Darunter waren sehr viele Juden, die den Greuel der Vernichtung erlitten. „Die menschliche Vergangenheit vergeht nicht vollständig. Auch die polnisch-jüdische Geschichte ist [...] immer noch sehr real im Leben sowohl der Juden wie auch der Polen gegenwärtig [...] Das Volk, das viele Generationen hindurch mit uns [...] lebte, blieb bei uns nach diesem schrecklichen Tod von Millionen seiner Söhne und Töchter“ {Ansprache an die jüdische Gemeinde in Warschau, 9. Juni 1991). Von dieser gemeinsamen Vergangenheit künden auch die auf polnischem Boden so zahlreichen jüdischen Friedhöfe. Ein solcher Friedhof befindet sich auch hier in Kalisch. Es sind heilige Stätten von tiefer geistlicher - ich würde sagen: eschatologischer und historischer - Bedeutung. Mögen diese Stätten Polen und Juden vereinen, denn „gemeinsam erwarten wir den Tag des Gerichts und der Auferstehung“ {Geistlicher Besuch in Jasna Göra, 26. September 1990). Meine Lieben, danken wir dem hl. Josef, daß er Kalisch als Ort seiner besonderen Gegenwart erwählt hat. Die Diözese Kalisch ist glücklich, einen so mächtigen Patron zu haben. Möge der hl. Josef erwirken, daß eure Diözese und die ganze Kirche in Polen stets bereit seien, treu dem Heilswillen Gottes zu dienen. Dank seinem Vorbild und seiner Fürsprache mögen sie treu auf den Wegen der Heiligkeit und Gerechtigkeit zu gehen wissen. Ich möchte an das Gebet zum hl. Josef erinnern, das Papst Leo XIII. verfaßte - Oratio ad Sanctum Josephum „Liebreicher Vater, halte fern von uns jede Ansteckung durch Irrtum und Verderbnis [...] Stehe uns gnädig bei in unserem Kampf mit der Macht der Finsternis [...] Wie du einst den Knaben Jesus aus der höchsten Lebensgefahr gerettet hast, so verteidige jetzt die heilige Kirche Gottes wider alle Nachstellungen ihrer Feinde und gegen jede Widerwärtigkeit“ (zit. nach: Gehet alle zu Josef! Tradition monastique, Flavigny 1996, S. 91). Wir wollen dieses Gebet häufig sprechen. Heute sind viele Pilger zum hl. Josef gekommen. Die Bewegungen von Verteidigern des Lebens und die Institute für die Familie habe ich bereits erwähnt. Der Fürsprache des hl. Josef vertraue ich unsere ganze Nation an, insbesondere unsere Familien, die Jugendlichen, die Kinder, die Kranken und die Leidenden. Durch seine Fürsprache möge der hl. Josef von Jesus, dem Erlöser, die notwendigen Gnaden für Polen erwirken. Euch allen sage ich ein „Vergelt’s Gott“ für die Teilnahme an dieser Eucharistiefeier. Ich erteile nun meinen Segen und empfehle eure Stadt und eure Kirche dem Schutz Gottes. 314 REISEN ... daß wir zu Baumeistern einer solidarischen Welt werden Gebet im Heiligtum der Madonna von Jasna Göra in Tschenstochau am 4. Juni „O Gottesmutter und Jungfrau, gottgepriesene Maria!“ Mutter von Jasna Göra und Königin, auf meiner Glaubenspilgerschaft komme ich heute zu dir, um dir für deine stete Sorge für die ganze Kirche und für mich zu danken, insbesondere während der fünfzig Jahre meines Priestertums und der Jahre meines Dienstes auf dem Stuhl Petri. Mit großem Vertrauen stehe ich an diesem heiligen Ort, auf dem Hügel von Jasna Göra, der mir so teuer ist, um noch einmal auszurufen: Muttergottes und unsere Mutter, ich danke dir dafür, daß du Leitstern für den Aufbau einer besseren Zukunft für die Welt bist, Schutzpatronin der Errichtung einer die ganze Menschheit umfassenden Zivilisation der Liebe. Mutter, ich bitte dich demütig, umgib die Tage und Jahre, die uns noch vom Jahr Zweitausend trennen, mit deiner mütterlichen Fürsorge. Deiner Fürbitte vertraue ich die Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Christentums an. Hilf allen Völkern der Welt, das neue Jahrtausend in Einheit mit Christus - dem König der Zeiten - zu beginnen. Mutter der Kirche, hilfreiche Jungfrau, mit der Glaubensdemut des Petrus lege ich dir die ganze Kirche zu Füßen, alle Kontinente, Länder und Nationen, die an Jesus Christus geglaubt und in ihm das Zeichen erkannt haben, das den Weg durch die Geschichte weist. Zu dir, Mutter, bringe ich die ganze Menschheit, auch diejenigen, die sich noch auf der Suche nach Christus befinden. Gewähre ihnen Geleit und hilf ihnen, sich dem kommenden Gott zu öffnen. Im Gebet bringe ich zu dir die Nationen des Ostens und Westens, des Nordens und Südens und vertraue alle Völkerfamilien deiner mütterlichen Sorge an. Mutter des Glaubens der Kirche, wie du im Abendmahlssaal von Jerusalem mit den Jüngern zusammen im Gebet verharrtest, so sei heute bei uns im Abendmahlssaal der Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend des Glaubens, und erbitte für uns die Gnade, uns der Gabe des Geistes Gottes zu öffnen. Tempel des Heiligen Geistes, ich danke dir heute im Heiligtum von Jasna Göra für alles Gute, das meiner Nation in den Jahren tiefgreifender Veränderungen zuteil geworden ist. Während meiner ersten Pilgerfahrt in die Heimat betete ich für sie flehentlich um die Herabkunft des Heiligen Geistes, dessen Braut du bist, mit den Worten: „Dein Geist komme herab! [...] Und erneuere das Antlitz der Erde. Das Antlitz dieses Landes!“ (Warschau, Siegesplatz, 2. Juni 1979). Später besuchte ich das Land Polen mit den Tafeln der Zehn Gebote und brachte auch die Jugendlichen der ganzen Welt hierher. Immer kam ich mit einem inneren Anliegen in meine Heimat und brachte eine Botschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe mit. Die Geschichte unseres Vaterlandes an der Weichsel wurde geprägt vom Glaubenszeugnis des hl. Adalbert und vieler anderer polnischer Heiliger und Kandidaten für die Erhebung zur Ehre der Altäre und ebenso von den Anstrengungen von Generationen, die das christgläubige Polen 315 REISEN stärkten. Zehn Jahrhunderte lang sind wir - als getauftes Volk - dir, deinem Sohn, seinem Kreuz und dem Evangelium, der heiligen Kirche und ihren Hirten treu. Heute komme ich zu dir, Mutter, um meine Brüder und Schwestern zu ermahnen, bei Christus und seiner Kirche auszuharren, um sie zu einem weisen Umgang mit der wiedergewonnenen Freiheit im Geiste dessen zu ermutigen, was das Schönste an unserer christlichen Tradition ist. Königin Polens, während ich voll Dankbarkeit deiner mütterlichen Sorge gedenke, vertraue ich dir meine Heimat an mit all den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüchen, die sich in ihr vollziehen. Möge das Verlangen nach dem gemeinsamen Wohl den Egoismus und die trennenden Gräben überwinden. Mögen alle, die ein öffentliches Amt bekleiden, in dir die demütige Magd des Herrn sehen und lernen, den Bedürfnissen ihrer Landsleute zu dienen und sie zu erkennen, wie du es in Kana in Galiläa getan hast, auf daß Polen zu einer Nation werden könne, in der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede herrschen. Auf daß in ihr der Name deines Sohnes gepriesen werde. Getreue Tochter des ewigen Vaters, Tempel der Liebe, die Himmel und Erde umfängt, ich vertraue dir den Dienst der Kirche in der Welt an, die so dringend der Liebe bedarf. Muttergottes, Mutter des eingeborenen Sohnes, der uns als Lebensprinzip das neue Gebot der Liebe gegeben hat, erwirke für uns, daß wir zu Baumeistern einer solidarischen Welt werden, in der der Friede über den Krieg siegt und die Zivilisation des Todes durch die Liebe zum Leben ersetzt wird. Möge der Internationale Eucharistische Kongreß, der auf polnischem Boden stattfand, für alle Nationen zum Beginn eines wunderbaren Wandels im Geiste jener Freiheit werden, die das Evangelium Christi gebracht hat. Möge sich die Menschheit standhaft auf die Seite Gottes stellen, dem die ganze Welt gehört. Mutter der Einheit und des Friedens, stärke die Bande der Gemeinschaft in der Kirche deines Sohnes, belebe die ökumenischen Kräfte, auf daß alle Christen kraft des Heiligen Geistes zu einer Familie von Brüdern und Schwestern Jesu Christi werden, des einen Erlösers der Welt gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). Jungfrau und Gottesmutter, hilf uns, durch die heilige Pforte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in das dritte Jahrtausend des Christentums einzutreten. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria, nimm unser Vertrauen an, stärke es in unseren Herzen, und trage es vor das Antlitz des dreieinigen Gottes. Amen. 316 REISEN Jasna Göra - Stätte der Umkehr und der geistlichen Erneuerung Ansprache an die Pilger in Jasna Göra, Tschenstochau am 4. Juni 1. Sei gegrüßt, Jesus, Sohn Mariens! Der Eucharistische Weltkongreß, der in Breslau stattgefunden hat, findet nun in ganz Polen starken Widerhall. Hier in Tschenstochau, in Jasna Göra [auf dem „hellen Berg“], wird der Kongreß von einem eucharistischen und zugleich maria-nischen Gesang begleitet: „Wir grüßen dich, lebendige Hostie, / in welcher Jesus Christus seine Gottheit verbirgt. / Sei gegrüßt, Jesus, Sohn Mariens, / in der heiligen Hostie bist du der wahre Gott.“ Ich singe diesen Hymnus oft, meditiere über seine Worte, denn sie schließen einen großen theologischen Reichtum ein. Es gibt noch mehr Strophen, wir wollen jedoch bei dieser ersten Strophe verweilen, die in besonderer Weise an den bei unserer heutigen Begegnung gelesenen Abschnitt des Evangeliums anknüpft. Wir kennen diesen Abschnitt gut - es ist einer der in der Liturgie am meisten verwendeten Bibeltexte: der Ausschnitt, in dem der Evangelist Lukas die einzelnen Szenen der Verkündigung beschreibt. Der Erzengel Gabriel, der von Gott nach Nazaret, zur Jungfrau Maria, gesandt wurde, grüßt diese mit den Worten, die dann den Anfang des vielleicht am häufigsten gesprochenen Gebetes, „Gegrüßet seist du, Maria“, bilden sollten: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir [...]“ (Lk 1,28). Dann fahrt der Engel fort: „Du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben“ (Lk 1,30-31). Und als Maria fragt: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,34), antwortet der Engel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Da antwortet Maria: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). So ist das ewige Wort Fleisch geworden. Gottes eingeborener Sohn ist Mensch geworden, indem er im Schoß der Unbefleckten Jungfrau aus Nazaret die menschliche Natur annahm. Maria, die das Geschenk Gottes, das Geschenk des fleischgewordenen Wortes aus Glauben annahm, findet sich selbst am Anfang, an den Quellen der Eucharistie. Der Glaube der Gottesmutter führt die ganze Kirche in das Geheimnis der eucharistischen Gegenwart des Sohnes ein. In der Liturgie der Kirche, sowohl des Abendlandes wie des Ostens, führt immer die Gottesmutter die Gläubigen an die Eucharistie heran. Es war deshalb gut, daß ein Jahr vor dem Eucharistischen Kongreß von Breslau hier in Jasna Göra der Marianische Kongreß tagte, der das Thema: „Maria und die Eucharistie“ behandelte. Auch an dieser Reihenfolge der Ereignisse wird auf symbolische Weise die Wahrheit über Maria offenbar, die uns zum Sohn fuhrt, über die Mutter der Kirche, die ihre Kinder an 317 REISEN die Eucharistie heran führt. Denn für uns, die wir an Jesus Christus glauben, ist Maria die vollkommenste Lehrmeisterin jener Liebe, die uns die vollkommenste Vereinigung mit dem Erlöser im Mysterium seines Opfers und seiner Gegenwart erlaubt. 2. Jasna Gora ist der Ort, wo unser Volk jahrhundertelang zusammengeströmt ist, um von seinem Glauben und seiner Anhänglichkeit an die Gemeinschaft der Kirche Christi Zeugnis zu geben. Oft kamen wir hierher und baten Maria um Hilfe im Kampf um die Bewahrung der Treue zu Gott, zum Kreuz, zum Evangelium, zur heiligen Kirche und ihren Bischöfen. Hier übernahmen wir die Aufgaben des christlichen Lebens. Zu Füßen Unserer Lieben Frau von Jasna Göra fanden wir die Kraft, der Kirche treu zu bleiben, als sie verfolgt wurde, als sie schweigen und leiden mußte. Wir sagten immer „Ja“ zur Kirche, und diese christliche Haltung war ein Akt großer Liebe zu ihr. Denn die Kirche ist unsere geistige Mutter. Ihr verdanken wir es, daß „wir Kinder Gottes heißen, und es sind“ (vgl. 1 Joh 3,1). Wir können singen: „Abba, Vater“, wie hier die Jugendlichen während des Weltjugendtages 1991 gesungen haben und wie ihr es heute tut. Die Kirche hat sich für immer in die Geschichte unserer Nation eingeschrieben und wacht fürsorglich über das Schicksal ihrer Kinder, besonders in Zeiten der Erniedrigung, des Krieges, der Verfolgung oder des Verlustes der Unabhängigkeit. Hier, zu Füßen Mariens, „erlernen wir die Kirche“ immer aufs neue, die den Aposteln und uns allen von Christus anvertraut worden ist. Das Geheimnis Mariens ist vom Augenblick der Unbefleckten Empfängnis an über die Verkündigung, die Heimsuchung, über Betlehem und Nazaret bis nach Golgota unlösbar mit dem Geheimnis der Kirche verbunden. Nach der Himmelfahrt des Sohnes verharrte Maria zusammen mit den Aposteln im Gebet im Abendmahlssaal in Erwartung der Erfüllung der Verheißung. Gemeinsam mit ihnen wartete sie auf das Kommen des Heiligen Geistes, das die Geburt der Kirche öffentlich kundtun würde, und wachte dann über die Entwicklung der christlichen Urgemeinde. Der hl. Paulus sagt, „die Kirche ist der Leib Christi“ (vgl. 1 Kor 12,27). Das bedeutet, daß sie dem Plan Christi gemäß als eine Heilsgemeinschaft Gestalt angenommen hat. Die Kirche ist sein Werk, sie baut immerfort auf ihn, denn in ihr lebt und wirkt Christus weiter. Die Kirche gehört ihm und wird für immer sein Eigentum bleiben. Wir müssen treue Kinder der Kirche sein, die wir selber bilden. Wenn wir durch unseren Glauben und unser Leben zu Christus „Ja“ sagen, müssen wir auch zur Kirche „Ja“ sagen. Christus sagte zu den Aposteln und ihren Nachfolgern: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat“ (Lk 10,16). Es stimmt, daß die Kirche auch eine menschliche Wirklichkeit ist, die alle menschlichen Grenzen und Unvollkommenheiten in sich trägt. Denn sie besteht nun einmal aus sündigen und schwachen Menschen. Hat nicht Christus selbst gewollt, daß sich unser Glaube mit dieser Schwierigkeit auseinandersetzen soll? Bemühen wir uns stets, großmütig und im 318 REISEN Geist des Vertrauens das anzunehmen, was die Kirche uns verkündet und uns lehrt. Der Weg, der uns von dem in der Kirche lebendigen Christus angezeigt wird, fuhrt uns zum Guten, zur Wahrheit, zum ewigen Leben. Denn es ist Christus, der zu uns spricht, der vergibt und der heilig macht. Ein „Nein“ zur Kirche wäre gleichzeitig ein „Nein“ zu Christus. An dieser Stelle möchte ich die Worte meines Vorgängers auf dem Stuhl Petri, Pauls VI., anfuhren, eines Papstes, der Polen liebte und an den Millenniumsfeiem in Jasna Göra am 3. Mai 1966 teilnehmen wollte, was ihm jedoch damals von den staatlichen Behörden verwehrt wurde. Hier seine Worte: „Liebt die Kirche! Es ist die Stunde gekommen, um die Kirche mit glühendem, neuem Herzen zu lieben [...] Fehler und Schwächen der Menschen der Kirche sollten die Liebe im Herzen dessen um so stärker machen, der lebendiges, gesundes und geduldiges Glied der Kirche sein will. So machen es die guten Kinder der Kirche, die Heiligen [...] Die Kirche lieben heißt, sie hochschätzen und glücklich darüber sein, daß man ihr angehört; die Kirche lieben heißt, auf mutigbeherzte Weise gläubig sein; die Kirche lieben heißt, ihr gehorchen und dienen, ihr mit Opferbereitschaft und Freude bei ihrem schwierigen Auftrag helfen“ (Insegnamenti di Paolo VI, VI [1968], S. 912-913). „Sei gegrüßt, Sohn Mariens ...“, singen wir heute auf Jasna Göra und fügen dann hinzu: „In der heiligen Hostie bist du der wahre Gott.“ Wir bekennen den Glauben daran, daß wir, wenn wir in der Eucharistie unter den Gestalten von Brot und Wein Christus empfangen, den wahren Gott empfangen. Er wird zur übernatürlichen Speise unserer Seelen, wenn wir uns bei der heiligen Kommunion mit ihm vereinen. Wir danken Christus für die von ihm gestiftete Kirche, die von seinem Erlösungsopfer lebt, das auf den Altären der ganzen Welt gegenwärtig wird. Wir danken Christus, daß er sein göttliches Leben, welches das ewige Leben ist, mit uns teilt. 3. Es ist gut, daß sich auf der Route meines Polenbesuches auch diesmal Jasna Göra befindet. Herzlich grüßen möchte ich die ganze Erzdiözese und Kirchenprovinz Tschenstochau mit ihrem Oberhirten, Msgr. Stanislaus, und seinem Weihbischof. Ich grüße die geliebten Paulinermönche mit ihrem Generaloberen. Ich habe wiederholt gesagt, Jasna Göra ist das Heiligtum der Nation, ihr Beichtstuhl und ihr Altar. Es ist der Ort des geistlichen Wandels, der Umkehr und der Erneuerung des Lebens der Polen. Möge es das für immer bleiben. Ich will die Worte wiederholen, die ich hier während meiner ersten Pilgerfahrt in die Heimat gesprochen habe: „Wie oft sind wir hierhergekommen! Wir standen an diesem heiligen Ort und konzentrierten das wachsame Hirtenohr darauf, den Herzschlag der Kirche und den Herzschlag der Heimat im Herzen der Mutter zu vernehmen [...] Denn dieses Herz schlägt, wie wir wissen, im Takt mit allen Donnerschlägen der Geschichte, mit allen Tonfallen des Lebens [...] Wenn man jedoch wissen will, wie diese Geschichte in den Herzen der Polen ankommt, muß man hierherkommen. Man muß sein Ohr an diese heilige Stätte 319 REISEN legen. Man muß das Echo des ganzen Lebens der Nation im Herzen seiner Mutter und Königin vernehmen! Und wenn dieses Herz unruhig schlägt, wenn in ihm Sorge und der Ruf nach Umkehr, nach Stärkung des Gewissens, nach dem Schutz des Familienlebens, des einzelnen und der Umwelt zu vernehmen ist - dann muß man diesen Ruf annehmen. Er entspringt der mütterlichen Liebe, die ihrerseits die geschichtlichen Prozesse auf polnischem Boden gestaltet“ (Ansprache in Jasna Göra, 4. Juni 1979). Das ist vielleicht auch der geeignetste Ort, um an das älteste polnische religiöse Lied zu erinnern: „O Gottesmutter, Jungfrau, / von Gott gebenedeite Maria! / Bei deinem Sohn, dem Herrn, auserwählte Mutter, Maria, / erwirke Erbarmen für uns! / Kyrie eleison. Um deiner Mittlerschaft willen, / o Sohn Gottes, höre die Stimmen, erfülle die menschlichen Gedanken.“ So beteten unsere Vorfahren, und so tun es die heutigen Pilger, die nach Jasna Göra kommen: „Höre die Stimmen, erfülle die menschlichen Gedanken.“ Wie bedeutungsträchtig sind doch diese kurzen Worte! Auch ich bitte darum während meiner Pilgerfahrt anläßlich des Tausendjahrjubiläums des hl. Adalbert. Während ich mich heute auf dem Weg dieses Millenniums befinde, kann ich nicht umhin, an einen anderen Gottesmann zu erinnern, den die Vorsehung der Kirche Polens am Ende des zweiten Jahrtausends geschenkt hat, einen Mann, der diese Kirche auf die Tausendjahrfeier der Taufe Polens vorbereitet hat und der deshalb allgemein der Primas des Millenniums genannt wird. Wie oft hat sich der Diener Gottes, Kardinal Stefan Wyszyhski, ein großer Verehrer der Muttergottes, an diesem heiligen Ort aufgehalten, wie viele Gnaden hat er hier, vor dem Gnadenbild von Jasna Göra kniend, erfleht. Hier war es, wo der Kardinal-Primas am 3. Mai 1966 den feierlichen Weiheakt von Jasna Göra vornahm: die Hingabe Polens an die mütterliche Dienstbarkeit Mariens, Mutter der Kirche, für die Freiheit der Kirche Christi in Polen und in der Welt. Darüber gilt es von neuem nachzudenken, wenn wir uns dieser Weiheformel erinnern. Während ich jenen historischen Akt in Erinnerung rufe, möchte ich heute aufs neue der Königin von Jasna Göra alle Gebete meiner Landsleute und zugleich alle Bedürfnisse und Intentionen der Weltkirche und aller Menschen auf der Welt anvertrauen -mir bekannter und unbekannter Menschen, besonders der Kranken, der Leidenden und jener, die ohne Hoffnung sind. Hier, zu Füßen Mariens, will ich auch für alle Gnaden des diesjährigen Eucharistischen Kongresses danken - für all das Gute, das dieser Kongreß in den Seelen der Menschen sowie im Leben der Nation und der Kirche bewirkt hat. Mutter der Kirche von Jasna Göra, bitte für uns alle. Amen. Und dann fugte der Papst noch an: Ich bitte euch zu singen: „Du bist seit Jahrhunderten die Königin Polens“. Das könnte das Lied „O Gottesmutter ...“ unserer Zeit sein. 320 REISEN Bevor der Papst am Nachmittag des 4. Juni Jasna Göra verließ, richtete er noch die folgenden Worte an die Anwesenden: Zum Abschluß möchte ich alle geweihten Personen besonders grüßen. Auf Jasna Göra seid ihr heute durch den Konsult der Höheren Oberen der Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens vertreten. Ich habe euch eine eigene Botschaft mitgebracht, über die ihr in euren Ordenshäusem und in euren Gemeinschaften nachdenken könnt. [S. O.R.dt. v. 20.6.97, S. 9 f.: Botschaft an die Personen des Geweihten Lebens.]. Helft den Menschen bei ihrer Suche nach Gott! Botschaft an die Personen des Geweihten Lebens in Jasna Göra am 4. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,3-4). Mit diesen Worten des hl. Paulus grüße ich alle Orden und Kongregationen, die Gesellschaften apostolischen Lebens und die Säkularinstitute in Polen. „Gepriesen sei Gott“ für das Geschenk der Berufung zum Geweihten Leben. Für dieses Geschenk muß man ihn unaufhörlich loben und ihm danken. Vor Beginn der Zeit hat er Euch erwählt in Jesus Christus, und aus Liebe hat er Euch für sich bestimmt. Jeder von Euch hat im Leben eine besondere Begegnung mit Christus erfahren, bei der Ihr im innersten Herzen den geheimnisvollen Ruf vernommen habt: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach“ (Mt 19,21). Im Unterschied zu dem jungen Mann im Evangelium habt Ihr hochherzig auf diese Einladung geantwortet und den Weg der evangelischen Räte beschritten: in Keuschheit, Armut und Gehorsam. Offenen Herzens habt Ihr die Gnade der Berufung angenommen wie eine „wertvolle Perle“ (vgl. Mt 13,46). Zusammen mit Euch danke ich heute der Heiligsten Dreifaltigkeit für das Geschenk des Geweihten Lebens in unserem Vaterland, für die Heiligen, die Seligen und die Anwärter auf die Ehre der Altäre in Euren Gemeinschaften und für Euch alle, die Ihr „für das Evangelium kämpft“ (vgl. Phil 4,3) auf polnischer Erde und auch in verschiedenen Regionen der Welt, vor allem in Missionsgebieten, und -manchmal bis zum Heroismus - „die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters“ (Tit 3,4), verkündet. Mit Dankbarkeit denke ich an die unter euch, die der Kirche in den angrenzenden Ländern Hilfe leisten, damit es nach Jahren der Unterdrückung und Verfolgung keine „Schafe ohne Hirten“ gebe (vgl. Mt 9,36). 321 REISEN Insbesondere richte ich Worte des Grußes und der Wertschätzung an die Gemeinschaften des kontemplativen Lebens, die sich ganz dem Gebet und dem Opfer widmen und gerade deshalb so fruchtbar sind für die Entwicklung des Reiches Gottes auf Erden. „Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid“ (1 Petr 5,14). 2. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das Geweihte Leben in volles Licht gestellt und bestätigt, daß es tief verbunden ist mit der Heiligkeit und der Sendung der Kirche. Es hat seinen Platz im Herzen der Kirche, denn es bringt das tiefste Wesen der christlichen Berufung zum Ausdruck: Es ist das radikale Geschenk, das ein Mensch Christus darbietet aus Liebe zu ihm, dem Meister und Bräutigam, und aus Liebe zu den Brüdern und Schwestern, die am Kreuz durch das Blut des Heilands erlöst wurden. Die Lehre des Konzils, zuerst in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium und in den Dekreten Perfectae caritatis und Ad gentes dargestellt, wurde in den folgenden Jahren wieder aufgenommen und weiter entfaltet, besonders durch Paul VI. im Apostolischen Schreiben Evangelica testificatio und in den Dokumenten, die von der Kongregation für die Institute Geweihten Lebens und die Gesellschaften Apostolischen Lebens herausgegeben wurden. Ich selbst habe im Bemühen um die vom Konzil eingeleitete Erneuerung der Kirche vom Beginn des Pontifikats an meine Aufmerksamkeit als Hirte auf das Leben und das Apostolat der geweihten Menschen gerichtet, denen eine äußerst wichtige Rolle in der Evangelisierung der heutigen Welt zukommt. Ich trage alle Begegnungen mit den Ordensmännem und Ordensfrauen und den Vertretern der Laieninstitute im Herzen, die ich während der apostolischen Reisen und in der Ewigen Stadt hatte. Jedes Jahr lade ich am Fest der Darstellung des Herrn die Personen des Geweihten Lebens in die Petersbasilika ein zu einer gemeinsamen Eucharistiefeier, in der die Anwesenden ihre Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams erneuern. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich mich an die Gemeinschaften des Geweihten Lebens gewandt und ihnen die Liebe zum Ausdruck gebracht, die die Kirche zu ihrer Berufung und zu ihrem Dienst am Volke Gottes hegt. Im Jubiläumsjahr der Erlösung habe ich an alle Ordensmänner und Ordensfrauen der Welt das apostolische Schreiben Redemptionis donum gerichtet, und im Marianischen Jahr den Brief, der der Anwesenheit der Jungfrau und Gottesmutter Maria im Geweihten Leben gewidmet war. Dieses Leben - Euer Leben - war auch das Thema von vielen meiner Katechesen, die ich bei den Generalaudienzen den Pilgern gehalten habe, und es hat eine erschöpfende Darlegung während der Arbeiten der 9. Generalversammlung der Bischofssynode im Oktober 1994 gefunden. Die Arbeiten der Synode und anschließend das nachsynodale Schreiben Vita con-secrata, das ich im vergangenen Jahr veröffentlicht habe, haben dem Geweihten Leben einen neuen Impuls gegeben und seine Identität, seine Spiritualität und seine Sendung in der Kirche und der heutigen Welt vertiefend behandelt. Diese reichhaltigen Lehren des Konzils und der Kirche nach dem Konzil über das Geweihte Leben müssen immer besser bekannt, meditiert und Gegenstand persönli- 322 REISEN eher und gemeinsamer Besinnung werden, damit Eure Gemeinschaften und Institute sich erneuern und nach Gottes Plan entwickeln können gemäß dem Geist Eurer Gründer und in voller Gemeinschaft mit den Hirten der Kirche. Ich hege auch die Hoffnung, daß der „Tag des Geweihten Lebens“, den ich dieses Jahr eingeführt habe, für die Priester und für die Gläubigen eine Anregung bilde, die Schönheit der evangelischen Räte tiefer zu erkennen, Gott für dieses Geschenk zu danken und die Berufungspastoral weiter zu entfalten. 3. In den Abschiedsworten, die Christus vor seinem Leiden zu den Aposteln sprach, sagte er: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ (Joh 15,16). Es sind die Worte, die Christus unaufhörlich an alle richtet, die er geliebt und erwählt hat und denen er das Werk der Evangelisierung anvertraut hat. Kraft der Taufweihe und der Ordensweihe seid ihr berufen zur Ganzhingabe an die Sendung Christi, „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ (Joh 10,36). Immer haben sich in der Kirche die Gemeinschaften Geweihten Lebens durch eine solche Haltung der Verantwortlichkeit hinsichtlich der Verkündigung des Evangeliums ausgezeichnet. In den schwierigen Zeiten der Geschichte und in Augenblicken der Krise hat der Heilige Geist neue Orden und Institute erweckt, damit die Charismen der Gründer durch Heiligkeit und selbstlosen Dienst zur Erneuerung der Kirche beitrügen. Eure Berufung entstammt dem innersten Kern des Evangeliums und dient auf äußerst fruchtbare Weise dem Werk der Evangelisierung. „Weh mir, wenn ich das Evangelium, nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Diese Worte des Völkerapostels gaben auch den Gedanken und Werken des hl. Adalbert Antrieb. Die Liebe zu Christus führte ihn zu den Ländern und Völkern, die noch nicht die Gute Nachricht vom Heil empfangen hatten. Er besiegelte sein Glaubensbekenntnis und seine Verkündigung des Evangeliums im Baltikum mit dem Tod des Martyriums, seinem Meister und Herrn ähnlich geworden. In der Haltung und der apostolischen Tätigkeit des hl. Adalbert zeigt sich der Universalismus der kirchlichen Mission, der Universalismus der Liebe und des Dienstes, dessen Quelle der Geist Jesu Christi ist. Das Jubiläum des Martyriums des hl. Adalbert, Bischofs von Prag und Benediktinermönches, fordert uns auf, über den Auftrag Christi nachzudenken: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Es fordert die Kirche in Polen auf, mit neuem Schwung das Werk der Neuevangelisierung in den Jahren des Großen Jubiläums des Jahres 2000 wieder aufzunehmen. An der Schwelle des dritten Jahrtausends des Christentums müssen wir alle uns vereinen in der grundlegend wichtigen Sendung, „Christus der Welt zu offenbaren, einem jeden Menschen zu helfen, damit er sich selbst in ihm wiederfinde, den heutigen Generationen unserer Brüder und Schwestern, Völkern, Nationen, Staaten, der Menschheit, weniger entwickelten und reichen Ländern, kurz allen zu helfen, um den ,unergründlichen Reichtum Christi1 (Eph 3,8) kennenzulemen, damit 323 REISEN dieser jedem Menschen zur Verfügung stehe und zum Besitz jedes einzelnen werde“ (Redemptor hominis, Nr. 11). Wir leben in chaotischen Zeiten, in Zeiten der Verlorenheit und geistigen Verworrenheit, in denen sich verschiedene liberale und laizistische Tendenzen bemerkbar machen. Vielfach wird Gott ganz offen aus dem sozialen Leben gestrichen. Man will den Glauben auf den rein privaten Bereich beschränken, und in das moralische Verhalten der Menschen schleicht sich ein verderblicher Relativismus ein. Religiöse Gleichgültigkeit breitet sich aus. In diesem Augenblick ist Neuevangelisierung eine dringende Notwendigkeit, auch in der polnischen Nation, die vor tausend Jahren die Taufe empfangen hat. Die Kirche erwartet von Euch, daß Ihr Euch mit all Euren Kräften dafür einsetzt, der heutigen Generation der Polen die Wahrheit über das Kreuz und die Auferstehung Christi zu verkündigen und Euch der größten Versuchung unserer Zeit entgegenzustellen, nämlich der Versuchung, den Gott der Liebe zurückzuweisen. Den Blick fest auf das Beispiel des hl. Adalbert gerichtet, arbeitet mit Eifer und Ausdauer an der Vertiefung des Glaubens und an der Erneuerung des religiösen Lebens der Gläubigen, an der christlichen Erziehung der Kinder und der Jugendlichen, an der Ausbildung des Klerus, Setzt Euch ein in der Mission „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8), in den verschiedenen Bereichen der Pastoral, des sozialen Apostolats, des Ökumenismus, des Unterrichts, der Welt der Kultur und der sozialen Kommunikationsmittel. Verwendet besondere Sorgfalt auf den Gebieten, die am meisten der Hilfe bedürfen: die Familien in schwierigen Situationen, die Armen, die Verlassenen und Leidenden und die von allen Zurückgewiesenen. Sucht neue Wege, damit das Evangelium in alle Bereiche des menschlichen Daseins eindringen kann. Bleibt Euch bewußt, daß die neue Evangelisierung nicht unterlassen darf, den Glauben und die Gerechtigkeit zu verkündigen, das fundamentale Recht auf das Leben - vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod - zu verteidigen und das Geheimnis der Kirche, des mystischen Leibes Christi, zu erläutern. Liebt auch Ihr selbst die Mutter Kirche, und lebt ihre Probleme mit. Ahmt Christus nach, der „die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Das Charakteristische Eures Dienstes sei stets der tiefe sensus Ecclesiae, der Eure Gründer gekennzeichnet hat. Formt auch in den Laien ein reiferes Bewußtsein von der Kirche, damit in ihnen der Sinn der Zugehörigkeit zu ihr und der Verantwortung ihr gegenüber stärker werde. 4. „Wenn auch die vielfältigen apostolischen Werke, die Ihr verrichtet, sehr wichtig sind, so bleibt doch das wirklich gmndlegende Apostolat immer das: was - und zugleich wer - ihr in der Kirche seid“ (Redemptionis donum, Nr. 15). Ein tiefes inneres Leben ist die Seele der Neuevangelisierung, denn nur, wer in Christus „bleibt“, „bringt reiche Frucht“ (vgl. Joh 15,5). Die Vorbereitungen auf den Internationalen Eucharistischen Kongreß in Breslau (Wroclaw) und sein Verlauf haben der Kirche, vor allem in unserem Vaterland, 324 REISEN das unaussprechliche Geheimnis der Eucharistie wieder vor Augen gestellt und haben an das „neue Gebot“ erinnert, das Christus während des Letzten Abendmahls verkündigt hat. Die Eucharistie, „das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 47) bringt auf die vollkommenste Weise den Sinn und die Wahrheit über Eure Berufung, über das brüderliche Leben in Gemeinschaft und über die Notwendigkeit der Evangelisierung zum Ausdmck. Die Eucharistie ist Opfer und Geschenk. Als solche erfordert sie eine Antwort, die des Geschenkes und des Opfers würdig ist. Die Worte des bekannten eucharistischen Liedes sagen von Christus, dem Herrn: „Er gibt sich uns ganz.“ Eine konsequente Antwort auf dieses außerordentliche Geschenk ist das volle und hochherzige Geschenk seiner selbst, das seinen Ausdruck in der treuen Erfüllung der evangelischen Räte findet, das heißt im Streben nach der vollkommenen Liebe zu Gott und zum Nächsten, und als Folge davon: nach der eifrigen Verkündigung der Heilsbotschaft. Die Eucharistie ist eine unerschöpfliche Quelle geistlicher Energie, die unmittelbar dem Herrn entströmt, der, obschon er in diesem „Geheimnis des Glaubens“ schweigt, doch unaufhörlich wiederholt: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,17-18). In dem Maß, wie Ihr Euch für das Geheimnis der Liebe öffnet, unterstützt seine Hilfe immer wieder neu Eure Kräfte, die hin und wieder nachlas-sen, und erleuchtet er mit seinem Licht „die Nächte der Seele“. Dank dieser Hilfe und kraft der Entsprechung Eurerseits wird die ermutigende Aufforderung des Herrn: „Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben“ (Offb 2,10) gewiß Erfüllung finden. Er, „jungfräulich, arm und dem Vater gehorsam“, und heute in der Eucharistie bereits als Verherrlichter, ist für Euch das Unterpfand, das Ziel Eures schwierigen und mühsamen Weges zur Heiligkeit zu erreichen. Ihr dürft nie vergessen, daß Ihr berufen seid, persönlich und als Gemeinschaft Zeugnis zu geben von jener Heiligkeit, die die eigentliche Berufung des Geweihten Lebens und Quelle der apostolischen Dynamik der Kirche ist. Die Laien erwarten von Euch, daß Ihr in erster Linie Zeugen der Heiligkeit seid und Führer, die im täglichen Leben den Weg zeigen, auf dem sie zu erreichen ist. Bietet also großzügige, freundliche Aufnahme und geistliche Begleitung jenen an, die lebendigen Kontakt mit Gott suchen und an Eurer Seite auf dem Weg zur Heiligkeit bestärkt werden wollen. Euer Zeugnis ist notwendig, „um das Streben jedes Christen nach Vollkommenheit zu fordern und zu unterstützen ... Die Tatsache, daß wir alle aufgerufen sind, heilig zu werden, muß jene in höherem Maße anspomen, die auf Grund ihrer Lebensentscheidung die Sendung haben, die anderen daran zu erinnern“ (Vita consecrata, Nr. 39). Angesichts der zunehmenden Verarmung an menschlichen Werten, die mit Lebensmodellen zusammenhängt, die in der dreifachen menschlichen Begierde gründen und die sich auch in Polen verbreiten, bekommt das echte Leben 325 REISEN nach den evangelischen Räten den besonderen Charakter eines prophetischen Zeichens. Die evangelischen Räte legen in der Tat „eine geistliche Therapie4 für die Menschheit“ vor, „da sie die Vergötterung der Schöpfung ablehnen und in irgendeiner Weise den lebendigen Gott sichtbar machen“ (ebd., Nr. 87). Heute hat die Kirche in Polen einen ungeheuer großen Bedarf an diesem prophetischen Zeichen. Man muß dem Menschen helfen, einen guten Gebrauch von der Freiheit zu machen. Das Zeugnis Eines Lebens, echt und vorbehaltlos Gott und den Brüdern geschenkt, ist unbedingt notwendig, um Christus in der Welt präsent zu machen und um mit seinem Evangelium die Menschen unserer Zeit zu erreichen, die lieber auf Zeugen als auf Lehrmeister hören und für lebendige Beispiele empfänglicher sind als für Worte. Die geweihten Menschen müssen in der Welt das Salz sein, das nicht schal wird, das Licht, das nicht aufhört, ringsumher Helle zu verbreiten, die Stadt auf dem Berg, die von ferne den Blick anzieht (vgl. Mt 5,13-16). Die Verwirklichung des Ideals der Heiligkeit im persönlichen und im Gemeinschaftsleben bringt, das ist klar, Geisteskämpfe und Arbeit mit sich. Die Prozesse der Verweltlichung, die sich in der Gesellschaft abspielen, klammem nicht die gottgeweihten Menschen aus. Auch sie sind der Versuchung ausgesetzt, „mehr zu handeln als zu sein“. Die Teilnehmer der Bischofssynode 1994 haben diese Gefahren hervorgehoben. Immer ist Wachsamkeit und geistliche Unterscheidung notwendig, um das Geweihte Leben gegen äußere und innere Gefahren zu schützen, gegen all das, was den ursprünglichen Schwung zum Nachlassen, zur Oberflächlichkeit und zur Mittelmäßigkeit im göttlichen Dienst bringen könnte. „Gleicht euch nicht dieser Welt an - mahnt der hl. Paulus -, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ {Röm 12,2). Ich freue mich, daß das Ordensleben in Polen sich entwickelt und wunderbare Früchte der Heiligkeit hervorbringt, wie ich es auch während dieser Pilgerfahrt vor der Kirche bezeugen kann, wenn ich Heilige und Selige zur Ehre der Altäre erhebe: Johannes von Dukla und die Dienerinnen Gottes Sr. M. Bemardine Jablonska und Sr. Maria Karlowska. 5. Ich überbringe Euch diese Botschaft im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Jasna Göra, wo Ihr Euch so oft zum Gebet, zu Einkehrtagen und geistlichen Exerzitien versammelt. Maria empfing als erste unter den menschlichen Geschöpfen im Augenblick der Verkündigung das Geschenk Gottes, den ewigen Plan ihrer Teilnahme an der Mission des Sohnes. In seiner Todesnot am Kreuz vertraute ihr Jesus mit den Worten: „Frau, siehe, dein Sohn!“ (Joh 19,26) Johannes und alle Menschen an, daß sie ihnen Mutter sei, vor allem diejenigen, die der Vater „im voraus erkannt hat und im voraus dazu bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben“ (vgl. Röm 8,29). All jene, die im Lauf der Jahrhunderte den Weg der Nachfolge Jesu gingen, sind berufen, zusammen mit dem „Jünger, den er liebte“, 326 REISEN „Maria zu sich zu nehmen“ (vgl. Joh 19,27), sie zu lieben und sie radikal nachzuahmen, um dafür ihre besondere mütterliche Zärtlichkeit zu erfahren. Maria, die erste Geweihte, ist für Euch Vorbild des Offenseins für die Gabe Gottes und Vorbild der Annahme der Gnade von seiten des Geschöpfes, Vorbild der totalen Hingabe an den über alles geliebten Gott. Sie antwortete auf das Geschenk Gottes mit dem Gehorsam des Glaubens, der sie ihr ganzes Leben hindurch begleitete. Jeden Tag stand sie im Kontakt mit dem unaussprechlichen Geheimnis des Sohnes Gottes, nicht nur im verborgenen Leben Jesu, als sie zusammen mit Josef ihm zur Seite war, sondern auch in den entscheidenden Augenblicken des öffentlichen Lebens und besonders auf Kalvaria, als sie unter dem Kreuz zutiefst mit ihm vereint war im Leiden und im Lobe Gottes. „Selig ist sie, die geglaubt hat“ (Lk 1,45). Der Glaube Marias hat alle Prüfungen durchgestanden, ohne je zurückzuweichen. Für jeden geweihten Menschen ist die Jungfrau von Nazaret „Lehrmeisterin bedingungsloser Nachfolge und beständigen Dienstes“ (Vita consecrata, Nr. 28). Sucht im Glauben Marias den Rückhalt für Euren Glauben, um den Menschen von heute den Glauben zu verkünden, „der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6). An der Schwelle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 vertraue ich dem Heiligsten Herzen Jesu und dem Makellosen Herzen Marias alle männlichen und weiblichen Orden, Kongregationen, Gesellschaften Apostolischen Lebens und Säkularinstitute in Polen an. Auf dem Weg Eures Lebens und der apostolischen Arbeit begleite Euch mein Apostolischer Segen, damit „in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus“ (vgl. 1 Petr 4,11). Jasna Gora, 4. Juni 1997 Die neuen Seligen sind heroische Vorbilder im Liebesdienst für die Bedürftigen der Gesellschaft Predigt während der Messe zur Seligsprechung von Sr. Maria Bemhardina Jablonska und Sr. Maria Karlowska in Zakopane am 6. Juni 1. Heute, am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, treffen wir uns zu dieser großen liturgischen Versammlung unter dem Kreuz auf dem Berg Giewont. Ich danke der Göttlichen Vorsehung, daß es mir gegeben ist, dieses Hochfest in der Heimat zusammen mit euch unter der „Krokiew“ im Gebirgstal Podhale zu feiern - zusammen mit euch, die ihr in eurer Religiosität daran festhaltet, das Geheimnis des Göttlichen Herzens Jesu zu verehren. Die Kirche in Polen hat viel dazu beigetragen, daß das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu in den liturgischen Kalender Eingang fand. Es war der Ausdruck eines tiefen Wunsches, daß die wunderbaren Früchte, die diese Verehrung hervorgebracht hatte, in der ganzen Kirche im Leben der Gläubigen noch viel zahlreicher werden sollten. Und so geschah es auch. Wie 327 REISEN müssen wir Gott dankbar sein für all die Gnaden, die wir durch das Herz seines Sohnes erfahren! Und wie dankbar wollen wir für das heutige Treffen sein! Seit langem haben wir es erwartet. Schon seit geraumer Zeit habt ihr den Papst eingeladen, und zwar bei verschiedenen Gelegenheiten, besonders bei euren häufigen Wallfahrten in die Ewige Stadt. Sicher erinnert ihr euch, daß ich euch dann sagte, man müsse Geduld haben, man müsse der göttlichen Vorsehung den Besuch in Zakopane überlassen. Während meiner Pilgerfahrt in die Slowakei las ich in Le-voca den Schriftstreifen, den ihr vorbereitet hattet: „Zakopane wartet! Zakopane heißt dich willkommen!“ Und heute können wir sagen, daß Zakopane es geschafft hat und daß ich es geschafft habe. Gott hat es so gefugt, die Muttergottes von Le-voca hat den Papst nach Zakopane geführt. Ich begrüße euch alle, vor allem euch Einwohner von Zakopane. Ich grüße die Bergbevölkerung des Podhale, die meinem Herzen so lieb ist. Besondere Grußworte richte ich an Kardinal Franciszek Macharski und an den Bischof von Thom (Torun), der sich hier heute über die Seligsprechung einer Angehörigen seiner Diözese freuen kann, sowie an alle polnischen Bischöfe, angeführt vom Kardinal-Primas, und alle Bischöfe aus dem Ausland, die an dieser Feier teilnehmen. Ich begrüße den Klerus, die Ordensfrauen, besonders die Albertinerinnen und die „Suore Pastorelle“ (Hirtinnen von der Göttlichen Vorsehung), für die dieser Tag besonders viel bedeutet. Grußworte richte ich auch an den Herrn Bürgermeister von Zakopane und alle lokalen Obrigkeiten von Podhale. Ich danke für die ausdrucksvolle Ehrfurchtsbezeigung von Podhale, immer in Treue zur Kirche und zum Vaterland. Auf euch kann man immer zählen! Danken wir Gott für diesen Tag, den er für uns gemacht hat. Im Geist der Dankbarkeit will ich mit euch, liebe Brüder und Schwestern, über das große Geheimnis des Heiligsten Herzens Jesu nachdenken. Es ist schön, daß wir es auf meinem Pilgerweg tun können, der mich zum Eucharistischen Kongreß nach Breslau geführt hat. In der Tat ist ja die Verehrung des Herzens Jesu mit all ihren Äußerungen zutiefst eucharistisch. 2. „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37). Diese Worte haben wir soeben gehört. Mit diesem Zitat des Propheten schließt der hl. Johannes seine Beschreibung des Leidens und des Kreuzestodes Christi ab. Wir erfahren daraus auch, daß die Juden am Karfreitag, vor dem Paschafest, Pilatus baten, den Gekreuzigten die Beine zerschlagen und ihre Leichname wegschaffen zu lassen (vgl. Joh 19,31). Das führten die Soldaten bei den beiden mit Jesus zusammen gekreuzigten Verbrechern aus. „Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, daß er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floß Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,33-34). Das war der Beweis für den Tod. Die Soldaten konnten Pilatus versichern, daß Jesus von Nazaret zu leben aufgehört hatte. Der hl. Evangelist Johannes hingegen sieht an diesem Punkt die Notwendigkeit einer besonderen Beglaubigung. Er schreibt: „Der, der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr.“ Zu- 328 REISEN gleich bestätigt er, daß sich in dieser Durchbohrung der Seite Christi die Schrift erfüllt hat. Denn sie sagt: „Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen“, und an anderer Stelle: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,35-37). Diese Stelle aus dem Evangelium liegt der gesamten Tradition der Verehrung des Göttlichen Herzens zugrunde. Diese Verehrung hat sich besonders seit dem 17. Jahrhundert entfaltet im Zusammenhang mit den Offenbarungen an die hl. Margareta Maria Alacoque, eine französische Mystikerin. Unser Jahrhundert ist Zeuge einer bedeutenden Entwicklung der Andacht zum Herzen Jesu, wie es die wunderbare „Litanei zum Heiligsten Herzen“ bestätigt und in Verbindung damit der „Akt der Weihe des Menschengeschlechtes an das Göttliche Herz“, verbunden mit dem „Sühneakt an das Heiligste Herz“. Das alles ist tief in unsere polnische Frömmigkeit eingedrungen; es spielte eine wichtige Rolle bei vielen Gläubigen, die dem Herzen Jesu gegenüber die Notwendigkeit empfanden, Sühne zu leisten für die Sünden der Menschheit und auch für die der einzelnen Nationen, Familien und Personen. 3. „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben.“ Diese Worte lenken unseren Blick hin zum heiligen Kreuz, zum Baum des Kreuzes, an dem das Heil der Welt hing. „Das Wort vom Kreuz ist für die Welt Torheit; uns aber ist es Gottes Kraft“ (vgl. 1 Kor 1,18). Das haben die Einwohner des Podhale gut verstanden. Und als das 19. Jahrhundert zu Ende ging und das neue Jahrhundert begann, haben eure Väter auf dem Gipfel des Giewont ein Kreuz aufgerichtet. Es steht da und bleibt da stehen. Es ist ein stummer, aber vielsagender Zeuge unserer Zeit. Man kann sagen, daß dieses Kreuz in die Richtung Zakopane und Krakau schaut. Und noch weiter: in die Richtung Warschau und Danzig. Es umarmt unser ganzes Land von den Bergen der Tatra bis zum Baltischen Meer. Eure Väter wollten, daß das Kreuz Christi in besonderer Weise in diesem schönen Winkel Polens herrsche. Und so geschah es. Diese eure Stadt breitet sich sozusagen zu Füßen des Kreuzes aus, sie lebt und entwickelt sich in seinem Umkreis - Zakopane wie auch Podhale. Das sagen längs den Straßen die sehr schön gearbeiteten, mit Sorgfalt gepflegten Bildstöcke. Dieser Christus begleitet euch bei der täglichen Arbeit und auf den Spazierwegen durch das Gebirge. Davon sprechen die Kirchen dieser Stadt, die alten, monumentalen, die das ganze Geheimnis des Glaubens und der menschlichen Frömmigkeit in sich bergen, und auch die aus jüngerer Zeit, die dank eurer Großzügigkeit errichtet wurden, wie zum Beispiel die Pfarrkirche Heilig-Kreuz in der Pfarrei U. Lb. Frau von Fatima, wo wir zu Gast sind. Liebe Brüder und Schwestern, schämt euch nicht dieses Kreuzes. Sucht es täglich anzunehmen und der Liebe Christi zu entsprechen. Verteidigt das Kreuz, laßt nicht zu, daß der Name Gottes beleidigt wird in euren Herzen, im Familienleben und im sozialen Leben. Danken wir der göttlichen Vorsehung, daß das Kreuz wieder in die Schulen, in die öffentlichen Dienststellen und in die Hospitäler zurückgekehrt ist. Möge es dort bleiben! Möge es uns an unsere christliche Würde und auch an die nationale Identität erinnern. Möge es uns erinnern an das, was wir sind, und 329 REISEN 5. Im Brief an die Epheser äußert der hl. Paulus gewissermaßen ein persönliches Bekenntnis. Er schreibt: „Mir, dem Geringsten unter allen Heiligen, wurde diese Gnade geschenkt: Ich soll den Heiden als Evangelium den unergründlichen Reichtum Christi verkündigen und enthüllen, wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war“ (3,8-9). So also lesen wir durch das Herz des gekreuzigten und auferstandenen Jesus den ewigen Plan Gottes für das Heil der Welt. Das Göttliche Herz wird in gewissem Sinn zum Mittelpunkt dieses Planes, der voller Geheimnis ist und das Leben schenkt. In jenem Herzen erfüllt sich dieser Plan. Wie der Apostel schreibt, soll Kenntnis gegeben werden „durch die Kirche ... von der vielfältigen Weisheit Gottes, nach seinem ewigen Plan, den er durch Christus Jesus, unseren Herrn, ausgeführt hat. In ihm haben wir den freien Zugang durch das Vertrauen, das der Glaube an ihn schenkt“ (Eph 3,10-12). Darin ist alles enthalten. Christus ist die Erfüllung des göttlichen Planes der erlösenden Liebe. Kraft dieses Planes hat der Mensch Zugang zu Gott, nicht nur als Geschöpf zu seinem Schöpfer, sondern als Sohn zum Vater. Christentum bedeutet also eine neue Schöpfung, ein neues Leben - das Leben in Christus, aufgrund dessen der Mensch zu Gott sagen kann: Abba, mein Vater, unser Vater. Das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu ist also in gewissem Sinn eine wunderbare Ergänzung der Eucharistie, und so feiert die Kirche, von tiefem Glaubenssinn geführt, dieses Fest des Göttlichen Herzens am Tag nach der Oktav des Fronleichnamsfestes. Wir preisen dich, Christus, unser Heiland, der du aus deinem liebeentflammten Herzen die Ströme der Gnaden über uns ergießt. Wir danken dir für diese Gnaden, durch die die Scharen der Heiligen und Seligen der Welt das Zeugnis deiner Liebe bringen konnten. Wir danken dir für die Seligen Schwestern Maria Bemhardina und Maria, die in deinem liebevollen Herzen die Quelle ihrer Heiligkeit gefunden haben. Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser! Herz Jesu, des ewigen Vaters Sohn; Herz Jesu, empfangen im Schoß der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist; Herz Jesu, vereint mit der göttlichen Person des Wortes; Herz Jesu, Hort aller Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, erbarme dich unser! Nach dem Apostolischen Segen am Schluß der heiligen Messe sagte der Papst noch: Heute habe ich Gott gedankt für das Kreuz, das eure Väter auf dem Berg Giewont errichtet haben. Dieses Kreuz blickt auf ganz Polen von der Tatra bis zum Baltikum und sagt: „Sursum corda! - Erhebet die Herzen!“, damit ganz Polen, von der Tatra bis zum Baltikum zum Kreuz auf dem Giewont blickend, die Worte höre und wiederhole: „Sursum corda! - Erhebet die Herzen!“ Amen! 332 REISEN Euer Gebet war für den Papst stets eine große Hilfe Homilie während des Gottesdienstes zur Weihe einer Kirche an die Madonna von Fatima in Zakopane-Krzeptöwki am 7. Juni 1. Am liturgischen Fest des Unbefleckten Herzens der Seligen Jungfrau Maria kommen wir heute in dieser Pfarrkirche in Krzeptöwki zusammen, um ihre Segnung, das heißt ihre Weihe vorzunehmen. Es genügt nicht, eine Kirche zu errichten; sie muß in einem liturgischen Akt dem Allerhöchsten geweiht werden. Ich danke Gott dafür, daß es mir gewährt ist, heute die Weihe eurer Kirche vorzunehmen. Man hat mich dazu wiederholt herzlich eingeladen. Ich danke der göttlichen Vorsehung, daß ich heute zu euch kommen und so eure Einladung erwidern konnte. Ich grüße euch mit väterlicher Liebe. Ich grüße alle die hier um diese Kirche versammelten Bewohner des Gebirgstales Podhale! Was bedeutet es eigentlich, die Einweihung einer Kirche durch einen Weiheakt vorzunehmen? Die beste Antwort auf diese Frage liefern die für den heutigen Tag vorgesehenen liturgischen Lesungen. Die erste Lesung, aus dem Buch des Propheten Nehemia, erinnert an ein bekanntes Ereignis aus dem Alten Testament, als die Israeliten nach ihrer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft an den Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem herangingen. Dereinst in den Tagen der großen Könige errichtet, hatte er glanzvolle Zeiten des auserwählten Volkes ebenso gesehen wie Zeiten seines Niederganges; er war Zeuge der Deportation der Söhne und Töchter Israels in die Gefangenschaft; dann war er zerstört worden und soll nun wieder aufgebaut werden. Das auserwählte Volk erlebt diesen Augenblick sehr intensiv. Weinend geht es an das große Werk heran. Und da verwandelt sich seine Traurigkeit in Freude (vgl. Neh 8,2-11). Vor dem Hintergrund dieser Beschreibung können wir die Worte der zweiten Lesung aus dem ersten Brief des hl. Petrus und den soeben gehörten Abschnitt aus dem Evangelium noch besser verstehen: „Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“, sagt Christus zu Petrus, als der Apostel seinen Glauben an den Gottessohn bekennt. „Selig bist du, Simon Barjona, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,17-18). Die Kirche ist nicht nur ein sakrales Gebäude. Der Herr Jesus sagt, daß die Kirche auf einen Felsen gebaut ist, und dieser Felsen ist der Glaube des Petrus. Die Kirche ist eine Gemeinschaft gläubiger Menschen, die an den lebendigen Gott glauben und - wie Petrus - bekennen, daß Christus der Sohn Gottes und Erlöser der Welt ist. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, seid ein kleiner Teil dieser großen Gemeinschaft der auf dem Glauben Petri erbauten Kirche. Zusammen mit eurem Bischof, zusammen mit dem Papst verkündet und bekennt ihr den Glauben an den Gottessohn, und auf diesen Glauben gründet ihr euer ganzes persönliches, familiä- 333 REISEN res und berufliches Leben. Auf diese Weise habt ihr Anteil am Reich Gottes. Denn Christus sagte zu Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,19). Dieses Heiligtum hier in Krzeptöwki, das heute Gott geweiht wird, soll der Kirche - der Gemeinde, den lebendigen Menschen - dienen. Noch eindringlicher kommt das in dem Abschnitt aus dem Petrusbrief zum Ausdruck, den wir gehört haben. Der Apostel spricht darin von der Kirche als einem Haus aus lebendigen Steinen. Wir sind dieser Bau, wir sollen diese lebendigen Steine sein, die den geistigen Tempel in seiner Gesamtheit aufbauen. Der Eckstein dieses Tempels ist Christus: der gekreuzigte und aufebstandene Christus. Er ist zum Eckstein der Kirche als der großen Gemeinschaft des Gottesvolkes des Neuen Bundes geworden. Diese Gemeinschaft bildet, wie der Apostel Petrus schreibt, die heilige Priesterschaft (vgl. 1 Petr 2,5). Vereint mit Christus ist sie „das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, der heilige Stamm, das Volk, das Gottes Eigentum wurde, damit es die großen Taten dessen verkünde, der es aus der Finsternis in sein wunderbares Licht geführt hat“ (vgl. 1 Petr 2,9). Euer schönes Gotteshaus, das ihr zusammen mit euren Pfarrern erbaut habt, soll der Gemeinschaft der Kirche dienen und muß deshalb gesegnet, Gott selbst geweiht werden als ein Raum, in dem sich das Volk Gottes versammelt und betet. Nicht nur das Volk Gottes von Krzeptöwki und Zakopane, sondern auch Gläubige aus verschiedenen Teilen Polens, die zur Erholung hierher in die Berge kommen. Ich wünsche allen Touristen und Urlaubern, daß der engere Kontakt mit der Natur in der Hohen Tatra für sie Gelegenheit zu einer Annäherung an Gott im Gebet sein möge. 2. Beim Anblick eurer so kunstvoll ausgeschmückten Kirche habe ich jene - inzwischen immer selteneren — Holzkirchen vor Augen, die es in ganz Polen, vor allem aber im Gebiet von Podhale und Podkarpacie gibt: echte Schätze der Volksarchitektur. Alle diese Kirchen, auch die eure, sind durch Zusammenarbeit von Pfarrern und Gläubigen der einzelnen Pfarreien errichtet worden. Sie wurden in gemeinsamer Anstrengung erbaut, damit in ihnen das Heilige Meßopfer gefeiert werden kann, auf daß Christus Tag und Nacht, in den Stunden großer Freude und Begeisterung ebenso wie in Zeiten der Prüfung, des Leidens und des Unglücks und auch im gewöhnlichen, grauen Alltag in der Eucharistie bei seinem Volk sei. Zum Eucharistischen Weltkongreß von Breslau muß dieses ganze große Kapitel der sakramentalen Gegenwart Christi hinzukommen, die jede Kirche auf polnischem Boden in sich birgt. Die Kirchen sind auch Orte, wo die Feier der großen Feste begangen wird: Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, die Marienfeste. Hier kommen die Gläubigen im Mai und Juni zu den Andachten, zum Rosenkranzgebet zusammen. Schließlich sind die Kirchen Orte, wo die Erinnerung an die Toten bewahrt wird. Wie sich der Anfang des religiösen Lebens jedes Gläubigen mit dem Taufbrunnen verbindet, so vollzieht sich auch sein Ende, der Tod und das Begräbnis, in dessen 334 REISEN Schatten. Häufig grenzen die zur Pfarrei gehörigen Friedhöfe sogar unmittelbar an die Kirche an. In diese Gotteshäuser ist also die Geschichte aller Menschen und indirekt der ganzen Nation, die Geschichte einzelner Gemeinschaften, Pfarreien, Familien und Personen eingeschrieben. Die Kirche ist ein Ort der Erinnerung und zugleich der Hoffnung: sie bewahrt treu die Vergangenheit und öffnet gleichzeitig den Menschen beständig gegenüber der Zukunft, nicht nur der irdischen, sondern der jenseitigen Zukunft. In den Kirchen bekennen wir den Glauben an die Vergebung der Sünden, an die Auferstehung des Leibes und an das ewige Leben. Hier erleben wir jeden Tag das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen: denn jede Kirche hat ihren Patron oder ihre Patronin, und unzählige Kirchen sind der Muttergottes geweiht. Ich freue mich, daß in Zakopane und in Podhale neue Kirchen errichtet worden sind - großartige Denkmäler des lebendigen Glaubens der Bewohner dieser Region. Ihre Schönheit entspricht der Schönheit der Hohen Tatra und ist Abglanz der Schönheit, von der die Aufschrift auf dem Kreuz von Wincenty Pol im Koscieliska-Tal spricht: „Und Gott wird von nichts überragt.“ 3. Liebe Brüder und Schwestern! Euer Heiligtum in Krzeptöwki ist mir besonders nahe und teuer. Ihr verehrt darin die Muttergottes von Fatima in ihrer Statue. Mit der Geschichte dieses Heiligtums verbindet sich auch das Geschehen, das sich am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz zugetragen hat. Damals habe ich Todesgefahr und Leiden durchgemacht, aber zugleich die große Barmherzigkeit Gottes erfahren. Auf Fürbitte der Muttergottes von Fatima wurde mir das Leben wiedergeschenkt. Während meines Aufenthaltes im „Policlinico Gemelli“ wurde mir aus allen Teilen der Welt großes menschliches Wohlwollen bekundet: es fand seinen Ausdruck vor allem im Gebet. Damals hatte ich die Szene aus dem Leben der ersten Christen vor Augen, die „inständig zu Gott beteten“ (vgl. Apg 12,5), als das Leben des Petrus ernsthaft in Gefahr war. Ich weiß, daß an jenem weltweiten Gebet der Kirche für meine Genesung und für meine Rückkehr in den Dienst Petri auch Zakopane teilnahm. Ich weiß, daß ihr euch in euren Pfarrkirchen und auch in der Kapelle der Muttergottes von Fatima in Krzeptöwki eingefunden habt, um mit dem Rosenkranzgebet inständig meine Genesung und die Wiederherstellung meiner Kräfte zu erbitten. Damals wurde auch der Plan geboren, hier, am Fuß des Berges Giewont, als Weihegeschenk zum Dank für die Rettung meines Lebens der Muttergottes von Fatima ein Heiligtum zu errichten. Ich weiß, daß dieses Heiligtum, das ich heute weihen kann, von vielen Händen und vielen Herzen erbaut wurde, die durch die Arbeit, das Opfer und die Liebe für den Papst verbunden waren. Es fallt mir nicht leicht, darüber zu sprechen, ohne daß mich Ergriffenheit überkommt... Liebe Brüder und Schwestern! Ich bin zu euch gekommen, um euch für eure Güte, euer Gedenken und euer Gebet zu danken, das hier andauert. Zwanzig Jahre lang bin ich als Metropolit von Krakau euer Bischof gewesen; heute komme ich als Nachfolger des hl. Petrus zu euch. Ihr seid mir immer beigestanden. Ihr wart mit 335 REISEN mir und hattet Verständnis für meine Sorgen. Das spürte ich. Es war für mich eine große Hilfe. Für diese Haltung des Glaubens und der Hingabe an die Kirche danke ich euch heute aus ganzem Herzen. Hier, auf dem Boden von Podhale, hatte auch der Bischof in euch stets eine Stütze. Hier hatte das Vaterland, besonders in den schwierigen Zeiten seiner Geschichte, eine Stütze. Ich bin gekommen, um euch für dies alles zu sagen: „Bög zaplac! - Vergelt’s Gott!“. Zusammen mit euch will ich hier noch einmal der Muttergottes von Fatima für das Geschenk meiner Genesung danken, wie ich es vor fünfzehn Jahren in Fatima getan habe. „Totus Tuus“ ... Ganz der Deine ... Ich danke euch für dieses Heiligtum. Es schließt eure Liebe zur Kirche und zum Papst ein. Es ist gewissermaßen die Fortdauer meiner Dankbarkeit gegenüber Gott und gegenüber seiner Mutter. Ich freue mich mit euch über dieses Geschenk. Mit Worten tiefer Dankbarkeit wende ich mich auch an alle meine Landsleute und an die Gläubigen der Kirche, besonders an die Kranken und Leidenden, die für den Papst beten und ihr tägliches Kreuz für ihn aufopfem. Das mit Christus gelebte Leiden ist die kostbarste Gabe und die wirksamste Hilfe im Apostolat. „Im Leib Christi, der vom Kreuz des Erlösers her unaufhörlich wächst, ist gerade das vom Opfergeist Christi durchdrungene Leiden der unersetzliche Mittler und Urheber der für das Heil der Welt unerläßlichen Güter. Mehr als alles andere bahnt es der Gnade den Weg, die die menschlichen Seelen verwandelt. Mehr als alles andere läßt es in der Geschichte der Menschheit die Kräfte der Erlösung gegenwärtig werden“ (Salvifici doloris, Nr. 27). Während ich für die Gabe des Gebetes und des Opfers danke, richte ich noch einmal an alle die herzliche Bitte, die ich am Tag der Übernahme meines Pontifikats ausgesprochen habe: „Betet für mich. Helft mir, daß ich euch zu dienen vermag“. Auch ich bete jeden Tag für euch. 4. Euer Heiligtum in Krzeptöwki ist durch enge geistliche Bande mit Fatima in Portugal verbunden. Ich schätze daher sehr die Anwesenheit des Bischofs von Fatima bei der heutigen Feier. Von dort stammt auch die Muttergottesstatue, die ihr hier verehrt. Die Botschaft von Fatima, die Maria durch drei arme Kinder der Welt vermittelte, besteht in der Aufforderung zur Umkehr, zum Gebet, besonders des Rosenkranzes, und zur Buße für die eigenen und für die Sünden aller Menschen. Diese Botschaft erwächst aus dem Evangelium, aus den Worten Christi, die er gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens gesprochen hat: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Sie zielt ab auf den inneren Wandel des Menschen, auf den Sieg über die Sünde in ihm und auf die Stärkung des Guten, auf die Erreichung der Heiligkeit. Diese Botschaft ist in besonderer Weise für die Menschen unseres Jahrhunderts bestimmt, das gekennzeichnet ist von Kriegen, von Haß, von der Vergewaltigung der menschlichen Grundrechte, von dem ungeheuren Leiden von Menschen und Völkern und schließlich vom Kampf gegen Gott bis hin zur Leugnung seiner Existenz. Die Botschaft von Fatima atmet die Liebe des Herzens der Mutter, das immer für den Sohn offen ist, ihn niemals aus den 336 REISEN Augen verliert, immer an ihn denkt, selbst wenn der Sohn vom rechten Weg abkommt und zu einem „verlorenen Sohn“ wird (vgl. Lk 15,11-32). Das Unbefleckte Herz Mariens, dessen wir heute in der Liturgie der Kirche gedenken, ist auf Golgota von den Worten des sterbenden Jesus für uns geöffnet worden: „Frau, siehe dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19,26-27). Unter dem Kreuz ist Maria zur Mutter aller von Christus erlösten Menschen geworden. Sie hat Johannes und jeden Menschen unter ihren mütterlichen Schutz genommen. Von da an gilt die größte Sorge ihres Unbefleckten Herzens dem ewigen Heil aller Menschen. Euer Heiligtum verkündet von Anfang an die Botschaft von Fatima und lebt von ihr. Verehrt ganz besonders das Unbefleckte Herz der Jungfrau Maria, führt den Rosenkranzkreuzzug der Familien durch, nehmt in euer Gebet die großen Probleme der Kirche, des Papstes, der Welt, der Heimat auf, gedenkt der Seelen im Fegefeuer und derer, die durch den Bruch des in der heiligen Taufe vollzogenen engen Bundes mit Gott seine Liebe zurückgewiesen haben. Betet beharrlich um die Gnade ihrer Umkehr. Wendet euch vertrauensvoll an Maria, „Zuflucht und Hort der Sünder“, auf daß sie von ihr vor dem hartnäckigen Festhalten an der Sünde und vor der Sklaverei Satans bewahrt werden. Betet voll Glauben, damit die Menschen „den einzigen wahren Gott und Jesus Christus, den er gesandt hat“ (vgl. Joh 17,3) erkennen und wiedererkennen. In diesem Gebet kommt eure Liebe zu den Menschen zum Ausdruck, die für jeden das Beste wünscht. „Die Kirche darf in keinem Augenblick und in keinem Abschnitt der Geschichte -insbesondere nicht in einer so kritischen Epoche wie der gegenwärtigen — den Aufschrei zu Gottes Erbarmen vergessen gegen die vielen Formen des Übels, welche drohend über der Menschheit lasten“ (Dives in misericordia, Nr. 15). Mutter, erbitte! Mutter, erflehe! Maria, Muttergottes, Bitte für uns! Erziehung der Kinder nicht Institutionen überlassen Ansprache bei der Begegnung mit Erstkommunion-Kindern in der Kirche der Heiligen Familie in Zakopane am 7. Juni 1. „Laßt die Kinder zu mir kommen“ {Mk 10,14), sagte der Herr Jesus einmal zu den Jüngern. Das war eine wunderbare Einladung. Der Herr Jesus liebte die Kinder und wollte sie in seiner Nähe haben. Wiederholt segnete er sie und stellte sie sogar den Erwachsenen als Vorbild hin. Er sagte, das Reich Gottes gehöre denen, die diesen Kleinsten ähnlich werden (vgl. Mt 18,3). Das heißt natürlich nicht, daß die Erwachsenen in jeder Hinsicht wieder zu Kindern werden sollen, sondern daß ihr Herz rein, gut und vertrauensvoll, daß es voller Liebe sein soll. 337 REISEN Liebe Kinder! Der Papst kommt heute zu euch, um euch im Namen des Herrn Jesus zu sagen, daß er euch liebt. Sicher haben eure Katecheten und Katechetinnen -Priester und Schwestern - oft mit euch darüber gesprochen. Ich will es jedoch noch einmal wiederholen, damit ihr euch das ganze Leben an diese freudige Nachricht erinnert. Der Herr Jesus liebt euch! Vor kurzem habt ihr euch davon auf besondere Weise überzeugen können. Da ist der Herr Jesus zum ersten Mal in eure Herzen gekommen. Bei der heiligen Erstkommunion habt ihr ihn unter der Gestalt des Brotes empfangen. Was heißt das: Er ist in eure Herzen gekommen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir einen Augenblick in den Abendmahlssaal zurückkehren. Dort reichte der Herr Jesus während des Letzten Abendmahles, kurz vor seinem Tod, den Jüngern das Brot und sagte: „Nehmt und eßt, das ist mein Leib.“ Ebenso reichte er ihnen den Wein und sprach: „Nehmt und trinkt, das ist mein Blut“ (vgl. 1 Kor 11,24-25). Und wir glauben, daß die Jünger, obwohl sie im Mund den Geschmack des Brotes und des Weines wahmahmen, wahrhaftig den Leib und das Blut Christi verzehrten. Und das war das Zeichen für seine unendliche Liebe. Wer nämlich liebt, ist bereit, der geliebten Person alles Kostbare zu geben, das er besitzt. Der Herr Jesus hatte in dieser Welt wenig, was er den Aposteln anbieten konnte. Er hat ihnen jedoch etwas viel Größeres gegeben - er hat ihnen sich selbst hingegeben. Von da an konnten sie, wenn sie diese heiligste Speise empfingen, ständig beim Herrn Jesus sein. Er selbst wohnte in ihren Herzen und erfüllte sie mit Heiligkeit. Das also bedeutet, daß der Herr Jesus in eure Herzen gekommen ist. Er wohnt in euch, seine Liebe erfüllt euch und bewirkt, daß ihr ihm immer ähnlicher, immer heiliger werdet. Dies ist eine große Gnade, aber auch eine große Aufgabe. Damit der Herr Jesus in uns wohnen kann, müssen wir uns darum bemühen, daß wir innerlich immer für ihn offen sind. Eure Aufgabe ist also folgende: immer den Herrn Jesus zu lieben; ein gutes und reines Herz zu haben und ihn möglichst oft einzuladen, damit er durch die heilige Kommunion in euch wohne. Und tut niemals, was schlecht ist. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Denkt jedoch daran, daß der Herr Jesus euch lieb hat und sich wünscht, daß auch ihr ihn mit allen euren Kräften liebt. 2. Zusammen mit euch will ich heute Christus für die unendliche Liebe danken, mit der er alle Menschen beschenkt. Wir loben ihn besonders für das Geschenk der Eucharistie, in der er gegenwärtig geblieben ist, auf daß wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). Ich danke auch euren Katecheten, die euch zum eucharistischen Herrn Jesus geführt haben, sowie auch allen jenen, die in ganz Polen die Mühe auf sich nehmen, in den Schulen den Glauben zu verbreiten. Das ist eine ehrenvolle, aber oft nicht leichte Aufgabe. Sie verlangt ein Zeugnis des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Eines Glaubens, der fest auf das Evangelium gegründet ist; einer Hoffnung, die in der Aussicht auf das Heil keinen Menschen ausschließt; einer Liebe, die nicht zögert, das Beste zu geben - auch um den Preis der Selbstaufopferung. Gebt die Überzeugung nicht auf, daß Kinder und Ju- 338 REISEN gendliche, auch wenn sie es nicht zeigen, dieses euer Zeugnis brauchen und danach verlangen. Der Heilige Geist, der Generationen von Aposteln Christi erleuchtet und gestärkt hat, stehe euch - den Scharen von Katecheten und Kateche-tinnen im heutigen Polen - bei. Schließlich möchte ich noch Dankesworte an die Eltern richten - an euch, die ihr hier anwesend seid, und an alle Eltern in Polen. Damit, daß ihr einst eure Kinder habt taufen lassen, habt ihr die Verpflichtung übernommen, sie im Glauben der Kirche und in der Liebe zu Gott zu erziehen. Diese Kinder, die zum ersten Mal zur heiligen Kommunion gegangen sind, sind der Beweis dafür, daß ihr diese Verpflichtung angenommen habt und sie aufrichtig zu erfüllen versucht. Ich bitte euch, sie niemals zu vernachlässigen. Denn vor allem den Eltern kommt das Recht und die Pflicht zu, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen zu erziehen. Überlaßt dieses Recht nicht den Institutionen, die den Kindern und Jugendlichen zwar das unerläßliche Wissen vermitteln können, aber nicht in der Lage sind, ihnen das Zeugnis der Fürsorge und Liebe von Eltern zu geben. Laßt euch nicht von der Versuchung täuschen, euren Kindern bessere materielle Lebensbedingungen zu sichern um den Preis eurer Zeit und eurer Aufmerksamkeit, die die Kinder brauchen, damit sie heranwachsen, „an Weisheit zunehmen und Gefallen finden vor Gott und den Menschen“ (vgl. Lk 2,52). Wenn ihr eure Kinder vor dem Sittenverfall und der geistigen Leere, die von der Welt in den verschiedenen Medien und manchmal sogar in den Lehrplänen der Schulen dargeboten wird, bewahren wollt, dann umgebt sie mit der Wärme eurer väterlichen und mütterlichen Liebe und gebt ihnen das Beispiel eines christlichen Lebens. Ich vertraue eure Liebe, eure Anstrengungen und eure Sorgen der Heiligen Familie, Schutzpatronin dieser Kirche, an. Der Schutz Jesu, Marias und Josefs gereiche euch zu Trost und Stärkung! 3. Noch einmal umarme ich mit meinem Herzen die hier anwesenden Rinder und alle Kinder unseres Landes, besonders diejenigen, die von Leid und Verlassenheit bedrückt werden. Allen Eltern, die täglich die Mühe der Versorgung und Erziehung ihrer Kinder auf sich nehmen, spreche ich meine Anerkennung aus. Ich danke den Seelsorgern und den Gläubigen der ganzen Pfarrei für das Wohlwollen, die Gastfreundschaft und die Gabe des Gebetes. Ich erteile allen von Herzen meinen Segen. 339 REISEN Das Rosenkranzgebet - Quelle geistlichen Lebens Ansprache nach dem Gebet des Rosenkranzes vor dem Marienheiligtum von Ludzmierz am 7. Juni 1. „Königin des Rosenkranzes, bitte für uns“! An diesem ersten Samstag des Monats kommen wir im Gedenken an das Unbefleckte Herz der Seligen Jungfrau Maria hierher zum Heiligtum Unserer Lieben Frau von Ludzmierz, Schutzherrin von Podhale. Dieser Ort ist mehr als würdig dazu, daß sich an ihm heute die Gläubigen der ganzen Welt mit dem Papst zum Gebet des Rosenkranzes vereinen. Seit fast sechshundert Jahren verehren hier die aufeinanderfolgenden Generationen der Bewohner von Podhale und Gläubigen aus ganz Polen die Muttergottes. Und diese Verehrung für Maria ist untrennbar mit dem Rosenkranz verbunden. Die lokale Bevölkerung, die sich durch einen schlichten, aber tiefen Glauben auszeichnet, hat stets ein Gespür dafür gehabt, welch wunderbare Quelle geistlichen Lebens das Rosenkranzgebet sein kann. Seit Jahrhunderten kamen Pilger verschiedener Stände, Familien und ganze Pfarrge-meinden mit einer Krone in der Hand hierher, um von Maria die Liebe zu Christus zu lernen. Auf diese Weise wählten sie die beste Schule, denn durch die Betrachtung der Geheimnisse des Rosenkranzes sieht man mit den Augen Marias die Geheimnisse des Lebens des Herrn, sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung, und man erlebt sie so wieder, wie sie sie in ihrem Herzen als Mutter erlebt hat. Wenn wir den Rosenkranz beten, sprechen wir mit Maria, vertrauen ihr zuversichtlich alle unsere Sorgen und Betrübnisse, unsere Freuden und Hoffnungen an. Wir bitten sie, uns bei der Annahme von Gottes Plänen beizustehen und vom Sohn die erforderliche Gnade für deren getreue Erfüllung zu erflehen. Sie - die Freudenreiche, Schmerzensreiche und Glorreiche, immer an der Seite des Sohnes - ist zugleich inmitten unserer Alltagsprobleme zugegen. 2. Der Rhythmus des Rosenkranzgebetes mißt, durchdringt und gestaltet die Zeit hier im Tal von Podhale, in Krakau und in der polnischen Nation. Wie auch immer menschliche Geschichte verlief — ob in der Freude über die Früchte täglicher Mühe, im leidvollen Ankämpfen gegen die Widrigkeiten oder im Ruhm errungener Siege —, sie fand stets ihren Widerschein in den Geheimnissen Christi und seiner Mutter. Darum ist die Treue zum Gebet des Rosenkranzes in den Herzen der Gläubigen niemals verlöscht und scheint sich heute noch zu festigen. Das zeigt ganz klar die Entwicklung der „Bruderschaft des lebendigen Rosenkranzes“, die genau vor hundert Jahren hier, beim Heiligtum Unserer Lieben Frau von Ludzmierz, gegründet wurde. Das Zeugnis derer, die in diesem schlichten Gebet eine unerschöpfliche Quelle geistlichen Lebens finden, entfacht Begeisterung bei anderen. Mit Freude erfahre ich, daß dieses Zeugnis auch über die Grenzen Polens, ja sogar bis in andere Kontinente reicht. In vielen Zentren polnischer Emigranten 340 REISEN entstehen neue Gebetszirkel für den lebendigen Rosenkranz. Ein wunderbares Werk! Ich bitte Gott um seinen Beistand dafür, daß es in den Herzen aller Polen, in der Heimat und im Ausland, segensreiche Früchte bringen möge! 3. Heute will ich den Gläubigen von Podhale und der ganzen Erzdiözese Krakau aus ganzem Herzen für das große Geschenk des Rosenkranzgebetes danken. Ich weiß, daß ihr jeden Tag hier, zu Füßen Mariens, Unserer Lieben Frau von Ludz-mierz, und an vielen anderen Orten zusammenkommt, um die Probleme des Nachfolgers Petri und der Kirche, die die Vorsehung seiner Sorge anvertraut hat, ihrem Schutz anheimzustellen. Ich weiß auch, daß ihr in den Pfarreien von Podhale, Orawa, Spisz, Pienini und Gorce auch für meine Polenreise gebetet habt, indem ihr euch in den Familien zusammengefunden und euch dort im Rahmen des „Pilger-Rosenkranzes“ unaufhörlich dem Gebet gewidmet habt. Ich danke euch für dieses wunderbare Gebetswerk. Ich habe immer, besonders in schwierigen Zeiten, darauf zählen können. Ich habe es so nötig und bitte weiter darum. Herzlich grüße ich die ganze Pfarrgemeinde von Ludzmierz, ihre Seelsorger und ihre Gläubigen. Man kann sagen, sie breitet sich in die ganze Welt aus. Denn überall, wo die polnischen Bergbewohner hingekommen sind und noch hinkommen, ist auch die Schutzherrin von Ludzmierz zugegen - sie ist nicht nur in den Häusern und in den Kirchen anwesend, sondern vor allem in den Herzen. Möge ihre Anwesenheit niemals fehlen! Grüßen möchte ich ganz besonders auch die Vereinigung zahlreicher Familien, die hierhergekommen sind, um Maria ihr oft nicht leichtes Familienglück anzuvertrauen. Ihr seid in der heutigen Welt Zeugen des Glücks, das, auch um den Preis manchen Verzichts, aus der Überzeugung der Liebe erwächst. Habt keine Angst, dieses Zeugnis zu geben! Die Welt kann euch nicht verstehen, die Welt mag fragen, warum ihr nicht einen leichteren Weg eingeschlagen habt, doch die Welt braucht euer Zeugnis - die Welt braucht eure Liebe, euren Frieden und euer Glück. Maria, Beschützerin der Familien, stehe euch bei. Wendet euch sooft als möglich an sie. Betet den Rosenkranz. Auf daß dieses Gebet zur Grundlage eurer Einheit werde. Hier sind Priester und Laien anwesend, die seit Jahren in der Süchtigenpastoral tätig sind. Ich vertraue euer Wirken Maria, Unserer Lieben Frau von Ludzmierz, an. Ich bete darum, daß sie für euch den Geist der Stärke und Ausdauer sowie große Einfühlungsgabe und Feingefühl gegenüber jedem Menschen erbitten möge. Ich blicke voll Bewunderung auf dieses Heiligtum, das sich so vergrößert hat und noch schöner geworden ist. Das ist der Beweis für eure Hingabe und Hochherzigkeit. Es ist euer Geschenk an Maria, aber auch an die Pilger, die hierher kommen. Heute muß der Papst - als Pilger in Ludzmierz - euch im Namen aller für eure Gastlichkeit danken. Gott vergelte es euch! Ich segne euch von ganzem Herzen. Muttergottes von Ludzmierz, Schutzherrin von Podhale, bitte für uns! 341 REISEN Am Schluß fugte der Papst noch hinzu: Seit dem Augenblick der Krönung der Seligen Jungfrau von Ludzmierz, die vom verstorbenen Primas, Kardinal Stefan Wyszynski, vorgenommen wurde, ist mir keine so zahlreiche Menge in Erinnerung. Gott vergelte es euch! Gottes Barmherzigkeit verwandelt die Herzen der Menschen Ansprache beim Besuch des Heiligtums der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau (Krakow), Gebet am Grab der sei. Faustina Kowalska sowie Begegnung mit den Schwestern von der Muttergottes der Barmherzigkeit am 7. Juni 1. „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89,2). Als Pilger komme ich heute in dieses Heiligtum, um einzustimmen in den unvergänglichen Gesang zu Ehren der Barmherzigkeit Gottes. Angestimmt hatte ihn der Psalmist des Herrn, der damit zum Ausdruck brachte, was alle Generationen als kostbarste Frucht des Glaubens bewahrten und weiter bewahren sollen. Nichts hat der Mensch so dringend nötig wie die Barmherzigkeit Gottes - jene gütige, mitfühlende Liebe, die den Menschen über seine Schwachheit zur unendlichen Höhe der Heiligkeit Gottes erhebt. Das wird uns hier an diesem Ort auf besondere Weise bewußt. Denn von hier ist die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes ausgegangen, die Christus selbst unserer Generation durch die selige Faustina übermitteln wollte. Es ist eine klare und für jeden verständliche Botschaft. Jeder kann hierher kommen, dieses Bild vom barmherzigen Jesus, sein Güte ausstrahlendes Herz anschauen und tief in seinem Inneren die Worte vernehmen, die die Selige gehört hat: „Hab vor nichts Angst. Ich bin immer bei dir“ (Tagebuch, Heft II). Und wenn er mit aufrichtigem Herzen antwortet: „Jesus, ich vertraue auf dich!“, wird er in allen seinen Befürchtungen und Ängsten Linderung finden. In diesem Dialog des Sich-Anvertrauens entsteht zwischen dem Menschen und Christus eine besondere Bindung, die Liebe ausströmt. Und „Furcht gibt es in der Liebe nicht“ - schreibt der hl. Johannes -, „sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht“ (7 Joh 4,18). Die Kirche greift die Botschaft von der Barmherzigkeit wieder auf, um der Generation des zu Ende gehenden Jahrtausends und den künftigen Generationen auf wirkungsvollere Weise das Licht der Hoffnung zu bringen. Sie bittet Gott unablässig um Barmherzigkeit für alle Menschen. „Die Kirche darf nie, in keinem Augenblick und keinem Abschnitt der Geschichte - insbesondere nicht in einer so kritischen Epoche wie der gegenwärtigen -, das Gebet vergessen, das der Aufschrei zur Barmherzigkeit Gottes ist angesichts der vielfältigen Formen des Übels, welche drohend auf der Menschheit lasten [...] Je mehr das menschliche Bewußtsein der Säkularisierung erliegt und so den Sinn selbst für die Wortbedeutung von ,Barmherzigkeit1 verliert, je mehr es sich von Gott und damit auch vom Geheimnis 342 REISEN der Barmherzigkeit entfernt, um so mehr hat die Kirche das Recht und die Pflicht, ,mit lautem Schreien1 den Gott der Barmherzigkeit anzurufen“ (Dives in miseri-cordia, Nr. 15). Deshalb findet sich auch dieses Heiligtum auf der Route meiner Pilgerreise. Ich komme hierher, um dem barmherzigen Christus alle Sorgen der Kirche und der Menschheit anzuvertrauen. An der Schwelle des dritten Jahrtausends will ich ihm noch einmal mein Petrusamt anvertrauen - „Jesus, ich vertraue auf dich!“ Die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes ist mir immer nahe und teuer. Gleichsam als hätte die Geschichte sie in die tragische Erfahrung des Zweiten Weltkrieges eingeschrieben. Sie war in jenen schwierigen Jahren nicht nur für die Bewohner Krakaus, sondern für die ganze Nation eine besondere Hilfe und eine unerschöpfliche Hoffnungsquelle. Das war auch meine persönliche Erfahrung, die ich auf den Stuhl Petri mitgebracht habe und die gewissermaßen das Bild dieses Pontifikats mitgeformt hat. Ich danke der Göttlichen Vorsehung, daß es mir gewährt war, durch die Einführung des Festes der Göttlichen Barmherzigkeit persönlich zur Erfüllung des Willens Christi beizutragen. Hier, vor den Reliquien der sei. Faustina Kowalska, danke ich auch für das Geschenk ihrer Seligsprechung. Ich bitte Gott inständig darum, daß er „sich unser und der ganzen Welt erbarme“ {Rosenkranz). 2. „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“ {Mt 5,7). Liebe Schwestern! Auf euch lastet eine außerordentliche Berufung. Christus hat durch die Erwählung der seligen Faustina aus eurer Mitte eure Kongregation zur Hüterin dieses Ortes gemacht und euch gleichzeitig zu einem besonderen Apostolat, zum Apostolat seiner Barmherzigkeit, berufen. Ich bitte euch: Nehmt diesen Auftrag an. Der heutige Mensch bedarf dringend eurer Botschaft von der Barmherzigkeit; er braucht eure Werke der Barmherzigkeit und er braucht euer Gebet, um Barmherzigkeit zu erlangen. Vernachlässigt keine dieser Dimensionen des Apostolats. Erfüllt es im Einvernehmen mit dem Erzbischof von Krakau, dem die Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit so sehr am Herzen liegt, und mit der ganzen Gemeinschaft der Kirche, welcher er vorsteht. Möge dieses gemeinsame Werk Früchte tragen. Möge Gottes Barmherzigkeit die Herzen der Menschen verwandeln. Möge dieses Heiligtum, das bereits in vielen Teilen der Welt bekannt ist, zu einem in die ganze Kirche hinein strahlenden Zentrum für die Verehrung der Barmherzigkeit Gottes werden. Noch einmal bitte ich euch, für die Anliegen der Kirche zu beten und mich in meinem Petrusamt zu unterstützen. Ich weiß, daß dieses Gebet hier ständig vorgebracht wird - dafür danke ich euch aus ganzem Herzen. Wir haben es alle dringend nötig: das dritte Jahrtausend steht vor der Tür, „tertio millennio adveniente“. Von Herzen segne ich euch, die ihr hier anwesend seid, und alle Verehrer der Barmherzigkeit Gottes. 343 REISEN Die hl. Königin Hedwig - Förderin des Glaubens und der Kultur Predigt während der Messe für die Heiligsprechung der sei. Königin Hedwig in Krakau am 8. Juni 1. „Gaude, mater Polonia!“ Heute wiederhole ich diesen Freudenruf, den die Polen Jahrhunderte hindurch zum Gedächtnis des hl. Stanislaus sangen. Ich wiederhole ihn, weil Ort und Anlaß dafür besonders geeignet sind. In der Tat müssen wir in die Königskathedrale im Wawel gehen und uns dort vor den Reliquien der Königin, der Herrin des Wawel, niederknien. Ja, der große Tag ihrer Heiligsprechung ist gekommen. Deshalb singen wir: „Gaude, mater Polonia, / Prole fecunda nobili, / Summi Regis magnalia / Laude ffequenta vigili.“ Hedwig, du hast auf diesen Festtag lange gewartet. Beinahe 600 Jahre sind vergangen, seit du in jungen Jahren gestorben bist. Geliebt vom ganzen Volk, stehst du am Anfang der Epoche der Jagellonen; als Stammutter der Dynastie und Gründerin der Jagellonen-Universität im alten Krakau hast du lange Zeit auf den Tag deiner Heiligsprechung gewartet; auf den Tag, an dem die Kirche feierlich verkündet, daß du im Hinblick auf die Erbfolge die heilige Patronin Polens bist; die Schutzherrin von Polen, das durch dich mit Litauen und mit der Rus’ zu einer Republik dreier Nationen vereinigt wurde. Heute ist dieser Tag gekommen. Viele Menschen haben diesen Augenblick herbeigesehnt und konnten ihn nicht mehr erleben. Jahre und Jahrhunderte vergingen, und deine Heiligsprechung schien weit entfernt zu sein. Deshalb soll dieser Tag ein Freudentag sein nicht nur für uns Menschen von heute, sondern auch für all diejenigen, die ihn auf Erden nicht mehr erlebten. Er soll der große Tag der Gemeinschaft der Heiligen sein. „Gaude, mater Polonia!“ 2. Das Evangelium von heute lenkt unsere Gedanken und Herzen auf die Taufe. Wir sind erneut in Galilea, wo Christus seine Apostel in die ganze Welt hinaussendet: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,18-20): Es ist der Missionsauftrag, den die Apostel vom Pfingsttag an übernommen haben. Sie haben ihn übernommen und ihren Nachfolgern weitergegeben. Durch sie gelangt die apostolische Botschaft nach und nach in die ganze Welt. Und gegen Ende des ersten Jahrtausends kam die Zeit, als die Apostel Christi das Land der Piasten erreichten. Mieszko I. ließ sich taufen, was nach der damaligen Überzeugung zugleich die Taufe Polens bedeutete. Im Jahr 1966 haben wir die Tausendjahrfeier dieser Taufe gefeiert. 344 REISEN Wie hätte sich heute der Primas des Jahrtausends, der Diener Gottes Kardinal Stefan Wyszynski, gefreut, wenn er mit uns zusammen diesen großen Tag der Heiligsprechung hätte erleben können. Sie lag ihm und den großen Erzbischöfen von Krakau wie dem Fürsterzbischof Kardinal Adam Stefan Sapieha sowie dem ganzen polnischen Episkopat sehr am Herzen. Alle spürten, daß mit der Heiligsprechung von Königin Hedwig die Tausendjahrfeier der Taufe Polens vollendet werden sollte. Denn nachdem die Polen im 10. Jahrhundert getauft worden waren, begannen sie vier Jahrhunderte später durch Königin Hedwig die apostolische Mission und trugen zur Evangelisierung und Taufe ihrer Nachbarländer bei. Hedwig war sich ihrer Sendung bewußt, den litauischen Brüdern und Schwestern das Evangelium zu bringen. Sie tat es zusammen mit ihrem Gemahl, König Ladislaus, dem Jagellonen. Im Baltikum entstand ein neues christliches Land, das aus dem Wasser der Taufe wiedergeboren wurde, dem gleichen Wasser, das im 10. Jahrhundert die Neugeburt der Söhne und Töchter der polnischen Nation bewirkt hatte. „Sit Trinitati gloria, laus, honor, iubilatio ...“ Hedwig, heute danken wir der Heiligsten Dreifaltigkeit für deine Weisheit. Der Autor des Buches der Weisheit fragt: „Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?“ (Weish 9,17). Wir danken deshalb Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist für deine Weisheit, Hedwig; denn du hast den Plan Gottes nicht nur im Hinblick auf deine eigene Berufung, sondern auch in bezug auf die der Völker erkannt: auf unsere Berufung in der Geschichte und auf die Berufung Europas, das durch dich das Werk der Evangelisierung auf diesem Kontinent vollendet hat, um danach die Evangelisierung anderer Länder und anderer Kontinente in der ganzen Welt in Angriff zu nehmen. Denn Christus hatte geboten: „Geht zu allen Völkern“ (Mt 28,19). Wir freuen uns heute über deine Erhebung zu den Altären. Wir freuen uns im Namen all jener Nationen, deren Mutter im Glauben du geworden bist. Wir sind froh wegen des großen Werkes, das die Weisheit vollbracht hat. Und wir danken Gott für deine Heiligkeit, für die Sendung, die du in unserer Geschichte erfüllt hast; für deine Liebe zur Nation und zur Kirche, für deine Liebe zum gekreuzigten und auferstandenen Christus. „Gaude, mater Polonia!“ 3. Das Höchste ist die Liebe. Der hl. Johannes schreibt: „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod“ (1 Joh 3,14). Wer also liebt, hat am Leben teil, an jenem Leben, das von Gott kommt. „Daran haben wir die Liebe erkannt, daß Er [Christus] sein Leben für uns hingegeben hat“, fahrt Johannes fort (1 Joh 3,16). Deshalb sollen auch wir unser Leben für die Brüder und Schwestern hingeben (vgl. ebd.). Christus wollte damit sagen, daß die Hingabe unseres Lebens für die Mitmenschen Ausdruck unserer Liebe ist. Die Hingabe ist also die höchste Form der Liebe (vgl. 1 Kor 13,13). 345 REISEN Wenn wir heute die Worte der Apostel hören, wollen wir dir, heilige Königin,sagen, daß du wie wenige Menschen diese Lehre Christi und der Apostel verstanden hast. Oftmals knietest du zu Füßen des Gekreuzigten im Wawel, um von Christus selbst diese hochherzige Liebe zu erlernen. Und du hast sie gelernt. Du hast es verstanden, durch dein Leben zu zeigen, daß die Liebe am größten ist. Singen wir davon nicht in einem uralten polnischen Hymnus? „Heiliges Kreuz, du edler Baum, dem kein anderer gleicht, / außer dem, der Gott selbst getragen hat [...] / Unvergleichliche Liebe ist es, fiir einen andern am Kreuz zu sterben. / Wer vermag das heute, wer gibt heute sein Leben für einen anderen hin? / Nur Jesus, unser Herr, hat es getan, weil er uns bis zur Vollendung liebte“ (vgl. Cruxfidelis, 16. Jh.). Und von ihm, gerade vom Christus im Wawel, bei diesem schwarzen Kreuz, zu dem die Krakauer alljährlich am Karfreitag pilgern, hast du, Königin Hedwig, es gelernt, das Leben für die Brüder und Schwestern hinzugeben. Deine tiefe Weisheit und dein Eifer im Tun gingen aus der Betrachtung hervor, aus der persönlichen Verbundenheit mit dem Gekreuzigten. Hier fanden „contemplatio et vita ac-tiva“ das richtige Gleichgewicht. Deshalb hast du nie den „besseren Teil“ verloren: Christi Gegenwart. Mit dir, Hedwig, wollen wir heute zu Füßen des Gekreuzigten im Wawel niederknien, um das Echo dieser Schule der Liebe zu vernehmen, in die du gegangen bist. Von dir wollen wir lernen, die Liebe in unserer Zeit zu verwirklichen. 4. „Ihr wißt, daß die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen mißbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“ (Mt 20,25-26). Diese Worte Christi haben das Gewissen der jungen Königin aus dem Haus Anjou tief durchdrungen. Was ihr kurzes Leben am nachhaltigsten kennzeichnet und ihre Größe ausmacht, war die Fähigkeit zum Dienen. Ihren gesellschaftlichen Rang, ihre Talente und ihr ganzes Privatleben stellte sie in den Dienst Christi, und als sie Herrscherin wurde, widmete sie ihr Leben dem Volk, das ihr anvertraut war. Dienstbereitschaft war die Seele ihres sozialen Engagements. Sie setzte sich eifrig im politischen Leben ihrer Zeit ein. So gelang es ihr als Tochter des ungarischen Königs, die Treue zu den christlichen Prinzipien mit der Konsequenz in der Verteidigung der polnischen Staatsraison zu verbinden. Während sie auf staatlicher und internationaler Ebene Großes vollbrachte, beanspruchte sie nichts für sich selbst. Großzügig stattete sie ihr zweites Vaterland mit jedem möglichen materiellen und geistigen Gut aus. Sie verstand die Kunst der Diplomatie und legte das Fundament für die Größe Polens im 15. Jahrhundert. Sie regte die religiöse und kulturelle Zusammenarbeit unter den Nationen an, und ihre Feinfühligkeit für soziale Mißstände wurde von den Untertanen oftmals gerühmt. Mit einer Klarheit, die heute noch in ganz Polen zu spüren ist, wußte sie, daß die Stärke des Staates und der Kirche aus einer gewissenhaften Bildung der Nation erwächst; daß der Weg zum Wohl des Staates, zu seiner Souveränität und seiner An- 346 REISEN erkennung in der Welt über gute Universitäten führt. Hedwig wußte, daß der Glaube das Verständnis der Vernunft sucht, daß der Glaube die Kultur sowohl braucht als auch formt und daß der Glaube im kulturellen Raum lebt. Deshalb versäumte sie es nicht, Polen mit dem geistigen Erbe der Frühzeit wie auch des Mittelalters auszustatten. Sie schenkte der Universität sogar ihr goldenes Zepter und bediente sich fortan eines hölzernen. Obwohl diese Tatsache konkrete Bedeutung hat, ist sie in erster Linie ein großes Symbol. Hedwigs Ansehen und ihre Glaubwürdigkeit beruhten nicht auf den königlichen Insignien, sondern auf der Kraft ihres Geistes, der Tiefe ihres Denkens und der Feinfühligkeit ihres Herzens. Nach ihrem Tod trug ihr Werk weitere Frucht durch den Reichtum der Weisheit und die Blüte einer Kultur, die im Evangelium wurzelte. Für all das sagen wir Königin Hedwig unseren Dank, während wir uns voll Stolz noch einmal um sechs Jahrhunderte zurückerinnem, die uns von der Gründung der Theologischen Fakultät und der Erneuerung der Krakauer Universität trennen; es sind die Jahre, in denen die polnische Wissenschaft gleichsam in ungetrübtem Glanz erstrahlte. Würden wir die im Mittelalter entstandenen Krankenhäuser in Biecz, Sandomierz, Sacz und Stradom besuchen, könnten wir die vielen von der polnischen Königin gegründeten Werke der Barmherzigkeit bewundern. In ihnen verwirklichte sich vielleicht am deutlichsten das Gebot, in Tat und Wahrheit zu lieben (vgl. IJoh 3,18). 5. „Ergo, felix Cracovia, / Sacro dotata corpore, / Deum, qui fecit omnia, / Benedic omni tempore“. „Freue dich heute, Krakau!“ Freue dich, denn endlich ist der Augenblick gekommen, in dem alle Generationen deiner Bewohner der heiligen Herrin des Wawels Dank sagen können. Du, Königssitz, verdankst der Tiefe ihres Denkens, daß du in Europa ein wichtiges geistiges Zentrum, die Wiege der polnischen Kultur, die Brücke zwischen dem christlichen Westen und dem Osten wurdest und so einen unauslöschlichen Beitrag zur Formung des europäischen Geistes geleistet hast. Viele, die den Namen Polens und dieser Stadt in aller Welt bekannt machten, studierten und lehrten an der Jagellonen-Universität und schalteten sich geschickt in die bedeutendsten Diskussionen ihrer Zeit ein. Es genügt, an den großen Rektor der Krakauer Hochschule, Pawel Wlodkowic, zu erinnern, der schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Grundlage für die moderne Theorie der Menschenrechte schuf, oder an Nikolaus Kopemikus, dessen Entdeckungen den Anfang für eine neue Sicht der geschaffenen Welt setzten. Sollte Krakau und mit ihm ganz Polen nicht für dieses Werk danken, das so großartige Früchte gebracht hat, die Lebensfrüchte heiliger Studenten und Professoren? Deshalb vereinen sich heute mit uns diese großen Männer und Frauen Gottes aller Generationen, von Johann von Kety und Stanislaus Kazimierczyk bis zum sei. Josef Sebastian Pelczar und dem Diener Gottes Jözef Bilczewski, und stimmen mit uns in den Lobpreis Gottes darüber ein, daß diese Stadt durch das hochherzige Werk der Königin Hedwig eine Wiege von Heiligen wurde. 347 REISEN Freue dich, Krakau! Ich freue mich, weil ich heute deine Freude hier am Blonia Krakowskie teilen darf und mit deinem Erzbischof Kardinal Franciszek Ma-charski, mit den Weihbischöfen und den emeritierten Bischöfen, mit dem Domkapitel und dem Kapitel des St.-Anna-Kollegs, mit den Priestern, den Ordensleuten und dem ganzen Gottesvolk Zusammensein kann. Wie sehr habe ich mir gewünscht, hierherzukommen und dir, Krakau, meiner geliebten Stadt, im Namen der Kirche feierlich zu versichern, daß es kein Irrtum war, Jahrhunderte hindurch Hedwig als Heilige zu verehren. Ich danke der göttlichen Vorsehung, daß es mir gewährt wurde, zusammen mit euch auf diese Gestalt zu blicken, die im Glanz Christi widerstrahlt, und zu lernen, was es heißt, „am größten ist die Liebe“. Ich danke allen polnischen Bischöfen, dem ganzen Episkopat, angeführt vom Kardinal-Primas, sowie allen Bischöfen, die hier unsere Gäste sind. Ich danke den Kardinälen und Bischöfen, die aus Rom und den Ländern in unserer Nachbarschaft gekommen sind, insbesondere aus Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Litauen. Liebe Brüder, eure Anwesenheit an diesem Tag ist für uns sehr kostbar. 6. „... wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“, schreibt der Apostel (7 Joh 3,18). Brüder und Schwestern, lernen wir von der heiligen Königin Hedwig das Liebesgebot zu verwirklichen. Denken wir nach über die „polnische Wahrheit“. Fragen wir uns, ob sie bei uns zu Hause, in den sozialen Kommunikationsmitteln, in den öffentlichen Ämtern und in den Pfarreien geachtet wird. Verschwindet sie nicht oft unter dem Druck der Umstände? Wird sie nicht auch verdreht und vereinfacht? Steht sie immer im Dienst der Liebe? Denken wir über die „polnische Praxis“ nach. Überlegen wir, ob sie klug angewandt wird. Regelmäßig und treu, mutig und hochherzig? Verbindet oder spaltet sie die Menschen? Verwundet sie nicht manche durch Haß oder Verachtung? Oder gibt es zu wenig praktizierte Liebe, zu wenig christliche Liebe? (vgl. St. Wyspianski, Wesele [Hochzeit]). „... wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit!“ Vor zehn Jahren schrieb ich in einer Enzyklika über die Probleme der Welt von heute, daß jede Nation „den Raum der eigenen Freiheit, soweit wie möglich, entdecken und ausnutzen“ muß (Sollicitudo rei socialis, Nr. 44). Damals hatten wir das Problem der „Entdeckung der Freiheit“. Jetzt stellt uns die göttliche Vorsehung eine neue Aufgabe: zu lieben und zu dienen; in Tat und Wahrheit zu lieben. Die heilige Königin Hedwig lehrt uns, gerade auf diese Weise das Geschenk der Freiheit zu nutzen. Sie wußte, daß die Vollendung der Freiheit die Liebe ist, durch die der Mensch bereit wird, sich selbst Gott und die Mitmenschen zu schenken und ihnen zu gehören. Deshalb vertraute sie ihr Leben und Herrschen Christus und den Nationen an, die sie zu Ihm führen wollte. Sie gab dem ganzen Volk das Beispiel der Liebe zu Christus und zum Mitmenschen - einem Menschen, der nach Glaube und Wissen, aber auch nach täglichem Brot und Kleidung hungert. Gebe 348 REISEN Gott, daß auch heute dieses Beispiel Nachahmer findet, damit die Freude über das Geschenk der Freiheit vollkommen werde. Heilige Königin Hedwig, lehre uns heute, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, diese Weisheit und Liebe, die du zum Weg deiner Heiligkeit gemacht hast. Hedwig, führe uns alle zum Gekreuzigten im Wawel, damit wir wie du erkennen, was es heißt, in Tat und Wahrheit zu lieben und in Wahrheit frei zu sein. Nimm deine Nation und die Kirche, die ihr dient, unter deinen Schutz, und bitte für uns bei Gott, damit die Freude in uns kein Ende nehme. Freu dich, Mutter Polen! „Gaude, mater Polonia!“ Verehrung der Muttergottes in Krakau Angelus in Krakau am 8. Juni 1. Unserer Begegnung auf der Krakauer Stadtwiese „Blonie“ würde etwas fehlen, wenn wir uns nicht im Angelusgebet an Maria, die Mutter Jesu, wenden und ihr all das anvertrauen würden, was durch die Heiligsprechung der Königin Hedwig ins Blickfeld kommt: die Situation von Glaube und Kultur, von Liebe und Gerechtigkeit in unserem Vaterland und in der Welt. Die Anfänge der Glaubensgeschichte in diesem Land wurden mit dem Blut von Mdrtyrem und mit der Heiligkeit von Bekennem bekräftigt. Heute, am Ausgang des zweiten christlichen Jahrtausends, treten wir in ihre Fußstapfen, um aus ihrem Glauben neue Kraft zu schöpfen. Denn von unserer Beharrlichkeit im Glauben der Väter, von der Glut unserer Herzen und von der Offenheit unseres Geistes hängt es ab, ob die kommenden Generationen durch solch ein Zeugnis der Heiligkeit, wie es uns der hl. Adalbert, der hl. Stanislaus und die heilige Königin Hedwig hinterlassen haben, zu Christus geführt werden. Es hängt von unserem Glauben und von unserer Liebe ab, ob das Evangelium in allen Lebensbereichen Frucht tragen wird, eine Frucht, wie sie das Christentum bis auf den heutigen Tag in unserem Land gebracht hat. Die hl. Hedwig führt uns unter das Kreuz, wo auch die Schmerzhafte Mutter steht. Wir hören Christi Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten und vertrauen Maria alle unsere Anstrengungen an, um dieses Gebot auf dem Weg zum dritten Jahrtausend, tertio millennio adveniente, zu verwirklichen. 2. So viele junge Menschen sind hier! Wenn ich euch, meine Lieben, anschaue, freut sich mein Herz über eure jugendliche Frische und Begeisterung. Ich danke euch für eure Teilnahme an dieser Heiligsprechung. Ich weiß, daß es schon zur Tradition geworden ist, jedes Jahr um diese Zeit zum Heiligtum von Kalvaria zu wallfahren, um Gott auf die Fürsprache Marias für alle Gnaden des zu Ende gehenden Schuljahres zu danken. Heute seid ihr hierhergekommen. Euren Wunsch, an diesem Tag die in Kalvaria verehrte Muttergottes zu sehen, wollt ihr mit eurer 349 REISEN Beitrag der Kirche Polens zur geistigen Erneuerung Europas Botschaft an die polnischen Bischöfe (überreicht am Ende der Messe in Krakau) am 8. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit Freude nehme ich die von den großen religiösen Ereignissen in Polen mit gesamtkirchlichem Charakter gebotene Gelegenheit wahr, um euch einen brüderlichen Gruß zu übermitteln und ein spezielles Wort an euch zu richten. Auf diese Weise möchte ich meiner Liebe zur Kirche Christi in unserer Heimat Ausdruck geben, für welche die ganze Polnische Bischofskonferenz und jeder einzelne Bischof im Geiste kollegialer Verantwortung Sorge tragen. Begonnen hat meine Pilgerreise in Breslau mit der Teilnahme am 46. Internationalen Eucharistischen Kongreß. Die Begegnung mit Christus in seinem Geheimnis der unendlichen Liebe und Einheit, das der Kirche und der Menschheit im eucharistischen Opfer anvertraut worden ist, hat für uns - für die Katholiken wie auch für alle unsere christlichen Brüder, besonders jene, die beim Kongreß anwesend waren - eine tiefe Bedeutung. Die ganze Kirche in Polen hatte Gelegenheit, das Mysterium der eucharistischen Gegenwart des Immanuel - Gott-mit-uns (vgl. Mt 1,23) — zu vertiefen und zu betrachten. Es war für uns alle eine besondere Erfahrung der Wahrheit über Christus, der „derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Wir alle können aus dieser lebensspendenden Quelle die Kraft und die Hoffnung für den weiteren Aufbau einer Glaubensgemeinschaft auf polnischem Boden schöpfen, einer Gemeinschaft aller derer, die an Christus glauben. Eine solche Gemeinschaft ist, da sie Einheit in der Liebe ist, immer Frucht des Opfers, des Verzichts auf etwas Eigenes zu Gunsten der Brüder, Frucht der Sorge um das gemeinsame Wohl. Wir haben die Pflicht, dieses Wohl in der Einheit der Universalkirche, in der Einheit jeder Teilkirche und schließlich in allen Formen des kollegialen Handelns wahrzunehmen, unter welchen seit dem II. Vatikanischen Konzil den Bischofskonferenzen eine besondere Rolle zufallt. Aufgabe der Kirche ist auch die Errichtung der moralischen Grundlagen, auf denen die verschiedenen menschlichen Gemeinschaften, angefangen von Ehe und Familie, über die Gemeinschaft einer Nation und eines Staates bis hin zu den vielfältigen internationalen Formen des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit, wachsen und Früchte bringen können. Wie auf Grund göttlicher Fügung Harmonie und Ordnung in einer Familie durch die Einhaltung der aus den natürlichen Blutsbanden und aus dem göttlichen Gesetz stammenden Vorschriften auftechterhalten werden, so hängt in der Gemeinschaft der Kirche die Harmonie von der Übereinstimmung mit dem Geschenk des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und von der hierarchischen Unterordnung ab, die im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip, cum Petro et sub Petro, in jedem empfangenen Amt, besonders dem Bischofsamt, und bei der 352 REISEN Ausübung jeder Funktion bzw. jedes Dienstes verwirklicht wird. Ein Mindestmaß dieser Unterordnung wird von der kirchlichen Gesetzgebung definiert, muß aber ständig vom Gebot des Herzens ergänzt werden, das aus der Liebe zu der in der Kirche gegenwärtigen Wahrheit erwächst. Die göttliche Wahrheit, deren authentische Offenbarung wir in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung finden, äußert sich auch durch die Stimme des Lehramtes der Kirche und besonders durch die Lehre des II. Vatikanischen Konzils. Um dieser Lehre korrekt folgen zu können, ist es erforderlich, ihre Kenntnis bei den Experten in den verschiedenen Bereichen der kirchlichen und weltlichen Wissenschaften einzuholen und die Inhalte, besonders auf der Ebene der Bischofskonferenz, zu vertiefen, um sie dann an die Priester und Gläubigen in klarer und verständlicher Form weiterzugeben, so daß jeder darin die Lösung für die persönlichen und sozialen Probleme, die sich im täglichen Leben stellen, finden kann. Die Einheit der Kirche verlangt, daß sich die Sorge der Bischöfe auf alle erstreckt, die die evangelische Gabe der Wahrheit an den katholischen Schulen und Universitäten oder über die katholischen Kommunikationsmittel weitergeben. Die Bischofskonferenz ist unter Respektierung der Kompetenzen der Diözesanbischöfe für die gesamte Weitergabe des Glaubens auf dem Staatsgebiet verantwortlich, unabhängig davon, ob diejenigen, die ihn weitergeben, dem Diözesanklerus, dem Ordensstand oder dem Kreis gläubiger Laien angehören. Die Kirche muß in den sozialen Kommunikationsmitteln präsent sein. Denn durch sie tritt sie in den Dialog mit der Welt ein und kann mit ihrer Hilfe das Gewissen des Menschen bilden. Wir müssen die Welt mit dem Besten erreichen, was die Kirche zu bieten hat, indem sie die Würde der menschlichen Person achtet und sie für die Verantwortung vor Gott empfänglich macht. 2. Die zweite Station meiner Pilgerreise war das uralte Gnesen - erste Heimstatt und Wiege Polens und der Kirche in Polen. Tausend Jahre nach dem Märtyrertod des hl. Adalbert durfte ich die heiligen Reliquien des Schutzpatrons Polens verehren. Dem Gebot Christi: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19) gehorchend, ging Adalbert, durch die Kraft des Evangeliums gestärkt, in das Land der Preußen. Sein Zeugnis wurde damals nicht angenommen; doch als er es mit dem Tod bestätigte, begann es Früchte zu tragen und hat das in reichem Maße bis zum heutigen Tag getan. Ist das etwa nicht das Vorbild für die Bischöfe auch in unserem Land, wo besorgniserregende Erscheinungen, wie Ablehnung der Werte des Evangeliums und sogar Feindseligkeit gegenüber Christus und seiner Kirche, zu beobachten sind? Die polnische Gesellschaft hat eine tiefgreifende Neuevangelisierung nötig. Keiner darf als verloren angesehen werden, denn Christus ist für alle gestorben und eröffnete damit jedem Menschen den Weg zum ewigen Leben. Nötig ist ein erneuerter Glaube an die Macht des Kreuzes Christi. 353 REISEN Wir stehen vor den großen Herausforderungen, die für unsere Zeit kennzeichnend sind. Darauf habe ich bereits in meiner Ansprache an die Polnische Bischofskonferenz während der Pilgerreise im Jahr 1991 hingewiesen. Ich sagte damals: „Der Weg der Kirche ist der Mensch. [...] Diesen Auftrag müssen die Bischöfe und die Kirche in Polen gewissermaßen in die Sprache konkreter Aufgaben übersetzen, wobei sie sich der konziliären Vision der Kirche als Volk Gottes, aber auch unserer Analogie der,Zeichen der Zeit1 bedienen. Unsere polnischen,Zeichen der Zeit' haben sich mit dem Zusammenbruch des marxistischen und totalitären Systems, welches das Bewußtsein und das Verhalten der Menschen unseres Landes prägte, deutlich verschoben. Im früheren System [...] schuf die Kirche gewissermaßen einen Raum, in dem Mensch und Nation ihre Rechte verteidigen konnten. [...] Und nun [...] muß der Mensch in der Kirche den Raum finden, um sich in gewissem Sinn gegen sich selbst zu verteidigen: gegen den schlechten Gebrauch seiner Freiheit, gegen die Vergeudung einer großen historischen Chance für die Nation. Während die frühere Situation zu einer allgemeinen Anerkennung des Vorgehens der Kirche (sogar seitens ,laizistischer1 Personen und Kreise) veranlaßte, kann man in der jetzigen Lage in vielen Fällen auf eine solche Anerkennung nicht zählen. Man muß vielmehr mit Kritik, ja vielleicht sogar mit Schlimmerem rechnen. Jetzt gilt die Anwendung der Unterscheidung: einerseits muß berechtigte Kritik akzeptiert werden, andererseits darf nicht vergessen werden, daß Christus immer ,ein Zeichen sein wird, dem widersprochen wird1 (vgl. Lk 2,34). Dieser ,Widerspruch1 ist für die Kirche auch eine Bestätigung ihrer Identität, die Bestätigung dafür, daß sie in der Wahrheit ist. Er ist vielleicht auch ein begleitender Faktor der evangelischen Sendung und des Hirtendienstes“ (Warschau, 9. Juni 1991). Unter den konkreten Problemen und Aufgaben, denen man sich stellen muß, möchte ich die Notwendigkeit unterstreichen, daß die Laien die Verantwortung übernehmen, die ihnen in der Kirche zusteht. Das betrifft jene Lebensbereiche, in welchen die Laien selbständig, aber als gläubige Mitglieder der Kirche zur Entwicklung des politischen Denkens, des Wirtschaftslebens und der Kultur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Evangeliums beitragen sollten. Zweifellos soll man ihnen dabei helfen, aber nicht an ihre Stelle treten. Die Kirche muß frei sein bei der Verkündigung des Evangeliums und aller in ihm enthaltenen Wahrheiten und Anweisungen. Sie wünscht eine solche Freiheit, sie bemüht sich um diese Freiheit, und das genügt ihr. Sie trachtet nicht nach Sonderprivilegien und will keine solchen besitzen. In meinen Worten an die polnischen Bischöfe anläßlich ihres ,,Ad-limina“-Besu-ches 1993 lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit, die Vollversammlung zu nützen, um die Beteiligung der Laien am Leben der Kirche wiederzubeleben. Diese Chance scheint weiterzubestehen, und es muß alles getan werden, um sie zu nutzen. Eine neue Dimension im Wirken der Kirche sind die katholischen Organisationen, unter ihnen die Katholische Aktion. Möglichkeiten 354 REISEN dieser Art hat es in Polen seit den Vierzigerjahren nicht gegeben. Es stimmt, die Gesellschaft läßt sich nicht leicht für gemeinschaftliches Handeln gewinnen, aber das ist nun einmal die richtige Richtung der polnischen Seelsorge, und man darf nicht leichtfertig auf sie verzichten. Eine sehr ernste Sorge der Kirche ist die Jugend, von der ihre Zukunft abhängt. Die Kirche in Polen hatte ihre großartigen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Pfarrkatechese. Heute wird der Religionsunterricht an den Schulen erteilt. Das hat neue Herausforderungen erzeugt, die sich unter anderem aus dem tiefgreifenden Wandel ergeben, der sich in den letzten Jahren in der polnischen Gesellschaft vollzogen hat. Man muß auf die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit mit demselben Evangelium zugehen, es aber auf eine neue, der heutigen Denkart und unseren Lebensverhältnissen angepaßte Weise verkündigen. Das erfordert ernsthafte Anstrengungen, die nicht nur der Ausbildung der neuen Mittel des Dialogs mit den Kindern und Jugendlichen gelten, sondern auch geeignete Möglichkeiten finden müssen, um die jungen Menschen überhaupt zu erreichen. 3. Die dritte Etappe meines Besuches war Krakau und das sechshundertjährige Gründungsjubiläum des ersten Wissenschafts- und Lehrzentrums des theologischen Denkens auf polnischem Boden, nämlich der theologischen Fakultät der Krakauer Akademie, aus der später die Jagellonen-Universität hervorgegangen ist. Die Entstehung der Fakultät war das Verdienst der Königin Hedwig aus dem Haus Anjou, die von mir auf dem Flughafen von Krakau feierlich heiliggesprochen und damit in die Reihe der Heiligen der Gesamtkirche aufgenommen worden ist. Ich danke Gott dem Allmächtigen für diese große Gnade. Es ist ein glückliches Zusammentreffen, daß wir gerade während meines apostolischen Besuches in Polen nach Jahrhunderten die Wirkungen der weitblickenden Initiativen sowohl des hl. Märtyrerbischofs Adalbert wie der hl. Königin Hedwig sehen können, die jeder auf seine bzw. ihre Weise den christlichen Glauben in unserer Heimat festigen wollten. Was der hl. Adalbert verkündet und durch seinen Märtyrertod gesät hat, beschloß die hl. Königin Hedwig dadurch auszuweiten und zum Eigentum vieler Generationen zu machen, daß sie in Polen einen breiten Zugang zum Schatz des Wissens und der Wissenschaft des christlichen Europa eröffnete. Nach sechshundert Jahren wissen wir heute, daß das ein wahrhaft providentieller Schritt war. Wie der hl. Adalbert als Patron der kirchlichen Organisation in Polen angesehen werden kann, so darf man der hl. Hedwig mit Recht den Titel einer Patronin der Öffnung Polens für das christlich-europäische Denken zuerkennen. Von welch vielsagender Bedeutung sind diese beiden Vorbilder heute für uns in einer Zeit, wo wir nach Jahren der Isolation wieder in den Raum der westlichen Kultur zurückkehren, die uns wohlbekannt ist, haben wir doch selbst über Jahrhunderte auch unseren Reichtum in sie eingebracht. Wir können uns heute nicht dem entziehen, daß wir die Richtung einschlagen, die uns angezeigt wird. Die Kirche in Polen kann dem auf dem Weg zur Einigung befindlichen Europa seine Treue zum Glauben, seine von Religiosität inspirierte Tradition, das pastorale 355 REISEN Bemühen der Bischöfe und der Priester und sicher noch viele andere Werte anbieten, dank welcher Europa einen Organismus darstellen wird, dessen Reichtum nicht nur in einem hohen wirtschaftlichen Niveau, sondern auch in einem tiefen geistig-geistlichen Leben bestehen wird. Liebe Brüder im Bischofsamt, es wurden hier nur einige Probleme angesprochen. Ich lege sie Euch heute vor fiir Eure pastorale Reflexion und vor allem für Euer inständiges Gebet. Wir werden sicher noch auf sie zurückkommen müssen anläßlich der Begegnung in Rom zu Beginn des nächsten Jahres, zu der ich Euch schon heute aus ganzem Herzen einlade. Ich danke Euch allen herzlich für das Gebet während meines ganzen Besuches. Der Fürbitte der während meiner Pilgerreise zur Ehre der Altäre erhobenen Heiligen und Seligen empfehle ich Euch, die Euch anvertraute Kirche und die ganze Heimat. Ich segne Euch von Herzen. Die Menschen brauchen den Dienst des Denkens Ansprache bei der Festakademie zum 600jährigen Gründungsjubiläum der Theologischen Fakultät und der Jagellonen-Universität in Krakau - Begegnung mit den Rektoren der polnischen Universitäten im St.-Anna-Kolleg am 8. Juni 1. „Nil est in homine bona mente melius.“ Diese Inschrift über der Tür des Dlu-gosz-Hauses in der Kanoniczna-Straße scheint sich heute, da wir das 600jährige Gründungsjubiläum der theologischen Fakultät und der Jagellonen-Universität in Krakau festlich begehen, ganz besonders zu bewahrheiten. Wir blicken heute zurück auf sechs Jahrhunderte der Geschichte, und vor uns stehen alle Generationen von Professoren und Studenten der Krakauer Universität, um zu bezeugen, welche Früchte für den Menschen, die Nation und die Kirche diese beharrliche, im Umfeld der Hochschule waltende Sorge um die „mens bona“ getragen hat. Wie könnte man sich diesem Eindruck der vergangenen Jahrhunderte entziehen? Soll man nicht dankbaren Herzens das Zeugnis derer annehmen, die auf der Suche nach der Wahrheit die Geschichte dieser Königsstadt gestalteten und das polnische und europäische Kulturerbe vermehrten? Soll man Gott nicht loben für dieses Werk der Weisheit des Menschen, der, von der Ewigen Weisheit inspiriert, mit seinem Denkvermögen zu einer immer tieferen Erkenntnis gelangen will? Ich danke Gott für die 600 Jahre der theologischen Fakultät und der Jagellonen-Universität. Ich freue mich, daß ich es hier im Universitätskolleg St. Anna in Anwesenheit von Wissenschaftlern aus ganz Polen tun darf. Herzlich begrüße ich die Akademischen Senate der Jagellonen-Universität und der Päpstlichen Theologischen Akademie mit ihren Rectores Magnifici an der Spitze. Ich danke für die Grußworte und die Einführung in diese Festakademie. Herzlich begrüße ich Sie, meine Herren Rektoren und Pro-Rektoren, die Sie die akademischen Einrichtungen Polens vertreten. In lebhafter Erinnerung ist mir immer noch die Begegnung, die ich zu Beginn des vergangenen Jahres (4. Januar 1996) im Vatikan mit Ihnen 356 REISEN hatte. Damals sprach ich darüber, wieviel uns verbindet. Denn wir treffen uns im Namen der gemeinsamen Liebe zur Wahrheit und hegen die gleiche Sorge um die Zukunft der Wissenschaft in unserem Vaterland. Es freut mich, daß wir heute erneut die Erfahrung dieser Verbundenheit machen dürfen. Der heutige Festakt rückt sie nämlich besonders ins Licht und zeigt ihren tiefsten Sinn. Ja, man kann sagen, daß sich heute dank Ihrer Anwesenheit alle akademischen Einrichtungen Polens -diejenigen mit jahrhundertelanger Tradition und die eben gegründeten - um die älteste „Alma Mater Jagellonica“ versammeln. Sie tun es, um ihre Verwurzelung in der Geschichte der polnischen Wissenschaft zum Ausdruck zu bringen, die mit dieser Gründung vor 600 Jahren begonnen hat. Kehren wir gemeinsam zu den Anfängen zurück, aus denen vor 600 Jahren die Ja-gellonen-Universität und ihre theologische Fakultät hervorgegangen sind. Wir wollen gemeinsam wieder das große geistliche Erbe übernehmen, das diese Universität in der Geschichte unserer Nation und in der Geschichte Europas darstellt, um dieses unschätzbare Gut den nachfolgenden Generationen der Polen und dem 3. Jahrtausend ungeschmälert weiterzugeben. 2. Während dieser Jubiläumsfeier gedenken wir dankbar der Gründerin der Jagel-lonen-Universität und der theologischen Fakultät, der Herrin des Wawel, der hl. Hedwig. Durch eine wunderbare Fügung der göttlichen Vorsehung fällt die 600-Jahr-Feier mit ihrer Heiligsprechung zusammen, die in Polen und besonders in den akademischen Kreisen Krakaus seit langem erwartet worden war. Wir alle haben auf diese Heiligsprechung gehofft. Die akademischen Senate der Jagello-nen-Universität und der Päpstlichen Theologischen Akademie haben mir das auch schriftlich zum Ausdruck gebracht. Hedwig, die heilige Universitätsgründerin, wußte mit der besonderen Weisheit, die den Heiligen eigen ist, daß die Universität als Gemeinschaft von Menschen, die die Wahrheit suchen, unverzichtbar zum Leben der Nation und der Kirche gehört. Deshalb verfolgte Hedwig beharrlich das Ziel, die von Kasimir gegründete Krakauer Akademie wiederzuerrichten und durch die theologische Fakultät zu erweitern: ein äußerst bedeutsamer Akt, denn nach den damaligen Kriterien erhielt eine Hochschule erst mit der Gründung ihrer theologischen Fakultät das Recht der vollen Zugehörigkeit und ihren Rang innerhalb der akademischen Welt. Dafür setzte sich Hedwig beharrlich bei Papst BonifazIX. ein. Im Jahr 1397, also vor genau 600 Jahren, kam er ihrem Wunsch nach und errichtete mit der feierlichen Bulle Eximiae devotionis affectus die theologische Fakultät an der Jagellonen-Universität. Erst dann wurde die Krakauer Universität auf der Karte der europäischen Universitäten richtig eingetragen, und der jagellonische Staat rückte auf die gleiche Ebene mit den westlichen Ländern auf. Die Krakauer Universität entwik-kelte sich sehr rasch. Im 15. Jahrhundert erreichte sie das Niveau der größten und bekanntesten europäischen Universitäten von damals. Sie wurde auf die gleiche Stufe gestellt mit der Sorbonne in Paris oder mit den noch älteren italienischen Universitäten in Bologna und Padua, nicht zu vergessen die Nachbaruniversitäten 357 REISEN in Prag, Wien und Pecs (Ungarn). Dieses goldene Zeitalter in der Geschichte der Universität konnte viele herausragende Professoren und Studenten verzeichnen. Ich nenne nur zwei davon: Pawel Wlodkowic und Nikolaus Kopemikus. Hedwigs Werk trug auch Frucht auf einem anderen Gebiet. In der Tat ist das 15. Jahrhundert in der Krakauer Geschichte das Jahrhundert der Heiligen, und diese waren eng mit der Jagellonen-Universität verknüpft. Damals studierte und lehrte später der hl. Johannes von Kety, dessen sterbliche Hülle im Universitätskolleg St. Anna aufbewahrt wird. Außer ihm wurden viele andere hier ausgebildet, wie der sei. Stanislaus Kazimierczyk, Simon von Lipnica, Ladislaus von Gielniöw oder Michael Giedroyc, Isaak Boner, Michael von Krakau und Matthias von Krakau, die im Ruf der Heiligkeit stehen. Dies sind nur einige aus der großen Schar derer, die auf der Suche nach der Wahrheit zu den höchsten Gipfeln der Heiligkeit aufstiegen und die geistige Schönheit dieser Universität darstellen. Ich glaube, daß bei dieser Jubiläumsfeier dieser Aspekt nicht ausgeschlossen werden darf. 3. Meine Herren, erlauben Sie mir, daß ich mich jetzt direkt an die Päpstliche Theologische Akademie von Krakau wende, die Erbin der vor 600 Jahren von der hl. Hedwig gegründeten theologischen Fakultät der Jagellonen-Universität ist. Diese Akademie spielte, wie gesagt, nicht nur in der polnischen Religionsgeschichte, sondern auch in der Geschichte der polnischen Wissenschaft und Kultur eine außergewöhnliche Rolle. Ich war eng verbunden mit dieser Fakultät, weil ich dort während der Besatzungszeit heimlich Philosophie und Theologie studierte und das Doktorat und die Habilitation erwarb. Vor meinen Augen erstehen heute wieder die Jahre des dramatischen Ringens um ihre Existenz unter der kommunistischen Diktatur. Als Erzbischof von Krakau war ich persönlich daran beteiligt. Dieser schmerzliche Zeitabschnitt verdient es, in jeglicher Hinsicht genau dokumentiert und geschichtlich eingehend erforscht zu werden. Die Kirche hat sich nie mit der Tatsache einer einseitigen und ungerechten Liquidierung der Fakultät seitens der Staatsobrigkeit von damals abgefunden. Ich habe alles getan, damit dem Krakauer Universitätsbereich das akademische Theologiestudium nicht entzogen wurde. Trotz großer Schwierigkeiten und Schikanen seitens der Regierung setzte die Fakultät ihre Tätigkeit im Krakauer Priesterseminar zunächst als Päpstliche Theologische Fakultät fort; später reifte das Problem bis zu dem Punkt, daß in Krakau die Päpstliche Theologische Akademie als Hochschule mit drei Fakultäten errichtet werden konnte in Fortsetzung der ursprünglichen theologischen Fakultät der Jagellonen-Universität. Wie sollte man also heute bei dieser Jubiläumsfeier Gott nicht danken, der es zugelassen hat, daß wir nicht nur dieses große geistige Gut der theologischen Fakultät schützen, sondern es auch weiterentwickeln und ihm eine neue, reichhaltigere akademische Form geben konnten? So trägt die Päpstliche Theologische Akademie zusammen mit den anderen katholischen Hochschulen in unserem Vaterland zur Weiterentwicklung der polnischen Wissenschaft und Kultur bei; zugleich lebt sie fort als große Zeugin unserer Zeitge- 358 REISEN schichte, einer Zeit des Kampfes um den Fortbestand der theologischen Hochschulen in der akademischen Welt des heutigen Polens. 4. Die Jubiläumsfeiern heute wecken in mir eine Reihe allgemeiner und sehr wesentlicher Fragen und Überlegungen: Was ist die Universität? Welche Rolle spielt sie in der Kultur und Gesellschaft? „Alma mater“, „Alma Mater Jagellonica Das ist die nähere Bezeichnung der Universität, und das hat seinen Grund. „Mater“, Mutter, das heißt diejenige, die hervorbringt, erzieht und bildet. Die Universität gleicht einer Mutter. Sie ähnelt ihr in der mütterlichen Sorge. Es ist eine Sorge geistlicher Art: Menschen für das Wissen, die Weisheit, die Bildung ihres Geistes und ihres Herzens hervorzubringen. Das ist eine Aufgabe, die mit nichts anderem zu vergleichen ist. Ich persönlich erkenne mit den Jahren immer mehr, wieviel ich der Universität zu verdanken habe: die Liebe zur Wahrheit und die Hinweise, wo sie zu suchen ist. Eine große Rolle in meinem Leben spielten herausragende Professoren, die ich kennenlemen durfte: Menschen, die mich bereicherten und es durch ihre Geistesgröße weiterhin tun. Ich kann mein Herzensbedürfnis nicht unterdrücken, heute einige von ihnen zu nennen: die - mittlerweile verstorbenen - Professoren der philologischen Fakultät, Stanislaw Pigon, Stefan Kolaczkowski, Kazimierz Nietsch und Zenon Klemensiewicz. Dazu kommen die Professoren der theologischen Fakultät: Don Konstanty Michalski, Jan Salamucha, Marian Michalski, Ignacy Rozycki, Wladyslaw Wicher, Kazimierz Klosak und Aleksy Klawek. Wieviel innerer Gehalt und wie viele Personen verbergen sich hinter diesem Namen: „Alma mater!“ Die Berufung jeder Universität ist der Dienst an der Wahrheit: sie zu entdecken und an die anderen weiterzugeben. Besonders gut verdeutlicht hat es der Künstler, der die Kapelle vom hl. Johannes Kety, das Schmuckstück dieses Kollegs, entwarf. Der Sarkophag des Lehrers Johannes ruht auf den Schultern der Figuren, die die vier traditionellen Universitätsfakultäten personifizieren: Medizin, Rechtswissenschaft, Philosophie und Theologie. Das weist gerade auf diejenige Universitätsstruktur hin, die durch intensives Forschen vieler wissenschaftlicher Disziplinen schrittweise zur höchsten Wahrheit führt. Der Mensch übersteigt die Grenzen der einzelnen Fachgebiete des Wissens, so daß er sie auf die höchste Wahrheit und die endgültige Vollendung des eigenen Menschseins ausrichtet. Hier kann man von der Solidarität der einzelnen Wissenschaftszweige im Dienst am Menschen sprechen, der berufen ist, die immer vollkommenere Wahrheit über sich selbst und über die ihn umgebende Welt zu entdecken. Der Mensch ist sich der Tatsache voll bewußt, daß die Wahrheit außerhalb von ihm und über ihm liegt. Der Mensch erzeugt die Wahrheit nicht, sie enthüllt sich ihm, wenn er sie beharrlich sucht. Die Erkenntnis der Wahrheit weckt geistliche Freude (gaudium veritatis), die in ihrer Art einzig ist. Wer von Ihnen, meine Herren, hat in seiner Forschungsarbeit nicht schon einen solchen mehr oder weniger großen Augenblick erlebt? Ich wünsche Ihnen, daß es viele solcher Augenblicke in Ihrer Arbeit geben möge. In dieser Freude über die Erkenntnis der Wahrheit 359 REISEN kann man auch einen Beweis dafür sehen, daß der Mensch zur Transzendenz berufen ist, ja daß er berufen ist, sich dem Unendlichen zu öffnen. Der Grund, weshalb ich heute als Papst unter Ihnen, den Wissenschaftlern, bin, ist folgender: Ich möchte Ihnen sagen, daß der Mensch von heute Sie braucht. Er braucht Ihre wissenschaftliche Neugier, Ihren Scharfsinn in der Fragestellung und Ihre Aufrichtigkeit in der Suche nach Antwort. Er braucht auch die spezielle Transzendenz, die den Universitäten eigen ist. Die Suche nach der Wahrheit, auch wenn sie eine begrenzte Wirklichkeit der Welt oder des Menschen betrifft, kommt nie ans Ende, sondern führt immer zu etwas hin, das über dem unmittelbaren Forschungsgegenstand liegt; sie führt zu Fragen, die den Zugang zum Geheimnis ermöglichen. Wie wichtig ist es, daß das menschliche Denken sich nicht der Wirklichkeit des Geheimnisses verschließt; daß es dem Menschen nicht an Gespür für das Geheimnis mangelt; daß ihm nicht der Mut fehlt, in die Tiefe zu steigen! 5. Wenige Dinge im Leben des Menschen und der Gesellschaft sind so wichtig wie der Dienst des Denkens. Der „Dienst des Denkens“, auf den ich anspiele, ist im wesentlichen nichts anderes als der Dienst der Wahrheit in der Dimension der Gesellschaft. Jeder Intellektuelle, ganz abgesehen von seiner persönlichen Überzeugung, ist gerufen, sich von diesem hohen und anspruchsvollen Ideal leiten zu lassen und eine Funktion des kritischen Bewußtseins auszuüben gegenüber allem, was das Menschsein gefährdet oder mindert. Wissenschaftler zu sein, verpflichtet! Es verpflichtet vor allem zu einer besonderen Sorge um das eigene Menschsein. Ich möchte hier an einen Mann erinnern, den ich wie viele der hier Anwesenden gekannt habe. Er war Professor am Krakauer Polytechnikum und mit dem wissenschaftlichen Bereich von Krakau verbunden. Für unsere Generation wurde er ein besonderer Zeuge der Hoffnung. Ich denke an den Diener Gottes Jerzy Ciesielski. Seine wissenschaftliche Leidenschaft war mit dem Bewußtsein der transzendenten Dimension der Wahrheit unlöslich verbunden. Seine Genauigkeit als Wissenschaftler verband er mit der Demut des Jüngers, der auf das hört, was die Schönheit der Schöpfung über das Geheimnis Gottes und des Menschen aussagt. Aus seinem Dienst als Wissenschaftler, seinem „Dienst des Denkens“ machte er einen Weg zur Heiligkeit. Wenn wir über die Berufung des Wissenschaftlers sprechen, dürfen wir auch diesen Aspekt nicht vergessen. Zur täglichen Arbeit eines Gelehrten gehört ein besonderes ethisches Gespür. Es genügt nicht, sich nur um die logische, formale Korrektheit des Denkprozesses zu bemühen. Die geistige Arbeit muß notwendigerweise in die geistliche Atmosphäre der unerläßlichen moralischen Tugenden eingebettet sein, wie Ehrlichkeit, Mut, Bescheidenheit und Redlichkeit, gepaart mit echter Sorge um den Menschen. Dank der moralischen Sensibilität wird eine für die Wissenschaft sehr wesentliche Verbindung zwischen der Wahrheit und dem Guten gewahrt. Denn diese beiden Probleme sind nicht voneinander zu trennen! Das Prinzip der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung ist nicht zu trennen von der ethischen Verantwortung jedes 360 REISEN Gelehrten. Für die Wissenschaftler ist diese ethische Verantwortung besonders wichtig. Der ethische Relativismus und die rein utilitaristischen Haltungen sind eine Gefahr nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für den Menschen und für die Gesellschaft. Eine weitere Voraussetzung für die gesunde Entwicklung der Wissenschaft, die ich unterstreichen möchte, ist die ganzheitliche Sicht der menschlichen Person. Die große Auseinandersetzung über das Thema des Menschen endete hier in Polen nach dem Zusammenbruch der marxistischen Ideologie keineswegs. Sie wird fortgesetzt und hat sich in gewisser Hinsicht sogar verschärft. Die Formen der Dekadenz, die die menschliche Person und den Wert des menschlichen Lebens betreffen, haben sich verfeinert und sind gerade deshalb gefährlicher geworden. Auf diesem Gebiet ist heute große Wachsamkeit geboten. Hier eröffnet sich ein ausgedehntes Arbeitsfeld gerade für die Universitäten, für die Wissenschaftler. Ein entstelltes oder unvollständiges Menschenbild bewirkt, daß sich die Wissenschaft leicht aus einer Wohltat zu einer ernsten Gefahr für den Menschen entwickeln kann. Die durch wissenschaftliche Forschungsarbeit errungenen Fortschritte bestätigen voll und ganz diese Befürchtungen. Aus dem Menschen, der zuerst Subjekt und Ziel sein sollte, ist nicht selten ein Objekt oder sogar „Rohmaterial“ geworden! Man braucht nur an die Experimente der Gentechnik zu erinnern, die große Hoffnungen, aber gleichzeitig auch nicht wenige Befürchtungen für die Zukunft des Menschengeschlechtes wecken. Die Worte des II. Vatikanischen Konzils, auf die ich bei Begegnungen mit der Welt der Wissenschaft oft zurückgreife, sind wirklich prophetisch: „Unsere Zeit braucht mehr als die vergangenen Jahrhunderte diese Weisheit, damit humaner wird, was Neues vom Menschen entdeckt wird. Es gerät nämlich das künftige Geschick der Welt in Gefahr, wenn nicht weisere Menschen entstehen“ (Gaudium et spes, Nr. 15). Das ist die große Herausforderung, vor die heute die akademischen Einrichtungen in Forschung und Lehre gestellt sind: die Bildung von Menschen, die nicht nur in ihrem Fachbereich kompetent sind oder über reiches Detailwissen verfügen, sondern die vor allem mit authentischer Weisheit ausgestattet sind. Nur in dieser Weise gebildete Personen werden fähig sein, die Verantwortung für die Zukunft Polens, Europas und der Welt auf sich zu nehmen. 6. Ich weiß, daß die polnische Wissenschaft zur Zeit mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, was im übrigen auch für die polnische Gesellschaft gilt. Darüber habe ich während des Treffens mit den polnischen Universitätsrektoren im Vatikan ausführlicher gesprochen. Aber es fehlt nicht an Hoffnungszeichen. Polnische Gelehrte setzen oft unter sehr schwierigen Bedingungen mit großem Eifer die Arbeit in Forschung und Lehre fort. Nicht selten erreichen sie Positionen, die in der wissenschaftlichen Welt von Bedeutung sind. Heute möchte ich all denen, die für die polnische Wissenschaft tätig sind, meine aufrichtige Wertschätzung für ihre tägliche Mühe aussprechen und sie zu ihren Erfolgen beglückwünschen. 361 REISEN Herzlichen Dank für diese Begegnung! Ich wünschte sie so sehr, um ein weiteres Mal bezeugen zu können, daß die Kirche den Problemen der Wissenschaft nicht gleichgültig gegenübersteht. Meine Herren, Sie sollen stets gewiß sein, daß die Kirche mit Ihnen ist und daß sie - ihrer Sendung entsprechend - Ihnen dienen will. Ich bitte die hier Anwesenden, allen meine herzlichen Grüße zu überbringen: den Akademischen Senaten, den Professoren, den Dozenten, dem Personal in Verwaltung und Technik und den jungen Studenten der Einrichtungen, von denen Sie kommen. Herzlich danke ich den Vertretern der Regierungsbehörden für ihre Anwesenheit. Zum Schluß wende ich mich an die ehrwürdigen Jubilare: an die Jagellonen-Universität und an die Päpstliche Theologische Akademie mit den besten Wünschen der reichen Gnadenfülle des Heiligen Geistes für den weiteren Dienst an der Wahrheit. Während ich die Fürsprache der hl. Schutzpatrone, des hl. Bischofs und Märtyrers Stanislaus, des hl. Johannes von Kety und der hl. Hedwig, der Gründerin der Jagellonen-Universität und der theologischen Fakultät, erflehe, erteile ich allen von Herzen den Apostolischen Segen. - Bevor ich das tue, kann ich nicht umhin, eine schwer zu vergessende Begebenheit zu erwähnen. Viele solche Begebenheiten kamen mir in den Sinn, als ich diese Rede vorbereitete; doch diese eine muß ich unbedingt hinzufügen, auch wenn sie nicht im Text steht. Ich will auf den 6. November 1939 zurückkommen. Ich war damals Polonistik-Student. Natürlich war bereits Krieg. An jenem Tag war ich in der Golebia-Straße in unserem Institut gewesen. Ich hatte noch mit den Professoren sprechen können - mit Professor Nietsch -, die Eile hatten, sich zu dem von den deutschen Behörden gewünschten Treffen zu begeben. Von diesem Treffen sind sie nie zurückgekehrt, sind sie nicht nach Hause zurückgekehrt: Sie waren nach Sachsenhausen deportiert worden. In der Geschichte der Universität Krakau hat es sicher viele andere Begebenheiten wie diese gegeben. Sie bestätigen indes, daß diese unsere „Alma Mater“ eine leidende, eine sich opfernde „Alma Mater“ ist. Ich gedenke meiner Professoren: derer, die gestorben sind, derer im Konzentrationslager, derer, die zurückkehrten, aber kurz darauf gestorben sind, und ich bete für ihr Leben in Gott. Denn letzten Endes will jede Mutter sich dafür hingeben, daß die Berufung jedes Menschen sich in Gott erfüllen kann. Ich danke aufrichtig den anwesenden Damen und Herrn. Nach der Erteilung des Segens sagte der Papst: Wenn ich auf diese Kanzel schaue, sehe ich noch Bischof Jan. Wie viele Jahre hat dieser der Kirche St. Anna so sehr verbundene Diener Gottes der akademischen Welt Krakaus gedient! Meine Herren, viele Gedanken, viele Erinnerungen birgt das Gedächtnis und das Herz in seiner Tiefe, doch es soll nicht zu lang werden. Herzlichen Dank. An eine Person und an eine Tatsache muß ich vielleicht noch erinnern. In den Jahren der Kämpfe für die Päpstliche Theologische Fakultät, die nunmehr 600 Jahre alt ist, hat mir der verstorbene Professor Adam Vetulani sehr 362 REISEN geholfen. Auch viele andere haben es getan, doch ich erwähne ihn, weil er mir besonders nahe war. Gott vergelte es Ihnen allen! „Magis ratio quam vis!“ Geht mit Gott! Dienst am Kranken ist Dienst an Christus Ansprache beim Besuch der neuerrichteten Poliklinik für Herzchirurgie in Krakau - Begegnung mit Ärzten, Kranken und Sanitätspersonal am 9. Juni Meine Lieben! 1. Ich freue mich sehr darüber, daß es mir gegeben ist, im Verlauf meiner Pilgerschaft im Heimatland das Krakauer Spezialkrankenhaus zu besuchen und die neuerrichtete Poliklinik für Herzchirurgie zu segnen. Ich freue mich, bei dieser Gelegenheit mit den Kranken und ihren Ärzten und Pflegern Zusammentreffen zu können. Ich komme tiefbewegt zu euch und danke der Leitung und den Angestellten für diese Einladung. 1913 hat der Stadtrat von Krakau beschlossen, hier, im Stadtviertel Bialy Pradnik, ein städtisches Krankenhaus zu errichten. Vier Jahre später war der Bau bezugsfertig. Das Krankenhaus feiert heuer sein 80jähriges Bestehen und damit acht Jahrzehnte seines hochherzigen Dienstes an den Kranken. Wie sollte man bei dieser Gelegenheit nicht all derer gedenken, die, barmherzigen Samaritern gleich, unter Gefährdung der eigenen Gesundheit dem leidenden Menschen Hilfe brachten! Wir neigen das Haupt besonders in Erinnerung an diejenigen, die den höchsten Preis zahlten, indem sie ihr Leben hingaben. Einige von uns erinnern sich sicher noch an Doktor Aleksander Wielgus, der 1939 starb, nachdem er sich mit Tuberkulose angesteckt hatte, oder an Frau Dr. Sielecka-Meier, die in den ersten Jahren nach der Befreiung aus dem gleichen Grund gestorben ist. Wie könnte man die voll evangelischer Hingabe erbrachte Arbeit der Herz-Jesu-Schwestem unerwähnt lassen! Mit ihrem Dienst an den Kranken, mit dem Opfer der eigenen Gesundheit, manchmal sogar des Lebens haben sie eine schöne Seite in der Geschichte dieses Krankenhauses geschrieben. Zweimal befand sich die selige Schwester Faustina hier zur Behandlung. Nun ist dieses Spezialkrankenhaus vor kurzem um eine neue Klinik für Herzchirurgie bereichert worden. Worte aufrichtigen Dankes möchte ich den Erbauern dieser Klinik aussprechen. Es ist das Verdienst vieler Menschen, deren Namen ich hier nicht alle aufzählen könnte. Ich danke heute Gott für das Geschenk der menschlichen Arbeit und der menschlichen Solidarität mit dem Kranken. 2. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Mit diesen Worten Jesu Christi wende ich mich an euch, die ihr in die- 363 REISEN sem Krankenhaus arbeitet, und durch euch an alle, die in Polen im Gesundheitswesen tätig sind. Ich hege große Anerkennung und Achtung für euren Dienst. Er verlangt Opfergeist und Hingabe an den kranken Menschen und hat daher eine zutiefst evangelische Dimension. In der Sicht des Glaubens erscheint euer Dienst als Dienst an Christus selbst, der auf geheimnisvolle Weise im leidgeprüften Menschen gegenwärtig ist. Deshalb verdient euer Beruf höchste Achtung. Er stellt eine außerordentlich wertvolle Aufgabe dar, die sich am treffendsten mit dem Wort „Berufung“ definieren läßt. Ich weiß gut, unter welch äußerst schwierigen Bedingungen ihr mitunter arbeiten müßt. Ich vertraue darauf, daß sich sämtliche Probleme des Gesundheitswesens in Polen auf kluge und gerechte Weise zum Wohl der Patienten sowie der Ärzte und des Pflegepersonals lösen lassen werden. Nehmt heute meine Anerkennung für diese hochherzige und mit Selbstaufopferung verrichtete Arbeit entgegen. Ihr nehmt gewissermaßen die Last des Leidens und des Schmerzes eurer Schwestern und Brüder auf eure Schultern, wenn ihr ihnen Erleichterung verschafft und die ersehnte Gesundheit wiederherstellt. Mein Dank gilt in besonderer Weise allen, die unerschrocken auf der Seite des Gesetzes Gottes stehen, der das Leben der Menschen lenkt. Ich wiederhole noch einmal, was ich in der Enzyklika Evangelium vitae geschrieben habe: „Euer Beruf macht euch zu Hütern und Dienern des menschlichen Lebens. In dem heutigen kulturellen und sozialen Umfeld, in dem die Wissenschaft und die ärztliche Kunst Gefahr laufen, die ihnen eigene ethische Dimension zu verlieren, könnt ihr bisweilen stark versucht sein, zu Urhebern der Manipulation des Lebens oder gar zu Todesvoll-streckem zu werden. Angesichts dieser Versuchung ist eure Verantwortung heute enorm gewachsen und findet ihre tiefste Inspiration und stärkste Stütze gerade in der dem Ärzteberuf innewohnenden, unumgänglichen ethischen Dimension, wie schon der alte und immer noch aktuelle hippokratische Eid erkannte, demgemäß von jedem Arzt verlangt wird, sich zur absoluten Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Heiligkeit zu verpflichten“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 89). Ich freue mich, daß der Berufsstand der Ärzte in Polen in seiner großen Mehrheit diese Verantwortung annimmt, indem er nicht nur durch Behandlung und Pflege das Leben erhält, sondern auch standhaft von Handlungen absieht, die zu dessen Zerstörung führen könnten. Herzlich danke ich den Ärzten, Krankenpfle-gem/-pflegerinnen und allen im polnischen Gesundheitswesen Tätigen, die das göttliche Gesetz „Du sollst nicht töten“ über alles stellen, was das menschliche Gesetz zuläßt. Ich danke euch für dieses Zeugnis, das ihr besonders in jüngster Zeit gebt. Ich bitte euch: Führt beharrlich und mit Enthusiasmus eure anerkennenswerte Aufgabe fort, entsprechend den euch eigenen Spezialisierungen dem Leben in allen seinen Dimensionen zu dienen. Mein Gebet soll euch in diesem Dienst Beistand leisten. 364 REISEN 3. Mit einem herzlichen Grußwort wende ich mich an euch, liebe Kranke, die ihr an dieser Begegnung teilnehmt, wie auch an jene, die nicht hier bei uns sein können. Jeden Tag suche ich, euch in euren Leiden nahe zu sein. Ich kann das sagen, weil ich Krankenhausbetten gut aus eigener Erfahrung kenne. Um so inständiger flehe ich im täglichen Gebet für euch zu Gott - ich bitte für euch um Kraft und Gesundheit; ich bete, daß ihr in Leiden und Krankheit nicht die Hoffnung verliert; ich bete dafür, daß ihr vermögt, euren Schmerz zu Füßen des Kreuzes Christi zu legen. Menschlich gesehen ist die Situation eines kranken Menschen schwierig, schmerzlich, manchmal geradezu demütigend. Aber gerade deshalb seid ihr Christus besonders nahe, nehmt ihr gewissermaßen physisch an seinem Opfer teil. Das Leiden und die Auferstehung unseres Erlösers wird euch helfen, euch über das Geheimnis eures Leidens klarer zu werden. Dank euch, dank eurer Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten besitzt die Kirche unschätzbare Reichtümer in ihrem geistlichen Schatz. Dank euch können die anderen daraus schöpfen. Nichts bereichert die anderen so sehr wie die ungeschuldete Gabe des Leidens. Denkt daher, besonders wenn ihr euch vereinsamt fühlt, immer daran, daß die Kirche, die Welt, unser Vaterland euch brauchen. Denkt auch daran, daß der Papst euch braucht. Ich muß zugeben, daß ich in den 58 Jahren, die ich in Polen lebte, kaum Krankenhauserfahrungen gemacht hatte. Lediglich als Junge, weil mein älterer Bruder Arzt war, und dann wegen eines Unfalls, den ich gegen Ende des Krieges hatte. Damit hatte es sich. Wesentlich zahlreicher waren meine Erfahrungen in Rom. In der Poliklinik Gemelli lag ich mindestens viermal, sei es für wenige Tage oder für einige Wochen. Herr Dr. Buzzonetti, der mich auf dieser Reise begleitet, kann das bezeugen. Abschließend möchte ich euch allen sagen, wie sehr ich auf diese Begegnung mit euch gewartet habe. Sie durfte auf meiner Pilgerreise nicht fehlen. Ich bete dafür, daß euch in diesen schweren, von Qualen erfüllten Augenblicken eures Lebens die Kraft des Glaubens beistehen möge. Ich bete dafür, daß ihr mit der Hilfe des Lichtes des Heiligen Geistes entdeckt, daß das von der Liebe veredelte Leiden „ein Gut [ist], vor dem sich die Kirche voll Verehrung, in der ganzen Tiefe ihres Glaubens an die Erlösung, verneigt“ (Salvifici doloris, Nr. 24). Indem ich alle Kranken und alle, die ihnen dienen, Gott empfehle, segne ich euch alle von Herzen. Gemeindeleben muß auf den Altar gerichtet sein Ansprache beim Besuch in der Pfarrei Sankt Hedwig in Krakau am 9. Juni 1. „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“1 (Ps 122,1). Ich wiederhole dieses Bekenntnis des Psalmisten, wenn ich heute hierher, in diese Kirche und in eure Pfarrgemeinde komme. Auch ich habe mich gefreut, als man 365 REISEN mir bei der Zusammenstellung des Programmes meiner Pilgerfahrt sagte, daß wir „zum Haus des Herrn pilgern“ würden — zu diesem Haus in Krowodrza, dessen Schutzpatronin die heilige Königin Hedwig ist. Ich hatte den Wunsch, an diesen Ort zurückzukommen, wo ich 1974 zu Beginn des Schuljahres meine erste heilige Messe als Metropolit von Krakau feierte. Ich erinnere mich an diesen Platz und das kleine Haus, das zugleich das Haus für die Katechese und das Zentrum der entstehenden Pfarrei war. Die Kirche gab es damals noch nicht, ja es gab nicht einmal die Genehmigung für ihre Errichtung, aber es gab bereits eine andere Kirche - die aus lebendigen Steinen auf dem Fundament Christi erbaute Kirche. Es gab die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich unter freiem Himmel versammelte und alle Unbequemlichkeiten ertrug, um die Eucharistie zu feiern, das Wort Gottes zu hören, zu beichten, zu beten ... Eins waren sich die Gläubigen auch in dem großen Wunsch, daß an dieser Stelle, inmitten der Häuserblocks der entstehenden Wohnsiedlung, eine Kirche errichtet werden sollte - ein Haus des Herrn und ein Haus für künftige Generationen seiner Bekenner. Sie haben weder Mühen noch Opfer gescheut, um dieses Werk zu verwirklichen. Durch die Fügung der göttlichen Vorsehung kann ich heute diese Kirche betreten, um Gott gerade hier zusammen mit euch für das Geschenk der Heiligkeit der Königin Hedwig zu danken, die ich gestern heiligsprechen durfte. 2. Während ich mich in dieser Danksagung mit euch vereinige, möchte ich die Ortspfarrer grüßen, an erster Stelle Msgr. Jan, der von Anfang an auf meine damalige Weisung hin das Leben dieser Pfarrei organisierte. Ich grüße die Kommunität der Schwestern der Hl. Familie von Nazaret, die seit den ersten Jahren des Bestehens der Pfarrei die Priester bei ihrer katechetischen, karitativen und liturgischen Arbeit unterstützen. Schließlich will ich euch alle, die ihr hier anwesend seid, und die ganze von euch vertretene Pfarrgemeinde herzlich umarmen. Ich weiß, daß dies eine lebendige Gemeinde ist, die den Geist des Glaubens und der Frömmigkeit ausstrahlt und auch große Sorge für den Menschen, für seine - nicht nur geistliche, sondern auch kulturelle und physische - Entwicklung beweist. Dieses Leben konzentriert sich in zahlreichen Gruppen und Gemeinschaften: Gebetsgemeinschaften, liturgische, karitative Gemeinschaften, Kultur- und Sportgruppen ... Jeder kann da einen Platz finden, um seine Interessen zu erweitern, aber auch um den Glauben zu vertiefen. Das ist eine durchaus anerkennungswürdige Aktivität. Wie sagt doch der Psalmist: „Auch der Sperling findet ein Haus und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen - deine Altäre, Herr der Heerscharen, mein Gott und mein König“ (Ps 84,4). Diese Worte bezeichnen sehr klar die Richtung des Lebens und der Tätigkeit einer Pfarrgemeinde. Was in ihr geschieht, muß sich an „den Altären“ vollziehen, muß zum Altar führen. Das Leben der Gemeinschaften, die in der Pfarrei tätig sind - sowohl jener, die unmittelbar an die Liturgie, die Katechese oder das Gebet gebunden sind, wie auch jener, die Kultur oder Sport fordern -, ist dann wirklich fruchtbar, vermag den Menschen wirklich zu erbauen, wenn es sie 366 REISEN endgültig Christus nahebringt, diesem Christus, der sich auf dem Altar dem Vater zum Opfer bringt und sich ganz den Menschen hingibt, um sie zu heiligen. Ich wünsche den Seelsorgern, den Ordensschwestern, dem ganzen Gottesvolk dieser Pfarrei und allen Pfarrgemeinden der Kirche in Polen, daß das treue Ausharren neben dem in der Eucharistie gegenwärtigen Christus im Leben eines jeden von euch glückliche Frucht bringen möge. „Wohl denen, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben!“ ([Ps 84,5). 3. Ich blicke von dieser Kirche auf meine geliebte Stadt Krakau. Ich erinnere mich an alle Stadtviertel, an alle Pfarreien, die ich als Oberhirte der Erzdiözese besuchte. Seit damals sind einige Dutzend neue Kirchen errichtet worden, die damals reine Wunschplanung des Erzbischofs gewesen waren. Meinem Nachfolger war es gegeben, die Pläne zu verwirklichen und die Kirchen zu segnen. Ich danke der göttlichen Vorsehung für alle diese neuen Pfarreien in Krakau und Nowa Huta, die bereits bestehen oder die dank des Wohlwollens der örtlichen Behörden jetzt dort entstehen, wo sie gebraucht werden. Ich schließe alle in mein Herz und mein Gebet ein. Abschließend möchte ich noch etwas hinzufügen, was nicht auf diesem Textblatt steht. Ich bin sicher, daß die Königin Hedwig von den Pfadfindern von Krowodrza wußte und sich ihnen anzuschließen beschlossen hat. Sie hat gut daran getan. Sechshundert Jahre mußte sie auf ihre Heiligsprechung warten. Seitdem sie sich den Pfadfindern von Krowodrza angeschlossen hat, war alles gelaufen. Ich möchte mich auch an die Gruppen wenden, die mit ihren Fahnen draußen vor der Kirche stehen. Es sind großenteils Standarten der Nationalarmee. Da ich gesehen habe, daß sie mir gute Gesundheit gewünscht haben, will ich ihnen sagen: Ich war im Krankenhaus, aber sie wollten mich dort nicht behalten. Sie haben mich gehen lassen, haben lediglich den Vor- und Zunamen eingetragen und werden jetzt davon immer Gebrauch machen. Ich vertraue euch, die ihr hier anwesend seid, eure Pfarrei und alle Pfarreien in Polen dem liebevollen Schutz der heiligen Königin Hedwig an und segne alle von Herzen. Sei. Johannes von Dukla — Führer der Menschen zu Gott Ansprache beim Gebetstreffen mit Priestern und Ordensleuten am Grab des sei. Johannes in Dukla am 9. Juni 1.„Singet dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Länder der Erde!“ (Ps 95/96,1). Liebe Brüder und Schwestern, wie freut sich mein Herz, daß es mir heute auf meinem Pilgerweg gegeben ist, in der Stadt zu verweilen, in der der sei. Johannes von Dukla geboren ist. Meine Gedanken kehren zurück zu jenem Tag vor vielen Jahren, an dem ich den Wallfahrtsort Dukla besuchte, insbesondere die Kapelle des 367 REISEN sei. Johannes „in der Wüste“, wie man zu sagen pflegte. Heute komme ich wieder in eure Stadt, die mit ihrer ganzen Geschichte „dem Herrn ein Lied der Ehre und des Lobes singt“ für das Geschenk dieses frommen Ordensmannes, dessen Heiligsprechung morgen in Krosno stattfinden wird. Von ganzem Herzen grüße ich die Bemhardinerpatres, die treuen Wächter dieses Ortes. Ihr seid es, die Sorge tragen für die Reliquien eures hervorragenden Mitbruders Johannes. Herzlich grüße ich auch die Priester, die in dieser Stadt arbeiten, an erster Stelle den Dekan, und auch die städtischen Obrigkeiten und alle Bewohner von Dukla und Umgebung. Heute ist gewissermaßen euer Fest, das Gott euch in seiner Güte bereitet hat. Das ist der Tag, den der Herr uns gemacht hat. Ich grüße auch diejenigen, die von weither, aus verschiedenen Teilen des Landes gekommen sind, um an diesem unserem gemeinsamen Treffen teilzunehmen, vor allem die Bischöfe, angeführt vom Kardinal-Primas, ... und — wie wir gehört haben — nicht nur aus dem Inland, sondern auch aus dem Ausland, von jenseits der Ostgrenze, von jenseits der Südgrenze und ich weiß nicht welcher anderen Grenze. 2. Wie nahe scheint uns der sei. Johannes hier in dieser Kirche zu sein, wo seine Reliquien aufbewahrt werden! Ich wollte so gerne hierher kommen, um im Schweigen des Klosters der Stimme seines Herzens zu lauschen und zusammen mit euch tiefer über das Geheimnis seines Lebens und seiner Heiligkeit nachzudenken. Es war ein ganz und gar Gott hingegebenes Leben. Es begann in der nahen Einsiedelei. Gerade dort, im Schweigen und im geistlichen Kampf war es, daß „Gott ihn ergriff4, so daß sie von diesem Augenblick an zusammen blieben bis ans Ende. In diesen Bergen lernte er leidenschaftlich beten und die Geheimnisse Gottes leben. Langsam festigte sich sein Glaube und wurde seine Liebe stark, um später heilsame Früchte zu tragen, nicht mehr in der Einsamkeit, in der Einsiedelei, sondern zwischen den Klostermauem bei den Konventualfranziskanem und dann den Bernhardinern, wo er seinen letzten Lebensabschnitt verbrachte. Der sei. Johannes erwarb sich den Ruf eines weisen Predigers und eifrigen Beichtvaters. Bei ihm fanden sich viele Menschen ein, die nach der gesunden Lehre über Gott hungerten, um seine Predigten zu hören, oder die Trost und Rat suchend zu seinem Beichtstuhl kamen. Er wurde bekannt als geistlicher Führer und weiser Berater von vielen. Die Texte sagen, daß er trotz seines Alters und des verlorenen Sehvermögens weiterarbeitete. Er bat schließlich darum, daß die Predigten vorgelesen würden, und er tastete sich mühsam zum Beichtstuhl hin, um Menschen zur Umkehr und zu Gott führen zu können. 3. Die Heiligkeit des sei. Johannes entsprang seinem tiefen Glauben. Sein ganzes Leben, seine apostolische Spannkraft, die Liebe zum Gebet und zur Kirche, das alles war im Glauben gegründet. Der Glaube war für ihn eine Kraft, die ihn befähigte, all dem zu entsagen, was materiell und zeitlich, und sich dem zu widmen, was Gottes und geistlich war. 368 REISEN Herzlich möchte ich dem Herrn Erzbischof von Przemysl danken, daß er mich nach Dukla eingeladen hat, und für seine Bemühungen, damit dieses Treffen zustande kommen konnte. Ich danke den Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen, die, in dieser Grenzlanddiözese den Spuren des sei. Johannes folgend, das Gottesvolk auf den Wegen des Glaubens leiten. Gott vergelte euch diese eure Mühe und Arbeit. In meinen Dank schließe ich die Kranken und die Leidenden ein sowie alle, die das Kreuz des Alters und der Einsamkeit tragen im nahen Korczyna und an anderen Orten des menschlichen Golgota. Auch an die Jugendlichen wende ich mich: Habt keine Furcht vor Widerspruch und Schwierigkeiten, laßt euch dadurch nicht entmutigen, sondern bringt voll Vertrauen auf die mächtige Hilfe des frommen Johannes mit Mut und freudiger Begeisterung das Licht des Evangeliums. Habt den Mut, das Salz der Erde und das Licht der Welt zu werden. Hier, an dieser Stelle, wollen wir auch um zahlreiche Priester- und Ordensberufüngen und um neue apostolische Berufungen unter den Laien beten. Soviel ich weiß, fehlt es hier nicht an Berufungen, sie sind recht zahlreich, doch die Ernte ist groß, und die ganze Welt wartet. 4. Brüder und Schwestern, besucht oft diesen Ort! Er ist die große Kostbarkeit dieser Gegend, weil der Geist des Herrn hier durch euren heiligen Landsmann zu den Herzen der Menschen spricht. Er sagt, daß das persönliche Leben, das Leben der Familie und das Leben der Gesellschaft auf dem Glauben an Jesus Christus aufgebaut werden muß. Der Glaube gibt ja all unserem Bemühen den Sinn. Er hilft das wahre Gute entdecken, gibt die richtige Wertordnung, durchdringt das ganze Leben. Wie treffend ist das alles in den Worten aus dem Brief des hl. Apostels Johannes ausgedrückt: ,Alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,4). Zum Schluß empfangt meinen Segen, der euch Anwesenden und auch euren Familien und euren Lieben gilt. Ich segne diese Stadt und alle ihre Einwohner. Der Papst schloß mit den spontanen Worten: Der hl. Johannes im Himmel soll hören, wie ihr ihm hier applaudiert. Jetzt müssen wir dieses erste Treffen beenden, warten wir auf morgen. Wir müssen noch beten, und dann erteile ich euch meinen Segen. 369 REISEN Johannes von Dukla - ein bodenständiger Heiliger im Dienst für das Brot und das Wort des Lebens Predigt bei der hl. Messe zur Heiligsprechung von Johannes von Dukla in Krosno am 10. Juni 1. „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (Jes 61,1). Diese Worte des Propheten Jesaja, die in der ersten Lesung stehen, wurden von Jesus zu Beginn seines öffentlichen Lebens in der Synagoge von Nazaret gesprochen: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ {Jes 61,1-2). An jenem Tag verkündete Jesus in der Synagoge die Erfüllung: Der Heilige Geist hatte gerade ihn gesalbt im Hinblick auf seine messianische Sendung. Aber diese Worte haben eine Geltung, die sich auch auf alle erstreckt, die von Gott berufen und gesandt sind, die Mission Christi fortzusetzen. Sie lassen sich gewiß auch auf Johannes von Dukla anwenden, den ich heute zu den Heiligen der Kirche hinzurechnen darf. Ich danke Gott, daß die Heiligsprechung des sei. Johannes von Dukla in seinem Heimatland stattfinden kann. Sein Name und mit ihm der Glanz seiner Heiligkeit sind fiir immer mit Dukla verbunden, der kleinen, doch sehr alten Stadt am Fuß des Berges Cergowa und der Kette der mittleren Beskiden. Diese Berge und diese Stadt sind mir seit alten Zeiten gut bekannt. Viele Male kam ich hierher oder ging in Richtung der Bieszczady oder umgekehrt von den Bieszczady durch die Niederen Beskiden nach Rrynica. Ich konnte die örtliche Bevölkerung kennenlemen: Sie war liebenswürdig und gastfreundlich, wenn auch oft verwundert beim Anblick der Gruppe von jungen Leuten, die mit schweren Rucksäcken bepackt durch ihre Berge wanderten. Ich freue mich, daß ich wieder nach hier kommen konnte, daß ich in diesem schönen Gebirge und am Fuß dieses Cergowaberges euren Landsmann als Heiligen der Kirche verkündigen durfte. Johannes von Dukla ist einer der vielen Heiligen und Seligen, die im Lauf des 14. und 15. Jahrhunderts auf polnischer Erde herangewachsen sind. Alle waren mit dem fürstlichen Krakau verbunden. Die Theologische Fakultät von Krakau, von Königin Hedwig gegen Ende des 14. Jahrhunderts errichtet, zog sie an. Sie belebten die Universitätsstadt mit dem Hauch ihrer jugendlichen Frische und ihrer Heiligkeit und zogen von dort aus nach dem Osten. Ihre Wege führten sie vor allem nach Leopoli (Lwiw/poln., Lwow/ukrain., Lemberg), wie es bei Johannes von Dukla der Fall war, der die meiste Zeit seines Lebens in dieser großen Stadt zubrachte, einem Zentrum, das durch sehr enge Bande mit Polen verbunden war, 370 REISEN besonders seit den Zeiten Kasimirs des Großen. Der hl. Johannes von Dukla ist der Patron der Stadt Leopoli und ihrer ganzen Umgebung. Sein Name wird nun für immer nicht nur mit der Stadt verbunden sein, wo seine Heiligsprechung stattfindet, Krosno am Wislok, sondern auch mit Przemysl und der Erzdiözese Przemysl, deren Hirten, Erzbischof Jozef Michalik, ich herzlich grüße. Mit ihm zusammen grüße ich auch seinen Vorgänger, Erzbischof Ignacy Tokarczuk, dessen Name in besonderer Weise in die zeitgenössische Geschichte der Kirche in Polen eingeschrieben ist. Sie kann seinen großen Mut während der kommunistischen Regierung nicht vergessen und vor allem nicht die Entschiedenheit, die er in den Kämpfen um die Errichtung der notwendigen kirchlichen Gebäude in Polen bewies. Ich freue mich, daß ich bei dieser Gelegenheit noch einmal den lieben Erzbischof treffen darf, mit dem ich während meiner Zeit als Metropolit von Krakau so verbunden war. Herzlich grüße ich Bischof Boleslaw, der lange Jahre Weihbischof war und heute emeritiert ist, sowie den jetzigen Weihbischof von Przemysl, Msgr. Stefan. Ich freue mich über die Anwesenheit des Metropoliten Iwan Martyniak und der griechisch katholischen Bischöfe. Eine besondere Freude ist mir die Anwesenheit von Erzbischof Marian Jaworski von Leopoli hier unter uns. Als Hirte der wieder auflebenden Kirche ist er in die Stadt zurückgekehrt, in der er geboren und aufgewachsen ist: nach Leopoli, das mit Recht semper fidelis genannt wird! Ich grüße alle Bischöfe der Metropolen Przemysl und Leopoli und auch die in großer Zahl anwesenden Diözesan- und Ordenspriester, die Ordensfrauen und euch liebe Brüder und Schwestern, Einwohner dieser Landstriche, in denen mir so oft Gastfreundschaft gewährt wurde und die ich von ganzem Herzen liebe. Wir alle sind erfreut über die Anwesenheit der Bischöfe der Ostkirche, der katholischen wie der orthodoxen, zusammen mit ihren Priestern, ihren Ordensleuten und ihren Gläubigen. Und auch über das Hiersein der ausländischen Gäste, die der Erzbischof von Przemysl zu Beginn begrüßt hat, freuen wir uns. 2. Während wir heute die Heiligsprechung von Johannes von Dukla vollziehen, müssen wir uns die Berufung dieses geistlichen Sohnes des hl. Franziskus und seine Sendung in einem etwas weiteren geschichtlichen Kontext ansehen. Polen hatte schon vierhundert Jahre früher das Christentum empfangen. Fast vierhundert Jahre waren vergangen, seitdem der hl. Adalbert in Polen gewirkt hatte. Die folgenden Jahrhunderte waren gezeichnet vom Martyrium des hl. Stanislaus und von der fortschreitenden Evangelisierung und der Entwicklung der Kirche in unseren Ländern. Das war in großem Maß mit dem Wirken der Benediktiner verbunden. Im 13. Jahrhundert treffen die Söhne des hl. Franziskus von Assisi in Polen ein. Die franziskanische Bewegung fand in unseren Ländern das passende Erdreich. Sie brachte Frucht auch in einer ganzen Schar von Seligen und Heiligen, die, aus dem Beispiel des Armen von Assisi schöpfend, das polnische Christentum mit dem Geist der Armut und der Bruderliebe belebten. Mit der Tradition der Armut nach dem Evangelium und der Einfachheit in der Lebensführung verbanden sie 371 REISEN Wissen und Weisheit, und das wirkte sich auch auf die Pastoralarbeit aus. Man kann sagen, daß sie die Worte aus dem Brief an Timotheus, die wir heute in der zweiten Lesung hörten, ernst genommen haben: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,1-2). Diese gesunde Lehre, unerläßlich schon zu den Zeiten des Paulus, war auch in der Zeit unerläßlich, in der Johannes von Dukla lebte und wirkte. Auch damals fehlte es nicht an solchen, die die gesunde Lehre nicht ertrugen, sondern nach eigenen Wünschen, von sich aus und nach ihrem Ermessen vielerlei Lehrern nachgingen, der Wahrheit den Rücken kehrten und sich Fabeleien zuwandten (vgl. 2 Tim 4,3-4). Die gleichen Schwierigkeiten fehlen auch heute nicht. Nehmen wir also die Worte des Paulus so an, als ob sie uns durch das Leben des hl. Johannes von Dukla aufs neue vorgelegt würden, neu vorgelegt für alle und für jeden, besonders für die Priester, die Ordensmänner und die Ordensfrauen: „Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst!“ (2 Tim 4,5). „Nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Mt 23,10-12). Seht: Genau das war das Programm, das der hl. Johannes von Dukla, dem Evangelium entsprechend, in seinem Leben verwirklichte. Es ist ein christozentrisches Programm. Jesus Christus war für ihn der einzige Lehrer. Vorbehaltlos ahmte er das Beispiel seines Meisters und Herrn nach. Über alles andere hinaus hatte er den Wunsch, zu dienen. Darin besteht das Evangelium der Weisheit, der Liebe und des Friedens. Er setzte dieses Evangelium sein ganzes Leben lang in die Tat um. Und heute ist dieses dem Evangelium getreue Werk des Johannes von Dukla zur Ehre der Altäre gelangt. In seinem Heimatland wird er zum Heiligen der Universalkirche erklärt. Seine Heiligsprechung liegt auf dem Weg, den die ganze Kirche zurücklegt, auf dem Weg, der zum Ziel des zweiten Jahrtausends seit der Geburt Christi führt. Zusammen mit all denen, die die Kirche in Polen ins herannahende dritte Jahrtausend führen, zusammen mit dem hl. Adalbert, dem hl. Stanislaus und der hl. Hedwig, stellt sich auch er, der hl. Johannes von Dukla, vor. Und seine Heiligsprechung bildet einen neuen Reichtum der Kirche in seinem Vaterland. Das ist wohl ein besonderer Nachtrag zu den Gelübden des Johann Kasimir, die er eines Tages vor der Gnadenmutter in der Kathedrale von Leopoli ablegte. Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Ort, von dem aus man die grünen Getreidefelder sieht, die in Kürze anfangen, goldgelb zu werden und den Landmann zur harten Arbeit „für das Brot“ aufzufordem -: an diesem Ort möchte ich an die Worte erinnern, die der König Johann Kasimir an jenem historischen Tag vor dem Thron der Gnadenmutter in der Kathedrale von Leopoli sprach. Sie brachten einen 372 REISEN großen, fürsorglichen Eifer für die ganze Nation zum Ausdruck, den Wunsch nach Gerechtigkeit und den Willen, die Lasten zu beseitigen, die seine Untergebenen, besonders die Landleute, niederdrückten. Heute möchte ich bei der Heiligsprechung von Johannes von Dukla, einem Sohn dieser Region, der Arbeit des Bauern Ehre erweisen. In Ehrfurcht beuge ich mich über diese Erde der Bieszczady, die in der Geschichte viel Leid durch Kriege und Konflikte erfuhr und heute von neuen Schwierigkeiten geprüft wird, vor allem durch die Arbeitslosigkeit. Ich möchte der Liebe des Bauern zur Scholle meine Hochachtung bezeigen, denn sie hat immer den starken Rückhalt gebildet, auf dem die Identität der Nation beruhte. In den Stunden großer Gefahr, in den dramatischsten Stunden der Geschichte der Nation erwiesen sich diese Liebe und dieses Verbundensein mit dem Boden als äußerst bedeutsam im Kampf ums Überleben. Das darf heute, in Zeiten großer Umgestaltungen, nicht vergessen werden. Ich bezeige meine Ehrfurcht den Händen des polnischen Volkes, die den Boden bearbeiten, diesen Händen, die dem schweren, harten Erdreich Brot für das Land abgewinnen und die in Zeiten der Gefahr bereit sind, es zu schützen und zu verteidigen. Bleibt den Traditionen eurer Vorfahren treu! Sie haben, wenn sie die Augen von der Erde erhoben, mit ihrem Blick den Horizont umfangen, wo der Himmel sich mit der Erde verbindet, und haben das Gebet um eine gute Ernte zum Himmel emporgeschickt, das Gebet für den Samen und für den Sämann, für das Korn und für das Brot. Sie haben jeden Tag und jede Arbeit im Namen Gottes begonnen, und mit Gott beendeten sie ihre Landwirtsarbeit. Bleibt dieser uralten Tradition treu! Sie bringt die tiefste Wahrheit über den Sinn und die Fruchtbarkeit eurer Arbeit zum Ausdruck. So werdet ihr dem Sämann des Evangeliums ähnlich sein. Habt Achtung vor jedem Samenkorn, das die wunderbare Kraft des Lebens in sich schließt. Habt auch Achtung vor dem Samen des Wortes Gottes. Nie verstumme im Mund des polnischen Landmanns dieser schöne Gruß „Szczesc Boze“ („Gott sei dir gnädig“) und „Gelobt sei Jesus Christus“. Grüßt euch, einander das Beste wünschend, mit diesen Worten. Sie bringen eure christliche Würde zum Ausdruck. Laßt nicht zu, daß sie euch genommen wird — man versucht es, das zu tun! Die Welt ist voller Gefahren. Durch die Kommunikationsmittel gelangen gewisse Botschaften auch in die polnischen Landgebiete. Schafft eine Kultur der ländlichen Gebiete, in der neben den neuen Dimensionen, die die Zeit gebracht hat, auch - wie bei einem guten Hausherrn - Raum bleibt für das Alte, das von der Tradition geheiligt und von der Jahrhunderte alten Wahrheit bestätigt ist. Dieses Land mit dem Herzen umfassend, möchte ich euch auch meine Hochschätzung zum Ausdruck bringen für die Opfer, die ihr für das Errichten der sakralen Bauten gebracht habt. Oft habt ihr aus der harten Mühe der Landarbeit jenes Scherflein der Witwe zu ziehen gewußt, mit dessen Hilfe es Christus zugestanden wurde, seinen Platz in diesem Winkel Polens zu haben. Gott belohne euch für diese schönen Kirchen, die Fracht der Arbeit eurer Hände und Fracht eures Glau- 373 REISEN bens! „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 88/89,2), haben wir eben im Zwischengesang gebetet. Ihr habt diese neuen Kirchen gerade deshalb errichtet, weil ihr für euch selbst und für die kommenden Generationen einen Ort haben wolltet, um das Lob des Herrn zu singen. Man muß sich fest an Christus, den Guten Sämann, anklammem und seiner Stimme folgen auf den Wegen, die er uns weist. Und das sind Wege verschiedener und vielfältiger Initiativen, heute immer zahlreicher in Polen. Ich weiß, daß man sich sehr bemüht um die Fördemng der karitativen Gruppen und Einrichtungen, die denen, die in diesem Land und außerhalb seiner Grenzen Hilfe brauchen, ein Zeugnis der Solidarität geben. Wir selbst haben in den schwierigen Jahren eine solche Hilfe erfahren: Jetzt müssen wir sie zu erwidern wissen, indem wir an die andern denken. Heute braucht unsere Heimat katholische Laien, jenes Gottesvolk, von Christus und der Kirche erwartet. Es werden Laien benötigt, die die Notwendigkeit einer beständigen Formung des Glaubens begreifen. Wie zweckentsprechend ist dem Leben der Kirche in Polen die Katholische Aktion zurückgegeben worden! In eurer Erzdiözese wird sie, wie in anderen Diözesen, neben anderen Bewegungen und Gebetsgemeinschaften zu einer Schule des Glaubens. Geht mutig weiter auf diesem Weg, und bedenkt, daß, je größer euer Einsatz in der Neuevangelisierung und im sozialen Leben ist, um so mehr eine echte Spiritualität erforderlich ist, jene innere Verbundenheit mit Christus und der Kirche, die im Gebet und im Nachdenken über das Wort Gottes ihre Nahrung findet. Eine Verbundenheit, die mit der Gnade Gottes jede Regung des Herzens erfüllen muß, bis hin zur Heiligkeit. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Der Erdboden, auf dem wir uns befinden, ist durchdmngen und voll von der Heiligkeit des Johannes von Dukla. Dieser heilige Ordensmann hat diese schöne Gegend von Bieszczady nicht nur bekannt gemacht, sondern er hat sie vor allem geheiligt. Seid die Erben dieser Heiligkeit. Wenn ihr die Füße auf dieses Land setzt, gehen eure Schritte in seinen Spuren. Hier spüren wir alle in geheimnisvoller Weise, „welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt“ (Eph 1,18). Diese Erde hat in der Tat viele echte Zeugen Jesu Christi hervorgebracht, Menschen, die ihr ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt und ihr Leben der Verkündigung des Evangeliums geweiht haben. Folgt ihren Spuren! Heftet den Blick auf ihr Leben! Ahmt ihre Werke nach, damit „die ganze Welt eure guten Werke sieht und Gott im Himmel Ehre erweist“ (vgl. Mt 5,16). Möge der Glaube, den der hl. Johannes in die Herzen eurer Vorfahren gesät hat, wachsen wie ein Baum der Heiligkeit und „viel Frucht bringen, und möge die Frucht bleiben“ (vgl. Joh 15,5)! Auf diesem Weg begleite euch die Mutter Christi, die an zahlreichen heiligen Stätten dieses Landes verehrt wird. Sehr bald werde ich Kronen auf die Bilder Unserer Lieben Frau von Haczow, von Jasliska und von Wielkie Oczy setzen. Das möge unserer Verehrung Marias Ausdruck geben und unserer Hoffnung, daß sie uns helfe, bis ans Ende den Willen Gottes zu erfüllen. In der Zeit der Jahrtausendfeier 374 REISEN der Taufe hatten wir singen gelernt: „Maria, Königin von Polen, ich bin dir nahe, ich denke an dich, ich wache“ (Appell von Jasna Görd). Wir freuen uns, daß zusammen mit uns alle heiligen Patrone Polens wachen. Wir freuen uns und beten für die polnische Nation und für die Kirche in unserem Land - tertio millennio adveniente. „Seit so langer Zeit, o Maria, bist du Königin von Polen ... Nimm die ganze Nation, die zu deiner Ehre lebt, unter deinen Schutz!“ Amen. Grußworte am Schluß der Messe in Krosno am 10. Juni Am Ende dieser feierlichen Liturgie möchte ich noch einmal der Göttlichen Vorsehung danken, daß sie mir gestattet hat hierherzukommen. Es ist dem Patron dieses Landes zu verdanken, dem hl. Johannes von Dukla, der heute in das Verzeichnis der Heiligen der ganzen Kirche eingeschrieben wurde. Die Lebensjahre in Rom haben in mir nicht die Liebe zu diesem Land und seinen Bewohnern ausgelöscht. Ich danke euch für eure Gastfreundschaft und euer Wohlwollen und grüße euch herzlich. Ich danke meinen Brüdern im Bischofsamt, mit dem Kardinalprimas an der Spitze, für ihre Anwesenheit. Ich grüße die anwesenden Bischöfe der Bruderländer: Slowakei, Böhmen und Ungarn. Gemeinsam danken wir Gott für das christliche Erbe, das seit Jahrhunderten unsere Nationen verbindet. Wir danken für die Heiligen, die ihre Formung diesem Erbe verdanken und es bereichert haben. Es sind viele Bischöfe des griechisch katholischen Ritus aus Polen, der Ukraine und der Slowakei gemeinsam mit ihren Gläubigen hier zusammengekommen. Vor kurzem haben wir uns bei den Feiern anläßlich der 400 Jahre der Einheit im Glauben im Dankgebet miteinander verbunden. Wir danken Gott auch für euer Zeugnis, das der Sehnsucht nach der vollen Einheit zwischen dem Westen und dem christlichen Osten entsprang. Von Herzen grüße ich die Brüder der orthodoxen Kirche, die beim Gebetstreffen anwesend waren. Herzliche Grüße den Obrigkeiten der Stadt Krosno, denen von Dukla und den zahlreichen selbständigen Gemeinden. Ich danke euch für euren Beitrag bei der Vorbereitung der heutigen Feier. Ich grüße die Jugendlichen, die diese Nacht Gebetswache gehalten haben. Sie haben anscheinend keinen Schlaf. Als Antwort auf den Gruß der Pfadfinder: „Sei wach!“ sage ich zu allen: „Seid wach!“ Zum Schluß möchte ich an dieser Stätte noch einmal an die Zehntausende erinnern, die auf diesem Duklapaß gefallen sind, der den Namen „Tal des Todes“ bekam. Das Kreuz Christi - Zeichen der Erlösung - möge an ihr Dasein und ihr Opfer erinnern. Das ewige Licht leuchte ihnen! 375 REISEN Allen hier Anwesenden und allen, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, sage ich nochmals: „Vergelt’s Gott!“ Ich segne euch von Herzen. Gott vergelte es euch! Ich muß zur Arbeit nach Rom zurück. In slowakischer Sprache fügte der Papst noch hinzu: Hier sind zahlreiche Pilger, die aus der nahen Slowakei kommen. Liebe Brüder und Schwestern, ich grüße euch herzlich. Im Gebet umarme ich euch, die ihr hier seid, eure Familien und eure ganze Nation. Gott segne euch! In ukrainischer Sprache: So viele Pilger sind aus der Ukraine hierhergekommen. Ganz zu Recht teilen sie mit uns die Freude über die Heiligsprechung von Johannes von Dukla. Gerade Lwow ist die Stadt, in der sich seine Spiritualität geformt hat; hier wurde er berühmt durch seine Wunder; von hier ging seine Verehrung aus. Der hl. Johannes ist für unsere Generation - und für unsere Nationen - Förderer der Einheit und gegenseitiger Liebe. Ich hoffe, daß die Göttliche Vorsehung mir einen Besuch im Bruderland Ukraine gewährt. Ich wünsche euch und der Kirche in der Ukraine, daß das Licht der Heiligkeit des Johannes von Dukla die Herzen aller durchdringe. Verbundensein mit der Geschichte und Offensein für künftige Entwicklungen Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen von Krakau am 10. Juni Liebe Brüder und Schwestern, meine Landsleute! 1. Meine Pilgerreise in die geliebte Heimat geht zu Ende. Noch einmal komme ich mit dem Herzen und im Geist auf die einzelnen Etappen dieser Pilgerfahrt zurück. Auf die Ortskirchen und die Städte, die ich besuchen konnte. Lebhaft vor Augen habe ich die Mengen der ins Gebet vertieften Gläubigen, die mich an allen Orten dieses Besuches begleiteten. Im Augenblick des Abschieds will ich euch alle, liebe Landsleute, noch einmal grüßen. Ich will dabei niemanden übergehen! Ich grüße ganz besonders die polnische Jugend, die in allen Abschnitten dieses Besuches, besonders in Posen, so zahlreich anwesend war. Ich grüße die polnischen Familien, die immer in Gott die einigende Macht und Kraft gefunden haben. Ich grüße diejenigen, mit denen ich persönlich Zusammentreffen konnte, sowie auch jene, die den Verlauf dieses Besuches über Rundfunk und Fernsehen verfolgt haben, besonders kranke und betagte Menschen. Herzlich umarme ich noch einmal euch alle, die ihr euch — jeder auf seine Weise -um das Wohl des Vaterlandes bemüht, damit es zu einem Haus mit immer mehr Wohlstand und Sicherheit für alle Polen werde, auf daß es seinen kreativen Bei- 376 REISEN trag zum gemeinsamen Schatz der großen Familie der europäischen Länder leisten kann, zu der es seit über tausend Jahren gehört. Auf dem Weg dieser Pilgerreise von Niederschlesien über Großpolen und Kleinpolen bis hin zur Hohen Tatra war es mir wieder vergönnt, die Schönheit dieses Landes zu bewundern, insbesondere die Schönheit der polnischen Berge, die ich seit den Tagen meiner Jugend so sehr liebe. Ich habe den Wandel gesehen, der in meiner Heimat vor sich geht. Ich bewundere den Unternehmungsgeist meiner Landsleute, ihre Initiative und den Willen, für das Wohl der Heimat zu arbeiten. Zu all dem beglückwünsche ich euch aus ganzem Herzen! Natürlich gibt es auch zahlreiche Probleme, die nach einer Lösung verlangen. Ich bin überzeugt, die Polen werden ausreichend Weisheit und Ausdauer aufbringen, um ein gerechtes Polen aufzubauen, das allen seinen Bürgern ein würdiges Leben garantiert - ein Polen, das es fertigbringt, sich um die gemeinsamen Ziele und die für jeden Menschen grundlegenden Werte zusammenzuschließen. 2. Vor allem danke ich der göttlichen Vorsehung dafür, daß es mir gegeben war, noch einmal der Kirche in Polen, meiner Heimat, und allen meinen Landsleuten zu dienen. Ich bin hierher gekommen, um euch, liebe Landsleute, im Namen Christi, des Erlösers der Welt, zu dienen! Das ist der Auftrag der Kirche, dem sie treu zu bleiben trachtet. Wenn ich Gott für das Geschenk dieses Besuches danke, muß ich auch den Menschen meinen Dank aussprechen, mit deren Hilfe der Besuch stattfinden konnte und einen so gelungenen Verlauf genommen hat. Noch einmal danke ich dem Präsidenten der Republik Polen für die Einladung an mich im Namen der staatlichen Organe und auch für die Mitwirkung bei der positiven Durchführung dieser Pasto-ralreise. Vielen Dank für alle Beweise wohlwollender Zusammenarbeit und Bereitschaft zu helfen, wo immer es nötig war. Worte des Dankes richte ich auch an alle Vertreter der lokalen Behörden, die weder Mühe noch Mittel gescheut haben, damit der Besuch einen gelungenen und würdigen Verlauf nehmen konnte. Hier wären die lokalen Behörden sämtlicher Städte zu nennen, über die der Weg der jetzigen Pilgerreise führte: Breslau, Liegnitz, Landsberg, Gnesen, Posen, Kalisch, Tschenstochau, Zakopane, Ludzmierz, Krakau, Dukla und Krosno. Ich danke auch dem Rundfunk, dem Fernsehen, den Journalisten und allen, die mitgearbeitet haben, um die öffentliche Meinung rasch und umfassend mit Informationen über die Pilgerreise des Papstes in Polen zu versorgen. Ich danke für jede Geste guten Willens und für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Vergelt’s Gott für die so gastfreundliche Aufnahme! Ich danke auch der Polizei, den Heeresangehörigen und allen, die während der ganzen Reise voll Aufopferung und Hingabe ihre Aufgaben wahrgenommen haben. 3. Besondere Worte dankbarer Anerkennung richte ich in diesem Augenblick an die ganze Kirche in Polen, indem ich meinen Dank in die Hände des hier anwesenden polnischen Episkopates, mit dem Kardinalprimas an der Spitze, lege. Ich 377 REISEN danke noch einmal für die Einladung in die Heimat sowie für die gesamte pasto-rale und organisatorische Anstrengung bei der Vorbereitung und Durchführung der Pilgerreise. Auf jeder Etappe dieses Besuches war eine große innere Sammlung und großes Engagement zu spüren. Die Grundlage für alle diese Gebetsbegegnungen bildete in der Tat ein einträchtiges pastorales Bemühen der Bischöfe, der Priester, der Ordensmänner und Ordensffauen und auch der ganzen großen Schar katholischer Laien. Ich beglückwünsche euch zu dieser großen Arbeit und wünsche mir, daß sie im Leben der Kirche und im Leben Polens bleibende Früchte hervorbringen möge. Der jetzige Besuch war zwar irgendwie anders als die vorangegangenen, hat aber gleichzeitig die geistliche Kontinuität dieser Nation und dieser Kirche bestätigt. Während meines Besuches hat sich die Kirche in Polen noch einmal als eine Kirche offenbart, die sich ihrer Sendung bewußt ist, eine Kirche, die unter den neuen Gegebenheiten, unter denen sie lebt, große Evangelisierungsarbeit zu leisten hat. Unter den Dankadressen darf die Kirche von Breslau nicht fehlen, die den 46. Eucharistischen Weltkongreß beherbergt hat. Dem Kardinalerzbischof und Metropolit von Breslau drücke ich meinen herzlichen Dank aus für die Mühe der Organisation dieses Kongresses, durch den die Kirche in Polen Gelegenheit hatte, der Weltkirche einen Dienst zu leisten. 4. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Diese Worte aus dem Hebräerbrief bildeten den Leitfaden meines Besuches in der Heimat. Die Kirche, die sich auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet, konzentriert in diesem Jahr ihren Blick im Glauben auf die Gestalt Christi, des Erlösers der Menschen. In den einzelnen Abschnitten meines Besuches haben wir miteinander zu ergründen versucht, welchen Platz Christus im Leben der einzelnen und im Leben der Nation einnimmt. Daran hat uns der Eucharistische Kongreß von Breslau ebenso erinnert wie die historische Begegnung in Gnesen, am Grab des hl. Adalbert, wo wir feierlich des tausendsten Jahrestages seines Martyriums gedacht haben. Adalbert hat uns an die Pflicht erinnert, ein Polen aufzubauen, das seinen Wurzeln treu ist. Daran hat uns auch das Jubiläum der Gründung der Ja-gellonen-Universität von Krakau und besonders ihrer theologischen Fakultät erinnert. Treue zu den Wurzeln bedeutet nicht mechanisches Kopieren von Vorbildern aus der Vergangenheit. Treue zu den Wurzeln ist immer kreativ, bereit, den Dingen auf den Grund zu gehen, offen für neue Herausforderungen, empfänglich für die „Zeichen der Zeit“. Sie drückt sich auch in der Sorge um die Heimatkultur aus, in der das christliche Element von Anfang an vorhanden war. Treue zu den Wurzeln bedeutet vor allem die Fähigkeit, zwischen den ewigen Werten, die sich in der Geschichte so oft bewahrheitet haben, und der Herausforderung der heutigen Welt, zwischen Glaube und Kultur, zwischen dem Evangelium und dem Leben eine organische Synthese herzustellen. Ich wünsche meinen Landsleuten und ich wünsche Polen, daß sie sich selbst und den Wurzeln, aus denen sie hervorgegangen 378 REISEN sind, auf diese Weise treu bleiben mögen. Das seinen Wurzeln treue Polen. Das seinen Wurzeln treue Europa. In diesem Rahmen gewinnt die Teilnahme der Präsidenten der Tschechischen Republik, Deutschlands, Ungarns, der Slowakei, Litauens, der Ukraine und Polens an den Feierlichkeiten zum Adalbert-Jubiläum historische Bedeutung, und ich bin den genannten Staatsmännern dafür sehr dankbar. Ich habe während dieser Pilgerreise Heilig- und Seligsprechungen polnischer Männer und Frauen vorgenommen: der hl. Königin Hedwig, des hl. Johann von Dukla, der sei. Maria Bemhardina Jablonska und der sei. Maria Karlowska. Die Heiligen der Kirche sind eine besondere Offenbarung des höchsten Horizontes menschlicher Freiheit. Darum kommt diesen Heilig- und Seligsprechungen so wesentliche Bedeutung zu. 5. Das sind Gedanken, die ich im Augenblick des Abschieds mit euch allen, liebe Brüder und Schwestern, teilen wollte. Die Tiefe des geistlichen Gehaltes, den meine Begegnung mit euch, die Begegnung mit der Kirche in Polen einschließt, geht natürlich weit über diese kurze Ansprache hinaus. Während ich von euch Abschied nehme, sende ich mein Gebet zum Himmel empor, auf daß gemäß dem Willen des Herrn der Ernte diese Saat reiche Früchte bringen möge. Der Herr der Ernte ist Christus, und wir alle sind seine „unnützen Sklaven“ (vgl. Lk 17,10). Augenblicke des Abschieds sind immer schwer. Ich verabschiede mich von euch, liebe Landsleute, mit der tiefen Gewißheit, daß dieser Abschied nicht das Abreißen eines Bandes bedeutet, das mich mit euch verbindet - das mich mit meiner geliebten Heimat verbindet. Wenn ich in den Vatikan zurückkehre, trage ich euch alle, eure Freuden und eure Sorgen im Herzen mit mir, ich trage meine ganze Heimat mit mir. Ihr sollt wissen, daß auf der „Gebetslandkarte des Papstes“ für die Universalkirche und für die ganze Welt Polen einen besonderen Platz einnimmt. Indem ich dem Beispiel des heiligen Apostels Paulus folge, bitte ich euch zugleich: Gebt mir ein wenig Raum in euren Herzen (vgl. 2 Kor 6,11-13) und in eurem Gebet, damit ich der Kirche Gottes so lange dienen kann, wie es Christus von mir verlangt. Vergelt’s Gott für die Gastfreundschaft! Gott segne meine Heimat und alle meine Landsleute! 379 REISEN 5. Pastoraireise zum Weltjugendtag in Paris (Frankreich) (19. bis 24. August) Jugendtreffen der Hoffnung - Herausforderung für die Gesellschaft Ansprache bei der Begegnung mit dem französischen Staatspräsidenten in Paris am 21. August Herr Staatspräsident! 1. Tiefbewegt von dem Empfang und von Ihren Worten befinde ich mich zu meiner Freude anläßlich des 12. Weltjugendtages ein weiteres Mal auf dem Boden Frankreichs. Besonders dankbar bin ich Ihnen für die feinsinnigen Aufmerksamkeiten, die Sie mir erweisen, und weiß die Anwesenheit der zahlreichen Persönlichkeiten zu schätzen, die es sich nicht nehmen ließen, bei dieser Zeremonie zugegen zu sein. Es war selbstverständlich, daß sich die katholischen Jugendlichen, die ihre Gefährten aus über einhundertdreißig Ländern der Welt vertreten, einmal in Paris versammeln wollten. Mit den jungen Menschen danke ich Ihnen, Herr Präsident, sowie den Autoritäten und Dienststellen des Staates für das ihnen entgegengebrachte Verständnis. Einerlei, ob sie aus benachbarten europäischen Nationen oder aus Nationen anderer Kontinente kommen, sie freuen sich alle darüber, von den Franzosen aller Altersstufen aufgenommen zu werden und den Wert ihrer geistig-kulturellen Traditionen zu entdecken. So werden sie die Bedeutung dieser Traditionen, deren Einfluß sie noch heute wahmehmen, für die Geschichte und die Kirche besser ermessen können. 2. Wenn ich mich gleich in den ersten Stunden meines Aufenthaltes an Sie, Herr Präsident, wende, will ich damit alle Franzosen herzlich begrüßen und ihnen wünschen, daß ihnen Wohlergehen zuteil werde und daß sie ihre Fähigkeiten und Ideen weiterhin in den Dienst ihrer Brüder und Schwestern stellen, im eigenen Land und auf allen Kontinenten. Zahlreiche Jugendliche aus der ganzen Welt sind in den letzten Tagen in den verschiedenen Regionen Frankreichs aufgenommen worden und haben sich jetzt in Paris eingefünden. Ich möchte hier die große Dankbarkeit der Kirche aussprechen für die großzügige Gastfreundschaft, die diesen Besuchern in den Departements und jetzt in der Ile-de-France gewährt wurde und wird. Und besonders danke ich den Parisern und den Bewohnern der Ile-de-France, die zweifellos manche Unbe- 381 REISEN quemlichkeit auf sich nehmen, um ihre Gäste diese Tage unter den bestmöglichen Bedingungen erleben zu lassen. 3. Ich freue mich, die Gläubigen Frankreichs in einer so außergewöhnlichen Situation wiederzutreffen, und bewahre die Erinnerung an den herzlichen Empfang, den sie mir schon mehrmals und besonders im letzten September bereitet haben. Mit dem Weltjugendtag sind es zwei Ereignisse, die dieses Jahr für die französischen Katholiken in besonderer Weise prägen: Ich denke zunächst an die hundertste Wiederkehr des Todestages der hl. Theresia von Lisieux, eine in der ganzen Welt bekannte und geliebte große geistliche Gestalt, die die Jugendlichen aller Völker mit Recht gefeiert haben; sodann habe ich morgen die Freude, Friedrich Ozanam seligzusprechen, einen wahren Apostel respektvoller Liebe zum Mitmenschen und zugleich weitblickenden Analytiker sozialer Probleme. Diese beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten sind, neben vielen anderen, Zeugen für den fruchtbaren Beitrag der Katholiken Frankreichs zur Weltkirche. 4. Aber das Kommen nach Paris bezeichnet eine neue Etappe auf einer ausgedehnten Marschroute durch die Welt, die ich seit nunmehr zwölf Jahren mit den jungen Menschen zurückgelegt habe, um den Austausch mit ihnen immer wieder zu erneuern. Sie stärken miteinander ihren Willen zum Aufbau einer gastfreundlicheren Welt, einer friedlicheren Zukunft. Viele von ihnen erfahren in ihrer Region und in ihren Nationen am eigenen Leib die von Bruderkriegen und der Verachtung des Menschen ausgelösten Leiden; nur allzu oft haben sie Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, und sehen sich äußerster Armut ausgesetzt; ihre Generation sucht mühsam nicht nur nach einem Mindestmaß an materiellen Gütern, sondern auch nach Lebensinhalten und Zielen, die sie zu hochherzigem Handeln motivieren. Sie sind sich darüber im klaren, daß sie nur dann glücklich sein werden, wenn sie wirklich in eine Gesellschaft eingebunden sind, in der die Menschenwürde geachtet wird und echte Brüderlichkeit herrscht. Sie haben hier nun eine vorzügliche Gelegenheit, ihre Bestrebungen gemeinsam vorzubringen und den Reichtum ihrer Kulturen und ihrer Erfahrungen miteinander auszutauschen. Innere Triebkraft ihrer Suche ist eine geistliche Frage, die sie gedrängt hat, nach dem Vorbild ihrer Vorgänger, die als Baumeister des Friedens, als Brüder der Menschen und auf der Suche nach Gott die Kontinente durchquerten, ihren Pilgerstab zu ergreifen. 5. Herr Präsident, meine Damen und Herren, haben Sie Dank dafür, daß Sie sich der Bedeutung dieser gewaltigen Versammlung der Hoffnung in Ihrer berühmten Hauptstadt bewußt sind. Ich bin überzeugt, daß die für die Aufnahme dieser so unterschiedlichen Gäste erforderten Anstrengungen sowohl für Ihre Gäste wie für Ihre Landsleute dauerhafte Früchte erbringen werden. Während ich Ihnen noch einmal meinen persönlichen Dank ausspreche, erbitte ich aus ganzem Herzen für Sie und für das ganze französische Volk den Segen Gottes. 382 REISEN Berufung ist Geschenk und Verpflichtung Botschaft zur Gebetswache über das Thema „Berufungen“ an der Kathedrale Notre Dame in Paris am 21. August An Msgr. Louis-Marie Bille, Erzbischof von Aix, Arles und Embrun, Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz Liebe Jugendliche! 1. Das Herz des Bischofs von Rom wendet sich euch zu, die ihr euch berufen fühlt, Christus im priesterlichen Dienst oder im geweihten Leben nachzufolgen. Ihr kommt zum Herrn, der unter uns ist, um ihn zu bitten, Missionare des Evangeliums auszusenden, um ihm euren Wunsch vorzutragen, ihm zu dienen, um die Gabe, die Gott in euch gelegt hat, neu zu beleben (vgl. 2 Tim 1,6) und um eure innere Verfügbarkeit kundzutun: „Herr, was erwartest du von mir?“ Ihr seid vor der Kathedrale Notre Dame von Paris versammelt. Jede Kathedrale ist ein Ort von besonderer Bedeutung. Sie ist Mittelpunkt der Diözesankirche, Sitz des Bischofs, dem die Sorge für die Einheit zwischen allen örtlichen Gemeinschaften aufgetragen ist. Um die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, baut sich ja die Kirche auf, deren Eckstein Christus ist. Mit dem Apostel fordere ich euch auf: „Bemüht euch noch mehr darum, daß eure Berufung und Erwählung Bestand hat“ (2 Petr 1,10). Seid darauf bedacht, auf den Heiligen Geist zu hören. „Er macht das Wort lebendig und aktuell und hilft, seinen Wert und seine Anforderungen zu begreifen“ (Botschaft zum Welttag der Berufungen 1997). Eure erste Regung dem Herrn gegenüber sei Danksagung, Dank für eure Familien und für die christlichen Gemeinschaften, die euch durch ihr Dasein und ihr Gebet geholfen und unterstützt haben in eurem Wachsen als Menschen und beim Reifen eurer Berufung. Die notwendige Vorbedingung zum apostolischen Dienst und zum geweihten Leben ist eure geistliche Formung, durch die eure Persönlichkeit und euer Leben zur Einheit kommen. Ihr werdet die Wichtigkeit des Gebetes für die Kirche und für die Welt entdecken. Ich lade euch ein, Zeit in der Gegenwart des Herrn zu verbringen, um zu lernen, „in inniger und steter Gemeinschaft mit dem Vater durch seinen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist zu leben“ (Optatam totius, Nr. 8). Sucht Christus in treuer Betrachtung des Gotteswortes, in lebendiger Gemeinschaft mit den Mysterien der Kirche, an erster Stelle in der Eucharistie und im göttlichen Offizium (vgl. ebd.). In der vollkommenen Keuschheit wollt ihr daran erinnern, daß Gott den Vorzug vor allem hat, ohne jedoch vom Wert anderer menschlichen Verbindlichkeiten etwas abzustreichen, und daß der Mensch sein Glück darin findet, sich dem Herrn zu weihen. 383 REISEN 2. Liebe Seminaristen! Im Lauf des Abends werdet ihr das Handeln Christi betrachten, wie er als Diener aller Menschen am Gründonnerstag die Eucharistie und das Priestertum eingesetzt hat. So ist er durch seinen Leib und sein Blut wirklich gegenwärtig, und seine liebevolle Güte offenbart sich im Verzeihen. Ihr habt Gottes Ruf vernommen und wollt ihm folgen. Es ist schön, das Priestertum anzustreben, aber es ziemt sich, daß die Entscheidung für Gott durch die Kirche bestätigt wird. Ihr kommt es zu, die Beschaffenheit eurer Berufung zu beurteilen. Christus nämlich ruft durch seine Kirche und zeigt uns so, daß wir nur Treuhänder des göttlichen Reichtums sind und daß die Sendung ein Auftrag von seiten des Herrn ist. Und heute abend wollt ihr in Wahrheit euer Leben Christus darbieten und ihm euren Wunsch kundtun, ihm so zu dienen, wie er es will. Verfügbarkeit und Selbstentäußerung sind die grundlegenden Haltungen für jeden Menschen, der den Willen des Herrn erfüllen will. 3. Ihr seid für eure Bischöfe wie sein „Augapfel“ (Geschenk und Geheimnis, 10). Das Seminar ist „eine Fortsetzung der engen apostolischen Gemeinschaft rund um Jesus, die auf sein Wort hört, die auf dem Weg zur Erfahrung von Ostern ist in Erwartung des Geistes als Geschenk zur Sendung“ (Pastores dabo vobis, Nr. 60). Ihr seid die Freude eurer Bischöfe, die die Diözesankirche gleichsam durch das Seminar betrachten und die durch die Erzieher dort anwesend sind. Ihr seid ein Geschenk für die Kirche, das ihr gestattet, sich der Zukunft mit Vertrauen zuzuwenden. Das ganze Volk Gottes freut sich, wenn junge Menschen ja sagen zur Vorbereitung auf das Priestertum, das für sein Wachsen und seine Heiligung unbedingt notwendig ist. 4. Während eurer Seminaijahre seid ihr durch den Heiligen Geist zu einer einzigartigen Bruderschaft vereint. In dieser Zeit gemeinsamen Lebens erfahrt ihr wirklich „Kirche“. Ihr bereitet euch vor auf das Leben innerhalb der Priesterschaft mit ihrer Verschiedenheit der Charismen und des Empfindens. So werdet ihr euch jeden Tag mehr als Glieder der Diözesankirche fühlen. Ihr müßt euch eine intellektuelle Ausbildung erwerben, die zur Kenntnis des Mysteriums Christi beiträgt und euch auf die Verkündigung des Evangeliums vorbereitet mit einer großen Liebe zur Wahrheit (vgl. Optatam totius, Nm. 14-16). Von der Seminargemeinschaft unterstützt, werdet ihr zu einer gewissen menschlichen Reife gelangen können. Laßt euch viel daran gelegen sein, die theologischen und sittlichen Tugenden zu leben, Selbstbeherrschung zu entwickeln und euren Charakter zu formen, um Vorbilder christlichen Lebens zu sein. Übt schon jetzt das in der Praxis, was ihr einmal werdet zu lehren haben (vgl. Einleitung zum Ritual der Priesterweihe, 102; Lumen Gentium, Nr. 28). Durch die freie und reiflich überlegte Entscheidung zum Zölibat werdet ihr die totale Hingabe eurer selbst an den Herrn und an die Sendung sichtbar machen können. Die Priesterweihe macht sakramental mit Christus gleichförmig und verleiht ein Merkmal, das das ganze Sein umfaßt. 384 REISEN 5. Die Priester sind ,glicht zum Herrschen oder für Ehrenstellen bestimmt, sondern sollen sich ganz dem Dienst Gottes und der Seelsorge widmen“ (Optatam totius, Nr. 9). Das setzt ein Durchdrungensein vom Mysterium der Kirche und eine tiefe Liebe zu den Menschen voraus. „In dem Maße, wie einer die Kirche Christi liebt, hat er den Heiligen Geist“ (hl. Augustinus, ln Ioannem tract., 32,8). Man kann den Menschen nur dann das Evangelium verkünden, wenn man ihnen nahe ist und wenn man das Innere der menschlichen Gesellschaft, ihre Entwicklungen und ihre Bedürfnisse kennt. Lernt zu gleicher Zeit auch mit den Laien arbeiten, deren menschlicher und geistiger Einfluß euch sehr bereichern wird (vgl. Christifideles laici, Nm. 61-63; Mulieris dignitatem, Nm. 29-31). Denn wir sind alle zusammen der gleichen Sendung verpflichtet. 6. Ich fordere euch auf, in einem vertrauensvollen Verhältnis des Gehorsams und der Gemeinschaft mit dem Bischof eurer Diözese zu leben: Er ist „der erste Repräsentant Christi in der Priesterausbildung“ (Pastores dabo vobis, Nr. 65). Ihm steht es zu, in Verbindung mit denen, die für die Berufungen verantwortlich sind, den Ort und die Einzelheiten eurer Ausbildung zu bestimmen. Der Selbstverzicht um des Dienstes an der Kirche und der Nachfolge Christi willen nimmt Gestalt an, wenn man sein Leben und seine Zukunft in die Hände seines Bischofs übergibt, wie es symbolisch bei der Priesterweihe geschieht, um in der Perspektive der pa-storalen Liebe zu handeln. Im Gehorsam erfüllen wir den Willen Gottes. Eine solche Haltung stärkt den Sinn für den Dienst und die Verfügbarkeit für die kirchliche Sendung sowie das Offensein für die Diözesanpastoral. Ihr seid dann mit dem Bischof verbunden „als ergebene Mitarbeiter“, die ihren Beitrag leisten „in gemeinschaftlicher Arbeit mit ihren Mitbrüdem“ (Optatam totius, Nr. 9). 7. Liebe Jugendliche, die ihr an das Ordensleben oder an die Verpflichtung in einer Gemeinschaft des geweihten Lebens denkt, die Kirche hegt große Achtung für das geweihte Leben, dessen Vorbild Christus ist (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 25). Es ist eine große Gnade, vom Herrn erwählt zu sein. Durch das Leben nach den evangelischen Räten, durch euer Gebetsleben und durch die Übung der Nächstenliebe enthüllt ihr den Menschen das Antlitz Gottes und beteiligt euch aktiv am Wachsen des Gottesvolkes. Ihr wollt euch dem Herrn mit „ungeteiltem Herzen“ hingeben (vgl. 1 Kor 7,34), wie die Apostel, die alles verlassen haben, um bei Christus zu bleiben und sich, wie er, in den Dienst Gottes und ihrer Brüder zu stellen. So tragt ihr dazu bei, das Geheimnis und die Sendung der Kirche durch die vom Heiligen Geist geschenkten zahlreichen Charismen des geistlichen und apostolischen Lebens offenbar zu machen, und ihr leistet euren Beitrag zur Erneuerung der Gesellschaft (vgl. Vita consecrata, Nr. 1). 8. Ich fordere euch alle auf, für die Jugendlichen in der ganzen Welt zu beten, die den Ruf des Herrn vernehmen, und für jene, die vielleicht Furcht haben, darauf zu antworten. Mögen sie in ihrer Umgebung Erzieher finden, die sie führen! Mögen sie die Größe ihrer Berufung erfassen: Christus über alles lieben, als Aufruf zu 385 REISEN Freiheit und Glück! Betet, daß die Kirche euch auf eurem Weg helfe und eine rechte Unterscheidung treffe! Betet, daß die christlichen Gemeinschaften den Ruf des Herrn immer an die jungen Generationen weiterzugeben wissen! Dankt mit mir dem Herrn „für das Geschenk der Berufung, für die Gnade des Priestertums und für die Priesterberufe in der ganzen Welt“ {Geschenk und Geheimnis, Nr. 10)! Dankt ihm für die geweihten Menschen! Dankt ihm für die Familien, für die Pfarreien und für die Bewegungen, aus denen Berufungen erstehen! Laßt euer kindliches Vertrauen auf die Muttergottes erstarken, denn die geweihten Diener und die ganze Kirche haben viel von Maria zu lernen (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 43). Seid wahre Zeugen des Glaubens und der Liebe, bereit, euer Leben hinzugeben für die Ehre Gottes und das Heil der Welt. Gott setze in euch fort, was er schon begonnen hat! Paris, den 21. August 1997 Joannes Paulus PP. II Das Gesetz Christi ist das Gesetz der Liebe Grußwort und Meditation beim Empfang der Jugend am „Camp de Mars“ am 21. August Liebe Jugend aus aller Welt! Der Bischof von Rom begrüßt euch und spricht euch sein Vertrauen und seine Freude darüber aus, euch zu treffen. Ihr kommt aus verschiedenen Ländern und aus allen Kontinenten. Ihr vertretet nicht nur die französische und die europäische Jugend, sondern auch die aus Nordamerika, Mittel- und Südamerika und der Inselwelt des Atlantischen Ozeans, die Jugend zahlreicher afrikanischer Länder und von den Inseln des Indischen Ozeans, die Jugend Asiens, Australiens, des Femen Ostens und aller Meere, die den asiatischen Kontinent umgeben, und die Jugend des Pazifik. Das ist wahrhaftig ein Welt-Jugendtag! Ihr seid die Hoffnung der Welt, ihr, die ihr euch nach einem immer schöneren Leben sehnt, einem Leben, gegründet auf die moralischen und geistigen Werte, die frei machen und unsere Schritte auf die Ewigkeit hin lenken. Ihr setzt die Geschichte des Weltjugendtags fort. Es ist der Mühe wert, diese Geschichte in Erinnerung zu mfen. Zum ersten Mal fand dieser Tag 1984 in Rom statt. Der nächste war 1987 in Buenos Aires. Dann haben wir uns 1989 in Santiago de Compostela in Spanien getroffen und 1991 in Tschenstochau in Polen. Das war ein ganz besonderer Tag, denn zum ersten Mal haben Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion teilgenommen: Russen, Ukrainer, Weißmssen, Litauer, Letten, Esten, Vertreter aus Kasachstan und den anderen zentralasiatischen Republiken und Christen aus dem Kaukasus. Damals bekam der Weltjugendtag eine neue, um- 386 REISEN fassendere Dimension. 1993 trafen wir uns in Denver in den Vereinigten Staaten, dann 1995 in Manila auf den Philippinen, wo die Teilnahme am zahlreichsten war, erleichtert durch die Nähe großer Metropolen. Das jetzige Treffen findet in Paris statt. Das Niveau der Gastfreundschaft wie bei diesem Treffen sollte beibehalten werden. Ich richte meinen herzlichen Dank an Kardinal Jean-Marie Lustiger sowie an Msgr. Michel Dubost und die Organisatoren dieses Treffens, besonders an die Jugendlichen der einzelnen französischen Diözesen, die die Vorbereitungen zum Kommen ihrer Kameraden getroffen haben. Ich danke Msgr. Louis-Marie Bille, dem Vorsitzenden der Französischen Bischofskonferenz, für seinen Empfang und den französischen Bischöfen für die Gastfreundschaft ihrer Diözesen gegenüber ihren aus der ganzen Welt angereisten Gästen. Ich richte einen besonderen Gruß an die Persönlichkeiten, die die anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vertreten. Ebenso gilt mein Gruß den Repräsentanten der jüdischen und muslimischen Gemeinschaften. Ich danke ihnen herzlich, daß sie gern bereit waren, sich dieser festlichen Versammlung der katholischen Jugend anzuschließen. Mein Dank gilt den jungen philippinischen und französischen Vertretern, die euch einladen, die große Kette des Glaubens, der Solidarität, der Freundschaft und des Friedens zwischen den Ländern der ganzen Welt zu bilden. Ihr seid Nachfolger der jungen Menschen, die mit Ölzweigen in den Händen Christus vorausgingen, als er in Jerusalem einzog. Sie jubelten Christus zu. Heute bekennt ihr, Jugendliche von allen Kontinenten, Christus, der uns in großer Solidarität zu frohem Austausch vereint, und ihr geht zusammen auf das Glück zu, das er uns anbietet. Als Zeichen der Verschiedenheit eurer Herkunft und Kulturen habt ihr den Regenbogen gewählt. Damit bringt ihr euren Dank für die Bundesschlüsse Gottes zum Ausdruck - angefangen von der Schöpfung bis zum endgültigen Bund, der mit dem Blut des Erlösers besiegelt wurde. Begrüßungen in verschiedenen Sprachen: Aufruf der Länder: Nachdem ich die Vertreter der einzelnen Länder empfangen habe, richte ich nun einen herzlichen Gruß an die Delegationen der Bewegungen, Vereinigungen und internationalen Gemeinschaften. Liebe Jugendliche, Christus ist unsere Hoffnung; er ist unsere Freude. Öffnet in den kommenden Tagen Herz und Geist für Christus. Ihr gehört zur Kirche, die uns den Weg des Heils, die Spur zum Glück erschließen will. Ich fordere euch auf, euch vom Herrn führen zu lassen und den Weg mit ihm zusammen zu gehen. Ich wünsche euch Tage der Gnade und des Friedens in dieser Woche. 387 REISEN Meditation Liebe Jugendliche! 1. Wir haben soeben das Evangelium von der Fußwaschung gehört. Durch diese Geste der Liebe am Abend des Gründonnerstags hilft der Herr uns den Sinn seines Leidens und seiner Auferstehung begreifen. Die Zeit, die wir miteinander verbringen werden, steht in Beziehung zur Heiligen Woche und insbesondere zu den drei Tagen, die uns an das Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi erinnern. Und sie orientiert sich auch an der christlichen Initiation und dem Katechumenat, d. h. die Vorbereitung der Erwachsenen auf die Taufe, die in der Urkirche von grundlegender Bedeutung war. Die Liturgie der Fastenzeit bezeichnet die Abschnitte des Weges, den die Katechumenen bis zur Feier der Taufe in der Ostervigil zurücklegten. Während der vor uns liegenden Tage begleiten wir Christus auf der letzten Strecke seines irdischen Weges und betrachten die großen Aspekte des Ostergeheimnisses, um den Glauben unserer Taufe zu bestärken. Wir wollen dem Herrn unsere ganze Liebe bezeigen, wie Petrus es tat, als er am Seeufer nach der Auferstehung dreimal zu ihm sagte: „Du weißt, daß ich dich liebe“ (vgl. Joh 21,4-23). Am Gründonnerstag hat Jesus durch die Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums, wie auch durch die Fußwaschung, den versammelten Aposteln deutlich den Sinn seines Leidens und seines Todes aufgezeigt. Er hat sie auch in das Geheimnis des neuen Osterfestes und der Auferstehung eingefiihrt. Am Tag seiner Verurteilung und seiner Kreuzigung aus Liebe zu den Menschen hat er sein Leben zum Geschenk an den Vater gemacht für das Heil der Welt. Am Ostermorgen haben die heiligen Frauen und dann Petrus und Johannes das Grab leer gefunden. Der auferstandene Herr ist Maria Magdalena, den Jüngern von Emmaus und den Aposteln erschienen. Der Tod hat nicht das letzte Wort gehabt. Jesus ist siegreich aus dem Grab hervorgegangen. Nachdem die Apostel sich in den Abendmahlssaal zurückgezogen hatten, haben sie den Heiligen Geist empfangen, der ihnen die Kraft gegeben hat, Missionare der Frohen Botschaft zu sein. 2. Die Fußwaschung, eine Bekundung der vollkommenen Liebe, ist das Erkennungszeichen der Jünger. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ {Joh 13,15). Jesus, der Meister und Herr, verläßt seinen Platz am Tisch, um den Platz des Dieners einzunehmen. Er kehrt die Rollen um und läßt so das radikal Neue des christlichen Lebens in Erscheinung treten. Demütig zeigt er, daß Lieben in Wort und Tat vor allem darin besteht, den Brüdern und Schwestern zu dienen. Wer sich darauf nicht einläßt, kann kein Jünger sein. Umgekehrt empfangt der, der dient, die Verheißung des ewigen Heiles. Seit unserer Taufe sind wir zum neuen Leben wiedergeboren. Die christliche Existenz verlangt von uns, daß wir auf dem Weg der Liebe voranschreiten. Das Gesetz Christi ist das Gesetz der Liebe. Es gestaltet die Welt um nach Art eines Fer- 388 REISEN ments, es entwaffnet die Gewalttätigen und gibt deren Platz den Schwächsten und Kleinsten, die berufen sind, das Evangelium zu verkünden. Durch den Geist, den er empfangen hat, wird der Jünger Christi angehalten, sich in den Dienst der Brüder und Schwestern zu stellen, in der Kirche, in seiner Familie, in seinem Berufsleben, in zahlreichen Vereinigungen und im öffentlichen Leben, auf nationaler und internationaler Ebene. Dieser Weg ist gewissermaßen die fortgesetzte Taufe und Firmung. Dienen ist der Weg zum Glück und zur Heiligkeit: Unser Leben besteht dann aus Schritten der Liebe hin zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern. Indem er den Jüngern die Füße wäscht, nimmt Jesus die Erniedrigung seines Kreuzestodes vorweg, durch den er der Welt in unüberbietbarer Weise Dienst leisten wird. Er zeigt, daß sein Sieg und seine Ehre durch Opfer und Dienen hindurchgehen: Das ist auch der Weg jedes Christen. Es gibt keine größere Liebe, als sein Leben aus freien Stücken für seine Freunde hingeben (vgl. Joh 15,13), denn die Liebe rettet die Welt, baut die Gesellschaft auf und bereitet die Ewigkeit vor. So werdet ihr die Propheten einer neuen Welt sein. Mögen Liebe und Dienst die Hauptregeln eures Lebens sein! Im Opfer eurer selbst werdet ihr entdecken, was ihr selbst empfangen habt, und ihr werdet eurerseits das Geschenk Gottes empfangen. 3. Liebe Jugendliche, da ihr Glieder der Kirche seid, ist es eure Aufgabe, das Handeln des Herrn fortzusetzen: Die Fußwaschung deutet alle Werke der Liebe und der Barmherzigkeit an, die die Jünger Christi im Lauf der ganzen Geschichte tun werden, um Gemeinschaft unter den Menschen wachsen zu lassen. Heute seid auch ihr aufgerufen, euch in diesem Sinn zu engagieren und bereit zu sein, Christus zu folgen. Ihr verkündet, daß der Weg der vollkommenen Liebe über das totale und beständige Geschenk seiner selbst verläuft. Wenn die Menschen leiden, wenn sie durch Elend oder Ungerechtigkeit gedemütigt sind und wenn sie in ihren Rechten verunglimpft werden, bemüht euch, ihnen zu dienen. Die Kirche fordert alle ihre Kinder auf, sich dafür einzusetzen, daß jeder Mensch aufrichtig leben kann und als Gotteskind in der ihm von seinem Ursprung her zukommenden Würde anerkannt wird. Wenn wir unseren Brüdern und Schwestern dienen, entfernen wir uns auf keinen Fall von Gott, sondern im Gegenteil, wir begegnen ihm auf unserem Weg und dienen ihm. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (vgl. Mt 25,40). Auf diese Weise machen wir unserem Herrn, unserem Schöpfer und Erlöser Ehre, wir tragen zum Wachstum des Reiches Gottes in der Welt und zum Fortschritt der Menschheit bei. Um an diese wichtige Sendung zu erinnern, die die Christen jedem Menschen und besonders den Ärmsten gegenüber haben, wollte ich gleich zu Beginn des Weltjugendtages am Trocadero, auf dem Platz der Menschenrechte, beten. Heute wollen wir miteinander vor allem für die jungen Menschen beten, die infolge von Elend, Krieg oder Krankheit weder die Möglichkeit noch die Mittel haben, angemessen zu leben und zu ihrem menschlichen und geistigen Wachsen die notwendige Ausbildung zu erhalten. Sie seien der Liebe und der Unterstützung der Kirche versichert! 389 REISEN 4. Wer liebt, rechnet nicht, er sucht keine Vorteile. Er handelt unauffällig und unentgeltlich für seine Brüder und Schwestern, weil er weiß, daß jeder Mensch, wer er auch immer sei, einen unendlichen Wert hat. In Christus gibt es keine Niedriggestellten und Hochstehenden. Es gibt nur Glieder eines gleichen Leibes, von denen jeweils die einen das Wohl des anderen wünschen und eine Welt aufbauen wollen, die aufhahmebereit ist für alle. Durch Gesten der Aufmerksamkeit und unsere Beteiligung am sozialen Leben bezeugen wir unserem Nächsten, daß wir ihm helfen wollen, er selbst zu werden und das Beste seiner selbst zu geben, zu seiner persönlichen Förderung und zum Wohl der ganzen menschlichen Gemeinschaft. Die Brüderlichkeit besiegt den Machtwillen und der Dienst die Versuchung zur Herrschaft. Liebe Jugendliche, ihr tragt außerordentliche Fähigkeiten zum Schenken, zu Liebe und Solidarität in euch. Der Herr will diesen ungeheuren Edelmut, der euer Herz erfüllt, neu beleben. Ich lade euch ein, zum Schöpfen an die Quelle des Lebens zu kommen, die Christus ist, um jeden Tag die Mittel zu ersinnen, euren Brüdern und Schwestern inmitten der Gesellschaft zu dienen, in der ihr als Menschen und als Gläubige eure Verantwortlichkeiten zu übernehmen habt. Auf sozialem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet braucht euch die Menschheit. Seid mit Sorgfalt darauf bedacht, unaufhörlich eure beruflichen Fähigkeiten zu vervollkommnen, um eure Arbeit kompetent auszuführen, und versäumt es zu gleicher Zeit nicht, euren Glauben zu vertiefen, der euch erleuchten wird bei allen Entscheidungen, die ihr zum Wohl eurer Brüder und Schwestern, in eurem persönlichen Leben und bei eurer Arbeit treffen müßt. Und wenn ihr für eure beruflichen Qualitäten anerkannt werden wollt, wie solltet ihr nicht auch den Wunsch nach dem Wachstum eures inneren Lebens, der Quelle aller menschlichen Dynamik, haben? 5. Die Liebe und der Dienst geben unserem Leben Sinn und machen es schön, denn wir wissen, wozu und für wen wir uns einsetzen. Wir tun es im Namen Christi, der uns zuerst geliebt und gedient hat. Was gibt es Größeres, als sich geliebt wissen? Wie sollten wir nicht freudig auf die Erwartung des Herrn antworten? Die Liebe ist im wahrsten Sinne des Wortes das Zeugnis, das Hoffnung anbahnt. Der Bruderdienst verwandelt das Leben; er zeigt, daß die Hoffnung und das geschwisterliche Leben stärker sind als alle Versuchung zur Verzweiflung. Die Liebe vermag unter allen Umständen den Sieg davonzutragen. Verwirrt durch die demütige Geste Jesu sagt Petrus zu ihm: „Du, Herr, willst mir die Füße waschen?“ - „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ (Joh 13,6.8). Wie er, so brauchen auch wir Zeit, um das Heilsgeheimnis zu begreifen, und manchmal weigern wir uns, den kleinen Weg der Liebe zu gehen. Nur wer sich lieben läßt, kann auch seinerseits lieben. Petrus hat es zugelassen, daß der Herr ihm die Füße wusch. Er hat es zugelassen, geliebt zu werden, und dann hat er verstanden. Liebe Jugendliche, macht die Erfahrung der Liebe Christi: Es wird euch zum Bewußtsein kommen, was er für euch getan hat, und dann werdet ihr begrei- 390 REISEN fen. Nur wer in inniger Verbundenheit mit seinem Meister lebt, kann ihn nachahmen. Wer sich vom Leib Christi nährt, findet die Kraft zu brüderlichem Handeln. So entsteht zwischen Christus und seinem Jünger ein Verhältnis der Nähe und der Verbundenheit, das das Leben des Jüngers in der Tiefe umgestaltet und ihn zu einem Diener macht. Liebe Jugendliche, vielleicht fragt ihr euch, wie man Christus dient. In der Fußwaschung findet ihr den königlichen Weg, Christus zu treffen, wenn ihr ihn nachahmt und ihn in euren Brüdern und Schwestern entdeckt. 6. Durch euer Apostolat bietet ihr euren Brüdern und Schwestern das Evangelium der Liebe an. Dort, wo das Zeugnis des Wortes schwierig oder unmöglich ist in einer Welt, die es nicht annimmt, da macht ihr durch eure Haltung den dienenden Christus gegenwärtig, denn euer Handeln stimmt mit der Lehre dessen überein, den ihr verkündigt. Das ist eine hervorragende Form des Glaubensbekenntnisses; sie wurde mit Demut und Ausdauer von den Heiligen praktiziert. Es ist eine Art und Weise, zum Ausdruck zu bringen, daß man alles für die Wahrheit des Evangeliums und für die Liebe zu den Brüdern und Schwestern opfern kann, wie Christus. Wenn wir unser Leben dem seinen ähnlich machen, wenn wir, wie er, in der Liebe leben, dann werden wir die wahre Freiheit erlangen, um unserer Berufung zu entsprechen. Manchmal kann es uns moralischen Heldenmut abfordem, uns mutig in der Nachfolge Christi zu engagieren mit der Gewißheit, daß der Meister uns den Weg zum Glück zeigt. Nur im Namen Christi kann man ihn in selbstloser Hingabe bis zum Äußersten der Liebe gehen. Meine lieben Jugendlichen, die Kirche setzt Vertrauen in euch. Sie zählt auf euch, daß ihr euer Leben lang Zeugen des Auferstandenen seid. Ihr geht jetzt an die verschiedenen Orte der Nachtwachen. Ob in festlichem Gottesdienst, ob in der Meditation: Richtet euren Blick auf Christus, um in den Sinn der göttlichen Botschaft einzudringen und Kraft zu der Sendung zu finden, die der Herr euch in der Welt anvertraut, sei es in einer Aufgabe als Laie oder im geweihten Leben. Wenn ihr auch euer tägliches Leben in Klarheit und Hoffnung ohne Bitterkeit oder Entmutigung wieder überdenkt und euch über eure Erfahrungen austauscht, dann werdet ihr die Gegenwart Gottes wahmehmen, der euch mit liebevoller Aufmerksamkeit begleitet. Helft euch gegenseitig, im Licht des Lebens von Heiligen und anderen Zeugen des Evangeliums euren Glauben zu festigen und die Apostel des Jahres 2000 zu sein, die die Welt daran erinnern, daß der Herr uns in seine Freude einlädt und daß das wahre Glück darin besteht, sich aus Liebe zu den Brüdern und Schwestern hinzugeben! Leistet euren Beitrag zum Leben der Kirche, die eure Jugend und eure Dynamik nötig hat! 391 REISEN Am Schluß fugte der Papst noch folgendes hinzu: Nun wissen wir, warum der Ingenieur Eiffel diesen Turm errichtet hat, damit hier, um diesen Turm, ein großes Treffen der Jugend stattfinden kann: der Weltjugendtag, den wir soeben eröffnet haben und der morgen und übermorgen fortgesetzt wird und bis Sonntag dauert. Einen Rat für diesen Abend: Schlaft gut! Lebendige Steine des Bauwerkes, dessen Eckstein Christus ist Ansprache beim Gebetstreffen in der Auferstehungskathedrale von Evry am 22. August Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Namen des auferstandenen Herrn begrüße ich Sie herzlich. Ich danke dem Bischof dieser Diözese, daß er mich zusammen mit Ihnen allen in dieser Kathedrale der Auferstehung empfangt, einer modernen Kirche, wie man leicht feststellen kann; und nach Notre-Dame heute vormittag wird einem bewußt, daß sich die Jahrhunderte und die Baustile überlagern. Ich freue mich, insbesondere die Vertreter der anderen christlichen Gemeinschaften und anderer religiöser Traditionen zu begrüßen, die sich heute nachmittag den Katholiken des Departements Essonne anschließen wollten. Mein Dank gilt auch den Persönlichkeiten der zivilen Behörden der Stadt und des Departements für ihre Teilnahme an dieser Feier. 2. Liebe Brüder und Schwestern, ihr habt diesen gewagten Bau errichtet; ihr habt einen sehr schönen Raum für die Zusammenkunft der Diözesankirche zum Gottesdienst geschaffen. Ich danke dem Herrn und ich teile eure Dankbarkeit gegenüber euren Hirten, gegenüber dem Architekten, den Baumeistern und den Spendern, die sich zusammengetan haben, um im Herzen der neu ausgebauten Stadt Evry ein solches Zeichen, das Haus Gottes und das Haus der Menschen, zu errichten. Es ist eine großartige Hoffnungsgeste, ein Zeugnis für die Lebenskraft einer Gemeinde, die sich, auf das neue Jahrtausend zugehend, richtigerweise in der Sprache der heutigen Zeit ausdrücken wollte. 3. Als Nachfolger Petri bestärke ich euch im Glauben in Gemeinschaft mit der Gesamtkirche, während ihr euch ebenso zu euren Bindungen mit der Diözese München unter dem Schutz des hl. Corbinian bekennt. Jede Teilkirche hat ihren Anteil an der Sendung, die von Christus allen seinen Jüngern, einem jeden nach seiner Berufung und seinem Lebensstand, anvertraut worden ist. Da möchte ich den Priestern, den Diakonen, den Ordensmännem und Ordensfrauen und den verantwortlichen Laien, die auf verschiedenste Weise im Dienst der Diözesangemeinschaft arbeiten, meine freundschaftliche Ermutigung aussprechen. 392 REISEN Ihr werdet die wahren Baumeister der Kirche, des geistigen Tempels (vgl. Lumen Gentium, Nr. 6), sein, wenn ihr allen Völkern die Frohe Botschaft bringt, wenn ihr mit euren Brüdern und Schwestern verschiedener Herkunft und verschiedener Kulturen in Dialog tretet, wenn ihr euch um die vom Leben Geschädigten, die Armen, die Kranken, die Behinderten, die Gefangenen kümmert, wenn ihr auch die Vertreter unterschiedlicher sozialer Klassen, aus welchem Teil der Welt auch immer sie kommen mögen, aufnehmt. Das sieht man, wenn man durch die Stadt geht: man sieht Afrikaner, Asiaten, man trifft fast überall ein wenig auf die ganze Welt. Das alles ist eine gute Begleitung für den Welttag der Jugend. Alle sind aufgerufen, lebendige Steine des Bauwerkes zu sein, dessen Eckstein Christus ist, Zentrum aller Rassen, aller Nationen, aller Sprachen. 4. Brüder und Schwestern, ihr werdet diese Kathedrale ebenso lebendig machen wie alle Kirchen dieser Diözese, wenn ihr euch hier versammelt, um vor allem die Gegenwart des auferstandenen Christus zu erkennen: Gegenwärtig ist er in der Eucharistie und in allen Sakramenten, gegenwärtig ist er durch sein Wort, gegenwärtig ist er in der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Ihm, dem Lebendigen, ihm, der ist, der war und der sein wird, vertraue ich eure Diözesankirche an. Er schenke euch die Kraft des Glaubens und die Hochherzigkeit der Liebe. Er lasse euch in den Kindern den Glauben wachrufen. Er wecke unter euch Berufungen zum Priesteramt und zum geweihten Leben, die für das Leben der Gemeinde unerläßlich sind. Und ich darf sagen, daß ich deshalb jeden Morgen um geistliche Berufe bete. Für jeden Gläubigen der Diözese, für alle Bewohner des Departements Essonne, für die Zukunft dieser Diözese erbitte ich die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria und der Heiligen eures Landes, die sehr zahlreich sind. Seit heute haben wir einen neuen Seligen, Friedrich Ozanam. Gelobt sei Jesus Christus! Setzt Euch ein für Frieden und Versöhnung! Botschaft an Msgr. James Francis Stafford, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien, zum Kreuzweg am 22. August 1. „Meister, wo wohnst du?“ Heute abend, meine lieben Jugendlichen, habt Ihr Euch aufgemacht, Christus zu folgen, der seinem Leiden entgegengeht. Erhebt Eure Augen, und blickt ihm, der Euch entgegenkommt und Euch anruft, ins Antlitz. Wen sucht Ihr in diesem vom Schmerz gezeichneten Jesus, „so entstellt sieht er aus, nicht mehr wie ein Mensch“ (vgl. Jes 52,14)? Das ist der Knecht Gottes, der Sohn des Höchsten; er hat unsere Schmerzen auf sich genommen und sich zum Diener des Menschen gemacht. Betrachtet ihn, hört auf ihn, der in Schmerz und 393 REISEN Prüfung „wohnt“! In ihm, der in allem die Erfahrung menschlicher Schwachheit gemacht hat - außer der Sünde in ihm wird euer Herz Heilung finden. Durch die Schwachheit eines gedemütigten und verachteten Menschen hat Gott uns seine Allmacht gezeigt. Jesus, der Unschuldige, hat sich, als er es aus freien Stücken annahm, im Gehorsam bis zum Äußersten zu gehen, zum Zeugen der grenzenlosen Liebe Gottes zu jedem Menschen gemacht. Das Geheimnis unseres Heiles wird im Schweigen des Karfreitags Wirklichkeit, als ein von allen verlassener Mensch, mit der Last unserer Leiden beladen, sich dem Tod an einem Kreuz ausgeliefert hat, die Arme weit ausgebreitet, so, als wolle er alle Menschen aufnehmen. Welch ein Beweis größter Liebe! Ein schwer zu erfassendes Geheimnis, Geheimnis der grenzenlosen Liebe! Ein Geheimnis, das die neue, durch das Reich Gottes umgestaltete Welt einleitet. An diesem Kreuz ist das Böse besiegt worden; aus dem Tod des menschgewordenen Gottes ist das Leben entsprungen. Seine Treue gegenüber dem Liebesplan des Vaters war nicht umsonst, sie hat zur Auferstehung geführt. 2. Der leidende Christus nimmt auch heute noch „Wohnung“ unter den Menschen. Um seine Macht zu offenbaren, kommt Gott bis in die Tiefe unseres Elends zu uns. Es ist uns überlassen, im geprüften, geschlagenen, verachteten, zurückgestoßenen Menschen den Herrn zu entdecken, der mit seinem Kreuz beladen über die Wege der Menschheit geht. Liebe Freunde, der Gekreuzigte ist immer auf Eurem Weg, an der Seite der Menschen, die sich plagen, die leiden und sterben. Ihr alle, die ihr ermüdet seid, gebeugt unter der Last, kommt her zu dieser „Wohnstätte“ Christi, tragt mit ihm Euer Kreuz; bietet ihm das Opfer Eures Lebens dar, und er wird Euch Erleichterung verschaffen (vgl. Mt 11,28). Euch zur Seite wird die liebende Anwesenheit Marias, der Mutter Jesu, die auch Eure Mutter ist, Euch führen und Euch Mut und Kraft geben. In einer Welt, in der das Böse zu siegen und die Hoffnung manchmal erstickt zu sein scheint, werdet - verbunden mit den Märtyrern des Glaubens, der Brüderlichkeit und der Spaltung, mit den Zeugen für Gerechtigkeit und Freiheit, mit den Opfern von Intoleranz und Ablehnung des andern, mit all denen, die in so vielen, durch Haß und Krieg zerrissenen Ländern ihr Leben für ihre Brüder und Schwestern hingegeben haben - einander Verwandte, wie Christus Euch verwandt geworden ist. Wendet Euren Blick nicht ab, habt den Mut zur Begegnung, zur geschwisterlichen Tat nach dem Vorbild des Simon von Cyrene, der Jesus beim Aufstieg nach Kal-varia geholfen hat. Seid kühne Stifter von Versöhnung und Frieden; lebt miteinander Solidarität und geschwisterliche Liebe; bringt das Kreuz des Erlösers zum Aufleuchten, um der Welt den Sieg des Auferstandenen zu verkünden, den Sieg des Lebens über den Tod! 394 REISEN 3. Liebe Freunde, wenn Ihr das Kreuz Christi betrachtet, wenn Ihr in der Stille auf das Wort hört, das er an Euch richtet, werdet Ihr diesen Gott entdecken, der dem Menschen Vertrauen schenkt, der Euch Vertrauen schenkt und niemand aufgibt. Er bietet Euch seine Kraft an, um die Keime von Frieden und Versöhnung im Herzen eines jeden zum Wachsen zu bringen. Die schlichtesten Taten der Liebe und der Brüderlichkeit bezeugen die Anwesenheit Gottes. Wenn Ihr heute abend in der Kirche versammelt seid, lädt Jesus Euch wiederum ein, den Blick der Liebe aufzunehmen, den er auf Euch richtet, und die Verzeihung anzunehmen, die Euch Mut geben wird, aufs neue aufzubrechen auf den Weg des Lebens. Er ruft Euch, daß Ihr Euch in sein Licht stellt, um die Zeit der Bekehrung und der Versöhnung zu beginnen. Das Sakrament der Versöhnung, das zu empfangen Euch vorgeschlagen wird, ist das Sakrament einer empfangenen Liebe, die sich mitteilt in der Freude über das versöhnte Herz und über die wiedergefundenen Brüder. Liebe Freunde, empfangt diese Liebe, die Euer Leben umformt und Euch die Horizonte der Wahrheit und der Freiheit eröffnet. Paris, den 22. August 1997 Joannes Paulus PP. II Christus ist immer bei Euch! Botschaft an die jungen Strafgefangenen am 22. August An Msgr. Claude Frikart, Weihbischof in Paris, für die jungen Strafgefangenen Liebe Jugendliche! Während des Weltjugendtages denke ich an Euch, die Ihr zur Zeit im Gefängnis seid. Eure Lage darf Euch nicht zur Verzweiflung fuhren. Ihr tragt tief in Eurem Herzen Leiden, die mit den Gründen für Eure augenblickliche Haft verbunden sind. Die Kirche bleibt Euch nahe. Sie will die Hoffnung bezeugen, die Christus uns bringt. Keine Tat kann Euch die Würde des Gotteskindes wegnehmen, die Ihr besitzt. Laßt Christus in Eurem Herzen wohnen! Vertraut ihm Eure Prüfung an! Er wird Euch helfen, sie zu tragen. In Verborgenheit und Stille könnt Ihr Euch mit dem Treffen verbinden, das andere Jugendliche augenblicklich in Paris erleben. Ja, durch Euer Gebet, Eure Opfer und Eure persönliche Erneuerung habt Ihr Anteil am Gelingen dieser großen Versammlung und an der Bekehrung eurer Brüder. Hat nicht die hl. Theresia vom Kinde Jesus allein durch das Gebet die Bekehrung eines 395 REISEN Gefangenen erlangt und hat sie nicht, ohne aus ihrem Kloster hinauszugehen, Missionaren geholfen, die sich mit der Verkündigung des Evangeliums abmühten? Liebe Jugandliche, habt Vertrauen! Laßt Euch durch Christus versöhnen! Mögt Ihr den inneren Frieden erlangen dank der Reue, der Vergebung Gottes und Eures Wunsches, von nun an ein besseres Leben zu führen! Mit der Hilfe Eurer Familien, Eurer Freunde und der Kirche möchte ich, daß Ihr den Platz wiederfindet, der Euch in der Gesellschaft zukommt und wo Ihr bemüht sein werdet, im Dienst Eurer Brüder zu arbeiten in Achtung vor ihrer Person und ihren Gütern. Ich vertraue Euch der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria an, und mit den Bischöfen und den Priestern, die an diesem Tag um Euch sind, segne ich Euch von ganzem Herzen ebenso wie alle Mitglieder Eurer Familien. Paris, den 22. August 1997 Joannes Paulus PP. II Nächstenliebe ist prophetisches Zeichen der Nachfolge Christi Predigt bei der Seligsprechung von Friedrich Ozanam in Notre-Dame de Paris am 22. August 1. „Die Liebe ist aus Gott“ (7 Joh 4,7). Das heutige Evangelium stellt uns die Gestalt des barmherzigen Samariters vor. Durch dieses Gleichnis will Christus seinen Zuhörern zeigen, wer der im wichtigsten Gebot des göttlichen Gesetzes genannte „Nächste“ ist: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst“ (LA: 10,27). Ein Gesetzeslehrer fragte, was man tun muß, um das ewige Leben zu gewinnen: In diesen Worten Jesu fand er die endgültige Antwort. Er wußte, daß die Liebe zu Gott und zum Nächsten das erste und größte aller Gebote ist. Trotzdem fragt er: „Und wer ist mein Nächster?“ {Lk 10,29). Die Tatsache, daß Jesus einen Samariter als Beispiel nimmt, um auf diese Frage zu antworten, ist bezeichnend. In der Tat waren die Samariter bei den Juden nicht besonders geschätzt. Darüber hinaus vergleicht Christus das Verhalten dieses Mannes mit dem eines Priesters und eines Leviten, die den von den Räubern beraubten Menschen halbtot am Wegesrand liegen sahen und einfach weitergingen, ohne ihm zu helfen. Als der Mann aus Samarien dagegen den leidenden Menschen sah, „hatte er Mitleid“ (Lk 10,33); sein Mitgefühl führte ihn zu einer ganzen Reihe von Handlungen. Zuerst verband er die Wunden, dann brachte er den Mann zu einer Herberge und sorgte für ihn; schließlich, vor seiner Abreise, gab er dem Wirt das nötige Geld, damit für den Verwundeten gesorgt war (vgl. Lk 10,34-35). Dieses 396 REISEN Beispiel ist vielsagend. Der Gesetzeslehrer erhält eine klare Antwort auf seine Frage: Wer ist mein Nächster? Der Nächste, das ist jeder Mensch, ohne Ausnahme. Es ist überflüssig, nach seiner Staatsangehörigkeit, nach seiner sozialen Schicht oder religiösen Zugehörigkeit zu fragen. Wenn er in Not ist, muß man ihm zu Hilfe kommen. Das fordert das erste und wichtigste göttliche Gesetz, das Gesetz der Gottesliebe und der Nächstenliebe. Diesem Gebot des Herrn treu, hat Friedrich Ozanam an die Liebe geglaubt, an jene Liebe, die Gott für jeden Menschen hegt. Er selbst fühlte sich zum Lieben aufgerufen und lieferte das Beispiel einer großen Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen. Er ging auf all jene zu, die noch liebebedürftiger waren als andere, das heißt auf jene Menschen, denen die Liebe Gottes tatsächlich nur durch die Liebe eines anderen Menschen kundgetan werden konnte. Ozanam hat darin seine Berufung entdeckt, er hat dort den Weg gesehen, zu dem Christus ihn aufrief. Darin hat er seinen Pfad zur Heiligkeit gefunden, und er hat ihn mit Entschlossenheit eingeschlagen. 2. „Die Liebe ist aus Gott.“ Die Liebe des Menschen hat ihren Ursprung im Gesetz Gottes; die erste Lesung aus dem Alten Testament beweist das. Wir finden darin eine ausführliche Aufzählung von Taten der Nächstenliebe. Es ist wie eine biblische Vorbereitung auf die Parabel des barmherzigen Samariters. Die zweite Lesung aus dem ersten Johannesbrief erklärt die Bedeutung des Ausdrucks „die Liebe ist aus Gott“. Der Apostel schreibt seinen Jüngern: „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,7-8). Diese Worte des Apostels sind wirklich das Herzstück der Offenbarung, der Höhepunkt, zu dem uns alles hinfuhrt, was in den Evangelien und den apostolischen Briefen geschrieben steht. Der hl. Johannes fährt fort: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10). Die Erlösung von den Sünden beweist die Liebe, die der menschgewordene Gottessohn uns entgegenbringt. Also ist die Nächstenliebe, die Liebe zu den Menschen, nicht mehr nur ein Gebot: Sie ist eine Forderung, die aus der erlebten Erfahrung der Liebe Gottes hervorgeht. Darum kann Johannes schreiben: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“ (1 Joh 4,11). Die Lehren des Johannesbriefs gehen weiter; der Apostel schreibt: „Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet. Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben und er in uns bleibt: Er hat uns von seinem Geist gegeben“ (1 Joh 4,12-13). Die Liebe ist demnach die Quelle der Erkenntnis. Wenn einerseits die Erkenntnis eine Voraussetzung der Liebe ist, so läßt andererseits die Liebe die Erkenntnis wachsen. Wenn wir in der Liebe bleiben, haben wir die Sicherheit des Wirkens des Heiligen Geistes. Er läßt uns teilhaben an der erlösenden Liebe des Sohnes, den der Vater gesandt hat zum Heil der Welt. Wenn wir Christus als Sohn Gottes kennen, bleiben wir in Ihm und 397 REISEN - durch Ihn - in Gott. Dank der Verdienste Christi haben wir an die Liebe geglaubt, wir kennen die Liebe, die Gott für uns hat, und wissen, daß Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,16). Diese Kenntnis durch die Liebe ist gewissermaßen der Schlußstein des ganzen spirituellen Lebens eines Christen. „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (ebd.). 3. Heute nehme ich - im Rahmen der Weltjugendtage, die dieses Jahr in Paris stattfinden — die Seligsprechung von Friedrich Ozanam vor. Herzlich grüße ich Kardinal Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris, der Stadt, wo sich das Grab des neuen Seligen befindet. Ich freue mich auch, daß Kardinäle und Bischöfe aus vielen Ländern bei diesem Ereignis anwesend sind. Mit großer Zuneigung begrüße ich die Mitglieder der Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul, die aus der ganzen Welt zur Seligsprechung ihres Hauptgründers hierhergekommen sind, sowie die Vertreter der großen geistlichen Familie, die den Geist des hl. Vinzenz als Erbe erhalten hat. Die Beziehungen zwischen den Vinzentinem waren seit Beginn der Gesellschaft von bevorzugter Art: Es war nämlich eine „Tochter der Nächstenliebe“, Schwester Rosalie Rendu, die den jungen Friedrich Ozanam und seine Freunde zu den Armen im Pariser Viertel Mouffetard führte. Liebe Jünger des hl. Vinzenz von Paul! Ich ermutige euch, eure Kräfte zusammenzubündeln, damit die Armen - dem Wunsch eures geistlichen Lehrers entsprechend - immer mehr geliebt werden und ihnen immer besser gedient wird und damit Jesus Christus in ihren Personen geehrt wird! 4. Friedrich Ozanam liebte alle Bedürftigen. Schon in seiner Jugend wurde ihm bewußt, daß es nicht ausreichte, von der Nächstenliebe und der Sendung der Kirche in der Welt zu reden: Dies mußte sich vielmehr in einem tatsächlichen Engagement der Christen zugunsten der Armen ausdrücken. Er knüpfte also an die Idee von „Monsieur Vincent“ an: „Laßt uns Gott lieben, Brüder, laßt uns Gott lieben, aber nur auf Kosten unserer Arme und im Schweiße unseres Angesichts“ (hl. Vinzenz von Paul, XI, 40). Um dieser Einstellung konkret Ausdruck zu verleihen, gründete er im Alter von fünfundzwanzig Jahren mit einer Gruppe von Freunden die „Konferenzen des hl. Vinzenz von Paul“; ihr Ziel war der Beistand für die Ärmsten in einem Geist des Dienens und des Teilens. Schnell breiteten sich die „Konferenzen“ auch jenseits der Grenzen Frankreichs, in allen Ländern Europas und der ganzen Welt, aus. Ich selbst gehörte als Student vor dem Zweiten Weltkrieg einer von ihnen an. Inzwischen ist die Liebe zu den Menschen, die am meisten in Not sind und um die sich niemand kümmert, zum Mittelpunkt des Lebens und der Sorgen Friedrich Ozanams geworden. Über diese Männer und Frauen schrieb er: „Wir sollten ihnen zu Füßen fallen und ihnen wie der Apostel sagen: ,Tu es Dominus meus.‘ Ihr seid unsere Meister, und wir werden eure Diener sein; ihr seid für uns die geheiligten Abbilder des Gottes, den wir nicht sehen, und da wir ihn nicht anders lieben können, lieben wir ihn in euch“ (an Louis Jamnot). 398 REISEN 5. Er beobachtet die wirkliche Lage der Armen und sucht nach immer wirksameren Verfahren, um ihnen zu helfen, in ihrer Menschlichkeit zu wachsen. Und ihm wird klar: Die Nächstenliebe muß dazu führen, daß man sich für eine Wiedergutmachung von Ungerechtigkeit einsetzt. Nächstenliebe und Gerechtigkeit gehen Hand in Hand. Er hat den weitsichtigen Mut eines sozialen und politischen Engagements ersten Ranges in einem bewegten Abschnitt des Lebens seines Landes, denn keine Gesellschaft kann das Elend einfach als Schicksalsfügung hinnehmen, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Wir können in ihm also einen Vorläufer der Soziallehre der Kirche sehen, die Papst Leo XIII. einige Jahre später in seiner Enzyklika Rerum novarum darlegen wird. Angesichts der verschiedenen Formen der Armut, die so viele Männer und Frauen quält, ist die Nächstenliebe ein prophetisches Zeichen des Einsatzes der Christen in der Nachfolge Jesu. Ich fordere also die Laien - und vor allem die Jugendlichen - auf, ihren Mut und ihren Einfallsreichtum unter Beweis zu stellen, um für den Aufbau von brüderlicheren Gesellschaften tätig zu werden, wo die Bedürftigsten in ihrer Würde anerkannt werden und die Mittel für ein achtbares Dasein finden können. Mit der Demut und dem grenzenlosen Vertrauen in die Vorsehung, die Friedrich Ozanam auszeichneten, sollt ihr die Kühnheit haben, die materiellen und geistigen Güter mit jenen zu teilen, die im größten Elend sind! 6. Der selige Friedrich Ozanam, Apostel der Nächstenliebe, vorbildlicher Ehemann und Familienvater, herausragende Gestalt der katholischen Laienbewegung im neunzehnten Jahrhundert, war ein Hochschullehrer, der in der Ideenbewegung seiner Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat. Als Student und als bekannter Professor zuerst in Lyon und dann an der Sorbonne in Paris strebte er vor allem nach der Suche und der Mitteilung der Wahrheit; dabei war er abgeklärt und achtete die Überzeugungen derer, die seine Meinung nicht teilten. „Wir müssen lernen, unsere Überzeugungen zu verteidigen ohne unsere Gegner zu hassen - schrieb er - und jene zu lieben, die anders denken als wir, ... wir sollten uns weniger über unsere Zeit und mehr über uns selbst beklagen“ (vgl. Briefe, 9. April 1851). Mit dem Mut des Gläubigen verurteilte er jede Art von Egoismus und nahm aktiv an der Erneuerung der Präsenz und Tätigkeit der Kirche in der Gesellschaft seines Jahrhunderts teil. Man kennt auch seinen Beitrag zur Einrichtung der „Conferences de Careme“ in dieser Kathedrale von Notre-Dame in Paris; sie haben den Zweck, den Jugendlichen eine neuartige religiöse Erziehung anzubieten angesichts der großen Fragen, die sich ihrem Glauben stellen. Als Mann des Denkens und der Tat bleibt Friedrich Ozanam für die Lehrkräfte und Studenten unserer Tage ein Vorbild mutigen Einsatzes, denn er vermochte es, dem freien und anspruchsvollen Wort Gehör zu schenken bei der Suche nach der Wahrheit und der Verteidigung der Würde jedes Menschen. Möge er auch für sie ein Aufruf zur Heiligkeit sein! 399 REISEN 7. Heute bestätigt die Kirche Ozanams Entscheidung für ein christliches Leben und den Pfad, den er damals einschlug. Sie sagt ihm: Friedrich, dein Weg war wirklich der Weg der Heiligkeit. Über hundert Jahre sind vergangen: Jetzt ist der günstige Augenblick gekommen, um diesen Weg neu zu entdecken. Alle Jugendlichen - etwa deines Alters die aus allen Ländern Europas und der ganzen Welt so zahlreich hier in Paris zusammengekommen sind, sollen erkennen, daß dieser Weg auch der ihre ist. Sie sollen verstehen, daß sie denselben Pfad gehen müssen, wenn sie wahre Christen sein wollen. Mögen sie die Augen ihrer Seele weiter öffnen für die vielfältigen Nöte der Menschen von heute. Mögen sie diese Nöte als Herausforderungen auffassen. Möge Christus jeden von ihnen bei seinem Namen aufrufen, damit jeder sagen kann: Das ist mein Weg! In den Entscheidungen, die sie treffen werden, wird deine Heiligkeit, Friedrich, eine besondere Bestätigung finden. Und deine Freude wird groß sein. Du siehst schon die Augen dessen, der die Liebe ist; Du sollst auch ein Führer auf allen Wegen sein, die diese Jugendlichen wählen werden, wenn sie heute deinem Beispiel folgen! Friedrich Ozanarn — Vorbild tätiger Nächstenliebe Predigt bei der Messe für die Delegierten des „Internationalen Jugendforums“ in Saint-Etienne du Mont am 23. August 1. „Alle Völker sollen dich erkennen, Herr!“ Diese Worte der heutigen Liturgie sind in erster Linie an euch, Vertreter aller Nationen, gerichtet, die ihr am Weltjugendtag in Paris teilnehmt. Eure Anwesenheit bezeugt die Erfüllung der Sendung, die die Apostel von Christus nach seiner Auferstehung erhalten hatten: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,19). Ihr seid die Vertreter der Völker, bei denen das Evangelium verkündigt und aufgenommen worden ist und deren Kulturen schon davon erfüllt und verwandelt sind. Ihr seid hier, nicht nur weil ihr den Glauben und die Taufe empfangen habt, sondern auch weil ihr diesen Glauben an andere weitergeben wollt. Es gibt noch so viele Herzen, die auf das Evangelium warten! Der Ruf der heutigen Liturgie erhält auf euren Lippen seinen vollen Sinn: „Mögen alle Völker dich erkennen, Herr!“ 2. Der Weltjugendtag hat ganz offensichtlich eine missionarische Dimension. Die Liturgie bringt das heute zum Ausdruck. Die erste Lesung aus dem Buch Jesaja sagt: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König“ (52,7). Der Prophet denkt dabei sicherlich an den damals noch erwarteten Messias. Christus, der Messias, wird als erster die Frohbotschaft verkünden. Er wird diese Frohbotschaft aber den Aposteln vermitteln. 400 REISEN Durch ihre Teilhabe an seiner Sendung als Prophet, Priester und König werden sie (und nach ihnen das ganze Gottesvolk des Neuen Bundes) die Überbringer dieser Botschaft auf der ganzen Welt. Die Worte des Propheten betreffen also auch sie: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt.“ Diese Worte gehen auch euch an, die ihr hier versammelt seid, euch, die ihr am Weltjugendtag aller Nationen unter der Sonne teilnehmt. Eure Zusammenkunft ist wie ein neuerliches Pfingsten. Und es muß auch so sein! Wie die Apostel im Abendmahlssaal - und jenseits der Wahrnehmung unserer Sinne - müssen auch wir das Brausen hören, den heftigen Sturm; über den Köpfen aller hier Versammelten müssen Feuerzungen des Heiligen Geistes erscheinen, und alle müssen in verschiedenen Sprachen die Wundertaten Gottes verkünden (vgl. Apg 2,1-5). Dann werdet ihr die Zeugen der Frohbotschaft für das dritte Jahrtausend sein. 3. Die Lesung aus dem Matthäusevangelium ruft uns das Gleichnis des Sämanns in Erinnerung. Wir kennen dieses Gleichnis; trotzdem können wir die Worte des Evangeliums immer wieder lesen und darin jedesmal eine neue Erleuchtung finden. Der Sämann ging also aufs Feld, um zu säen. Als er säte, fielen einige Körner auf den Weg, andere auf felsigen Boden, wieder andere in die Domen; einige schließlich auf guten Boden, und nur diese Körner brachten Fmcht (vgl. Mt 13,3-8). Jesus gab sich nicht damit zufrieden, das Gleichnis zu erzählen, er hat es auch erklärt. Hören auch wir die Auslegung der Parabel des Sämanns. Die auf den Weg gefallenen Körner bezeichnen jene, die das Wort vom Reich hören und es nicht verstehen; der Böse kommt und nimmt alles weg, was diesen Menschen ins Herz gesät wurde (vgl. Mt 13,19). Der Böse geht diesen Weg oft und tut alles, um zu verhindern, daß die Saat im Herzen der Menschen aufgeht. Das ist der erste Vergleich. Der zweite ist der des Koms, das auf felsigen Boden gefallen ist. Dieser Boden steht für jene Menschen, die das Wort hören und sofort freudig aufnehmen, die aber keine Wurzeln haben und unbeständig sind; sobald sie um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt werden, kommen sie zu Fall (vgl. Mt 13,20-21). Welch tiefe Psychologie finden wir in diesen Worten Christi! Sehr wohl kennen wir - in uns und um uns - die Unbeständigkeit der Menschen ohne Wurzeln, die das Wort wachsen lassen könnten! Der dritte Fall betrifft die Körner, die in die Domen fallen. Christus erklärt, daß er damit jene meint, die das Wort zwar hören, dann aber ersticken es die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum, und es bringt keine Fmcht (vgl. Mt 13,22). Schließlich versinnbildlicht die Saat, die auf guten Boden fallt, jene Menschen, die das Wort hören und verstehen; dann bringt das Wort in ihnen Fmcht (vgl. Mt 13,23). Dieses ganze wunderbare Gleichnis spricht heute uns an, wie es vor zweitausend Jahren die Zuhörer Jesu angesprochen hat. Laßt uns während dieses Weltjugendtags zu fruchtbarem Boden werden, der die Saat des Evangeliums auf-nimmt und Fmcht bringt! 401 REISEN 4. Wir sind uns der Zaghaftigkeit der Menschenseele bei der Aufnahme des Wortes Gottes bewußt und richten deshalb dieses innige liturgische Gebet an den Heiligen Geist: „Veni, Creator Spiritus, / Mentes tuorum visita, / Imple supema gratia, / Quae tu creasti pectora.“ „Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein, besuch das Herz der Kinder dein: die deine Macht erschaffen hat, erfülle nun mit deiner Gnad.“ Durch dieses Gebet öffnen wir unsere Herzen und bitten den Geist, sie mit Licht und Leben zu erfüllen. Geist Gottes, mache uns für deinen Besuch bereit, laß den Glauben an das rettende Wort in uns wachsen. Sei die lebendige Quelle der Hoffnung, die in unserem Leben aufkeimt. Sei in uns der Hauch der Liebe, die uns verwandelt, und das Feuer der Nächstenliebe, die uns drängt, uns selbst durch den Dienst an unseren Brüdern zu schenken. Du, den der Vater zu uns gesandt hat, lehre uns alles, und laß uns den Reichtum des Wortes Christi erfassen. Stärke in uns den inneren Menschen, laß uns von der Furcht zum Vertrauen übergehen, damit sich in uns das Lob deiner Herrlichkeit erhebt. Sei das Licht, das kommt, um die Herzen der Menschen zu erfüllen und um ihnen den Mut zu geben, dich ohne Unterlaß zu suchen. Geist der Wahrheit, führe uns in die ganze Wahrheit ein, damit wir das Geheimnis des lebendigen Gottes, der in der Weltgeschichte wirkt, mit Entschlossenheit verkünden. Erleuchte uns über den letztendlichen Sinn dieser Geschichte. Halte fern von uns die Treulosigkeiten, die uns von dir trennen, mache uns von Groll und Spaltung frei, laß in uns einen Geist der Brüderlichkeit und Einheit wachsen, damit wir die „Stadt der Menschen“ aufbauen können in dem Frieden und der Solidarität, die uns von Gott gegeben werden. Laß uns entdecken, daß die Liebe das Innerste des göttlichen Lebens ist und daß wir berufen sind, daran teilzuhaben. Lehre uns, einander zu lieben, wie uns der Vater geliebt hat, als er seinen einzigen Sohn für uns hingab (vgl. Joh 3,16). Alle Völker sollen dich erkennen, dich, Gott, den Vater aller Menschen, der uns durch deinen Sohn Jesus offenbart wurde, dich, der du uns deinen Geist gesandt hast, um uns die Früchte der Erlösung mitzuteilen! 5. Herzlich begrüße ich nun die Verantwortlichen des Päpstlichen Rates für die Laien; sie haben das internationale Jugendforum organisiert, zu dem ihr euch für diese Zeit der Betrachtung und des Gebets versammelt habt. Ich danke allen, die den reibungslosen Ablauf dieses Treffens gewährleistet haben, vor allem den Verantwortlichen des Polytechnikums, die es großherzig und bereitwillig bei sich aufgenommen haben. Liebe Freunde! In der Kathedrale von Notre-Dame de Paris habe ich gestern Friedrich Ozanam, einen Laien, einen Jugendlichen wie ihr es seid, seliggesprochen. Gerne erinnere ich hier in der Kirche von Saint-Etienne du Mont an dieses Ereignis, denn hier hat er zusammen mit weiteren Jugendlichen seine erste Tätig- 402 REISEN keit bei den Armen dieses Viertels entfaltet. Vom Geist Christi erleuchtet und der täglichen Meditation seines Wortes treu, schlägt euch der selige Friedrich ein Ideal der Heiligkeit für die heutige Zeit vor, und zwar die Selbsthingabe im Dienst an den Bedürftigsten der Gesellschaft. Ich wünsche mir, daß er in eurer Erinnerung an diesen zwölften Weltjugendtag für euch ein Freund und ein Vorbild für euer Zeugnis als junge Christen bleiben möge! 6. Im Laufe der ereignisreichen Tage, die ihr hier erlebt habt, seid auch ihr zur Begegnung mit Christus gekommen und habt sein Wort in euch eindringen lassen, damit es aufgeht und Frucht bringt. Ihr habt eine außerordentliche Erfahrung der Universalität der Kirche und des gemeinsamen Erbes aller Jünger Christi gemacht und habt für alle Wunder gedankt, die Gott im Herzen der Menschheit wirkt. Außerdem habt ihr das Leid, die Ängste und Hoffnungen sowie die Bitten der Menschen von heute geteilt. Heute morgen schickt euch der Geist wie „einen Brief Christi“ (vgl. 2 Kor 3,3), um die Werke Gottes in jedem eurer Länder zu verkünden und um unter den Menschen guten Willens eifrige Zeugen des Evangeliums Christi zu sein - bis an die Grenzen der Erde. Die euch anvertraute Sendung erfordert, daß ihr euch im Laufe eures ganzen Lebens für die Weiterbildung in Spiritualität und Lehre immer wieder Zeit nehmt, um den Glauben zu vertiefen und eurerseits zu Ausbildern zu werden. Auf diese Weise werdet ihr antworten auf den Aufruf, „zu wachsen und ständig zu reifen, immer mehr Frucht zu bringen“ (Christißdeles laici, Nr. 57). Möge die Zeit der geistigen Erneuerung, die ihr jetzt zusammen erlebt habt, euch dazu bewegen, mit allen euren Brüdern in Christus nach der von Christus gewollten Einheit zu suchen. Möge er euch in brüderlicher Liebe zur Begegnung mit Männern und Frauen anderer religiöser oder intellektueller Überzeugungen führen zu wirklichem Kennenlemen und gegenseitiger Achtung, die uns in unserer Menschlichkeit wachsen lassen. Der Geist Gottes sendet euch, damit ihr mit allen euren Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt zu Erbauern einer versöhnten Zivilisation werdet, die auf brüderliche Liebe gründet. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend lade ich euch ein, aufmerksam zu sein gegenüber der Stimme und den Zeichen der Gegenwart und Wirkung des Heiligen Geistes in Kirche und Welt. Schaut auf die selige Jungfrau Maria, Vorbild des gelebten Glaubens, und folgt ihrem Beispiel, dann werdet ihr zu wahren Jüngern Christi, ihres göttlichen Sohnes, der die Hoffnung als Quell des Lebens begründet. Liebe Jugendliche! Die Kirche braucht euch, sie braucht euren Einsatz im Dienst am Evangelium. Auch der Papst zählt auf euch. Empfangt das Feuer vom Geist des Herrn und werdet leidenschaftliche Verkünder der Frohbotschaft! 403 REISEN Jugend ist Quelle der Lebenskraft für die ganze christliche Gemeinschaft Predigt bei der TaufVigil mit den Jugendlichen am 23. August 1. Zu Beginn begrüße ich euch alle, die ihr hier versammelt seid, mit den Worten des Propheten Ezechiel, denn sie enthalten eine wunderbare Verheißung Gottes, und sie drücken die Freude aus, die eure Anwesenheit bereitet: „Ich hole euch heraus aus den Völkern. [...] Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. [...] Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,24-28). 2. Ich begrüße die französischen Bischöfe, die uns aufnehmen, und die Bischöfe, die aus der ganzen Welt gekommen sind. Meine herzlichen Grußworte richte ich auch an die geschätzten Vertreter der anderen christlichen Konfessionen, mit denen wir die gleiche Taufe teilen, und denen viel daran gelegen war, sich dieser Feier der Jugend anzuschließen. Am Vorabend des 24. August kann man nicht das schmerzvolle Blutbad der Bartholomäusnacht vergessen, das sehr dunklen Beweggründen in der politischen und religiösen Geschichte Frankreichs entsprang. Christen haben Taten verübt, die das Evangelium verurteilt. Wenn ich an die Vergangenheit erinnere, so deshalb, weil „das Eingestehen des Versagens von gestern [...] ein Akt der Aufrichtigkeit und des Mutes [ist], der uns dadurch unseren Glauben zu stärken hilft, daß er uns aufmerksam und bereit macht, uns mit den Versuchungen und Schwierigkeiten von heute auseinanderzusetzen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 33). Darum schließe ich mich den Initiativen der französischen Bischöfe an, denn mit ihnen bin ich überzeugt, daß nur die angebotene und empfangene Vergebung fortschreitend zu einem fruchtbaren Dialog führt, der dann eine vollkommen christliche Versöhnung besiegelt. Der Ausdruck verschiedener religiöser Überzeugungen innerhalb einer nationalen Gemeinschaft darf heute keine Quelle von Opposition oder Spannung sein. Ganz im Gegenteil: die Liebe zu Christus, die uns gemeinsam ist, drängt uns, ohne Unterlaß den Weg zur vollen Einheit zu suchen. 3. Die liturgischen Texte unserer Vigil sind zu einem Teil die gleichen wie die der Ostervigil. Sie beziehen sich auf die Taufe. Das Evangelium des hl. Johannes erzählt das nächtliche Gespräch Christi mit Nikodemus. Dieser, ein Mitglied des Sanhedrin, sucht Jesus auf und bringt seinen Glauben zum Ausdruck: „Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist“ {Joh 3,2). Jesus antwortet ihm: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ {Joh 3,3). Nikodemus fragt ihn: „Wie kann 404 REISEN ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden“ (Joh 3,4). Jesus antwortet: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ {Joh 3,5-6). Jesus läßt Nikodemus von den sichtbaren zu den unsichtbaren Wirklichkeiten kommen. Jeder von uns ist aus dem Mann und der Frau geboren, von einem Vater und einer Mutter. Diese Geburt ist der Ausgangspunkt unseres Daseins. Nikodemus denkt an diese natürliche Wirklichkeit. Christus ist demgegenüber aber in die Welt gekommen, um eine andere Geburt zu offenbaren, die geistige Geburt. Wenn wir unseren Glauben bekennen, dann sagen wir, wer Christus ist: „Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater - consub-stantialis Patri; durch ihn ist alles geschaffen - per quem omnia facta sunt; für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden, descendit de caelis et incamatus est de Spiritu Sancto ex Maria virgine et homo factus est.“ Ja, liebe jungen Freunde, der Sohn Gottes ist auch für euch alle Mensch geworden — für jeden einzelnen von euch! 4. „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ {Joh 3,5). Um in das Reich Gottes zu kommen, muß der Mensch also von neuem geboren werden, nicht nach den Gesetzen des Fleisches, sondern nach dem Geist. Die Taufe ist genau das Sakrament dieser Geburt. Der Apostel Paulus erklärt tiefschürfend in dem Abschnitt aus dem Römerbrief, den wir gehört haben: „Wißt ihr denn nicht, daß wir alle, die wir auf Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ {Röm 6,3-4). Der Apostel verrät uns hier den Sinn der neuen Geburt; er zeigt, warum das Sakrament der Taufe durch Eintauchen ins Wasser gespendet wird. Es handelt sich hier nicht um ein symbolisches Eintauchen ins Leben Gottes. Die Taufe ist das konkrete und wirksame Zeichen des Eintauchens in den Tod und in die Auferstehung Christi. Wir verstehen daher, warum die Tradition die Taufe mit der Ostervigil verbunden hat. An diesem Tag, und vor allem in dieser Nacht, erlebt die Kirche von neuem den Tod Christi, ist sie ganz hineingenommen in die Umwälzung dieses Todes, aus dem ein neues Leben ersteht. Die Vigil ist also im genauen Sinn des Wortes Erwartung: Die Kirche erwartet die Auferstehung; sie erwartet das Leben, das der Sieg über den Tod sein wird und das den Menschen in dieses Leben hineinzieht. Jedem Menschen, der die Taufe empfängt, wird es gegeben, an der Auferstehung Christi teilzuhaben. Der hl. Paulus kommt oft auf dieses Thema zurück, das das Wesentliche vom wahren Sinn der Taufe zusammenfaßt. Er schreibt: „Wenn wir 405 REISEN nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein.“ Und weiter: „Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (Rom 6,5-11). Liebe Jugendliche, mit Paulus sagt ihr der Welt: Unsere Hoffnung ist fest; durch Christus leben wir für Gott. 5. Wenn wir heute abend die Ostervigil in Erinnerung rufen, dann rühren wir damit an die wesentlichen Probleme: Leben und Tod, Sterblichkeit und Unsterblichkeit. ln der Geschichte der Menschheit hat Jesus Christus hinsichtlich des Sinnes der menschlichen Existenz eine Umschaltung vorgenommen. Wenn die tägliche Erfahrung uns diese Existenz als einen Weg auf den Tod hin zeigt, dann öffnet uns das Ostergeheimnis den Ausblick auf ein neues Leben jenseits des Todes. Darum hat die Kirche, die in ihrem Credo den Tod und die Auferstehung Jesu bekennt, allen Grund, auch folgende Worte zu sprechen: „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben“. 6. Liebe Jugendliche, wißt ihr, was das Sakrament der Taufe aus euch macht? Gott erkennt euch als seine Kinder an und gestaltet euer Leben um zu einer Liebesgeschichte mit Ihm. Er macht euch Christus gleichförmig, damit ihr eure persönliche Berufung verwirklichen könnt. Er ist gekommen, um ein Bündnis mit euch einzugehen, und bietet euch seinen Frieden an. Ihr lebt nun als Kinder des Lichtes, die sich versöhnt wissen durch das Kreuz des Erlösers! Als „Geheimnis und Hoffnung auf die kommende Welt“ (vgl. Hl. Kyrillos v. Jerusalem, Proto-catechese 10,12) ist die Taufe das schönste der Geschenke Gottes. Sie lädt uns ein, Jünger des Herrn zu werden. Sie läßt uns in innige Vertrautheit mit Gott treten, in das dreifältige Leben, schon heute und bis in Ewigkeit. Sie ist eine dem Sünder geschenkte Gnade, die uns von der Sünde reinigt und uns eine neue Zukunft eröffnet. Sie ist ein Bad, das reinigt und wiederbelebt. Sie ist eine Salbung, die uns Christus, dem Priester, Propheten und König, angleicht. Sie ist ein Licht, das unseren Weg hell macht und ihm seinen ganzen Sinn gibt. Sie ist ein Gewand der Kraft und Vollkommenheit. Am Tag unserer Taufe weiß gekleidet, wie wir es am letzten Tag sein werden, sind wir berufen, jeden Tag den Glanz dieses Kleides zu bewahren und ihn stets wiederzuerlangen dank der Vergebung, des Gebetes und eines christlichen Lebens. Die Taufe ist das Zeichen dafür, daß Gott auf unserem Weg bei uns ist, daß er unser Leben schöner macht und unsere Geschichte in eine heilige Geschichte verwandelt. 406 REISEN Ihr seid berufen worden, seid von Christus erwählt, in der Freiheit der Kinder Gottes zu leben. Ihr seid auch gefirmt, gestärkt in eurer Taufberufung, der Heilige Geist wohnt in euch, damit ihr das Evangelium durch euer ganzes Leben verkündet. Wenn ihr das heilige Salböl empfangt, engagiert ihr euch mit all euren Kräften, die empfangene Gabe in Geduld zum Wachsen zu bringen durch den Empfang der Sakramente, besonders der Eucharistie und der Buße, die in uns das Leben der Taufe erhalten. Als Getaufte gebt ihr Zeugnis für Christus durch eure Sorge um ein geradliniges Leben in Treue zu Christus, das es in geistigem und moralischem Kampf durchzuhalten gilt. Glaube und sittliches Leben sind miteinander verbunden. Das empfangene Geschenk fuhrt uns in der Tat zu dauernder Bekehrung, um Christus nachzuahmen und der göttlichen Verheißung zu entsprechen. Das Wort Gottes verwandelt das Leben derer, die es aufiiehmen, denn es ist die Regel des Glaubens und des Handelns. In ihrem Leben machen die Christen, wenn sie bestrebt sind, die wesentlichen Werte zu respektieren, auch die Erfahrung des Leidens. Es können von ihnen moralische Entscheidungen - manchmal sogar heroische - gefordert werden, die dem Verhalten der Welt entgegengesetzt sind. Doch das glückliche Leben mit dem Herrn kostet diesen Preis. Liebe Jugendliche, euer Zeugnis kostet diesen Preis. Ich baue auf euren Mut und auf eure Treue. 7. Ihr habt als Christen mitten unter euren Brüdern und Schwestern zu leben. Durch die Taufe gibt Gott uns eine Mutter, die Kirche. Mit ihr wachsen wir geistig heran, um den Weg der Heiligkeit zu gehen. Das Taufsakrament gliedert euch in ein Volk ein, es macht euch zu Teilnehmern am kirchlichen Leben und gibt euch Brüder und Schwestern zu lieben, „um ,einer“ in Christus“ (Gal 3,28) zu sein. In der Kirche gibt es keine Grenzen mehr; in Gemeinschaft mit den Bischöfen, den Hirten der Herde, sind wir ein einziges solidarisches Volk, zusammengesetzt aus Gruppen mit unterschiedlichen Kulturen, Empfindungen und Handlungsweisen. Diese Einheit ist ein Zeichen von Reichtum und Vitalität. Einheit in der Verschiedenheit und geschwisterlicher Zusammenhalt, das sei eure Hauptsorge. Es gewährleistet eine glückliche persönliche Entwicklung und Wachstum für den ganzen Leib der Kirche. Taufe und Firmung nehmen uns aber nicht aus der Welt heraus, denn wir teilen mit den Menschen von heute ihre Freuden und Hoffnungen, und wir leisten in allen technischen und wissenschaftlichen Bereichen unseren Beitrag für die menschliche Gemeinschaft. Durch Christus sind wir allen unseren Brüdern und Schwestern nahe und berufen, die tiefe Freude zu bekunden, die darin liegt, mit ihm zu leben. Der Herr heißt uns dort unsere Mission erfüllen, wo wir sind, denn „der Platz, den Gott uns zugewiesen hat, ist so schön, daß wir ihn nicht verlassen dürfen“ (vgl. Brief an Diognet VI, 10). Was wir auch tun, unser Dasein ist für den Herrn, darin liegt unsere Hoffnung und unser Ehrentitel. In der Kirche ist die Anwesenheit von jungen Menschen, Katechumenen und Neugetauften ein großer Reichtum. Sie ist eine Quelle von Lebenskraft für die ganze 407 REISEN christliche Gemeinschaft, die berufen ist, Rechenschaft über ihren Glauben zu geben und ihn bis an die äußersten Enden der Erde zu bezeugen. 8. Als eines Tages in Kafamaum zahlreiche Jünger Jesus verließen, antwortete Petrus auf die Frage Jesu: „Wollt auch ihr Weggehen?“ und sagte: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,67-68). Zu diesem Jugendtag in Paris, einer der Hauptstädte unserer heutigen Welt, kommt der Nachfolger des Petrus, um euch erneut zu sagen, daß diese Worte des Apostels das Leuchtfeuer sein müssen, das euch allen Licht gibt auf eurem Weg. „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ {Joh 6,68). Mehr noch: Du sprichst uns nicht nur vom ewigen Leben. Du bist es selbst. Wahrhaftig, du bist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ {Joh 14,6). 9. Liebe Jugendliche, durch die Salbung bei der Taufe seid ihr Glieder des heiligen Volkes geworden. Durch die Salbung der Firmung nehmt ihr voll an der Sendung der Kirche teil. Die Kirche, zu der ihr gehört, hat Vertrauen in euch und zählt auf euch. Möge euer christliches Leben, nach dem schönen Ausdruck des hl. Irenäus, ein fortschreitendes „Eingewöhnen“ in das Leben mit Gott sein, damit ihr Missionare des Evangeliums werdet! Seid Zeugen der Berufung des erlösten Gottesvolkes! Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Pferderennbahn „Longcham“ am 24. August 1. „Meister, wo wohnst du?“ {Joh 1,38). Diese Frage wurde eines Tages von zwei jungen Männern an Jesus von Nazaret gerichtet. Das geschah am Jordan, wo Jesus von Johannes die Taufe empfangen hatte. Der Täufer, der Jesus vorübergehen sah, sagte: „Seht, das Lamm Gottes!“ {Joh 1,36). Diese prophetischen Worte bezeich-neten den Erlöser, denjenigen, der sein Leben für das Heil der Welt geben würde. So hatte Johannes bereits bei der Taufe im Jordan auf den Gekreuzigten vorausgewiesen. Es waren, genau gesagt, zwei Jünger Johannes’ des Täufers, die diese Worte vernahmen und daraufhin Jesus folgten: Ist das nicht voller Bedeutung? Als Jesus sie fragte: „Was wollt ihr?“ {Joh 1,38), antworteten sie, indem sie ihrerseits eine Frage stellten: „Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?“ {ebd.). Jesus antwortete ihnen: „Kommt und seht!“ „Da gingen sie mit ihm und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm“ {Joh 1,39). Sie wurden die ersten Jünger Jesu. Einer von ihnen war Andreas, der auch seinen Bruder, Simon Petrus, zu Jesus führte. Liebe Freunde, ich bin froh, dieses Evangelium mit euch zu meditieren - zusammen mit den Kardinälen und Bischöfen an meiner Seite. Gern begrüße ich sie. Danken möchte ich Msgr. James Francis Stafford und dem Päpstlichen Rat für die Laien für die aktive Vorbereitung dieser schönen Versammlung, auf den Spuren 408 REISEN von Kardinal Eduardo Pironio, der sich so sehr für die Weltjugendtage eingesetzt hat. Mein Dank gilt Kardinal Jean-Marie Lustiger für den Empfang, Msgr. Michel Dubost, den französischen Bischöfen und den Bischöfen aus zahlreichen Ländern der Welt, die euch begleiten und eure Reflexionen bereichert haben. Herzlich grüße ich auch die konzelebrierenden Priester, die Ordensmänner, die Ordensfrauen, alle Verantwortlichen eurer Bewegungen und eurer diözesanen Gruppen. Ich danke den christlichen Brüdern und Schwestern der anderen Gemeinschaften für ihre Anwesenheit ebenso wie den Persönlichkeiten der Bürgerschaft, die sich uns in der Feier dieser Liturgie angeschlossen haben. Indem ich euch alle erneut begrüße, möchte ich vor allem an die Behinderten unter euch meine liebevolle Ermutigung richten; wir sind ihnen dankbar, daß sie mit uns gekommen sind und uns ihr Zeugnis des Glaubens und der Hoffnung bringen. In gleicher Weise trage ich im Gebet alle Kranken vor Gott, die im Krankenhaus oder zu Hause gepflegt werden. Im Namen von euch allen möchte ich auch den zahlreichen freiwilligen Helfern, die mit Einsatz und Kompetenz die Organisation eures Treffens gewährleisten, danken und ihnen ein hohes Lob für ihr Pflichtbewußtsein aussprechen. Kommen wir zurück zum Evangelium. 2. Die kurze Stelle aus dem Johannesevangelium, die wir gehört haben, sagt das Wesentliche vom Programm des Weltjugendtages aus: ein Wechsel von Fragen, dann eine Antwort, die eine Aufforderung ist. Die Liturgie, die uns heute diese Begegnung mit Jesus vorstellt, möchte damit zeigen, was in eurem Leben am meisten zählt. Und ich, der Nachfolger Petri, bin gekommen, um euch zu bitten, einerseits an Christus die Frage zu richten: „Wo wohnst du?“ Wenn ihr ihm aufrichtig diese Frage stellt, könnt ihr seine Antwort vernehmen und von ihm Mut und die Kraft empfangen, ihm zu folgen. Die Frage ist die Frucht einer Suche. Der Mensch sucht Gott. Der junge Mensch versteht in der Tiefe seines Selbst, daß diese Suche das innere Gesetz seines Daseins ist. Der Mensch sucht seinen Weg in der sichtbaren Welt; und durch die sichtbare Welt sucht er die unsichtbare auf seinem geistlichen Weg. Jeder von uns kann mit den Worten des Psalmisten sagen: „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir“ (Ps 27/26,8-9). Jeder von uns hat seine persönliche Geschichte und trägt den Wunsch in sich, Gott zu sehen, einen Wunsch, den man zur gleichen Zeit verspürt, wie man die geschaffene Welt entdeckt. Diese Welt ist wunderbar und vielfältig, sie breitet ihre unzähligen Schätze vor der Menschheit aus, sie verführt, sie zieht den Verstand ebenso wie den Willen an. Doch letzten Endes erfüllt sie nicht den Geist. Der Mensch wird sich bewußt, daß diese Welt in der Verschiedenheit ihres Reichtums oberflächlich und vergänglich ist; sie ist in gewissem Sinn dem Tod geweiht. Heute kommt uns die Zerbrechlichkeit unserer Erde vermehrt zu Bewußtsein, da sie allzu oft durch die Hand des Menschen selbst zerstört wird, dem sie der Schöpfer anvertraut hat. 409 REISEN Und der Mensch: Er kommt auf die Welt, er wird aus dem Schoß der Mutter geboren, er wächst und reift; er entdeckt seine Berufung und entfaltet seine Persönlichkeit in den Jahren seiner Aktivität; dann kommt der Augenblick heran, wo er diese Welt verlassen muß. Je länger er lebt, umso mehr verspürt der Mensch seine Vergänglichkeit, umso mehr stellt er sich die Frage nach der Unsterblichkeit: Was gibt es jenseits der Grenzen des Todes? Dann steigt aus der Tiefe des Seins die Frage empor, die an den gerichtet ist, der den Tod besiegt hat: „Rabbi, wo wohnst du?“ Meister, du liebst und achtest die Person des Menschen, du hast die Leiden des Menschen geteilt, du erhellst das Geheimnis des menschlichen Daseins; laß uns den wahren Sinn unseres Lebens und unserer Berufung entdecken! „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir“ {Ps 27/26,8-9). 3. Am Jordan - und noch viel später - wußten die Jünger nicht, wer Jesus wirklich war. Sie brauchten viel Zeit, um das Geheimnis des Gottessohnes zu erfassen. Auch wir tragen den Wunsch in uns, den zu kennen, der das Angesicht Gottes offenbart. Christus antwortet durch seine ganze messianische Sendung auf die Frage seiner Jünger. Er lehrte; und um die Wahrheit dessen, was er verkündete, zu bekräftigen, wirkte er große Wunder, er heilte Kranke, erweckte Tote zum Leben, besänftigte den Sturm auf dem Meer. Doch hat dieser ganze außergewöhnliche Weg seine Fülle auf Golgota erreicht. Erst wenn man Christus am Kreuz betrachtet mit dem Blick des Glaubens, kann man „sehen“, wer Christus, der Heiland, ist -er, der unsere Leiden getragen, der Gerechte, der sein Leben zum Opfer gegeben hat und der die vielen gerecht machen wird (vgl. Jes 53,4.10-11). Die höchste Weisheit faßt Paulus in der zweiten Lesung dieses Tages mit sehr eindrucksvollen Worten zusammen: „Das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorengehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. Es heißt nämlich in der Schrift: Ich lasse die Weisheit der Weisen vergehen und die Klugheit der Klugen verschwinden. [...] Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloß Gott, alle die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. [...] Wir [...] verkündigen Christus als den Gekreuzigten“ (i Kor 1,18-23). Der Apostel sprach zu den Menschen seiner Zeit, zu den Kindern Israels, die auf dem Berg Sinai die Offenbarung Gottes empfangen hatten, und zu den Griechen, die eine tiefe menschliche Weisheit, eine große Philosophie hervorgebracht hatten. Doch von nun an ist Christus, der Gekreuzigte, Ziel und Gipfel der Weisheit - nicht nur aufgrund seines Wortes, sondern weil er sich selbst für das Heil der Menschheit hingegeben hat. Mit seiner außerordentlichen Leidenschaft sagt es der Apostel Paulus: „Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten“. Das, was in den Augen der Menschen als Schwäche und Torheit erscheint, verkünden wir als Kraft und Weisheit, als Fülle der Wahrheit. Gewiß, unser Vertrauen kennt Höhen und Tiefen. Ja, unser Glaubensblick ist oft von Zweifel und Schwachheit verdunkelt. Laßt uns als demütige und arme Sünder die Botschaft vom Kreuz annehmen. Als Antwort auf unsere Frage: „Rabbi, wo wohnst du?“ richtet Christus die Aufforderung an uns: 410 REISEN Kommt und seht; im Kreuz werdet ihr das leuchtende Zeichen der Erlösung der Welt, die liebende Gegenwart des lebendigen Gottes erblicken. Weil die Christen begriffen haben, daß das Kreuz die Geschichte beherrscht, haben sie das Kruzifix in Kirchen und an Wegrändern aufgestellt oder tragen es am Herzen. Denn das Kreuz ist ein echtes Zeichen der Gegenwart des Gottessohnes; durch dieses Zeichen offenbart sich der Erlöser der Welt. „In hoc signo vinces.“ (In diesem Zeichen wirst du siegen.) 4. „Rabbi, wo wohnst du?“ Die Kirche antwortet uns jeden Tag: Christus ist in der Eucharistie gegenwärtig, dem Sakrament seines Todes und seiner Auferstehung. In ihr und durch sie erkennt ihr die Wohnung des lebendigen Gottes in der Geschichte des Menschen. Denn die Eucharistie ist das Sakrament der Liebe, die den Tod besiegt; sie ist das Sakrament des Bundes, die reine Liebesgabe für die Versöhnung der Menschen; sie ist die Gabe der wirklichen Gegenwart Jesu, des Erlösers, im Brot, seinem hingegebenen Leib, und im Wein, seinem für die vielen vergossenen Blut. Durch die Eucharistie, die unablässig bei allen Völkern erneuert wird, baut Christus seine Kirche auf: Er vereint uns im Lob und Dank für das Heil in der Gemeinschaft, die allein unendliche Liebe schließen kann. Unser Welttreffen erhält jetzt seinen ganzen Sinn aus der Feier der heiligen Messe. Meine lieben jungen Freunde, möge eure Anwesenheit ein wirkliches Ja zum Glauben sein! Denn hier antwortet Christus auf eure Frage und zugleich auf die Fragen aller Menschen, die den lebendigen Gott suchen. Er antwortet mit seiner Einladung: Das ist mein Leib, eßt alle davon. Er vertraut dem Vater seinen höchsten Wunsch an, daß alle, die er liebt, in derselben Gemeinschaft eins sein sollen. 5. Die Antwort auf die Frage „Rabbi, wo wohnst du?“ schließt also zahlreiche Dimensionen mit ein. Sie hat eine historische, österliche und sakramentale Dimension. Die erste Lesung des heutigen Tages verweist uns auf noch eine andere Dimension der Antwort auf die Frage, die Thema des Weltjugendtages ist: Christus wohnt in seinem Volk. Es ist das Volk, von dem das Deuteronomium mit Bezug auf die Geschichte Israels spricht: „Weil der Herr euch liebt [...], hat der Herr euch mit starker Hand herausgeführt und euch aus dem Sklavenhaus freigekauft [...] Daran sollst du erkennen: Jahwe, dein Gott, ist der Gott; er ist der treue Gott; noch nach tausend Generationen achtet er auf den Bund“ (Dtn 7,8-9). Israel ist das Volk, das Gott sich auserwählt und mit dem er den Bund geschlossen hat. Im Neuen Bund weitet sich die Erwählung durch Gott auf alle Völker der Erde aus. In Jesus Christus hat Gott die ganze Menschheit erwählt. Er hat die Universalität der Erwählung durch die Erlösung offenbart. In Christus gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, denn alle sind einer (vgl. Gal 3,28). Alle sind gerufen, am Leben Gottes teilzuhaben durch den Tod und die Auferstehung Christi. Ist unsere Begegnung an diesem Weltjugendtag nicht ein Beispiel für diese Wahrheit? Ihr alle, die ihr hier aus so vielen Ländern und Kontinenten zusammengekommen seid, seid Zeugen der universalen Berufung des von Christus erlösten 411 REISEN Volkes Gottes! Die letzte Antwort auf die Frage „Rabbi, wo wohnst du?“ ist daher so zu verstehen: Ich wohne in allen Menschen, die gerettet sind. Ja, Christus wohnt in seinem Volk, das seine Wurzeln in alle Völker der Erde versenkt hat, er wohnt in dem Volk, das ihm folgt, ihm, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, dem Erlöser der Welt, dem Meister, der Worte des ewigen Lebens hat, ihm, dem „Haupt des neuen und allumfassenden Volkes der Söhne Gottes“ {Lumen Gentium, Nr. 13). Das II. Vatikanische Konzil hat vortrefflich gesagt: Er „gab [...] uns von seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt und den ganzen Leib [...] lebendig macht“ {Lumen Gentium, Nr. 7). Dank der Kirche, die uns am Leben des Herrn selbst teilhaben läßt, können wir nun alle mit den Worten des Petrus zu Jesus sagen: Zu wem sollen wir gehen? Zu wem sonst sollen wir gehen? (vgl. Joh 6,68). 6. Liebe Jugendliche, euer Weg ist nicht hier zu Ende. Die Zeit bleibt nicht heute stehen. Geht hinaus auf die Straßen der Welt, auf die Straßen der Menschheit, und bleibt vereint in der Kirche Christi! Hört nicht auf, die Herrlichkeit Gottes, die Liebe Gottes zu betrachten; und ihr werdet erleuchtet werden, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen und dem Menschen zu helfen, die von der ewigen Weisheit und Liebe umgestaltete Welt zu sehen. Seid als Versöhnte, die Vergebung empfangen haben, eurer Taufe treu! Legt Zeugnis für das Evangelium ab! Seid als aktive und verantwortliche Mitglieder der Kirche Jünger und Zeugen Christi, der den Vater offenbart! Bleibt in der Einheit des Geistes, der Leben spendet! Die Schule des Evangeliums eröffnet den Weg zu christlicher Reife Theresia vom Kinde Jesus wird am 19. Oktober als dritte Frau zur Kirchenlehrerin erhoben - Angelus am 24. August 1. Im Augenblick, da wir diesen Weltjugendtag in Frankreich abschließen, ist mir daran gelegen, die bedeutende Gestalt der hl. Theresia von Lisieux herauszustellen, die vor hundert Jahren ins ewige Leben eingetreten ist. Diese junge Karmelitin war ganz von der Liebe Gottes ergriffen. Sie lebte auf radikale Weise die Hingabe ihrer selbst als Antwort auf die Liebe Gottes. In der Einfachheit des täglichen Lebens verstand sie es, in gleicher Weise geschwisterliche Liebe zu üben. In der Nachfolge Jesu setzte sie sich gerne „an den Tisch der Sünder“, ihrer „Brüder und Schwestern“, damit sie durch die Liebe rein gemacht würden, denn sie war von dem brennenden Wunsch beseelt, alle Menschen „von der hellen Flamme des Glaubens“ erleuchtet zu sehen (vgl. Ms C, 6 r°). 412 REISEN Theresia hat körperliches Leiden und Prüfung im Glauben gekannt. Doch sie ist treu geblieben, denn in ihrer großen geistlichen Einsicht wußte sie, daß Gott gerecht und barmherzig ist; sie verstand, daß die Liebe mehr etwas von Gott Empfangenes als etwas vom Menschen Gegebenes ist. Bis zum Ende der Nacht setzte sie ihre Hoffnung auf Jesus, den leidenden Knecht, der sein Leben für die vielen preisgab (vgl. Jes 53,12). 2. Das Buch der Evangelien verließ Theresia nie (vgl. Brief 193). Sie durchdringt seine Botschaft mit einer außergewöhnlichen Sicherheit des Urteils. Sie verstand, daß im Leben Gottes, Vater, Sohn und Geist, „Liebe und Wahrheit einander begegnen“ (vgl. Ps 85/84,11). In wenigen Jahren legt sie eine „Riesenstrecke“ zurück (vgl. Ms A, 44 v°). Sie entdeckt, daß ihre Berufung darin besteht, im Herzen der Kirche die Liebe selbst zu sein. Demütig und arm, geht Theresia den „kleinen Weg“ der Kinder, die sich mit „mutigem Vertrauen“ in die Hand des Vaters geben. Als Mitte ihrer Botschaft sei ihre geistliche Haltung allen Gläubigen ans Herz gelegt. Die Lehre von Theresia, eine wahre Wissenschaft von der Liebe, ist der leuchtende Ausdruck ihrer Erkenntnis des Geheimnisses Christi und ihrer persönlichen Erfahrung der Gnade; sie hilft den Männern und Frauen von heute, Gottes Gaben besser wahrzunehmen und die gute Nachricht von seiner grenzenlosen Liebe zu verbreiten. 3. Als Karmelitin und Frau von apostolischer Gesinnung, als geistliche Lehrerin vieler geweihter Personen oder Laien, als Patronin der Missionen, nimmt die hl. Theresia einen ausgezeichneten Platz in der Kirche ein. Ihre herausragende Lehre verdient, als eine der überaus fruchtbringenden anerkannt zu werden. Auf zahlreiche Bitten antwortend und nach aufmerksamem Studium habe ich die Freude, anzukündigen, daß ich am Weltmissionssonntag, dem 19. Oktober 1997, in der Petersbasilika zu Rom die hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom hl. Antlitz zur Kirchenlehrerin erklären werde. Ich habe Wert darauf gelegt, diesen Akt hier feierlich anzukündigen, denn die Botschaft der hl. Theresia, dieser in unserer Zeit so sehr gegenwärtigen jungen Heiligen, ist besonders für euch Jugendliche geeignet: In der Schule des Evangeliums öffnet sie euch den Weg zur christlichen Reife; sie ruft euch zu grenzenloser Großzügigkeit auf; sie lädt euch ein, im „Herzen“ der Kirche Jünger und eifrige Zeugen der Liebe Christi zu sein. Rufen wir die hl. Theresia an, daß sie die Männer und Frauen dieser Zeit auf dem Weg der Wahrheit und des Lebens geleite! Mit Theresia wenden wir uns der Jungfrau Maria zu, mit der sie ihr ganzes Leben lang in kindlichem Vertrauen durch Lobpreis und Gebet verbunden war. Nach den Grüßen in verschiedenen Sprachen sagte der Papst auf italienisch: Wer leben wird, wird sehen. Und in französischer Sprache: Danke für die herrlichen Tage in Paris. Auf Wiedersehen in Rom! 413 REISEN Abschiedsworte vor der Abreise zum Flughafen Orly am 24. August Vor seiner Abreise zum Flughafen Orly sagte der Papst den vor der Nuntiatur versammelten zahlreichen Jugendlichen: Leider muß ich Paris verlassen, nachdem ich einen glanzvollen Weltjugendtag erlebt habe. Aber es bleibt ein kleiner Trost, nämlich jener, nach Rom zurückzukehren, zum Festtag des hl. Ludwig, dem hl. Ludwig der Franzosen. So begleitet Frankreich mich auch nach Rom. Im Namen des großen Heiligen, des hl. Ludwig, König der Franzosen, möchte ich allen danken, die für die Vorbereitung dieses Weltjugendtages gearbeitet haben. Ich bin sehr dankbar und wünsche euch eine gute Weiterführung hier in Paris. In Rom werden wir das Mögliche tun! Auf Wiedersehen! Schafft eine Gesellschaft des Zusammenwirkens für das Gemeinwohl! Abschiedsworte beim Abschluß des Frankreichbesuches auf dem Flughafen Orly am 24. August 1. Am Ende meines Besuches in Ihrem Land anläßlich des Weltjugendtages möchte ich Ihnen meinen Dank aussprechen für den Empfang, den Sie mir und den Jugendlichen aller fünf Kontinente bereitet haben. Meine Anerkennung gilt den von Ihrer Regierung getroffenen Vorbereitungen, um den geordneten Verlauf der verschiedenen Begegnungen zu gewährleisten, bei denen ich den Vorsitz führen sollte. Diese Vorbereitungen haben es den aus der ganzen Welt herbeigeströmten Jugendlichen auch ermöglicht, Frankreich als Land der Kultur und Land der Gastfreundschaft zu entdecken. Ich bin sicher, daß sie gestärkt in ihrem Leben als Männer und Frauen und gefestigt in ihrem Glauben wieder abreisen. Die Erfahrung des Dialogs und der Brüderlichkeit, die sie in den verschiedenen Regionen und in Paris tatsächlich machen konnten, ist an sie ein Appell, sich im eigenen Land für den Dienst an ihren Brüdern und Schwestern einzusetzen. Gleichzeitig appellieren die versammelten jungen Menschen durch ihr Zeugnis und ihre Begeisterung an alle unsere Zeitgenossen, Bande der Verständigung und Solidarität herzustellen. Mein Dank ergeht an die Zivil- und Militärbehörden sowie an die Mitglieder des Sicherheitsdienstes und an die freiwilligen Helfer, die ihre Kräfte nicht geschont haben, um die zahlreichen Probleme zu lösen, die während der Vorbereitung und Durchführung der Versammlung aufgetreten sind. Ich danke auch denjenigen, die dazu beigetragen haben, die liturgischen Feiern schön und würdig zu gestalten. Ich spreche allen meinen ganz herzlichen Dank aus für ihre Großmut, ihre Tüchtigkeit 414 REISEN und ihre Unaufdringlichkeit bei der Durchführung ihrer Aufgaben; auf diese Weise haben sie in hohem Maße zum guten Verlauf und zum Gelingen dieser für mich wie für die Jugend der ganzen Welt unvergeßlichen Tage beigetragen. Herzlich grüße ich auch die Verantwortlichen der verschiedenen christlichen Gemeinschaften und der anderen Religionsbekenntnisse, die sich diesem Treffen der katholischen Kirche mit dem Wunsch angeschlossen haben, einen offenen und vertrauensvollen Dialog fortzuführen. 2. Bevor ich den Boden eures Landes verlasse, den ich seit dem Beginn meines Pontifikates, aber auch schon in meiner Jugend wiederholt betreten konnte, möchte ich noch einmal Herrn Kardinal Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris, und Monsignore Michel Dubost, auf dem die Last der Gesamtvorbereitung dieses Treffens lag, dem ganzen französischen Episkopat, dem Klerus, den Or-densmännem und Ordensfrauen sowie den Laien der katholischen Kirche, die bereit waren, die Jugendlichen aufzunehmen und sie auf ihrem geistlichen Weg zu begleiten, meinen herzlichen Dank aussprechen. Ganz besonders danke ich den französischen Jugendgruppen, die sich in verschiedenster Form an der Organisation des 12. Weltjugendtages beteiligt haben. Sie haben sich in den Dienst der Kirche gestellt; mögen sie daraus reiche geistliche Früchte ziehen und ihre christliche Sendung ihrer je eigenen Berufung entsprechend weiterführen können! 3. Ich möchte alle Katholiken Frankreichs meiner Zuneigung und tiefen geistlichen Verbundenheit versichern; ich fordere sie auf, unter ihren Brüdern und Schwestern Zeugen des Glaubens und der Gottesliebe zu sein, indem sie auf eine Gesellschaft hinarbeiten, die das friedliche Zusammenleben und Zusammenwirken aller für das Gemeinwohl anstrebt. Da sie am Dialog festhalten, sind sie davon überzeugt, daß in einer Nation, die viel auf ihre Tradition der Brüderlichkeit und Freiheit hält, die Äußerung verschiedener religiöser Überzeugungen die Entfaltung des kulturellen Reichtums und des sittlichen und religiösen Bewußtseins eines ganzen Volkes ermöglichen soll; sie soll auch zur Qualität des öffentlichen Lebens beitragen, die darin zum Ausdruck kommt, daß man sich der Schwächsten der Gesellschaft annimmt. 4. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dem Herrn Staatspräsidenten meinen herzlichen Dank übermittelten. Durch Sie, Herr Premierminister, grüße ich und sage Dank den Mitgliedern Ihrer Regierung und allen Franzosen, während ich ihnen meine innigen Wünsche für Frieden und Wohlergehen ausspreche. Mit nochmaligem Dank rufe ich auf alle Ihre Landsleute die Fülle des göttlichen Segens herab. 415 REISEN 6. Pastoralbesuch in Bologna (27.Z28. September) Christusbegegnung in der Eucharistie Ansprache bei der Vigil mit der Jugend während des Nationalen Eucharistischen Kongresses am 27. September Liebe Jugendliche! 1. Sehr gerne nehme ich an dieser Versammlung teil, in einem Klima des Glaubens und der Freude, wo der Gesang eine so wichtige Rolle spielt. Es ist der Glaube und die Freude der Jugendlichen, die ich schon bei anderen Gelegenheiten erleben durfte, besonders anläßlich der großen, weltumspannenden Begegnungen mit der Jugend. Ich habe mit Interesse festgestellt, daß nach dem Weltjugendtag in Manila im Jahr 1995 die europäische Begegnung in Loreto stattfand, und nach dem jüngsten Weltjugendtag in Paris treffen wir uns heute abend in Bologna wieder. Jugendtreffen, abwechselnd in verschiedenen Teilen der Welt: Danach aber kehrt man immer nach Italien zurück. Mit Rückkehr meine ich, daß der Papst in den Vatikan oder nach Castel Gandolfo zurückreist. Ich ergreife diese Gelegenheit, um euch, liebe Jugendliche, herzlich zu begrüßen, und ich dehne meinen Gruß auf alle Jungen und Mädchen Italiens aus. Wir haben unser Treffen, das ich aufmerksam verfolgt habe, mit dem Psalm 96 begonnen, der uns auffordert, „dem Herrn ein neues Lied zu singen“, seinen Namen zu preisen, sich mit der ganzen Schöpfung zu freuen und zu jubeln. So wird der Gesang zur Antwort eines Herzens voller Freude, das die Gegenwart Gottes an seiner Seite erkennt. „Du bist hier geblieben, sichtbares Geheimnis“, so habt ihr in diesen Tagen während des Nationalen Eucharistischen Kongresses immer wieder gebetet. Der Glaube findet seinen Ausdruck auch im Gesang, und er bringt uns dazu, in unserem Leben zu singen über das Glück, Kinder Gottes zu sein. Ihr alle hier anwesende Künstler und Jugendliche, die ich herzlich grüße, bringt „auf den Zithern unserer Zeit“ Worte des Friedens, der Hoffnung und der Solidarität hervor. Heute abend haben Musik und Lyrik die Fragen und Ideale eures Jugendalters zum Ausdruck gebracht, und heute abend kommt Jesus euch auf der Straße der Musik entgegen. 2. Liebe Jugendliche! Ich danke euch für dieses Fest, das ihr als eine Art mehrstimmigen Dialogs organisiert habt, wobei Musik und Choreographie uns überlegen und beten helfen. Vorher hat einer eurer Vertreter in eurem Namen gesagt, daß 417 REISEN die Antwort auf die Fragen eures Lebens „im Wind weht“. Das stimmt! Sie weht allerdings nicht in dem Wind, der alles im Strudel des Nichts zerstreut, sondern in dem Wind, der Hauch und Stimme des Geistes ist, und diese Stimme ruft uns und sagt: „Komm!“ (vgl. Joh 3,8; Offb 22,17). Ihr habt mich gefragt: Wie viele Straßen muß ein Mensch gehen, um sich als Mensch zu erkennen? Ich antworte euch: eine! Die Straße des Menschen ist eine einzige, und zwar Christus, der gesagt hat: „Ich bin der Weg“ {Joh 14,6). Er ist die Straße der Wahrheit, der Weg des Lebens. Deshalb sage ich euch: Befragt euch an den Kreuzungspunkten der vielen Wege eurer Tage über den Wahrheitsgehalt jeder eurer Entscheidungen. Es kann zuweilen Vorkommen, daß eine Entscheidung schwierig und hart ist und daß die Versuchung zum Nachgeben drängend wird. Das ist schon den Jüngern Jesu passiert, denn die Welt ist voll von bequemen und einladenden Straßen, von Wegen, die bergab führen und die in den Schatten des Tals eintauchen, wo der Horizont immer enger und erdrückender wird. Jesus schlägt euch einen Weg bergauf vor: Es ist mühsam, ihn zu gehen, aber er erlaubt dem Auge des Herzens, immer weitere Horizonte zu erblicken. Ihr habt die Wahl: entweder abwärts zu rutschen in die Täler eines eintönigen Konformismus oder die Mühe des Aufstiegs zu den Gipfeln anzutreten, auf denen man die reine Luft der Wahrheit, der Güte und der Liebe atmen kann. Etwas mehr als ein Monat ist seit dem großen Treffen in Paris vergangen, und wir sehen uns nun hier in Bologna wieder. In uns hallt das Echo des Themas jenes Weltjugendtages immer noch nach: „Meister, wo wohnst du? Kommt und seht.“ Diese Einladung richte ich auch an euch: Kommt und seht, wo der Meister wohnt. Dieser Kongreß in Bologna sagt uns, daß er in der Eucharistie wohnt. 3. Mein Wunsch ist, daß auch ihr - wie Simon Petrus und die anderen Jünger -Christus begegnen könnt, um ihm zu sagen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ {Joh 6,68). Ja, Jesus hat Worte des ewigen Lebens; in ihm wird alles erlöst und erneuert. Mit ihm ist es wirklich möglich, „ein neues Lied zu singen“ (vgl. Ps 96,1) in dieser Vigil vor dem großen Fest, das wir morgen mit der Feier der Eucharistie, dem Höhepunkt des Nationalen Eucharistischen Kongresses, beschließen werden. Ich möchte euch noch etwas im Vertrauen sagen: Im Laufe der Zeit bleibt die Tatsache, daß ich seit über fünfzig Jahren Priester bin, für mich immer das Wichtigste und Schönste, weil ich jeden Tag die heilige Messe feiern kann! Die Eucharistie ist das Geheimnis meines Tagesablaufs. Sie gibt meiner ganzen Tätigkeit im Dienst an der Kirche und an der ganzen Welt Kraft und Sinn. In Kürze, wenn es schon späte Nacht sein wird, werden Musik und Gesang der stillen Anbetung des Allerheiligsten Platz machen. Musik und Lieder werden dann von Stille und Gebet abgelöst. Die Augen und das Herz werden sich auf die Eucharistie konzentrieren. Laßt Jesus, der im Sakrament gegenwärtig ist, zu euren Herzen sprechen. Er ist die wahre Antwort des Lebens, die ihr sucht. 418 REISEN Er bleibt hier bei uns: Er ist der Gott mit uns. Werdet nicht müde, ihn zu suchen, nehmt ihn ohne jeden Vorbehalt auf, und liebt ihn pausenlos: heute, morgen, immer! Zum Schluß möchte ich euch noch sagen, daß ich bei dieser Vigil an alle Reichtü-mer der Welt gedacht habe, besonders an die, die im Menschen sind: die Stimmen, Ideen und Antworten, die Empfindsamkeit und viele, viele weitere Talente. Man muß für all diese Talente sehr dankbar sein, und diese Dankbarkeit bedeutet eben Eucharistie. Wenn wir für die Güter der Erde, für alle diese Schätze, für alle diese Fähigkeiten danken, machen wir uns bereit, diese Talente besser zu leben und sie zu vervielfachen, genauso wie es der tüchtige Diener im Evangelium getan hat. Gute Nacht. Gelobt sei Jesus Christus! Euch allen gilt mein herzlicher Gruß und Segen. Am Ende des Treffens, vor seinem Abschied von den Jugendlichen, sagte der Papst: Bevor ich weggehe, möchte ich noch das zum Abschluß bringen, was ich euch vorher gesagt habe. Ich habe gesagt, daß man die Eucharistie braucht, weil man für all diese Güter, all diese Reichtümer und all diese Talente dankbar sein muß. Es ist also ein großer Dank nötig. Dieser Dank mußte aber durch das Kreuzesopfer und durch den blutigen Tod Christi geschehen. Ohne den Tod gäbe es auch keine Auferstehung und kein Ostergeheimnis. „Mors et vita duello conflixere mirando, dux vitae mortuus regnat vivus.“ Sicher könnt ihr alle gut Latein, aber einer der gelehrteren Priester kann es euch auch übersetzen. Das wollte ich euch noch sagen, um das Bild von dem, was Eucharistie bedeutet, noch zu vervollständigen. Ich danke euch für diese Begegnung. Verkünder der Botschaft von der Erlösung Predigt in der ersten Vesper anlässlich der Seligsprechung von Bartolomeo Maria Dal Monte am 27. September 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater“ (Kol 1,2b). Der Gruß des Apostels, den wir soeben in der „kurzen Lesung“ dieser ersten Sonntagsvesper gehört haben, eröffnet uns eine Aussicht der Hoffnung, nämlich die, die - nach den Worten des hl. Paulus - „im Himmel für euch bereitliegt“. „Schon früher habt ihr davon gehört - sagt der Apostel weiter - durch das wahre Wort des Evangeliums, das zu euch gelangt ist“ (Kol 1,5-6). Liebe Brüder und Schwestern! Heute wird der Priester Bartolomeo Maria Dal Monte seliggesprochen. Die ganze Kirche, und besonders die christliche Gemeinschaft von Bologna, deren Sohn er war, freut sich, weil sein Name heute feierlich in das „Lebensbuch“ eingetragen wird (vgl. Offb 21,27). 419 REISEN Der neue Selige verbrachte sein nicht sehr langes Erdenleben mit der Verkündigung „des wahren Wortes des Evangeliums“ (vgl. Kol 1,5). Der Herr gebrauchte ihn und seine Treue, damit dieses unverdorbene, lebendige und lebenspendende Wort zu vielen suchenden Menschen dringen konnte. So erfüllte sich - auch durch diesen neuen Seligen - das Versprechen Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). 2. Don Bartolomeo Maria Dal Monte, meine lieben Bologneser, ist der jüngste Edelstein, der das Heiligenbuch eurer Erzdiözese ziert. Dieses Buch ist schon reich an vorbildlichen Zeugen des Evangeliums: Apollinaris, Zama, Vitalis, Agri-cola, Proculus, Felix, Petronius, Luzia von Settefonti, Guärinus, Dominikus, Diana, Cäcilia, Amata, Imelda Lambertini, Nikolaus Albergati, Caterina de’ Vigri, Markus von Bologna, Ludwig Morbioli, Jakob von Ulm, Arcangelo Canetoli, Helena Duglioli, Clelia Barbieri, Elias Facchini und viele andere. Ein Buch von Heiligen und Seligen, das die wahrste Identität des christlichen Bologna und der an Kunst und Kultur so reichen Gegend nachzeichnet. Ein Buch, das alle - Gläubige und Nichtgläubige - wie eine Kostbarkeit bewahren sollten. Ein Buch, das man ebenso lieben soll, wie man die eigene, echteste Identität liebt. Das Antlitz Bolognas ist auch das seiner Heiligen, die ihre Worte und ihre Tätigkeit bei den Männern und Frauen dieser Stadt an der Wahrheit und Liebe des Evangeliums orientiert und so das ursprüngliche und heute noch lebendige Aussehen der Stadt geformt haben. Im Rahmen des Nationalen Eucharistischen Kongresses danken wir heute abend dem Herrn dafür, daß Bologna sich dem Beginn des dritten Jahrtausends mit dieser kennzeichnenden Physiognomie stellen kann: ein menschliches und christliches Gesicht, das die Stadt vertrauensvoll und gelassen den schwierigen Herausforderungen unserer Zeit gegenübertreten läßt. Die Stadt weiß, daß sie dabei auf ihre Heiligen zählen kann, die ihr mit dem „wahren Wort“ und ihrer überströmenden Liebe - die umso wirksamer war, je mehr sie im Verborgenen blieb - die Überwindung der düstersten Epochen ihrer Geschichte ermöglichten. 3. Die Heiligkeit ist in den Augen Gottes kostbar und für die Welt nicht nutzlos. Nicht nur baut sie den Leib Christi auf, sondern sie hinterläßt auch eine unverwischbare Spur im Ablauf des Zeitgeschehens und in der vielfältigen Zusammensetzung der Gesellschaft. Die irdische Tätigkeit von Bartolomeo Maria Dal Monte war zwar von einem typisch innerkirchlichen Einsatz gekennzeichnet, da es sich dabei vor allem um Missionspredigten beim Volk und um die Priesterausbildung handelte; trotzdem hatte sie einen nicht geringen Einfluß auch auf das bürgerliche Gefüge der Nation und trug wirksam zur Förderung so wichtiger Komponenten wie Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden bei. Auch dank der Arbeit von Missionaren in der eigenen Heimat nämlich - wie im Falle des neuen Seligen - konnte das italienische Volk durch die Jahrhunderte jenes Erbe an menschlichen und christlichen Werten be- 420 REISEN wahren, das heute sein kostbarster Schatz ist und den bedeutendsten Beitrag darstellt, den es zum Aufbau eines neuen europäischen Kontinents bieten kann. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Die Vorsehung hat es so gewollt, daß die Seligsprechung von Bartolomeo Maria Dal Monte in die Feierlichkeiten des Nationalen Eucharistischen Kongresses eingeftigt wurde, und in der Tat stellt diese Seligsprechung die enge Verbindung zwischen einer bewußten und gelebten eucharistischen Spiritualität und dem persönlichen und kirchlichen Einsatz bei der Evangelisierung sehr gut heraus. Im 18. Jahrhundert häuften sich in Italien Phänomene zunehmender religiöser Unkenntnis und besorgniserregender Entchristlichung. Städte wie Dörfer waren davon angesteckt. Mit erstaunlicher Kraft reagierten darauf jene heiligen Priester, die sich großzügig den Volksmissionen widmeten. Unter ihnen ist auch der hl. Leonardo von Porto Maurizio zu nennen, der Don Bartolomeo Maria persönlich kannte und ihn ermutigte, diesen seelsorgerischen Weg einzuschlagen. Der Ruf der Wirksamkeit der Volksmissionen und der Heiligkeit und Hingabe Don Bartolomeos verbreitete sich so schnell, daß es diesem nur schwerlich gelang, allen Anfragen gerecht zu werden. Bei seinem Tod mit nur 52 Jahren hatte er in über 60 italienischen Diözesen Volksmissionen gepredigt und Kurse geistlicher Exerzitien gehalten. In jenen Zeiten, als die Priesterausbildung noch nicht - wie jetzt üblich - den langen Weg durch das Seminar vorsah, erahnte Don Bartolomeo Maria das Bedürfnis nach Diözesanpriestem, die in voller Gemeinschaft mit ihrem Bischof ganz für die Predigttätigkeit zur Verfügung stünden. Um sie angemessen auf ihre Aufgabe vorzubereiten, richtete er die „Pia Opera delle Missioni“ ein, die zu einer wahren „Brutstätte“ neuer Apostel wurde. Er war überzeugt, daß man auf dem schwierigen Weg der Heiligkeit kein Autodidakt sein durfte. Deshalb sorgte er sich um die Organisation zweckmäßiger Ausbildungsorte für seine Mitarbeiter und widmete ihnen interessante spirituelle Schriften, die er selbst verfaßte. 5. Aber woher schöpfte Don Bartolomeo Maria soviel Elan und Kraft für eine so außergewöhnliche Aufgabe? Die heilige Messe, die Verehrung der Eucharistie und die sakramentale Beichte standen im Mittelpunkt seines Lebens, seiner missionarischen Tätigkeit und seiner Spiritualität. Spuren dieser eucharistischen Frömmigkeit finden wir oft in seinen Schriften, aus denen auch die tägliche Sorge um die Rettung der Seelen abzulesen ist, die bei seiner asketischen und pastoralen Arbeit vorrangig war. Sein ganzes Dasein war nach dem Priesteramt Christi gestaltet: unnachgiebig bei der Verkündung der Wahrheit und bei seiner Anklage des Lasters, aber aufnah-mebereit und barmherzig gegenüber den Sündern. So wurde er zum lebendigen Abbild desjenigen, der „voll Erbarmen“ ist (Eph 2,4). Außerdem liebte der neue Selige mit großer Hingabe die Jungfrau und Gottesmutter Maria. Don Bartolomeo war nämlich in der Stadt geboren und aufgewach- 421 REISEN sen, die sich des besonderen Schutzes der Madonna di San Luca erfreut, und er empfand für sie eine tiefe Verehrung. Er betete zu ihr und ließ sie anrufen mit dem Titel „Mater Misericordiae - Mutter der Barmherzigkeit“. Besonders gern wiederholte er: „Jeder Gedanke, jede Regung, jedes Wort: ja, alles in mir war für Maria.“ 6. Der sei. Dal Monte erstrahlt heute abend vor uns als Zeuge Christi, der den Bedürfnissen der modernen Zeit gegenüber besonders aufgeschlossen war. Er ermuntert uns alle, die Herausforderungen der neuen Evangelisierung eifrig und vertrauensvoll aufzunehmen. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend liegt ein weites Feld missionarischer Arbeit vor euch. Das Vorbild des neuen Seligen möge euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier versammelt seid und die ich herzlich begrüße, stärken und ermutigen. Er sei ein Beispiel für dich, verehrter Kardinal Giacomo Biffi, Hirte dieser Diözesan-gemeinschaft; er sei es für euch, liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, die ihr aus Bologna und aus ganz Italien hierhergekommen seid. Sein unermüdlicher apostolischer Eifer sei eine Ermutigung und Stütze für euch Ordensmänner und Ordensfrauen, gottgeweihte Menschen, die in der Kirche Christi zu einem besonderen Zeugnis berufen sind; er sei es für euch, liebe Jugendliche, die ihr die Hoffnung auf eine von der Liebe erneuerte Welt seid; für euch, liebe Familien, kleine Hauskirchen; für euch, liebe Kranke, die ihr intensiver an den Leiden Christi teilhabt. Die neue Evangelisierung ist Aufgabe eines jeden Gläubigen. Das muß allen bewußt sein, die sich zu dieser Vesper ,des 26. Sonntags im Jahreskreis hier eingefunden haben. Gott ruft uns auf, „das wahre Wort des Evangeliums“ {Kol 1,5) zu bewahren. Der missionarische Eifer, der das Leben des sei. Bartolomeo Maria Dal Monte verzehrte, ist das Vorbild, das die Kirche heute ihren Kindern übergibt. Seine Fürsprache möge uns helfen, seine demütigen, treuen und mutigen Nachahmer zu sein. Ebenso helfe uns die Fürsprache der sei. Jungfrau Maria, der „Odigi-tria“ (d. h. jener, die den rechten Weg zeigt), die hier vor allem im Bildnis der Madonna di San Luca verehrt wird. Der „Weg“ ist Jesus. Diesen Weg wollen wir, ohne zu wanken gehen bis zur endgültigen Begegnung mit ihm. Amen! Zum letzten Eucharistischen Kongreß dieses Jahrhunderts Homilie in der Eucharistiefeier zum Abschluß des Nationalen Eucharistischen Kongresses am 28. September 1. „Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann?“ {Mk 14,14). So fragt Jesus am Gründonnerstag in Jerusalem. Als sie den Platz gefunden haben, wo sie das Ostermahl halten können, gehen die Jünger hin und bereiten alles so 422 REISEN vor, wie der Meister gesagt hat. Dort, in jenem bevorzugten Raum, findet das Letzte Abendmahl statt, das Ostermahl, bei dem Christus die Eucharistie einsetzt, das größte Sakrament des Neuen Bundes. Als er das Brot genommen hat, segnet er es und gibt es den Jüngern mit den Worten: „Nehmt, das ist mein Leib.“ Dann tut er das gleiche mit dem Kelch Wein: Nachdem er ihn gesegnet hat,gibt er ihn den Jüngern mit den Worten: „Nehmt und trinkt daraus. Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, für viele vergossen. Tut das zu meinem Gedächtnis“ (vgl. Mk 14,22-24). Heute gehen wir in Gedanken nach Jerusalem, in den ehrwürdigen Raum, wo das Letzte Abendmahl stattfand und die Eucharistie eingesetzt wurde. Zugleich begeben wir uns an viele andere Orte in allen Teilen der Welt, in zahllose andere ,Abendmahlssäle“. Im Lauf der Geschichte war es in Zeiten der Verfolgung manchmal nötig, diese Räume in den Katakomben einzurichten. Leider fehlt es auch heute nicht an Situationen, wo die Christen die Eucharistie geheim feiern müssen, wie in den Zeiten der Katakomben. Aber wo auch immer das Abendmahl gefeiert wird, in den herrlichen, geschichtsträchtigen Kathedralen oder in den kleinen Kapellen der Missionsgebiete - es ist immer wieder der Abendmahlssaal von Jerusalem. 2. Zahllos sind die Orte, an denen aufs neue das Ostermahl gefeiert wird, besonders hier in unserem Italien. Symbolisch müßte man heute alle „Eucharistieorte“, alle ,Abendmahlssäle“ dieses an altchristlichen Traditionen reichen Landes Zusammenkommen lassen. Das ist ja der Sinn des Nationalen Eucharistischen Kongresses. Er bildet in der prächtigen Entfaltung dieser Feier einen besonderen „österlichen Saal“, einen neuen , Abendmahlssaal“, wo in feierlichem Rahmen das große Geheimnis des Glaubens gegenwärtig wird. Es wird die Eucharistie der Kirche als Geschenk und Geheimnis gefeiert, es wird das große Dankgebet des italienischen Volkes zum Himmel erhoben, jenes Volkes, das seit fast zweitausend Jahren am eucharistischen Festmahl teilnimmt. Hier denke ich an die Anfänge der Kirche, an die Apostel Petrus und Paulus, an die Märtyrer der ersten Jahrhunderte und, nach dem Edikt des Konstantin, an die Zeit der heiligen Kirchenväter, der Kirchenlehrer, der Gründer von Orden und Kongregationen bis in unsere Zeit. Unaufhörlich ist das Gedächtnis der großen Eucharistie, die die Danksagung der Geschichte in sich schließt, weil Christus „durch sein heiliges Kreuz die Welt erlöst hat“. Für das italienische Volk ist dieser Kongreß der letzte dieses Jahrhunderts: eines Jahrhunderts, das in planetarischem Ausmaß Attentate auf den Menschen in der Wahrheit seines Seins sich vollziehen sah. Im Namen von totalitären und lügnerischen Ideologien hat dieses Jahrhundert Millionen von Menschenleben geopfert. Im Namen der Willkür, Freiheit genannt, werden weiterhin unschuldige ungeborene Menschenwesen umgebracht. Im Namen eines Wohlstands, der die Aussicht auf das Glück, das er verspricht, nicht erfüllen kann, haben viele gemeint, es sei möglich, ohne Gott auszukommen. Ein Jahrhundert also, das von dunklen Schat- 423 REISEN ten gezeichnet ist, aber auch ein Jahrhundert, das den von den Aposteln überkommenen Glauben bewahrt und ihn mit dem Glanz der Heiligkeit bereichert hat. Auf dem geistlichen Pilgerweg, der uns zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 fuhrt, bildet dieser Eucharistische Kongreß einen wichtigen Abschnitt für die Kirchen in Italien. Das bezeugt auch die große Zahl von Bischöfen, die heute hier ist, um die Eucharistie mit mir zu feiern, und das bezeugen die vielen Gläubigen aus allen Teilen des Landes. Jedem von ihnen meinen herzlichen Gruß! Vor allem dem verehrten Bruder, Kardinal Giacomo Biffi, Erzbischof von Bologna, der mich zu diesem außerordentlichen Anlaß empfängt, und Kardinal Camillo Ruini, meinem zu diesem Kongreß entsandten Legaten. Ferner grüße ich die zahlreichen Kardi-näle, Erzbischöfe und Bischöfe, die anwesenden Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen. Einen herzlichen Gruß richte ich an die Jugendlichen, mit denen ich mich gestern abend hier, auf diesem Platz, unterhalten habe, an die Familien und an die Kranken, die durch ihr physisches und geistiges Leiden in besonderer Weise mit dem eucharistischen Geheimnis verbunden sind. Ich grüße den Ministerpräsidenten, Herrn Romano Prodi von Bologna, und die anderen zivilen und militärischen Obrigkeiten, die sich unserer Feier anschließen wollten. Alle miteinander bei diesem liturgischen Treffen versammelt, das die ganze christliche Gemeinschaft Italiens vertritt, rufen wir: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit!“ 3. „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während dieser vierzig Jahre in der Wüste geführt hat“ (Dtn 8,2). In der ersten Lesung kommt die Liturgie heute auf die Geschichte Israels zurück, auf das auserwählte Volk, das Gott aus Ägypten, aus der Knechtschaft herausge-fiihrt und vierzig Jahre lang in der Wüste, hin zum verheißenen Land, geleitet hat. Dieser Weg von vierzig Jahren ist nicht nur ein historisches Datum; er ist auch ein großartiges Symbol von gewissermaßen universaler Bedeutung. Die ganze Menschheit, alle Völker und Nationen sind, wie Israel, in der Wüste dieser Welt unterwegs. Gewiß, jede Region des Planeten hat ihre charakteristischen Züge der Kultur und Zivilisation, die sie interessant und gefällig machen. Das läßt aber nicht davon absehen, daß jedes Land von einem tieferen Gesichtspunkt aus immer eine Wüste bleibt, durch die hindurch der Mensch der verheißenen Heimat, dem Haus des Vaters entgegengeht. Auf diesem Pilgerweg ist der gekreuzigte und auferstandene Christus der Führer, der durch seinen Tod und seine Auferstehung beständig die letztendliche Ausrichtung des menschlichen Weges in der Geschichte bestärkt. Für sich betrachtet, ist die Wüste dieser Welt Ort des Todes: Hier wird der Mensch geboren, hier wächst er auf, und hier stirbt er. Wie viele Generationen haben im Lauf der Jahrhunderte in dieser Wüste den Tod gefunden! Die einzige Ausnahme bildet Christus. Nur er hat den Tod besiegt und hat das Leben offenbart. Nur dank seiner können diejenigen, die gestorben sind, auferstehen, denn nur Er vermag den Menschen durch die Wüste der Zeit in das verheißene 424 REISEN Land der Ewigkeit zu fuhren. Mit seiner Mutter hat er es schon getan; er wird es auch mit all denen tun, die an ihn glauben und zu dem neuen Volk gehören, das zur Heimat des Himmels unterwegs ist. 4. Während der vierzig in der Wüste zugebrachten Jahre bedurfte das Volk der Speise des Manna, um zu überleben. In der Wüste konnte ja nichts angepflanzt werden, und darum konnte das Volk auf dem Wege nicht seinen Hunger stillen: Es hatte das Manna nötig, das Brot, das vom Himmel herabkam. Christus, der neue Mose, ernährt das Volk des Neuen Bundes mit einem ganz besonderen Manna. Sein Leib ist die wahre Speise unter der Gestalt des Brotes; sein Blut ist der wahre Trank unter der Gestalt des Weines. Von dieser eucharistischen Speise und diesem eucharistischen Trank werden wir am Leben erhalten. In das Geheimnis des Blutes fuhrt uns die zweite, dem Brief an die Hebräer entnommene Lesung ein. Der Apostel schreibt: „Christus aber ist gekommen als Ho-herpriester der künftigen Güter ... er ist ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ... mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt... Und darum ist er der Mittler eines neuen Bundes; sein Tod hat die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt, damit die Berufenen das verheißene ewige Erbe erhalten“ (Hebr 9,11-12.15). Der Apostel behält dem Geheimnis des Blutes Christi einen besonderen Platz vor. Ein eucharistischer Gesang verkündet es so: „Heiligstes Blut, Blut der Erlösung, du heilst die Wunden der Sünde.“ Genau die Wahrheit, die der inspirierte Verfasser aussagt: „Das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, [wird] unser Gewissen von toten Werken reinigen“ {Hebr 9,14). 5. Es handelt sich um eine zweifache Bedeutung der Eucharistie, in unserer heutigen Betrachtung in besonderer Weise eng verbunden: Die Eucharistie ist Nahrung, ist Speise und Trank; und zugleich ist die Eucharistie, insofern sie „hingegebener Leib“ und „vergossenes Blut“ ist, Quelle unserer Reinigung. Durch die Eucharistie bleibt Jesus Christus, der Erlöser des Menschen, der einzige Retter der Welt, nicht nur bei uns, sondern auch in uns. Mit seiner Gnade bleibt er in uns „gestern, heute und in Ewigkeit“ {Hebr 13,8). Dieser Eucharistische Kongreß will all dem auf einmütige und bedeutsame Weise zur Ehre Gottes, zu erneutem Bewußtsein der Menschen und zum Trost des Volkes Gottes Ausdruck geben. Er will hervorheben, daß die Eucharistie das höchste Geschenk Gottes an den Menschen ist. Als solches ist sie Urbild für jedes wahre Geschenk von Mensch zu Mensch und Fundament für jede echte Solidarität. Zum Abschluß des Kongresses, der so gut vorbereitet war von der Kirche, die ihn zu Gast hatte, und der Stadt, die ihn aufgenommen hat, möchte ich allen Gläubigen dieses geliebten Landes sagen: Blickt mit Vertrauen auf Christus, erneuert eure Liebe zu Ihm, der im eucharistischen Sakrament zugegen ist! Er ist der göttli- 425 REISEN che Gast der Seele, die Stütze in jeder Schwachheit, die Kraft in jeder Prüfung, der Trost in jedem Schmerz, das Brot des Lebens, die letzte, höchste Bestimmung für jeden Menschen. Aus der Eucharistie strömt die Kraft, um sich stets und in jeder Lage mit den Ansprüchen der Wahrheit und der Pflicht der Folgerichtigkeit zu messen. Die Nationalen Eucharistischen Kongresse haben eine nunmehr lange Tradition des Dienstes am Menschen gekennzeichnet; eine Tradition, die heute von Bologna aus an die Christenheit des dritten Jahrtausends übergeben wird. Den Blick auf die Eucharistie, das zentrale Geheimnis unseres Glaubens, geheftet, bitten wir inständig: Herr Jesus, im Schoß der Jungfrau Maria menschgewordenes Wort Gottes, begleite die Schritte des italienischen Volkes auf den Wegen der Gerechtigkeit und der Solidarität, der Versöhnung und des Friedens! Gib, daß Italien jenes Erbe an menschlichen und christlichen Werten bewahre, das es in den Jahrhunderten groß gemacht hat. Möge von den zahllosen Tabernakeln, mit denen das Land übersät ist, das Licht jener Wahrheit und die Wärme jener Liebe ausstrahlen, die die Hoffnung auf die Zukunft für dieses wie für jedes andere Volk der Erde bilden. Amen! Aus der Eucharistie Lebenskraft und Freude schöpfen Angelus am 28. September 1., Ave verum corpus natum de Maria Virgine - Sei gegrüßt, o wahrer Leib, geboren von der Jungfrau Maria.“ Am Schluß dieser Eucharistiefeier, bei der die ganze Kirche Italiens geistlich um das Sakrament versammelt war, richten wir unsere Gedanken auf die Jungfrau und Mutter des fleischgewordenen Wortes, das uns zur Speise und zum Trank des Heiles wurde. Wir haben über das erhabene Geheimnis des Leibes und Blutes Christi nachgedacht und wollen nun Maria grüßen, in deren Schoß der ewige Sohn Gottes Mensch geworden ist. Wir gedenken dieser zentralen Wirklichkeit unseres Glaubens jedesmal, wenn wir das Mariengebet „Engel des Herrn“ sprechen: „Verbum caro factum est et habitavit in nobis - und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Erfüllt von Dankbarkeit im Geist, rufen wir die heilige Mutter des Erlösers an, Heiligtum der Anwesenheit Gottes und Tabernakel der ewigen Herrlichkeit. 2. In der Stadt Bologna, wo dieser nun zu Ende gehende Eucharistische Kongreß stattgefunden hat, wird die selige Jungfrau besonders unter dem Titel „Madonna vom hl. Lukas“ angerufen. Die Verehrung der Bologneser für ihre himmlische Patronin ist alt und tief; sie ist Teil ihrer zivilen und kulturellen Identität und kommt 426 REISEN sozusagen bildhaft in dem großartigen Bogengang zum Ausdruck, der die Stadt mit dem Heiligtum auf dem „Monte della Guardia“ verbindet. In der Vergangenheit war die Muttergottes den Bewohnern Bolognas und des Umkreises Schutz und Zierde in verschiedenen frohen und traurigen Umständen ihrer Geschichte. Heute noch gewährt sie ihren Kindern Schutz und Beistand in allen materiellen und geistlichen Nöten. 3. Der heiligen Jungfrau wollen wir nun die Früchte des Nationalen Eucharisti-schen Kongresses anvertrauen. Begleite, o Maria, mit deinem mütterlichen Schutz die geliebte Gemeinschaft Bolognas und der ganzen Kirche in Italien auf ihrem künftigen Weg. Hilf uns allen, daß wir mit Mut und weitem Herzen auf dem Weg der Neuevangelisierung vorangehen, um an der Schwelle des neuen Jahrtausends echte Zeugen der unendlichen Reichtümer der Liebe Gottes zu sein, die der Welt im Sakrament der Eucharistie enthüllt und mitgeteilt werden. 427 REISEN 7. Pastoraireise nach Brasilien (2. bis 6. Oktober) Jeder Angriff auf die Familie und das Leben verletzt auch die Menschenwürde! Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen des CELAM und den Teilnehmern des pastoraltheologischen Kongresses in Rio de Janeiro am 3. Oktober Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Kongreßteilnehmer! 1. Es ist für mich eine große Freude, die Familien zu treffen, die als Vertreter der verschiedenen Nationen an diesem, im Hinblick auf das Zweite Welttreffen der Familien veranstalteten pastoraltheologischen Kongreß teilnehmen. Ich begrüße euch alle, ehrwürdige Brüder des Episkopats von Brasilien, von Lateinamerika und aus der ganzen Welt, und ebenso gilt mein Gruß den anwesenden Familien und allen, die durch sie vertreten sind. Ich bitte den Allmächtigen um überströmende Gnaden an Weisheit und Stärke. Sie mögen ein Antrieb sein, erneut mit festem Glauben das Leitwort zu bekräftigen: „Die Familie: Geschenk und Verpflichtung, Hoffnung der Menschheit.“ Gern möchte ich nun mit euch zusammen über einige Wege und Erfordernisse der vor euch liegenden apostolischen und pa-storalen Arbeit mit den Familien nachdenken. Einige der Erwägungen waren bereits Gegenstand aufmerksamen Studiums beim pastoraltheologischen Kongreß. Ich lege sie in besonderer Weise euch Bischöfen vor, die ihr als Lehrer des Glaubens und Hirten der Herde berufen seid, der Famili-enpastoral neuen Schwung zu geben. Ich danke Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, für seine Grußworte, und ich fordere die Teilnehmer - Delegierte der Bischofskonferenzen, der Bewegungen, Vereinigungen und Gruppen aus aller Welt - auf zu weiterer Vertiefung und eifriger Verbreitung der Früchte dieser Arbeit, die in voller Treue zum kirchlichen Lehramt unternommen wurde. 2. Der Mensch ist der Weg der Kirche. Und die Familie ist der wichtigste Ausdruck dieses Weges. Im Brief an die Familien habe ich geschrieben: „Das göttliche Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes steht in enger Beziehung zur menschlichen Familie. Nicht nur zu einer Familie, jener von Nazaret, sondern in gewisser Weise zu jeder Familie, entsprechend der Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Sohn Gottes, der ,sich in seiner Menschwerdung gewis- 429 REISEN sermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat“ (Gaudium et spes, Nr. 22). In der Nachfolge Christi, der in die Welt gekommen“ ist, ,um zu dienen“ (Mt 20,28), sieht die Kirche den Dienst an der menschlichen Familie als eine ihrer wesentlichen Aufgaben an. In diesem Sinne stellen sowohl der Mensch wie die Familie ,den Weg der Kirche“ dar“ (Gratissimam sane, Nr. 2). Das Evangelium wirft also Licht auf die Würde des Menschen und befreit von allem, was die Sicht vom Menschen und seiner Wahrheit verarmen lassen könnte. In Christus erkennt der Mensch die Größe seiner Berufung als Abbild und Kind Gottes; in Ihm offenbart sich der ursprüngliche Plan Gottes, des Vaters, über den Menschen in seinem vollen Glanz, und in Christus kommt dieser ursprüngliche Plan zu seiner vollen Verwirklichung. Und ebenso tritt die Familie, dieser erste und bevorzugte Ausdruck der menschlichen Gesellschaft, in Christus voll ins Licht; in Ihm findet sie die volle Fähigkeit zur Verwirklichung nach den Liebes-plänen des Vaters. „Wenn daher Christus ,dem Menschen den Menschen selbst voll kundmacht“, tut er das angefangen von der Familie, in die er hineingeboren werden und in der er aufwachsen wollte“ (Gratissimam sane, Nr. 2). Christus, „lumen gentium“, das Licht der Völker, erleuchtet die Wege der Menschen, vor allem erhellt er die innigste Lebens- und Liebesgemeinschaft der Eheleute, die notwendige Straßenkreuzung im Leben der Menschen und der Völker, wo ihnen immer Gott entgegenkommt. Das ist der heilige Sinn und Zweck der Ehe, wie er, trotz der durch die Erbsünde verursachten Schatten, sich irgendwie in allen Kulturen vorfindet und in der Offenbarung eine herausragende Höhe und größten Wert gewinnt: „Wie nämlich Gott einst durch den Bund der Liebe und Treue seinem Volk entgegenkam, so begegnet nun der Erlöser der Menschen und der Bräutigam der Kirche durch das Sakrament der Ehe den christlichen Gatten, Er bleibt fernerhin bei ihnen, damit die Gatten sich in gegenseitiger Hingabe und ständiger Treue lieben, so wie er selbst die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Gaudium et spes, Nr. 48). 3. Die Familie ist für den Menschen keine nebensächliche und äußerliche Struktur, die seine Entfaltung und seine innere Dynamik behindert. „Der Mensch ist aus seiner innersten Natur ein gesellschaftliches Wesen; ohne Beziehung zu den anderen kann er weder leben noch seine Anlagen zur Entfaltung bringen“ (ebd., Nr. 12). Weit davon entfernt, ein Hindernis für die Entfaltung und das Wachstum der Person zu sein, ist die Familie vielmehr das bevorzugte Umfeld, um alle persönlichen und sozialen Möglichkeiten, die der Mensch in sich trägt, zum Wachsen zu bringen. Die auf die Liebe gegründete und durch die Liebe lebendig erhaltene Familie ist der Ort, an dem jeder Mensch berufen ist, jene Liebe zu erfahren, sich zu eigen zu machen und mitzuteilen, ohne die kein Mensch leben kann und ohne die sein Leben ohne Sinn wäre (vgl. Redemptor hominis, Nr. 10; Familiaris consortio, Nr. 18). 430 REISEN Die Dunkelheiten, die heute das Verständnis vom Menschen umhüllen, verdunkeln in erster Linie und direkt die Wirklichkeit und die Ausdrucksformen, die ihm angeboren sind. Die Person und die Familie erfahren parallel Hochachtung und Anerkennung ihrer Würde, aber auch Angriffe und Versuche zu ihrer Zersetzung. Die Größe und Weisheit Gottes wird sichtbar in seinen Werken. Heute scheint es nun, daß die Feinde Gottes, statt den Urheber der Schöpfung frontal anzugreifen, es vorziehen, ihn in seinen Werken zu treffen. Und der Mensch ist der Gipfel, das Höchste seiner sichtbaren Geschöpfe. „Gloria enim Dei vivens homo, vita autem hominis visio Dei“ [Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen die Gottesschau] (hl. Irenäus, Adv. haer., 4,20,7; zit. nach: Lektio-nar, Heft 5, S. 294). Unter den infolge der zunehmenden Säkularisierung und der vorherrschenden Genußsucht im Herzen des Menschen verdunkelten Wahrheiten sind es ganz besonders alle jene, die die Familie betreffen. Um die Familie und das Leben findet heute der grundlegende Kampf um die Würde des Menschen statt. An erster Stelle wird hinsichtlich der ehelichen Gemeinschaft weder das Element der gleichen Würde der Gatten noch das der notwendigen Verschiedenheit und gegenseiten sexuellen Ergänzung anerkannt und respektiert. Die unveränderte eheliche Treue und die Achtung vor dem Leben in allen Phasen seiner Existenz werden zerrüttet von einer Kultur, die die Transzendenz des nach Gottes Bild geschaffenen Menschen nicht zugibt. Wenn es den zersetzenden Kräften des Bösen gelingt, die Ehe von ihrer Sendung hinsichtlich des menschlichen Lebens zu trennen, greifen sie die Menschheit an und berauben sie einer der wesentlichen Garantien für die Zukunft. 4. Der Papst hat nach Rio de Janeiro kommen wollen, um euch mit offenen Armen zu grüßen, wie Christus, der Erlöser, dessen Standbild von der Höhe des Corco-vado aus diese wunderbare Stadt beherrscht. Und er ist gekommen, um euch im Glauben zu bestärken und euch zu unterstützen in eurem Bemühen, für die Werte des Evangeliums Zeugnis zu geben. Darum darf, angesichts der zentralen Probleme der Person und ihrer Berufung, die Pastoraltätigkeit der Kirche sich nicht nur ausschnittsweise auf gewisse Teilbereiche ihres Apostolats beziehen. Es muß eine Pastoraltätigkeit unternommen werden, bei der die zentralen Wahrheiten des Glaubens ihre evangelisierende Kraft in die verschiedenen Lebensbereiche ausstrahlen, besonders in den der Familie. Das ist eine vorrangige Aufgabe, begründet „in der Gewißheit, daß die Evangelisierung in Zukunft großenteils von der Hauskirche abhängen wird“ (Familiaris consortio, Nr. 65). Aufwachen ist notwendig, und es muß eine gemeinsame Front gebildet werden, gestützt auf die zentralen Wahrheiten der Offenbarung und von ihnen inspiriert, wobei die Person Gesprächspartner und die Familie die treibende Kraft ist Daher müssen die Hirten sich immer mehr der Tatsache bewußt sein, daß der Einsatz in der Familienpastoral sorgfältig ausgebildete Personen erfordert und daß es 431 REISEN folglich in den Bischofskonferenzen und den Diözesen entsprechend angemessener Strukturen bedarf, die als dynamische Zentren für die Evangelisierung, den Dialog und gemeinsam geplante Unternehmungen dienen mit gut ausgearbeiteten Projekten und Pastoralplanungen. Gleichzeitig möchte ich zu allen Bemühungen um Förderung angemessener organisatorischer Strukturen im nationalen wie im internationalen Bereich ermutigen, die die Aufgabe übernehmen, einen konstruktiven Dialog mit den politischen Instanzen anzuknüpfen, von denen zum guten Teil das Los der Familie und ihrer Sendung im Dienst des Lebens abhängt. Die geeigneten Wege finden, um weiterhin der Welt wirksam die grundlegenden Werte des Planes Gottes vorzulegen heißt, sich dafür einsetzen, daß die Zukunft der Menschheit sichergestellt wird. Im folgenden wechselte der Papst von der portugiesischen zur spanischen Sprache: 5. Abgesehen von der Notwendigkeit, zu erleuchten und zu klären und die Anwesenheit der Kirche als Sauerteig, Licht und Salz der Erde zu stärken, damit das Leben der Menschen nicht in Unordnung gerät, muß auch den Pastoralprogrammen Vorrang gegeben werden, die die Bildung echt christlicher Familien fordern und in den Ehegatten die hochherzige Bereitschaft mehren, in ihrem Leben die Wahrheiten Gestalt werden zu lassen, die die Kirche für die menschliche Familie vorlegt. Die christliche Auffassung von Ehe und Familie verändert nicht die geschöpfliche Wirklichkeit, sondern erhöht noch das, was wesentlich zur ehelichen Gemeinschaft gehört: die Gemeinsamkeit der Gatten, die neues Leben zeugen, die Kinder erziehen un' sie in die Gesellschaft eingliedem, und das feste Band der persönlichen Gemeinschaft unter den Familienmitgliedern. Dann kam der Papst zur portugiesischen Sprache zurück: 6. Heute rufe ich in diesem Kongreßzentrum - dem „Riocentro“ - auf euch, Kardinale, Erzbischöfe und Bischöfe, Vertreter der verschiedenen Bischofskonferenzen der ganzen Welt, und über die Delegierten des pastoraltheologischen Kongresses und ihre Familien das Licht und die Glut des Heiligen Geistes herab. An ihn wendet sich die Kirche, auf daß er über alle seine heiligende Gegenwart ausgieße und in der Braut Christi „den missionarischen Eifer erneuere, damit alle zur Erkenntnis Christi gelangen, des wahren Gottessohnes und wahren Menschensohnes“ (vgl. Gebet für das erste Jahr der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000). Morgen werden wir im Maracanastadion Lebenszeugnisse von Eheleuten aus verschiedenen Ländern hören, gemeinsam mit euch allen, die ihr den unendlichen Reichtum, die Sorgen und Hoffnungen eurer Kirchen und eurer Völker hierhergebracht habt. Das wird den Rahmen zu der Eucharistiefeier am Sonntag auf dem „Aterro do Fla-mengo“ bilden, in der wir im Licht des Glaubens das Geheimnis des lebendigen, vom Himmel herabgekommenen Brotes erleben: das Manna der Familien, die Gott entgegenpilgem! Ich habe den Wunsch, daß durch die Fürsprache Marias, der hei- 432 REISEN ligsten Jungfrau, die Früchte dieses unseres Treffens bereite Herzen finden mögen, um das Licht des Höchsten mit neuem missionarischem Eifer aufzunehmen im Hinblick auf eine neue Evangelisierung der Familie und der ganzen menschlichen Gesllschaft. Möge der Geist des Vaters und des Sohnes, der auch der Geist der Liebe ist, uns allen den Segen und die Gnade gewähren, die ich den Söhnen und Töchtern der Kirche und der ganzen Menschheitsfamilie übermitteln möchte. Nach seiner Ansprache sagte der Papst aus dem Stegreif: „Dieser Platz, die Stadt Rio de Janeiro, ruft eine Inspiration hervor. Denn man sieht beständig diese göttliche Architektur und auch die menschliche Architektur. Doch die göttliche Architektur herrscht vor, sie ist der menschlichen überlegen. Man sieht aber auch, daß der Mensch ein Architekt ist; der Mensch ist ja das Abbild Gottes. Diese Architektur-Inspiration ist bedeutsam für die Familien, denn auch die Familie als Hauskirche ist eine göttliche und menschliche Architektur. Die Familie bedarf dieser göttlichen und menschlichen Architektur, um zu leben, von Dauer zu sein und in ihrem Heim Gott zu begegnen. Das ist ein abschließender Gedanke, den mir die Architektur eingibt. Nachdem die Gläubigen ein Lied angestimmt hatten, sagte der Papst: „Dieses Lied ist aus dem Jahr 1980, vom ersten Besuch. Da war der Papst noch viel jünger.“ Nach Erteilung des Segens fugte der Papst hinzu: „Der Herr will gewiß alle Familien der Welt segnen. Ich grüße alle Anwesenden und alle, die ihr vertretet. Bis zum nächsten Mal! Bis morgen! Da komme ich wieder. Wenn Gott Brasilianer ist, dann ist der Papst,carioca <5>; aber in Porto Alegre sagen sie, der Papst ist ,gaücho‘, und auch in Bahia. <5> Geliebte hier in Rio de Janeiro versammelte Familien aller Völker und Nationen! Liebe Familien auf der ganzen Welt, die ihr dieses Treffen im Radio oder Fernsehen verfolgt! Ich grüße euch alle mit besonderer Herzlichkeit und segne euch! Aufrichtig danke ich euch für dieses gefühlvolle Zeugnis des Glaubens und der Freude, das ihr heute dargeboten habt als Hilfe beim Nachdenken über die Tatsache, daß die Familie wirklich Geschenk und Verpflichtung für den Menschen und Adeus, bis nächstes Mal, bis morgen!“ Verteidigt das Recht auf Leben und die Werte der Familie! Ansprache beim Zweiten Welttreffen der Familien im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro am 4. Oktober 433 REISEN für das Leben sowie die Hoffnung der Menschheit ist. Auch die Kunst kam als Mittel zum Einsatz im Dienst an der Botschaft von der verpflichtenden Liebe und vom Leben, diesem wunderbaren Geschenk Gottes. Ihr habt uns an dem teilhaben lassen, was der Herr - Schöpfer der Ehe und Herr über das Leben - in euch gewirkt hat. Und ihr habt auch ein Zeugnis davon abgelegt, was ihr durch seine Gnade empfangen habt. Hat euch der Herr etwa nicht immer begleitet, in den verschiedensten Lebensumständen, auch inmitten großer Schwierigkeiten und Leiden? Ja! Der Herr des Bundes, gekommen, um euch zu suchen, hat euch gefunden und euch auf eurem Weg immer begleitet. Gott, unser Herr, Schöpfer der Ehe, die euch vereint hat, beschenkte euch für euer Glück großzügig mit dem Reichtum seiner Liebe. Kurz möchte ich nun auf das zurückkommen, was ihr - nach intensiver katecheti-scher Vorbereitung unter dem Lehramt der Kirche - in den „Familienkreisen“, den Diözesen, den Gemeinden, den Bewegungen und Verbänden überdacht habt. Es war zweifellos eine hervorragende Vorbereitung, deren Früchte ihr zum Nutzen und zur Freude aller heute hierhergetragen habt. 2. Die Familie ist ein Gut der Menschheit, weil durch sie nach dem Heilsplan Gottes die Gegenwärtigkeit des Menschen auf der Erde fortdauem soll. In den auf das Sakrament der Ehe gegründeten christlichen Familien erhellt der Glaube auf wunderbare Weise das Bild von Christus, Glanz der Wahrheit, der die Familien, die ihr eigenes Leben nach dem Evangelium ausrichten, mit Licht und Freude erfüllt. Leider breitet sich in der heutigen Welt eine irrige Botschaft eines unmöglichen und unbeständigen Glückes aus, die nur Trostlosigkeit und Bitterkeit mit sich bringt. Das Glück erreicht man nicht auf dem Weg der Freiheit ohne die Wahrheit, denn das ist der Weg eines unverantwortlichen Egoismus, der die Familie und die Gesellschaft teilt und auseinandertreibt. Es entspricht auch nicht der Wahrheit, daß die Ehegatten - als wären sie zu ihrer eigenen Schwäche verdammte Sklaven - ihrer gänzlichen Hingabe bis zum Tod nicht treu bleiben können. Der Herr, der euch beruft, in der Einheit des „einen Fleisches“ zu leben, die Einheit von Leib und Seele, Einheit des ganzen Lebens ist, gibt euch die Kraft zu einer Treue, die veredelt und bewirkt, daß eure Einheit nicht der Gefahr des Verrats verfällt, der die Würde und das Glück raubt und in die Familie Trennung und Bitterkeit bringt, deren größte Opfer die Kinder sind. Die beste Verteidigung der Familie liegt in der Treue, die ein Geschenk des treuen und barmherzigen Gottes ist in einer von ihm erlösten Liebe. Der Papst fuhr auf spanisch fort: 3. Noch einmal möchte ich hier einen Ruf der Hoffnung und Befreiung an euch wenden. Familien Lateinamerikas und der ganzen Welt! Laßt euch nicht von dieser trügerischen Botschaft verführen, die die Völker erniedrigt, ihre besten Traditionen und 434 REISEN Werte in Frage stellt und den Kindern so viel Leid und Unglück bringt. Die Sache der Familie verleiht der Welt Würde und befreit sie in der authentischen Wahrheit vom menschlichen Wesen, des Geheimnisses vom Leben als Geschenk Gottes, des Mannes und der Frau als Abbilder Gottes. Man muß für dieses Anliegen kämpfen, um euer Glück und die Zukunft der Menschheitsfamilie zu gewährleisten. Heute nachmittag reichen sich Familien aus allen Teilen der Welt die Hand, als ob sie eine unermeßlich große Kette der Liebe und der Treue bilden wollten, und deshalb möchte ich eine Aufforderung an all jene richten, die sich um den Aufbau einer neuen Gesellschaft bemühen, in der die Zivilisation der Liebe bestimmen soll: Verteidigt eure Familien wie ein kostbares und unersetzbares Geschenk; schützt sie durch gerechte Gesetze, die das Elend und die Geißel der Arbeitslosigkeit bekämpfen und es den Eltern zugleich ermöglichen, ihren eigenen Auftrag zu erfüllen. Wie können junge Leute eine Familie gründen, wenn sie nicht über ausreichende Mittel verfügen, um sie zu ernähren? Die Armut zerstört die Familie, sie verhindert den Zugang zur Kultur und zur elementaren Bildung, verdirbt die Sitten und fügt der Gesundheit von Jugendlichen und Erwachsenen grundlegenden Schaden zu. Helft ihnen! Eure Zukunft steht auf dem Spiel. In der modernen Geschichte finden sich sehr zahlreiche soziale Gegebenheiten, die zu einer Gewissenserforschung über die Familie auffordem. In vielen Fällen muß man voll Scham zugeben, daß Irrtümer und Fehler begangen wurden. Wie sollte man nicht jene, von Ausschweifüng und von Verantwortungslosigkeit motivierten Verhaltensweisen beklagen, bei denen die Menschen einfach als Gegenstände oder Mittel vergänglicher und gehaltloser Lust behandelt werden? Wie sollte man nicht auf Mangel an Respekt, auf Pornographie und auf vielfältige Arten der Ausbeutung reagieren, für die in den meisten Fällen die Kinder den höchsten Preis bezahlen? Zur portugiesischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: Eine Gesellschaft, die sich nicht um die Kinder kümmert, ist unmenschlich und verantwortungslos. Familien, die die eigenen Kinder nicht umfassend erziehen oder gar sich selbst überlassen, begehen schweres Umecht, für das sie vor dem Richterstuhl Gottes werden Rechenschaft ablegen müssen. Ich weiß, daß nicht wenige Familien zuweilen Situationen gegenüberstehen, mit denen sie allein nicht fertig werden. In solchen Fällen muß man an die Solidarität aller Menschen appellieren, damit die Kinder nicht Opfer jeder Art von Armut werden: sei es des materiellen Elends als auch und vor allem des sittlichen Elends, das jenes Phänomen verursacht, auf das ich im Brief an die Familien hingewiesen habe: Es gibt viele Waisen von lebenden Eltern (Nr. 14)! Wie der Kardinal, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familien, angedeutet hat, wurde in Ruanda - dank der Hilfe vieler Menschen und einiger großzügiger Einrichtungen - eine „Stadt der Kinder“ gebaut als Symbol konkreter Nächstenliebe und als Ergebnis des Ersten Welttreffens mit den Familien in Rom; eine wei- 435 REISEN tere solche Kinderstadt wird gerade in Salvador do Bahia errichtet, und zwar in denselben Elendsvierteln, die ich selbst während meiner ersten Pastoraireise nach Brasilien im Juli 1980 besucht und von wo aus ich einen Aufruf zur Hoffnung und Förderung des Menschen gerichtet habe. Diese Bemühungen bringen eine Botschaft und eine Aufforderung mit sich, die ich durch euch — Familien aus der ganzen Welt - an die gesamte Menschheit richten möchte: Nehmt eure Kinder in verantwortlicher Liebe an; beschützt sie wie ein Geschenk Gottes, und zwar vom Zeitpunkt der Empfängnis an, in dem das Menschenleben im Mutterschoß entsteht; das abscheuliche Verbrechen der Abtreibung, diese Schande der Menschheit, darf das ungeborene Leben nicht zur ungerechtesten aller Hinrichtungen verdammen: die der unschuldigsten aller Menschen! Wie oft haben wir diese Proklamation des unschätzbaren Wertes des Lebens - von der Empfängnis im Mutterleib an - und die Ablehnung jeder Art von Beseitigung des Lebens aus dem Mund Mutter Teresas von Kalkutta vernommen! Wir alle haben sie während der Kundgebung beim Ersten Treffen in Rom gehört. Der Tod hat ihre Lippen zum Schweigen gebracht. Aber Mutter Teresas Botschaft vom Leben ist so aufrührend und überzeugend wie eh und je. 4. In diesem Stadion, das durch die Lichtspiele den Eindruck erweckt, als bestehe es aus den Glaswänden einer riesigen Kathedrale, möchte die heutige Feier alle Menschen zu einem großen und vornehmen Einsatz aufrufen, für den wir den Beistand des allmächtigen Gottes erflehen: Für die Familien, damit sie - in der Liebe Christi vereint, seelsorglich geprägt, in der Gesellschaft aktiv präsent und dem Auftrag der Humanisierung, der Befreiung und des Aufbaues einer Welt nach dem Herzen Christi verpflichtet - wahrlich die Hoffnung der Menschheit seien. Für die Kinder, damit sie wie Jesus in der Familie in Nazaret aufwachsen können. Im Schoß der Mütter ruht der Keim der neuen Menschlichkeit. In den Gesichtem der Kinder erstrahlt die Zukunft, das nächste Jahrtausend, das Morgen, das in der Hand Gottes liegt Für die Jugendlichen, damit sie sich voll Enthusiasmus der Vorbereitung auf ihre zukünftige Familie widmen und sich selbst zur wahren Liebe erziehen. Sie bedeutet Offenheit für die anderen, Fähigkeit zum Zuhören und Antworten, Einsatz großzügiger Hingabe, auch auf Kosten persönlicher Opfer, und Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis und zur Vergebung. 5. Familien der ganzen Welt! Ich möchte mit einem erneuten Aufruf schließen: Seid lebendige Zeugen Christi, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (vgl. Brief an die Familien, Nr. 23)! Laßt die Früchte des gerade zu Ende gegangenen pastoraltheologischen Kongresses in die Herzen dringen! Die Gnade und der Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus seien mit euch allen! (vgl. 2 Kor 1,2) Maria, Königin der Familie, Sitz der Weisheit, Magd des Herrn, bitte für uns. Amen. 436 REISEN Einheit und Unauflöslichkeit der christlichen Ehe Predigt bei der Eucharistiefeier in der Kathedrale von Rio de Janeiro zum Abschluß des Pastoraltheologischen Kongresses über die Familie am 4. Oktober Gelobt sei Jesus Christus! „In Kana in Galiläa fand eine Hochzeit statt“ (vgl. Joh 2,1). 1. Heute führt uns die Liturgie nach Kana in Galiläa. Wieder einmal nehmen wir teil an der Hochzeit, die dort gefeiert wird und zu der auch Jesus zusammen mit seiner Mutter und seinen Jüngern eingeladen war. Dieses Detail läßt uns annehmen, daß das Hochzeitsmahl im Hause von Bekannten Jesu stattfand, denn auch er wuchs in Galiläa auf. Wer hätte aus menschlicher Sicht Vorhersagen können, daß dieser Anlaß gewissermaßen den Beginn der messianischen Tätigkeit Christi an-zeigen würde? Und doch war es so. Dort, in Kana, wirkte Jesus - auf Anregung seiner Mutter - das erste Wunder und verwandelte das Wasser in Wein. Der Evangelist Johannes, Augenzeuge dieses Ereignisses, liefert eine präzise Beschreibung des Handlungsablaufs. In seinem Bericht erscheint alles voller tiefer Bedeutung. Und da wir uns hier versammelt haben, um am Welttreffen mit den Familien teilzunehmen, müssen wir diese Bedeutung nach und nach entdecken. Das Wunder von Kana in Galiläa stellt wie andere Wunder Jesu eigentlich ein Signal dar: Es zeigt das Wirken Gottes im Leben des Menschen. Wir müssen über dieses Wirken meditieren, um den tiefen Sinn des dort Geschehenen auszumachen. Das Hochzeitsmahl in Kana bringt uns zum Nachdenken über die Ehe, deren Geheimnis die Präsenz Christi einschließt. Ist es etwa nicht angebracht, in der Anwesenheit des Gottessohnes bei jenem Hochzeitsfest ein Indiz für die Tatsache zu sehen, daß die Ehe ein wirksames Zeichen seiner Gegenwart sein sollte? 2. Mit dem Blick auf die Hochzeit von Kana und auf die dort anwesenden Gäste wende ich mich an euch, Vertreter der großen Völker Lateinamerikas und der ganzen restlichen Welt, während des heiligen Meßopfers, das ich zusammen mit euch, Bischöfen und Priestern, feiere. Dabei werden wir begleitet von der Präsenz der Ordensleute, der Vertreter des Pastoraltheologischen Kongresses - der im Laufe dieses 2. Welttreffens mit den Familien stattgefunden hat - und von den Gläubigen, die hier in diese Kathedrale des hl. Sebastian von Rio de Janeiro gekommen sind. Zu Beginn möchte ich meinen ehrwürdigen Bruder, Kardinal Eugenio de Araüjo Sales, Erzbischof dieser traditionsreichen und dynamischen Kirche, begrüßen, den ich seit vielen Jahren kenne und schätze; ich weiß, wie eng er sich mit dem Stuhl Petri verbunden fühlt. Der Segen der Apostel Petrus und Paulus möge sich ausdehnen auf diese ganze Stadt, auf ihre Gemeinden und seelsorgerischen Initiativen; 437 REISEN auf die verschiedenen Schulungszentren für den Klerus, besonders auf das Erzdi-özesanseminar Säo Jose, das so aktiv und reich an priesterlichen Berufungen ist und wo auch viele Seminaristen aus anderen Diözesen Aufnahme gefunden haben; auf die Päpstliche Katholische Universität; auf die zahlreichen Kongregationen, die Säkularinstitute und die apostolischen Bewegungen; auf die Abtei Nossa Senhora do Monserrate; auf die verdienten Bruderschaften und im allgemeinen - da ich nicht alle einzelnen aufzählen kann, aber niemand ausschließen möchte - auf die Hilfsorganisationen, die sich so selbstlos für den Schutz der Bedürftigen ein-setzen. Ich grüße euch, liebe Brüder im Bischofsamt, von Brasilien und aus der ganzen Welt, und euch, die ihr die Ordinariate für die Gläubigen der Ostkirchen vertretet; ich grüße auch euch, Priester, Ordensmänner, Ordensffauen und Mitarbeiter der Volksmission dieser Diözese, und euch, Delegierte des Pastoraltheologischen Kongresses, sowie die hier anwesenden Vertreter der christlichen Kirchen verschiedener Denominationen und der jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften. Ich möchte alle begrüßen mit dem Ausdruck meiner tiefen Zuneigung, mit meinen besten Wünschen und meinem Segen. 3. Kehren wir im Geiste zum Hochzeitsmahl von Kana in Galiläa zurück, dessen Beschreibung im Evangelium es uns erlaubt, die Ehe in sakramentaler Hinsicht zu betrachten. Laut dem, was wir im Buch Genesis lesen, verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, um mit ihr gewissermaßen einen einzigen Leib zu bilden (vgl. Gen 2,24). Christus nahm diese Worte aus dem Alten Testament auf, als er zu den Pharisäern sprach, die ihm Fragen über die Unauflösbarkeit der Ehe stellten. Sie bezogen sich in Wirklichkeit auf die Vorschriften des mosaischen Gesetzes, die unter gewissen Umständen die Trennung der Eheleute, das heißt die Scheidung, erlaubten. Christus antwortete ihnen: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so“ {Mt 19,8). Und er zitierte den Abschnitt aus dem Buch Genesis: „Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat... Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ {Mt 19,4-6). Grundlage der ganzen Sozialordnung ist also dieses Prinzip der Einheit und Unauflösbarkeit der Ehe, auf das die Einrichtung der Familie und des ganzen Familienlebens gründet. Dieser Grundsatz wird durch die Erhebung der Ehe zur Würde als Sakrament bestätigt und bekräftigt. Und wie groß ist diese Würde, liebe Brüder und Schwestern! Es handelt sich um die Teilhabe am Leben Gottes, das heißt um die heiligmachende Gnade und um die zahllosen Gnaden, die der Berufung zur Ehe, zur Elternschaft und zur Familie entsprechen. Das Ereignis von Kana in Galiläa scheint uns gerade darauf hinzuführen. Diese wunderbare Verwandlung des Wassers in Wein: Das Wasser, unser 438 REISEN einfachstes Getränk, erhält dank dem Wirken Christi eine neue Eigenschaft: Es wird zu Wein, also in einem gewissen Sinne zu einen wertvolleren Getränk. Die Bedeutung dieser Symbole des Wassers und des Weines findet ihren Ausdruck in der Messe. Während der Gabenbereitung, wenn wir ein wenig Wasser in den Wein mischen, bitten wir Gott durch Christus, an seinem Leben im Opfer der Eucharistie teilzunehmen. Ehe, Elternschaft, Mutterschaft, Vaterschaft, Familie: Das alles gehört zur Ordnung der Natur, seitdem Gott Mann und Frau erschaffen hat; und all das wird durch das Wirken Christi auf eine übernatürliche Ordnung erhoben. Das Sakrament der Ehe wird zur Art und Weise, am Leben Gottes teilzuhaben. Der Mann und die Frau, die an Christus glauben und sich im Ehebund vereinen, können ihrerseits bekennen: Unsere Leiber sind erlöst - die eheliche Verbindung ist erlöst. Die Elternschaft, die Mutter- und Vaterschaft und alles, was das Zeichen der Heiligkeit trägt, wird erlöst. Diese Wahrheit erscheint in all ihrer Klarheit, wenn man zum Beispiel die Lebensbeschreibung der Eltern der hl. Therese vom Kinde Jesu liest; das ist aber nur eines von unzähligen Beispielen. In der Tat kennen viele die Früchte der sakramentalen Institution der Ehe. Durch dieses Treffen in Rio de Janeiro danken wir Gott für alle diese Früchte, für das ganze Werk der Heiligung der Ehepaare und der Familien, das wir Christus verdanken. Darum hört die Kirche nicht auf, die Lehre Christi über die Ehe in seiner Gesamtheit vorzustellen, vor allem hinsichtlich ihrer Einheit und Unauflösbarkeit. 4. In der ersten Lesung aus dem Buch Ester wird an die Rettung der Juden - während der Gefangenschaft in Babylon - dank der Intervention dieser Tochter Israels erinnert. Dieser Abschnitt aus der Schrift erlaubt es uns auch, die Berufung zur Ehe zu verstehen, insbesondere den unermeßlichen Dienst, den diese Berufung dem menschlichen Leben, dem Leben jedes Menschen und dem Leben aller Völker der Erde, erweist. „Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr .. .Der König verlangt nach deiner Schönheit“ {Ps 45,11-12). Der Papst möchte heute jeder Menschenfamilie das gleiche sagen: „Höre, schau: Gott will, daß du schön bist, daß du die Fülle der Menschenwürde und der Heiligkeit Christi lebst, daß du dich in den Dienst der Liebe und des Lebens stellst. Du hattest deinen Anfang im Schöpfer und wurdest vom Geist, dem Parakleten, geheiligt, um zur Hoffnung aller Nationen zu werden.“ Möge dieser Dienst an der Menschheit den Eheleuten offenbaren, daß gerade die Freude, mit der sie den Herrn um Berufungen unter ihren Kindern bitten und diese annehmen, ein klarer Ausdruck der Heiligkeit ihrer Ehe ist. Es sei mir deshalb erlaubt, an dieser Stelle hinzuzufügen, daß „eine Familie, die offen ist für die transzendenten Werte, die den Brüdern in Freude dient, die hochherzig und treu ihre Aufgaben erfüllt und sich ihrer täglichen Teilnahme am österlichen Geheimnis des Kreuzes Christi bewußt ist, ... zum ersten und besten Seminar für die Berufung zu einem dem Reiche Gottes geweihten Leben [wird]“ (Familiaris consortio, Nr. 53). Es ist mir eine Freude, bei dieser Gelegenheit mit väterlicher Zuneigung alle brasi- 439 REISEN Manischen Familien zu grüßen und zu segnen, deren Söhne sich auf das Priesteramt oder auf das geweihte Leben vorbereiten oder deren Töchter auf dem Weg zur Ganzhingabe an Gott sind. Diese jungen Männer und Frauen möchte ich dem Schutz der Heiligen Familie anvertrauen. Maria, die Hoffnung der Christen, möge uns die notwendige Kraft und Sicherheit für unseren Weg auf Erden geben. Darum bitten wir sie: Sei du selbst unser Weg, denn du, gesegnete Mutter, kennst die Pfade und Wege, die durch deine Liebe zur Liebe und Herrlichkeit Gottes führen! Gelobt sei Jesus Christus! Keine Alternative zur Familie als menschlicher Gemeinschaft Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Familien am 5. Oktober Gelobt sei Jesus Christus! l.„Der Herr segne uns alle Tage unseres Lebens“ (Antwortpsalm, vgl. Ps 128/127,5). Ich danke Gott, daß er mir gewährt hat, mich erneut mit euch zu treffen, Familien der ganzen Welt, um feierlich zu bestätigen, daß ihr „die Hoffnung der Menschheit“ seid! Das erste Welttreffen mit den Familien fand 1994 in Rom statt. Das zweite hat heute seinen Abschluß in Rio de Janeiro. Herzlich danke ich Kardinal Eugenio de Araujo Sales für seine Einladung, wie ich auch allen Bischöfen und brasilianischen Obrigkeiten danke, die zum Erfolg dieses großen Ereignisses beigetragen haben. Wir sind hier aus verschiedenen Ländern und aus verschiedenen Kirchen zusammengekommen, nicht nur aus Brasilien und Lateinamerika, sondern aus allen Kontinenten, um alle zusammen dieses Gebet zu Gott zu erheben: „Der Herr segne uns alle Tage unseres Lebens!“ In der Tat ist die Familie ja die besondere und zugleich grundlegende Liebes- und Lebensgemeinschaft, auf der alle übrigen Gemeinschaften und Gesellschaften beruhen. Wenn wir darum den Segen des Höchsten für die Familien erflehen, bitten wir zugleich für alle diese großen Gemeinschaften, die wir vertreten. Wir bitten für die Zukunft der Völker und Staaten wie auch für die Zukunft der Kirche und der Welt. Durch die Familie ist in der Tat die ganze menschliche Existenz auf die Zukunft hin orientiert. In der Familie kommt der Mensch zur Welt, wächst er auf und kommt er zur Reife. In ihr wird er zu einem immer reiferen Bürger seines Landes und einem immer bewußteren Glied der Kirche. Die Familie ist auch die erste und grundlegende Umwelt, in der jeder Mensch seine menschliche und christliche Berufung wahmimmt und verwirklicht. Kurz, die Familie ist eine Ge- 440 REISEN meinschaft, die durch keine andere zu ersetzen ist. Das wird auch in den Lesungen der heutigen Liturgiefeier sichtbar. 2. Vor dem Messias erscheinen die Vertreter der jüdischen Orthodoxie, die Pharisäer, um ihn zu fragen, ob es dem Mann erlaubt ist, seine Frau aus der Ehe zu entlassen. Christus seinerseits fragt, was Mose vorgeschrieben hat. Sie antworten, daß Mose erlaubt hat, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen. Aber Christus sagt zu ihnen: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen!“ (Mk 10,5-9). Christus bezieht sich auf den Anfang. Diesen Anfang enthält das Buch Genesis, worin die Erschaffung des Menschen beschrieben wird. Wie wir im ersten Kapitel dieses Buches lesen, erschuf Gott den Menschen als sein Abbild, als Mann und Frau schuf er sie (vgl. Gen 1,27), und er sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Nach dem zweiten Schöpfungsbericht, den uns die erste Lesung der heutigen Liturgie bietet, wurde die Frau aus dem Mann erschaffen. So sagt die Schrift: „Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so daß er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloß ihre Stelle mit Fleisch. Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen; vom Mann ist sie genommen. Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,21-24). 3. Die Sprache bedient sich der anthropologischen Kategorien der alten Welt, aber sie ist von außerordentlicher Tiefe: auf ganz außergewöhnliche Weise drückt sie die wesentlichen Wahrheiten aus. Alles, was durch menschliche Reflexion und wissenschaftliche Erkenntnis später entdeckt wurde, hat nur bestätigen können, was hier schon in der Wurzel vorhanden war. Das Buch Genesis zeigt vor allem die kosmische Dimension der Schöpfung auf. Das Erscheinen des Menschen geschieht innerhalb des ungeheuren kosmischen Horizonts der gesamten Schöpfung: Nicht durch Zufall findet es am letzten Tag der Erschaffung der Welt statt. Der Mensch tritt in das Werk des Schöpfers in dem Augenblick ein, in welchem alle Vorbedingungen für seine Existenz gegeben sind. Der Mensch ist eines der sichtbaren Geschöpfe; gleichzeitig aber heißt es in der Heiligen Schrift, daß nur er „als Abbild Gottes“ erschaffen wurde. Diese wunderbare Verbindung von Körper und Geist bildet etwas endgültig Neues im Schöp-fungsprozeß. Mit dem menschlichen Sein öffnet sich die ganze Pracht der sichtbaren Schöpfung für die Dimension des Geistigen. Verstand und Wille, Erkenntnis und Liebe - das alles tritt im Augenblick der Erschaffung des Menschen in den 441 REISEN sichtbaren Kosmos ein. Und gerade dadurch wird von Anfang an offenkundig, daß das körperliche und das geistige Leben einander durchdringen. So verläßt der Mann seinen Vater und seine Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein einziges Fleisch. Dieses eheliche Einswerden ist zugleich im Erkennen und in der Liebe verwurzelt, das heißt in der geistigen Dimension. Das Buch Genesis sagt das alles in einer ihm eigenen Sprache, die zugleich wunderbar einfach und erschöpfend ist. Der Mann und die Frau, die zum Leben im kosmischen Schöpfungsprozeß berufen sind, erscheinen an der Schwelle ihrer Berufung als Träger der Zeugungsfähigkeit im Zusammenwirken mit Gott, der unmittelbar die Seele jedes neuen Menschenwesens erschafft. In gegenseitiger Erkenntnis und Liebe und gleichzeitig durch die körperliche Vereinigung werden sie Wesen ins Leben rufen, die ihnen ähnlich sind und die, ebenso wie sie selbst, als „Abbild Gottes“ geschaffen sind. Sie werden das Leben an ihre eigenen Kinder weitergeben, wie sie selbst es von ihren Eltern empfangen haben. Das ist die einfache und zugleich großartige Wahrheit über die Familie, wie sie sich aus den Seiten des Buches Genesis und des Evangeliums ergibt: Nach dem Plan Gottes ist die Ehe - die unauflösliche Ehe - das Fundament einer gesunden und verantwortlichen Familie. 4. Mit wenigen, aber einprägsamen Zügen beschreibt Christus im Evangelium den ursprünglichen Plan des Schöpfergottes. Auch die in der zweiten Lesung verkündete Stelle aus dem Brief an die Hebräer berichtet: „Es war angemessen, daß Gott, für den und durch den das All ist und der viele Söhne zur Herrlichkeit fuhren wollte, den Urheber ihres Heils durch Leiden vollendete. Jesus, der heiligt, und die Menschen, die geheiligt werden, stammen alle von Einem ab“ (vgl. Hebr 2,10-11). Die Erschaffung des Menschen hat also ihr Fundament im ewigen Wort Gottes. Gott rief alles ins Dasein durch das Wirken des Wortes, des ewigen Sohnes, durch den alles erschaffen wurde. Auch der Mensch wurde durch dieses Wort erschaffen, und er wurde als Mann und Frau erschaffen. Der Ehebund hat seinen Ursprung im ewigen Wort Gottes. In Ihm wurde die Familie erschaffen. In Ihm wurde die Familie von Ewigkeit her in den Gedanken Gottes ersonnen, bedacht und verwirklicht. Durch Christus erhält sie ihren sakramentalen Charakter, ihre Heiligung. Der Text des Briefes an die Hebräer erinnert daran, daß die Heiligung der Ehe, wie die jeder anderen menschlichen Wirklichkeit, durch Christus geschah, um den Preis seines Leidens und seines Kreuzes. Er offenbart sich hier als der neue Adam. Wenn es gewiß ist, daß wir der Ordnung der Natur nach alle von Adam abstammen, so geht uns allen in der Ordnung der Gnade und der Heiligung Christus voraus. Die Heiligung der Familie hat ihre Quelle im sakramentalej Charakter der Ehe. Er, der heiligt - das ist Christus -, und alle, die geheiligt werden sollen - ihr, Väter und Mütter, ihr, Familien -, stellt euch gemeinsam dem Vater vor mit dieser inständigen Bitte, daß er das segnen möge, was er im Sakrament der Ehe in euch 442 REISEN gewirkt hat. In dieses Gebet sind alle Eheleute und alle Familien eingeschlossen, die auf der Erde leben. Gott, der einzige Schöpfer des Alls, ist ja die Quelle des Lebens und der Heiligkeit. 5. Eltern und Familien der ganzen Welt, laßt mich euch sagen: Gott beruft euch zur Heiligkeit! Er selbst hat uns in Christus „erwählt vor der Erschaffung der Welt“ - sagt uns der hl. Paulus -, „damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (.Eph 11,4). Er liebt euch über die Maßen, er will euer Glück. Aber er will, daß ihr immer das Treusein mit dem Frohsein zu verbinden wißt, denn das eine kann man nicht ohne das andere haben. Laßt nicht zu, daß eine hedonistische Mentalität, ehrgeizige Bestrebungen und Egoismus in euer Heim eindringen. Seid Gott gegenüber großmütig. Ich kann nicht umhin, noch einmal in Erinnerung zu rufen, daß die Familie „in ihrem Sein und Handeln als innige Liebes- und Lebensgemeinschaft im Dienst an Kirche und Gesellschaft steht“ (vgl. Familiaris consortio, Nr. 50). Die von Gott gesegnete, von Glauben, Hoffnung und Liebe erfüllte gegenseitige Hingabe wird beide Ehegatten zur Vollkommenheit und gegenseitigen Heiligung gelangen lassen. Sie wird, mit anderen Worten, der Kern für die Heiligung der eigenen Familie sein und der Ausbreitung des Evangelisierungswerkes in jedem christlichen Haus dienen. Liebe Brüder und Schwestern, was für eine große Aufgabe habt ihr vor euch! Ihr sollt Frieden und Freude mitten in die Familie hineintragen. Die Gnade erhöht und vervollkommnet die Liebe, und mit ihr verleiht sie euch die notwendigen Familientugenden: Demut, Dienst- und Opferbereitschaft, Eltern- und Kindesliebe, Ehrerbietung und gegenseitiges Verstehen. Und da ja das Gute sich ausbreiten will, so ist es auch mein Wunsch, daß euer Anschluß an die Familienpastoral euch, soweit immer möglich, dazu anspome, großzügig die Gabe, die in euch ist, weiterzuschenken, zuerst an eure Kinder, dann an solche Familien - vielleicht Verwandte oder Freunde -, die Gott femstehen oder die gerade Zeiten des Unverstandenseins oder des Zweifels durchmachen. Auf dem Weg zum Jubiläum des Jahres 2000 lade ich alle, die mich hören, ein zu dieser Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses als Christen, damit es durch die Gnade Gottes eine wirkliche Umkehr und persönliche Erneuerung im Schoß der Familien der ganzen Welt gebe (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Möge der Geist der Heiligen Familie von Nazaret in allen christlichen Familien herrschen! Familien Brasiliens, Lateinamerikas und der ganzen Welt, der Papst und die Kirche setzen ihre Zuversicht in euch. Habt Vertrauen: Gott ist mit uns! 443 REISEN Familie - Stätte des Friedens im gelebten Glauben Angelus am 5. Oktober Vor dem Angelusgebet am Schluß der Eucharistiefeier auf dem Aterro do Flamengo grüßte der Papst die Familien „aus“ und „in“ aller Welt in den wichtigsten an dem Welttreffen vertretenen Sprachen und erteilte ihnen seinen Segen. Den Anfang machte Portugiesisch: Liebe Brüder und Schwestern! Von ganzem Herzen grüße ich die hier anwesenden Familien und die Familien in ganz Brasilien, die über Radio oder Fernsehen mit dabei sind. Das heutige „Treffen“ gibt Hoffnung für die Zukunft der christlichen Familie. Ihr seid die Hauptakteure für das Schicksal eures Landes. Gott segne und begleite euch! Nachstehend Auszüge aus den weiteren Grußworten: - spanisch: Die Jungfrau Maria möge euch helfen, in jedem Heim die Flamme des Glaubens, der Liebe und der Eintracht lebendig zu erhalten, damit ihr Licht und Hoffnung für die Menschheit sein könnt. Seid der Berufung treu, zu der ihr von Gott gerufen worden seid. - englisch: Die Familie bleibt das erste und wichtigste Anliegen im Leben und Dienst der Kirche. Wie es der Familie geht, so geht es der Kirche und der menschlichen Gesellschaft insgesamt. Möge dieses „Welttreffen der Familien“ zu einem neuen Bewußtsein des Wertes, den die Familie in den Augen Gottes hat, führen und in den katholischen Familien das dankbare Wissen um ihre Rolle, „Hauskirche“ zu sein, fordern. Nur wenn die Eltern mit ihren Kindern beten, können sie die Wahrheiten und Werte des Glaubens getreu vermitteln. Die Heilige Familie von Nazaret möge euer Vorbild und Leitstern sein. - polnisch: Ich bete unablässig zu Gott, daß sich die Heiligung der Familien in Christus erfülle. Heute trage ich euch in diesem innigen Gebet vor Gott, den Vater, damit er segne, was er in euch durch das Sakrament der Ehe vollbracht hat. In Gott ist in der Tat die Quelle des Lebens und der Heiligkeit. Möge die Heiligmäßigkeit der Familien zum Ferment für die innere Erneuerung der Menschen und Nationen werden. - französisch: Dankt für die Gaben Gottes, für eure Liebe und für eure Kinder. Seid in der Hoffnung und mit der Hilfe der Mutter des Herrn euren Verpflichtungen für das Wohl der Menschheit und der Kirche treu! 444 REISEN - italienisch: Liebe Familien, seid euch immer der hohen Sendung bewußt, die Gott euch aufträgt, und arbeitet mit allen Mitteln für den Aufbau der Zivilisation der Liebe und des Lebens! Wieder auf portugiesisch sagte der Papst sodann: Ich möchte meine Freude über dieses Treffen mit den Familien hier in Rio de Janeiro aussprechen, das große Teilnahme und Begeisterung verzeichnet hat. Ich danke allen, die zum guten Gelingen dieses Ereignisses beigetragen haben. Ich hoffe, daß diese Tage in Rio in den Herzen aller einen ernsthaften Vorsatz zur Verteidigung der Familie, Hoffnung der Menschheit, hinterlassen. Bei der Feier des Großen Jubeljahrs 2000 in Rom wird ein besonderes Treffen mit den Familien nicht fehlen dürfen. Alle Familien sind eingeladen. Und nun erheben wir unsere Gedanken zur Heiligen Familie von Nazaret und rufen ihren schützenden Beistand an, damit die christlichen Familien, durch ihr Vorbild angespomt, eine Stätte des Friedens und der Harmonie seien, Frucht echten, gelebten Glaubens. In besonderer Weise richten wir nun mit dem „Engel des Herrn“ unser Gebet an die heilige Jungfrau, Ursache unserer Freude. In ihr ist „das Wort [...] Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“; in ihr empfangen wir das Unterpfand des ewigen Lebens. Mit Freude preisen wir den Beginn unserer Erlösung. Nach dem Angelusgebet fügte der Papst noch hinzu: Von der Höhe des Corcovado segnet Christus die Stadt Rio de Janeiro und Brasilien. Christus segnet heute besonders alle brasilianischen Familien und alle Familien der Welt. Mögen sie diesen Segen des Christus auf dem Corcovado bewahren und in dieser Umarmung Christi das ganze Leben lang bleiben! Danke! 445 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Biete die Vergebung an, empfange den Frieden Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1997 vom 8. Dezember 1996 1. Nur drei Jahre trennen uns noch vom Anbruch eines neuen Jahrtausends, und das Warten wird zu einer Zeit des Nachdenkens, die uns gleichsam Bilanz ziehen läßt über den Weg, den die Menschheit vor dem Blick Gottes, dem Herrn der Geschichte, zurückgelegt hat. Sieht man sich das zurückliegende Jahrtausend und da vor allem dieses letzte Jahrhundert an, so muß man zugeben, daß in soziokultu-reller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und technologischer Hinsicht auf dem Weg der Menschen viele Lichter entzündet worden sind. Im Gegensatz dazu gibt es leider lange Schatten, vor allem auf dem Gebiet der Moral und der Solidarität. Ein regelrechter Skandal ist ferner die Gewalt, die in alten und neuen Formen immer wieder viele Menschenleben heimsucht und Familien und Gemeinschaften zerreißt. Es ist an der Zeit, daß wir uns dazu entscheiden, gemeinsam mit Entschlossenheit einen echten Pilgerweg des Friedens anzutreten, ein jeder aus der konkreten Situation heraus, in der er sich befindet. Die Schwierigkeiten sind manchmal sehr groß: Die ethnische Zugehörigkeit, die Sprache und die Kultur stellen oft ebenso Hindernisse dar wie die Religionszugehörigkeit. Sich miteinander auf den Weg machen, wenn man traumatische Erfahrungen oder gar jahrhundertelange Spaltungen auf dem Rücken hat, ist kein leichtes Unterfangen. Da stellt sich die Frage: Welchen Weg soll man einschlagen, wonach soll man sich orientieren? Es gibt gewiß viele Faktoren, die unter Wahrung der Forderungen nach Gerechtigkeit und Menschenwürde die Wiederherstellung des Friedens günstig beeinflussen können. Aber kein Friedensprozeß wird sich je in Gang bringen lassen, solange nicht in den Menschen eine Bereitschaft zu aufrichtiger Vergebung heranreift. Ohne sie bluten die Wunden weiter und nähren in den nachfolgenden Generationen einen unaufhörlichen Groll, der Quelle von Rache und Ursache immer neuer Katastrophen ist. Die angebotene und empfangene Vergebung ist die unerläßliche Voraussetzung für den Weg zu einem echten und dauerhaften Frieden. Aus tiefer Überzeugung will ich daher an alle appellieren, das Ziel des Friedens auf dem Weg der Vergebung zu verfolgen. Ich bin mir völlig bewußt, wie sehr das Vergeben scheinbar im Widerspruch zur menschlichen Logik stehen kann, die häufig der Dynamik des Streites und der Rache gehorcht. Die Vergebung hingegen atmet aus der Logik der Liebe, jener Liebe, die Gott jedem Mann und jeder Frau, jedem Volk und jeder Nation, ja der ganzen Menschheitsfamilie erweist. Wenn aber die Kirche das zu verkünden wagt, was menschlich gesprochen als Torheit erscheinen könnte, so tut sie das eben auf Grund ihres unerschütterlichen Vertrauens in die grenzenlose Liebe Gottes. Gott ist, wie die Schrift bezeugt, reich an 449 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erbarmen und hört nicht auf, denen zu vergeben, die zu ihm zurückkehren (vgl. Ez 18,23; Ps 32,5; 103,3.8-14; Eph 2,4-5; 2 Kor 1,3). Gottes Vergebung wird in unseren Herzen zur unerschöpflichen Quelle des Verzeihens auch in unseren Beziehungen untereinander und hilft uns, sie im Zeichen echter Brüderlichkeit zu leben. Die verwundete Welt sehnt sich nach Heilung 2. Wie ich soeben andeutete, ist und bleibt die moderne Welt trotz der vielen erreichten Ziele von zahlreichen Widersprüchen gezeichnet. Der Fortschritt in den Bereichen von Industrie und Landwirtschaft hat für Millionen Menschen eine Verbesserung des Lebensstandards mit sich gebracht und läßt für viele andere Gutes erhoffen; die Technologie erlaubt bereits das Überwinden großer Entfernungen; die Information, die in Sekundenschnelle erfolgen kann, hat die Möglichkeiten des menschlichen Wissens erweitert; die Achtung vor unserer Umwelt nimmt zu und wird allmählich zu einem Lebensstil. Eine Menge von Freiwilligen engagiert sich mit einer Hochherzigkeit, die oft völlig unbekannt bleibt, in allen Teilen der Welt unermüdlich im Dienst an der Menschheit, wobei sie sich vor allem dafür aufopfert, die Nöte der Armen und der Leidenden zu lindem. Sollte man diese positiven Zeichen unserer Zeit nicht mit Freude anerkennen? Die Bühne der heutigen Welt präsentiert aber leider auch viele gegenteilige Erscheinungen. Dazu gehören zum Beispiel der Materialismus und die zunehmende Geringschätzung des menschlichen Lebens, die beunruhigende Dimensionen angenommen haben. Es gibt viele, die in ihrer Lebensplanung einzig und allein den Gesetzen von Profit, Ansehen und Macht folgen. Die Konsequenz davon ist, daß sich zahlreiche Menschen in ihre innere Einsamkeit verbannt finden, andere ständig wegen ihrer Rasse, ihrer Nationalität oder ihres Geschlechts absichtlich diskriminiert werden, während die Armut ganze Massen an den Rand der Gesellschaft oder geradewegs in die Vernichtung treibt. Für allzu viele Menschen ist der Krieg zur harten Wirklichkeit des täglichen Lebens geworden. Eine Gesellschaft, die nur nach den materiellen oder vergänglichen Gütern sucht, neigt dazu, den an den Rand zu drängen, der nicht diesem Zweck dient. Vor diesen Situationen, die manchmal echte menschliche Tragödien darstellen, ziehen es manche vor, einfach die Augen zu verschließen, während sie sich hinter ihrer Gleichgültigkeit verschanzen. In ihnen wiederholt sich das Verhalten Kains: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4,9). Es ist Pflicht der Kirche, jeden an die strengen Worte Gottes zu erinnern: „Was hast du getan? Das Blut deines Bmders schreit zu mir vom Ackerboden!“ (Gen 4,10). Das Leiden so vieler Brüder und Schwestern darf uns nicht gleichgültig lassen! Ihr Leid appelliert an unser Gewissen, an unser inneres Heiligtum, wo wir uns von Angesicht zu Angesicht vor uns selbst und vor Gott finden. Sollte man nicht anerkennen, daß wir alle, wenn auch in unterschiedlichem Grad, in diese Gewissenser- 450 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN forschung, zu der uns Gott aufruft, einbezogen sind? Wir haben alle die Vergebung Gottes und des Nächsten nötig. Deshalb müssen wir alle bereit sein, zu vergeben und um Vergebung zu bitten. Die Last der Geschichte 3. Die mühsame Arbeit der Vergebung hängt nicht allein vom gegenwärtigen Geschehen ab. Eine schwere Bürde an Gewaltakten und Konflikten, der man sich nur schwer zu entledigen vermag, trägt die Geschichte mit sich. Übergriffe, Unterdrückungen und Kriege haben unzähligen Menschen Leid zugefugt. Auch wenn sich die Ursachen für jene schmerzlichen Vorgänge in längst vergangenen Zeiten verlieren, bleiben ihre Nachwirkungen auf quälende Weise lebendig. Sie nähren Ängste, Verdächtigungen und Haß. Sie lassen Bande zerbrechen zwischen Familien, ethnischen Gmppen und ganzen Völkern. Dies sind Tatsachen, die den guten Willen dessen auf eine harte Probe stellen, der sein Verhalten nicht davon bestimmen lassen möchte. Doch wahr bleibt, daß man nicht Gefangener der Vergangenheit bleiben kann: Für die einzelnen und für die Völker bedarf es einer Art „Reinigung des Gedächtnisses“, damit die Übel von gestern sich nicht wiederholen. Es geht nicht darum, das Geschehene zu vergessen, sondern es mit neuen Gefühlen noch einmal zu lesen und dabei gerade aus den erlittenen Erfahrungen zu lernen, daß allein die Liebe aufbaut, während der Haß Zerstörung und Verfall hervorruft. An die Stelle der tödlichen Wiederholung der Rache muß die befreiende Neuheit der Vergebung treten. Dazu ist es unerläßlich, die Geschichte der anderen Völker lesen zu lernen, indem man einseitige Pauschalurteile vermeidet und sich darum bemüht, den Standpunkt der Angehörigen jener Völker zu verstehen. Das ist eine echte, auch pädagogische und kulturelle Herausforderung. Eine Herausforderung der Zivilisation! Wenn man gewillt ist, diesen Weg einzuschlagen, wird man entdecken, daß die Fehler niemals nur auf einer Seite liegen; man wird sehen, daß die Darstellung der Geschichte mitunter verzerrt, ja sogar manipuliert worden ist, was tragische Folgen nach sich zog. Ein korrektes nochmaliges Lesen der Geschichte wird die Annahme und Achtung der zwischen Personen, Gruppen und Völkern bestehenden sozialen, kulturellen und religiösen Unterschiede begünstigen. Das ist der erste Schritt zur Versöhnung, weil die Achtung der Unterschiede eine Bedingung und eine Dimension dessen ist, was echte Beziehungen zwischen einzelnen und Gemeinschaften brauchen und auszeichnen. Die Unterdrückung der Unterschiede kann einen Scheinfrieden entstehen lassen, sie erzeugt aber eine bedenkliche Situation, die in der Tat das Vorspiel für neue Gewaltausbrüche ist. 451 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konkrete Mechanismen zur Versöhnung 4. Auch wenn Kriege die Probleme, durch die sie entfacht wurden, „lösen“, hinterlassen sie dabei nur Opfer und Zerstörungen, die auf den nachfolgenden Friedensverhandlungen lasten. Diese Erkenntnis muß die Völker, Nationen und Staaten veranlassen, die „Kultur des Krieges“ endgültig zu überwinden, und zwar nicht nur in der höchst verabscheuungswürdigen, als Werkzeug der Gewalt gebrauchten Ausdrucksweise einer Kriegsmacht, sondern auch in jener weniger gehässigen, aber darum genauso verderblichen Anwendung von Waffengewalt, die als schnelles Mittel verstanden wird, um die Probleme anzugehen. Besonders in einer Zeit wie der unsrigen, die über die ausgeklügeltsten Vemichtungstechnologien verfügt, ist es dringend geboten, eine solide „Kultur des Friedens“ zu entwickeln, die der unaufhaltsamen Entfesselung der bewaffneten Gewalt zuvorkommen und sie abwenden soll, und dabei auch Eingriffsmöglichkeiten vorzusehen, die das Anwachsen der Rüstungsindustrie und des Waffenhandels verhindern. Zuvor aber muß der aufrichtige Wunsch nach Frieden noch in den festen Entschluß umgesetzt werden, jedes Hindernis zu beseitigen, das sich der Erreichung des Friedens in den Weg stellt, ln diesem Bemühen können die verschiedenen Religionen in der Spur dessen, was sie schon wiederholt getan haben, einen wichtigen Beitrag dadurch leisten, daß sie ihre Stimme gegen den Krieg erheben und mutig den Folgegefahren entgegentreten. Aber sind wir vielleicht nicht alle aufgerufen, noch mehr zu tun, indem wir aus dem unverfälschten Erbe unserer religiösen Überlieferungen schöpfen? Wesentlich in diesem Anliegen bleibt freilich die Aufgabe der Regierungen und der internationalen Gemeinschaft, deren Sache es ist, zum Aufbau des Friedens durch die Förderung solider Strukturen beizutragen, die imstande sein sollen, den Turbulenzen der Politik zu widerstehen und so Freiheit und Sicherheit für alle und unter allen Umständen zu gewährleisten. Einige dieser Strukturen bestehen bereits, müssen aber noch gestärkt werden. Die Organisation der Vereinten Nationen zum Beispiel hat in jüngster Zeit eine immer größere Verantwortung bei der Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens übernommen und ist so der Idee gefolgt, unter der sie einst ins Leben gerufen wurde. Gerade aus dieser Sicht scheint es fünfzig Jahre nach ihrer Gründung geboten, den Wunsch nach einer entsprechenden Anpassung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu äußern, um ihr die Möglichkeit zu geben, den neuen Herausforderungen unserer Zeit wirksam zu begegnen. Auch anderen Organisationen auf kontinentaler oder regionaler Ebene kommt eine große Bedeutung zu: Sie sind Werkzeuge zur Förderung des Friedens. Es gibt Anlaß zur Ermutigung, wenn man sieht, wie sie sich für die Entwicklung konkreter Versöhnungsmechanismen engagieren, indem sie vom Krieg gespaltenen Bevölkerungen dabei helfen, die Grundlagen für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben wiederzufinden. Es sind Formen der Vermittlung, die Völkern in 452 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN scheinbar ausweglosen Situationen Hoffnung bieten. Nicht unterschätzt werden darf ferner das Wirken der Organisationen vor Ort: Da sie in die Umgebung eingebunden sind, wo die Keime des Konflikts gesät werden, können sie die einzelnen Menschen direkt erreichen, zwischen den feindlichen Lagern vermitteln und das gegenseitige Vertrauen fördern. Der dauerhafte Friede ist jedoch nicht nur eine Frage der Strukturen und Mechanismen. Er stützt sich vor allem auf die Annahme eines Stils menschlichen Zusammenlebens, der von gegenseitiger Annahme geprägt und zu freundlicher Vergebung fähig ist. Wir brauchen alle die Vergebung unserer Brüder und Schwestern, wir müssen daher alle bereit sein, selbst zu vergeben. Vergebung erbitten und gewähren ist ein Weg, der zutiefst der Würde des Menschen entspricht; manchmal ist es der einzige Weg, um aus Situationen herauszukommen, die von altem, gewalttätigem Haß gekennzeichnet sind. Sicher ist die Vergebung für den Menschen nicht etwas Spontanes und Natürliches. Aus ganzem Herzen zu vergeben, kann sich mitunter geradezu als heroisch erweisen. Der Schmerz über den Verlust eines Sohnes, eines Freundes, der eigenen Eltern oder der ganzen Familie auf Grund von Krieg, Terrorismus oder krimineller Handlungen kann dazu veranlassen, sich dem anderen gegenüber völlig zu verschließen. Jene, denen nichts geblieben ist, weil sie des Landes und des Hauses beraubt wurden, die Flüchtlinge und alle, die die Schmach der Gewalttätigkeit ertragen haben, können gar nicht anders, als die Versuchung zu Haß und Rache zu spüren. Nur die Wärme menschlicher Beziehungen, die von Achtung, Verständnis und Annahme durchdrungen sind, kann ihnen helfen, diese Gefühle zu überwinden. Dank der heilenden Kraft der Liebe, die ihre erste Quelle in Gott hat, der die Liebe ist, kann die befreiende Erfahrung der Vergebung, freilich unter großen Schwierigkeiten, auch von einem verletzten Herzen erlebt werden. Wahrheit und Gerechtigkeit als Voraussetzungen der Vergebung 5. Die Vergebung ist in ihrer wahrsten und höchsten Form ein Akt ungeschuldeter Liebe. Aber gerade als Akt der Liebe birgt sie auch Forderungen in sich. Die erste ist die Achtung der Wahrheit. Gott allein ist die absolute Wahrheit. Er hat jedoch das menschliche Herz dem Verlangen nach der Wahrheit geöffnet, die er dann im menschgewordenen Sohn in Fülle offenbart hat. Alle sind also aufgerufen, die Wahrheit zu leben. Wo jedoch Lüge und Falschheit gesät werden, blühen Verdächtigung und Spaltung. Auch Korruption und politische oder ideologische Manipulation widersprechen ihrem Wesen nach der Wahrheit: Sie stellen einen Angriff auf die eigentlichen Fundamente des bürgerlichen Zusammenlebens dar und bedrohen die Möglichkeit zu friedlichen sozialen Beziehungen. Weit davon entfernt, die Suche nach der Wahrheit auszuschließen, fordert die Vergebung sie sogar. Das Böse, das angerichtet wurde, muß zugegeben und, soweit als möglich, wiedergutgemacht werden. Gerade diese Forderung hat in verschie- 453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denen Teilen der Welt dazu geführt, im Zusammenhang mit den Übergriffen zwischen ethnischen Gruppen oder Nationen geeignete Verfahren zur Wahrheitsfindung als ersten Schritt zur Versöhnung einzuleiten. Man braucht die vorsichtige Zurückhaltung nicht eigens zu betonen, an die sich in diesem gleichwohl notwendigen Prozeß alle halten müssen, um nicht die Gegensätze zu verschärfen und dadurch die Versöhnung noch schwieriger zu machen. Nicht selten kommt es vor, daß in Ländern angesichts des fundamentalen Gutes der Aussöhnung die Regierenden einmütig eine Amnestie für alle beschlossen haben, die sich öffentlich zu den Untaten bekannten, die sie in Zeiten von Krieg und Aufruhr begangen hatten. Eine solche Initiative kann man insofern gutheißen, als diese Bemühung darauf abzielt, gute Beziehungen zwischen einst einander feindlich gegenüberstehenden Gruppen neu anzuknüpfen. Eine andere wesentliche Voraussetzung für Vergebung und Versöhnung ist die Gerechtigkeit, die ihr letztes Kriterium im Gesetz Gottes und in seinem Plan der Liebe und Barmherzigkeit für die Menschheit hat (vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia [30. November 1980], Nr. 14: AAS 72[1980] 1223). So verstanden, beschränkt sich die Gerechtigkeit nicht auf die Festlegung dessen, was zwischen den Konfliktparteien korrekt ist, sondern sie zielt vor allem darauf ab, wieder echte Beziehungen zu Gott, zu sich selbst und zu den anderen herzustellen. Es besteht also kein Widerspruch zwischen Vergebung und Gerechtigkeit. Denn die Vergebung beseitigt noch verringert sie die Forderung nach Wiedergutmachung, die wesentlich zur Gerechtigkeit gehört. Statt dessen strebt sie die Wiedereingliederung sowohl der Einzelpersonen und der Gruppen in die Gesellschaft als auch der Staaten in die Gemeinschaft der Nationen an. Keine Bestrafung vermag die unveräußerliche Würde dessen abzutöten, der Böses getan hat. Die Tür zu Reue und Rehabilitierung muß stets offen bleiben. Jesus Christus, unsere Versöhnung 6. Wie viele Situationen bedürfen heute der Versöhnung! Angesichts dieser Herausforderung, von der der Friede maßgeblich abhängt, richte ich an alle Gläubigen und in besonderer Weise an die Mitglieder der katholischen Kirche meinen Aufruf, sie mögen sich aktiv und konkret dem Versöhnungswerk widmen. Der Glaubende weiß, daß die Versöhnung von Gott ausgeht, der immer bereit ist, allen, die sich an ihn wenden, zu vergeben und alle ihre Sünden hinter seinen Rücken zu werfen (vgl. Jes 38,17). Die Unermeßlichkeit der Liebe Gottes übersteigt das menschliche Begreifen, wie die Heilige Schrift sagt: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,15). Die göttliche Liebe ist die Grundlage der Versöhnung, zu der wir aufgerufen sind. „Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt; der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt... Er handelt an 454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns nicht nach unsem Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld“ {Ps 103,3-4.10). In seiner liebenden Bereitschaft zur Vergebung ist Gott soweit gegangen, sich selber der Welt in der Person des Sohnes zu schenken, der gekommen ist, um jedem einzelnen und der ganzen Menschheit die Erlösung zu bringen. Angesichts der Beleidigungen seitens der Menschen, die in seiner Verurteilung zum Kreuzestod gipfeln, betet Jesus: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ {Lk 23,34). Die Vergebung Gottes ist Ausdruck seiner väterlichen Zärtlichkeit. Im Gleichnis der Frohen Botschaft vom „verlorenen Sohn“ (vgl. Lk 15,11-32) eilt der Vater dem Sohn sofort entgegen, als er ihn nach Hause zurückkommen sieht. Er läßt ihn nicht einmal die Entschuldigungen Vorbringen: alles ist verziehen (vgl. Lk 15,20-22). Die tiefe Freude über die angebotene und empfangene Vergebung heilt unheilbare Wunden, stellt die Beziehungen wieder neu her und läßt sie Wurzel fassen in der unerschöpflichen Liebe Gottes. Jesus hat sein ganzes Leben lang die Vergebung Gottes verkündet, hat aber gleichzeitig auf die Forderung der gegenseitigen Vergebung als Bedingung für ihre Erlangung hingewiesen. Im „Vaterunser“ läßt er uns beten: „Und erlaß uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben“ {Mt 6,12). Mit jenem „wie“ legt er uns das Maß in die Hand, nach dem wir von Gott gerichtet werden. Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, der wegen seiner Härte gegenüber seinem Kollegen bestraft wurde (vgl. Mt 18,23-35), lehrt uns, daß alle, die nicht zum Vergeben bereit sind, sich dadurch selber von der göttlichen Vergebung ausschließen: „Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt“ {Mt 18,35). Sogar unser Gebet ist dem Herrn nur dann genehm, wenn ihm die aufrichtige Bereitschaft zur Versöhnung mit dem Bruder, der „etwas gegen uns hat“, vorausgeht und es so gewissermaßen in seiner Glaubwürdigkeit „garantiert“ ist: Erst dann wird es uns möglich sein, Gott eine Opfergabe darzubringen, die angenommen wird (vgl. Mt 5,23-24). Im Dienst der Versöhnung 7. Jesus hat nicht nur seine Jünger die Pflicht der Vergebung gelehrt, sondern er wollte, daß seine Kirche Zeichen und Werkzeug seines Versöhnungsplanes sein sollte, weshalb er sie zum Sakrament „der innigsten Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit“ (II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 1) gemacht hat. Auf Grund dieser Aufgabe bezeichnete Paulus den apostolischen Dienst als „Dienst der Versöhnung“ (vgl. 2 Kor 5,18-20). Aber eigentlich muß sich jeder Getaufte als „Diener der Versöhnung“ fühlen, weil er, wenn er sich mit Gott und den Brüdern versöhnt hat, aufgerufen ist, mit der Kraft der Wahrheit und der Gerechtigkeit den Frieden aufzubauen. 455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio advenienle in Erinnerung rufen konnte, sind die Christen, während sie sich dafür rüsten, die Schwelle eines neuen Jahrtausends zu überschreiten, dazu eingeladen, erneut Reue zu zeigen für „alle jene Vorkommnisse im Laufe der Geschichte, wo diese sich vom Geist Christi und seines Evangeliums dadurch entfernt haben, daß sie der Welt statt eines an den Werten des Glaubens inspirierten Lebenszeugnisses den Anblick von Denk- und Handlungsweisen boten, die geradezu Formen eines Gegenzeugnisses und Skandals darstellten“ (vgl. Nr. 33: AAS 87[1995]25). Dabei haben die Spaltungen, die die Einheit der Christen verletzen, ein besonderes Gewicht. Während wir uns auf die Feier des Großen Jubeljahres 2000 vorbereiten, müssen wir miteinander die Vergebung Christi suchen, indem wir vom Heiligen Geist die Gnade der vollen Einheit erflehen. „Die Einheit ist schließlich Gabe des Heiligen Geistes. Von uns wird verlangt, dieser Gabe dadurch zu entsprechen, daß wir Leichtfertigkeiten und Unterlassungen im Zeugnis für die Wahrheit nicht nachsichtig übergehen“ (ebd., Nr. 34, a.a.O., 26). Während wir in diesem ersten Vorbereitungsjahr auf das Jubiläum den Blick auf Jesus Christus, unsere Versöhnung, richten, wollen wir durch Gebet, Zeugnis und Tat alles uns Mögliche tun, um auf dem Weg zu einer größeren Einheit voranzukommen. Das wird sicher auch nicht seinen positiven Einfluß auf die Befriedungsprozesse verfehlen, die in verschiedenen Teilen der Welt im Gange sind. Im Juni 1997 werden die Kirchen Europas in Graz ihre zweite Europäische Ökumenische Versammlung über das Thema „ Versöhnung, Geschenk Gottes und Quelle neuen Lebens“ abhalten. Als Vorbereitung auf diese Begegnung haben die Vorsitzenden der Konferenz der Kirchen Europas und des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen eine gemeinsame Botschaft verbreitet, in der sie um einen erneuerten Einsatz für die Versöhnung, „Geschenk Gottes für uns und für die ganze Schöpfung“, bitten. Sie haben auf einige der vielfältigen Aufgaben hingewiesen, die die kirchlichen Gemeinschaften erwarten: die Suche nach einer noch sichtbareren Einheit und der Einsatz für die Versöhnung der Völker. Das Gebet aller Christen möge die Vorbereitung dieses Treffens in den Ortskirchen unterstützen und konkrete Schritte zur Versöhnung auf dem ganzen europäischen Kontinent fördern, um dadurch den Weg zu ähnlichen Anstrengungen auch auf anderen Kontinenten zu eröffnen. In dem erwähnten Apostolischen Schreiben habe ich den lebhaften Wunsch ausgesprochen, daß die Christen auf diesem Weg in das Jahr 2000 die Bücher der Heiligen Schrift als ständigen Begleiter und Wegweiser haben sollen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 40, a.a.O., Nr. 31). Ein äußerst aktuelles Thema, das auf diesem Pilgerweg Anleitung sein mag, könnte das Thema Vergebung und Versöhnung sein, das in den konkreten Situationen jedes einzelnen und jeder Gemeinschaft bedacht und ins Leben umgesetzt werden sollte. 456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Aufruf an jeden Menschen guten Willens 8. Ich möchte diese Botschaft, die ich anläßlich des bevorstehenden Weltfriedenstages an die Gläubigen und an jeden Menschen guten Willens richte, mit einem Aufruf an jeden einzelnen abschließen, ein Werkzeug des Friedens und der Versöhnung zu werden. An erster Stelle wende ich mich an euch, meine Brüder im Bischofs- und Priesteramt: Seid ein Spiegel der barmherzigen Liebe Gottes, nicht nur in der Gemeinschaft der Kirche, sondern auch im Bereich der weltlichen Gesellschaft, besonders dort, wo nationalistische oder ethnische Kämpfe toben. Laßt trotz möglicher Leiden, die ihr ertragen müßt, nicht eure Herzen vom Haß durchdringen, sondern verkündet freudig das Evangelium Christi, indem ihr durch das Sakrament der Versöhnung die Vergebung Gottes ausspendet. Euch, liebe Eltern, bitte ich als erste Glaubenserzieher eurer Kinder, ihnen zu helfen, alle als Brüder und Schwestern anzusehen und dem Nächsten ohne Vorurteile vertrauensvoll zu begegnen und ihn anzunehmen. Seid für eure Kinder ein Spiegel der Liebe und Vergebung Gottes und bemüht euch mit allen Kräften, eine geeinte und solidarische Familie aufzubauen. Und ihr, liebe Erzieher, die ihr berufen seid, die Jugend die wahren Werte des Lebens zu lehren, indem ihr sie in die ganze komplizierte Geschichte und Kultur der Menschheit einführt, helft den jungen Menschen, auf jeder Ebene die Tugenden der Toleranz, des Verständnisses und der Achtung zu leben, indem ihr ihnen jene als Vorbilder hinstellt, die Baumeister des Friedens und der Versöhnung waren. Ihr, liebe junge Menschen, die ihr im Herzen große Wünsche hegt, lernt, miteinander in Frieden zu leben, ohne untereinander Barrieren aufzurichten, die euch daran hindern, den Reichtum anderer Kulturen und Traditionen zu teilen. Antwortet auf die Gewalt mit Taten des Friedens, um eine versöhnte, von Menschlichkeit erfüllte Welt aufzubauen. Ihr Politiker, die ihr dem Gemeinwohl dienen sollt, schließt niemanden aus eurer Sorge aus, kümmert euch besonders um die schwächsten Gruppen der Gesellschaft. Setzt nicht den persönlichen Vorteil an die erste Stelle, indem ihr der Verlockung der Korruption nachgebt, und vor allem: Begegnet auch den schwierigsten Situationen mit den Waffen des Friedens und der Versöhnung. Euch, die ihr im Bereich der Massenmedien arbeitet, bitte ich, die große Verantwortung wahrzunehmen, die euer Beruf mit sich bringt, und nie Botschaften anzubieten, die den Stempel von Haß, Gewalt und Lüge tragen. Habt immer die Wahrheit und das Wohl des Menschen im Blick, in dessen Dienst die mächtigen Massenmedien gestellt werden müssen. An euch alle, die ihr an Christus glaubt, richte ich schließlich die Einladung, treu auf dem Weg der Vergebung und Versöhnung weiterzugehen und euch im Gebet Christus anzuschließen, auf daß alle eins seien (vgl. Joh 17,21). Ich fordere euch 457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN außerdem auf, dieses unablässige Flehen um Frieden mit Taten der Brüderlichkeit und gegenseitigen Annahme zu begleiten. An jeden Menschen guten Willens, der den Wunsch hat, unermüdlich mitzuwirken am Aufbau der neuen Zivilisation der Liebe, wiederhole ich: Biete die Vergebung an, empfange den Frieden! Aus dem Vatikan am 8. Dezember 1996 Stella Marls Apostolisches Schreiben Motu proprio über das Apostolat des Meeres vom 1. Januar „Stella Maris“, Meeresstem, ist der beliebteste Beiname, mit dem die Seeleute seit jeher diejenige anriefen, deren Schutz und Beistand sie vertrauen: die Jungfrau Maria. Jesus Christus, ihr Sohn, begleitete seine Jünger auf ihren Fischerbooten (vgl. Mt 8,23-27; Mk 4,35-41; Lk %,22-25), stand ihnen in Seenot bei und beruhigte den Sturm (vgl. Mt 14,22-23; Mk 6,47-52; Joh 6,16-21). So begleitet auch die Kirche mit der Seefahrt verbundene Menschen, indem sie sich der besonderen geistlichen Bedürfnisse jener Personen annimmt, die sich aus verschiedenen Gründen auf See aufhalten und arbeiten. Um den Forderungen nach einer eigenen seelsorglichen Betreuung nachzukommen, wie sie die auf Handelsschiffen und in der Seefischerei tätigen Seeleute, ihre Familien, das Hafenpersonal und alle, die eine Seereise unternehmen, brauchen, lege ich - nach entsprechender Anpassung der in früheren Jahren herausgegebenen Normen und nach Einholen der Meinung meines ehrwürdigen Bruders, des Präsidenten des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs - folgendes fest. I Das Apostolat des Meeres I. Auch wenn das Apostolat des Meeres kein unabhängiges, mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattetes Werk ist, stellt es doch die Einrichtung dar, welche die Seelsorge für die mit der Seefahrt verbundenen Menschen verwaltet und den Einsatz der Gläubigen zu unterstützen versucht, die dazu berufen sind, in dieser Umgebung durch ihr christliches Leben Zeugnis zu geben. 458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN II Mit der Seefahrt verbundene Menschen II. § 1. Darunter sind in diesem Dokument folgende Gruppen zu verstehen: a) Schiffsbesatzungen: alle, die sich an Bord von Handelsschiffen befinden, sowie Fischer und alle, die aus irgendeinem Grand eine Schiffsreise unternehmen; b) Seefahrer: 1. die Schiffsbesatzungen; 2. alle, die sich aus beruflichen Gründen gewöhnlich auf Schiffen aufhalten; 3. alle, die auf den zur Erdölgewinnung im Meer errichteten Bohrinseln arbeiten; 4. Rentner aus seefahrenden Berufen; 5. die Studenten der Fachhochschulen für Schiffahrtskunde (Nautiker, Ingenieure, Elektroniker) und die Schüler der Seemannsschulen; 6. das Hafenpersonal; c) mit der Seefahrt verbundene Menschen: 1. die Schiffsbesatzungen und alle Seefahrer; 2. die Ehefrauen, die minderjährigen Kinder und alle Personen, die in den Seemannsheimen wohnen, auch wenn diese nicht mehr zur See fahren (z. B. weil sie pensioniert sind); 3. die ständigen Mitarbeiter des Apostolates des Meeres. § 2. Die Seemannspastoren und die verantwortliche Leitung des Apostolates des Meeres sollen bemüht sein, den Seeleuten ausreichende Möglichkeiten zu bieten, ein frommes Leben zu führen. Sie sollen die Aufgaben, die alle Gläubigen -besonders die Laien - je nach Stellung und Beruf in der Kirche und in der seefahrenden Welt erfüllen, anerkennen und fordern. III. Angesichts der ungewöhnlichen Umstände, unter denen sich das Leben der Seeleute abspielt, und unter Berücksichtigung der Privilegien, die der Apostolische Stuhl diesen Gläubigen bereits zugestanden hat, wird folgendes verfügt: 1. Die Seeleute dürfen das österliche Gebot zum Empfang der hl. Kommunion während des ganzen Jahres erfüllen, wenn sie zuvor eine entsprechende Predigt oder Katechese über eben dieses Gebot gehört haben. 2. Das Gesetz der Abstinenz und des Fastens in CIC can. 1251 ist für die Seeleute nicht verpflichtend; es wird ihnen jedoch, wenn sie von dieser Befreiung Gebrauch machen, empfohlen, anstatt des Gesetzes der Abstinenz ein entsprechendes Werk der Barmherzigkeit zu vollbringen und, soweit möglich, jene beiden Vorschriften zumindest am Karfreitag zum Gedächtnis an das Leiden und Sterben Jesu Christi zu befolgen. 3. Den vollkommenen Ablaß können die Seeleute, sofern sie gebeichtet und die hl. Kommunion empfangen haben, am Fest des Titelheiligen der Kapelle und auch am 2. August erlangen, wenn sie in frommer Haltung die auf dem Schiff eingerichtete Kapelle aufsuchen und dort mit Andacht das Gebet des Herrn und das Glaubensbekenntnis (Vater unser und Credo) gesprochen und nach Meinung des Heiligen Vaters gebetet haben. 459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Unter denselben Bedingungen können die Gläubigen am 2. November einen vollkommenen Ablaß erlangen, der nur Verstorbenen zuzuwenden ist, wenn sie in frommer Haltung die oben erwähnte Kapelle aufsuchen und dort mit Andacht das Gebet des Herrn und das Glaubensbekenntnis gesprochen und nach Meinung des Heiligen Vaters gebetet haben. 5. Jene Ablässe, von denen in Nr. 3 und 4 die Rede war, können die Seeleute bei Erfüllung derselben Bedingungen in den Kapellen der Einrichtungen des Apostolates des Meeres erlangen. An Bord der Schiffe aber, wo keine Kapelle vorhanden ist, können die Seeleute diese Ablässe erlangen, wenn sie dieselben Gebete vor einem heiligen Bild sprechen. III Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres IV. § 1. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres ist ein gemäß Art. XII, § 2,2 ernannter Priester, dem dieselbe kirchliche Autorität, die ihn einsetzt, im Sinne von CIC can. 564 auch die Aufgabe überträgt, die Seelsorge für die mit der Seefahrt verbundenen Menschen wahrzunehmen. Soweit möglich, ist es zweckmäßig, ihn auf Dauer mit diesem Dienst zu betrauen. § 2. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres muß sich durch Unbescholtenheit und apostolischen Eifer, durch Klugheit und Kenntnis der seefahrenden Welt auszeichnen. Es ist von Vorteil, wenn er mehrere Sprachen beherrscht und sich guter Gesundheit erfreut. § 3. Damit der Seemannspastor des Apostolates des Meeres in jeder Hinsicht fähig und in der Lage ist, seinen besonderen Dienst zu erfüllen, muß er, bevor ihm diese spezifische pastorale Aufgabe übertragen wird, in geeigneter Weise eingeführt und sorgfältig ausgebildet werden. § 4. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres muß unter den Menschen, die ständig oder vorübergehend zur See fahren, diejenigen ermitteln, die Führungsqualitäten erkennen lassen, und ihnen zugleich helfen, ihren Glauben und ihre Verpflichtung gegenüber Christus zu vertiefen, damit sie so etwas wie eine christliche Gemeinde an Bord aufbauen können. § 5. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres muß jene Seeleute ermitteln, die eine besondere Liebe zum Allerheiligsten erkennen lassen, und muß sie schulen, damit sie von der zuständigen kirchlichen Autorität zu außerordentlichen Dienern der Eucharistie ernannt werden und auf würdige Weise diesen Dienst vor allem an Bord ihrer Schiffe vollbringen können. § 6. Seelsorglichen Beistand leistet der Seemannspastor des Apostolates des Meeres in den Zentren mit dem Namen „Stella maris“ und an anderen Plätzen, wo Seeleute Aufnahme finden. 460 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN V. § 1. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres kann kraft Amtes unter den mit der Seefahrt verbundenen Menschen alle Handlungen mit seelsorglichem Bezug durchführen, ausgenommen Trauungen. § 2. Die Befugnisse des Seemannspastors des Apostolates des Meeres decken sich vollkommen mit den Vollmachten des Pfarrers des Ortes, wo sie ausgeübt werden. Deshalb muß der Seemannspastor, der seinen Seelsorgsdienst ausübt, die brüderliche Verbindung mit dem jeweiligen Ortspfarrer wahren und Gedankenaustausch mit ihm pflegen. § 3. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres muß sorgfältig die Getauften, die Gefilmten und die Toten in die dafür vorgesehenen Bücher eintragen. Am Ende des Jahres muß er an den Nationaldirektor (siehe Art. IX § 2) einen Bericht über die vollzogenen pastoralen Handlungen zusammen mit einer beglaubigten Abschrift der Bücher senden, es sei denn, diese Handlungen sind bereits in die Bücher der Pfarrei des Hafens eingetragen worden. VI. Alle Seemannspastoren des Apostolates des Meeres haben kraft Amtes folgende Befugnisse: a) Feier der Eucharistie an Werktagen, wenn ein berechtigter Grund besteht, zweimal und an Sonn und Feiertagen, wenn ein echtes pastorales Bedürfnis besteht, dreimal; b) Feier der Eucharistie für gewöhnlich außerhalb eines geheiligten Ortes, sofern ein berechtigter Grund dafür besteht und alle Vorschriften gemäß CIC can. 932 eingehalten werden; c) am Gründonnerstag, wenn das pastorale Bedürfnis dafür besteht, Feier einer zweiten hl. Messe zum Gedächtnis an das Letzte Abendmahl des Herrn am Abend in den Kirchen und Kapellen und, wenn es wirklich notwendig ist, auch in den Morgenstunden für jene Gläubigen, die an der Abendmesse nicht teilnehmen können. VII. § 1. Der Seemannspastor des Apostolates des Meeres, der von der zuständigen Autorität dazu bestimmt wurde, seinen Dienst während Reisen an Bord eines Schiffes zu erfüllen, muß allen Reisenden vom Anfang bis zum Ende der Reise, sei es auf dem Meer, auf einem See oder auf einem Fluß, seelsorgliche Hilfe leisten. § 2. Unter Beibehaltung der Vorschrift von CIC can. 566 erhält der Seemannspastor, von dem im vorigen Paragraphen die Rede ist, die Sonderbefügnis, während der Dauer der Reise jedem Gläubigen das Sakrament der Firmung zu spenden, wenn sich an Bord kein mit dem Apostolischen Stuhl regulär verbundener Bischof befindet und stets alle kirchenrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. § 3. Um aber während der Reise eine gültige und erlaubte Trauung vornehmen zu können, muß der Seemannspastor des Apostolates des Meeres die Vollmacht vom Ortsordinarius oder vom Pfarrer der Pfarrei erhalten, in der einer der beiden künftigen Ehepartner den Wohnsitz oder Quasi-Wohnsitz hat oder sich wenigstens 461 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einen Monat lang aufgehalten hat, oder, wenn es sich um nicht seßhafte Personen handelt, vom Pfarrer der Pfarrei des Hafens, wo sie an Bord gegangen sind. Der Seemannspastor ist verpflichtet, dem die Vollmacht erteilenden Bischof oder Pfarrer die Daten der vorgenommenen Trauung zu übermitteln, die in das Trauungsregister eingetragen werden müssen. VIII. § 1. Dieselbe zuständige Autorität, die die Seemannspastoren ernennt, kann einem Diakon oder einem Laien oder auch einem Ordensmann die Aufgabe der Mitarbeit beim Apostolat des Meeres übertragen. Besagter Mitarbeiter hilft dem Seemannspastor und vertritt ihn laut Recht bei den Handlungen, die nicht ausschließlich dem Amtspriester Vorbehalten sind. § 2. Die Mitarbeiter des Apostolates des Meeres müssen sich durch Unbescholtenheit, Klugheit und Kenntnis des Glaubens auszeichnen. Sie müssen, bevor ihnen diese Aufgabe anvertraut wird, in geeigneter Weise eingeführt und sorgfältig vorbereitet werden. IV Die Leitung des Apostolates des Meeres IX. § 1. In jeder Bischofskonferenz, zu deren Territorium auch Seegebiete gehören, muß es einen Bischof geben, der mit der Aufgabe der Förderung des Apostolates des Meeres betraut ist. Die Bischofskonferenz selbst soll diesen Bischof am besten aus der Reihe der Bischöfe jener Diözesen ernennen, die über Seehäfen verfügen; sie soll weiters die Dauer seines Auftrages festlegen und den Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs darüber informieren. § 2. Der für diese Aufgabe vorgesehene Bischof wird einen geeigneten Priester auswählen und ihn der Bischofskonferenz vorstellen, damit diese ihn durch schriftlichen Bescheid für einen bestimmten Zeitraum zum Nationaldirektor des Apostolates des Meeres ernenne, dessen Aufgaben unten in Art. XI genauer definiert sind; seine Ernennung und die vorgesehene Amtsdauer sind dem Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs mitzuteilen. Dem Nationaldirektor kann auch ein apostolischer Helfer zur Seite stehen. X. Der für diese Sendung bestimmte Bischof hat folgende Aufgaben: 1) Er soll dem Nationaldirektor Weisungen erteilen, seine Tätigkeit aufmerksam verfolgen und ihm geeignete Ratschläge geben, damit dieser die ihm erteilten Aufträge angemessen erfüllen kann; 2) er muß zu festgesetzten Zeiten und jedesmal, wenn es zweckmäßig erscheint, einen Bericht über die Seelsorge an den Seeleuten und über die vom Nationaldirektor geleistete Arbeit anfordem; 462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3) er muß den in Nr. 2 erwähnten Bericht zusammen mit seinem eigenen Urteil der Bischofskonferenz zuleiten und unter den anderen Bischöfen größere Aufgeschlossenheit für diesen besonderen pastoralen Dienst wecken; 4) er muß in allen Angelegenheiten, die das Apostolat des Meeres betreffen, Kontakt mit dem Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs halten und die erhaltenen Mitteilungen an den Nationaldirektor weiterleiten; 5) er muß dem Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs jährlich einen Bericht über die Lage des Apostolates des Meeres in seiner Nation vorlegen. XI. Die Hauptaufgaben des Nationaldirektors sind folgende: 1) Er muß in allen Angelegenheiten, die das geistliche Wohl der mit der Seefahrt verbundenen Menschen betreffen, enge Beziehungen zu den Bischöfen der eigenen Nation unterhalten; 2) er muß wenigstens einmal im Jahr einen Bericht über die geistlich-seelische Verfassung der Seeleute der eigenen Nation und über den Seelsorgsdienst unter ihnen erstellen und dem zuständigen Bischof zuleiten; in diesem Bericht muß er sowohl die Tätigkeiten darlegen, die einen positiven Verlauf genommen haben, als auch jene erwähnen, die vielleicht weniger gut gelungen sind, ferner die zur Vorbeugung bzw. Behebung von Schäden angewandten Mittel und schließlich alles, was für die Förderung des Apostolates des Meeres wirksam zu sein scheint; 3) er muß die angemessene Sonderausbildung, die die Seemannspastoren erhalten sollen, fördern; 4) er muß die Seemannspastoren des Apostolates des Meeres leiten, ohne das Recht des Orts Ordinarius anzutasten; 5) er muß dafür sorgen, daß die Seemannspastoren fleißig ihre Aufgaben erfüllen und die Vorschriften des Hl. Stuhls und des Ortsordinarius einhalten; 6) er muß mit Zustimmung des zuständigen Bischofs und je nach den zulässigen zeitlichen Umständen Zusammenkünfte und Exerzitien für die Seemanspastoren der ganzen Nation oder für die Seemannspastoren und andere Gläubige, die im Apostolat des Meeres mitarbeiten, einberufen; 7) er muß mit besonderem Eifer das Laienapostolat anregen und entwickeln, indem er die aktive Beteiligung der Laien fördert, dabei aber der Vielfalt ihrer geistigen Haltungen Rechnung trägt; 8) er muß sowohl zu den katholischen wie zu den nichtkatholischen Vereinigungen und Hilfswerken und zu den Nicht-Regierungsorganisationen (ONG), die sich auch um die Befolgung der Zielsetzungen des Apostolates des Meeres bemühen, geregelte Beziehungen hersteilen und pflegen; 9) er muß häufig die Orte (z. B. Seemannsheime) aufsuchen, wo sich die Aktivitäten des Apostolates des Meeres abspielen; 463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 10) er muß der zuständigen bischöflichen Kurie eine beglaubigte Abschrift der von ihm selbst oder von den Seemannspastoren erstellten Tauf-, Firmungs- und Totenbücher zukommen lassen; 11) er muß den Pfarrer des Wohnsitzes der betroffenen Personen möglichst bald über die Daten informieren, die in die Pfarrbücher eingetragen werden müssen; 12) er muß Beziehungen zum Apostolat des Meeres in den Nachbarländern her-stellen und das eigene Land auf regionaler bzw. kontinentaler Ebene vertreten; 13) er muß regelmäßig Kontakt zum Koordinator der ganzen Region unterhalten, von dem unten in Art. XIII, § 1,6 noch die Rede sein wird. XII. § 1. Der Diözesanbischof hat das Recht und die Pflicht, allen Seeleuten, die sich, wenn auch nur für begrenzte Zeit, in seinem Jurisdiktionsbereich aufhalten, mit pastoralem Engagement seelsorglichen Beistand anzubieten. § 2. Dem Diözesanbischof obliegt es: 1) die geeignetsten Formen für die Seelsorge an den mit der Seefahrt verbundenen Menschen festzulegen; 2) im Einverständnis mit dem Nationaldirektor die Seemannspastoren des Apostolates des Meeres in seiner Diözese zu ernennen und ihnen den gebotenen Auftrag zu erteilen; 3) die Genehmigung für die Errichtung einer Kapelle an Bord eines Schiffes zu erteilen, die in das öffentliche Register eines in seinem Jurisdiktionsbereich gelegenen Hafens einzutragen ist. XIII. § 1. Der Päpstliche Rat der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs, dem die oberste Leitung des Apostolates des Meeres obliegt, hat die besondere Vollmacht: 1) Instruktionen im Sinne von CIC can. 34 herauszugeben und Ermunterungen und Ermahnungen zu erlassen, die sich auf die Seelsorge für die mit der Seefahrt verbundenen Menschen beziehen; 2) mit gebührender Klugheit darüber zu wachen, daß besagter Dienst gemäß den Rechtsnormen und auf würdige und fruchtbare Weise erfüllt wird; 3) die besonderen Funktionen des Apostolischen Stuhls bezüglich Vereinigungen gegenüber anderen Vereinigungen wahrzunehmen, die im Bereich des Apostolates des Meeres bestehen können; 4) allen, die in diesem apostolischen Werk tätig sind, seine Hilfe und Zusammenarbeit anzubieten, indem er sie ermutigt und bestärkt und eventuelle Mißbräuche beseitigt; 5) im Bereich der Seefahrt einen ökumenischen Geist zu fördern und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß sich dieses ökumenische Interesse in getreuem Einklang mit der Lehre und Disziplin der Kirche entfalte; 6) auf Vorschlag der für das Apostolat des Meeres zuständigen Bischöfe für eine mehrere Bischofskonferenzen umfassende Region einen Koordinator zu ernennen und seine Funktion genau zu definieren. 464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN § 2. Um eine wirksamere und besser organisierte Seelsorge an den mit der Seefahrt verbundenen Menschen zu erreichen, muß der Päpstliche Rat der Seelsorge für die Migranten und die Menschen unterwegs die Zusammenarbeit und die gegenseitige Abstimmung über die Initiativen mit den Bischofskonferenzen und mit den jeweiligen Ortsordinarien fördern und entwickeln. Ebenso wird dieses Di-kasterium des Apostolischen Stuhls ständige Beziehungen zu den Instituten des geweihten Lebens sowie zu den Vereinigungen und Werken herstellen, die auf internationaler Ebene dem Apostolat des Meeres behilflich sein können. Alles, was von mir in diesem „Motu proprio“ bestimmt wird, soll unter Aufhebung aller entgegenstehenden Bestimmungen dauernde Geltung haben. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 1. Januar 1997, im neunzehnten Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP II Maria - die Mutter des Herrn ist die Mutter aller Christen Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria und Weltfriedenstag, 1. Januar 1. „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben“ (Lk 1,31). Jesus bedeutet: „Gott, der rettet.“ Jesus, der von Gott selbst gegebene Name, will sagen, „in keinem anderen ist das Heil zu finden“ (Apg 4,12) als in Jesus von Nazaret, geboren von der Jungfrau Maria. In ihm ist Gott Mensch geworden, und so kam er jedem Menschen entgegen. „Viele Male ... hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1,1). Dieser Sohn ist das ewige Wort, eines Wesens mit dem Vater, Mensch geworden, um uns den Vater zu offenbaren und um uns das Verständnis der ganzen Wahrheit über uns möglich zu machen. Er hat mit Menschenworten und auch durch seine Werke und sein Leben zu uns gesprochen, von seiner Geburt bis zu seinem Kreuzestod und bis zu seiner Auferstehung. Das alles ruft von Anfang an Staunen hervor. Schon die Hirten, die nach Betlehem kamen, wunderten sich über das, was sie gesehen hatten, und die anderen waren sprachlos über das, was sie ihnen über den Neugeborenen erzählten (vgl. Lk 2,18). Von der Vorahnung des Glaubens geführt, erkannten sie in dem in der Krippe liegenden Kind den Messias, und die Geburt des Sohnes Gottes in der Armut von Betlehem drängte sie, mit Freude die Ehre des Höchsten auszurufen. 2. Der Name Jesus gehörte von Anfang an dem, der am achten Tag nach seiner Geburt so genannt wurde. In gewissem Sinn trug er schon, als er auf die Welt kam, diesen Namen, der in wunderbarer Weise das Wesen und die Sendung des menschgewordenen Wortes ausdrückt. 465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er ist in die Welt gekommen, um die Menschheit zu retten. Als ihm dann dieser Name gegeben wurde, ist zugleich offenbar geworden, wer er war und welches seine Sendung sein würde. Viele in Israel hatten diesen Namen, aber Er trug ihn in einer einzigartigen Weise. Er verwirklichte voll und ganz seine Bedeutung: Jesus von Nazaret, Retter der Welt. 3. Der hl. Paulus schreibt, wie wir in der zweiten Lesung gehört haben: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, ... damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Der Name Jesu ist von Anfang an mit der Zeit verknüpft. Dieser Name begleitet ihn in seinem irdischen, in die Zeit eingebundenen Leben, ohne daß er jedoch der Zeit unterworfen ist, denn in Ihm ist ja die Fülle der Zeit. Selbst in die menschliche Zeit hat Gott die Fülle gebracht, als er mit ihr in die Geschichte des Menschen eintrat. Er ist nicht wie ein abstrakter Gedanke gekommen. Er kam als Vater, der das Leben -ein neues Leben, das göttliche Leben - denen gibt, die er als Kinder angenommen hat. Durch Jesus Christus können wir alle am göttlichen Leben Anteil haben: als seine Kinder in seinem Sohn, zur ewigen Herrlichkeit bestimmt. Der hl. Paulus geht noch tiefer auf diese Wahrheit ein: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!“ (Gal 4,6). Bei uns Menschen hat die Gotteskindschaft ihren Ursprung von Christus her, und sie verwirklicht sich durch den Heiligen Geist. Der Geist kommt, um uns darüber zu belehren, daß wir Kinder Gottes sind, und zugleich, um diese Gotteskindschaft in uns zu bewirken. Der Gottessohn selbst aber ist es, der mit seinem ganzen Sein zu Gott sagt: „Abba, Vater!“ Hier rühren wir an den Gipfelpunkt im Geheimnis unseres christlichen Lebens. Der Name „Christ“ bezeichnet wirklich eine neue Seinsweise: Dasein in Ähnlichkeit mit dem Sohne Gottes. Als „Söhne im Sohn“ haben wir Anteil am Heil, das nicht nur Befreiung vom Übel, sondern vor allem Fülle des Guten ist, jenes höchsten Guten: der Gotteskindschaft. Und es ist der Geist Gottes, der das Antlitz der Erde erneuert (vgl. Ps 103/104,30). Am ersten Tag des neuen Jahres lädt die Kirche uns ein, uns dessen immer tiefer bewußt zu werden. Sie fordert uns auf, die menschliche Zeit in diesem Licht zu betrachten. 4. Die Liturgie begeht heute das Hochfest der Gottesmutter Maria. Maria ist jene, die erwählt wurde, Mutter des Erlösers zu sein und aufs engste an seiner Sendung Anteil zu haben. Im Licht der Weihnacht leuchtet das Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft auf. Maria, die Mutter Jesu, der in der Grotte von Betlehem geboren wird, ist auch Mutter jedes Menschen, der auf die Welt kommt. Wie sollten wir ihr nicht das beginnende Jahr anvertrauen und inständig bitten, es möge eine Zeit ungetrübten Friedens für die ganze Menschheit werden! An dem Tag, an dem sich dieses neue Jahr unter dem segnenden Blick der Gottesmutter Maria öffnet, flehen wir für jeden und für alle um das Geschenk des Friedens. 466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Der erste Januar wird nun schon seit einer Reihe von Jahren auf die Initiative meines verehrten Vorgängers Papst Paul VI. hin als Welttag des Friedens begangen. Auch dieses Jahr sind wir hier in der Vatikanischen Basilika, um das Geschenk des Friedens für die Nationen der ganzen Welt zu erflehen. Bedeutungsvoll ist in dieser Hinsicht die Anwesenheit der verehrten Herren Botschafter beim Hl. Stuhl, die ich achtungsvoll begrüße. Herzlich begrüße ich auch den Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Roger Kardinal Etchegaray, und alle seine Mitarbeiter, und ich danke ihnen für ihren wertvollen Beitrag zur Verbreitung der Friedensbotschaft, die zu wiederholen die Kirche nicht müde wird. Dieses Jahr lautet das Thema der Botschaft zu diesem Tag: „Biete die Vergebung an, empfange den Frieden.“ Wie notwendig ist die Vergebung, um im Herzen eines jeden Gläubigen und jedes Menschen guten Willens den Frieden zum Aufblühen zu bringen! Friede und Vergebung sind wie ein untrennbarer Doppelbegriff. Jeder Mensch guten Willens, der unermüdlich am Aufbau der Zivilisation der Liebe arbeiten will, muß sich diese Aufforderung zu eigen machen: Biete die Vergebung an, empfange den Frieden. 6. Die Kirche betet und wirkt für den Frieden in jeder Dimension: für den Frieden des Gewissens, für den Frieden in den Familien, für den Frieden unter den Nationen. Sie setzt sich für den Frieden in der Welt ein, weil sie sich bewußt ist, daß die große Gemeinschaft der Menschen sich nur im Frieden wirklich entwickeln kann. Wir gehen dem Ende dieses Jahrhunderts entgegen, in dem die Welt, und besonders Europa, nicht wenige Kriege und Leiden durchgemacht hat. Wie möchten wir wünschen, daß die Schwelle des Jahres 2000 von allen Menschen unter dem Zeichen des Friedens überschritten werden könne! Im Gedanken an die Menschheit, an die der Ruf ergeht, ein weiteres Gnadenjahr zu leben, wollen wir darum mit Mose die Worte des Alten Bundes wiederholen: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ {Num 6,24-26). Im übrigen wiederholen wir voll Glauben und Hoffnung die Worte des Apostels: „Christus ist unser Friede!“ (vgl. Eph 2,14)! Vertrauen wir auf die Hilfe des Herrn und den mütterlichen Schutz Marias, der Königin des Friedens! Diese unsere Hoffnung stützen wir auf Jesus, den Namen des Heils, der den Menschen jeder Sprache und Rasse geschenkt ist. Seinen Namen bekennend, gehen wir voll Vertrauen der Zukunft entgegen. Wir sind sicher, daß wir nicht enttäuscht werden, wenn wir auf den heiligsten Namen Jesus vertrauen. In te, Domine, speravi, non confundar in aetemum. Amen. 467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischöfe sind Verkünder des Lichtes, das ihren Weg erhellt Predigt während der Bischofsweihe am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1.,Auf, werde licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ (vgl. Jes 60,1). So lauten an diesem Tag, dem Hochfest Epiphanie, die Worte des Propheten. Dieser alte, beeindruckende Spruch des Jesaja verkündet gewissermaßen im voraus das Licht, das in der Weihnacht über der Grotte von Betlehem leuchtete, und nimmt den Gesang der Engel vorweg: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). Mit dem Hinweis auf das Licht weist der Prophet in gewissem Sinn auf Christus hin. Wie es den Hirten auf ihrer Suche nach dem neugeborenen Messias geleuchtet hat, so leuchtet dieses Licht heute auf dem Weg der Sterndeuter, die aus dem Osten kamen, um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen. Die Sterndeuter vertreten die Völker der ganzen Erde, die sich im Licht der Geburt des Herrn auf den Weg machen, der zu Jesus fuhrt. Sie sind gewissermaßen die ersten Empfänger jenes Heiles, das mit der Geburt des Erlösers begann und im österlichen Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung vollendet wurde. In Betlehem angekommen, huldigen die Sterndeuter dem göttlichen Kind und bieten symbolische Gaben dar. Sie werden zu Vorläufern der Völker und Nationen, die im Lauf der Jahrhunderte nicht aufhören, Christus zu suchen und zu finden. 2. In der zweiten Lesung, die dem Brief an die Epheser entnommen ist, kommentiert der Apostel mit tiefem Staunen das am heutigen Hochfest gefeierte Geheimnis: „Ihr habt gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch verliehen hat. Durch eine Offenbarung wurde mir das Geheimnis Christi mitgeteilt... Den Menschen früherer Generationen war es nicht bekannt; jetzt aber ist es seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden: daß nämlich die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und an derselben Verheißung teilhaben durch das Evangelium“ (vgl. Eph 3,2-3.5-6). Als Sohn des auserwählten Volkes, von Christus bekehrt, ist Paulus nach den anderen Aposteln der göttlichen Offenbarung teilhaftig geworden, um sie an die Völker der ganzen Welt weiterzugeben. Infolge dieser großen Wende in seinem Leben begreift er, daß die Auserwählung sich auf alle Völker erstreckt und daß alle Menschen zum Heil berufen sind, da sie „an der Verheißung teilhaben durch das Evangelium“ (vgl. Eph 3,6). Ja, das Licht Christi und die universale Berufung zum Heil sind für die Völker der ganzen Erde bestimmt. „Diese Eigenschaft der Weltweite, die das Gottesvolk auszeichnet, ist Gabe des Herrn selbst. In ihr strebt die katholische Kirche mit Tatkraft und Stetigkeit danach, die ganze Menschheit mit all ihren Gütern unter dem einen Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes“ (Lumen Gentium,Nr. 13). 468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. So begreifen wir den vollen Sinn der Epiphanie. Paulus hat sie so dargestellt, wie er selbst sie verstanden und in die Tat umgesetzt hat. Es ist die Aufgabe des Apostels, das Evangelium in der Welt zu verbreiten, den Menschen die von Christus vollbrachte Erlösung zu verkündigen und die ganze Menschheit auf den Weg des Heils zu fuhren. Die Missionstätigkeit der Kirche mit ihren vielfältigen Wegstrecken durch die Jahrhunderte hin nimmt am Fest Epiphanie ihren Anfang und hat von daher ihren universalen Atem. Gerade um diese Universalität der Mission der Kirche hervorzuheben, hat sich mm schon seit einigen Jahren der Brauch herausgebildet, daß der Bischof von Rom am Fest Epiphanie einigen Priestern aus verschiedenen Völkern zum bischöflichen Dienst die Hände auflegt und den Heiligen Geist anruft. Heute habe ich die Freude, zwölf Mitbrüdem die Fülle des Priestertums zu übertragen. Bei der Bischofsweihe wird ihnen das Evangelienbuch aufs Haupt gelegt, um hervorzuheben, daß ihre grundlegende Sendung darin besteht, die Frohe Botschaft zu übermitteln, eine Sendung, reich an Freude und zugleich an Mühe für die, die bestrebt sind, ihr verantwortungsbewußt und treu zu entsprechen. Wir wollen miteinander beten, damit das Licht, das den Sterndeutern auf ihrem Weg nach Betlehem leuchtete, auch diese neu zum Bischofsamt Erwählten begleite. 4. Liebe, von Gott zum bischöflichen Dienst erwählte Brüder, ich wünsche jedem von euch den Reichtum und die Fülle der Epiphanie Christi. Ich wünsche sie dir, Msgr. Luigi Pezzuto, der du Päpstlicher Vertreter im Kongo und in Gabun sein wirst, im Herzen des mir so lieben afrikanischen Kontinents. Ich bete für dich, Msgr. Paolo Sardi, der du, zum Apostolischen Nuntius mit Sonderaufträgen ernannt, weiterhin in meiner Nähe im Staatssekretariat arbeiten wirst. Ich danke dir für den bisher geleisteten Dienst und habe den Wunsch, du mögest ihn ebenso, mit gleichem Eifer, weiterführen. Ich grüße dich, Msgr. Varkey Vithayathil, dem die äußerst wichtige Aufgabe anvertraut ist, das Großerzbistum Emakulam Angamaly der Syro-Malabaren im indischen Staat Kerala zu verwalten. Die Epiphanie Christi möge in Fülle leuchten für dich, Msgr. Delio Lucarelli, Hirte der Diözese Rieti, für dich, Msgr. Ignace Sambar Talkena, Bischof von Kara in Togo, und für dich, Msgr. Luciano Pacomio, Hirte der Diözese Mondovi. Das Licht des Heiligen Geistes leite dich, Msgr. Angelo Massafra, erster Bischof von Rreshen und Apostolischer Administrator von Lezhe in Albanien, und dich, Msgr. Florentin Crihal-meanu, zur Mitarbeit als Weihbischof in deiner Diözese Cluj-Gherla in Rumänien berufen. Der Herr stehe dir bei, Msgr. Jean-Claude Perisset, in der Aufgabe als Beigeordneter Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, und dir, lieber Msgr. Piotr Libera, der du als Weihbischof meinem Mitbruder, dem Erzbischof von Katowice, zur Seite stehen wirst. Der Heilige Geist und seine Gnade begleiten dich, Msgr. Basilio do Nascimento, der du zu den Gläubigen der neuen Diözese Baucau in Osttimor gesandt bist, und dich, Msgr. Hil Kabashi, den die Vorsehung nach Südalbanien sendet. 469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Liebe und ehrwürdige Brüder, in diesem Augenblick möchte ich mir vorstellen, daß ihr mit den Sterndeutern den Friedenskönig anbetet, den Erlöser der Welt, und daß das Jesuskind seine Hand erhebt, geführt von der Hand seiner heiligen Mutter, um jeden von euch zu segnen. Er ist das Lamm Gottes, der Hirt der Hirten, der euch aufträgt, in diesen Vorbereitungsjahren auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend seine Liebe weiterzugeben und auszubreiten in dem wunderbaren Leib der Kirche und in jedem Teil der Welt. Von seiner Hilfe gestärkt, geht ohne Zögern; seid treue und mutige Apostel Christi, verkündet und bezeugt das Evangelium, das Licht, das alle Völker erleuchtet. Fürchtet euch nicht! Christus ist bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt (vgl. Mt 28,20). „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Amen. Gemeinsam Europa gestalten: Traditionen bewahren — neue Ansätze wagen Ansprache an den neuen Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl, Dr. Gustav Ortner, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens am 9. Januar Sehr geehrter Herr Botschafter! 1. Mit besonderer Freude empfange ich Sie heute im Vatikan zu Ihrem Amtsantritt als neuer außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl. Wie schon Ihre geschätzten Vorgänger heiße ich auch Sie herzlich willkommen und beglückwünsche Sie zu Ihrer neuen ehrenvollen Aufgabe. 2. In Ihrem Grußwort, für das ich Ihnen aufrichtig danke, haben Sie auf die über tausendjährige Geschichte hingewiesen, in der Österreich und die katholische Kirche ein enges Beziehungsnetz zueinander knüpfen konnten. Vor 1000 Jahren wurde der Name „Ostarrichi“ - „Österreich“ - zum ersten Mal urkundlich bezeugt. Bereits 300 Jahre vorher - es war im Jahr 696 - tauchte der Name „Rupert von Worms“ auf, der als Gründerheiliger Salzburgs, der Erzabtei St. Peter sowie des Bistums gilt. Wenn das auf 1. November 996 datierte Diplom Ottos III. (983 bis 1002), in dem ein Ort im westlichen Niederösterreich als „in Ostarrichi liegend“ bezeichnet wird, Anlaß ist, ein Millennium zu feiern, dann sollte man allerdings nicht nur in die Vergangenheit zurückblicken, sondern auf Spurensuche gehen, um einen sinnvollen Weg in die Zukunft zu finden. Während Österreich sich dankbar seiner mehr als tausendjährigen Geschichte erinnert, schaut es zusammen mit der Kirche gleichzeitig über das zweite Jahrtausend christlicher Zeitrechnung hinaus. So ist das vor 1000 Jahren beschriebene Pergament weder Taufschein noch Geburtsurkunde Österreichs, es ist vielmehr Gabe einer reichen Vergangenheit und zugleich Aufgabe, sich der Zukunft zu stellen. 470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In meiner Enzyklika Redemptoris missio habe ich von den „modernen Areopagen“ gesprochen (vgl. Nr. 37). Nachdem Paulus an zahlreichen Orten gepredigt hatte, kam er nach Athen und ging auf den Areopag, das Kulturzentrum der Metropole. Dort verkündete er das Evangelium in einer Sprache, die für diese Umgebung geeignet und verständlich war (vgl. Apg 17, 22-31). Vor mehr als 1000 Jahren war Salzburg ein solcher Areopag mit großer Strahlkraft: Weite Teile des deutschen Sprachraumes wurden von Salzburg aus missioniert. Gerade an der Schwelle zum dritten Jahrtausend ist Österreich wieder in besonderer Weise Areopag: Vor einigen Jahren noch Trennungslinie zweier Welten mit dem Donaustrom, der Westen und Osten wenigstens geographisch verband, ist Österreich heute als Staat in der Mitte Europas Brückenkopf und Umschlageplatz vieler Ideen - ein Areopag des „europäischen Hauses“. Auf diesem Areopag gilt es, wie damals in Athen der hl. Paulus und später in Salzburg der hl. Rupert, dem Evangelium Gehör zu verschaffen. 3. Sie haben, sehr geehrter Herr Botschafter, selbst schon einige Areopage genannt, auf denen die Frohe Botschaft zu Wort kommen und von Österreich und dem Hl. Stuhl gemeinsam zur Sprache gebracht werden soll. Ich denke an die internationale Friedenssicherung und das gemeinsame Ringen um Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich unter den Völkern. Ich erinnere an das Bemühen Österreichs, als Mitglied der Europäischen Union eine Kirchensicherungsklausel im Unionsvertrag verankern zu lassen, die die verfassungsrechtliche Stellung der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedsstaaten achtet. Zwei Areopage liegen mir besonders am Herzen: zum einen der Areopag Europa. Auf diesem Areopag darf es nicht nur darum gehen, die Stimme für wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten zu erheben. Die Geschichte Europas mit seinen christlichen Wurzeln legt immer noch den stärkeren Akzent auf das „mehr sein“ als auf das „mehr haben“. Nicht nur materielle Güter zählen, sondern spirituelle Werte, die Sinn stiften. Wer das „Haus Europas“ auf solidem Grund bauen will, darf deshalb nicht nur auf die materielle Infrastruktur setzen, sondern muß die geistige und religiöse Infrastruktur pflegen: „Unsere Zeit hat zugleich etwas Dramatisches und Faszinierendes an sich. Während die Menschen einerseits dem materiellen Erfolg nachzulaufen und sich immer mehr im konsumistischen Materialismus einzutauchen scheinen, zeigt sich auf der anderen Seite die ängstliche Suche nach Sinn“, die sogenannte „Rückkehr zur Religion“ (Redemptoris missio, Nr. 38). Der Sinn des Lebens sollte den Menschen nicht vorenthalten bleiben. Zwar sind Staat und Kirche zwei verschiedene Größen, doch sitzen sie heute nicht selten im gleichen Boot: Denn „die Menschen fühlen sich wie Seeleute auf der stürmischen See des Lebens, aufgerufen zu immer größerer Einheit und Solidarität. Lösungen für die existentiellen Probleme können nur unter Mitwirkung aller studiert, diskutiert und experimentiert werden“ (ebd., Nr. 37). Ein weiterer Areopag unserer Zeit ist die Welt der Kommunikation und ihre Verantwortung. Das Verschwinden des Eisernen Vorhangs stellte die Macht und den 471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einfluß der Medien drastisch vor Augen. In jenen aufregenden Stunden sind von den Medien Signale ausgegangen, die Hoffnung weckten. Diese wachsende Macht der Kommunikationsmittel, die in einem neuen Europa immer mehr und schneller Verbindung schaffen werden, verlangt als sensibles Instrument der Meinungsbildung von allen ein großes Verantwortungsbewußtsein. Die „Gute Nachricht“ der Christen steht hier vor der Möglichkeit neuer Kanzeln. Der Kirche eröffnen sich große Möglichkeiten: Mit Nachdruck verweise ich auf die elementare Bedeutung der Familie, auf den Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende. Ich erinnere an die moralische Verantwortung einer sich überstürzenden Forschung. All das steht in engstem Zusammenhang mit einem christlichen Welt- und Menschenbild, das an der geistigen Einheit Europas und am Fundament Österreichs schon einmal so entscheidend mitgebaut hat und das auch heute mit den modernen Mitteln verbreitet werden muß. Was der Völkerapostel Paulus an eine Gemeinde in Kleinasien schrieb, gibt auch unserer Zeit zu denken: „Täuscht euch nicht. Gott läßt seiner nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten“ (vgl. Gal 6,7). Was manche Vorfahren im Verlauf des 18. bis hinein ins 20. Jahrhundert ausgesät haben, aus dem Geist eines oft nicht mehr christlichen Humanismus - ich denke an Rationalismus, Marxismus und Nationalismus, oft in extremen Formen -, mußten wir nicht das alles ernten in den schrecklichen Jahren der beiden Weltkriege und deren Folgen wie auch in den Gefängnissen und Konzentrationslagern des Nationalsozialismus und des Kommunismus? Es war eine „civitas terrena“, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die „civitas christiana“ umzubauen und abzubauen. 4. Sie treten, sehr geehrter Herr Botschafter, Ihre Aufgabe zu einem Zeitpunkt an, der am Anfang des Weges zur Schwelle ins dritte Jahrtausend steht. Wie Sie zum Ausdruck brachten, durften Sie als junger Diplomat das Zweite Vatikanische Konzil hier in Rom aus der Nähe erleben. Ich selbst konnte als Bischof daran teilnehmen. Jeder auf seine Weise, wurden wir beide Zeugen eines Konzils, „das sich auf das Geheimnis Christi und seiner Kirche konzentriert und zugleich offen ist für die Welt“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 18). Der rote Faden der Konzilsbotschaft besteht darin, daß Gott „in seiner absoluten Herrschaft über alle Dinge, aber auch als Garant der authentischen Eigenständigkeit der irdischen Wirklichkeit dargestellt“ wird {ebd., Nr. 20). Daraus ergeben sich Konsequenzen für den Dialog, der auf vielen Gebieten begonnen wurde und auch in Zukunft wahrhaftig und redlich weitergeführt werden soll. Dies betrifft die gesellschaftlichen Fragen ebenso wie die ökumenischen Bemühungen, es gilt für den innerkirchlichen Bereich wie für das Gespräch zwischen den Religionen: Die Grundhaltung zu einem gelingenden Dialog ist aber nicht mit einer falsch verstandenen Toleranz zu verwechseln, die gar nicht an der Wahrheit interessiert ist, sondern im Grunde alles gleich gültig sein läßt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Goldene Regel des Konzils: „Die Wahrheit erhebt nicht anders Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“ (Dignitatis humanae, Nr. 1). Wer heute die modernen Areopage besteigt, muß und darf mit dem Anspruch der 472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit auftreten und diese in Wahrhaftigkeit bezeugen. Das macht seine Glaubwürdigkeit aus. 5. Die modernen Areopage warten auf uns. Sie warten auf klare Worte. Eingedenk des stolzen christlichen Erbes, auf das Österreich bauen kann, bietet die Kirche ihre Mitarbeit an, die in Ihrem Land auf der Basis des Konkordats in harmonischer und wirksamer Weise geregelt ist. Österreich im Herzen Europas kommt in besonderer Weise die Aufgabe zu, Europa eine Seele zu geben. Es ist der Mensch, an dessen Wohl dem Staat und der Kirche gemeinsam gelegen sein muß, indem beide miteinander die hohen Werte und Ideale fördern, denen sie sich in je eigener Weise verpflichtet wissen. Der Mensch ist nicht nur der Weg der Kirche. Er ist auch der Weg Österreichs in einem vereinten Europa. Mit einem besonderen Wort des Dankes erwidere ich die guten Wünsche, die Sie, sehr geehrter Herr Botschafter, von Ihrem Herrn Bundespräsidenten überbracht haben. Zugleich erteile ich Ihnen, Ihrer werten Familie sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Botschaft von Herzen den Apostolischen Segen. Taufe bewirkt Wiedergeburt im Heiligen Geist Predigt am Fest der Taufe des Herrn am 12. Januar 1. „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Heute feiert die Kirche das Fest der Taufe Christi, und auch in diesem Jahr habe ich die Freude, bei diesem Anlaß einigen Neugeborenen das Sakrament der Taufe zu spenden: zehn Mädchen und neun Jungen; vierzehn von ihnen sind Italiener, zwei Polen, einer ist Spanier, einer Mexikaner und einer Inder. Ich heiße die Eltern, die sich mit ihren Kindern hier eingefunden haben, herzlich willkommen. Ebenso grüße ich die Paten und Patinnen wie auch alle anderen Anwesenden. 2. Liebe Brüder und Schwestern, bevor ich diesen Kindern das Sakrament spende, möchte ich mit euch kurz über das soeben gehörte Wort Gottes nachdenken. Das Markusevangelium berichtet wie übrigens auch die anderen Synoptiker von der Taufe Jesu im Jordan. In der Liturgie vom Fest der Erscheinung wird dieses Ereignis aufgegriffen und zusammen mit der Anbetung der „Sterndeuter aus dem Osten“ und der Hochzeit zu Kana in Form einer Trilogie dargelegt. Jede dieser drei Episoden aus dem Leben Jesu ist eine besondere Offenbarung seiner Gotteskindschaft. Die orientalischen Kirchen heben den heutigen festlichen Anlaß, der kurz als „Jordan“ bezeichnet wird, ganz besonders hervor. Sie sehen in ihm einen eng mit Weihnachten verbundenen Moment der „Erscheinung“ Christi. Weit mehr als seine Geburt in Betlehem stellt die orientalische Liturgie die Offenbarung Jesu als Sohn Gottes in den Vordergrund, eine Offenbarung, die insbesondere bei seiner Taufe im Jordan in ausgesprochen intensiver Form zum Ausdruck kommt. 473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das, was Johannes der Täufer am Jordanufer spendete, war eine auf Umkehr und Vergebung der Sünden hingeordnete Bußtaufe. Er aber verkündete: „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ... Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen“ (Mk 1,7-8). Diese Worte richtete er an eine Vielzahl von Büßern, die zu ihm kamen, ihre Sünden bekennend und bereuend und bereit, ihr Leben zu bessern. Ganz anderer Natur ist die Taufe, die uns Jesus schenkt und die die Kirche, seinem Auftrag treu, unermüdlich spendet. Diese Taufe hebt die Wirkung der Ursünde im Menschen auf und erläßt seine Sünden, sie befreit ihn von der Knechtschaft des Bösen und bewirkt seine Wiedergeburt im Heiligen Geist; sie überträgt ihm ein neues Leben, die Teilhabe am Leben Gottes, des Vaters, das uns sein eingeborener Sohn geschenkt hat, der Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist. 3. Als Jesus aus dem Wasser steigt, kommt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herab; der Himmel öffnet sich, und die Stimme des Vaters verkündet: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1,11). Die Taufe Christi ist somit nicht nur die Offenbarung seiner Gotteskindschaft, sondern gleichzeitig auch Offenbarung der Heiligsten Dreifaltigkeit: der Vater -die Stimme vom Himmel - offenbart in Jesus seinen wesensgleichen eingeborenen Sohn, und all das vollzieht sich kraft des Heiligen Geistes, der in Gestalt einer Taube auf Christus, den Gesalbten des Herrn, herabsteigt. In der Apostelgeschichte lesen wir von der Taufe, die Petrus dem Hauptmann Kornelius und seiner Familie spendet. So führt Petrus jenen Befehl aus, den der auferstandene Christus seinen Jüngern erteilt hatte: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,19). Die Taufe im Wasser und im Heiligen Geist ist das erste und grundlegende Sakrament der Kirche, das Sakrament des neuen Lebens in Christus. 4. Liebe Brüder und Schwestern, auch diese Kinder empfangen nun jene Taufe und werden durch sie zu lebendigen Gliedern der Kirche. Zunächst werden sie mit dem Katechumenenöl gesalbt, dem Zeichen der Stärke Christi, die ihnen für den Kampf gegen das Böse zuteil wird. Dann werden sie mit geweihtem Wasser übergossen, dem Symbol der inneren Erneuerung durch die Gaben des Heiligen Geistes, den Jesus durch seinen Kreuzestod ausgegossen hat. Anschließend empfangen sie eine zweite und noch wichtigere Salbung mit dem heiligen Chrisam, wodurch zum Ausdruck kommt, daß sie geweiht sind nach dem Bild Jesu, des Gesalbten des Vaters. Danach wird dem Vater jedes Kindes eine Kerze überreicht, die an der Osterkerze zu entzünden ist, ein Symbol des Glaubenslichtes, das die Eltern, die Paten und Patinnen stets kraft der belebenden Gnade des Geistes hüten und stärken sollen. Liebe Eltern, Paten und Patinnen, wir wollen diese Kinder der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria anvertrauen. Bitten wir sie, daß diese mit dem weißen 474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Taufkleid, dem Zeichen ihrer neuen Würde als Kinder Gottes, bekleideten kleinen Geschöpfe ihr ganzes Leben lang echte Christen und mutige Zeugen für das Evangelium seien. Amen! Arbeiten für ein gemeinsames Ziel: Das Wohl aller und das Wohl des Ganzen Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 13. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Ihr Doyen, Herr Botschafter Joseph Amichia, hat mir soeben Ihre freundschaftlichen Wünsche überbracht mit der Klarheit und Feinfühligkeit, die wir alle an ihm kennen. Er hat dies zum letzten Mal getan, da er nach über fünfundzwanzig Jahren endgültig in seine geliebte Elfenbeinküste zurückkehren wird. Seiner Ehefrau, seiner Familie, seinen Landsleuten und ihm selber möchte ich - in Ihrer aller Namen - unsere besten Wünsche für eine Zukunft aussprechen, die es ihnen ermöglicht, die Projekte zu realisieren, die ihnen am meisten am Herzen liegen. Ihnen allen, Exzellenzen, meine Damen und Herren, gilt mein herzlicher Dank für Ihre Segenswünsche; außerdem bin ich Ihnen für die häufigen Zeichen der Würdigung gegenüber der Tätigkeit des Hl. Stuhls auf der internationalen Ebene dankbar. Nachher werde ich Gelegenheit haben, Sie persönlich zu begrüßen und Ihnen meine Hochachtung auszusprechen. Durch Sie alle möchte ich meine herzlichen Wünsche auch den Regierenden Ihrer Nationen und Ihren Mitbürgern entbieten und sie meines Gebetes versichern: Möge das Jahr 1997 eine entscheidende Etappe auf dem Weg der Festigung des Friedens und für einen von allen Völkern der Erde besser geteilten Wohlstand sein! In meiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1997 habe ich alle Menschen guten Willens eingeladen, „gemeinsam mit Entschlossenheit einen echten Pilgerweg des Friedens anzutreten, ein jeder aus der konkreten Situation heraus, in der er sich befindet“ (Nr. 1). Wie könnte man das Jahr besser beginnen als mit Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie sachkundige und aufmerksame Beobachter des Lebens der verschiedenen Nationen sind? Wie sieht es mit der Hoffnung und dem Frieden zu Beginn dieses Jahres aus? Das ist die Frage, auf die ich zusammen mit Ihnen eine Antwort finden möchte. 2. Die Hoffnung. Zum Glück ist sie nicht vom Horizont der Menschheit verschwunden. Die Abrüstung hat wichtige Fortschritte gemacht, vor allem dank der Unterzeichnung des Abkommens über einen allgemeinen Atomteststop, unter das in der Hoffnung auf einen allgemeinen Beitritt auch der Hl. Stuhl seine Unter- 475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schrift gesetzt hat. Der Wettlauf um die Nuklearwaffen und ihre Verbreitung werden nunmehr von der Gesellschaft geächtet. Das darf uns hinsichtlich der Herstellung von immer weiter entwickelten, konventionellen und chemischen Waffen aber nicht weniger wachsam machen oder unempfindlich gegenüber jenen Problemen, die von den Anti-Personen-Minen aufgeworfen werden. Was die letzteren betrifft, so hoffe ich, daß ein rechtlich bindendes Abkommen, das auch angemessene Kontrollmechanismen vorsieht, bei der Versammlung, die für den kommenden Juni in Brüssel geplant ist, zustande kommt. Es muß alles getan werden, um eine sicherere Welt aufzubauen! Fast alle Regierungen, die im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen in Istanbul zur zweiten Konferenz für Wohn- und Siedlungswesen (Habitat II) und in Rom zum Weltgipfel der FAO zusammengekommen waren, sind konkrete Verpflichtungen eingegangen im Hinblick auf eine bessere Übereinstimmung von Entwicklung, Wirtschaftswachstum und Solidarität. Das Recht auf Wohnraum und die gerechte Teilung der Ressourcen unserer Erde sind als Prioritäten für die kommenden Jahre aufgestellt worden: Es handelt sich in der Tat um entscheidende Schritte. Darüber hinaus müssen wir von der Vereinbarung Kenntnis nehmen, die Ende des Jahres in Abidjan für den Frieden in Sierra Leone abgeschlossen wurde. Es bleibt zu hoffen, daß die Entwaffnung und Demobilisierung der Mitglieder der Konfliktparteien zügig vor sich gehen. Möge dasselbe im benachbarten Liberia geschehen, das sich ebenfalls inmitten eines schwierigen Prozesses der Normalisierung und der Vorbereitung auf freie Wahlen befindet! In Guatemala scheint sich nach viel zu vielen Jahren brudermörderischer Konflikte endlich der Frieden am Horizont abzuzeichnen. Das am vergangenen 29. Dezember Unterzeichnete Abkommen sollte ein Klima des Vertrauens schaffen und dadurch - mit Mut und einträchtig - zur Lösung der zahlreichen noch offenen sozialen Probleme führen. Wenn wir unseren Blick nun nach Asien wenden, haben wir das Datum des 1. Juli 1997 vor Augen, an dem Hongkong wieder zu Kontinentalchina gehören wird. Im Hinblick auf den Bestand und auf die Vitalität der katholischen Gemeinschaft, die in diesem Territorium ansässig ist, wird der Hl. Stuhl diesen neuen Geschichtsabschnitt mit ganz besonderer Aufmerksamkeit verfolgen. Wünscht, daß dieser neue, in geduldigen Verhandlungen vorbereitete Weg von der Achtung der Verschiedenheit, der grundlegenden Rechte des Menschen und der Unantastbarkeit des Rechts gekennzeichnet sei. 3. Zweitens: der Frieden. Er scheint an mehr als einem Ort unseres Planeten immer noch sehr unsicher und ist in jedem Fall immer dem Egoismus und der Sorglosigkeit vieler preisgegeben, die das internationalen Leben mitbestimmen. Ganz in unserer Nähe ist Algerien immer noch in eine Situation beispielloser Gewalt verstrickt, und es scheint so, als ob das ganze Volk als Geisel genommen sei. Letztes Jahr hat die katholische Kirche diesem Zustand einen hohen Tribut gezollt 476 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit dem grausamen Mord an den sieben Trappistenmönchen von Unserer Lieben Frau vom Atlas und dem gewaltsamen Tod von Msgr. Pierre Claverie, dem Bischof von Oran. Zypern ist immer noch zweigeteilt und erwartet eine politische Lösung, die in einem europäischen Kontext ausgearbeitet werden müßte, damit dem Land breitere Horizonte eröffnet werden können. Und weiter: Am östlichen Ufer des Mittelmeers suchen die Länder des Vorderen Orients immer noch vorsichtig im Dunkeln tastend nach einem Weg zum Frieden. Man muß alles versuchen, damit die Opfer und die Bemühungen, die während der letzten Jahre - seit der Konferenz von Madrid - unternommen worden sind, nicht ergebnislos bleiben. Vor allem für die Christen bleibt dieses „Heilige Land“ der Ort, an dem jene Botschaft der Liebe und der Versöhnung zum ersten Mal erklungen ist: „Frieden auf Erden den Menschen, die Gott liebt!“ Alle, Juden, Christen und Muslime, Israelis und Araber, Glaubende und Nichtglaubende, müssen den Frieden zusammen aufbauen und festigen: den Frieden der Abkommen, den Frieden des Vertrauens, den Frieden der Herzen! In diesem Teil der Welt wie anderswo kann der Frieden nur dann gerecht und dauerhaft sein, wenn er auf einem fairen Dialog zwischen gleichgestellten Partnern beruht (bei gleichzeitiger Achtung der Identität und der Geschichte eines jeden) und wenn er auf dem Recht der Völker zur freiheitlichen Bestimmung ihres Schicksals gründet, auf ihrer Unabhängigkeit und auf ihrer Sicherheit. Es darf keine Ausnahme von dieser Regel geben! Und all jene, die sich direkt für den schwierigen Friedensprozeß im Nahen Osten eingesetzt haben, müssen ihre Bemühungen verdoppeln, damit das bescheidene Kapital an Vertrauen, das sich in der Zwischenzeit angesammelt hat, nicht zerstreut wird, sondern im Gegenteil zunimmt und Frucht bringt. Im Laufe der letzten Monate hat sich ein Krisenherd mit dramatischer Geschwindigkeit auf die ganze Region der großen Seen in Zentralafrika ausgeweitet. Insbesondere Burundi, Ruanda und Zaire fanden sich auf einmal in das fatale Räderwerk der ungebremsten Gewalt und des Ethnozentrismus verwickelt. So stürzen ganze Nationen in tragische Situationen, die niemand gefühllos lassen dürften. Dazu kann keine Lösung ausgearbeitet werden, solange die politisch und militärisch Verantwortlichen dieser Länder sich nicht mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft um einen Verhandlungstisch setzen, um gemeinsam zu untersuchen, wie ihre notwendigen und unumgänglichen Beziehungen gestaltet werden können. Die internationale Gemeinschaft - und damit meine ich auch die regionalen Organisationen Afrikas - muß nicht nur der Gleichgültigkeit abhelfen, die in letzter Zeit gegenüber den von der ganzen Welt erkannten menschlichen Tragödien an den Tag gelegt wurde, sondern sie muß auch ihre politische Aktion erweitern, um zu verhindern, daß neue dramatische Entwicklungen, Zerteilungen von Territorien und Bevölkerungsverschiebungen Zustände heraufbeschwören, die niemand kontrollieren kann. Man gründet die Sicherheit eines Landes oder einer Region nicht auf die Anhäufung der Risiken. 477 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Sri Lanka sind die Hoffnungen auf Frieden in Trümmer gegangen angesichts der Kämpfe, die erneut ganze Landstriche der Insel verwüstet haben. Das Andau-em dieser Gefechte verhindert selbstverständlich auch den wirtschaftlichen Fortschritt. Auch in diesem Falle wäre es nötig, daß die Verhandlungen wiederaufgenommen werden, um wenigstens einen Waffenstillstand zu erreichen, der es erlauben würde, etwas ruhiger in die Zukunft zu blicken. Wenn wir nun schließlich auf Europa schauen, so kann man bemerken, daß der Aufbau der europäischen Institutionen und die Vertiefung des europäischen Sicherheits- und Verteidigungskonzepts den Bürgern der Länder dieses Kontinents eine stabilere Zukunft sichern sollten, weil sie auf einem Erbe gemeinsamer Werte gründet: der Achtung der Menschenrechte, dem Vorrang der Freiheit und der Demokratie, dem Rechtsstaat, dem Recht auf wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. All dies - selbstverständlich - im Hinblick auf die umfassende Entwicklung des Menschen. Aber die Europäer müssen trotzdem immer wachsam bleiben, denn Abdriftungen sind immer noch möglich, wie die Balkankrise nur allzu deutlich gezeigt hat: Das Anhalten der ethnischen Spannungen, die überspitzten Nationalismen und die Intoleranz aller Art stellen ständig lauernde Gefahren dar. Die Spannungsherde, die im Kaukasus nicht zur Ruhe kommen, sagen uns, daß die Infizierung mit diesen negativen Energien nur durch die Begründung einer echten Kultur und Pädagogik des Friedens eingedämmt werden kann. Momentan hat man noch in zu vielen Gegenden Europas den Eindruck, daß die Leute eher zusammenwohnen, als daß sie Zusammenarbeiten. Vergessen wir nie, was einer der Begründer Europas in der Nachkriegszeit als Motto zu seinen Memoiren schrieb - ich zitiere hier Jean Monnet: „Wir verbünden keine Staaten; wir vereinen Menschen!“ 4. Dieser kurze Überblick über die internationale Situation ist ausreichend, um zu zeigen, daß den Verantwortungsträgem in der Politik ein weites Aktionsfeld offensteht zwischen den schon gemachten Fortschritten und den noch zu lösenden Problemen. Was den für die internationale Gemeinschaft Verantwortlichen heutzutage vielleicht am meisten fehlt, sind weder die schriftlichen Abkommen noch die Räume zu Besprechungen: Deren gibt es im Überfluß! Was sie brauchen, ist ein Sittengesetz und der Mut, sich darauf zu bemfen. Die Nationengemeinschaft, wie jede menschliche Gesellschaft, kann diesem Grundprinzip nicht entgehen: Sie muß einer Rechtsstruktur unterworfen sein, die für alle ohne Ausnahme gilt. Wir wissen, daß das Gemeinwohl Gmndlage und Zweck eines jeden Rechtssystems ist. Dies findet auch auf die internationale Gemeinschaft Anwendung: das Wohl aller und das Wohl des Ganzen! Denn nur dies erlaubt es uns, gerechte Lösungen zu erarbeiten, bei denen niemand zugunsten anderer, auch wenn diese in der Mehrheit sind, geschädigt wird: Gerechtigkeit für alle, ohne daß jemandem Ungerechtes widerfahrt. Das Recht hat die Aufgabe, jedem das ihm Zustehende zu gewähren, ihm das, was ihm gebührt, in aller Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Das bedeutet, daß dem Recht eine starke sittliche 478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konnotation eigen ist. Auch das internationale Recht als solches beruht auf Werten. So sind zum Beispiel die Würde der Person und die Gewährleistung der Rechte der Nationen zunächst einmal sittliche Prinzipien und dann erst Rechtsnormen. Dies erklärt, warum zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert die ersten Theoretiker der internationalen Gesellschaft und die Vorläufer einer ausdrücklichen Anerkennung der Völkerrechte Philosophen und Theologen waren. Außerdem muß man feststellen, daß das internationale Recht nicht mehr nur ein interstaatliches Recht ist, sondern daß es immer mehr dahin tendiert, die Einzelpersonen zu verbinden, und zwar durch die internationalen Definitionen der Menschenrechte, des internationalen Gesundheitsrechts oder der humanitären Rechte, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Es ist also dringend notwendig, nach dem Kalten Krieg den Frieden und in der Zeit nach 1989 die Freiheit zu organisieren, und zwar auf der Grundlage von Werten, die das Gegenteil vom Recht des Stärkeren, Reicheren oder Größeren sind, die ihre Kulturmodelle, ihre wirtschaftlichen Diktate und ihre ideologischen Moden aufzwingen. Die Versuche, eine internationale Strafjustiz aufzubauen, stellen in dieser Hinsicht einen wirklichen Fortschritt des sittlichen Gewissens der Nationen dar. Die Entwicklung der humanitären Initiativen, sowohl auf Regierungsebene als auch privat organisiert, ist ebenfalls ein positives Signal für das Wiedererwachen der Solidarität angesichts unerträglicher Zustände der Gewalt oder der Ungerechtigkeit. Aber auch in diesem Fall muß man achtsam sein, damit sich diese Großzügigkeit nicht schnell in die Gerechtigkeit der Sieger verwandelt oder hegemonische Hintergedanken verschleiert, bei denen es in Wirklichkeit um Einflußbereiche, Jagdreviere oder Wiedereroberung von Märkten geht. Das internationale Recht war lange Zeit ein Recht des Krieges und des Friedens. Ich glaube, daß es mehr und mehr dazu berufen ist, ausschließlich zu einem Recht des Friedens zu werden, wobei der Frieden als Voraussetzung für die Gerechtigkeit und die Solidarität verstanden werden soll. In diesem Kontext muß die Ethik das Recht fruchtbar machen; sie kann sogar dem Recht vorausgreifen in dem Maße, wie sie ihm die Richtung dessen, was gerecht und gut ist, aufzeigt. 5. Exzellenzen, meine Damen und Herren! Dies sind die Gedanken, die ich mit Ihnen zu Beginn dieses Jahres teilen wollte. Vielleicht können sie Ihnen als Anregung dienen bei Ihren Überlegungen und Tätigkeiten im Dienste für die Gerechtigkeit, die Solidarität und den Frieden zwischen den Nationen, die Sie vertreten. Im Gebet vertraue ich Gott das Glück und den Wohlstand Ihrer Landsleute an und die Projekte Ihrer Regierungen im Hinblick auf das geistige und materielle Wohlergehen ihrer Völker sowie die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zur Durchsetzung der Vernunft und des Rechts. Der Weihnachtsstem leitet uns auf unserem Pilgerweg des Friedens und zeigt uns den wahren Weg des Menschen, indem er uns auffordert, dem Wege Gottes zu folgen. Möge Gott Sie und Ihre Heimatländer segnen und Ihnen allen ein glückliches Jahr gewähren! 479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Botschaft an das Generalkapitel der Schwesternkongregation Töchter der hl. Anna vom 20. Januar Am 20. Januar richtete der Papst in einer Audienz für die Mitglieder des Generalkapitels der Schwestem-kongregation „Töchter der hl. Anna“ folgende Botschaft an die wiedergewählte Generaloberin: An die ehrwürdige Mutter Anna Virginia Sinagra, Generaloberin der „Töchter der hl. Anna“ 1. Mit Freude richte ich meinen herzlichen Gruß an Sie und an Ihre Schwestern, die aus den verschiedenen Gegenden der Welt, in denen Ihre Kongregation vertreten ist, nach Rom gekommen sind. Das Wahlkapitel der Kongregation hat jetzt seine Abschlußphase erreicht. Vor allem möchte ich Ihnen, ehrwürdige Mutter, zu Ihrer Wiederwahl im Dienstamt der Generaloberin gratulieren. Mein Graß richtet sich des weiteren an die Schwestern, die den neuen Generalrat bilden. Ich spreche ihnen herzliche Wünsche für eine hochherzige, fruchtbare Arbeit zugunsten des geistlichen und apostolischen Fortschritts der ganzen Kongregation aus. Ferner gilt mein herzliches Gedenken allen Töchtern der hl. Anna, die in den einzelnen Gemeinschaften in den verschiedenen Kontinenten leben. 2. Während der Zusammenkünfte in diesen ausgefullten Wochen, die zum großen Teil mit der liturgischen Zeit von Advent und Weihnachten zusammenfielen, haben die zum Kapitel Delegierten zusammen mit Ihnen, ehrwürdige Mutter, über den Weg nachgedacht, den die Kongregation in letzter Zeit zurückgelegt hat. Sie haben sich tiefer Gedanken gemacht über den Wert ihrer Werke und ihrer pasto-ralen und karitativen Aufgaben, damit sie immer besser dem besonderen Charisma der Kongregation entsprechen. Es ist mein Wunsch, daß die Orientierungen, die aus den Kapitelsitzungen hervorgingen, dem Leben und der Tätigkeit Ihrer Ordensfamilie erneuten Schwung geben, vor allem in diesen Jahren der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Im nachsynodalen Schreiben Vita consecrata habe ich hervorgehoben, wie beim gemeinsamen Bemühen um Unterscheidung und Erneuerung einige grundlegende Kriterien befolgt werden müssen, darunter vor allem die Treue zum ursprünglichen Charisma und die wache Aufmerksamkeit für die neuen Bedürfnisse und die neuen Formen der Armut in der heutigen Gesellschaft. „So gilt es zum Beispiel den Sinn des eigenen Charismas zu wahren, das geschwisterliche Leben zu fördern, die Bedürfnisse sowohl der Gesamt- als auch der Teilkirchen zu berücksichtigen, sich um das zu kümmern, was die Welt vernachlässigt, großzügig und mutig, wenn auch mit notgedrungen spärlichen Eingriffen, auf die neuen Formen von Armut zu antworten“ (Nr. 63). 480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. In diesem Bemühen um Erneuerung muß jede Schwester des Instituts aus dem reichen geistlichen Erbe, das die Gründerin, Mutter Rosa Gattomo, hinterlassen hat, Anregung und Kraft zu schöpfen wissen. Beim Zusammentreffen mit Papst Pius IX. sprach sie die feste Absicht aus, in ihrem Leben treu den Willen Gottes in die Tat umzusetzen: „Ja, Heiliger Vater, ich will den Willen Gottes tun.“ Jede Tochter der hl. Anna muß sich diese Worte der Gründerin zu eigen machen. Sie muß mit dem Gebet und einem intensiven geistlichen Leben die karitativen Werke stützen, die sie in der Erfüllung ihres Berufes den Brüdern und Schwestern anbietet. So bereitet sie mit ihrem demütigen und treuen Tun das Kommen des Gottesreiches vor. Unsere Zeit ist von einer erneuten Aufmerksamkeit für die besondere Rolle der fraulichen Berufung in der Kirche und in der Gesellschaft gekennzeichnet. Das geweihte Leben im allgemeinen sowie die einzelnen Ordensinstitute als solche müssen in geziemender Weise auf die neuen Herausforderungen antworten, die die heutige Kultur stellt. In dieser Hinsicht möchte ich auf das zurückkommen, was ich in dem nachsynodalen Dokument betont habe: „Die Frauen des geweihten Lebens sind in ganz besonderer Weise dazu berufen, durch ihre in Fülle und mit Freude gelebte Hingabe ein Zeichen für Gottes Zärtlichkeit gegenüber dem Menschengeschlecht und ein besonderes Zeugnis des Geheimnisses der Kirche zu sein, die Jungfrau, Braut und Mutter ist“ (Vita consecrata, Nr. 57). Ich möchte wünschen, ehrwürdige Mutter, daß unter Ihrer erleuchteten Führung die Schwestern dieser Kongregation mit immer größerer Tiefe und Klarheit ihre Eigenart als Frauen und als geweihte Frauen leben, daß die großen Möglichkeiten ihres fraulichen Genius zur Frucht reifen und daß sie sie in den Dienst für das Wohl ihrer Brüder und Schwestern stellen, vor allem der materiell und geistig Ärmsten. Möge jede Schwester ihre Berufung intensiv leben können, sich ganz von der Liebe Gottes einnehmen lassen und wirksam dafür Zeugnis geben, daß diese erbarmende Liebe Gottes jedem Menschen zur Seite ist. In diesem Sinn erteile ich, den himmlischen Schutz der hl. Anna und der jungfräulichen Mutter des Erlösers anrufend, Ihnen, allen Kapitularinnen und den Gemeinschaften, aus denen sie kommen, sowie der ganzen Kongregation von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. 481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Überlegungen zur Seelsorge für die wiederverheirateten Geschiedenen Ansprache während der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 24. Januar Meine Herren Kardinäle, geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude empfange und begrüße ich euch zur Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie. Ich danke dem Präsidenten, Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, für seine liebenswürdigen Worte zur Eröffnung dieses überaus wichtigen Treffens. Das Thema eurer Reflexionen: „Die Pastoral der wiederverheirateten Geschiedenen“, steht heute im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und Fürsorge der Kirche wie auch der Seelsorger, die ihre pastoralen Bemühungen unablässig denjenigen zuwenden, die unter schwierigen familiären Verhältnissen leiden. Die Kirche kann diesem schmerzlichen Problem, von dem viele ihrer Kinder betroffen sind, nicht gleichgültig gegenüberstehen. Da es sich hier um einen in zunehmendem Maße auch katholische Bereiche erfassenden Mißstand handelt, betonte ich bereits in meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio, daß „dieses Problem unverzüglich aufgegriffen werden muß“ (vgl. Nr. 84). Als Mutter und Lehrerin bemüht sich die Kirche um das Wohl und die Glückseligkeit der Familiengemeinschaften; sie leidet, wenn diese aus irgendwelchen Gründen zerstört werden, und versucht, in voller Treue zur Lehre Christi den betroffenen Personen durch ihren pastoralen Beistand zu helfen. 2. Die Bischofssynode über das Thema der Familie von 1980 hat sich mit dieser traurigen Situation befaßt und entsprechende pastorale Richtlinien für derartige Verhältnisse gegeben. Die Reflexionen der Konzilsväter berücksichtigend, schrieb ich in meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio: „Die Kirche, die dazu gesandt ist, um alle Menschen und insbesondere die Getauften zum Heil zu führen, kann diejenigen nicht sich selbst überlassen, die eine neue Verbindung gesucht haben, obwohl sie durch das sakramentale Eheband schon mit einem Partner verbunden sind. Darum wird sie unablässig bemüht sein, solchen Menschen ihre Heilsmittel anzubieten“ (Nr. 84). Wie ihr bereits im Arbeitsprogramm dieser Vollversammlung betont habt, müssen eure gemeinsamen Überlegungen in diesen eindeutig pastoralen Bereich eingeordnet werden, um den Familien zu helfen, die große Bedeutung ihrer Taufberufung zu erkennen und die Werke der Barmherzigkeit, der Nächstenliebe und Buße zu leben. Pastorale Unterstützung setzt jedoch die Anerkennung der im Katechismus eindeutig dargelegten kirchlichen Lehre voraus: „Es liegt nicht in der Macht der Kirche, sich gegen diese Verfügung der göttlichen Weisheit auszusprechen“ (Nr. 1640). 482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Männer und Frauen sollen wissen, daß die Kirche sie liebt, daß sie ihnen nicht fern ist, daß sie an ihrer Situation leidet. Die wiederverheirateten Geschiedenen sind und bleiben ihre Mitglieder, weil sie die Taufe empfangen haben und den christlichen Glauben bewahren. Eine neue Verbindung nach der Scheidung stellt jedoch eine moralische Unordnung dar, die im Widerspruch zu präzisen Anforderungen des Glaubens steht. Das darf aber nicht den Einsatz des Gebets und das tätige Zeugnis der Liebe verhindern. 3. Wie ich im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio schrieb, können wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Eucharistischen Kommunion zugelassen werden, „denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht“ (Nr. 84). Und das kraft der Autorität des Herrn selbst, des Hirten der Hirten, der stets auf die Suche nach seinen Schafen geht. Das gilt auch für die Buße, deren zweifache und einheitliche Bedeutung der Umkehr und der Versöhnung im Widerspruch steht zur Lebensbedingung von wiederverheirateten Geschiedenen, die in diesem Status verbleiben. Dennoch fehlt es nicht an geeigneten pastoralen Wegen, diesen Personen entgegenzukommen. Die Kirche sieht ihre Leiden und die großen Schwierigkeiten, in denen sie sich befinden. In ihrer mütterlichen Liebe kümmert sie sich um sie nicht weniger als um die Kinder ihrer früheren Ehe. Des angeborenen Rechts auf die Anwesenheit beider Eltern beraubt, sind sie die ersten Opfer solch schmerzlicher Umstände. Man muß daher vor allem mit Nachdruck eine Pastoral der Vorbereitung und der rechtzeitigen Unterstützung für Paare im Augenblick der Krise entwickeln. Es geht um die Verkündung der Ehe als Geschenk und Gebot Christi. Die Hirten, insbesondere die Pfarrer, sollten diese Männer und Frauen mit offenem Herzen begleiten und unterstützen und ihnen verständlich machen, daß sie trotz der Verletzung des ehelichen Bündnisses nicht die Hoffnung auf die Gnade Gottes, der über ihren Weg wacht, aufgeben dürfen. Die Kirche muß stets „ihre Söhne und Töchter, die sich in jener schmerzlichen Lage befinden, nur dazu einladen, sich auf anderen Wegen der Barmherzigkeit Gottes zu nähern, ... solange sie die erforderlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt haben“ (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 34). Die Hirten „sind aufgerufen, die Liebe Christi und die mütterliche Nähe der Kirche spüren zu lassen; sie sollen sich ihrer in Liebe annehmen, sie ermahnen, auf die Barmherzigkeit Gottes zu vertrauen, und ihnen in kluger und taktvoller Weise konkrete Wege der Umkehr und der Teilnahme am Leben der kirchlichen Gemeinschaft aufzeigen“ (Schreiben der Kongregation für den Kommunionsempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen, 13. Oktober 1994, Nr. 2). In seiner großen Barmherzigkeit geht der Herr mit der Forderung nach Wahrheit wie auch mit dem Öl der Nächstenliebe allen Hilfsbedürftigen entgegen. 483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Könnten wir demnach unterlassen, die Lebensverhältnisse vieler Menschen mit Sorge zu verfolgen, die, insbesondere in den hochentwickelten Industrienationen, aufgrund der Trennung allein geblieben sind, vor allem dann, wenn es sich um Personen handelt, die nicht für das Scheitern ihrer Ehe verantwortlich gemacht werden können? Wenn ein in irregulärer Situation lebendes Ehepaar zur christlichen Praxis zurückfindet, muß es unbedingt mit Liebe und Wohlwollen aufgenommen und in erleuchteter und erleuchtender pastoraler Arbeit unterstützt werden, um die konkreten Umstände seiner Situation zu klären. Diese Pastoral der brüderlichen, dem Evangelium entsprechenden Aufnahme ist für diejenigen von großer Bedeutung, die den Kontakt zur Kirche verloren haben: sie ist der erste erforderliche Schritt für ihre Eingliederung in die christliche Praxis. Sie sollten bestärkt werden, das Wort Gottes zu hören und regelmäßig zu beten; man muß sie in die Werke der Nächstenliebe der christlichen Gemeinde für die Armen und Notleidenden einbeziehen und durch Werke der Reue den Geist der Buße anregen, um ihre Herzen für die Aufnahme der göttlichen Gnade vorzubereiten. Ein wichtiges Kapitel bezieht sich auf die menschliche und christliche Erziehung der Kinder der neuen ehelichen Verbindung. Ihre Teilhabe am vollen Bedeutungsgehalt der Weisheit des Evangeliums, der kirchlichen Lehre entsprechend, bereitet die Herzen ihrer Eltern auf wunderbare Weise für den Empfang der notwendigen Kraft und Klarheit vor, um die wirklichen Schwierigkeiten auf ihrem Weg überwinden zu können und jene volle Transparenz des Geheimnisses Christi zurückzuerlangen, das die christliche Ehe sichtbar und gegenwärtig macht. Auch die anderen mehr oder weniger eng mit der Familie verbundenen Mitglieder haben eine besondere, schwierige, aber notwendige Aufgabe. Mögen sie durch ihre Nähe, die jedoch nicht mit Nachsichtigkeit verwechselt werden sollte, ihre Angehörigen und ganz besonders deren Kinder unterstützen, die aufgrund ihres jugendlichen Alters die Hauptleidtragenden der Situation der Eltern sind. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte euch heute von ganzem Herzen empfehlen, all denen gegenüber zuversichtlich zu sein, die unter solch dramatischen und schmerzlichen Umständen leben. Nie dürfen wir müde werden, „gegen alle Hoffnung voll Hoffnung zu glauben“ (vgl. Röm 4,18), daß auch diejenigen, die sich vom Gebot des Herrn entfernt haben, von Gott die Gnade des Heils erhalten können, wenn sie ausdauernd geblieben sind in Gebet, Buße und wahrer Liebe. 5. Abschließend möchte ich euch für eure Mitarbeit zur Vorbereitung des zweiten Weltfamilientreffens danken, das am 4. und 5. Oktober dieses Jahres in Rio de Janeiro stattfinden wird. Ferner richte ich an alle Familien in der Welt meinen väterlichen Aufruf, dieses Treffen im Gebet und in der Betrachtung vorzubereiten. Für jene Familien, die nicht an diesem Ereignis teilnehmen können, ist meines Wissens ein für alle nützliches Hilfsmittel vorbereitet worden: es handelt sich um Katechesen zu einer klaren Sichtweise von Pfarrgemeindegruppen, Vereinigungen 484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Familienbewegungen, durch die eine angemessene Verinnerlichung der großen, die Familie betreffenden Themen bewirkt werden soll. Seid versichert, stets in meinem Gebet zugegen zu sein, damit eure Arbeit dazu beitragen möge, um dem Sakrament der Ehe all jene Freude und immerwährende Frische zurückzugeben, die der Herr ihm durch seine Erhebung zur Würde des Sakraments verliehen hat. Möget ihr großherzige und aufmerksame Zeugen der kirchlichen Sorge für die Familien sein. Von ganzem Herzen erteile ich euch und allen euch nahestehenden Personen meinen Segen. Aus dem Glauben die Zukunft gestalten Ansprache während der Audienz für Mitarbeiter des Neokatechumenalen Weges am 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Willkommen im Hause des Papstes! Herzlich begrüße ich euch, liebe Laien und Priester, die ihr gemeinsam aufgebrochen seid mit euren Leitern, den Initiatoren des Neokatechumenalen Weges. Euer heutiger Besuch ist mir ein großer Trost. Ich weiß, daß ihr direkt von eurer Versammlung am Berg Sinai und an den Ufern des Roten Meeres hierher gekommen seid. Aus verschiedenen Gründen war dies für euch ein historischer Augenblick. Als Ort für eure geistige Einkehr habt ihr eine sehr bedeutende Stätte in der Heilsgeschichte gewählt, einen Ort, der geeignet ist, um das Wort Gottes zu hören und darüber zu meditieren und um den Plan Gottes für euch besser zu verstehen. Auf diese Weise habt ihr das dreißigjährige Bestehen eures Weges feiern wollen. Mit der Hilfe des Herrn habt ihr es in der Tat sehr weit gebracht! In diesen Jahren hat euer Weg in der Kirche eine wahrhaft beeindruckende Entwicklung und Verbreitung erlebt. Was wie das Senfkorn des Evangeliums bei den Barackenbe-wohnem von Madrid begann, ist dreißig Jahre später zu einem großen Baum geworden, der sich auf über 100 Länder in der ganzen Welt ausgebreitet hat, mit einer wichtigen Präsenz auch bei den Katholiken der Ostkirchen. 2. Wie jeder andere Jahrestag so verwandelt sich auch der eure - im Licht des Glaubens betrachtet - in einen Anlaß zum Lob und zum Dank für die Fülle der Gaben, die der Herr euch und durch euch der ganzen Kirche in den vergangenen Jahren gewährt hat. Für viele war die neokatechumenale Erfahrung ein Weg der Bekehrung und des Reifens im Glauben durch das Wiederentdecken der Taufe als wahrer Quell des Lebens und der Eucharistie als Höhepunkt christlicher Existenz; durch die Wiederentdeckung des Wortes Gottes, das - in der brüderlichen Gemeinsamkeit gebrochen - Licht und Richtschnur des Lebens wird; und durch die Wiederentdeckung der Kirche als wahrhaft missionarische Gemeinschaft. 485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie viele Jugendliche und junge Frauen haben außerdem durch diesen Weg ihre eigene priesterliche und religiöse Berufung entdeckt! Euer heutiger Besuch bietet auch mir eine willkommene Gelegenheit, um mich eurem Lob und Dankesgesang für die „großen Dinge“ (magnalia), die Gott in der Erfahrung des Weges wirkt, anzuschließen. 3. Die Geschichte des Neokatechumenalen Weges reiht sich in den Kontext jener Vielfalt an kirchlichen Bewegungen und Verbänden ein, die eine der schönsten Früchte der vom II. Vatikanum angeregten geistlichen Erneuerung darstellt. Diese Vielfalt war und ist auch heute noch ein großes Geschenk des Heiligen Geistes und ein leuchtendes Zeichen der Hoffnung auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend. Sowohl die Hirten als auch die gläubigen Laien müssen dieses Geschenk mit Dankbarkeit annehmen, aber auch mit Verantwortungsgefühl, indem sie folgendes in Betracht ziehen: „In der Kirche sind der institutioneile und der charismatische Aspekt, die Hierarchie und die Vereinigungen und Bewegungen der Gläubigen gleich wesentlich und tragen bei zum Leben, zur Erneuerung und zur Heiligung, wenn auch auf verschiedene Weise“ {Ansprache an die Teilnehmer des 2. internationalen Treffens der kirchlichen Bewegungen am 2. März 1987, Nr. 3). In unserer heutigen, stark säkularisierten Welt stellt sich die Neuevangelisierung als eine der wesentlichen Herausforderungen dar. Die kirchlichen Bewegungen, die sich gerade durch ihren missionarischen Schwung auszeichnen, sind zu einem besonderen Einsatz in einem Geist der Gemeinschaft und Zusammenarbeit aufgerufen. In der Enzyklika Redemptoris missio habe ich zu diesem Thema geschrieben: „Wenn sie sich in Demut in das Leben der Ortskirchen einfügen und von Bischöfen und Priestern herzlich in die Diözesan- und Pfarrstrukturen aufgenommen werden, bilden diese Bewegungen ein wahres Gottesgeschenk für die Neuevangelisierung und die Missionsarbeit im eigentlichen Sinn des Wortes. Ich empfehle daher, sie zu propagieren und einzubeziehen, um vor allem unter den Jugendlichen dem christlichen Leben [...] wieder neuen Sinn zu verleihen“ (Nr. 72). Aus diesem Grunde habe ich mir für das Jahr 1998, das im Rahmen der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr dem Heiligen Geist gewidmet ist, ein gemeinsames Zeugnis - unter der Leitung des Päpstlichen Rates für die Laien - aller kirchlichen Bewegungen gewünscht. Dies wird eine Möglichkeit zur Gemeinschaft und zum erneuerten Einsatz im Dienst an der Sendung der Kirche sein. Ich bin sicher, daß ihr diesen so bedeutenden Termin nicht verstreichen laßt. 4. Der Neokatechumenale Weg wird dreißig Jahre alt: Ich möchte fast sagen, das Alter einer gewissen Reife. Euer Treffen am Sinai hat euch in gewisser Hinsicht einen neuen Wegabschnitt eröffnet. Aus gutem Grund habt ihr deshalb versucht, euren vom Glauben beseelten Blick nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft zu richten, und ihr habt euch gefragt, was in dieser geschichtlichen Epoche der Plan Gottes für euren Weg ist. Der Herr hat einen kostbaren Schatz in eure Hände gelegt. Wie kann man ihn voll ausschöpfen? Wie kann man ihn ent- 486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wickeln? Wie kann man ihn noch besser mit den anderen teilen? Wie kann man ihn vor verschiedenen gegenwärtigen und zukünftigen Gefahren verteidigen? Dies sind einige der Fragen, die ihr euch - als Verantwortliche des Weges oder als Weggefährten der ersten Stunde - gestellt habt. Um in einem Klima des Gebets und der tiefgehenden Betrachtung eine Antwort auf diese Fragen zu finden, habt ihr beim Sinai die Verhandlungen zur Ausarbeitung einer Satzung für euren Weg begonnen. Es handelt sich um einen sehr wichtigen Schritt, der das Verfahren zur formellen rechtlichen Anerkennung von seiten der Kirche einleitet und euch so eine weitere Gewähr für die Authentizität eures Charismas bietet. Wie wir wissen, „steht das Urteil über ihre [der Charismen] Echtheit und ihren geordneten Gebrauch [...] bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten“ {Lumen Gentium, Nr. 12). Ich ermutige euch, die begonnene Arbeit Weiterzufuhren unter der Leitung des Päpstlichen Rates für die Laien und speziell seines Sekretärs, Msgr. Stanislaw Rylko, der hier unter euch anwesend ist. Hierbei begleite ich euch mit meinem besonderen Gebet. Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich einigen Schwestern ein Kreuz als Zeichen ihrer Treue zur Kirche und ihrer vollkommenen Hingabe für die Sendung zur Evangelisierung übergeben. Möge der Herr Jesus euer Trost und eure Stütze in schwierigen Zeiten sein. Die selige Jungfrau, Mutter der Kirche, sei euer Beispiel und euer Wegweiser in allen Lebenslagen. Mit diesem Wunsch spende ich euch, die ihr hier anwesend seid, und allen, die sich dem Neokatechumenalen Weg verpflichtet haben, von Herzen meinen Segen. Bekehrung und Versöhnung ebnen den Weg zur Einheit Ansprache bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar 1. „Lobet den Herrn, alle Völker, preist ihn, alle Nationen! Denn mächtig waltet über uns seine Huld, die Treue des Herrn währt in Ewigkeit“ {Ps 116/117,1-2). Mit diesen Psalmworten kündigte schon das Alte Testament den Heilsplan Gottes für alle Völker an. Es ist ein universaler, ja man könnte sagen, ein „ökumenischer“ Plan, denn er betrifft die ganze bewohnte Erde, das heißt: die „oikoumene“. Diese Vision vom Heil, das Gott allen Völkern der Erde anbietet, wird auch in der ersten Lesung der heutigen Liturgiefeier durch das Bild des messianischen Festmahls beschrieben. „Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen“ {Jes 25,6). Der Prophet Jesaja läßt uns das geheimnisvolle und vorsorgliche Werk des Herrn erahnen, dessen Handeln im Dienst der Einheit und des Heils der Menschheit steht. Gott nimmt den Schleier 487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weg, der dunkel vor den Augen der Völker liegt, er macht den Tod zunichte und wischt die Tränen ab von jedem Gesicht (vgl. Jes 25,7-8). Ja, diese außerordentliche Macht kommt wahrhaft von Gott; in Ihn setzen wir unsere Hoffnung. Aber zugleich fühlen wir uns auch verpflichtet, mit all unseren Kräften zu diesem Heilsplan beizutragen. Das heutige Evangelium bildet ein Echo zu diesen schon im Alten Testament vorhandenen universalistischen Perspektiven. Es legt uns den Missionsauftrag dar, den Jesus den Aposteln vor seiner Himmelfahrt gab: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Und weiter: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ {Mk 16,16). Am Ende seiner messianischen Sendung bestätigt Jesus fest und entschieden noch einmal den vom Vater gewollten universalen Heilsplan, und wenn er von allen Völkern und von der ganzen Erde spricht, dann weist er hin auf dessen planetarische Dimension. 2. Diese universale Heilssendung tritt sehr deutlich hervor an dem Tag, an dem die Kirche der Bekehrung des hl. Paulus gedenkt. Denn unter den Aposteln ist es ja gerade Paulus, der die universale Sendung der Kirche in besonderer Weise zum Ausdruck bringt und in die Tat umsetzt. Auf dem Weg nach Damaskus setzt Christus ihn in die Mitwirkung am allgemeinen Heilsplan ein: „Der Gott unserer Väter hat dich dazu erwählt, seinen Willen zu erkennen,... denn du sollst vor allen Menschen sein Zeuge werden“ (Apg 22,14-16). Bis zu diesem Augenblick war der vor Eifer glühende Pharisäer davon überzeugt, daß der Heilsplan nur ein einziges Volk beträfe, nämlich Israel. Deshalb bekämpfte er mit allen Mitteln die Jünger des Jesus von Nazaret, die Christen. Er wandte sich von Jerusalem nach Damaskus gerade deshalb, weil das Christentum dort in rascher Ausbreitung war. Er wollte alle, die die alten Überlieferungen der Väter aufgaben und den christlichen Glauben annahmen, einkerkem und bestrafen lassen. Bei Damaskus trifft ihn erleuchtend ein Licht aus der Höhe. Er stürzt zu Boden, und in jenem dramatischen Augenblick macht Christus ihm seinen Irrtum bewußt. Bei diesem Ereignis offenbart sich Jesus dem Paulus ganz als der, der von den Toten auferstanden ist. So wird es dem Apostel gewährt, „den Gerechten zu sehen und die Stimme seines Mundes zu hören“ {Apg 22,14). Von diesem Augenblick an ist Paulus als, Apostel“ eingesetzt wie die Zwölf, und er wird den Galatern gegenüber bestätigen können: „Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, (offenbarte) mir in seiner Güte seinen Sohn, damit ich ihn unter den Heiden verkündige“ {Gal 1,15 f.). Die Bekehrung des Paulus vollzieht sich durch Leiden. Man kann sagen, daß in ihm zuerst Saulus, der Verfolger, geschlagen und überwunden wurde, damit Paulus, der Völkerapostel, geboren werden konnte. Seine Apostelberufung ist in ihrer Art wohl die ungewöhnlichste: Christus selbst besiegt den Pharisäer in ihm und verwandelt ihn in einen glühenden Boten des Evangeliums. Die Sendung, die Paulus von Christus empfangt, stimmt mit der überein, die den Zwölfen anvertraut 488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurde, doch sie hat ihre besondere Weise und ihren besonderen Weg: Paulus wird Apostel der Heidenvölker sein. 3. Liebe Brüder und Schwestern, es ist wirklich ein vortrefflicher Anlaß, der uns jedes Jahr in dieser alten Basilika zur Eucharistiefeier am Abschluß der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ vereint. In dieser ihm geweihten Kirche gedenken wir der Bekehrung des Paulus. Von dem Augenblick an, da sich ihm in Damaskus der auferstandene Jesus offenbarte, bis zu seinem letzten Zeugnis hier in Rom war Paulus der leidenschaftliche Diener an der Einheit, die unter den Gliedern des Leibes Christi bestehen muß. Sein „täglicher Stachel“ war, wie er selbst bekennt, „die Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28). Genau von daher, aus seinem apostolischen Wirken zur Versöhnung und Gemeinschaft der Gläubigen, entnimmt das diesjährige Thema der Gebetswoche seine Anregung: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (vgl. 2 Kor 5,20). Die drängende Sehnsucht nach Versöhnung in Wahrheit und in Liebe, die während dieser Woche im Mittelpunkt unseres Gebetes stand, muß uns weiterhin jeden Tag begleiten. Die heutige Eucharistiefeier ist ein Zeichen unseres Su-chens nach einer tieferen Gemeinschaft unter allen Christen. Sie erhält eine besondere ökumenische Bedeutung dank der Anwesenheit unseres geliebten Bruders in Christus, des Katholikos des Großen Hauses von Kilikien, Seiner Heiligkeit Aram I., den ich mit herzlicher und brüderlicher Zuneigung begrüße. Die armenische Nation wurde zu Beginn des 4. Jahrhunderts getauft. Bekannt sind die Prüfungen und Verfolgungen, die das armenische Volk und seine Kirche im Lauf der Jahrhunderte durchlitten haben. Gerade dieser Vorkommnisse wegen mußte ein Teil der Bevölkerung zu Beginn des zweiten Jahrtausends von Armenien nach Kilikien flüchten, in die Heimat des Paulus von Tarsus. Das Katholikat des Großen Hauses von Kilikien hat eine bedeutende Rolle dabei gespielt, in der Diaspora das christliche Leben des armenischen Volkes sicherzustellen. 4. Der Friedensgruß zwischen dem Katholikos und dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des Apostels Petrus, und der Segen, den beide zusammen im Namen des Herrn geben werden, bezeugen die gegenseitige Anerkennung der Rechtmäßigkeit der apostolischen Sukzession. Wenn auch verschieden in den einem jeden anvertrauten Aufgaben, sind wir doch gemeinsam verantwortlich für das, was uns vereint, nämlich: treu den von den Aposteln überkommenen Glauben weiterzugeben, die Liebe Christi zu jedem Menschen in den oft dramatischen Situationen der heutigen Welt zu bezeugen und unseren Weg auf die volle Einheit aller Jünger Christi hin mit verstärktem Bemühen weiterzugehen. Um das zu tun, ist es notwendig, daß wir uns periodisch gegenseitig beraten, damit wir das Evangelium übereinstimmend verkündigen und ihm mit ungeteiltem Herzen dienen können. Euch alle, hier anwesende liebe Brüder und Schwestern, fordere ich auf, zu beten, auf daß der willkommene Besuch des Katholikos des Großen Hauses von Kilikien beim Bischof von Rom jeden von uns ermutige, immer mehr das Geheimnis der 489 ROTSCHAFTF.N TTND BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unser Treffen ist nicht nur eine Begegnung zweier Brüder, die glücklich sind, sich zu kennen und miteinander zu beten. Sie ist auch Zeichen unserer Verantwortlichkeit, gemeinsam voranzugehen, um die geistliche Wirklichkeit der Gemeinschaft, die die Christen in der Einheit verbinden muß, sichtbarer zu bekunden. Auf die Wünsche, die ich in meiner Botschaft anläßlich Ihrer feierlichen Einsetzung an Sie gerichtet habe, antworteten Sie umgehend: „Das Katholikat von Kili-kien wird sein ökumenisches Engagement vertiefen und ausweiten. Ich kann Ihnen versichern, daß die Beziehungen, die zwischen dem Katholikat von Kilikien und der katholischen Kirche seit langem bestehen, in einem wachsenden ökumenischen Geist und in einer Vision christlicher Einheit fortgesetzt werden sollen.“ Ehe ich auf die konkreten Bereiche unserer Zusammenarbeit eingehe, muß ich, geliebter Bruder, nicht ohne innere Bewegung an ein Ereignis erinnern, das uns in der Danksagung vereint: das Land der armenischen Nation ist endlich frei und unabhängig! Sie haben mich in brüderlicher Weise über die Entwicklung der Ereignisse laufend informiert und mir in dem Antwortschreiben nach Ihrer feierlichen Einsetzung klar Ihre vorrangige Sorge benannt: „Es soll zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem Katholikat von Edschmiadzin in Armenien und dem Katholikat von Kilikien in Anthelias kommen. Ich setze mich entschlossen dafür ein. Ebensolches Engagement hat Seine Heiligkeit Karekin I., Katholikos aller Armenier, an den Tag gelegt.“ Tatsächlich versuchen wir hier, in diesem Rahmen und unter Respektierung der beiden Jurisdiktionen unsere gegenwärtigen Beziehungen zu vertiefen. Das erste Band unserer Gemeinschaft ist der Glaube, den wir von den Aposteln empfangen haben. Ich bin glücklich, daß wir auf dieser Ebene dahin gelangt sind, unseren gemeinsamen Glauben an das eine fleischgewordene Wort, wahrer Gott und wahrer Mensch, ausdrücklich zu erklären. Solche Erklärungen zwischen der katholischen Kirche und der koptischen, der äthiopischen und der syrischen Kirche haben, jenseits jahrhundertelangen gegenseitigen Unverständnisses, bereits die Einheit dieser Kirchen im Glauben an den Herrn Christus offen zum Ausdruck gebracht. Wir dürfen Gott danken, denn die armenische apostolische Kirche hat in ihrer wiedererlangten Einheit und Freiheit ihre Stimme diesem Glaubenslob hinzufügen können. Aus dieser Sicht werden zwei wichtige Ereignisse der kommenden Jahre für uns Gelegenheit zu brüderlicher Zusammenarbeit sein, sowohl was ihre Vorbereitung, als auch ihre Durchführung betrifft: das Große Jubiläum des Mysteriums der Menschwerdung und, im darauffolgenden Jahr, das 1700-Jahr-Jubiläum der Taufe der armenischen Nation. Anläßlich dieser zweiten Feierlichkeit werden alle Kirchen die geistlichen Reichtümer der armenischen Kirche entdecken und sich daran inspirieren können. Was das Große Jubeljahr 2000 betrifft, das mit bedeutenden Feierlichkeiten begangen werden soll, so verlangt es die Bekehrung des Herzens jedes Christen für das Wohl seiner Gemeinschaft und das Wohl der Beziehungen zwischen den 492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirchen. Wir sind aufgerufen, alles zu tun, damit das Geheimnis der Menschwerdung, Quelle des Heils, zu brüderlichem und solidarischem Verhalten aller führt. Die Kirchen können nur gemeinsam auf den Auftrag des Retters antworten, der kommt, um durch Wort und Tat „den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden“. Die armenische Kirche hat im Leiden den Sinn einer tatkräftigen Solidarität erfahren. Heiligkeit, hier tut sich ein riesiges Feld für die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Kirchen auf. Für diesen Dienst nimmt der Herr des Weinberges jederzeit Arbeiter auf: Bischöfe, Priester und Theologen, Männer und Frauen jeder Herkunft und jeden Ranges, alle können hier arbeiten. Auf der Ebene der pastoralen Zusammenarbeit laden uns viele Anzeichen dazu ein, unsere gemeinsamen Anstrengungen mit Begeisterung fortzusetzen. Während der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon war Erzbischof Ardavatz Terterian der brüderliche Delegat des Katholikats, und ich konnte mich zu meiner Freude mit ihm über diesen Gesichtspunkt unterhalten. Sie selbst, Heiligkeit, haben kürzlich an einem Treffen der katholischen Patriarchen des Orients mit dem syrisch-orthodoxen Patriarchen und dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien teilgenommen, und miteinander konnten Sie hinsichtlich gemeinsamer pastoraler Probleme im Vertrauen und mit Entschlossenheit Beschlüsse fassen. Es ist ein Glück, daß es periodisch zu derartigen Absprachen kommt. Ich wünsche mir auch, daß sich die brüderlichen Beziehungen zwischen dem Katholi-kat von Kilikien und dem katholischen armenischen Patriarchat festigen. Alle diese Anstrengungen werden Früchte für die Einheit bringen. Da ist schließlich noch ein Bereich, der uns beiden, Ihnen, geliebter Bruder, und mir besonders am Herzen liegt: die Kultur. Seit Jahrzehnten ist das Katholikat von Kilikien mit seinem theologischen Seminar, seinen verschiedenen Instituten und seinen vielfältigen Editionen dank einer großen Zahl von Klerikern und Laienspezialisten das leuchtende, schöpferische Zentrum der armenischen Kultur. Wie Sie wissen, besteht im Hinblick auf eine fruchtbarere Zusammenarbeit ein katholisches Komitee für kulturelle Zusammenarbeit, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Ausbildung von Fachleuten zu unterstützen: weil der Austausch geistig-geistlicher Gaben den Glauben jedes einzelnen stärkt und weil er für die Gemeinschaft zwischen den Kirchen ganz wesentlich ist, könnte die Übersetzung des reichen Schriftgutes der armenischen Überlieferung in andere Sprachen für zahlreiche Christen nützlich sein. Ich weiß, daß Texte zur Mariologie bereits übersetzt sind, und ich wünsche lebhaft, daß diese wertvolle Arbeit sich auf andere Bereiche der spirituellen Äußerung, wie sie der armenischen Seele eigen ist, ausdehnen möge. In Gemeinschaft mit der allzeit seligen Gottesmutter und Jungfrau Maria bitte ich mit Ihnen unseren großen Gott und Erlöser, Er möge unsere Begegnung segnen und Früchte tragen lassen zu seiner Ehre und für das Kommen seines Reiches. 493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Personalistische Aspekte der Ehe und ihre rechtlichen Konsequenzen Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota am 27. Januar Herr Dekan, sehr verehrte Auditoren und Beamte der Römischen Rota! 1. Die Begegnung mit Ihnen bei diesem jährlichen Treffen, welches das enge Band zwischen Ihrer Arbeit und meinem apostolischen Amt zum Ausdruck bringt und festigt, erfüllt mich mit Freude. Herzlich grüße ich jeden einzelnen von Ihnen: die Prälaten des Richterkollegiums, die Offiziale und alle, die ihren Dienst am Gerichtshof der Römischen Rota versehen, die Gruppierungen des „Studio Rotale“ und die Rotaanwälte. Ihnen, Herr Dekan, danke ich besonders für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, und für die von Ihnen, wenn auch in gedrängter Form, vorgetragenen Überlegungen. 2. Nach dem guten Brauch, bei diesem Anlaß Gedanken zu einem Thema vorzulegen, das sich auf das Kirchenrecht und insbesondere auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit bezieht, möchte ich jetzt über eine Ihnen wohlbekannte Thematik sprechen, nämlich die rechtlichen Auswirkungen der personalistischen Aspekte der Ehe. Ohne auf Einzelprobleme einzugehen, welche die verschiedenen Ehenichtigkeitsgründe betreffen, beschränke ich mich auf einige grundsätzliche Schwerpunkte, die für eine weitere Vertiefung des Themas im Auge zu behalten sind. Seit der Zeit des II. Vatikanischen Konzils hat man sich gefragt, welche rechtlichen Konsequenzen von der in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Nr. 47-52) enthaltenen Sichtweise der Ehe abzuleiten sind. Tatsächlich hat die Neukodi-fizierung des kanonischen Rechtes die Betrachtungsweise des Konzils in diesem Bereich ausführlich gewertet, wobei sich der Codex mancher extremer Interpretationen enthält, welche zum Beispiel die „intima communitas vitae et amoris coni-ugalis“ [die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe] (ebd., Nr. 48) als eine Wirklichkeit betrachteten, die kein „vinculum sacrum“ [heiliges Band] (ebd.) mit einer spezifischen rechtlichen Dimension impliziert. Im Codex von 1983 kommen Formulierungen konziliaren Ursprungs - wie jene über das Objekt des Konsenses (vgl. can. 1057 § 2) oder über die natürliche doppelte Hinordnung der Ehe (vgl. can. 1055 § 1) -, in denen die Brautleute als Personen direkt im Vordergrund stehen, in harmonischer Weise zusammen mit Prinzipien der kanonistischen Tradition, wie dem des „favor matrimonii“ (vgl. can. 1060). Trotzdem gibt es Anzeichen, welche die Tendenz erkennen lassen, die personalistischen Aspekte den im eigentlichen Sinn rechtlichen Aspekten gegenüberzustellen, ohne die Möglichkeit einer harmonischen Synthese: so als würde es 494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einerseits den Anschein erwecken, als müßte das Verständnis der Ehe als gegenseitiges Sich-Schenken der Personen eine unbestimmte Tendenz in Lehre und Rechtsprechung auf Ausdehnung der für eine gültige Eheschließung notwendigen Erfordernisse an die Ehefähigkeit, an psychologische Reife, an freie und bewußte Wahl rechtfertigen; andererseits werden gerade gewisse Anwendungen dieser Tendenz, indem sie die in ihr enthaltenen Mißverständnisse hervortreten lassen, mit Recht wahrgenommen als im Kontrast stehend zu dem Prinzip der Unauflöslichkeit, das vom Lehramt nicht weniger fest betont wird. 3. Um das Problem in klarer und ausgewogener Weise anzugehen, muß man deutlich das Prinzip gegenwärtig haben, daß die rechtliche Dimension nicht wie ein Fremdkörper der interpersonalen Wirklichkeit der Ehe gegenübersteht, sondern eine wirklich innerliche Dimension darstellt. Die Beziehungen zwischen den Ehegatten ebenso wie jene zwischen Eltern und Kindern sind nämlich auch konstitutiv Rechtsbeziehungen und daher Wirklichkeiten, die an sich rechtlich relevant sind. Die eheliche Liebe und die Liebe zwischen Eltern und Kindern ist nicht bloß eine vom Trieb bestimmte Neigung noch eine beliebige und umkehrbare Wahl, sondern sie ist geschuldete Liebe. Die Person in den Mittelpunkt der Zivilisation der Liebe zu stellen, schließt daher das Recht nicht aus, sondern fordert es vielmehr. Dies führt zu einer Wiederentdeckung des Rechtes als interpersonale Wirklichkeit und zu einer Sicht der rechtlichen Institutionen, die deren konstitutive Verbindung mit den Personen selbst hervorhebt, die im Fall von Ehe und Familie so wesentlich ist. Das Lehramt geht bei diesen Themen zwar über die bloße Rechtsdimension hinaus, hält sie aber ständig präsent. Daraus folgt, daß eine vorrangige Quelle für das richtige Verständnis und die Anwendung des kirchlichen Eherechtes das Lehramt der Kirche selbst ist, dem die verbindliche Erklärung des Wortes Gottes über diese Wirklichkeit (vgl. Dei Verbum, Nr. 10), einschließlich ihrer juristischen Aspekte, anvertraut ist. Die kirchenrechtlichen Normen sind nichts anderes als der juristische Ausdruck einer zugrunde liegenden anthropologischen und theologischen Realität, und auf diese muß man auch zurückgreifen, um das Risiko von Gefallig-keitsinterpretationen zu vermeiden. Die Gewißheit wird in der auf „Communio“ gegründeten Struktur des Volkes Gottes vom lebendigen Lehramt der Hirten garantiert. 4. In der Sicht eines authentischen Personalismus bekräftigt die Lehre der Kirche die Möglichkeit, die Ehe als unauflösliches Band zwischen den Personen als Ehegatten, hingeordnet auf das Wohl der Gatten und der Kinder, zu konstituieren. Folglich würde einer wahren personalistischen Dimension jene Konzeption von der ehelichen Einheit widersprechen, die, weil sie eine solche Möglichkeit in Zweifel zieht, dazu fuhrt, die tatsächliche Existenz der Ehe zu verneinen, jedesmal wenn Probleme im Zusammenleben auftreten. An der Basis einer solchen Grundeinstellung zeigt sich eine individualistische Kultur, die im Widerspruch zu einem wahren Personalismus steht. „Der Individualismus setzt einen Gebrauch der Frei- 495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit voraus, in dem das Subjekt macht, was es will und was ihm nützlich erscheint, indem es selbst ,die Wahrheit1 dessen, was ihm beliebt,,festlegt1. Es duldet nicht, daß andere von ihm etwas im Namen einer objektiven Wahrheit,wollen1 oder fordern. Es will einem anderen nicht auf der Grundlage der Wahrheit,geben1, es will nicht zu einer,aufrichtigen Hingabe1 werden“ {Brief an die Familien, Nr. 14). Der personalistische Aspekt der christlichen Ehe schließt eine ganzheitliche Sicht des Menschen ein, die im Lichte des Glaubens annimmt und bekräftigt, was wir mit unseren natürlichen Kräften erkennen können. Sie ist von einem gesunden Realismus gekennzeichnet, was die Auffassung von der Freiheit der Person betrifft, die zwischen den Grenzen und Bedingtheiten der von der Sünde belasteten menschlichen Natur und der nie fehlenden Hilfe der göttlichen Gnade steht. Zu dieser für die christliche Anthropologie eigenen Sichtweise gehört auch das Wissen um die Notwendigkeit des Opfers, die Annahme des Schmerzes und des Kampfes als unaufgebbare Realitäten, wenn man seinen Verpflichtungen treu bleiben will. Bei der Behandlung der Eheprozesse wäre deshalb eine sozusagen allzu „idealisierte“ Vorstellung von der Beziehung zwischen den Ehegatten abwegig, die dazu verleitet, das normale Bemühen, wie es bei dem Ehepaar auf seinem Weg zur vollen und gegenseitigen gefühlsmäßigen Integration festzustellen ist, als authentische Unfähigkeit zur Übernahme der ehelichen Verpflichtungen zu interpretieren. 5. Eine korrekte Bewertung der personalistischen Elemente erfordert außerdem, daß man das Sein der Person und konkret das Sein ihrer auf Ehe hin angelegten Dimension und die daraus folgende natürliche Neigung zur Ehe berücksichtigt. Eine personalistische Auffassung, die sich wesentlich auf reinen Subjektivismus beschränkt und somit die Natur der menschlichen Person nicht berücksichtigt -der Begriff „Natur“ natürlich im metaphysischen Sinn zu nehmen würde jeder Art von Mißverständnissen auch im Bereich des kanonischen Rechtes Vorschub leisten. Es gibt sicherlich ein Wesen der Ehe, das in can. 1055 beschrieben wird und das die gesamte Ehegesetzgebung durchzieht, wie aus den Begriffen „wesentliche Eigenschaft“, „wesentliches Element“, „wesentliche eheliche Rechte und Pflichten“ usw. hervorgeht. Diese wesentliche Realität ist eine Möglichkeit, die grundsätzlich jedem Mann und jeder Frau offensteht; ja, sie stellt für die große Mehrheit der Menschheit einen wahren Weg der Berufung dar. Daraus folgt, daß man bei der Bewertung der Fähigkeit oder des Konsensaktes, die für die Schließung einer gültigen Ehe notwendig sind, nicht etwas verlangen darf, was von der Mehrzahl der Menschen gar nicht verlangt werden kann. Es geht nicht um einen pragmatischen und bequemen Minimalismus, sondern um eine realistische Sicht des Menschen als Person, als Wirklichkeit, die immer im Wachsen begriffen und berufen ist, mit seinen Ausgangsmöglichkeiten, die er durch seinen eigenen Einsatz und mit Hilfe der Gnade immer mehr verwirklicht, verantwortliche Entscheidungen zu treffen. 496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Sicht erscheinen der „favor matrimonii“ [Rechtsgunst der Ehe] und die daraus folgende Präsumption [Rechtsvermutung] der Gültigkeit der Ehe (vgl. can. 1060) nicht nur als die Anwendung eines allgemeinen Rechtsprinzips, sondern als Konsequenzen, die mit der spezifischen Wirklichkeit der Ehe völlig im Einklang stehen. Es bleibt jedoch die Ihnen bekannte schwierige Aufgabe, mit Hilfe der Hu-manwissenschaft jenes Mindestmaß festzulegen, unterhalb dessen man nicht von Ehefahigkeit oder von einem für eine gültige Ehe hinreichenden Konsens sprechen kann. 6. Aus all dem ist wohl zu ersehen, wie anspruchsvoll und arbeitsintensiv die der Römischen Rota anvertraute Aufgabe ist. Durch ihre qualifizierte Rechtsprechung sorgt sie nicht nur für den Rechtsschutz der einzelnen Gläubigen, sondern sie leistet zugleich einen bedeutenden Beitrag zur Annahme des göttlichen Planes bezüglich der Ehe und der Familie sowohl in der kirchlichen Gemeinschaft als auch indirekt in der ganzen menschlichen Gemeinschaft. Indem ich Ihnen, die Sie direkt oder indirekt in diesem Dienst mitarbeiten, meinen Dank ausspreche und Sie ermutige, mit erneutem Schwung in Ihrer Aufgabe, die so große Bedeutung für das Leben der Kirche hat, durchzuhalten, erteile ich Ihnen von Herzen meinen Segen, den ich gerne ausdehne auf alle, die in den kirchlichen Gerichtshöfen in allen Teilen der Welt tätig sind. Rom im Zeichen der Jahrtausendwende Ansprache beim Empfang des Bürgermeisters und der Vertreter der Verwaltung der Stadt Rom am 30. Januar Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren der römischen Stadtverwaltung! 1. Mit Freude empfange ich Sie und heiße jeden von Ihnen herzlichst willkommen. Auf ganz besondere Weise grüße ich Sie, Herr Bürgermeister, und danke Ihnen von Herzen für Ihre freundlichen Worte. Mit Ihnen begrüße ich auch die Mitglieder der römischen Stadtverwaltung, die Stadträte und alle, die in den verschiedenen Verwaltungsbereichen täglich im Dienst der Einwohnerschaft stehen. Oft handelt es sich um eine Arbeit, die wenig Aufsehen erregt, aber doch Hingabe, Bereitschaft und Kompetenz erfordert; eine Arbeit, von der die Lebensqualität in unserer Stadt weitgehend abhängig ist. Dieses traditionelle Treffen zu Beginn des neuen Jahres gibt dem Bischof von Rom und den Verwaltungsmitgliedem Gelegenheit, ihre gemeinsamen Bemühungen für die Stadt Rom zum Ausdruck zu bringen, indem sie zusammen über ihre historische Berufung und die für ihre Verwirklichung erforderlichen Schritte nachdenken. 497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Nunmehr trennen uns nur noch drei Jahre von dem Großen zweitausendjährigen Jubiläum, wenn die Christenheit jene zwanzig Jahrhunderte feiert, die seit der Geburt Christi vergangen sind. Die Rolle der Kirche und der bürgerlichen Gemeinschaft Roms ist für die Vorbereitung und Durchführung dieses Ereignisses von wesentlicher Bedeutung. Man ist allgemein der Überzeugung, daß dieser Anlaß, vielleicht wie nie zuvor, die Aufmerksamkeit der Welt auf unsere Stadt lenken wird und somit die gebräuchliche Bezeichnung „Caput mundi“ noch konkretere Bedeutung erhält. Daher müssen die besten geistigen und materiellen Kräfte der Stadt vereint werden, damit sie anläßlich des Jubiläums fähig ist, den zahlreichen Pilgern, die sie besuchen werden, ihr wahres Gesicht zu zeigen: ein Rom, bekannt nicht nur aufgrund seiner christlichen Dimension, sondern auch durch seine traditionelle Aufnahmebereitschaft und das Bewußtsein jener universalen Rolle, die die Geschichte ihm übertragen hat. 3. Um zur Verwirklichung dieser Ziele beizutragen, habe ich zu jener „großen Stadtmission“ aufgerufen, die bei der vergangenen Pfingstvigil auf dem Petersplatz begonnen hat und auch weiterhin stets tiefer in das menschliche Gewebe der Stadt eindringt. Mit neuer Kraft möchte die Kirche die in der Person, in den Worten und Taten Christi verkörperte Heilsbotschaft jedem in Rom lebenden Christen, wie auch der gesamten Bürgerschaft, vermitteln. In den kommenden Tagen wird an alle römischen Familien als Symbol dieses Vorhabens das Markusevangelium verteilt werden, das der Jünger und treue Mitarbeiter des Apostels Petrus, der hier sein Blut vergossen hat, in Rom verfaßte. Gerne überreiche ich auch Ihnen heute einen Band in der Überzeugung, daß „die Frohbotschaft Jesu Christi“ eine Lebensweisheit ist, die auch der bürgerlichen Gemeinschaft dieser Stadt nützlich sein kann. Zur Unterstützung und Vervollständigung der missionarischen Botschaft erfüllt die Kirche weiterhin ihre Aufgabe, sich für das Wohl der Menschheit und den Dienst an ihr einzusetzen. Durch die diözesane Caritas und zahlreiche andere kirchliche Einrichtungen in der Umgebung nimmt sie sich vieler materieller und moralischer Bedürfnisse nicht weniger Einwohner an, den Opfern alter und neuer Armut. Ferner ist sie dabei, viele Pfarrgemeinden in der Peripherie mit geeigneten Kultstätten und Gemeindezentren auszustatten, die für die neuen Stadtviertel wichtige Anhaltspunkte der Glaubensentfaltung und Aufnahme wie auch Elemente zur Förderung ihrer Identität und Kultur darstellen. Außerdem versucht die kirchliche Gemeinschaft, all jenen mit angemessener Gastfreundschaft zu begegnen, die anläßlich des bevorstehenden Jubiläums die Stadt besuchen werden. Das Jubeljahr ist ein geistliches Ereignis größter Bedeutung, dessen Erfolg von Einzelpersonen und Gemeinden in erster Linie wahre Umkehr verlangt. Der öffentliche Charakter des Jubiläums erfordert die Erfüllung gewisser struktureller, umweltbedingter und moralischer Voraussetzungen, für die vor allem die Verwaltungsorgane der Stadt zuständig sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich 498 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jedem von Ihnen für Ihre konstanten Bemühungen zur Lösung von Problemen danken, die sich im Hinblick auf Straßennetz, Verkehrslage, Parkmöglichkeiten, Aufnahmestrukturen und Umwelt stellen. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß all das stets unter voller Berücksichtigung des dem Jubiläum eigenen religiösen Charakters stattfinden wird. Möge somit auch weiterhin alles getan werden, damit die Erwartungen der Kirche, der Bevölkerung Roms und der internationalen Gemeinschaft im Hinblick auf das Heilige Jahr voll erfüllt werden und die Stadt in materieller und geistiger Hinsicht erneuert auf dieses historische Ereignis vorbereitet sein kann. 4. Es handelt sich um ein ehrgeiziges Ziel, das zusätzliche Bemühungen zur Beseitigung alter und neuer Übel Roms erfordert. Vor allem muß jene Art wirtschaftlicher Stagnation bekämpft werden, die seit Jahren das Leben der Bürger belastet und in der Schwächung verschiedener wichtiger Produktionsbereiche und in einem besorgniserregenden Rückgang der verfügbaren Arbeitsplätze zum Ausdruck kommt. Diese Situation benachteiligt vor allem die Familien. Das Problem der Arbeitslosigkeit muß von den staatlichen Verwaltungsorganen mit absoluter Priorität behandelt werden. Die Bevölkerung erwartet von ihnen konkrete Initiativen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem für diejenigen, die eine Familie zu unterhalten haben oder gründen wollen. Natürlich hängt das Wohl der Familien nicht nur von besseren materiellen Lebensbedingungen ab. Wie das Beispiel vieler Völker beweist, ist ein hoher Kulturstand nur durch die harmonische Vereinigung von materiellem und moralischem Wohl erreichbar. Schwere und überraschende Gewalttätigkeiten, von denen auch Geistliche nicht verschont wurden, die aktiven Dienst an den Mitbrüdem leisten, sind nicht nur als ein Symptom fehlender Sicherheit zu werten, womit viele Bürger leben müssen, sondern bezeugen auch jenen Mangel an Werten, der das bürgerliche Zusammenleben erschwert. 5. Angesichts dieser Situation darf die Stadtverwaltung nichts unversucht lassen, um die Lebensbedingungen und die Sicherheit in allen Stadtteilen zu bessern. Doch wenn die Wahrung der öffentlichen Ordnung nicht mit einem angemessenen ethischen Anspruch an die Menschen verbunden ist, besteht die Gefahr, keine dauerhaften Erfolge zu erzielen. Ohne weitgehende und einmütige Kooperation ist es daher nicht möglich, konkrete Initiativen zur Wahrung und Unterstützung von grundlegenden Werten und Institutionen unserer Gesellschaft zu fördern, angefangen von der auf der Ehe begründeten Familie. Notwendigerweise müssen wir uns jenen Tendenzen widersetzen, die, von einem falschen Freiheitskonzept ausgehend, versuchen, eine unangebrachte Ausweitung des Familienkonzepts oder jedenfalls seine inopportune Gleichstellung mit anderen nicht nur in moralischer, sondern auch gesellschaftlicher Hinsicht prekären Situationen in die Rechts und Verwaltungsordnung einzuführen. 499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Kontext der Familienpolitik wie auch in dem der Freizeitgestaltung, der Ausbildung und der Solidarität müssen wir notwendigerweise den Jugendlichen große Aufmerksamkeit schenken, indem wir die neuen Generationen auf wertvolle menschliche und geistige Ideale wie Altruismus, Wahrheitstreue und die Übung wahrer Liebe hinweisen und durch unser Zeugnis bekräftigen. Mit Konsequenz und Mut sollte auf die zwiespältigen Verhaltensweisen jener hingewiesen werden, die sich mit Besorgnis über die Situation vieler junger Menschen äußern, aber in der Tat eine haltlose, nicht wirklich moralische Einstellung fördern. Es ist nicht leicht, sich der zahlreichen Fälle sozialer Isolierung und Verwahrlosung im römischen Stadtbereich anzunehmen, und nicht selten stoßen Ihre Initiativen auf Hindernisse und Widerstand, die die Durchführung der erhofften Lösungen verhindern. Man darf nicht den Mut verlieren, sondern sollte vielmehr die Bemühungen intensivieren, um die noch offenen Wunden im Leben dieser Stadt durch organische Eingriffe und eingehende Sensibilisierungsarbeit zu heilen. 6. Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren! Der biblischen Tradition entsprechend, fordert uns das Jubiläum, „das Gnadenjahr des Herrn“, auf, die Beziehung zu den Mitmenschen in einem neuen Geist zu sehen, und erinnert uns an die Verpflichtung, die Gerechtigkeit Gottes angesichts Situationen der Sünde und Knechtschaft in der Gesellschaft wiederherzustellen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nm. 14-15). Zu Beginn dieses Jahres, des ersten Jahres der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große zweitausendjährige Jubiläum, habe ich jeden von Ihnen auf einige Probleme aufmerksam machen wollen, die ich während meiner Pfarreibesuche, der Pastoraltreffen und durch zahlreiche an mich gerichtete Aufrufe der römischen Gläubigen besser kennenlemen konnte. Diese Eindrücke sollen Sie anregen, auch hier in Rom jenen Plan der Gerechtigkeit zu verwirklichen, den der Herr durch die Gnade des Jubeljahres den Menschen der heutigen Zeit anvertraut. In den Schutz der Mutter des Herrn und der Apostel Petrus und Paulus stelle ich jene Projekte, an denen diese Stadtverwaltung für das Wohl aller arbeitet, und erteile von ganzem Herzen allen Anwesenden, den jeweiligen Familien und der geliebten Stadt Rom meinen besonderen Apostolischen Segen. 500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Antwort auf die Herausforderung einer neuen Zeit Ansprache bei der Sonderaudienz für die Teilnehmer des Internationalen Symposiums zum 50. Jahrestag der Apostolischen Konstitution Provida Mater Ecclesia (2.2.1947), veranstaltet von der Weltkonferenz der Säkularinstitute, am 1. Februar Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofs und im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! I. Mit herzlicher Freude empfange ich euch zu dieser Sonderaudienz, bei der ein für die Säkularinstitute wichtiges Datum in Erinnerung gerufen werden soll. Ich danke Kardinal Martinez Somalo für die Worte, mit denen er, euer aller Empfinden zum Ausdruck bringend, die Bedeutung dieses Treffens, das zahllose, in aller Welt lebende Menschen in diesem Saal symbolisch vereint, ins rechte Licht gerückt hat. Ich danke auch eurem Vertreter, der nach dem Kardinal das Wort ergriffen hat. Vor fünfzig Jahren fand die mütterliche Sorge und weise Liebe der Kirche zu ihren Söhnen und Töchtern, die ihr Leben in den verschiedenen Formen besonderer Weihe Gott darbringen, in der Apostolischen Konstitution Provida Mater Ecclesia ihren Ausdruck. Diese Konstitution wollte der christlichen Lebenspraxis der Säkularinstitute eine neue kirchenrechtliche Ordnung geben (vgl. X4»S,39[1947]114-124). Einer glücklichen Eingebung folgend, nahm mein Vorgänger ehrwürdigen Andenkens, Pius XII., einige Themen vorweg, die im II. Vatikanischen Konzil ihre angemessene Formulierung finden sollten, und bestätigte mit seiner apostolischen Autorität einen Weg und eine Lebensform, die bereits seit einem Jahrhundert viele Christen — Männer und Frauen — angezogen hatten: Sie verpflichteten sich zur Nachfolge des jungfräulichen, armen und gehorsamen Christus und blieben dabei in ihrem weltlichen Lebensstand. Es ist erfreulich, in dieser ersten Phase der Geschichte der Säkularinstitute diese Hingabe und Opferbereitschaft so vieler Brüder und Schwestern im Glauben zu sehen, die unerschrocken die Herausforderung der neuen Zeit annahmen. Sie boten in den unterschiedlichsten Bedingungen ihrer Arbeit, ihrer Wohnungsverhältnisse und ihrer Stellung im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben der menschlichen Gesellschaften, denen sie angehörten, ein konsequentes Zeugnis wahrer christlicher Heiligkeit. Es bleibt unvergeßlich, wie etliche große Männer der Kirche in den Jahren, die der Veröffentlichung von Provida Mater Ecclesia unmittelbar vorausgingen, diesen Weg mit Klugheit und Begeisterung begleiteten. Unter den vielen möchte ich, abgesehen von dem schon genannten Papst, in Liebe und Dankbarkeit den damaligen Substituten im Staatssekretariat und späteren Papst Paul VI., Msgr. Giovanni Bat-tista Montini, erwähnen; ferner denjenigen, der zur Zeit der Apostolischen Konstitution Untersekretär der Religiosenkongregation war, den verehrten Kardi- 501 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nal Arcadio Larraona. Beide hatten großen Anteil an der Ausarbeitung und Definition der Lehre und der in dem Dokument enthaltenen kirchenrechtlichen Bezugnahmen. 2. Aus dem Abstand eines halben Jahrhunderts gesehen, erscheint uns die Konstitution Provida Mater Ecclesia noch immer von großer Aktualität. Das habt ihr bei den Arbeiten eures Symposiums deutlich gemacht. Sie ist sogar von einem prophetischen Akzent gekennzeichnet, der hervorgehoben zu werden verdient. Die Lebensform der Säkularinstitute erweist sich heute mehr denn je als eine von der Vorsehung gewollte und wirksame Art, das Evangelium zu bezeugen in den von den heutigen kulturellen und sozialen Bedingungen bestimmten Verhältnissen, worin die Kirche zu leben und ihre Sendung zu erfüllen berufen ist. Mit der Approbation solcher Institute erkannte die Konstitution an, daß die Vollkommenheit des christlichen Lebens in jeder Gegebenheit und jeder Daseinsweise gelebt werden kann und muß (vgl. Provida Mater Ecclesia, Nr. 118). Damit fand eine gespannte Erwartung, die im geistlichen Leben in der Kirche schon zumindest seit den Zeiten des hl. Franz von Sales vorhanden war, ihren krönenden Abschluß. Folglich bestätigte die Konstitution, daß das Ordensleben - verstanden in der ihm eigenen kirchenrechtlichen Form - nicht erschöpfend alle Möglichkeiten der vollständigen Nachfolge des Herrn umfaßt; sie wünschte, daß durch die Präsenz und das Zeugnis der Säkularweihe eine christliche Erneuerung des Familienlebens, des Berufslebens und des gesellschaftlichen Lebens herbeigeführt würde. So sollten neue und wirksame Formen des Apostolats entstehen, hinorientiert auf Personen und Kreise, die normalerweise dem Evangelium femstehen und seiner Verkündigung gegenüber fast völlig verschlossen sind. 3. Schon als ich mich vor Jahren an die Teilnehmer des zweiten internationalen Kongresses der Säkularinstitute wandte, vertrat ich die Ansicht, daß diese sich „sozusagen im Zentrum des Konflikts befinden, der den modernen Geist beunruhigt und entzweit“ (vgl. Insegnamenti, Bd. III/2[1980]469). Mit diesem Ausdruck wollte ich Erwägungen meines verehrten Vorgängers, Pauls VI., aufgreifen, der von den Säkularinstituten als der Antwort auf eine tiefe Sehnsucht gesprochen hatte: der Sehnsucht, den Weg der Synthese zu finden zwischen der vollen Lebensweihe nach den evangelischen Räten und der vollen Verantwortung der Präsenz und des umwandelnden Handelns innerhalb der Welt, um sie zu formen, zu vervollkommnen und zu heiligen (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, Bd. X[1972] 102). In der Tat erleben wir einerseits, daß sich gewisse Formen von Religiosität rasch ausbreiten, die faszinierende Erlebnisse zu bieten vorgeben und in manchen Fällen auch bindend und anfordemd sind. Die Betonung liegt aber auf der Ebene der Emotion und des fühlbaren Erlebens und nicht so sehr auf der asketischen und spirituellen. Es läßt sich erkennen, daß solche Formen der Religiosität auf die immer wieder neu spürbare Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott zu antworten suchen, auf die Frage nach der letzten Wahrheit über Gott und über das Schicksal 502 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Menschheit. Sie bieten sich an mit dem Reiz des Neuen und des leicht zu erlangenden Universalen. Diese Erlebnisse aber unterschieben einen zweifelhaften Gottesbegriff, der sich von dem in der Offenbarung angebotenen entfernt. Sie erweisen sich im übrigen als etwas aus der Wirklichkeit und der konkreten Geschichte der Menschheit Herausgerissenes. Einer solchen Religiosität steht ein falscher Begriff des Säkularen gegenüber, eine Auffassung, nach der Gott als Außenstehender fembleibt, wo es um den Aufbau der Zukunft der Menschheit geht. Die Beziehung zu ihm wird als Privatsache, als subjektive Angelegenheit betrachtet, die allenfalls geduldet werden kann, aber keinesfalls beanspruchen darf, auf die Kultur und die Gesellschaft einzuwirken. 4. Wie aber soll diesem ungeheuren Konflikt begegnet werden, der durch Geist und Herz der heutigen Menschheit geht? Er wird für den Christen zu einer Herausforderung: zu der Herausforderung, eine neue Synthese zu bewerkstelligen zwischen der höchstmöglichen Treue zu Gott und seinem Willen und der höchstmöglichen Anteilnahme an den Freuden und Hoffnungen, den Ängsten und Schmerzen der Welt, um sie dem Plan des vollen und ganzen Heils zuzuwenden, das Gottvater uns in Christus offenbart hat und uns durch die Gabe des Heiligen Geistes fortwährend zur Verfügung stellt. Genau dazu verpflichten sich die Mitglieder der Säkularinstitute, wenn sie ihre volle Treue zur Profeß der evangelischen Räte aussprechen, die sie in der Welt leben in einer Form, die Gefahren und oft unvorhersehbare Anforderungen mit sich bringt, aber auch reich ist an besonderen und einzigartigen Möglichkeiten. 5. Als demütige und zugleich stolze Träger der umgestaltenden Kraft des Gottesreiches sowie mutige und konsequente Zeugen der Aufgabe und Sendung, die Kulturen der Völker zu evangelisieren, sind die Mitglieder der Säkularinstitute in der Geschichte Zeichen einer Kirche, die Freundin der Menschen ist, fähig, Trost für jede Art Betrübnis anzubieten, bereit, jeden wahren Fortschritt im menschlichen Zusammenleben zu unterstützen, aber zugleich unerbittlich gegenüber jeder Entscheidung zu Tod, Gewalttat, Lüge und Ungerechtigkeit. Sie sind für die Christen auch Zeichen und Aufruf zu der Aufgabe, sich im Namen Gottes einer Schöpfung anzunehmen, die Gegenstand der Liebe und des Wohlgefallens ihres Schöpfers bleibt, auch wenn sie vom Widerspruch der Auflehnung und der Sünde gezeichnet ist und der Befreiung von der Verderbnis des Todes bedarf. Ist es verwunderlich, wenn die Umwelt, mit der sie sich messen müssen, oft wenig dazu angetan ist, ihr Zeugnis zu begreifen und anzunehmen? Heute erwartet die Kirche Männer und Frauen, die zu einem erneuten Zeugnis für das Evangelium und seine radikalen Forderungen fähig sind und die mitten in den Lebensbedingungen des Großteils der Menschen stehen. Und auch die Welt wünscht — oft ohne sich dessen bewußt zu sein - die Begegnung mit dem Evangelium für einen wahren und ganzheitlichen Fortschritt der Menschheit nach dem Plane Gottes. 503 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter derartigen Bedingungen wird von den Mitgliedern der Säkularinstitute eine große Entschiedenheit und ein klares Stehen zum typischen Charisma ihrer Weihe abverlangt: zum Charisma der Synthese von Glauben und Leben, von Evangelium und menschlicher Geschichte, von vollständiger Hingabe an die Ehre Gottes und unbedingter Verfügbarkeit, der Fülle des Lebens der Brüder und Schwestern in dieser Welt zu dienen. Die Mitglieder der Säkularinstitute stehen aufgrund ihrer Berufung am Treffpunkt zwischen der Initiative Gottes und der Erwartung der Schöpfung: der Initiative Gottes, die sie durch die Liebe und die innere Verbundenheit mit Christus in die Welt tragen; der Erwartung der Schöpfung, die sie mit den täglichen und weltlichen Verhältnissen ihrer Mitmenschen teilen, indem sie sich mit den Widersprüchen und den Hoffnungen eines jeden Menschen, vor allem der Schwächsten und der Leidenden beladen. Auf jeden Fall ist den Säkularinstituten die Verantwortung anvertraut, alle an diese Sendung zu erinnern und sie mit einer besonderen Weihe in der Radikalität der evangelischen Räte zu bezeugen, damit die ganze christliche Gemeinschaft mit immer größerer Einsatzbereitschaft die Aufgabe erfülle, die Gott ihr in Christus anvertraut hat mit der Gabe seines Geistes (vgl. Apostol. Schreiben Vita consec-rata, Nm. 17-22). 6. Die heutige Welt scheint ein besonderes Empfinden zu haben für das Zeugnis derer, die es verstehen, mutig das Wagnis und die Verantwortung für eine epochale Entscheidungsfindung und des Plans zum Aufbau einer neuen und gerechteren Menschheit auf sich zu nehmen. Wir leben in Zeiten großer kultureller und sozialer Umbrüche. Aus diesem Grund wird es immer mehr klar, daß die Sendung des Christen in der Welt sich nicht auf ein bloßes und simples Beispiel von Rechtschaffenheit, Sach-verständigkeit und Pflichttreue beschränken darf. Das alles wird vorausgesetzt. Es geht darum, sich die Gesinnungen Jesu Christi zu eigen zu machen, um in der Welt Zeichen seiner Liebe zu sein. Das ist Sinn und Ziel der echten christlichen Weltlichkeit und daher Ziel und Wert der in den Säkularinstituten gelebten christlichen Weihe. In dieser Richtung erscheint es mehr denn je wichtig, daß die Mitglieder der Säkularinstitute intensiv eine geschwisterliche Gemeinschaft leben - sowohl innerhalb ihres eigenen Instituts als auch unter den Mitgliedern verschiedener Institute. Gerade weil sie sich, wie Sauerteig und Salz in der Welt verstreut, als bevorzugte Zeugen betrachten sollten für den Wert der geschwisterlichen Liebe und der christlichen Freundschaft, die heute so notwendig sind — vor allem in den großen verstädterten Gebieten, wo sich der Großteil der Weltbevölkerung sammelt. Ich möchte wünschen, daß jedes Säkularinstitut ein solcher Übungsplatz geschwisterlicher Liebe werde, ein Herdfeuer, an dem sich viele Männer und Frauen Licht und Wärme holen können für das Leben der Welt. 504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Zum Abschluß erbitte ich von Maria für alle Mitglieder der Säkularinstitute einen klaren Blick, gleich dem ihren, für die Situation der Welt, die Tiefe ihres Glaubens an das Wort Gottes und die Unmittelbarkeit ihrer Bereitschaft, dessen geheimnisvollen Plan zu erfüllen mit dem Ziel einer immer wirksameren Mitarbeit am Heilswerk. Ihren mütterlichen Händen empfehle ich die Zukunft der Säkularinstitute - eines auserwählten Teils des Volkes Gottes - an und erteile jedem von euch hier Anwesenden den Apostolischen Segen, den ich gerne auf alle Mitglieder der über die fünf Kontinente verstreuten Säkularinstitute erstrecke. Eine Lebensform in der Kirche mit der Kirche Botschaft zum I. Tag des geweihten Lebens am 2. Februar 1997 vom 6. Januar Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Personen des geweihten Lebens! 1. Die Feier des Tages des geweihten Lebens, der am kommenden 2. Februar zum ersten Mal begangen wird, will der ganzen Kirche helfen, das Zeugnis der Männer und Frauen, die sich für ein Leben der engeren Christusnachfolge durch die Übernahme der evangelischen Räte entschieden haben, immer mehr wertzuschätzen. Zugleich will er für die Personen des geweihten Lebens Gelegenheit sein, ihre Vorsätze zu erneuern und ihre Hingabe an den Herrn zu verlebendigen. Die Sendung des geweihten Lebens in der Gegenwart und Zukunft der Kirche an der Schwelle zum dritten Jahrtausend betrifft nicht nur diejenigen, denen dieses besondere Charisma geschenkt wurde, sondern alle Christen. In meinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita Consecrata, das im letzten Jahr veröffentlicht wurde, habe ich geschrieben: „Tatsächlich steht das geweihte Leben als entscheidendes Element für die Sendung der Kirche in deren Herz und Mitte, da es ,das innerste Wesen der christlichen Berufung offenbart und darstellt1 und das Streben der ganzen Kirche als Braut nach der Vereinigung mit dem einen Bräutigam zum Ausdruck bringt“ (Nr. 3). Die Personen des geweihten Lebens möchte ich noch einmal ermuntern, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken und auf die Treue Gottes und die Macht seiner Gnade zu bauen, die fähig ist, immer neue Wunder zu wirken: „Ihr sollt euch nicht nur einer glanzvollen Geschichte erinnern und darüber erzählen, sondern ihr habt eine große Geschichte aufzubauen! Blickt in die Zukunft, in die der Geist euch versetzt, um durch euch noch große Dinge zu vollbringen“ (ehd., Nr. 110). 2. Das Ziel eines solchen Tages ist darum ein dreifaches: zunächst entspricht er dem inneren Bedürfnis, den Herrn in noch feierlicherer Weise zu preisen und ihm für das große Geschenk des geweihten Lebens zu danken. Denn es bereichert und erfreut die christliche Gemeinschaft mit der Vielfalt seiner Charismen und den Früchten der Erbauung, die aus der Ganzhingabe so vieler an Gottes Reich fließen. 505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir dürfen niemals vergessen, daß das geweihte Leben nicht zuerst Ergebnis menschlicher Anstrengungen ist, sondern Gabe, die von oben kommt, Initiative des Vaters, „der sein Geschöpf mit einer besonderen Liebe und im Hinblick auf eine spezielle Sendung an sich zieht“ (ebd., Nr. 17). Dieser Blick seiner bevorzugten Liebe trifft zutiefst das Herz des Gerufenen, welcher sich vom Heiligen Geist bewegt aufmacht, der Spur Christi in einer Form der besonderen Nachfolge durch die Übernahme der evangelischen Räte der Jungfräulichkeit, der Armut und des Gehorsams nachzugehen. Welch wunderbares Geschenk! „Was wäre die Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe?“, fragte sich zu Recht die hl. Theresia (Buch des Lebens, Kap. 32,11). Eine Frage, die uns anregt, dem Herrn unentwegt dafür zu danken, daß er mit dieser besonderen Gabe des Geistes seine Kirche auf ihrem schwierigen Weg durch die Welt belebt und ihr beisteht. 3. Zweitens will dieser Tag die Kenntnis und die Wertschätzung des geweihten Lebens im ganzen Gottesvolk fördern. Wie das Konzil hervorhob (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44) und wie ich selbst in dem oben genannten Apostolischen Schreiben bekräftigt habe, „ahmt das geweihte Leben ... die Lebensform ausdrücklicher nach und bringt sie in der Kirche ständig zur Darstellung1, die Jesus, der höchste Geweihte und Gesandte des Vaters für sein Reich und für die Jünger, die ihm folgten, bestimmt hat“ (Nr. 22). Das geweihte Leben ist also in besonderer und lebendiger Weise Erinnerung an das Sohn-Sein Jesu, der den Vater zu seiner einzigen Liebe macht - die Jungfräulichkeit Jesu -, der all seinen Reichtum ausschließlich in Ihm findet - seine Armut -und für den der Wille des Vaters die „Speise“ ist, die ihn nährt (vgl. Joh 4,34) sein Gehorsam. Diese Lebensform, die Christus selbst auf sich genommen hat und die besonders durch die Personen des geweihten Lebens gegenwärtig gesetzt wird, ist von großer Bedeutung für die Kirche, die ja in jedem ihrer Glieder gerufen ist, gleichermaßen nach Gott als ihrem Alles zu trachten und Christus im Licht und in der Kraft des Heiligen Geistes nachzufolgen. Das Leben der besonderen Weihe an Gott in seinen vielfältigen Ausdrucksformen steht somit im Dienst an der Taufweihe aller Gläubigen. In der Betrachtung der Gabe des geweihten Lebens betrachtet die Kirche ihre innerste Berufung, allein ihrem Herrn zu gehören und in seinen Augen „ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos“ (.Eph 5,27) - zu sein. So ist verständlich, warum man dieser Lebensform einen speziellen Tag widmet, der dazu beiträgt, daß alle Glieder des Gottesvolkes eingehender und tiefer über das geweihte Leben nachdenken und seine Lehre aufhehmen. 4. Der dritte Beweggrund betrifft direkt die Personen des geweihten Lebens, die eingeladen sind, gemeinsam und in feierlicher Weise die Wundertaten zu feiern, die der Herr an ihnen vollbracht hat, um mit noch klarerem Glaubensblick die Strahlen der göttlichen Schönheit wahrzunehmen, die der Geist ihrer Lebensform 506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verliehen hat, und um sich ihrer unersetzlichen Sendung in der Kirche und in der Welt lebendiger bewußt zu werden. In eine oft hektische und zerstreuende Welt hineingestellt und manches Mal von drängenden Aufgaben in Beschlag genommen, wird die Feier solch eines jährlichen Gedenktages den Personen des geweihten Lebens auch helfen, zu den Quellen ihrer Berufung zurückzukehren, eine Bilanz ihres eigenen Lebens zu ziehen und die Verpflichtung ihrer Weihe zu bekräftigen. So können sie den Männern und Frauen unserer Zeit in den verschiedenen Lebenslagen mit Freude Zeugnis davon geben, daß der Herr die Liebe ist und fähig, das Herz des Menschen zu erfüllen. Es ist wirklich dringend notwendig, daß das geweihte Leben sich immer mehr als „von Freude und vom Heiligen Geist erfüllt“ darstellt, schwungvoll die Wege der Sendung geht und aufgrund des gelebten Zeugnisses an Glaubwürdigkeit gewinnt, denn „der heutige Mensch ... hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann eben, weil sie Zeugen sind“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 41). 5. Der Tag des geweihten Lebens wird an dem kirchlichen Festtag begangen, der daran erinnert, daß Maria und Josef Jesus im Tempel dargebracht haben, „um ihn dem Herrn zu weihen“ (vgl. Lk 2,22). In dieser Szene des Evangeliums wird das Geheimnis Christi, des Geweihten des Vaters, enthüllt, der in die Welt gekommen ist, um den Willen Gottes treu zu erfüllen (vgl. Hebr 10,5-7). Simeon bezeichnet ihn als „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32), und sagt mit prophetischen Worten das erhabene Opfer Jesu an den Vater und seinen endgültigen Sieg voraus (vgl. Lk 2,32-35). Die Darstellung Jesu im Tempel ist so ein beredtes Bild der Ganzhingabe des eigenen Lebens für diejenigen, die berufen sind, in der Kirche und in der Welt durch die evangelischen Räte „die Wesenszüge Christi - Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam“ — (Vita Consecrata, Nr. 1) sichtbar zu machen. Mit der Darstellung Christi ist Maria verbunden. Die jungfräuliche Mutter, die ihren Sohn zum Tempel bringt, um ihn dem Vater zu weihen, ist ein treffendes Bild für die Kirche, die fortfahrt, ihre Söhne und Töchter dem himmlischen Vater darzubringen und sie so mit dem einzigen Opfer Christi zu verbinden, das Grund und Vorbild jeder Weihe in der Kirche ist. Seit einigen Jahrzehnten ist der 2. Februar in der Kirche Roms und in anderen Diözesen für zahlreiche Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens Anlaß, sich gleichsam spontan um den Papst und die Hirten der jeweiligen Diözesen zu scharen, um in Gemeinschaft mit dem ganzen Volk Gottes auf die Gabe und Verpflichtung ihrer Berufung, die Vielfältigkeit der Charismen des geweihten Lebens und ihre spezifische Präsenz in der Gemeinschaft der Gläubigen aufmerksam zu machen. Es ist mein Wunsch, daß diese Erfahrung sich auf die ganze Kirche ausweitet, damit die Feier des Tages des geweihten Lebens die Personen des geweihten Lebens und die anderen Gläubigen zusammenbringt, um mit der Gottesmutter Maria die 507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wundertaten zu besingen, die der Herr an so vielen seiner Söhne und Töchter vollbracht hat, und um allen kundzutun, daß alle von Christus Erlösten dazu bestimmt sind, „ein Volk zu sein, das ihm heilig ist“ (vgl. Dtn 28,9). 6. Liebe Brüder und Schwestern, während ich die Einrichtung dieses Gedenktages dem mütterlichen Schutz Mariens anempfehle, wünsche ich von Herzen, daß er reiche Frucht für die Heiligkeit und Sendung der Kirche trage. Insbesondere möge er helfen, in der Gemeinschaft der Christen die Wertschätzung für die Berufungen zum geweihten Leben zu vermehren, das Gebet um Berufungen in ihr zu intensivieren, und so dazu beitragen, daß in den Jugendlichen und ihren Familien eine Haltung großherziger Bereitschaft reifen kann, diese Gabe anzunehmen. Dies wird dem kirchlichen Leben in seiner Gesamtheit zum Nutzen gereichen und der Neuevangelisierung Kraft geben. Ich vertraue darauf, daß dieser „Tag“ des Gebets und der Reflektion den Ortskirchen hilft, das Geschenk des geweihten Lebens immer mehr zu schätzen und sich an seiner Botschaft zu messen, um das rechte und fruchtbare Gleichgewicht zwischen Aktion und Kontemplation, Gebet und tätiger Nächstenliebe, Engagement im Hier und Jetzt der Geschichte und eschatologische Erwartung zu finden. Die Jungfrau Maria, die das hohe Vorrecht hatte, dem Vater seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus als reine und heilige Opfergabe darzubringen, möge dafür sorgen, daß wir immer offen und aufhahmebereit für die großen Werke sind, die Er nicht aufhört, zum Wohl seiner Kirche und der ganzen Menschheit zu vollbringen. Indem ich den Personen des geweihten Lebens Beständigkeit und Freude an ihrer Berufüng wünsche, erteile ich allen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 6. Januar 1997 Joannes Paulus PP. II Das Kommen, die Begegnung und die Prophezeiung Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ {Lk 2,32). Vierzig Tage nach der Geburt wurde Jesus von Maria und Josef zum Tempel gebracht, um dem Herrn geweiht zu werden (vgl. Lk 2,22) gemäß der Vorschrift im Gesetz des Mose: „Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein“ {Lk 2,23), und um „ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ {Lk 2,24) als Opfer darzubringen. In der Erinnerung an diese Ereignisse folgt die Liturgie bewußt und genau dem Rhythmus dessen, was die Evangelien berichten: dem Ablauf der vierzig Tage seit der Geburt Christi. Ebenso wird sie es dann halten hinsichtlich des Zeitabschnitts von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt. Drei grundlegende Elemente werden 508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in dem heute gemäß dem Evangelium gefeierten Ereignis sichtbar: das Geheimnis des Kommens, die Wirklichkeit der Begegnung und die Verkündigung der Prophezeiung. 2. Vor allem das Geheimnis des Kommens. Die biblischen Lesungen, die wir gehört haben, unterstreichen das Außergewöhnliche dieses Kommens Gottes: der Prophet Maleachi kündet es mit überschwenglicher Freude an, der Antwortpsalm besingt es, der Text des Evangeliums nach Lukas beschreibt es. Hören wir z. B., was der Antwortpsalm sagt: „Ihr Tore, hebt euch nach oben,... denn es kommt der König der Herrlichkeit. Wer ist der König der Herrlichkeit? Der Herr, ... mächtig im Kampf ... Der Herr der Heerscharen, er ist der König der Herrlichkeit“ (Ps 23,7-8.10). Der jahrhundertelang Erwartete, er, der die Erfüllung der Verheißungen des Alten Bundes ist, kommt in den Tempel von Jerusalem: der angekündigte Messias. Der Psalmist nennt ihn „König der Herrlichkeit“. Erst später wird es klar, daß sein Reich nicht von dieser Welt ist (vgl. Joh 18,36) und daß die, die zu dieser Welt gehören, für ihn eine Krone bereithalten - keine Königskrone, sondern eine Dornenkrone. Die Liturgie aber blickt weiter. Sie sieht in diesem vierzig Tage alten Kind das „Licht“, dazu bestimmt, die Völker zu erleuchten, und stellt es vor als die „Herrlichkeit“ des Volkes Israel (vgl. Lk 2,32). Es ist jener, der den Tod besiegen soll. Der Brief an die Hebräer verkündet, das Erlösungsgeheimnis erläuternd: „Da nun die Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, hat auch er in gleicher Weise Fleisch und Blut angenommen“ (Hebr 2,14), als er die menschliche Natur annahm. Nachdem er das Geheimnis der Menschwerdung beschrieben hat, stellt der Verfasser des Briefes an die Hebräer das Geheimnis der Erlösung vor: „Darum mußte er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen. Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden“ (ebd. 2,17-18). Das ist eine tiefe und ergreifende Darstellung des Geheimnisses Christi. Der Brief an die Hebräer hilft uns besser verstehen, warum es ein entscheidendes Ereignis für die Heilsgeschichte ist, daß der neugeborene Sohn Marias nach Jerusalem kommt. Seitdem der Tempel in Jerusalem errichtet wurde, erwartete er in einzigartiger Weise den Verheißenen. Dessen Kommen hat daher eine priesterliche Bedeutung: „Ecce sacerdos magnus“; seht, der wahre und ewige Priester kommt in den Tempel. 3. Das zweite charakteristische Element der heutigen Feier ist die Wirklichkeit der Begegnung. Wenn auch niemand Josef und Maria erwartet, die mitten unter den Leuten mit dem kleinen Jesus in den Tempel kommen, so geschieht dort doch etwas ganz Einzigartiges. Sie treffen hier Menschen, die vom Heiligen Geist geführt sind, den betagten Simeon, von dem der hl. Lukas schreibt: „Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht 509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe“ {Lk 2,25-26). Und die Prophetin Hanna. „Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten“ {Lk 2,36-37). Der Evangelist fährt fort: „In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ {Lk 2,38). Simeon und Hanna: ein Mann und eine Frau, Vertreter des Alten Bundes, die gewissermaßen ihr ganzes Leben auf diesen Augenblick hin zugebracht hatten, wo der Tempel von Jerusalem von dem erwarteten Messias besucht werden sollte. Simeon und Hanna begreifen, daß der Augenblick nun endlich gekommen ist, und, vergewissert durch diese Begegnung, können sie, den Frieden im Herzen, das letzte Stück ihres Lebensweges ins Auge fassen: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen“ {Lk 2,29-30). In dieser bescheidenen Begegnung bringen die Worte und die Gesten eindrucksvoll die Wirklichkeit des Geschehens zum Ausdruck Das Kommen des Messias hat sich nicht unbemerkt ereignet. Es ist von dem durchdringenden Blick des Glaubens erkannt worden, den der greise Simeon in seinen ergreifenden Worten kundtut. 4. Das dritte Element, das an diesem Fest hervortritt, ist die Prophezeiung: Heute erklingen wahrhaft prophetische Worte. Das liturgische Stundengebet schließt jeden Tag ab mit dem inspirierten Lobgesang des Simeon: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen ..., ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ {Lk 2,29-32). Zu Maria gewandt, fügt der greise Simeon hinzu: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). So werden wir schon, während wir noch am Beginn des Lebens Jesu stehen, nach Golgota hin ausgerichtet. Am Kreuz wird Jesus sich endgültig als Zeichen des Widerspruchs bestätigen, und dort wird das Herz der Mutter vom Schwert des Leids durchbohrt. Alles wird uns schon von Anfang an gesagt, am vierzigsten Tag nach der Geburt Jesu, am Fest der Darstellung Jesu im Tempel, das sehr bedeutsam ist in der Liturgie der Kirche. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Der heutige Tag wird in diesem Jahr noch um eine Bedeutung reicher. Zum ersten Mal nämlich feiern wir den Tag des geweihten Lebens. Euch allen, liebe Ordensmänner und Ordensflauen, und euch, liebe Brüder und Schwestern der Säkularinstitute und der Gemeinschaften apostolischen Lebens, ist 510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Aufgabe anvertraut, durch Wort und Beispiel den Vorrang zu verkündigen, den das Absolute vor jeder menschlichen Wirklichkeit hat. Es ist ein dringender Auftrag in dieser unserer Zeit, die nicht selten den echten Sinn für Gott verloren zu haben scheint. So sagte ich in der Botschaft, die ich zu diesem ersten Tag des geweihten Lebens an euch gerichtet habe: „Es ist wirklich dringend notwendig, daß das geweihte Leben sich immer mehr als ,von Freude und vom Heiligen Geist erfüllt1 darstellt, schwungvoll die Wege der Sendung geht und aufgrund des gelebten Zeugnisses an Glaubwürdigkeit gewinnt, denn ,der heutige Mensch ... hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann eben, weil sie Zeugen sind1 (vgl. Paul VI. Evangelii nuntiandi, Nr. 41)“ (Nr. 4, O.R.,dt., 31.1.1997, S. 7). Möge eure Sendung in der Kirche und in der Welt Licht und Quelle der Hoffnung sein! Zusammen mit dem greisen Simeon und der Prophetin Hanna gehen wir dem Herrn in seinem Tempel entgegen. Wir nehmen das Licht seiner Offenbarung an und setzen uns dafür ein, es im Blick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 bei unseren Brüdern und Schwestern zu verbreiten. Die Heilige Jungfrau möge uns begleiten, die Mutter der Hoffnung und der Freude. Und sie erlange allen Glaubenden, daß sie Zeugen des Heils seien, das Gott vor allen Völkern bereitet hat in seinem menschgewordenen Sohn Jesus Christus, Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für sein Volk Israel. Amen. Ökumenisches Handeln erhält seine Lebenskraft aus dem Gebet Botschaft an die Teilnehmer eines Kongresses von Bischöfen, die der Fokolar-Bewegung verbunden sind, vom 6. Februar Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. Es war eigentlich mein Wunsch, euch anläßlich des Kongresses, zu dem ihr als Freunde der Fokolar-Bewegung jährlich zusammenkommt, zu begegnen. Da mir dies nicht möglich ist, wollte ich euch wenigstens schriftlich meine Grüße zukommen lassen und euch versichern, daß ich euch in der Liebe Christi nahe bin. Diese Tage waren für euch eine günstige Gelegenheit, um gemeinsam die tiefen Bande der Gemeinschaft zu erneuern, die euch am Vorabend des neuen Jahrtausends durch den Heiligen Geist in der einträchtigen Hingabe im Dienst an der Braut Christi vereint. Alle Augen sind auf diesen historischen Augenblick gerichtet, in dem wir das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend begehen werden. Euer Kongreß hat es sich zur Aufgabe gestellt, in diesem Lichte tiefer den Sinn der bischöflichen Sendung in Verbindung mit dem Auftrag, den Christus den Aposteln 511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anvertraut hat, zu beleuchten. Ihr habt euch besonders Gedanken gemacht über die Präsenz des auferstandenen Christus in der Gemeinschaft durch das neue Gebot der Liebe. 2. Das Thema der Christologie kennzeichnet ja, wie bekannt, das Jahr 1997, das erste der unmittelbaren dreijährigen Vorbereitungszeit auf das Heilige Jahr. Bei der Vorbereitung auf die Jubiläumsfeierlichkeiten möchte die Kirche ihre Aufmerksamkeit besonders auf „Christus, das Wort des Vaters“, richten, „das Mensch geworden ist durch das Wirken des Heiligen Geistes“ (vgl. Tertio millennio adve-niente, Nr. 40). Der Vater sendet den Sohn, welcher, seiner Sendung getreu, im Schoße der Jungfrau von Nazaret Mensch wird durch das Wirken des Heiligen Geistes: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Die ganze Heilsgeschichte ist durchwirkt von der Liebe. Das Wort ist der ewig geliebte und ewig liebende Sohn. Wie könnte man angesichts dieses Geheimnisses der Liebe nicht in Staunen geraten? Das Geheimnis der Fleischwerdung birgt eine einzigartige Ausgießung der göttlichen Liebe: die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Jungfrau Maria. Der Evangelist Lukas schreibt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). 3. Es kann allerdings die Menschwerdung nicht vom Tod und der Auferstehung Christi getrennt werden. Die Apostel sahen den Auferstandenen und sind ihm begegnet; dieses außerordentliche Ereignis hat sie in Zeugen verwandelt, die erfüllt waren von Freude und apostolischem Eifer. Wie damals ist es also auch heute die vomehmliche Aufgabe der Apostel, zu verkünden und mit ihrem Leben zu bezeugen, daß Christus wahrhaft auferstanden und mitten unter uns ist durch das neue Gebot, das er uns hinterlassen hat. Die göttliche Liebe ist ein lebendiges Vermächtnis. Wenn wir sie Tag für Tag leben, gestattet sie uns, immer tiefer jene Einheit zu verwirklichen, die Jesus selbst während des Letzten Abendmahles flehentlich vom Vater erbat: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Nur das Gebot der Liebe, einer Liebe, die bis zur vollkommenen Hingabe des Lebens geht, ist das Geheimnis der Auferstehung. Das ist das Herzstück der christlichen Neuheit. In der Stille des Gebetes und der Betrachtung können wir mit Christus in Verbindung treten und seine Worte hören: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe ... Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen“ (Joh 10,17-18). Eine Spiritualität der Gemeinschaft bedeutet also für die Hirten der Kirche die völlige Selbsthingabe; das heißt, das Kreuz der anderen als das eigene Kreuz betrachten. 512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Verehrte und geliebte Brüder! Einen besonderen Stellenwert hatten bei den Arbeiten eures Kongresses die Überlegungen bezüglich des Ökumenismus und des interreligiösen Dialoges im Lichte des übernatürlichen Gesetzes der göttlichen Liebe. Das war eine durchaus lobenswerte Aufmerksamkeit, gerade in Beziehung zum bevorstehenden geschichtlichen Jubiläumsereignis. Das Zweite Vatikanische Konzil erklärt diesbezüglich: „Durch die Zusammenarbeit der Christen kommt die Verbundenheit, in der sie schon untereinander vereinigt sind, lebendig zum Ausdruck, und das Antlitz Christi ... tritt in hellerem Licht zutage“ (Unitatis redin-tegratio, Nr. 12). Die ökumenische Zusammenarbeit erwächst aus der Gnade, die der Vater als Antwort auf das Gebet Christi gewährt (vgl. Joh 17,21), sowie aus dem Wirken des Heiligen Geistes in uns (vgl. Rom 8,:26-27). Doch der wahre Ökumenismus bringt seine Früchte nur dort hervor, wo die Liebe in einem echten Geist des Dienstes an den Brüdern wächst nach dem Beispiel Christi, der nicht kam, um bedient zu werden, sondern um zu dienen (vgl. Mt 20,28). Das ist der Ökumenismus, der im Leben einer jeden Diözese einen bedeutenden Platz einnehmen muß. Durch historische, theologische und liturgische Studien und Debatten und durch das gegenseitiges Verständnis im Alltagsleben (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 5) muß er in jeder Hinsicht vertieft werden. Ein solches ökumenisches Handeln erhält seine Lebenskraft aus dem unablässigen Gebet, das mit Vertrauen vor den gemeinsamen himmlischen Vater getragen wird, auf daß es bald zur vollen Einheit aller Christen komme. Dies ist auch mein Wunsch, den ich bestärken möchte, indem ich euch des steten Gedenkens beim Herrn versichere. Möge Er euch begleiten, verehrte Brüder im Bischofsamt, und möge Er euch beistehen in eurem täglichen Hirtendienst. Ich rufe den Beistand Mariens, der Mutter der Einheit, auf euch herab und erteile euch und all den Ortskirchen, die euch anvertraut sind, von Herzen einen besonderen Segen. Aus dem Vatikan, 6. Februar 1997 Joannes Paulus PP. II Der Wert einer Gesellschaft erweist sich in ihrer Haltung zu den Leidenden Botschaft zum V. Welttag der Kranken am 11. Februar 1997 vom 18. Oktober 1996 1. Den nächsten Welttag der Kranken werden wir am 11. Februar 1997 begehen. Die Feier findet statt im Marienwallfahrtsort Fatima im geliebten Land Portugal. Diese Ortswahl ist ganz besonders bedeutsam für mich, bin ich doch am zehnten Jahrestag des Anschlags, der auf dem Petersplatz auf mich verübt wurde, dorthin 513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gepilgert, um der göttlichen Vorsehung zu danken, die es in ihrem unergründlichen Ratschluß gefügt hat, daß dieses dramatische Ereignis auf geheimnisvolle Weise mit dem Jahrestag der ersten Erscheinung der Gottesmutter am 13. Mai 1917 in der Cova da Iria zusammenfiel. Ich freue mich also, daß gerade in Fatima die offizielle Feier eines solchen Tages - des Welttags der Kranken, der mir ganz besonders am Fierzen liegt - stattfindet. Das bietet einem jeden von uns wieder neu die Gelegenheit, sich auf die Botschaft der Jungfrau hörend einzulassen, die „in ihrem wesentlichen Kern der Ruf zur Umkehr und Buße [ist], wie im Evangelium. Dieser Ruf ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergangen; er richtet sich darum in besonderer Weise an dieses Jahrhundert. Die Hohe Frau dieser Botschaft liest gleichsam ,die Zeichen der Zeit‘ mit besonderer Eindringlichkeit, die Zeichen unserer Zeit“ {Predigt in Fatima am 13. Mai 1982; in: Der Apostolische Stuhl [1982], S. 399). Wenn wir auf die heiligste Jungfrau hören, wird es möglich, daß wir in lebendiger und ergreifender Weise ihre Sendung im Mysterium Christi und der Kirche neu entdecken: Eine Sendung, die sich schon im Evangelium abzeichnet, als Maria Jesus nahelegt, sein erstes Wunder zu wirken, und beim Hochzeitsmahl zu Kana in Galiläa zu den Dienern sagt: „Was er euch sagt, das tut!“ {Joh 2,5). In Fatima wiederholt sie das klare Wort des Sohnes, das er am Anfang seines Wirkens sprach: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ {Mk 1,15). Die eindringliche Aufforderung Marias zur Buße ist nichts anderes als der Ausdruck ihrer mütterlichen Sorge um das Los der Menschenfamilie, die der Umkehr und der Verzeihung bedarf. 2. Auch andere Worte des Sohnes bringt Maria in Fatima erneut zum Ausdruck. Insbesondere erklingt in der Cova da Iria die Einladung Christi: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ {Mt 11,28). Sind die Pilgerscharen, die aus aller Welt an jenen gesegneten Ort strömen, denn nicht ein sprechendes Zeugnis für das Bedürfnis nach Ruhe und Trost, das unzählige Menschen in ihrem Leben verspüren? Es sind vor allem die Leidenden, die sich von der Aussicht auf Ruhe angezogen fühlen, die der göttliche Arzt jenen zu bieten vermag, die sich mit Vertrauen an ihn wenden. Und in Fatima kann man diese Ruhe finden: Manchmal ist es Ruhe des Leibes, wenn Gott aus seiner Vorsehung Heilung von einer Krankheit gewährt; häufiger ist es Ruhe des Geistes, wenn die Seele, vom inneren Licht der Gnade durchdrungen, die Kraft findet, die schmerzliche Last der Krankheit anzunehmen und durch die Gemeinschaft mit Christus, dem leidenden Gottesknecht, zu einem Werkzeug der Erlösung und des Heils für sich und die anderen zu machen. Die Richtung auf diesem schwierigen Weg wird uns von der mütterlichen Stimme Marias gewiesen, die in der Geschichte und im Leben der Kirche, in besonderer Weise aber in unserer Zeit, immerzu fortfährt, die Worte zu wiederholen: „Was er euch sagt, das tut!“ 514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Der Welttag der Kranken ist also eine kostbare Gelegenheit, um die Ermahnungen der Mutter Jesu wieder zu hören und zu beherzigen, der Mutter, der unter dem Kreuz die Menschheit anvertraut wurde (vgl. .Joh 19,25-27). Der kommende Welttag fallt in das erste der drei Vorbereitungsjahre für das Große Jubiläum des Jahres 2000: ein Jahr, das zur Gänze der Reflexion über Christus gewidmet ist. Eben diese Reflexion über die zentrale Stellung Christi kann „nicht getrennt werden von der Anerkennung der Rolle, die seine heilige Mutter gespielt hat. [...] Maria weist fortwährend auf ihren göttlichen Sohn hin und stellt ihn allen Gläubigen als Vorbild gelebten Glaubens vor Augen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 43). Die Vorbildlichkeit Marias findet ihren höchsten Ausdruck in der Aufforderung, auf den Gekreuzigten zu schauen, um von demjenigen zu lernen, der in allem das menschliche Los auf sich genommen und aus freiem Willen unsere Leiden auf sich geladen hat, um sich dem Vater „mit lautem Schreien und unter Tränen“ (Hehr 5,7) als unschuldiges Opfer für uns Menschen und für unser Heil darzubringen. So hat er das Leid erlöst und in ein Geschenk heilbringender Liebe umgewandelt. 4. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr an der Seele und am Leib leidet! Gebt der Versuchung nicht nach, den Schmerz als eine ausschließlich negative Erfahrung zu betrachten und womöglich an der Güte Gottes zu zweifeln. Im leidenden Christus findet jeder Kranke den Sinn seines Leidens. Leid und Krankheit gehören zur Befindlichkeit des Menschen, eines schwachen und begrenzten Geschöpfs, von Geburt an von der Erbsünde gezeichnet. In Christus, der gestorben und auferstanden ist, entdeckt die Menschheit jedoch eine neue Dimension ihres Leidens: Anstatt als Scheitern offenbart es sich als Gelegenheit, um ein Zeugnis des Glaubens und der Liebe abzulegen. Meine lieben Kranken, mögt ihr in der Liebe „den heilbringenden Sinn ... [eures] Schmerzes und gültige Antworten auf alle ... [eure] Fragen finden können“ (Salvi-ßici doloris, Nr. 31). Eure Sendung ist von höchstem Wert sowohl für die Kirche als auch für die Gesellschaft. „Ihr, auf denen das Leiden lastet, ihr steht in der ersten Reihe derer, die Gott liebt. Wie auf all jene, denen er auf den Straßen Palästinas begegnete, so hat Jesus seinen liebevollen Blick auch auf euch geworfen; seine Liebe wird euch nie fehlen“ (Ansprache an die „ vom Leben Verwundeten ", Tours, 21. September 1996, Nr. 2, in: O.R.dt. 11.10.96, S. 8). Diese Vorliebe mögt ihr hochherzig zu bezeugen wissen durch die Hingabe eures Leidens, das solche Macht für das Heil der Menschheit besitzt. In einer Gesellschaft wie der heutigen, die auf Wohlstand und Konsum ihre Zukunft aufzubauen sucht und alles nach Effizienz und Profit bewertet, werden Krankheit und Leid, da man sie nicht leugnen kann, entweder verdrängt oder ihres Sinnes entleert durch die Illusion, sie allein durch die Mittel, die der Fortschritt in Wissenschaft und Technik bietet, überwinden zu können. Zweifellos bleiben Krankheit und Leid eine Grenze und Prüfung für den menschlichen Verstand. Doch im Licht des Kreuzes Christi werden sie zu einem bevor- 515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zugten Augenblick für das Wachstum im Glauben und zu einem kostbaren Werkzeug, um in Verbindung mit Jesus, dem Erlöser, zur Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes beizutragen. 5. Im Evangelium vom Jüngsten Gericht, wo es heißt, daß „der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm“ {Mt 25,31), sind die Kriterien aufgeführt, aufgrund deren das Urteil gesprochen werden wird. Bekanntlich sind diese in der feierlichen Schlußaussage zusammengefaßt: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Unter diesen „geringsten Brüdern“ befinden sich die Kranken (vgl. Mt 25,36), die oft einsam und von der Gesellschaft verstoßen sind. Eines der Hauptziele der Feier des Welttags der Kranken ist es, die öffentliche Meinung ihnen gegenüber zu sensibilisieren: Es geht darum, den Leidenden nahe zu sein, damit sie ihr Leiden fruchtbar werden lassen können - auch dank der Hilfe derer, die als Pfleger und Betreuer an ihrer Seite stehen. Das ist der Einsatz, zu dem der Welttag aufruft. Nach dem Beispiel Jesu gilt es, als „barmherzige Samariter“ auf leidende Menschen zuzugehen. Es gilt zu lernen, „in den Menschen dem Menschensohn zu dienen“, wie der sei. Luigi Orione sagte (vgl. Scritti 57, 104). Man muß die Leiden der Mitmenschen mit solidarischem Blick zu sehen wissen: nicht „weitergehen“, sondern „Nächster“ sein, bei ihnen mit Gesten des Dienstes und der Liebe verweilen, welche die ganzheitliche Gesundheit der menschlichen Person zum Ziel haben. Eine Gesellschaft zeichnet sich aus durch die Aufmerksamkeit, die sie den Leidenden entgegenbringt, und das Verhalten, das sie ihnen gegenüber einnimmt. In der Welt, in der wir leben, bleiben zu viele Menschen von der Liebe der familiären und sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen. Die heiligste Jungfrau, die in Fatima drei armen Hirtenkindem erschienen ist, um sie zu Verkündigern der Botschaft des Evangeliums zu machen, hat damit ihr befreiendes Magnificat erneuert als Fürsprecherin derer, „die die widrigen Umstände des eigenen und sozialen Lebens nicht passiv hinnehmen, die auch nicht der ,Selbstentffemdung‘ unterliegen, wie man heute zu sagen pflegt, die vielmehr mit ihr verkünden, daß Gott ,der Anwalt der Kleinen und Unterdrückten ist“, daß er gelegentlich auch ,die Mächtigen vom Thron stürzt“1 (Homilie in der Wallfahrtskirche U. Lb. Frau von Zapopän/Mexiko am 30. Januar 1979, Nr. 4, in: O.R.dt. 16.2.1979, S. 6). 6. Auch bei dieser Gelegenheit wiederhole ich daher einen eindringlichen Appell an die Träger öffentlicher Verantwortung, an die internationalen und nationalen Gesundheitsorganisationen, an die im Sanitätsswesen Tätigen, an die Vereinigungen der Freiwilligendienste und an alle Menschen guten Willens, sich dem Einsatz der Kirche anzuschließen, die, der Lehre Christi folgend, durch das Zeugnis des Dienstes an den Leidenden das Evangelium verkünden will. Die heiligste Jungfrau, die in Fatima so viele Tränen getrocknet hat, möge allen helfen, diesen Welttag der Kranken zu einem kennzeichnenden Augenblick der „Neuevangelisierung“ werden zu lassen. 516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dies wünschend, rufe ich den mütterlichen Schutz Marias, Mutter des Herrn und unsere Mutter, auf die Initiativen zum Welttag der Kranken herab und erteile euch lieben Kranken, euren Angehörigen, den im Sanitätswesen Tätigen, den freiwilligen Helfern und allen, die euch mit solidarischem Geist in euren Leiden begleiten, meinen liebevollen Segen. Aus dem Vatikan am 18. Oktober 1996 Krankheit als Aufruf zur Bekehrung Grußworte beim Gottesdienst am Welttag der Kranken, 11. Februar Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofs und im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich, am Abschluß der heiligen Messe, die anläßlich des fünften Welttages des Kranken als liturgischer Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes gefeiert wird, an euch alle einen herzlichen Gruß zu richten. Dieser Tag fuhrt uns in Gedanken an die Grotte von Massabielle, um im Gebet dort zu verweilen und dem mütterlichen Schutz der heiligen Jungfau, Heil der Kranken, alle Kranken zu empfehlen, vor allem jene, die an Körper und Geist besonders schwer geprüft sind. Die offizielle Feier findet heute im Heiligtum Unserer Lieben Frau in Fatima statt, das mir besonders teuer ist und das in dieser Vorbereitungszeit auf das Jubiläum des Jahres 2000 besondere Bedeutung hat. Die Botschaft der Jungfrau von Fatima ist - wie im übrigen auch die von Lourdes - ein Aufruf zur Bekehrung und Buße, ohne die es keine echte Jubiläumsfeier geben kann. Auch die Krankheit stellt für die menschliche Person einen Aufruf zur Bekehrung dar, eine Aufforderung, sich voll und ganz Christus anzuvertrauen, der für jeden Menschen und für den ganzen Menschen die einzige Quelle des Heils ist. Dazu lädt der Leitgedanke des vom Römischen Pilgerwerk (Opera Romana Pellegri-naggi) veranstalteten Treffens ein. Er bildet ein Echo zum allgemeinen Thema des ersten Vorbereitungjahres auf das Jubiläum. 2. Mein liebevolles Gedenken richtet sich besonders an die zahlreich anwesenden Kranken und des weiteren auch von Herzen an alle Kranken, die mit uns durch Rundfunk und Fernsehen verbunden sind. Liebe Brüder und Schwestern, die Gottesmutter möge einem jeden und einer jeden geistig und körperlich Trost und Hilfe erlangen. Gern segne ich auch die hier versammelten Begleitpersonen, die Freiwilligen und die Mitglieder von UNITALSI, und ich danke ihnen für die wertvolle apostolische Arbeit, die sie für die Kranken leisten, wenn sie sie zu verschiedenen marianischen Heiligtümern begleiten. 517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich danke auch dem Chor „Monteverdi“ und der Philharmonischen Gesellschaft von Crespano del Grappa für die lebendige Gestaltung der heutigen Liturgie und für ihre eindrucksvollen Beiträge. Ebenso danke ich für das Geschenk einer wertvollen Reproduktion der Statue der Madonna vom Monte Grappa, die über dem Monumentalfriedhof wacht, in dem Tausende von Gefallenen des ersten Weltkriegs ruhen. Auch für sie erhebt sich bei dieser Gelegenheit unser Gebet. 3. Jedes Jahr bietet das Römische Pilgerwerk eine prophetische Friedensgeste an: Dieses Jahr ist eine Pilgerfahrt nach Hebron vorgesehen, zum Grab der Patriarchen, einem heiligen Ort für die drei großen monotheistischen Religionen, als Friedens wünsch im Heiligen Land. Ich bete, daß diese Geste im Namen des gemeinsamen Vaters Abraham den Anfang zu einem neuen Aufblühen von Pilgerreisen der Versöhnung bilde im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Mögen Rom und Jerusalem die Pole einer universalen Friedens-Pilgerfahrt werden, gestützt auf den Glauben an den einen guten und barmherzigen Gott. Euch, liebe Kranke, lade ich ein, in diesem Anliegen inständig zum Herrn zu beten und euer Gebet durch das Aufopfem eures Leidens zu bekräftigen. 4. Und nun wenden wir uns in geistiger Verbundenheit mit den Pilgern, die sich in den Heiligtümern von Lourdes und Fatima zum Tag des Kranken eingefunden haben, vertrauensvoll an Maria und bitten um ihren mütterlichen Schutz. Von ganzem Herzen segne ich euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ich war obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen Botschaft für die Fastenzeit 1997 [12. Februar bis 29. März] vom 25. Oktober 1996 Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Fastenzeit ruft die vierzig Jahre in Erinnerung, die Israel auf dem Weg ins verheißene Land in der Wüste verbrachte. In jener Zeit erfuhr dieses Volk, was es hieß, ohne festen Wohnsitz und ohne irgendeine Sicherheit unter einem Zelt zu leben. Wie oft war es versucht, nach Ägypten zurückzukehren, wo wenigstens das tägliche Brot, wenn auch nur als Nahrung der Sklaven, sichergestellt war. In dieser mißlichen Lage in der Wüste war es Gott, der sein Volk mit Wasser und Nahrung versorgte und es vor Gefahren schützte. So wurde für die Juden die Erfahrung völliger Abhängigkeit von Gott zum Weg der Befreiung von der Knechtschaft und von der Vergötterung der Dinge. Die Fastenzeit will den Gläubigen helfen, durch das Bemühen um persönliche Läuterung denselben geistlichen Weg zu gehen, indem sie sich der Armut und 518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hinfälligkeit des Daseins bewußt werden und das fürsorgliche Handeln Gottes wiederentdecken, der dazu einlädt, die Augen für die Bedürfnisse der Schwestern und Brüder in der Not zu öffnen. Die Fastenzeit wird auf diese Weise auch zu einer Zeit der Solidarität angesichts der schwierigen Lage, in der Menschen und Völker in so vielen Teilen der Welt leben. 2. In der Fastenzeit 1997, im ersten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum des Jahres 2000, möchte ich über die dramatische Situation derer nachdenken, die obdachlos sind. Als Meditationsthema schlage ich folgendes Wort aus dem Matthäusevangelium vor: „Ich war obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ (vgl. 25,34-35). Die Wohnung, das Zuhause, ist der Raum der Familiengemeinschaft, der häusliche Herd, wo aus der von Mann und Frau gelebten Liebe die Kinder geboren werden; wo diese sich die Lebensgewohnheiten und die moralischen und geistlichen Grundwerte aneignen, die sie zu Bürgern und Christen von morgen machen werden. Im Zuhause erlebt der alte und der kranke Mensch jene Atmosphäre der Zuwendung und Liebe, die ihm hilft, auch die Tage des Leidens und des körperlichen Verfalls zu überwinden. Aber wie viele sind leider herausgerissen aus der charakteristischen häuslichen Atmosphäre menschlicher Wärme und Aufnahme. Ich denke an die Flüchtlinge, die Vertriebenen, die Opfer der Kriege und Naturkatastrophen wie auch an die Menschen, die die sogenannte wirtschaftliche Emigration auf sich genommen haben. Und wie steht es um die Familien, denen die Wohnung gekündigt wurde, oder um diejenigen, die keine Wohnung finden, und um die große Schar der alten Menschen, denen es die Sozialrente nicht erlaubt, sich eine menschenwürdige Wohnung zu einem annehmbaren Preis zu nehmen? Es sind Nöte, die ihrerseits manchmal wirklich ins Unglück führen, wie zum Beispiel in den Alkoholismus, in die Gewalttätigkeit, die Prostitution und die Drogensucht. Im Zusammenhang mit der Weltkonferenz über menschliches Wohnen, Habitat II, die im Juni dieses Jahres in Istanbul stattfand, lenkte ich vor dem sonntäglichen Angelusgebet die Aufmerksamkeit aller auf diese schwerwiegenden Probleme hin und unterstrich deren Dringlichkeit, indem ich betonte, daß das Recht auf Wohnung nicht nur für den einzelnen als Subjekt, sondern auch für die aus mehreren Personen bestehende Familie anerkannt werden muß. Als Keimzelle der Gesellschaft hat die Familie das volle Recht auf eine angemessene Wohnung als Lebensbereich, damit ihr die Verwirklichung einer wahren häuslichen Gemeinschaft ermöglicht wird. Die Kirche befürwortet dieses Grundrecht und weiß, daß sie mithelfen muß, damit es wirklich anerkannt wird. 3. Viele Bibelstellen weisen deutlich auf die Pflicht hin, den Bedürfnissen der Obdachlosen beizukommen. Schon im Alten Testament, gemäß der Torä, verdienen der Fremde und der Obdachlose im allgemeinen, weil sie allen Gefahren ausgesetzt sind, eine aufmerksame Behandlung von seiten der Gläubigen. Ja, Gott legt wiederholt die Gast- 519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freundschaft und Hochherzigkeit gegenüber dem Fremden nahe (vgl. Dtn 24,17-18; 10,18-19; Num 15,15 usw.), indem er an die Schwierigkeiten erinnert, die Israel zu überwinden hatte. Jesus identifiziert sich dann mit dem, der keine Wohnung hat: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ {Mt 25,35), und lehrt, daß die Liebe zu dem, der sich in dieser Lage befindet, im Himmel belohnt werden wird. Die Apostel des Herrn empfehlen den von ihnen gegründeten Gemeinden die gegenseitige Gastfreundschaft zum Zeichen der Gemeinschaft und des neuen Lebens in Christus. Aus der Liebe zu Gott lernt der Christ, dem Notleidenden zu helfen und mit ihm die eigenen materiellen und geistlichen Güter zu teilen. Diese Sorge besteht nicht nur in der materiellen Hilfe für den, der in Not ist, sondern bietet auch Gelegenheit zu geistlichem Wachstum für den Geber, der daraus den Antrieb erhält, sich von den irdischen Gütern zu lösen. Denn es gibt eine höhere Dimension, auf die Christus uns durch sein Beispiel hingewiesen hat: „Der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ {Mt 8,20). Auf diese Weise wollte er seine totale Verfügbarkeit dem himmlischen Vater gegenüber zum Ausdruck bringen, dessen Willen er erfüllen wollte, ohne sich an den Besitz der irdischen Güter binden zu lassen: Denn es besteht die ständige Gefahr, daß die irdischen Wirklichkeiten Gott im Herzen des Menschen verdrängen. Deshalb bietet die Fastenzeit eine von der Vorsehung gewollte Gelegenheit, um diese geistliche Loslösung von den irdischen Gütern zu bewirken mit dem Ziel, sich für Gott zu öffnen, auf den hin der Christ das ganze Leben ausrichten soll in dem Bewußtsein, keine feste Wohnung in dieser Welt zu haben, denn „unsere Heimat ... ist im Himmel“ {Phil 3,20). Bei der Feier des Ostergeheimnisses am Ende der Fastenzeit wird deutlich, daß der Weg der Läuterung in der freien und liebevollen Selbsthingabe an den Vater gipfelt. Auf diesem Weg lernt der Jünger Christi, aus sich selbst und seinen egoistischen Interessen herauszugehen, um den Schwestern und Brüdern in Liebe zu begegnen. 4. Der Ruf des Evangeliums, dem „obdachlosen“ Christus zur Seite zu stehen, lädt jeden Getauften ein, die eigene Wirklichkeit zu erkennen, in konkreter Solidarität auf die Schwestern und Brüder zuzugehen und sich ihre Schwierigkeiten zu eigen zu machen. Indem sie sich offen und hochherzig zeigen, können die Christen dem im Armen gegenwärtigen Christus gemeinschaftlich und einzeln dienen und von der Liebe des Vaters Zeugnis geben. Christus geht uns auf diesem Weg voran. Seine Gegenwart gibt Kraft und Ermutigung: Er befreit und macht uns zu Zeugen der Liebe. Liebe Schwestern und Brüder! Gehen wir mit ihm ohne Angst bis nach Jerusalem (vgl. Lk 18,31), indem wir seine Einladung zur Umkehr und zu einer tieferen Verbundenheit mit dem heiligen und barmherzigen Gott vor allem in der Zeit der Gnade, in der Fastenzeit, annehmen. Ich wünsche, sie möge uns alle dazu führen, auf die Aufforderung des Herrn zu hören und unser Herz allen Mitmenschen in der 520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Not zu öffnen. Indem ich den himmlischen Schutz Mariens ganz besonders auf die Obdachlosen herabflehe, erteile ich allen von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 25. Oktober 1996 Schuldbekenntnis und Umkehr stehen am Anfang des neuen Weges mit Christus Predigt am Aschermittwoch in S. Sabina auf dem Aventin, 12. Februar 1. „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51,12). Diese Worte des Antwortpsalms enthalten in gewissem Sinn den tiefsten Kern der Fastenzeit und drücken zugleich ihr eigentliches Programm aus. Es sind Worte aus dem Psalm Miserere, worin der Sünder Gott sein Herz öffnet, seine Schuld bekennt und um Vergebung der Sünden fleht: „Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde! Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfallt... Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!“ (ebd. 51,4-6.13). Dieser Psalm ist ein liturgischer Kommentar von einzigartiger Eindringlichkeit zum Ritus der Segnung und Austeilung der Asche. Die Asche ist ein Zeichen der Hinfälligkeit des Menschen und seines dem Tod Unterworfenseins. In dieser Zeit, in der wir uns wiederum darauf vorbereiten, in der Liturgie das Geheimnis vom Kreuzestod des Erlösers zu feiern, müssen wir unsere eigene Sterblichkeit tiefer empfinden und erleben. Wir sind sterbliche Wesen, aber unser Tod bedeutet nicht endgültige Zerstörung und Vernichtung. Gott hat in ihn zutiefst die Aussicht auf die neue Schöpfung eingeschrieben. Darum darf und muß der Sünder, der den Aschermittwoch begeht, rufen: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ {ebd. 51,12). 2. Die Gewißheit dieser Neuschöpfung kommt in der Fastenzeit aus dem Licht des Geheimnisses Christi: aus dem Geheimnis seines Leidens und Sterbens und seiner Auferstehung. Der hl. Paulus betont in der heutigen Liturgiefeier: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ {2 Kor 5,20-21). Als Christus es annahm, an seinem eigenen Leib das Drama des menschlichen Todes zu erfahren, nahm er damit teil an der Zerstörbarkeit, die dem zeitlichen Dasein des Menschen anhaftet. Der Apostel sagt das sehr klar, wenn er hervorhebt: „Gott hat ihn zur Sünde gemacht.“ Das heißt, daß Gott Christus, „den, der keine Sünde kannte“, wie einen Sünder behandelte, und zwar uns zum Nutzen. Christus hat ja unser von der Sünde 521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN belastetes Menschenlos geteilt, damit wir durch ihn Gerechtigkeit Gottes werden könnten. Aufgrund dieses unseres Glaubens an Christus können wir zusammen mit dem Psalmisten rufen: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51,12). Wozu würde das Auflegen der Asche dienen, wenn uns nicht das Licht der Hoffnung auf das neue Leben, auf die von Gott in Christus uns geschenkte Neuschöpfung leuchten würde? 3. Während des ganzen liturgischen Jahres lebt die Kirche vom Erlösungsopfer Christi. In der Fastenzeit aber wollen wir uns besonders tief hinein versenken, nach der Mahnung des Apostels: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung!“ (2 Kor 6,2). In dieser einzigartigen Gnadenzeit werden uns die Schätze der Erlösung, die uns der gekreuzigte und auferstandene Christus verdient hat, in ganz besonderer Weise ausgeteilt. Der Ausruf des Psalmisten: „Erschaffe mir ... ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ wird so, am Beginn der Fastenzeit, ein kräftiger Aufruf zur Bekehrung. Mit den Worten des Psalms Miserere klagt sich der Sünder nicht nur seiner Schuld an, sondern er schlägt zugleich einen neuen, schöpferischen Weg ein, den Weg der Bekehrung: „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen“ {Joel 2,12), sagt in der ersten Lesung der Prophet Joel im Namen Gottes. „Sich bekehren“ bedeutet also, in eine tiefe persönliche Verbindung mit Gott treten, wie es auch das heutige Evangelium darlegt. Eine echte Bekehrung schließt all die Werke ein, die gerade der österlichen Bußzeit eigen sind: Almosen, Gebet und Fasten. Sie dürfen aber nicht nur äußerlich getan werden, sondern als Ausdruck der tiefinneren Begegnung mit Gott und in gewissem Maß unbemerkt vor den Menschen. Die Bekehrung fuhrt zu einer Neuentdeckung Gottes. In der Bekehrung erfahrt man, daß in Ihm die Fülle des Guten ist, wie sie sich im Ostergeheimnis Christi offenbart hat, und im innersten Herzen schöpft man mit vollen Händen daraus. Gott erwartet das! Er will in uns ein reines Herz erschaffen und uns einen neuen, beständigen Geist geben. Und wir, wir wollen uns zu Beginn dieser Fastenzeit in unserm Innern für die Gnade Gottes öffnen und uns ernstlich bemühen auf dem Weg der Bekehrung, Ostern entgegen. Priesterbildung im Umfeld der Gemeinde Jesu Christi Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom am 13. Februar Ehe er seine vorbereitete Ansprache begann, sagte der Papst zu den versammelten Priestern: Für dieses Treffen danke ich euch, vor allem auch für die Zeugnisse, die ihr gegeben habt. Mir kommt immer wieder ein Ausspruch in den Sinn, den ich hier wiederholen möchte: „Parochus super Papam“ (Der Pfarrer übertrifft den Papst). Ich 522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN habe das als junger Bischof gelernt, und in Krakau wie hier in Rom habe ich gesehen, wieviel Wahrheit in diesem Wort steckt. Der Pfarrer hat stets die unmittelbare, grundlegende Erfahrung der ihm anvertrauten Ortskirche. Auch dank des Pfarrers kann der Bischof seine Aufgabe erfüllen, und das erhöht meine Dankbarkeit euch gegenüber, liebe Brüder im Priesteramt, vor allem nach fünfzig Jahren Erfahrung, zuerst in Krakau und dann in Rom. So habe ich denn auch etwas über meine Berufung schreiben wollen. Aber das ist ja bekannt, und ich brauche es nicht zu wiederholen. Und wenn sich nun niemand von euch mehr zum Wort meldet, werde ich schließen und das heute Gesagte zusammenfassen. Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofs und Priesteramt! 1. Von ganzem Herzen heiße ich euch willkommen und freue mich über dieses jedes Jahr erneut stattfindende Treffen. Insbesondere möchte ich die kranken und alten Geistlichen wie auch diejenigen grüßen, die bei der Ausübung ihres priester-lichen Dienstes Aggressionen und Verletzungen erleiden mußten, und jedem von ihnen versichern, sie ganz besonders in mein Gebet einzubeziehen. ln seiner Begrüßungsansprache, für die ich ihm von Herzen danke, gab uns der Kardinalvikar einen kurzen Überblick über den augenblicklichen Weg der Diözese Roms und insbesondere des römischen Klerus. In diesem Bild, das anschließend durch verschiedene Zeugnisse eurerseits vervollständigt und belebt wurde, ist durch die Gabe Gottes weit mehr Licht als Schatten zu erkennen: wir wollen dem Herrn dafür danken! Oft denke ich an die große Pfingstvigil, bei der wir die Stadtmission begonnen haben, deren Durchführung nun in vollem Gang ist. Sie mobilisiert die lebendigen Kräfte der Diözese und weckt die Aufmerksamkeit und Sympathie der ganzen Stadt, ja ich möchte sagen: der ganzen Kirche, nach dem, was die Bischöfe aus der ganzen Welt mir sagen. Gleichzeitig ist das seit langem erwartete organischere Werk der priesterlichen Weiterbildung eingeleitet worden, das auch für die Stadtmission von großem Nutzen sein wird. Hinsichtlich der Vorbereitung auf das Große Jubiläum, also auch der Stadtmission, möchte ich kurz auf dieses Thema der Priesterbildung eingehen und auch daran erinnern, daß dieses Jahr Jesus Christus, dem alleinigen Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8), gewidmet ist. Ebenso möchte ich auf das mir zuteil gewordene Geschenk zurückkommen, mein fünfzigjähriges Priesteijubiläum zu erleben. 2. Die ständige Weiterbildung des Priesters ermöglicht uns, das Geschenk und Geheimnis unserer Berufung in uns lebendig zu halten. Ein Geschenk, das unendlich weit über uns hinausgeht, und ein Geheimnis der göttlichen Wahl: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Wir müssen Gott dankbar sein für das Geschenk unserer Berufung und diese Dankbarkeit durch unser Dienstamt zum Ausdruck bringen, das in Wirklichkeit die tägliche Darbrin- 523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gung unseres Lebens ist. Grundlage und Mittelpunkt von all dem ist unsere Eucharistie, die tägliche Messe, der wichtigste Moment jedes Tages und Mittelpunkt unseres Lebens, denn durch diese eucharistische Feier dringen wir in das Innere des Heilsgeheimnisses ein, dort, wo unser Priestertum verankert ist und unser Dienstamt genährt wird. Die Messe bringt uns mit der Heiligkeit Gottes in Berührung und erinnert uns auf wirksamste Weise daran, daß wir zur Heiligkeit berufen sind, daß Christus heilige Priester braucht. Wir wissen aus Erfahrung, daß eine wirksame Pastoral, eine wirkliche „cura animarum“, nur auf dem Nährboden priesterlicher Heiligkeit wachsen kann. Primäres und fundamentales Ziel der Weiterbildung ist die gegenseitige Unterstützung auf dem Weg der priesterlichen Heiligung: als echte sakramentale brüderliche Gemeinschaft spielt die diözesane Priesterschaft eine wichtige Rolle im Leben jedes Priesters, und diese Rolle kommt ganz besonders in den verschiedenen Dimensionen der Weiterbildung zum Ausdruck. Es ist schön, daß jüngere Priester sich alle vierzehn Tage oder monatlich vor allem zum gemeinsamen Gebet und zu einem brüderlichen Austausch erster priesterlicher Erfahrungen zusammenfinden. Wichtig ist aber auch, daß alle Geistlichen, wenn auch in anderen Zeitabständen, die Möglichkeit und Freude des Zusammenseins, der gegenseitigen Stärkung in der Treue zu ihrer Berufung haben. 3. Ihrer Natur entsprechend, unterstützt uns die Weiterbildung auf dem Weg zur Heiligkeit, die uns jeden Tag zur Bekehrung auffordert. Wir sind Diener der Versöhnung, und als solche verwirklichen wir einen wesentlichen Teil unserer Sendung als Spender des Bußsakraments; aber das können wir nur auf wirksame und aufrichtige Art und Weise, wenn wir uns als erste stets an die Barmherzigkeit Gottes wenden, indem wir regelmäßig unsere Schuld bekennen und die Gnade der Umkehr erflehen. Jeder Aspekt unseres Dienstamtes, die tägliche mühevolle Arbeit, die Freuden und Sorgen des Pfarrers, seines Stellvertreters, des Priesters im Lehrberuf und im Vikariat, des Jugendseelsorgers, des Priesters, der besonders im Dienst der Familien oder der alten Menschen steht, all das muß in der Weiterbildung berücksichtigt werden. Wichtig ist die Sichtweise, mit der all unsere Dienste betrachtet werden. Hier kann uns ein Wort des hl. Apostels Paulus eine große Hilfe sein: „Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes. Von Verwaltern aber verlangt man, daß sie sich treu erweisen“ (7 Kor 4,1-2). Dieses Wort „Verwalter“ kann durch kein anderes ersetzt werden. Es ist im Evangelium tief verwurzelt: denken wir nur an das Gleichnis vom treuen und vom schlechten Verwalter (vgl. Lk 12,41-48). Der Verwalter ist nicht der Eigentümer, sondern derjenige, dem der Herr seine Güter anvertraut, damit er sie mit Hingabe und Verantwortung verwalte. Geradeso empfängt der Priester von Christus die Heilsgüter für jeden Gläubigen und das gesamte Volk Gottes. 524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir dürfen uns demnach niemals für Besitzer dieser Güter halten: weder des Wortes Gottes, dessen treue Zeugen und Vermittler wir sind, das wir aber nie mit unseren eigenen Worten und Ansichten verwechseln oder ersetzen dürfen; noch der Sakramente, die wir mit Eifer und auch mit persönlichem Opfer dem von der Kirche verkündeten Willen Christi entsprechend verwalten. Noch auch sind wir Besitzer der Räumlichkeiten, Anlagen und Ausstattung unserer Pfarreien und Gemeinden: wir sollen all das verwalten, als ob es uns, mehr noch als uns, gehöre, nicht aber zu unserem Nutzen, sondern einzig und allein zum Wohl des uns anvertrauten Teils des Gottesvolkes. In dieser Zeit der Stadtmission und im Hinblick darauf, die Kirche Roms immer mehr missionarisch zu machen, wollen wir unsere Kirchen, Gemeindezentren und alle uns zur Verfügung stehenden Strukturen so weit wie möglich öffnen, um auf die Bedürfnisse, die Zeiten und Wünsche der Bevölkerung einzugehen, die oft zu anstrengenden Arbeitszeiten gezwungen ist und Priester braucht, die bereit sind, zuzuhören, und die ein Wort des Glaubens, der Ermunterung und des Trostes für sie haben. 4. Einer der vielversprechendsten Aspekte der Stadtmission ist die große Anzahl von Laien in unseren Pfarreien und Gemeinschaften, die sich für den missionarischen Einsatz zur Verfügung gestellt haben. Mit ergreifender Bereitschaft und beispielhafter kirchlicher Gesinnung bereiten sie sich auf die Mission vor. Als Zeugen Christi möchten sie die Häuser und die Familien besuchen, an die Arbeitsplätze, in Schulen und Krankenhäuser, Bildungs- und Kommunikationszentren, in Bereiche des Sports und der Freizeitgestaltung gehen. All das ist auch für unseren Dienst und unsere Ausbildung als Priester von Bedeutung. Für uns ist die Laienschaft ein Geschenk, und jeder Priester trägt jene Laien in seinem Herzen, die gegenwärtig seiner pastoralen Sorge anvertraut sind oder in der Vergangenheit anvertraut waren. Irgendwie weisen sie uns den Weg, sie helfen uns, unser Amt besser zu verstehen und in Fülle zu leben. Ja, aus der Beziehung zu den Laien und dem Gedankenaustausch mit ihnen können wir vieles lernen: wir lernen von den Kindern, von der Jugend, von jungen wie von alten Menschen, von Familienmüttem und Berufstätigen, von den Gebildeten und Künstlern, von den Armen und den einfachen Menschen. In gewisser Weise vervielfältigt sich unsere pastorale Arbeit durch sie, überwindet Hindernisse und dringt in Bereiche ein, die sonst nur schwer zugänglich wären. Somit ist die Stadtmission nicht nur eine große Schule des Apostolats der Laien in dieser unserer Stadt Rom, sondern gleichzeitig auch eine Apostolatsschule für uns Priester. Die besondere Aufmerksamkeit, die die Diözese Rom dieses Jahr den Jugendlichen und der Jugendpastoral widmet, erinnert mich an meinen eigenen Dienst als Priester und Dozent, als ich mich vor allem mit der Jugendarbeit befaßte. Diese Erfahrung habe ich stets im Herzen bewahrt, und ich habe versucht, sie durch die Initiative der Weltjugendtage gewissermaßen auszudehnen. 525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich weiß, daß ihr intensiv für die Jugend und mit der Jugend arbeitet, und bitte euch, diese Aufgabe stets noch eingehender zu erfüllen. Möge der Weltjugendtag, den wir im August in Paris feiern werden, eine weitere Anregung sein, die geistigen und menschlichen Kräfte der Diözese in die Jugendpastoral zu investieren, um die uns bereits nahestehenden Jugendlichen eingehend und wirklich missionarisch zu formen, aber auch, um nach allen jungen Menschen Roms auf die Suche zu gehen, ihnen die Türen zu öffnen und so weit wie möglich die Hindernisse und Vorurteile abzubauen, die sie von Christus und der Kirche trennen. 5. Um den Jugendlichen wie allen an der Mission beteiligten Laien eine wirkliche Hilfe zu sein und unser eigenes Priestertum in Fülle zu leben, ist es wichtig, immer Jesus Christus in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Der hl. Cyprian sagte mit Recht, daß der Christ, jeder Christ, ein „anderer Christus“ ist - Christianus alter Christus. Aber um so mehr können wir mit all unserer großen Tradition sagen: Sacerdos alter Christus. Hierin liegt auch die tiefste Bedeutung der priester-lichen Berufung und die Freude über jeden neugeweihten Priester. In diesem „christologischen Jahr“, aber auch in der gesamten Vorbereitungszeit des Jubeljahres und der Stadtmission muß Christus Mittelpunkt sein. Der Verlust des moralischen Empfindens, der praktische Materialismus, das mangelnde Vertrauen, je die Wahrheit finden zu können, aber auch ein zu oberflächliches und unbestimmtes Suchen nach Spiritualität tragen zur Bildung jener entchristlichen-der Strömungen bei, die unserem Volk den wahren Glauben an Christus, den Sohn Gottes und unseren alleinigen Erlöser, nehmen. Auch wir müssen uns vor den tückischen Gefahren aus solchen Lebensbereichen in acht nehmen, denn sie könnten die Gewißheit unseres Glaubens und die Kraft unserer christlichen Hoffnung und priesterlichen Zuversicht mindern. Daher ist es mehr denn je angemessen, daß Jesus Christus, seine Person und seine Sendung, das zentrale Thema und der wesentliche Anhaltspunkt für die Weiterbildung der Priester ist. Je mehr wir in unserer Beziehung zu ihm, ja in unserer Identifizierung mit ihm wachsen, um so echtere Priester und eifrigere Missionare können wir werden, offen für die Gemeinschaft und fähig zur Gemeinschaft, denn wir sind uns auf konkretere Weise bewußt, Glieder des einen Leibes zu sein, dessen Haupt Christus ist. 6. In meinem Buch Geschenk und Geheimnis habe ich an den „marianischen Faden“ meiner priesterlichen Berufung erinnert: den Verbindungsfaden zu meiner Familie, zu meiner Pfarrei, die mich geformt hat, zu meiner Kirche in Polen und meiner polnischen Heimat, aber auch zu Italien und dieser Kirche von Rom, die seit über achtzehn Jahren nun meine Kirche ist. Maria führt uns zu Christus, wie Maria, „das Heil des römischen Volkes“ (salus populi romani), die Römer zu Christus geführt hat und zu ihm führt. Aber es stimmt auch, daß Christus uns zu seiner Mutter führt. Maria bringt uns Christus näher, indem sie uns auffordert, ihr Mysterium als treue Jungfrau und Mutter zu leben. In ihr, in ihrem Schoß und 526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer demütigen und willigen Hingabe, konnte sich jenes große Geheimnis vollziehen, welches das Herz des Jubeljahres 2000 und der ganzen Geschichte der Menschheit ist: die Menschwerdung des göttlichen Wortes (vgl. Joh 1,14). Zum Abschluß unseres Treffens möchte ich mit euch den Vertrauensakt an die Mutter Gottes erneuern mit den Worten des hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort: „Totus Tuus ego sum et omnia mea Tua sunt. Accipio te in mea omnia. Praebe mihi cor Tuum, Maria.“ In diesem Sinne erteile ich allen von Herzen meinen Segen. Der Papst fügte noch hinzu: Gott sei Dank hat sich alles ordnungsgemäß abgewickelt, „secundum praevisa me-rita“, aber auch der Gnade dieses zweiten Tages der Fastenzeit entsprechend. Nach dem gestrigen Aschermittwoch können wir mit Vertrauen und Mut die Fastenzeit beginnen. Also: Coraggio! Mut! Nach dem gemeinsamen Angelusgebet sagte der Papst noch: Dank! Ich empfehle mich eurem Gebet während der geistlichen Exerzitien im Vatikan nächste Woche. Unverletzliches und unveräußerliches Recht des Menschen aufLeben Ansprache während der 3. Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 14. Febmar Verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, meinen herzlichen Gruß an Sie richten zu können, verehrte Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben, die Sie heute zu Ihrer Dritten Vollversammlung zusammengetreten sind. Besonders danke ich dem Präsidenten, Prof. Juan de Dios Vial Correa, für die freundlichen Worte, die er mir soeben in Ihrem Namen ausgesprochen hat. Ich weiß, daß einige von Ihnen als ordentliche Mitglieder zum ersten Mal hier sind, weil sie erst vor kurzem ernannt wurden; auch manche korrespondierende Mitglieder, die im Leben dieser Akademie eine wichtige Verbindung zur Gesellschaft darstellen, nehmen zum ersten Mal an Ihrer Versammlung teil. An alle richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß und empfange Sie als eine auserwählte Gemeinschaft von Intellektuellen, die sich dem Dienst für das Leben verpflichtet haben. Vor allem anderen empfinde ich das Bedürfnis, meine Genugtuung für die Tätigkeit auszudrücken, die die Akademie im Laufe dieser kurzen Zeitspanne seit ihrer 527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gründung entfaltet hat: Besonders möchte ich die wichtigen und schon veröffentlichten Werke zur Erläuterung der Enzyklika Evangelium vitae nennen sowie die tatkräftige Mitarbeit der Akademie an der Arbeit der verschiedenen Dikasterien für Kurse und Forschungsseminare über den Inhalt sowohl der Enzyklika als auch anderer Verlautbarungen des Lehramts hinsichtlich des heiklen Bereichs, der das Leben betrifft. 2. Auch das Thema, das Sie für diese Versammlung gewählt haben - „Identität und Statut des menschlichen Embryos“ - nun da der zehnte Jahrestag der Instruktion Donum vitae, die am 22. Februar 1987 veröffentlicht wurde, unmittelbar bevorsteht —, geht in diese Richtung und ist heutzutage von besonderer kultureller, aber auch politischer Aktualität. Es handelt sich nämlich vor allem darum, Folgendes erneut hervorzuheben: „Ein menschliches Wesen muß vom Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet und behandelt werden, und infolgedessen muß man ihm von diesem selben Augenblick an die Rechte der Person zuerkennen und darunter vor allem das unverletzliche Recht jedes unschuldigen menschlichen Wesens auf Leben“ {Donum vitae, Nr. 79, I.I.). Diese Behauptungen, die in der Enzyklika Evangelium vitae feierlich wiederaufgegriffen wurden, sind nunmehr dem Gewissen der Menschheit übergeben und finden auch im Bereich der naturwissenschaftlichen und philosophischen Forschung eine immer breitere Aufnahme. Zu Recht haben Sie darüber hinaus in diesen Tagen versucht, die Mißverständnisse zu klären, die im gegenwärtigen kulturellen Kontext aus Vorurteilen philosophischer und epistemologischer Art erwachsen und die selbst die Grundlagen des Wissens in Frage stellen, insbesondere auf dem Gebiet der sittlichen Werte. In der Tat muß man die das menschliche Wesen betreffenden Wahrheiten von jeder möglichen Instrumentalisierung, Herabsetzung oder Ideologie befreien, um die volle und gewissenhafte Achtung der Würde eines jeden Menschen - von den ersten Augenblicken seines Daseins an - zu gewährleisten. 3. Wie könnte man vergessen, daß unser Zeitalter leider einen nie dagewesenen und fast unvorstellbaren Massenmord unschuldiger menschlicher Wesen erlebt, der von vielen Staaten auch noch von Rechts wegen bestätigt wird? Wie oft hat sich die Stimme der Kirche ungehört zur Verteidigung dieser Menschenleben erhoben! Und wie oft wurde leider von der Gegenseite gerade das als Recht und Zeichen von Zivilisation hingestellt, was im Gegenteil ein anomales Verbrechen gegenüber dem wehrlosesten aller menschlichen Wesen ist! Aber der historische und dringende Augenblick ist gekommen, um einen entscheidenden Schritt für die Zivilisation und das wahre Wohl der Völker zu tun: den notwendigen Schritt, um auf die volle Menschenwürde und das Recht auf Leben eines jeden menschlichen Lebens Anspruch zu erheben - und zwar vom ersten Moment des Lebens an und durch die ganze vorgeburtliche Phase hindurch. Dieses Ziel, das heißt die Wiedergewinnung der Menschenwürde für das vorgeburtliche Leben, 528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fordert eine gemeinsame und unvoreingenommene Anstrengung fachübergreifender Überlegung, vereint mit einer unerläßlichen Erneuerung des Rechtes und der Politik. Wenn dieser Weg einmal eingeschlagen sein wird, wird eine neue Etappe der Zivilisation für die zukünftige Menschheit, die Menschheit des dritten Jahrtausends, anbrechen. 4. Sehr geehrte Damen und Herren! Es tritt ganz klar zutage, wie bedeutend die Verantwortung der Intellektuellen in ihrem Forschungsauftrag auf diesem Gebiet ist. Es dreht sich darum, spezielle Bereiche der Menschlichkeit wiederzugewinnen, vor allem hinsichtlich des pränatalen Lebens, auch in der Sphäre der Rechtswahrung. Von dieser Wiedergewinnung des sittlichen Wohls und des Rechts - die ein Sieg der Wahrheit ist - hängt der Erfolg der Verteidigung des menschlichen Wesens in den anderen Momenten der Schwäche seines Daseins ab, so zum Beispiel gegen Ende des Lebens, bei Krankheit oder im Falle von Behinderungen. Außerdem darf man nicht vergessen, daß der Erhalt des Friedens und sogar der Schutz unserer Umwelt die Achtung und die Verteidigung des Lebens - vom ersten Augenblick an bis zu seinem natürlichen Ende - zur logischen Voraussetzung haben. 5. Die Päpstliche Akademie für das Leben, der ich von Herzen für ihren Dienst zugunsten des Lebens danke, hat den Auftrag, zur Vertiefung des Wertes dieses grundlegenden Guts beizutragen, vor allem durch den Dialog mit den Vertretern der biomedizinischen, Rechts- und Moralwissenschaften. Um dieses Ziel zu erreichen, muß die Arbeit Ihrer Studien und Forschungsgemeinschaft auf ein intensives Leben „ad intra“ zählen können, gekennzeichnet von vielfältigem Gedankenaustausch und fachübergreifender wissenschaftlicher Zusammenarbeit. So wird sie in der Lage sein, auch nach außen hin, in der Welt der Kultur und der bürgerlichen Gesellschaft, gesunde Amregungen und bedeutende Beiträge für eine wahrhafte Erneuerung der Gesellschaft zu bieten. Sehr geehrte Damen und Herren! Der großzügige Start Ihrer Tätigkeit bestärkt diese Hoffnung. Ich möchte Sie an dieser Stelle ermutigen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen im Gedenken an die verdienstvolle Eingebung Ihres ersten Präsidenten, Prof. Lejeune, eines tapferen und unermüdlichen Verteidigers des menschlichen Lebens. Die Kirche spürt heute die historische Notwendigkeit, das Leben zur Rettung des Menschen und der Zivilisation zu verteidigen. Ich bin überzeugt, daß die zukünftigen Generationen ihr dafür dankbar sein werden, daß sie in aller Entschlossenheit gegen die vielfältigen Ausdrucksformen der Kultur des Todes und gegen jede Art von Entwertung des menschlichen Lebens Widerstand geleistet hat. Gott möge all Ihre Mühen segnen, und die selige Jungfrau, Mutter Christi, der Weg, Wahrheit und Leben ist, möge Ihre Forschungen fruchtbar machen. Als Zeugnis der Sympathie, mit der ich Ihre Tätigkeit verfolge, erteile ich Ihnen allen gerne einen besonderen Apostolischen Segen. 529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Menschen nahe sein - Geheimnis des kirchlichen Dienstes Predigt während der Exequien für Ugo Kardinal Poletti, em. Kardinalvikar der Diözese Rom, am 27. Februar 1. „Ich weiß: mein Erlöser lebt“ (Ijob 19,25). In dem großen Schweigen, das das Geheimnis des Todes umgibt, erhebt sich voll Hoffnung die Stimme des Glaubenden der alten Zeit. Ijob erfleht das Heil von dem Lebendigen, in dem alles Menschenleben endgültig seinen Sinn und sein Ufer findet. „Ihn selber werde ich dann [...] schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd“ (Ijob 19,27). So fährt der inspirierte Text fort und läßt am Ende der irdischen Pilgerschaft das erbarmungsvolle Antlitz des Herrn erahnen. „Mein Erlöser wird sich über den Staub erheben“ (vgl. ebd., 19,25), betont der heilige Schriftsteller, für den die hilfreiche Güte des Allmächtigen das Fundament der Erwartung und die Stütze der Hoffnung ist. 2. Diese feste Hoffnung hat unseren lieben Kardinal Poletti, um den wir trauern, auf seinem ganzen langen Lebensweg unter uns geleitet: eine Hoffnung, die auf den unerschütterlichen und schlichten Glauben gegründet war, den er in seiner Familie und in der christlichen Gemeinde Omegna in der Diözese Novara gelernt hatte, wo er vor ungefähr dreiundachtzig Jahren geboren wurde. Gerade dieses vertrauensvolle Verhältnis zum Herrn und sein Dialog mit ihm brachten den jungen Ugo dazu, daß er den Ruf Gottes hörte und ins Seminar von Novara eintrat. Und dieses, durch das tägliche Gebet genährte Verhältnis stützte auch seine ersten Schritte im priesterlichen Dienstamt. Vom göttlichen Meister ließ er sich bei jedem folgenden Dienst in der Diözese Novara führen, als er zuerst zu deren Provikar und denn zum Generalvikar ernannt wurde. An der Seite seines Bischofs und Lehrers, Msgr. Gilla Gremigni, eines ehemaligen römischen Pfarrers, bereitete der Herr ihn darauf vor, größere Verantwortlichkeiten zu übernehmen. 1958 zum Weihbischof in Novara ernannt, wurde Msgr. Poletti sechs Jahre später mit der Leitung der Päpstlichen Missionswerke betraut. 1967 wurde er Erzbischof von Spoleto und dann, nach kaum zwei Jahren, nach Rom berufen als Stellvertreter und Mitarbeiter von Kardinal Dell’Acqua. 1972 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Provikar der Diözese Rom und im folgenden Jahr zu ihrem Generalvikar und zum Kardinal. 1985 vertraute ich ihm den Vorsitz der Italienischen Bischofskonferenz an, eine Aufgabe, die er mit großer Verfügungsbereitschaft annahm und mit gewohnter Hochherzigkeit bis zum Januar 1991 erfüllte. Als er die Leitung der Diözese Rom abgab, übernahm er gern das Amt des Erzpriesters der liberianischen Basilika und verbrachte im Schatten der „Salus Po-puli Romani“ - „Spes certa poli“, wie sein bischöflicher Wahlspruch lautet - die letzten stillen, aber gewiß nicht weniger fruchtbaren Jahre seines Lebens. 530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben“ (7 Kor 9,22-23). Diese Worte des Apostels Paulus, die eben vorgelesen wurden, passen gut zum apostolischen Eifer des verstorbenen Kardinals Ugo Poletti. Wir gedenken heute seiner unermüdlichen Hingabe an die Sache des Evangeliums, vor allem in seinem Amt als Generalvikar, in dem er seine reifsten Kräfte im Dienst der Kirche sich auswirken ließ. Eine besondere Liebe verband ihn mit der Stadt Rom, die er als seine zweite Heimat betrachtete. In Ehrfurcht und aufrichtigem Gehorsam war er meinem verehrten Vorgänger, dem Diener Gottes Paul VI., ergeben, und er brachte in der Folge ebensolche Herzlichkeit auch meiner Person entgegen und führte mich in den Seelsorgedienst in dieser einzigartigen Stadt ein, als ich von der Vorsehung auf die Kathedra des Petrus berufen wurde. Bewegten Herzens denke ich an die vielen Begegnungen, die ich mit ihm hatte, und an die leidenschaftliche Begeisterung, mit der er von der Diözese, den Priestern, den Ordensleuten, den Laien, den Problemen des römischen Volkes und den Licht und Schattenseiten sprach, die bei den rapiden Umwälzungen im Gefüge der Stadt festzustellen waren. Vor allem er war es, der mich in die Kenntnis der Pfarreien einführte, die ich nach und nach besuchte. Dank seiner erfahrenen und weisen Führung vermochte ich die komplexe Wirklichkeit der Stadt deutlicher zu unterscheiden und konnte immer tiefer in Einklang kommen mit der Herde, die mir die Vorsehung anvertraut hat. Heute empfinde ich es als Pflicht, für all das dem lieben Kardinal Poletti meinen aufrichtigen Dank zum Ausdruck zu bringen. 4. „Alles tue ich um des Evangeliums willen!“ Der verstorbene Purpurträger, von dem wir heute im Geist Abschied nehmen, hat sich diese Worte des hl. Paulus zu eigen gemacht. Er sah die Sendung der Kirche eng verbunden mit der menschlichen und kirchlichen Realität der Ewigen Stadt. Mit besonderem Eifer war er darauf bedacht, in der Diözese neben dem Bewußtsein tiefer Verbundenheit mit dem dem Papst auch das Wissen und die Freude zu verbinden, an seinem universalen Dienst teilzuhaben und die eigene Identität als Ortskirche zu entdecken. Die Anregung des II. Vatikanischen Konzils aufnehmend, wußte er der Diözese Rom in ihren verschiedenen Komponenten eine neue Vitalität zu vermitteln: Meilensteine für das Wachstum des diözesanen Lebens waren die kirchlichen Zusammenkünfte, die darauf abzielten, für die Evangelisierung der Stadt lebendige und wertvolle Kräfte nutzbar zu machen, um sie harmonisch in die Diözesanarbeit ein-zugliedem. 5. „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigen würde!“ Man könnte sagen, dieser Schrei des Apostels habe in dem verstorbenen Kardinal ein beständiges Echo gefunden. Sein Handeln zielte darauf ab, in den Römern ein lebendiges Bewußtsein von dem außergewöhnlichen Erbe an Werten zu wecken, das ihnen von ihren Vorvätern hinterlassen wurde und das sie im Blick auf die Zukunft immer mehr verpflichtet gegenüber der geschichtlichen Sendung der Stadt. 531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Da er Nahen und Femen, Männern der Kultur und einfachen Leuten, Verantwortlichen der öffentlichen Verwaltung und Institutionskritikem zuhörte, trug er dazu bei, in den Priestern, den Ordensleuten und den engagierten Laien eine Haltung der Annahme und Toleranz zu wecken, die sich auch auf das Leben der bürgerlichen Gemeinschaft auswirken mußte. Mit solchen Absichten ging er auch an die Vorbereitung der Diözesansynode heran, die ein weiteres Moment aufrichtiger und positiver Gegenüberstellung zwischen Christen und Bürgern der Stadt bildete. 6. „Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich“ (Joh 10,14). Die Worte des Evangeliums, die kurz zuvor in dieser Basilika erklungen sind, zeigen, welches der Stil des Hirten gegenüber den ihm anvertrauten Menschen sein muß. War nicht dies die Art, die Kardinal Poletti bei seinem Wirken im bischöflichen Dienst auszeichnete? War er nicht darauf bedacht, mit allen eine persönliche und liebevolle Beziehung herzustellen? Wir können sagen, daß vielleicht gerade hier das Geheimnis seines erfolgreichen kirchlichen Dienstes liegt. „Ich bin kein Intellektueller, sondern ein Mensch, der den Leuten nahe zu sein sucht“, sagte er eines Tages zu einem Freund. Sein Herz, das das eines Hirten war, ließ ihn dieses „den Leuten Nahesein“ an die erste Stelle setzen und all seine Kräfte, wie auch seine bemerkenswerte theologische, pasto-rale und administrative Kompetenz, die er sich in langen Priester und Bischofsjahren erworben hatte, auf dieses Ziel hin orientieren. Die Menschen Roms kannten ihn, und er kannte sie. Über die offiziellen Anlässe hinaus machte sein Hirteneifer ihn fähig zu Beziehungen voll Menschlichkeit bei den zahlreichen Kontakten während der Besuche in Pfarreien und Schulen, bei Vereinigungen und Ordensgemeinschaften wie auch auf den Diözesanpilgerfahr-ten nach Lourdes, bei denen er immer dabeisein wollte. Damm war er beliebt beim Klerus und beim Volk. Ich grüße alle, die gekommen sind, um ihm auch bei diesem letzten Abschied ihre Liebe zu bezeugen: den Präsidenten der Italienischen Republik, Oscar Luigi Scalfaro, Minister Giovanni Maria Flick, die Obrigkeiten der Stadt, die zahlreichen Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen und die umfangreiche Vertretung der gläubigen Laien. 7. „Der Gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.“ Mit der heutigen Liturgiefeier für den Verstorbenen, die erhellt ist durch die Gegenwart des auferstandenen Christus, entbieten wir den sterblichen Überresten dieses geliebten Bmders, meines so tüchtigen Mitarbeiters, den letzten Gruß. Wir vertrauen ihn voll Zuversicht dem Guten Hirten an, während wir für seine auserwählte Seele das göttliche Erbarmen anrufen. Wir danken dem Vater, daß er ihn seiner Kirche gegeben hat. Christus, der Gute Hirt, nehme ihn auf in seine Wohnung des Lichtes und des Friedens, und schenke ihm den Lohn, der den guten und treuen Dienern Vorbehalten ist. Und die Jungfrau Maria, „Salus populi romani“, deren frommer Sohn er war, möge ihn in die freudvolle Liturgie des Himmels einführen. „In paradisum deducant te Angeli“, geliebter Bruder! Amen. 532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verbesserung der Koordination katholischer Medien Ansprache während der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 28. Februar Eminenzen, Exzellenzen, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es ist mir stets eine große Freude, mit den Mitgliedern, Beratern und Mitarbeitern des Päpstlichen Rates für soziale Kommunikationsmittel während eurer jährlichen Vollversammlung zusammenzukommen. Euer Rat unterstützt das Amt des Nachfolgers Petri im Hinblick auf die verschiedenartigen, dynamischen und sich ständig weiterentwickelnden sozialen Kommunikationsmittel und ihre Rolle in der kirchlichen Sendung für die Verkündigung der Heilsbotschaft in aller Welt. Ich danke euch für eure eifrige und sachkundige Kooperation und Unterstützung wie auch für die pastorale Liebe, mit der ihr die Arbeit der Kirche und einzelner Katholiken im Bereich des Kommunikationswesens fördert. 2. In diesem Jahr findet euer Treffen zu Beginn der dreijährigen Vorbereitungsphase des Großen Jubeljahres 2000 statt, dem die gesamte Kirche wie auf einer intensiven geistlichen Pilgerfahrt des Glaubens entgegengeht. Diese Vorbereitung steht im Mittelpunkt eurer Erörterungen, insbesondere weil sie sich auf das Thema des diesjährigen Welttages der sozialen Kommunikationsmittel bezieht: „Jesus, den Weg, die Wahrheit und das Leben bekanntmachen.“ Zu diesem Anlaß habe ich betont: „Der ,Weg‘ Christi ist der Weg eines tugendhaften, fruchtbaren und friedvollen Lebens als Kinder Gottes und als Brüder und Schwestern in derselben Menschheitsfamilie; die ,Wahrheit“ Christi ist die ewige Wahrheit Gottes, der sich uns nicht nur in der geschaffenen Welt, sondern auch durch die Heilige Schrift und besonders in und durch seinen Sohn Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, selbst geoffenbart hat; und das ,Leben“ Christi ist das Leben der Gnade, jenes ungeschuldeten Geschenkes Gottes, das ... es uns ermöglicht, für immer in seiner Liebe zu leben. Wenn Christen davon aufrichtig überzeugt sind, verwandelt sich ihr Leben“ (Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 24. Januar 1997, O.R.dt., 31.1.97, S. 1). Diese Botschaft muß mit verstärkter Wirkung gesendet werden, damit die Menschen der Gegenwart der geistigen Leere - die so viele innerlich schwer belastet -entfliehen oder sich von ihr befreien können. Das ist die heilbringende Wahrheit, die wir pflichtgemäß an die kommende Generation weitergeben müssen, denn zu viele junge Menschen werden mit sinnlosen und gefährlichen Illusionen genährt, während ihnen ihr „Geburtsrecht“, die wahre Bedeutung und den Zweck ihres Lebens zu kennen (vgl. Gen 25,29-34), vorenthalten wird. Am Ende eines von außerordentlichem Fortschritt aber auch entsetzlichen menschlichen Tragödien gekennzeichneten Jahrhunderts ist die Verkündigung Jesu Christi - derselbe 533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8) - nicht nur eine Pflicht des Gehorsams gegenüber einem Gebot des Evangeliums, sondern auch das einzig sichere Mittel, um auf die dringende Notwendigkeit moralischer und geistiger Unterscheidung zu antworten, ohne die das Leben des einzelnen Menschen und selbst die Gesellschaftsordnung von Willkür und Verwirrung umgeben sind. 3. Im Laufe der Jahre hat euer Rat eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in der Welt der sozialen Kommunikationsmittel gesammelt. Ihr habt klare Richtlinien für die Hirten der Kirche und all diejenigen herausgegeben, die in Presse und Rundfunk, im Fernsehen und Film und in anderen Medienbereichen tätig sind. Ihr habt auf gewisse problematische Aspekte aufmerksam gemacht, wie in eurem jüngsten, in dieser Woche veröffentlichten Dokument über „Ethik und Werbung“. Ihr habt versucht, die in der Medienwelt Tätigen ihrer Verantwortung bewußt zu machen, der Wahrheit zu dienen, die menschliche Würde und Freiheit zu verteidigen und das Gewissen ihrer Leser, Hörer und Zuschauer zu schärfen und zu klären. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Großen Jubiläums ermutige ich euren Rat, auch weiterhin für ein hohes Niveau, bessere Koordinierung und verstärkte Wirkung in dem speziell katholischen Medienbereich einzutreten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch ferner für eure Bemühungen danken, einige der wesentlichen päpstlichen Zeremonien und Ereignisse, wie beispielsweise die Weihnachts- und Ostermessen, die nun von Millionen Menschen in aller Welt verfolgt werden, vielen Hörem und Zuschauern zugänglich zu machen. Ebenso danke ich den Rundfunk- und Femsehanstalten wie auch den Sponsororganisationen, die diese jährlichen Übertragungen ermöglichen. 4. Es ist nun eure ganz besondere Aufgabe, die gesamte Kirche auf die positive Rolle der sozialen Kommunikationsmittel für die korrekte und sinnvolle Feier des Jubiläums aufmerksam zu machen. Die Herausforderung besteht darin, die Welt über die wahre Bedeutung des Jubeljahres 2000, das Gedächtnis des Geburtsjahres Jesu Christi, auf angemessene Art und Weise zu informieren. Das Jubiläum darf nicht lediglich die Erinnerung an ein Ereignis der Vergangenheit sein, so außergewöhnlich dieses auch sein mag. Es soll vielmehr die Feier einer lebendigen Gegenwart sein und eine Aufforderang, dem zweiten Kommen unseres Erlösers erwartungsvoll entgegenzusehen, wenn er ein für allemal sein Königreich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens errichten wird. Möge Maria, die vor zweitausend Jahren der Welt das fleischgewordene Wort schenkte, die im Medienbereich tätigen Männer und Frauen zu demjenigen führen, der „das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet“ (vgl. Joh 1,9; vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 59). Mögen die erleuchtenden Gaben des Heiligen Geistes euch bei der Erfüllung eurer Aufgabe unterstützen und ermuntern. 534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fremdes Leid in Zaire nicht gleichgültig hinnehmen Schreiben an Herrn Kofi Annan, Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen, vom 4. März An Seine Exzellenz Herrn Kofi Annan, Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen Die Zuspitzung der Lage in Zaire veranlaßt mich, Ihnen meine tiefe Sorge zum Ausdruck zu bringen. Aber ich bewahre dennoch das Vertrauen in die Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft zu einer konzertierten Aktion, die noch tragischere Entwicklungen verhindern kann. Die im Osten des Landes entbrannten Kämpfe stürzen die Bevölkerung erneut in menschliche Dramen, die die Verantwortlichen der Nationen nicht ungerührt lassen dürfen. Die Nachrichten, die mich aus den von den Kampfhandlungen betroffenen Diözesen erreichen, bezeugen den Zustand von Gewalt und Verwahrlosung, in dem zu leben Tausende von Menschen gezwungen sind. Ich kann angesichts der Lage dieser Menschenbrüder und -Schwestern nicht gleichgültig bleiben, und ich ermutige zu allen Anstrengungen, die sowohl auf örtlicher wie auf internationaler Ebene im Hinblick auf einen sofortigen Waffenstillstand unternommen werden. Die unbedingt notwendige Wiederherstellung des Friedens wird aber nur dann von Dauer sein, wenn die ruandischen Flüchtlinge, die sich auf zairischem Boden befinden, in Sicherheit und Würde in ihre Heimat zurückkehren können. Das wird nur durch die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft und den friedlichen Einsatz der afrikanischen Länder möglich sein. Es ist von größter Bedeutung, daß in Zaire wie anderswo das Prinzip der territorialen Integrität uneingeschränkt respektiert wird, wenn man nicht allen möglichen Ausschreitungen die Tür öffnen will. Darum muß die internationale Gemeinschaft in erster Linie eine korrekte Einhaltung des Rechtes überwachen und darauf achten, daß Aktionen gefördert werden, die das Ziel haben, das Los der Bevölkerung tatsächlich zu verbessern. Im Hinblick auf eine gerechte Lösung all der Probleme, die das Leben der Völker in der Region der Großen Seen belasten, scheint mir eine Zusammenarbeit zwischen der Organisation der Vereinten Nationen und der Organisation für Afrikanische Einheit mehr und mehr von zwingender Notwendigkeit zu sein. Schließlich wird es auch leichter sein, eine Aufgabe von solchem Ausmaß - die gewiß Verhandlungen zwischen allen betreffenden Parteien erfordert - zu einem guten Ende zu fuhren, wenn der in Zaire begonnene Demokratisierungsprozeß zum Ziel kommt. Jeder gute Wille muß ermutigt werden, sowohl innerhalb wie 535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN außerhalb des Landes, um günstige Bedingungen zu einem nationalen Dialog zu schaffen, der alle ethnischen oder politischen Bestrebungen respektiert, einem Dialog, zu dem die katholische Kirche übrigens ihren vollen Beitrag leistet. Ich wäre Eurer Exzellenz dankbar, wenn Sie die Güte hätten, den Inhalt dieses Schreibens den Mitgliedern des Sicherheitsrates zur Kenntnis zu bringen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, mit der Sie meine Äußerung entgegennehmen, und versichere Sie, Herr Generalsekretär, meiner vorzüglichen Hochachtung. Aus dem Vatikan, am 4. März 1997 Joannes Paulus PP. II Politik ohne Transzendenzbezug birgt Gefahr der Ideologisierung Ansprache beim Besuch von Abgeordneten der Europäischen Volkspartei des Europa-Parlaments im Vatikan am 6. März Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! 1. Anläßlich des vierzigsten Jahrestages der Unterzeichnung der „Verträge von Rom“, den sie in dieser Stadt begehen wollten, legten Sie Wert darauf, auch dem Nachfolger des Petrus zu begegnen. Ich freue mich, Sie bei dieser erfreulichen Gelegenheit empfangen zu können, und ich danke Herrn Wilfried Martens, Ihrem Präsidenten, für seine liebenswürdigen Worte. Ich freue mich auch über Ihre Bemühungen, die dem Ziel dienen, daß diese Verträge - die Geburtsurkunde eines neuen Europa - auch ein Appell seien, Zusammenstöße, Rivalitäten und Feindschaften der Vergangenheit zu überwinden. Die Bedeutung des Ereignisses, das sich vor vierzig Jahren vollzog, liegt klar zutage, vor allem wenn man bedenkt, daß damals alle Völker Europas verwundet aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgingen, der durch seine Ausdehnung und seine vielfältigen Auswirkungen auf das menschliche Bewußtsein alle früheren Konflikte übertraf. 2. Es mag heute von Nutzen sein, nachzuforschen, aus welcher Quelle der Mut derer kam, die man die Väter Europas nennt und von denen einige Ihrer politischen Familie angehört haben. Es zeigt sich deutlich, daß der christliche Glaube, der sie als ihre vornehmste Überzeugung beseelte, ihnen damals eine besondere Begeisterung bei ihrem Einsatz in der res publica und der Erarbeitung ihrer Projekte gab: ihr politisches Handeln war nie losgelöst von ihrem christlichen Glauben. Sie waren sich auch der Anforderungen bewußt, die dieser Glaube für ihr persönliches 536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben mit sich brachte, damit die Grundlagen ihres Handelns erkennbar seien und ihr Verhalten so, daß ihr politischer Entwurf glaubhaft würde. In der Tat, der Christ, der sich in den Dienst der bürgerlichen Gesellschaft stellt, weiß, daß es ihn große Anstrengungen kostet, um im persönlichen Verhalten wie im politischen Handeln ein Zeuge für Christus zu sein. Es bedurfte also bei den Urhebern des Europaplanes einer tiefgründenden Sicht vom Menschen und der Gesellschaft und eines ungewöhnlichen Mutes, um ihren Völkern - seien sie als Sieger oder Besiegte aus dem Krieg hervorgegangen - den Vorschlag zu unterbreiten, neue Beziehungen im Zeichen gegenseitiger Verständigung anzuknüpfen und, bei aller Wahrung und Betonung der Zugehörigkeit eines jeden Menschen zu einer Nation, sich zu einem europäischen Ideal zu verstehen (vgl. Centesimus annus, Nr. 50). So weckten diese politischen Persönlichkeiten in den Menschen des Kontinents den Wunsch, miteinander Europa zu bilden, wobei jeder Mensch und jedes Volk sich bewußt würde, am Aufbau des großen gemeinsamen Hauses beteiligt zu sein. 3. Der Europaplan beruht nicht auf Machtwillen, sondern auf dem Gedanken, daß für den Aufbau des Friedens auf dem Kontinent und für die Dynamik jeder Nation Dialog und gegenseitige Achtung wesentlich sind. Die Gründungsväter der Europäischen Union wiesen ihre Völker hin auf neue Arten des Zusammenlebens in einer Schicksalsgemeinschaft, die das Vergangene nicht vergißt, sondern es übernimmt. Es sollte so gehandelt werden, daß Europa nie mehr zum Ursprung von Kriegen und zum Herd von Ideologien würde, die so viele Menschenleben zerstört und so viele Gewissen verfälscht haben, wie es bei den totalitären Regimen der Fall war, die wir noch lebhaft im Gedächtnis haben. Ebenso ist es wichtig, daß die europäischen Völker es sich angelegen sein lassen, die konkreten Bedingungen zu erfüllen, um beim Aufbau der Union voranzukommen. 4. Der Hl. Stuhl hat von Anfang an das Europaprojekt aufmerksam verfolgt. Er ist sich der Schwierigkeiten des Unternehmens bewußt, das große Anstrengungen und Opfer von seiten der verschiedenen Nationen der Union erfordert. Jene, die Urheber des europäischen Aufbaus waren und eine bestimmte Europaidee entwickelt haben, sind ein Beispiel für die, die sich heute und in Zukunft am Bau beteiligen. Der Aufbau der Europäischen Union setzt vor allem die Achtung vor jeder Person und vor den verschiedenen menschlichen Gemeinschaften voraus und läßt ihrer geistigen, kulturellen und sozialen Dimension Recht widerfahren. Heute ist die Versuchung groß, zu behaupten, der Glaube an Gott sei ein zufälliges Phänomen soziologischer Natur. Der Glaube an Christus ist keine rein kulturelle, zu Europa gehörende Tatsache - das beweist schon seine Ausbreitung auf allen Kontinenten. Die Christen haben jedoch weitgehend zur Bildung des europäischen Bewußtseins und der europäischen Kultur beigetragen. Das ist nicht ohne Bedeutung für die Zukunft des Kontinents, denn wenn beim Aufbau Europas die transzendente 537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dimension der Person beiseitegeschoben wird - vor allem wenn Europa sich weigert, den Glauben an Christus und die Botschaft des Evangeliums als inspirierende Kräfte anzuerkennen dann verliert es einen großen Teil seines Fundamentes. Wenn das christliche Glaubensbekenntnis lächerlich gemacht wird und der Mensch bei seinen Unternehmungen Gott ausschließt, dann ist dieser Bau von Einsturzgefahr bedroht, denn es fehlt ihm an anthropologischen und geistigen Grundlagen. Im übrigen wird Politik ohne Bezugnahme auf die transzendente Dimension oft zur bloßen Ideologie. Menschen mit christlicher Sicht der Politik hingegen nehmen bei ihren Zeitgenossen Rücksicht auf deren persönliche Glaubenserfahrung; in ihrem politischen Planen steht der Mensch im Mittelpunkt der Gesellschaft, und sie sind sich bewußt, daß ihr Einsatz ein Dienst an ihren Brüdern und Schwestern ist, für den sie vor dem Herrn der Geschichte verantwortlich sind. 5. Man spricht oft von der Notwendigkeit, Europa auf den wesentlichen Werten aufzubauen. Das verlangt von den Christen, die sich dem öffentlichen Dienst verpflichtet haben, jederzeit der Botschaft Christi treu zu sein und sich um ein Leben geradliniger Moral zu bemühen. So bezeugen sie, daß es die Liebe zum Herrn und die Liebe zum Nächsten ist, was sie leitet. Die in der Politik engagierten Christen dürfen sich auch nicht davon dispensieren, den Ärmsten, den Bedürftigsten und allen Schutz- und Hilflosen gegenüber besonders aufmerksam zu sein. Ebenso haben sie den Wunsch, daß gerechte Bedingungen geschaffen werden, damit den Familien in ihrer unverzichtbaren Rolle im Herzen der Gesellschaft geholfen wird. Sie erkennen den unvergleichlichen Wert des Lebens an und das Recht jedes Menschen, geboren zu werden und würdig zu leben bis zu seinem natürlichen Tod. Möge die Liebe zum Nächsten geschwisterliche Haltungen und feste Beziehungen zwischen den Menschen und Völkern entstehen lassen, damit die Grundsätze des Gemeinwohls, der Solidarität und der Gerechtigkeit innerhalb der Union wie auch den hilfsbedürftigen Ländern gegenüber zum angemessenen Teilen der Arbeit und der Güter führen. Es bedarf einer großzügigen geistigen Motivierung, damit Europa ein offener, aufhahmebereiter Kontinent bleibt und der Würde unserer Brüder und Schwestern nicht Hohn gesprochen wird, denn die Daseinsberechtigung der Gesellschaft besteht darin, daß jedem ein „wirklich menschliches Leben“ ermöglicht wird (vgl. Jacques Maritain, L ’homme et l’Etat, 11). 6. In den kommenden Jahren wird Ihre Aufgabe vor allem deshalb wichtig sein, damit alle Länder, die es wünschen, dank der Unterstützung aller die notwendigen Bedingungen für ihre Teilhabe an diesem großen Europa erfüllen können. Durch Ihre Debatten und Entscheidungen gehören Sie zu den Urhebern der europäischen Gesellschaft von morgen. Wenn Sie denen die Hoffnung wiedergeben, die sie verloren haben, und die soziale Integration derer begünstigen, die in diesem Kontinent leben, wie auch derer, die sich in ihm niederlassen, dann entsprechen Sie Ihrer Berufüng als christliche Politiker. 538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum Abschluß unseres Treffens vertraue ich Sie der Fürsprache der heiligen Patrone Europas an und bitte den Herrn, Sie zu erleuchten und Ihr Handeln fruchtbar zu machen. Von ganzem Herzen erteile ich Ihnen wie auch Ihren Familien und allen Ihren Mitarbeitern den Apostolischen Segen. Christliche Hoffnung ist ein Beitrag zu jeder Kultur Ansprache während der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für die Kultur am 14. März Sehr verehrte Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich euch am heutigen Morgen zum Abschluß eurer Vollversammlung. Ich möchte eurem Präsidenten, Paul Kardinal Poupard, dafür danken, daß er von dem Geist gesprochen hat, in dem eure Arbeiten verlaufen sind. Ihr habt über die Frage nachgedacht, wie man die Kirche unterstützen kann, auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend eine stärkere Präsenz des Evangeliums im Herzen der Kulturen zu sichern. Diese Begegnung gibt mir die Gelegenheit, folgendes zu wiederholen: „Die Synthese zwischen Kultur und Glaube ist nicht nur ein Erfordernis der Kultur, sondern auch des Glaubens“ (Schreiben zur Gründung des Päpstlichen Rats für die Kultur, 20. Mai 1982, und Ansprache an die Teilnehmer am Nationalkongreß der Kirchlichen Bewegungen für kulturelles Engagement, 16. Januar 1982). Genau dies haben die dem Evangelium treuen Christen im Laufe der vergangenen zwei Jahrtausende und in den verschiedensten kulturellen Kontexten verwirklicht. Meist hat sich die Kirche in die Kultur der Völker eingefügt, in deren Mitte sie Fuß gefaßt hatte, um diese Kultur gemäß den Grundsätzen des Evangeliums zu formen. Der Glaube an Christus, der in der Geschichte Fleisch geworden ist, verwandelt nicht nur die Menschen in ihrem Innern, sondern er erneuert auch die Völker und deren Kulturen. Gegen Ende der Antike, zum Beispiel, als die Christen in einer Kultur lebten, der sie viel verdankten, verwandelten sie diese Kultur von innen heraus und flößten ihr einen neuen Geist ein. Als diese Kultur dann in Gefahr geriet, übermittelte die Kirche - mit Athanasius, Johannes Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus, Gregor dem Großen und vielen anderen - das Erbe Jerusalems, Athens und Roms, um eine wahrhaft christliche Zivilisation ins Leben zu rufen. Dies war damals — trotz aller Mängel, die jedem Werk des Menschen anhaften -die Gelegenheit einer gelungenen Synthese zwischen dem Glauben und der Kultur. 2. In unseren Tagen bleibt diese Synthese oft aus, und der Bruch zwischen Evangelium und Kultur „ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche“ (Paul VI., 539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Das ist dramatisch für den Glauben, denn in einer Gesellschaft, wo das Christentum im sozialen Leben ausgeschaltet und der Glaube in die Privatsphäre zurückgedrängt zu werden scheint, wird der Zugang zu religiösen Werten schwieriger, vor allem für die Armen und Kleinen, das heißt für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die sich unter dem Druck der von der vorherrschenden Kultur verbreiteten Gedanken und Verhaltensmodelle unmerklich säkularisiert. Das Fehlen einer Kultur, die diese Personen unterstützt, hindert diese Kleinen daran, Zugang zum Glauben zu finden und ganz davon zu leben. Dieser Zustand stellt aber auch ein Drama für die Kultur dar, die aufgrund des Bruches mit dem Glauben eine tiefe Krise durchmacht. Das Symptom dieser Krise ist in erster Linie dieses Angstgefühl, das aus dem Bewußtsein der Endlichkeit in einer Welt ohne Gott erwächst, wo das „Ich“ zum Absoluten gemacht wird und die irdischen Realitäten als die einzigen Werte des Lebens angesehen werden. In einer Kultur ohne Transzendenz erliegt der Mensch der Anziehungskraft des Geldes und der Macht, des Vergnügens und des Erfolgs. Außerdem stößt er auf die durch den Materialismus hervorgerufene Unzufriedenheit, er begegnet dem Verlust des Sinnes für sittliche Werte und den Befürchtungen um seine Zukunft. 3. Aber im Herzen einer solchen Ernüchterung bleibt dennoch immer ein absolutes Dürsten, eine Sehnsucht nach dem Guten, ein Hungern nach Wahrheit, ein Bedürfnis nach Vollendung der Persönlichkeit. Das entspricht dem Umfang des Auftrags des Päpstlichen Rats für die Kultur: der Kirche helfen, eine neue Synthese zwischen Glauben und Kultur für das größere Wohl aller zustande zu bringen. Am Ende dieses Jahrhunderts ist es wesentlich, die Fruchtbarkeit des Glaubens bei der Entfaltung einer Kultur hervorzuheben. Nur ein Glaube, der Quell radikaler geistiger Entscheidungen ist, ist auch in der Lage, auf die Kultur eines Zeitalters einzuwirken. So war zum Beispiel die Einstellung des hl. Benedikt, dieses römischen Patriziers, der eine veraltete Gesellschaft verließ und sich in die Einsamkeit, die Askese und das Gebet zurückzog, für das Wachstum der christlichen Zivilisation entscheidend. 4. In ihrer Annäherung an die verschiedenen Kulturen präsentiert sich das Christentum mit der Heilsbotschaft, die es von den Aposteln und den ersten Jüngern erhalten hat, die von den Kirchenvätern und den Theologen durchdacht und vertieft worden ist, die vom christlichen Volk - vor allem von den Heiligen - gelebt worden ist und die in ihren großen theologischen, philosophischen, literarischen und künstlerischen Genies ihren Ausdruck gefunden hat. Wir haben die Aufgabe, den Menschen von heute diese Botschaft in ihrer ganzen Reichhaltigkeit und ihrer ganzen Schönheit zu verkünden. Um das zu tun, sollte jede Ortskirche ein Kulturprojekt haben, wie es schon in diesem oder jenem Land der Fall ist. Im Laufe dieser Vollversammlung habt ihr einen bedeutenden Teil eurer Arbeiten darauf verwandt, nicht nur den Einsatz, sondern auch die Bedürfnisse einer wirklichen Pastoral der Kultur zu erwägen, denn diese 540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist für eine neue Evangelisierung von entscheidender Bedeutung. Ihr kommt aus verschiedenen kulturellen Umfeldern und informiert den Hl. Stuhl über die Erwartungen der Ortskirchen und über das Echo aus euren kirchlichen Gemeinschaften. Unter den euch übertragenen Aufgaben möchte ich einige unterstreichen, denen der Rat seine höchste Aufmerksamkeit schenken sollte, wie zum Beispiel die Errichtung katholischer Kulturzentren oder die Präsenz in der Welt der Medien und in der Welt der Wissenschaft, um dort das kulturelle Erbe des Christentums zu vermitteln. In all euren Bemühungen sollt ihr vor allem den Jugendlichen und den Künstlern nahe sein. 5. Der Glaube an Christus schenkt den Kulturen eine neue Dimension, nämlich die der Hoffnung auf das Reich Gottes. Die Christen sind dazu berufen, diese Hoffnung auf eine neue Erde und auf einen neuen Himmel in das Herz der Kulturen einzupflanzen. Denn wenn sich die Hoffnung verflüchtigt, versinken auch die Kulturen. Weit davon entfernt, sie zu gefährden oder zu verarmen, bringt das Evangelium ihnen ein Mehr an Freude und Schönheit, an Freiheit und Sinn, an Wahrheit und Güte. Wir alle sind aufgerufen, diese Botschaft weiterzugeben durch eine Gesprächsführung, die sie verkündet, durch ein Dasein, das sie bezeugt, durch eine Kultur, die sie zum Leuchten bringt. Denn das Evangelium fuhrt die Kultur zu ihrer Vollkommenheit, und die wirkliche Kultur ist dem Evangelium gegenüber aufgeschlossen. Die Arbeit, die darin besteht, sie jeweils einander zu schenken, soll ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Ich habe den Päpstlichen Rat für die Kultur gegründet, um der Kirche dabei zu helfen, den heilbringenden Auftrag zu leben, wo die Inkulturation des Evangeliums mit der Evangelisierung der Kulturen Hand in Hand geht. Möge Gott euch bei der Erfüllung eures großartigen Auftrags beistehen! Ich vertraue Maria, der Mutter der Kirche und ersten Erzieherin Christi, die Zukunft des Päpstlichen Rats für die Kultur und all seiner Mitglieder an und erteile euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1997 vom 16. März 1. Iesu, Sacerdos in aetemum, miserere nobis! Liebe Priester, es ist schon zur Tradition geworden, daß ich mich anläßlich des Tages, an dem ihr euch um euren Bischof versammelt, um voll Freude der Einsetzung des Priesteramtes in der Kirche zu gedenken, an euch wende; zugleich bringe ich vor allem dem Herrn meine Gefühle der Dankbarkeit für die Jubiläumsfeiern zum Ausdruck, 541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die am 1. und 10. November des vergangenen Jahres so viele Mitbrüder im Priesteramt an meiner Freude teilhaben ließen. Ich danke allen von ganzem Herzen. Ein besonderes Gedenken gilt den Priestern, die wie ich im vergangenen Jahr den 50. Jahrestag ihrer Weihe begangen haben. Viele von ihnen zögerten nicht, trotz ihres hohen Alters und der weiten Entfernung nach Rom zu kommen, um mit dem Papst das goldene Priesterjubiläum zu feiern. Ich danke dem Kardinalvikar, seinen Mitarbeitern im Bischofsamt, den Priestern und den Gläubigen der Diözese Rom, die in vielfältiger Weise ihre Verbundenheit mit dem Nachfolger des Petrus zum Ausdruck brachten, indem sie Gott für das Geschenk des Priestertums dankten. Mein Dank gilt auch den Herren Kardinälen, den Erzbischöfen und Bischöfen, den Priestern, den Gott geweihten Männern und Frauen und allen Gläubigen der Kirche für das Geschenk ihrer Nähe, ihrer Fürbitte und für das Te Deum, das wir gemeinsam zum Dank gesungen haben. Außerdem möchte ich allen Mitarbeitern der Römischen Kurie danken für alles, was sie taten, damit das goldene Priesteijubiläum des Papstes dazu beitragen konnte, das große Geschenk und Geheimnis des Priestertums deutlicher ins Bewußtsein zu rücken. Ich bitte den Herrn ständig, auch weiterhin das Licht der Berufung zum Priestertum in den Herzen vieler junger Menschen zu entzünden. In jenen Tagen wanderte ich in meinen Gedanken und mit dem Herzen oftmals in die Privatkapelle der Erzbischöfe von Krakau, wo der unvergeßliche Metropolit von Krakau und spätere Kardinal Adam Stefan Sapieha mir die Hände auflegte und die sakramentale Gnade des Priestertums übertrug. Voll innerer Bewegung kehrte ich geistig zurück in die Kathedrale auf dem Wawel, wo ich am Tag nach der Priesterweihe die erste heilige Messe gefeiert hatte. Als wir während der Jubiläumsfeiern über die Worte der Liturgie nachdachten, spürten wir besonders deutlich die Gegenwart Christi, des Hohenpriesters: „Seht, das ist der Hohepriester, der in seinen Tagen Gott gefiel und gerecht erfunden ward.“ Ecce Sacerdos mag-nus. Diese Worte finden ihre volle Verwirklichung in Christus selbst. Er ist der Hohepriester des neuen und ewigen Bundes, der einzige Priester, von dem wir Priester alle die Gnade der Berufung und des Dienstes empfangen. Ich freue mich darüber, daß durch die Jubiläumsfeiern meiner Priesterweihe das Priestertum Christi in seiner unvergleichlichen Wahrheit aufscheinen konnte: als Geschenk und Geheimnis zum Wohl der Menschen aller Zeiten bis zum Jüngsten Tag. Fünfzig Jahre nach meiner Priesterweihe denke ich wie immer tagtäglich an meine Altersgenossen sowohl von Krakau als auch von allen anderen Teilkirchen der Welt, die ein solches Jubiläum nicht erleben durften. Ich bitte Christus, den ewigen Priester, ihnen als Erbteil den ewigen Lohn zu schenken und sie in die Herrlichkeit seines Reiches aufzunehmen. 2. Iesu, Sacerdos in aetemum, miserere nobis! Liebe Brüder, ich schreibe euch diesen Brief während des ersten Vorbereitungsjahres auf den Beginn des 3. Jahrtausends: Tertio millennio adveniente. In dem 542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolischen Schreiben, das mit diesen Worten beginnt, stellte ich die Bedeutung des Übergangs vom zweiten zum dritten Jahrtausend nach Christi Geburt heraus und setzte fest, daß die letzten drei Jahre vor dem Jahr 2000 der Heiligsten Dreifaltigkeit gewidmet seien. Das erste, am ersten Adventsonntag vergangenen Jahres feierlich begonnene Jahr konzentriert sich auf Christus. Denn er ist der Mensch gewordene und von Maria, der Jungfrau, geborene ewige Sohn Gottes, der uns zum Vater führt. Das kommende Jahr wird dem Heiligen Geist, dem Beistand, gewidmet sein, den Christus den Aposteln in der Stunde seines Heimgangs aus dieser Welt zum Vater verheißen hatte. Zum Abschluß wird das Jahr 1999 dem Vater gewidmet sein, zu dem der Sohn uns im Heiligen Geist, dem Tröster, fuhren will. So wollen wir das zweite Jahrtausend mit einem außerordentlichen Lobpreis an die Heiligste Dreifaltigkeit beenden. Auf diesem Weg wird uns die Trilogie der Enzykliken begleiten, die ich durch die Gnade Gottes zu Beginn des Pontifikats veröffentlichen konnte: Redemptor hominis, Dominum et vivißcantem und Dives in misericordia, und die ich euch, liebe Brüder, in diesem Triennium zur erneuten Reflexion empfehle. In unserem Dienst, besonders bei der Feier der Liturgie, soll immer das Bewußtsein vorherrschen, auf dem Weg zum Vater zu sein, geführt vom Sohn im Heiligen Geist. Gerade dieses Bewußtsein wird in uns geweckt durch die Worte, mit denen wir jedes Gebet beenden: „Durch unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ 3. Iesu, Sacerdos in aetemum, miserere nobis! Diese Anrufung ist aus der Litanei zu unserem Herrn Jesus Christus, dem Priester und Opfer, genommen, die im Krakauer Priesterseminar am Tag vor der Priesterweihe gebetet wurde. Ich wollte sie als Anhang an den Schluß des Buches Geschenk und Geheimnis setzen, das anläßlich meines Priesterjubiläums veröffentlicht wurde. Auch im vorliegenden Brief möchte ich diese Litanei hervorheben, weil sie mir das Priestertum Christi und unsere Verbindung mit ihm ganz besonders deutlich und eingehend darzustellen scheint. Sie gründet auf Texten der Heiligen Schrift, insbesondere auf dem Hebräerbrief, aber nicht ausschließlich. Wenn wir zum Beispiel sprechen: Iesu, Sacerdos in aeternum secundum ordinem Mel-chisedek, greifen wir gedankenmäßig auf das Alte Testament, den Psalm 110/109, zurück. Wir wissen sehr wohl, was es für Christus bedeutet, Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech zu sein. Sein Priestertum fand in der „ein für allemal“ (Hebr 10,10) dargebrachten Opfergabe seines Leibes Ausdruck. Indem er sich im blutigen Opfertod am Kreuz dargebracht hat, setzte er für alle Zeiten unter den Gestalten von Brot und Wein das unblutige „Gedächtnis“ ein. Und unter diesen Gestalten vertraute er dieses sein Opfer der Kirche an. So also feiert die Kirche und in ihr jeder Priester das einmalige Opfer Christi. 543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich erinnere mich deutlich der Gefühle, die die Wandlungsworte in mir weckten, als ich sie zum ersten Mal zusammen mit dem Bischof sprach, der mich kurz zuvor geweiht hatte: Worte, die ich am nachfolgenden Tag bei der heiligen Messe wiederholte, die ich in der Krypta des hl. Leonhard feierte. Und seitdem erklangen diese sakramentalen Worte viele, viele Male - unzählige Male - auf meinen Lippen wieder, um Christus unter den Gestalten von Brot und Wein im Augenblick der Heilstat, seines Opfertodes am Kreuz, gegenwärtig zu setzen. Betrachten wir dieses erhabene Geheimnis noch einmal zusammen. Jesus nahm das Brot, reichte es seinen Jüngern und sprach: „Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib ...“ Und dann nahm er den Kelch mit Wein in seine Hände, dankte, reichte ihn seinen Jüngern und sprach: „Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Und er fügte hinzu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Sind diese wunderbaren Worte nicht der Takt, nach dem jedes Priesterleben schlägt? Wiederholen wir sie jedes Mal, als sei es zum ersten Mal! Sprechen wir sie so, daß sie niemals zur Gewohnheit werden. Sie sind der höchste Ausdruck der vollen Verwirklichung unseres Priestertums. 4. Wenn wir das Opfer Christi feiern, seien wir uns ständig der Worte bewußt, die wir im Hebräerbrief lesen: „Christus aber ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter; ... [er ist] ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt. Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh die Unreinen, die damit besprengt werden, so heiligt, daß sie leiblich rein werden, wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen. Und darum ist er der Mittler eines neuen Bundes“ (9,11-15). Die Anrufungen der Litanei zu unserem Herrn Jesus Christus, dem Priester und Opfer, knüpfen gewissermaßen an diese oder andere Worte desselben Briefes an: Iesu, Pontifex ex hominibus assumpte, ... pro hominibus constitute, Pontifex confessionis nostrae, ... ampliorisprae Moysi gloriae, Pontifex tabernaculi veri, Pontifexfuturorum bonorum, ... sancte, innocens et impollute, Pontifexfidelis et misericors, ... Dei et animarum zelo succense, Pontifex in aeternum perfecte, Pontifex qui (...) caelospenetrasti... Während wir diese Anrufungen wiederholen, sehen wir mit den Augen des Glaubens das, wovon der Hebräerbrief spricht: Christus ist mit seinem eigenen Blut in das Heiligtum hineingegangen. Als vom Vater Spiritu Sancto et virtute in Ewigkeit eingesetzter Priester hat er „sich ... zur Rechten der Majestät in der Höhe ge- 544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN setzt“ (Hebr 1,3). Und von dort aus tritt er als Mittler für uns ein - semper vivens ad interpellandum pro nobis um uns den Weg eines neuen, ewigen Lebens aufzuzeigen: Pontifex qui nobis viam novam initiasti. Er liebt uns und hat sein Blut vergossen, um unsere Sünden hinwegzunehmen - Pontifex qui dilexisti nos et lavisti nos a peccatis in sanguine tuo. Er hat sich selbst für uns hingegeben: tradi-disti temetipsum Deo oblationem et hostiam. Christus führt gerade das Opfer seiner selbst, das der Preis unserer Erlösung ist, in das ewige Heiligtum ein. Die Opfergabe, das heißt das Opfer, ist vom Priester nicht zu trennen. Um all das besser zu verstehen, hat mir gerade die Litanei zu unserem Herrn Jesus Christus, dem Priester und Opfer, geholfen, die im Seminar gebetet wurde. Ständig komme ich auf diese grundlegende Lektion zurück. 5. Heute ist Gründonnerstag. Die ganze Kirche versammelt sich geistig im Abendmahlssaal, wo sich die Apostel mit Christus zum letzten Abendmahl zusammenfanden. Lesen wir nochmals im Johannesevangelium die von Christus in der Abschiedsrede gesprochenen Worte. Unter der Reichhaltigkeit dieses Textes möchte ich bei den von Jesus an die Apostel gerichteten Worten verweilen: ,3s gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (15,13-15). Jesus nennt die Apostel „Freunde“. So will er auch uns nennen, die wir dank des Weihesakraments an seinem Priestertum teilhaben. Hören wir diese Worte mit tiefer innerer Bewegung und Demut. Sie enthalten die Wahrheit. Vor allem die Wahrheit über die Freundschaft, aber auch eine Wahrheit über uns selbst, die wir am Priestertum Christi als Diener der Eucharistie teilhaben. Hätte Jesus uns seine Freundschaft noch deutlicher zum Ausdruck bringen können als in der Weise, daß er uns als Priester des neuen Bundes erlaubt, an seiner Statt, in persona Christi Capitis, zu handeln? Gerade das geschieht in unserem ganzen priesterlichen Dienst, wenn wir die Sakramente spenden und besonders wenn wir die Eucharistie feiern. Wir wiederholen die Worte, die er über das Brot und den Wein sprach, und kraft unseres Amtes vollzieht sich dieselbe Wandlung, die er vollzog. Gibt es einen vollendeteren Ausdruck von Freundschaft als diesen? Er ist die Mitte unseres priesterlichen Dienstes. Christus spricht: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Zum Abschluß dieses Briefes möchte ich euch diese Worte als Segenswunsch mitgeben. Liebe Brüder, am Tag der Erinnerung an die Einsetzung des Sakramentes der Priesterweihe wünschen wir uns gegenseitig, daß wir wie die Apostel Frucht bringen und daß unsere Frucht bleibt. Maria, die Mutter Christi, des ewigen Hohenpriesters, stütze mit ihrem ständigen Schutz die Schritte unseres Dienstes, vor allem, wenn der Weg beschwerlich und 545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Mühe stärker spürbar wird. Die treue Jungfrau trete bei ihrem Sohn für uns ein, daß uns als seine Zeugen und Mitarbeiter auf den verschiedenen Ebenen unseres Apostolates nie der Mut verläßt, damit die Welt das Leben habe und es in Fülle habe (vgl. Joh 10,10). Im Namen Christi segne ich euch alle in tiefer Zuneigung. Aus dem Vatikan, am 16. März, dem fünften Fastensonntag des Jahres 1997, dem 19. des Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Ein formeller, feierlicher und leidvoller Aufruf Acta Diuma / zu Zaire vom 16. März Wir erinnern uns noch gut an den Angelus im vergangenen Dezember, als ein Junge aus Zaire neben dem Papst stand und zusammen mit einem weißen Mädchen als Symbol eine Taube zu einem Friedensflug über den Petersplatz freiließ. Zaire und die ganze Region der Großen Seen in Afrika ist immer noch ein Herd des Krieges, der Gewalt und des unsagbaren Elends. Vom Stuhl des Nachfolgers Petri kommt diesmal ein formeller und feierlicher Aufruf. Es ist ein Schreiben, das Johannes Paul II. an Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen, gesandt hat. „Ich kann nicht gleichgültig bleiben“: So schreibt er, der aller Vater ist und sich als solcher versteht und der alle zur Verantwortung ruft. Es bedarf einer sofortigen Waffenruhe, es bedarf der Achtung der territorialen Integrität, es bedarf der Verhandlungen, des Dialogs, der Demokratisierung, der Sicherheit und der Hilfeleistungen für die betroffenen Bevölkerungsgruppen. Um diese Bedürfnisse zu befriedigen und um noch tragischeren Entwicklungen vorzubeugen, ist eine konzertiertere Aktion der internationalen Gemeinschaft, die eben von den Vereinten Nationen organisiert und vertreten wird, unentbehrlich. Aus diesem Grund faßte der Papst den Entschluß, sich an den Generalsekretär dieser Einrichtung zu wenden. Und er hat ihm versichert, daß dem friedenbringenden Dialog der Beitrag der Kirche nicht fehlen wird. Ein Unterpfand dieses Beitrags sind jene acht Priester und jene drei Ordensfrauen aus Ruanda, die Ende Februar bei Kalima in Zaire umgebracht wurden. Diese elf sind die jüngsten Opfer, von denen wir aus dieser gepeinigten Gegend erfahren haben. Es sind gewiß nicht die ersten; und leider kann man nicht mit Sicherheit davon ausgehen, daß es die letzten sein werden. Ihre direkte Einbeziehung in die Tragödie Zaires setzt einerseits ihr Schicksal mit dem ihres Volkes gleich und bereichert andererseits das Martyrologium der heutigen Kirche, das in den verschiedenen Situationen für leidvolle Eintragungen immer noch offensteht. Eine feste 546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Überzeugung besagt, daß das Opfer der Märtyrer auch im zeitlichen Bereich seine Früchte bringen wird, auch wenn wir aus unserem begrenzten Gesichtsfeld nicht vermögen, deren Mittel und Ausmaße vorherzusehen. Geistliche Führung und Gewissensbildung im Sakrament der Versöhnung Ansprache an die Apostolische Pönitentiearie am 17. März 1. Abermals gewährt uns der Herr die Gnade und die Freude einer feierlichen und zugleich familiären Begegnung. Herzlich begrüße ich Herrn Kardinal William Wakefield Baum, dem ich für seine an mich gerichteten warmherzigen Worte danke. Mit ihm begrüße ich die Prälaten und Offiziale der Apostolischen Pöniten-tiarie, des zuständigen Organs für jenen Dienst der Liebe, der dem Nachfolger Petri zusammen mit der Schlüsselgewalt anvertraut ist, um in reicher Fülle die Gaben der göttlichen Barmherzigkeit auszuteilen. Ganz herzlich heiße ich die Beichtväter der Patriarchalbasiliken dieser Stadt willkommen. Ihnen spreche ich meinen Dank aus für die Selbstlosigkeit, Zuverlässigkeit und Demut, mit der sie sich dem Dienst im Beichtstuhl widmen und dadurch die Vergebung Gottes und die Fülle seiner Gnade in die Herzen gelangen lassen. Schließlich richte ich meinen Willkommensgruß an die Neupriester und an die Priesteramtskandidaten, die kurz vor ihrer Weihe stehen; sie haben ein nützliches Angebot der Päpstlichen Pönitentiarie wahrgenommen und die moraltheologischkirchenrechtliche Thematik bezüglich menschlicher Verhaltensformen vertieft, die dringend heilender Gnade bedürfen und daher in besonderer Weise Gegenstand der mütterlichen Sorge der Kirche sein müssen. So bereiten sie sich in geeigneter Weise auf ihren künftigen Dienst vor, zu dem ich sie ermutige und sie zugleich auffordere, fest auf die Hilfe des Herrn zu vertrauen. 2. Daß unsere Begegnung in der Zeit unmittelbar vor dem Osterfest stattfindet, hat eine ganz bestimmte Bedeutung. Dieser zeitliche Umstand fuhrt uns in Gedanken natürlich auf das Opfer Jesu hin, von dem allein uns die Rettung zukommt und von dem daher die Sakramente Wert und Bedeutung erhalten. Erwähnt zu werden verdient auch, daß dieses Jahr 1997 in der Reihe der unmittelbaren Vorbereitungsjahre auf das Große Jubiläum der Jahrtausendwende zum Jahr des menschgewordenen Sohnes Gottes erklärt wurde. Jesus, Gottes Sohn, ist in die Welt gekommen, „daß [er] für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,37). Er ist das Lamm Gottes, „das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ {Joh 1,29). Diese Aussagen des Johannesevangeliums weisen uns den Weg zur weiterführenden Betrachtung über die befreiende Wahrheit, die das Thema der Botschaft bildete, die ich im vergangenen Jahr zum Abschluß des Kurses über das „forum in-temum“ an den Kardinal-Großpönitentiar gesandt habe. Die Wahrheit, die frei 547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macht, ist also unter verschiedenen Gesichtspunkten kraft der Gnade Vorausbedingung und Frucht des Sakramentes der Versöhnung. Denn vom Bösen kann man sich nur dann befreien, wenn man sich dieses Bösen als solches bewußt ist. Leider sind die heutigen gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse für eine klare und gewissenhafte Kenntnisnahme mancher Fundamentalthemen der Moralordnung alles andere als günstig, da Schranken und Abwehrmechanismen, die vor nicht allzu langer Zeit noch üblich waren, inzwischen abgebaut worden sind. Als Folge davon stellt sich bei vielen Menschen eine Abstumpfung des persönlichen Sündenbewußtseins ein. Man geht sogar soweit, über die moralische Belanglosigkeit, ja über den positiven Wert von Verhaltensweisen zu theoretisieren, die die von Gott festgelegte Wesensordnung der Dinge verletzen. 3. Diese Tendenz greift in dem ganzen weiten Bereich freien menschlichen Handelns um sich. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, eine gründliche Analyse dieses Phänomens und seiner Ursachen vorzunehmen. Ich möchte jedoch bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß vor wenigen Tagen der Päpstliche Rat für die Familie speziell im Hinblick auf den fruchtbaren Empfang des Bußsakramentes ein Vademekum für Beichtväter herausgegeben hat. Das Dokument will einen Beitrag leisten zur Klärung „über einige das Eheleben betreffende Moralthemen“. Es übersetzt die unveränderliche Lehre der Kirche über die objektive Moralordnung, wie sie in den vorausgegangenen Dokumenten zu diesem Thema beständig gelehrt wurde, in eine für ein wirksames Hilfsmittel geeignete Sprache. Wegen der pastoralen Zielsetzung, die das Vademekum kennzeichnet, unterstreicht es die Haltung liebevollen Verständnisses, die denjenigen entgegengebracht werden solle, die aus fehlender oder ungenügender Erkenntnis der sittlichen Norm irren oder, wenn sie um sie wissen, aus menschlicher Schwachheit sündigen, sich jedoch, wenn die Barmherzigkeit des Herrn sie erreicht, wieder aufrichten wollen. Der Text verdient es, mit Vertrauen und innerer Bereitschaft aufgenommen zu werden. Er hilft den Beichtvätern bei ihrem anspruchsvollen Auftrag, die verheirateten oder sich auf die Ehe vorbereitenden Gläubigen aufzuklären, nötigenfalls zu korrigieren und zu ermutigen. Im Bußsakrament entfaltet sich somit eine Aufgabe, die sich keineswegs auf die Mißbilligung von Verhaltensweisen beschränkt, die dem Willen des Herrn, Urheber des Lebens, entgegenstehen, vielmehr öffnet sie sich einer positiven Lehre und dem Dienst zur Förderung echter Liebe, aus der das Leben erwächst. 4. Von dem Zustand sittlicher Desorientierung, der in großen Teilen der Gesellschaft um sich greift, sind auch viele Gläubige betroffen, aber durch den Dienst der Kirche kommt allen die rettende Macht des menschgewordenen Gottessohnes entgegen. Darum darf uns die schwierige Lage nicht entmutigen, sondern sie soll vielmehr Anstoß sein für den ganzen Erfindungsreichtum unserer pastoralen Liebe. 548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Beichtdienst darf in der Tat nicht als ein vom christlichen Leben insgesamt losgelöster Vorgang verstanden werden, sondern als privilegiertes Ereignis, in dem die Katechese, das Gebet der Kirche, das Gefühl der Reue und die vertrauensvolle Annahme des Lehramtes und der Schlüsselgewalt zusammenfließen. Damit die Gläubigen ausreichend über die Dispositionen verfugen, die erforderlich sind, um durch die Absolution des Priesters die Vergebung Gottes zu erlangen, kann sich daher ihre Gewissensbildung nicht in den Ermahnungen, Erklärungen und Belehrungen erschöpfen, die der Priester dem Pönitenten im Beichtakt gewöhnlich gibt und geben soll. Über diesen streng sakramentalen Akt hinaus bedarf es einer ständigen geistlichen Führung, die in den klassischen und unersetzlichen Formen pastoraler Tätigkeit und christlicher Pädagogik ihren Ausdruck findet: der an die verschiedenen Alters und Bildungsstufen angepaßte Katechismus, die Predigt im Gottesdienst, Gebetstreffen, Lektionen zur religiösen Bildung in katholischen Vereinen und an den Schulen, ausgeprägte Präsenz in den Massenmedien. 5. Durch diese ständige religiöse und moralische Fortbildung wird es für die Gläubigen leichter sein, die tiefsten Gründe der kirchlichen Morallehre zu erfassen, wenn sie sich nämlich darüber klar werden, daß die Kirche dort, wo sie in ihrer Lehre durch die Verurteilung von Mord, Selbstmord, Euthanasie und Abtreibung das Leben verteidigt, und dort, wo sie die Heiligkeit der ehelichen Beziehung und der Fortpflanzung dadurch schützt, daß sie sie wieder zum Plan Gottes für die Ehe zurückführt, nicht ihr eigenes Gesetz auferlegt, sondern immer aufs neue sowohl das natürliche wie das geoffenbarte göttliche Gesetz beteuert und klarmacht. Daraus erwächst ihre Festigkeit bei der Offenlegung der Abweichungen von der sittlichen Ordnung. Damit die Gläubigen dieses objektive Kriterium anerkennen, müssen sie zur Annahme des Lehramtes der Kirche erzogen werden, auch wenn es nicht in feierlicher Form vorgestellt wird. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, was das Erste Vatikanische Konzil erklärt und das Zweite Vatikanische Konzil bestätigt hat, daß nämlich auch das gewöhnliche und allgemeine Lehramt der Kirche, wenn es eine Lehre als von Gott geoffenbart vorlegt, göttliche und katholische Glaubenslehre ist (vgl. Denzinger-Schönmetzer, 3011; Lumen Gentium, Nr. 25). Im Lichte dieser Kriterien wird klar, daß es nur ein Vorwand ist, wenn man die Rechte des Gewissens der objektiven Gültigkeit des von der Kirche ausgelegten Gesetzes gegenüberstellt; denn wenn es auch stimmt, daß die mit einem unbestreitbar im Irrtum befindlichen Gewissen begangene Handlung nicht schuldhaft ist, so stimmt es ebenso, daß sie objektiv ein Vergehen bleibt. Daher ist ein jeder verpflichtet, das eigene Gewissen in rechter Weise zu bilden. 6. Unsere pastorale Aufgabe verlangt, daß wir die Wahrheit kompromißlos und ohne Abstriche verkündigen. Der hl. Paulus ermahnt uns aber auch, daß wir „uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ sollen (Eph 4,15). Gott ist die 549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN grenzenlose Liebe und will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe (vgl. Ez 18,23). Wir Priester, seine Diener, müssen der zerstörenden Kraft der Sünde die ebenso tröstliche wie anspruchsvolle Botschaft der Vergebung entgegensetzen. Dafür ist Jesus gestorben und auferstanden. Wenn wir in diesem Jahr, das Christus, dem Erlöser, gewidmet ist, über den unergründlichen Reichtum der Erlösung nachdenken, wird uns das Geschenk zuteil werden, zunächst selber die lebendige Erfahrung des göttlichen Erbarmens zu machen, das uns rettet; so werden wir es nach dem Vorbild Christi immer besser fertigbringen, Lehrer zu sein, die aufklären, und Väter, die im Namen und durch die Vollmacht Gottes hören und annehmen. Denn wir sind berufen, mit dem hl. Paulus zu sprechen: „Wir sind Gesandte an Christi Statt... Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ {2 Kor 5,20). Mit dem Wunsch reicher Gnaden für die fruchtbare Ausübung dieses Dienstes der Versöhnung erteile ich euch, den hier anwesenden Priestern und Priesteramtskandidaten, die ihr vor meinem Herzen als universalem Hirten die Priester und Priesteramtskandidaten der ganzen Welt repräsentiert, meinen besonderen Apostolischen Segen. Mission heißt: Gib das Wort Gottes weiter! Ansprache beim Treffen mit der Jugend Roms am 20. März 1. „Non sum dignus, non sum dignus.“ Ja, liebe Jugendliche, ich habe dieser Tage ein französisches Buch gelesen: „Jean Paul II le resistant“ (Johannes Paul II., der Widerstandsfähige). Der Papst ist widerstandsfähig. Heute sehe ich nun, daß ich einen anderen Titel verdient habe: „sconvolgente“ (Durcheinanderbringer), weil ich euer Programm durcheinandergebracht habe. - Doch jetzt müssen wir „ad rem“ übergehen. Ihr wißt doch, was das heißt, „ad rem“ gehen? Aber ich will euch keiner Lateinprüfung unterziehen. „Ad rem“ bedeutet: Zur Sache kommen, zum Thema, zu dem, was auf den Blättern steht, die ich in Händen halte. Dann werden wir sehen. „Mission heißt: Gib das Wort Gottes weiter!“ Liebe Jugendliche von Rom, dies ist der Slogan, der beim heutigen Treffen schon mehrmals zu hören war und der gut die Bedeutung dessen zusammenfaßt, was in der Kirche Roms gerade vor sich geht: nämlich die Stadtmission. Was anders ist denn die Stadtmission als ein gemeinsames sich dafür Einsetzen, das Wort Gottes, das Eingang ins Herz des Menschen sucht, aufzunehmen und es in unserem täglichen Leben an alle weiterzugeben? Das Wort Gottes ist, wie wir im Brief an die Hebräer lesen, „lebendig, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (vgl. Hebr 4,12). 2. Liebe Jungen und Mädchen, vorausgreifend sage ich das zur Übergabe dieses Wortes. Ich übergebe euch das Markusevangelium, d. h. ich „gebe es an euch weiter“. 550 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangelium bedeutet „Gute Nachricht“, und die „Gute Nachricht“ ist Jesus, der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, um die Welt zu retten. Das Herz des Evangeliums ist eben die Predigt Jesu, es sind seine Taten, es ist sein Tod und seine Auferstehung, es ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, gestorben und auferstanden für alle. Ihr habt während des Treffens die Lesung einer sehr wichtigen Stelle aus dem Markusevangelium gehört: die zweifache Frage Jesu an seine Jünger: „Für wen halten mich die Menschen?“, und: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ - und die Antwort des Petrus im Namen aller: „Du bist der Messias!“ (vgl. Mk 8,27-30). Diese Antwort ist die Zusammenfassung des Markusevangeliums: Alles, was ihr davor lesen könnt, ist ein langsam fortschreitender Weg zu dieser Verkündigung hin, daß Jesus der Messias ist. Alles, was danach noch folgt, ist eine weiterführende Erklärung dafür, wie Jesus der Messias ist. Er ist der Messias - und das ist etwas absolut Neues —, als er im Gehorsam gegenüber dem Vater sein Werk am Kreuz vollbringt und aus Liebe zu uns stirbt. Vor seinem Tod ruft der römische Hauptmann aus: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Hier sehen wir konzentriert den sehnlichen missionarischen Wunsch und die tiefste Überzeugung des Markus. Angesichts der größten Liebestat, die ein Mensch vollbringen kann, „sein Leben hinzugeben für seine Freunde“ (vgl. Joh 15,13), ist es möglich, sich zu bekehren, sein Leben zu ändern. Auch der Hauptmann, der nicht zum auserwählten Volk gehört, erkennt in Jesus den Sohn Gottes, den Erlöser nicht nur eines Volkes oder einer Nation, sondern jedes Mannes und jeder Frau, eines jeden, der ihn aufnimmt und ihn im Augenblick seiner äußersten Erniedrigung, in seinem äußersten Zunichtegemachtsein erkennt. 3. Liebe Jugendliche von Rom, an der Stelle im Markusevangelium, die sich auf die Auferstehung bezieht, sagt der Engel zu den Frauen: „Ihr sucht Jesus von Na-zaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier ... Er geht euch voraus nach Galiläa“ (Mk 16,6-7). Es ist, als ob er zu uns sagen wollte, daß wir doch ja nicht vor dem Grab stehenbleiben sollen. Wenn ihr ihm begegnen wollt - wiederholt der Engel zu uns allen -, geht die Straße, die Jesus euch zeigt. „Er geht euch voraus nach Galiläa“, und um ihn lebend und auferstanden zu sehen, müßt ihr dort zu ihm gehen, wo er euch ein Zusammentreffen anbietet. Zwei Momente bei Markus, die schon zu denken geben. Wenn dies der Inhalt des Evangeliums ist, dann muß es weitergegeben werden, weitergegeben an die andern. Und damit sind wir beim Thema „Mission“: apostolische Mission - Mission der Frauen, der ersten „Apostelinnen“, wie Magdalena - Mission des Petrus - der Zwölf - und jetzt die Stadtmission, Mission der Einwohner dieser Stadt, Mission von euch Römern allen. Deshalb ist die Stadtmission eine einzigartige Gelegenheit auch für euch, liebe Jugendliche der Pfarreien, Vereinigungen und Bewegungen Roms, das Wort Gottes kennenzulemen und es weiterzugeben und das Treffen mit Ihm nicht zu versäumen. Jesus in seinem Wort kennenlemen; Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, durch sein Wort, durch das Markusevangelium kennenlemen. 551 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stadtmission ist vor allem: begreifen, daß es kein echtes Christsein gibt, wenn es nicht missionarisch ist, und daß Jesus ein Geschenk Gottes ist, das allen gebracht werden muß. Stadtmission heißt, von Christus lernen, aus uns selbst, aus unseren Gruppen, unseren Pfarreien, unseren schönen Versammlungen hinausgehen, um sein Evangelium zu vielen Freunden zu bringen, die wir kennen und die gleich uns das Heil erwarten, das nur Er kennt und geben kann. 4. Geht also! Jugendliche zu den Jugendlichen. Aber wer sind die Jugendlichen? -Ihr seid die Jugendlichen von Rom! Aus den vielen Begegnungen, die ich im Lauf dieser Jahre mit euch hatte, habe ich von euch Jugendlichen eine ziemlich genaue Vorstellung gewonnen. Ihr habt so viel positives Verlangen und Wünschen, wollt da sein und fühlt euch als Personen, die im Leben etwas bedeuten. Ihr wollt in Freiheit leben und ungezwungen das tun, was euch besonders gefallt. Diese Freiheit kann jedoch eine Gefahr sein. Ja, die Freiheit ist ein Risiko: sie ist eine große Herausforderung und ein großes Risiko. Man kann guten und kann schlechten Gebrauch davon machen. Wenn die Freiheit nicht der Wahrheit gehorcht, kann sie euch erdrücken. Es fehlt nicht an solchen, die von ihrer Freiheit erdrückt werden, und zwar werden sie das dann, wenn nichts da ist, das ihre Freiheit wirklich leiten kann. Sie darf keine blinde, den Instinkten überlassene Kraft sein. Die Freiheit muß von der Wahrheit geleitet sein. Die Wahrheit ist es, die wirklich frei macht, und diese Wahrheit kommt von Christus, ja sie ist Christus. Im Johannesevangelium lesen wir: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (8,31-32). Es ist also gut, daß ihr Jesus Christus kennt, den Mittelpunkt, der eurem Dasein Einheit gibt, und daß ihr ihn auch euren Freunden bekannt macht. Und darum eben übergebe ich euch heute sein Evangelium und bitte euch, seine mutigen Missionare zu sein. Geht in die ganze Welt! Jesus hat den Aposteln das Evangelium bekanntgemacht und dann gesagt: Geht in die ganze Welt! So sage ich euch, ihr Jugendlichen Roms: Geht in diese ganze Welt, in diese Welt Rom! Lernt also Jesus Christus kennen! Lernt ihr ihn als erste kennen. Durch beharrliche Lektüre und Meditation, durch das Gebet, das eine fortwährende Gegenüberstellung zwischen eurem Leben und dem Wort Jesu ist. Sehen heißt bereits: sich in Tätigkeit setzen. Ich sage euch also: Lernt das Evangelium kennen! Ihr als erste. Lernt das Evangelium kennen, indem ihr euch von erfahrenen Führern und von Zeugen Christi helfen laßt. Laßt euch helfen, die Liebe Christi, die das Herz des Evangeliums ist, kennenzulemen und zu leben. Von wem? Von euren Eltern, von den Großeltern, von Lehrern und Lehrerinnen, von Priestern, Katecheten und von den Leitern der Gruppen und der Bewegungen, denen ihr angehört. Sie alle sind bereit, euch zu helfen, das Evangelium besser und nachhaltiger kennenzulemen. Wenn ihr das 552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangelium kennt, stellt euch Christus gegenüber, und habt keine Angst vor dem, was er wohl von euch verlangen wird. Christus ist nämlich auch anspruchsvoll, Gott sei Dank! Er ist anspruchsvoll! Als ich so jung war wie ihr, hat dieser Christus Ansprüche gestellt — und er hat mich überzeugt. Wäre er nicht anspruchsvoll, gäbe es nichts, was wir hören und befolgen sollten. Ist er aber anspruchsvoll, dann deshalb, weil er Werte anbietet, und die Werte, die er verkündet, stellen Ansprüche. 5. Macht das Evangelium Jesu auch euren Freunden und ebenso den anderen Jugendlichen bekannt, die heute nicht hier sind und die für gewöhnlich nicht in eure Gruppen kommen! Alle, die der Pfarrei und dem Bereich der Seelsorge femstehen, warten auf dieses Wort. Christus sucht auch sie, durch euch. Seht also, wie in etwa die Stadtmission der Jugend aufgebaut werden sollte. Diese Mission verlangt von euch allen einen hochherzigen Schwung in diesem Sinn. Hören auf Jesus, Jesus folgen und Zeugnis geben für das, was ihr glaubt: Damit gilt es, Emst zu machen. Sehen, sich ein Urteil bilden und handeln: Nehmt auch diese drei Worte mit. Es genügt nicht, in die Pfarrei oder zur Gruppe zu gehen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, um hinzugehen zu dem, der nicht kommt, zu dem, der nach dem Sinn des Lebens sucht und ihn nicht findet, weil niemand ihn ihm verkündet. Ihr müßt diejenigen sein, die es verstehen, diese gute Nachricht mitzuteilen. Für die ganze Kirche Roms ist der Augenblick gekommen, die Türen zu öffnen und den Männern und Frauen, den Jungen und den Mädchen entgegenzugehen, die in dieser Stadt so leben, als ob Christus nicht existiere. Was verlangt Christus von euch? Jesus wünscht von euch, daß ihr euch seinetwegen nicht schämt, er möchte, daß ihr euch darauf einlaßt, ihn euren Altersgenossen zu verkünden. Macht euch den Satz des Paulus an die Römer zu eigen: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Rom 1,16). So hat Paulus an die Römer, an uns geschrieben. Habt keine Angst, denn Jesus ist bei euch! Habt keine Angst, euch zu verlieren: Je mehr ihr gebt, um so mehr werdet ihr euch selbst finden! Das ist die Logik aufrichtiger Selbsthingabe, wie sie II. Vatikanum lehrt. Viele eurer Freunde haben keine Führer, an die sie sich wenden könnten, keine Anhaltspunkte, um Jesus kennenzulemen und um mit den schwierigen, enttäuschenden und trostlosen Augenblicken fertigzuwerden, die man manchmal durchmachen muß. Und wie sollte man nicht an eure weniger begünstigten Altersgenossen denken, die mit noch ernsteren Problemen zurechtkommen müssen, wie z. B. mit Arbeitslosigkeit und der daraus folgenden Schwierigkeit, eine Familie gründen zu können, oder junge Menschen in Drogenabhängigkeit und anderen Formen der Flucht vor der Wirklichkeit? Viele haben, ihr wißt es gut, auch keine Familie hinter sich, weil nicht wenige Familien heute in einer besorgniserregenden Krise leben. Werdet ihr, liebe Jugendliche, werdet ihr Familie für sie, Anhaltspunkte für diese eure Altersgenossen! Werdet Freunde für die, die keine Freunde haben, Familie für die, die keine Familie haben, Gemeinschaft für die, die Gemeinschaft 553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entbehren müssen. Seht, das ist die Stadtmission der jungen Bürger Roms. Auch der Papst ist ein Bürger Roms. In den kommenden Monaten [zu Anfang des Jahres 1998, Anm. d. Red.] beabsichtige ich als guter Bürger Roms, einen Besuch auf dem Kapitol zu machen. Ich hoffe, daß meine jungen Mitbürger mit mir sind. 6. Das Wort Gottes ist, wie ich in der Botschaft an die Jugend zum 12. Weltjugendtag geschrieben habe, „nicht auferlegter Zwang, der die Tür des Gewissens aus den Angeln hebt. Es ist eine gewinnende Stimme, ein ungeschuldetes Geschenk. Um im konkreten Leben eines jeden Heil und Rettung zu bringen, verlangt es eine verfügbare und verantwortungsbewußte Haltung, ein reines Herz und einen freien Geist“ (Nr. 6). Sät das Wort aus! Es kommt auf den Boden an, ob es Aufnahme findet oder nicht. Jesus achtet die Freiheit eines jeden. Wenn er ruft, ihm zu folgen, schickt er immer das „Wenn du willst...“ (vgl. Mt 19,21) voraus. Führt Gespräche, um das Wort Gottes zu verkünden. Der Dialog sei die Methode der Mission. Ein Dialog, der vor allem die Begegnung auf der Ebene der persönlichen Beziehungen erfordert und der sich das Ziel setzt, die Gesprächspartner aus Isolierung und gegenseitigem Mißtrauen herauszubringen, um Achtung und Sympathie füreinander zu schaffen. Ein Dialog, der Begegnung auf der Ebene der Wahrheitssuche und auch auf der Ebene des Handelns verlangt, zielt darauf ab, die Bedingungen zur Zusammenarbeit festzusetzen im Hinblick auf konkrete Ziele des Dienstes am Nächsten. Ein Dialog, der vom Christen ein starkes Wahrheitsbewußtsein verlangt in voller Klarheit darüber, daß wir Zeugen Christi sind, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Ich weiß, daß zu diesem Unternehmen schon viel in der Diözese getan wird, auch hinsichtlich der Ausbildung der Missionare, und in der nächsten Zukunft auch derer, die die Jugend ausbilden sollen. Ich ermutige euch alle, diesen Weg weiter zu verfolgen und eurer Kreativität Spielraum zu geben, damit gemeinsam das Wort Gottes an alle weitergegeben werden kann. 7. Liebe Jugendliche Roms, laßt mich zum Abschluß dieses Treffens euch danken für euer Hiersein und auch für euren herzlichen Empfang. Er war so überschäumend, daß ich mich an einem gewissen Punkt gefragt habe, ob ich aus diesem Treffen mit dem Leben davonkommen würde! Ich danke dem Kardinalvikar für seine Worte und danke der jungen Carmela, die mich bei meiner Ankunft begrüßt und auch herzlich geküßt hat. Ich danke allen, die diese Begegnung vorbereitet und ihre Anregungen dazu gegeben haben - und das sind viele! Ich danke denen, die mit ihrem persönlichen Zeugnis dazu beigetragen, und denen, die auch ihre künstlerischen Talente für das Evangelium und die Jugend zur Verfügung gestellt haben. Viele sind es! Ich habe nicht viel sehen können, aber das, was ich sehen und hören konnte, hat mich sehr beeindruckt. An dieser Stelle möchte ich auch eine Delegation von jungen Franzosen begrüßen, die zur Vorbereitung auf das Treffen in Paris durch die Zeitschrift „Phosphore“ dem Papst geschrieben haben und ihm ihre Briefe übergeben möchten. Ich danke all denen, die auf diese Weise mit uns Kontakt aufnehmen wollten. 554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe französische Freunde, nehmt zu euren Altersgenossen den herzlichen Gruß des Papstes und der jungen Römer mit, die heute zusammen mit euch hier versammelt sind. Sagt ihnen, daß wir uns freuen, sie vom 18. bis 24. August in Paris zu treffen, und daß wir dabei sind, das Treffen mit inständigem Gebet vorzubereiten. So möchte ich nun am Schluß, ehe euch das Evangelium überreicht wird, mit euch allen das Treffen zum Weltjugendtag vereinbaren, der das Thema hat: „Meister, wo wohnst du? Kommt und seht!“ (vgl. Joh 1,38-39). Ich weiß, daß ihr schon dabei seid, die Sache zu organisieren, und daß ihr euch auch von Rom aus in ziemlich großer Zahl nach Paris aufmachen werdet. Es wird eine großartige Gelegenheit sein, zusammen die Freude des Evangeliums zu erleben. Es werden Tage sein, wo das Wort Gottes, wenn ihm Wirkungsfreiheit gelassen wird, sich mit eurem Leben treffen wird, um begeisternde Pläne für eure persönliche Zukunft und für die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft zu entwerfen. Bitten wir die heilige Jungfrau, „Heil des römischen Volkes“, uns auf diesem geistlichen Weg zum Treffen in Paris zu begleiten. Jeden von euch und eure Familien versichere ich eines besonderen Gebetsgedenkens und segne alle von Herzen. Der Politiker trägt Verantwortung für das Leben Ansprache während der Sonderaudienz für eine Gruppe von österreichischen Parlamentariern am 22. März Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Gerne bin ich Ihrem ausdrücklichen Wunsch nach dieser Begegnung gefolgt und heiße Sie im Apostolischen Palast herzlich willkommen. Gleichzeitig ist es mir ein Anliegen, Ihnen bei diesem Treffen einige Gedanken über die Berufung des christlichen Politikers mit auf den Weg zu geben. 2. Die Pläne Gottes mit den Menschen schlagen sich nieder im „Evangelium von der Liebe Gottes zum Menschen“, im „Evangelium von der Würde der Person“ und im „Evangelium vom Leben“, die „ein einziges, unteilbares Evangelium“ bilden (Evangelium vitae, Nr. 2). Das eine Evangelium ist gleichsam das Handbuch eines jeden Christen, um - seiner Berufung entsprechend - die „Kultur des Lebens“ aufbauen zu helfen, damit die „Kultur des Todes“ nicht die Oberhand gewinnt. Diese Aufgabe stellt sich nicht nur der Kirche als dem „Volk des Lebens für das Leben“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 78-79), sondern allen Menschen guten Willens, die bereit sind, dem Leben zu dienen und dadurch eine kulturelle Wende herbeizuführen. Dabei kommt es besonders auf die Politiker an, deren Auftrag darin besteht, Kulturträger des Lebens in der Gesellschaft zu werden. 555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Kultur des Lebens wird zunächst dort gepflegt, wo sie den persönlichen Bereich betrifft. „Denn was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke?“ {Jak 2,14) Zu den wertvollsten Bausteinen dieser Kultur zählt deshalb das gute Beispiel. Wer Diener des Lebens sein will, braucht die Haltung des Respektes und der Toleranz denen gegenüber, mit denen er darüber ins Gespräch kommen will. Dies gilt auch für den Umgang mit Andersdenkenden, selbst wenn es dem einzelnen viele Anstrengungen, Geduld und vor allem einen langen Atem abverlangen mag. Trotzdem genügt es nicht, der Wahrheit das Wort zu reden, wenn man nicht gleichzeitig „Täter der Wahrheit“ ist. Damit das Reden an Glaubwürdigkeit gewinnt, muß es im Leben durch Wahrhaftigkeit gedeckt sein: „Wahrhaftigkeit in den Beziehungen zwischen Regierenden und Regierten, Transparenz in der öffentlichen Verwaltung, Unparteilichkeit im Dienst am Staat, Achtung der Rechte auch der politischen Gegner“ (Veritatis splendor, Nr. 101). In der Wahrheit fest verankert und zugleich getragen von der Achtung gegenüber dem anderen, dient der christliche Politiker dann dem Leben, wenn er das Evangelium so zur Richtschnur seines Handelns macht, wie es Petrus seiner Gemeinde ans Herz gelegt hat: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt. Aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig. Denn ihr habt ein reines Gewissen“ {1 Petr 3,15-16). 4. Eine besondere Bewährungsprobe stellt sich dem Politiker, der gewillt ist, am Aufbau der Kultur des Lebens mitzuarbeiten, dadurch, daß er sich der Vielstimmigkeit einer pluralistischen Demokratie ausgesetzt sieht, in der Infragestellung und Widerspruch zur Tagesordnung gehören. Leider neigt man heute der Behauptung zu, der Agnostizismus und der skeptische Relativismus seien die Philosophie und die Grundhaltung, die den demokratischen politischen Formen entsprechen. Alle hingegen, die redlich nach der Erkenntnis der Wahrheit suchen und daran festhalten, seien vom demokratischen Standpunkt her nicht vertrauenswürdig, weil sie nicht akzeptieren wollen, daß von der Mehrheit bestimmt wird, was Wahrheit sei. Zwar ist eine Politik aus christlichem Geist weit davon entfernt, anderen Menschen ihre Auffassung von dem, was wahr und gut ist, aufzuzwingen, sie wagt aber gleichzeitig zu behaupten, daß dann, wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die Ideen und Überzeugungen verschiedener Individuen und Gruppen rasch für Machtzwecke mißbraucht werden können. Denn in einer Welt ohne Wahrheit verliert die Freiheit ihre Grundlage. „Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus“ (Centesimus annus, Nr. 46). Deshalb gehört es zu den vordringlichen Aufgaben eines christlichen Politikers, dem Evangelium vom Leben „auf allen Straßen der Welt“ {Christifideles laici, Nr. 44) Gehör zu verschaffen, besonders in den Medien, deren Macht nicht zu unterschätzen ist. Dabei stellt er in erster Linie nicht sich selbst dar noch stellt er seine Person heraus, sondern die Wahrheit, der er sich verpflichtet weiß. Wie sich die klassische Philosophie als Hebammendienst an der Wahrheit verstand, so ist der christliche Politiker dazu berufen, dem Evan- 556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN gelium vom Leben zur Geburt zu verhelfen. Dabei tritt jener zurück, wenn dieses das Wort hat. 5. Unsere Überlegungen werden dort zum Ernstfall, wo ein Volk über seine eigenen Grenzen „für das Wohl aller und eines jeden“ hinausdenkt, „weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Es ist daher zu begrüßen, daß sich die politische Solidarität heute in einer Spannbreite ausdrücken will, „die über die einzelne Nation oder den einzelnen Block von Nationen hinausgeht und sich als kontinental oder universal darstellt“ (Christifideles laici, Nr. 42). Die Kirche kann sich deshalb nie zu antieuropäischer Demagogie und Gefühlsaufwallungen mißbrauchen lassen. Denn zu einem vereinten Europa gibt es keine Alternative. Der Beitrag, den christliche Politiker in diesen Prozeß einzubringen vermögen, ist die Sicht von der unantastbaren Würde jeder menschlichen Person, auf deren Grundlage eine europäische Kultur des Lebens aufgebaut werden kann, die nicht nur darauf achtet, daß es sich in Europa ökonomisch und finanziell gut lebt, sondern auch darauf, daß es auf Werten aufgebaut ist, die es einst groß gemacht haben. Dabei wird der christliche Politiker nicht darauf verzichten, all das zu vertreten, was ihn sein Glaube lehrt und ihm sein Gewissen eingibt. 6. Sehr geehrte Damen und Herren! Mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils danke ich Ihnen für alles, was sie für das politische Leben in Österreich und darüber hinaus tun: „Die Kirche zollt der Arbeit jener, die sich zum Dienst an den Menschen für das Wohl des Staates einsetzen und die Lasten eines solchen Amtes tragen, Anerkennung und Achtung“ (Gaudium et spes, Nr. 75). Gleichzeitig bitte ich Sie um die „Gesinnung des Dienstes“, die neben der notwendigen Kompetenz und Fähigkeit das Wirken der Politiker so „durchsichtig“ und „rein“ erhalten kann, wie es das Volk berechtigterweise erwartet (vgl. Christifideles laici, Nr. 42). Dazu erteile ich Ihnen persönlich und allen, die mit Ihnen am Aufbau einer Kultur des Lebens arbeiten, von Herzen den Apostolischen Segen. Entscheidung für Christus bewußt und ernsthaft leben Botschaft an die Jugendlichen der Welt zum XII. Weltjugendtag am 23. März 1997 vom 15. August 1996 „Meister, wo wohnst du? Kommt und seht!“ (vgl. Joh 1,38-39) Liebe Jugendliche! 1. Mit Freude wende ich mich an euch, um den nun schon langen Dialog weiter zu führen, den wir am Weltjugendtag miteinander halten. In Gemeinschaft mit dem ganzen Gottesvolk, das dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 entgegenpilgert, 557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus wohnt neben euch, in den Brüdern, mit denen ihr das tägliche Leben teilt. Sein Gesicht ist das der Ärmsten, der Ausgegrenzten, die nicht selten Opfer eines ungerechten Entwicklungsmodells sind, das den Gewinn an die erste Stelle setzt und den Menschen zum Mittel, statt zum Ziel macht. Das Haus Jesu ist dort, wo ein Mensch aufgrund der ihm verweigerten Rechte, der verratenen Hoffnungen oder seiner nicht beachteten Ängste leidet. Dort, unter den Menschen, ist das Haus Christi, der euch bittet, in seinem Namen jede Träne zu trocknen, und die, die sich einsam fühlen, daran zu erinnern, daß niemand je allein ist, der seine Hoffnung auf Ihn setzt (vgl. Mt 25,31-46). 5. Jesus wohnt bei denen, die ihn anrufen, ohne ihn kennengelemt zu haben; bei denen, die, nachdem sie begonnen haben, ihn zu kennen, ihn ohne ihre Schuld aus den Augen verloren haben; bei denen, die ihn mit aufrichtigem Herzen suchen, wenn sie auch verschiedenen kulturellen und religiösen Situationen angehören (vgl. Lumen Gentium, Nr. 16). Jünger und Freunde Jesu, werdet Künstler des Dialogs und der Zusammenarbeit mit denen, die an einen Gott glauben, der das All mit unendlicher Liebe lenkt. Werdet Botschafter jenes Messias, den ihr in seinem „Haus“, der Kirche, gefunden und kennengelemt habt, damit auch viele andere eurer Altersgenossen seinen Spuren folgen können, wenn ihnen durch eure brüderliche Liebe und durch die Freude in euren Augen, die Christus betrachtet haben, ein Licht aufgegangen ist. Einheit fördern durch Gespräch, Gebet und Zeugnis Jesus wohnt bei den Männern und Frauen, die „der Ehre des Christennamens teilhaft sind“ {Lumen Gentium, Nr. 15). Alle können ihn in der Heiligen Schrift, im Gebet und im Dienst am Nächsten finden. Am Vorabend des dritten Jahrtausends drängt von Tag zu Tag mehr die Pflicht, das Ärgernis der Spaltung unter den Christen wiedergutzumachen und die Einheit durch den Dialog, das gemeinsame Gebet und das Zeugnis stärker zu machen. Es geht nicht dämm, durch das Praktizieren eines farblosen Relativismus die Verschiedenheiten und Probleme unbeachtet zu lassen, denn das würde nur bedeuten, die Wunde zuzudecken, ohne sie zu heilen, mit dem Risiko, den Weg abzubrechen, ehe das Ziel der vollen Gemeinschaft erreicht wäre. Es geht im Gegenteil dämm, vom Heiligen Geist geleitet, im Hinblick auf eine wirkliche Wiederaussöhnung zu arbeiten, voll Vertrauen auf die Wirksamkeit des Gebetes, das Jesus am Vorabend seines Leidens gesprochen hat: „Vater, mögen alle eins sein, wie wir eins sind“ (vgl. Joh 17,22). Je enger ihr euch an Jesus haltet, um so mehr werdet ihr fähig, euch auch untereinander nahe zu sein; und in dem Maß, wie ihr konkrete Gesten der Versöhnung vollzieht, werdet ihr Vertraute seiner Liebe werden. Jesus wohnt vor allem in eurem Pfarreien, in den kirchlichen Verbänden und Bewegungen, denen ihr angehört, wie auch in vielen heutigen Formen des Zusammenschlusses und des Apostolats im Dienst der Neuevangelisierung. Der 560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reichtum einer solchen Vielfalt von Charismen gereicht der ganzen Kirche zum Wohl und treibt jeden Gläubigen an, seine eigenen Fähigkeiten in den Dienst des einen Herrn zu stellen, der die Quelle des Heils für die ganze Menschheit ist. 6. Jesus ist „das Wort des Vaters“ (vgl. Joh 1,1), den Menschen geschenkt, um ihnen das Antlitz Gottes zu zeigen und ihren unsicheren Schritten Sinn und Ziel zu geben. Gott, der „viele Male und auf vielerlei Weise [...] einst zu den Vätern gesprochen [hat] durch die Propheten, [hat] in dieser Endzeit [...] zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat“ {Hehr 1,1-2). Sein Wort ist nicht auferlegter Zwang, der die Tür des Gewissens aus den Angeln hebt. Es ist eine gewinnende Stimme, ein ungeschuldetes Geschenk. Um im konkreten Leben eines jeden Heil und Rettung zu bringen, verlangt es eine verfügbare und verantwortungsbewußte Haltung, ein reines Herz und einen freien Geist. Sorgt in euren Gruppen, liebe Jugendliche, für mehr Gelegenheiten, das Wort des Herrn zu hören und euch damit zu beschäftigen, besonders in der „lectio divina“: Ihr werdet darin die Geheimnisse des Herzens Gottes entdecken und Frucht daraus ziehen zur rechten Unterscheidung in den jeweiligen Situationen und zur Umgestaltung der Wirklichkeit. Von der Heiligen Schrift geleitet, werdet ihr die Gegenwart des Herrn in eurem Alltag erkennen, und dann wird auch die „Wüste“ zu einem „Garten“ werden können, wo das Geschöpf vertraut mit seinem Schöpfer sprechen kann: „Wenn ich die Heilige Schrift lese, geht Gott hier und heute durchs irdische Paradies“ (vgl. hl. Ambrosius, Epistola 49,3). 7. Jesus lebt mitten unter uns in der Eucharistie. In ihr ist seine reale Anwesenheit und sein Eingebundensein in die Geschichte der Menschheit am intensivsten verwirklicht. Macht es in allem Ungewissen und allen Zerstreuungen des täglichen Lebens wie die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, und sagt wie sie zum Auferstandenen, der sich beim Brotbrechen offenbart: „Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt“ (Lk 24,29). Ruft Jesus an, daß er auf den vielen Emmaus-Straßen unserer Zeit immer bei euch bleibe. Er sei eure Kraft, Er euer Bezugspunkt, Er sei immer eure Hoffnung. Nie, liebe Jugendliche, soll das eucharistische Brot auf dem Tisch eures Lebens fehlen. Dieses Brot ist es, aus dem ihr die Kraft schöpfen könnt, um den Glauben zu bezeugen! Um diesen eucharistischen Tisch wird die Einheit der Christen sichtbare, harmonische Wirklichkeit, ein Geheimnis missionarischer Gemeinschaft, in der alle sich als Söhne und Töchter, als Brüder und Schwestern fühlen, ohne Vorbehalte und Unterschiede hinsichtlich Rasse, Sprache, Alter, sozialer Herkunft und Kultur geltend zu machen. Liebe Jugendliche, tragt hochherzig und verantwortungsbewußt dazu bei, die Kirche beständig als Familie, als Stätte des Dialogs und der gegenseitigen Annahme, als Raum des Friedens, der Barmherzigkeit und des Verzei-hens aufzubauen. 561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Durch das Wort erleuchtet und durch das eucharistische Brot gestärkt, liebe Jugendliche, seid ihr aufgerufen, glaubwürdige Zeugen für das Evangelium Christi zu sein, der alles neu macht. Woran aber wird man erkennen, daß ihr wahre Jünger Christi seid? Daran, daß „ihr einander liebt“ (Joh 13,35) nach dem Beispiel seiner Liebe: einer ungeschuldeten, unendlich geduldigen Liebe, die sich niemandem verweigert (vgl. 1 Kor 13,4-7). Die Treue gegenüber dem neuen Gebot wird bestätigen, ob ihr konsequent zu dem steht, was ihr verkündigt. Das ist das große „Neue“, das eine Welt in Erstaunen setzen kann, die leider noch von schweren, teils deutlich offenliegenden, teils versteckt schwelenden Konflikten zerrissen und zerteilt ist. Ihr seid berufen, in dieser Welt Geschwisterlichkeit zu leben, nicht als Utopie, sondern als reale Möglichkeit. Ihr seid berufen, als echte Missionare Christi in dieser Gesellschaft die Kultur der Liebe zu errichten. 9. Der 30. September 1997 ist der 100. Jahrestag des Todes der hl. Therese von Lisieux. Ihre Gestalt wird ganz gewiß in ihrem Heimatland die Aufmerksamkeit vieler jugendlicher Pilger wachrufen, gerade weil Therese eine junge Heilige ist, die heute aufs neue voll Staunen und Dankbarkeit die einfache, beeindruckende Botschaft verkündet: Gott ist Liebe; jeder Mensch ist von Gott geliebt. Gott erwartet, von jedem aufgenommen und geliebt zu werden. Ihr jungen Menschen von heute, euch ist es aufgetragen, diese Botschaft aufzunehmen und euren Altersgenossen zuzurufen: „Gott liebt den Menschen! Diese einfache und erschütternde Verkündigung ist die Kirche dem Menschen schuldig“ (Christifideles laici, Nr. 34). Aus der Jugendlichkeit Theresias vom Kinde Jesus entspringen ihre Begeisterung für den Herrn, ihre ausgeprägte Feinfühligkeit in der Liebe und die Kühnheit ihrer großen Pläne, die sich keinen Illusionen hingibt. Mit der Anmut ihrer Heiligkeit bestätigt sie, daß Gott auch jungen Menschen die Schätze seiner Weisheit in Fülle schenkt. Geht mit ihr zusammen in der Schule des Evangeliums den demütigen und einfachen Weg zur christlichen Reife. Bleibt mit ihr im „Herzen“ der Kirche, indem ihr radikal die Entscheidung für Christus lebt. 10. Liebe Jugendliche, in dem Haus, in dem Jesus wohnt, trefft ihr auch die Zärtlichkeit der Mutter an. Im Schoß Marias ist das Wort Fleisch geworden. Als sie die im Heilsplan ihr zugedachte Rolle annahm, ist die Jungfrau zum Vorbild für jeden Jünger Christi geworden. Ihr vertraue ich die Vorbereitung und die Feier des 12. Weltjugendtages an und ebenso die Hoffnungen und Erwartungen der jungen Menschen, die in jedem Winkel der Erde mit ihr wiederholen: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Ihr vertraue ich die an, die zu Jesus gehen, um in seinem Haus zu wohnen, und die dann bereit sind, wie die Apostel ihren Altersgenossen zu verkünden: „Wir haben den Messias gefunden!“ (Joh 1,41). 562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Sinn sende ich jedem von euch meinen herzlichen Gruß. Ich begleite euch mit meinem Gebet und segne euch. Aus Castel Gandolfo, am 15. August, Hochfest der Aufnahme der Jungfrau Maria in den Himmel, 1996. Joannes Paulus PP. II Christus durch sein Leiden zur Auferstehung begleiten Predigt zur Eröffnung der Liturgie der Karwoche und Feier des Weltjugendtages auf dem Petersplatz am Palmsonntag, 23. März 1. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! ... Hosanna in der Höhe!“ (Mk 11,9-10) Diese Zurufe der Menge, die sich zum Osterfest in Jerusalem versammelt hat, begleiten den Einzug Jesu und der Apostel in die heilige Stadt. Jesus kommt auf einem Eselsrücken nach Jerusalem nach dem Wort des Propheten: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers“ (Mt 21,5). Das Tier, auf das die Wahl fiel, soll anzeigen, daß es sich nicht um einen triumphalen Einzug handelt, sondern um den eines milden und von Herzen demütigen Königs. Die in Jerusalem versammelte Volksmenge scheint diesen Ausdruck der Demut nicht zur Kenntnis zu nehmen oder sieht darin vielleicht ein messianisches Zeichen. Sie grüßt Christus mit überschwenglicher Begeisterung: „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!“ (Mt 21,9). Und als Jesus nach Jerusalem kommt, ist die ganze Stadt in Aufregung. „Man fragte: ,Wer ist das?1 Die Leute sagten: ,Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa1“ (Mt 21,10-11). Das war nicht das erste Mal, daß die Leute in Christus den erwarteten König erkannten. Auch nach der wunderbaren Brotvermehrung war es schon vorgekommen, als die Menge ihm einen Triumphzug bereiten wollte. Jesus aber wußte, daß sein Reich nicht von dieser Welt war; darum hatte er sich dieser Begeisterung entzogen. Jetzt geht er nach Jerusalem der Prüfung entgegen, die ihn erwartet. Er ist sich bewußt, daß er zum letzten Mal dorthin geht zu einer „heiligen Woche“, an deren Ende ihn Leiden, Kreuz und Tod erwarten. All diesem geht er mit voller Bereitschaft entgegen in dem Wissen, daß sich so in ihm der ewige Plan des Vaters erfüllt. Seit jenem Tag wiederholt die über den ganzen Erdkreis verbreitete Kirche die Worte der Volksmenge von Jerusalem: „Gepriesen sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ Sie wiederholt sie jeden Tag bei der Eucharistiefeier kurz vor der Wandlung. Sie wiederholt sie mit besonderer Eindringlichkeit heute, am Palmsonntag. 563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die liturgischen Lesungen stellen uns den leidenden Messias vor. Sie beziehen sich vor allem auf seine Qualen und seine Demütigung. Die Kirche verkündet das Evangelium von der Passion des Herrn nach einem der Synoptiker; der Apostel Paulus aber bietet uns im Brief an die Philipper eine wunderbare Synthese des Geheimnisses Christi: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave ... Darum hat ihn Gott ... erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen,... damit... [im] Namen Jesu ... jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr1 - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (2,6-11). Dieser Hymnus von unschätzbarem theologischen Wert bietet eine vollständige Synthese der Heiligen Woche, vom Palmsonntag über den Karfreitag bis zum Sonntag der Auferstehung. Die Worte des Briefes an die Philipper, in fortschreitender Form in einem alten Responsorium wiederkehrend, werden uns durch das ganze Heilige Triduum begleiten. Der paulinische Text enthält schon die Verkündigung der Auferstehung und der Herrlichkeit, aber die Liturgie des Wortes konzentriert sich am Palmsonntag vor allem auf die Passion. Von ihr sprechen auch die erste Lesung und der Antwortpsalm. In dem Text, der ein Teil der sogenannten „Lieder vom Gottesknecht“ ist, wird der Augenblick der Geißelung und der Dornenkrönung skizziert; im Psalm wird beeindruckend realistisch das schmerzvolle Todesleiden Christi am Kreuz beschrieben: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 21/22,2). Diese erschütternden, tief ergreifenden Worte, in der Stunde der Todesangst vom Kreuz herab gesprochen, heute klingen sie wie ein lauter, offenkundiger Widerspruch zu jenem „Hosanna“, das doch bei der Palmprozession ertönte. 3. Seit einigen Jahren ist der Palmsonntag zum großen Weltjugendtag geworden. Die Jugendlichen selbst haben diesen Weg angebahnt: Seit Beginn meines Dienstes in der Kirche Roms haben sie sich an diesem Tag zu Tausenden auf dem Petersplatz versammelt. Aus dieser Tatsache entwickelten sich im Lauf der Jahre die Weltjugendtage, die in der ganzen Kirche, in den Pfarreien und Diözesen, und alle zwei Jahre in einem weltweit besonders dazu ausgewählten Ort stattfinden. Seit 1984 wurden die Welttreffen in zweijährigem Rhythmus nacheinander an folgenden Orten gehalten: Rom, Buenos Aires in Argentinien, Santiago di Com-postela in Spanien, Tschenstochau-Jasna Gora in Polen, Denver in den Vereinigten Staaten, Manila in den Philippinen. Für den kommenden August ist das Treffen in Paris in Frankreich festgesetzt. Darum haben im vergangenen Jahr die Vertreter der philippinischen Jugend bei der Feier des Palmsonntags ihren französischen Altersgenossen das wandernde Kreuz des Weltjugendtages übergeben. Diese Geste ist von großer Aussagekraft: Es ist, als entdeckten die Jugendlichen den Palmsonntag wieder neu, d. h. jenen Tag, an dem sie tatsächlich Hauptdarsteller sind. Die Liturgie erinnert daran: „Pueri hebraeorum, portantes ramos olivarum ...“, „Die Kinder von Jerusalem tru- 564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Zweige in den Händen. Sie zogen dem Herrn entgegen und riefen: Hosanna in der Höhe!“ (Antiphon). Man kann sagen, daß der erste „Weltjugendtag“ genau der von Jerusalem war, als Christus in die heilige Stadt einzog. Von Jahr zu Jahr kommen wir auf dieses Ereignis zurück. Die Stelle der „pueri hebraeorum“ haben Jugendliche verschiedener Sprachen und Rassen eingenommen. Alle möchten, wie ihre Vorgänger im Heiligen Land, Christus begleiten, möchten Teilnehmer sein an seiner Leidenswoche, seinem Triduum Sacrum, seinem Kreuz und seiner Auferstehung. Sie wissen, daß Er jener „Gesegnete“, jener „Gepriesene“ ist, der „gekommen ist im Namen des Herrn“ und der auf die Erde Frieden gebracht und Gott in der Höhe Ehre erwiesen hat. Was in der Weihnacht die Engel über dem Stall von Betlehem gesungen haben, erklingt heute mit lautem Echo an der Schwelle der Heiligen Woche, in der Jesus sich anschickt, seine messianische Sendung, die Erlösung der Welt, durch das Kreuz und die Auferstehung zur Vollendung zu bringen. Ehre sei Dir, Christus, Erlöser der Welt! Hosanna! Verantwortung für Leben und Menschenrechte kommender Generationen Ansprache beim Kongreß über „Umwelt und Gesundheit“ am 24. März Verehrte Damen und Herren! 1. Ihnen allen, die Sie hier zu dem Kongreß über das Thema: „Umwelt und Gesundheit“ zusammengekommen sind, den Förderern, den Organisatoren sowie den Teilnehmern, denen die katholische „Herz-Jesu-Universität“ Gastfreundschaft und wissenschaftliche Zusammenarbeit angeboten hat, gilt mein herzlicher Gruß. Besonders danke ich Ingenieur Sergio Giannotti für seine Worte, mit denen er mir die Bedeutung dieser Initiative geschildert hat. Als Begriff und kulturelle Botschaft kam die Ökologie vor über einem Jahrhundert auf und hat recht bald die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler auf sich gezogen, da sie in wachsendem Maße interdisziplinäres Interesse von seiten der Biologen, Mediziner, Wirtschaftswissenschaftler, Philosophen und Politiker hervorrief. Die Ökologie befaßt sich mit der Erforschung des Verhältnisses zwischen den lebenden Organismen und ihrer Umwelt und besonders zwischen dem Menschen und allem, was ihn umgibt. In der Tat haben die beseelte wie die unbeseelte Umwelt einen entscheidenden Einfluß auf die Gesundheit des Menschen - das Thema, zu dem Sie im Verlauf dieses Kongresses Ihre Überlegungen Zusammentragen. 2. Das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt schließt die verschiedenen Phasen der menschlichen Zivilisation, angefangen bei der Primitivkultur, in seine Be-grifflichkeit mit ein: die Phasen der Agrarkultur, der Industrie und der Technolo- 565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gie. Das moderne Zeitalter weist ein zunehmendes Potential verändernden Eingreifens durch den Menschen auf. Der Aspekt der Erschließung und Ausbeutung der Ressourcen ist allesbeherr-schend und verdrängend geworden. Heute ist es gar so weit gekommen, daß die Bewohnbarkeit der Umwelt selbst bedroht ist: Die Umwelt als „Ressource“ läuft Gefahr, die Umwelt als „Wohnstätte“ zu bedrohen. Aufgrund der gewaltigen Mittel zur Veränderung, die uns die technologische Zivilisation bietet, scheint es bisweilen, daß das Gleichgewicht Mensch-Umwelt einen kritischen Punkt erreicht hat. 3. In der Antike stand der Mensch der Umwelt, in der er lebte, mit ambivalenten, wechselnden Empfindungen gegenüber, bald mit Bewunderung und Verehrung, bald mit Angst vor einer offensichtlich bedrohlichen Welt. Die biblische Offenbarung hat in die Auffassung vom Kosmos die erleuchtende und friedenstiftende Botschaft von der Schöpfung eingebracht, aus der hervorgeht, daß die irdische Realität gut ist, da Gott sie aus Liebe zum Menschen so gewollt hat. Zugleich hat die biblische Anthropologie den Menschen als nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Realität betrachtet, als Geschöpf, das fähig ist, die weltliche Realität kraft seiner Geistigkeit zu übersteigen, und somit als verantwortlicher Hüter der Umwelt, in die er gestellt ist. Diese ist ihm vom Schöpfer als Wohnstätte, wie auch als Ressource gegeben. 4. Die Konsequenz aus dieser Lehre ist eigentlich recht deutlich: Die Beziehung, die Menschen zu Gott haben, bestimmt die Beziehung des Menschen zu seinesgleichen und zu seiner Umwelt. Und deshalb hat die christliche Kultur die Schöpfung, die den Menschen umgibt, stets als Geschenk Gottes angesehen, das es in Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer zu pflegen und zu bewahren gilt. In besonderer Weise haben die benediktinische und die franziskanische Spiritualität von dieser Art verwandtschaftlicher Beziehung zwischen dem Menschen und seinem kreatürlichen Umfeld Zeugnis abgelegt und im Menschen eine Haltung des Respekts vor jeder Umwelt-Realität gefördert. Im Zeitalter der säkularisierten Moderne stellen wir das Aufkommen einer doppelten Versuchung fest: Einmal eine Auffassung vom Wissen, das nicht mehr als Weisheit und Betrachtung, sondern als Herrschaft über die Natur verstanden wird, die folglich als Eroberungsobjekt erscheint; zum anderen die Versuchung, die in der ungezügelten Ausbeutung der Ressourcen unter dem Druck unbegrenzten Strebens nach Profit liegt, wie es der Mentalität moderner kapitalistischer Gesellschaften entspricht. Die Umwelt fällt so oft dem Interesse einiger mächtiger Industriekonzeme zum Opfer - zu Lasten der Menschheit in ihrer Gesamtheit und mit verheerenden Folgen für das Gleichgewicht des Ökosystems, für die Gesundheit der Weltbevölkerung und für die künftigen Generationen. 566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Heute erleben wir nicht selten ein Aufgebot von überspitzten, einander entgegengesetzten Positionen: einerseits wird im Namen versiegbarer, unzureichender Umwelt-Ressourcen die Senkung der Geburtenrate - vor allem an die Adresse der armen Völker in den Entwicklungsländern - gefordert, andererseits wird im Namen einer ökozentrisch und biozentrisch ausgerichteten Auffassung die Aufhebung der seinsmäßigen und wertbezüglichen Unterschiede zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen proklamiert und die Biosphäre zu einer wertundifferenzierten biotischen Einheit gemacht. So wird die höhere Verantwortung des Menschen zugunsten einer gleichmacherischen Betrachtungsweise der „Würde“ aller Lebewesen aufgehoben. Doch das Gleichgewicht des Öko-Systems und die Verteidigung einer gesunden Umwelt bedürfen gerade der Verantwortung des Menschen: einer Verantwortung, die für die neuen Formen der Solidarität offen sein muß. Es ist eine Solidarität nötig, die von Offenheit und Verständnis für alle Menschen und Völker geprägt ist, eine Solidarität, die auf der Achtung vor dem Leben und der Entwicklung von ausreichenden Ressourcen für die Allerärmsten und für die zukünftigen Generationen gründet. Wenn es der Menschheit von heute gelingt, die neuen Möglichkeiten der Wissenschaft mit einer starken ethischen Dimension zu verbinden, wird sie gewiß imstande sein, die Umwelt als Wohnstatt und Ressource für den Menschen zu fordern; wird sie imstande sein, die Faktoren der Umweltverschmutzung zu beseitigen und angemessene Voraussetzungen der Hygiene und Gesundheit sowohl für kleine Gruppen von Menschen als auch für große Ansiedlungen sicherzustellen. Technologie, die verschmutzt, kann auch reinigen! Produktion, die anhäuft, kann auch gerecht verteilen! Dies kann nur unter der Voraussetzung geschehen, daß die Ethik der Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen für die Rechte der gegenwärtigen und der kommenden Generationen von Menschen obsiegt. 6. All das bedarf eines festen Bezugspunktes und einer deutlichen Ausrichtung: ein klares Bewußtsein von der Schöpfung als Werk der Weisheit und Vorsehung Gottes und das Bewußtsein von der Würde und Verantwortung des Menschen im Schöpfungsplan. Der Mensch, der zum Antlitz Gottes emporblickt, kann das Antlitz der Erde zum Leuchten bringen und mit ethischem Engagement die Bewohnbarkeit der Umwelt für den Menschen von heute und von morgen sicherstellen. Bereits in der Botschaft zum Weltfriedenstag 1990 habe ich daran erinnert: „Das tiefste und schwerwiegendste Zeichen dafür, daß der ökologischen Frage moralische Implikationen innewohnen, besteht [...] im Mangel an Achtung vor dem Leben, den man in vielen die Umwelt belastenden Verhaltensweisen antrifft“ (Nr. 7). Die Verteidigung des Lebens und die daraus sich ergebende Förderung der Gesundheit, insbesondere bei den ärmeren und in Entwicklung befindlichen Völkern, 567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird zugleich der Maßstab und das grundlegende Kriterium des ökologischen Horizonts auf regionaler und weltweiter Ebene sein. Bei Ihrem Einsatz für die Erhaltung einer gesunden Umwelt möge der Herr Sie erleuchten und Ihnen beistehen. Seiner väterlichen Güte, reich an Liebe zu all seinen Geschöpfen, vertraue ich Ihre Anstrengungen und Mühen an, und in seinem Namen segne ich Sie alle. Christus, Hoherpriester und Opfergabe Predigt während der Chrisam-Messe am Gründonnerstag, 27. März 1. Jesu, Pontifex quem Pater unxit Spiritu Sancto et virtute - miserere nobis. Jesus, Hoherpriester, den der Vater mit Heiligem Geist und Kraft gesalbt hat - erbarme dich unser. Während wir die heilige Chrisam-Messe des Gründonnerstags feiern, kommen mir diese Worte aus der Litanei: „Christus, Hoherpriester und Opfergabe“, in den Sinn. In dieser Liturgiefeier, die durch ihre besondere Eigenart und Intensität hervortritt, weihen wir den heiligen Chrisam, das Katechumenenöl und das Krankenöl, die dann bei der Spendung der Sakramente der Taufe, der Firmung, der Priesterweihe und der Krankensalbung verwendet werden. Die Lesungen der heutigen Liturgiefeier sprechen von der Salbung, dem sichtbaren Zeichen der unsichtbaren Gabe des Heiligen Geistes. In der dem Buch des Propheten Jesaja entnommenen Lesung heißt es: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (61,1-2). Auf diese Worte des Jesaja wird sich Jesus, der Herr, zu Beginn seiner messiani-schen Sendung in der Synagoge von Nazaret beziehen. An jenem Tag, so wurde uns im Abschnitt aus dem Evangelium in Erinnerung gerufen, stand Jesus auf, um vorzulesen. Man reichte ihm die Schriftrolle mit dem Text des Propheten Jesaja. Als er sie geöffnet hatte, fand er die Stelle, an der die eben erwähnten Worte geschrieben standen. Jesus las diese Worte. Dann rollte er die Schrift wieder zusammen, gab sie dem Synagogendiener und sagte: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (vgl. Lk 4,16-21). 2. Dieses „Heute“ von Nazaret müssen wir auf den Hohen Donnerstag übertragen, den wir heute feiern. An diesem Tag beginnt die Kirche mit der heiligen Messe vom Letzten Abendmahl - in Cena Domini - das Heilige Triduum, die heiligen drei Tage, die das Ostergeheimnis Christi vergegenwärtigen. Der Gründonnerstag - der Hohe Donnerstag - ist der Tag der Einsetzung der Eucharistie und damit zugleich auch des Sakramentes der Priesterweihe. Darauf scheinen auch in besonderer Weise die Worte aus der Offenbarung des Johannes 568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der zweiten Lesung hinzuweisen: „Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut; er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit“ {Offb 1,5-6). Dieser Lobpreis ist an Christus gerichtet, den „Priester nach der Ordnung Melchisedeks“ (vgl. Hebr 5,6). Melchisedek war Priester und König des höchsten Gottes. Er brachte nicht lebendige Wesen, sondern Brot und Wein zum Opfer dar. Christus setzte im Abendmahlssaal die Eucharistie ein, in der unter den Gestalten von Brot und Wein bis ans Ende der Zeiten das Opfer seines Kreuzestodes vergegenwärtigt wird. Die Kirche erneuert beständig in unblutiger Weise das blutige Opfer ihres Herrn, die Aufopferung seines Leibes und seines Blutes. Wenn die Teilnehmer an der Eucharistie mit den Augen des Glaubens schauen, wissen sie, daß sie in geheimnisvoller Weise am Kreuzesopfer teilnehmen, das in der Durchbohrung der Seite Christi durch einen römischen Soldaten seinen Höhepunkt fand. Der hl. Johannes schreibt im Evangelium - und bildet damit ein Echo zum Propheten Sacharja: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37); und in der Offenbarung des Johannes heißt es: „... jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben; und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen“ (Offb 1,7). 3. Liebe Brüder im Priesteramt, der Hohe Donnerstag ist ein besonderer Tag für unser Priestertum. Er ist das Fest seiner Einsetzung. Darum feiern heute alle Bischöfe in den verschiedenen Diözesen der ganzen Welt die eucharistische Liturgie in Konzelebration mit den Priestern ihrer Gemeinschaften. Auch der Bischof von Rom tut das. Mit einem Herzen voll Dankbarkeit erneuern wir zusammen die Versprechen, die wir am Tag unserer Weihe gegeben haben, als wir die Salbung des Heiligen Geistes empfingen. Wir wollen beten, daß die Gnade dieser Salbung uns stärke und nie in uns nachlasse. Sie möge uns an jedem Tag unseres Dienstes begleiten, damit wir in Treue zu Christus, der uns berufen hat, mit apostolischem Eifer dem christlichen Volk dienen und wachsam und tatfreudig bis ans Ende unserer Tage gelangen. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Christus du bist „das Alpha und das Omega,... der ist und der war und der kommt“ (iOffb 1,8). Amen. 569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe bis zum Äußersten Predigt während der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, 27. März 1. Alljährlich nimmt die Basilika St. Johannes im Lateran die Gläubigen auf, die sich zum feierlichen Gedächtnis des letzten Abendmahls versammeln. Gläubige aus Rom und aus aller Welt kommen, um die Erinnerung an das Ereignis wachzurufen, das sich vor langer Zeit an einem Donnerstag im Abendmahlssaal zugetragen hat und das die Liturgie heute als immer gegenwärtig feiert. Es setzt sich fort als Sakrament des Altares, als Sakrament des Leibes und des Blutes Christi. Es setzt sich fort als Eucharistie. Wir sind zusammengekommen, um vor allem die Geste, die Christus zu Beginn des letzten Abendmahles vollzog, das heißt die Fußwaschung, zu wiederholen. Das Johannesevangelium hat unsere Aufmerksamkeit auf den Widerstand des Petrus angesichts der Demütigung des Meisters und auf die Weisung gelenkt, mit der Christus seine Geste erläuterte: „Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (.Joh 13,13-15). In der Stunde des eucharistischen Mahles bekräftigt Christus die Notwendigkeit des Dienstes. „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Deshalb sind wir zusammengerufen, um von neuem dem lebendigen Gedächtnis des größten Gebotes, des Liebesgebotes, Ausdruck zu verleihen: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ {Joh 15,13). Die Geste Christi führt sie den Aposteln konkret vor Augen: Er wußte, „daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“. Die Stunde der Liebe bis zum äußersten: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ {Joh 13,1). 2. Das alles erreicht seinen Höhepunkt im letzten Abendmahl, im Abendmahlssaal von Jerusalem. Wir sind zusammengerufen, um dieses Ereignis, die Einsetzung des wunderbaren Sakramentes, wiederzuerleben, aus dem die Kirche unaufhörlich schöpft; des Sakramentes, das auf der Ebene der wahrsten und tiefsten Wirklichkeit Kirche bildet. Ohne Kirche gibt es keine Eucharistie, aber vorher noch gibt es keine Kirche ohne Eucharistie. Eucharistie heißt Danksagung. Deshalb sagten wir im Antwortgesang: „Wie kann ich dem Herrn vergelten alles, was er mir Gutes tat?“ (vgl. Ps 116,12). Wir bringen auf dem Altar das Brot und den Wein dar als unaufhörliche Danksagung für all das Gute, das wir von Gott erhalten, für die Güter der Schöpfung und der Erlösung. Die Erlösung wurde erwirkt durch den Opfertod Christi. Die Kirche, die die 570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erlösung verkündet und von der Erlösung lebt, muß diesen Opfertod auch weiterhin sakramental gegenwärtig setzen; aus ihm muß sie die Kraft schöpfen, sie selbst zu sein. 3. Die Abendmahlsmesse ruft uns das mit einzigartiger Ausdruckskraft in Erinnerung. Die erste Lesung aus dem Buch Exodus erinnert an den geschichtlichen Augenblick des alttestamentlichen Bundesvolkes, in dem das Geheimnis der Eucharistie am deutlichsten vorausgenommen wurde: Es handelt sich um die Einsetzung des Pascha. Das Volk sollte von der ägyptischen Sklaverei befreit werden; es sollte aus dem Land der Knechtschaft frei herausziehen, und der Preis dieses Loskaufs war das Blut des Lammes. Dieses Lamm des alten Bundes hat im neuen Bund seine Sinnfiille erlangt. Das geschah bereits durch den prophetischen Dienst Johannes’ des Täufers, der auf Jesus von Nazaret hinwies, als dieser an den Jordan kam, um getauft zu werden, und sagte: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Nicht durch Zufall stehen diese Worte im Zentrum der Eucharistiefeier. Daran erinnern uns die Lesungen der Abendmahlsmesse als Hinweis darauf, daß wir durch dieses lebendige Gedächtnis in die Stunde des Leidens Christi eintreten. Gerade in dieser Stunde wird das Geheimnis des Gotteslammes offenbar werden. Die von Johannes dem Täufer am Jordan gesprochenen Worte werden so eine klare Erfüllung finden. Christus wird gekreuzigt werden. Als Sohn Gottes wird er den Tod auf sich nehmen, um die Welt von der Sünde zu erlösen. Öffnen wir unsere Herzen, nehmen wir gläubig an diesem großen Geheimnis teil, und sprechen wir mit der ganzen Kirche, die zum eucharistischen Mahl zusammengerufen ist: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Geheimnis des Kreuzes Ansprache zum Abschluß des Kreuzwegs am Karfreitag, 28. März „Christus factus est pro nobis oboediens usque ad mortem - mortem autem crucis“ (Phil 2,8). 1. „Christus war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (vgl. Phil 2,8). Diese Worte des hl. Paulus sind eine Zusammenfassung dessen, was der Karfreitag uns sagen will. An diesem Tag feiert die Kirche keine Eucharistie, als wolle sie daraufhinweisen, daß es an dem Tag, an dem sich der blutige Opfertod Christi am Kreuz vollzog, nicht möglich ist, ihn in unblutiger Weise im Sakrament gegenwärtig zu setzen. Die Eucharistiefeier wird heute durch den eindrucksvollen Ritus der Kreuzverehrung ersetzt, den ich vor wenigen Stunden in der Petersbasilika gefeiert habe. Wer daran teilnahm, ist im Innern noch tief bewegt von den liturgischen Texten über 571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Leiden des Herrn, die zu Gehör gebracht wurden. Wie könnte man ungerührt bleiben bei der eindringlichen Beschreibung, die Jesaja von dem „Mann voller Schmerzen“ gibt, der, von den Menschen verachtet und gemieden, die Last unseres Leidens auf sich geladen hat und wegen unserer Sünden von Gott geschlagen wurde (vgl. Jes 53,3 f.)? Und wie könnte man unempfindlich bleiben angesichts des „lauten Schreiens und der Tränen“ Christi, die der Schreiber des Briefes an die Hebräer in Erinnerung ruft (vgl. Hebr 5,7)? 2. Während wir jetzt den Kreuzwegstationen gefolgt sind, haben wir die dramatischen Phasen des Leidens betrachtet: Christus, der das Kreuz trägt; der unter dessen Last niederfällt; der am Kreuz hängend leidet; der im Augenblick der äußersten Todesangst ruft: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46) und seine vollkommene und vertrauensvolle Hingabe zum Ausdruck bringt. Heute richtet sich unsere stärkste Aufmerksamkeit auf das Kreuz. Wir denken über das Geheimnis des Kreuzes nach, das seit Jahrhunderten im Opfertod so vieler Gläubigen, so vieler Männer und Frauen weiterlebt, die durch das Martyrium mit Jesu Tod vereinigt sind. Wir betrachten das Geheimnis der Todesangst und des Sterbens des Herrn, das auch in unseren Tagen im Schmerz und Leiden der einzelnen Menschen und Völker fortdauert, die von Gewalt und Krieg schwer geprüft sind. Wo der Mensch verwundet und getötet wird, da wird Christus selbst verletzt und gekreuzigt. Geheimnis des Schmerzes, Geheimnis grenzenloser Liebe! Wir stehen schweigend und tief ergriffen vor diesem unergründlichem Geheimnis. 3. „Ecce lignum crucis ... Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt. Kommt, lasset uns anbeten!“ Am Schluß des Kreuzwegs hier beim Kolosseum erstrahlt das Kreuz heute abend mit außerordentlicher Kraft. Dieser Ort des alten Rom ist im Volksgedächtnis mit dem Martyrium der ersten Christen verbunden. Er ist deshalb ein besonders geeigneter Ort, um Jahr für Jahr Christi Leiden und Sterben neu zu erleben. „Ecce lignum Crucis!“ Wie viele Brüder und Schwestern im Glauben hatten zur Zeit der römischen Verfolgungen teil am Kreuz Christi! Der Text der Meditationen, die uns im Verlauf dieses Kreuzweges begleitet haben, wurde vom ehrwürdigen Bruder Karekin I. Sarkissian, dem höchsten Patriarchen und Katholikos aller Armenier, vorbereitet. Ich danke ihm herzlich und grüße ihn zusammen mit allen Christen Armeniens; dankbar gedenke ich des Besuches, den er mir kürzlich abgestattet hat. Meinen Gruß richte ich auch an Erzbischof Nerses Bozabalian, der in Vertretung des Katholikos von Armenien mit uns am Kreuzweg teilgenommen hat. Viele Brüder und Schwestern dieser Kirche und dieser Nation hatten durch ihr Lebensopfer teil am Kreuz Christi! Eng verbunden mit ihnen und mit all jenen, die allerorts in der Welt, in jedem Erdteil und in den verschiedenen Ländern des Erdkreises durch ihr Leiden und ihren Tod am Kreuz Christi teilha- 572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben, wollen wir heute wiederholen: „Ecce lignum Crucis ... Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt. Kommt, lasset uns anbeten!“ 4. Während die Finsternis der Nacht schon hereinfällt - ein deutliches Bild des Geheimnisses, das unsere Existenz umgibt -, bekennen wir vor dir, dem Kreuz unseres Heils, mit lautem Ruf unseren Glauben! Herr, ein Lichtstrahl fällt von deinem Kreuz herab. In deinem Tod wird unser Tod besiegt. Uns wird die Hoffnung auf die Auferstehung angeboten. Halte dich fest an deinem Kreuz, wir warten zuversichtlich auf deine Wiederkunft, Herr Jesus, unser Erlöser! „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Amen! Verantwortungsvoller Dienst für das Gemeinwohl Grußwort beim Empfang für die Mitarbeiter der Polizeidienststelle beim Vatikan am 29. März Herr Generalinspektor, liebe Beamte und Polizisten der Polizeidienststelle beim Vatikan, der Straßenpolizei und der Quästur von Rom! 1. Willkommen zu diesem traditionsreichen Treffen, das mir die Gelegenheit bietet, euch meine Dankbarkeit für den von euch geleisteten Dienst für meine Person und den Apostolischen Stuhl auszudrücken. Besonders möchte ich Herrn Dr. Enrico Marinelli meine Erkenntlichkeit aussprechen für die guten Wünsche, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich jeden von euch und danke euch für die Geschenke, die ihr mir gebracht habt. Meinerseits spreche ich euch meine herzlichsten Glückwünsche aus für ein vom Glauben erleuchtetes Osterfest, das von den höchsten und wahren Gefühlen und Werten noch verschönt wird. 2. Diese Polizeidienststelle und die mit ihr verbundenen Polizeikräfte stellen eine wertvolle Unterstützung für das seelsorgliche Amt des Bischofs von Rom dar. Ich bin euch für eure wachsame Präsenz und für eure Hilfeleistung während der liturgischen Feiern und der vielen Veranstaltungen in der Petersbasilika und im ganzen Vatikanstaat dankbar. Außerdem wissen der Papst und seine Mitarbeiter, daß sie mit eurer Zusammenarbeit rechnen können bei den Pastoralbesuchen in den Gemeinden und bei den staatlichen und kirchlichen Einrichtungen der Ewigen Stadt sowie auch während der apostolischen Reisen durch Italien. Dank eures diskreten und wirksamen Schutz- und Wachdienstes haben die Pilger, die aus aller Welt kommen, um das Grab des Apostels Petrus zu besuchen, die Möglichkeit, diese wichtige Glaubenserfahrung in aller Ruhe zu erleben. 573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure täglichen Aufgaben fuhrt ihr auf der Grundlage der bürgerlichen und menschlichen Ideale aus, die die Mitglieder der Polizei des italienischen Staats auszeichnen. Allerdings bietet der ständige Kontakt mit Ereignissen von großer religiöser und kultureller Bedeutung und mit Priestern, Ordensleuten und Laien, die an der universalen Sendung des Papstes beteiligt sind, eurer Arbeit sicherlich noch einen weiteren Anlaß zum Einsatz und zur Hingabe. Die besondere Situation, in der ihr arbeitet, ermöglicht es euch nämlich, euer berufliches Engagement zu stärken, indem ihr aus der ewigen Wahrheit des Evangeliums Kraft und Lebenseifer schöpft. So könnt ihr in eurer Tätigkeit für die menschlichen und geistigen Werte der Christenheit Zeugnis ablegen und auf diese Weise euren Beitrag zum universalen Sendungsauftrag der Kirche leisten. 3. Als Sitz des Nachfolgers Petri ist der Vatikan nicht nur das Ziel der Gläubigen jeder Rasse und Kultur, sondern auch der Vertreter verschiedener Religionen, der Verantwortlichen der Staaten und hoher Persönlichkeiten aus Staat und Kirche, die hierher kommen, um den Papst oder seine Mitarbeiter in den verschiedenen Dikasterien des Hl. Stuhls zu treffen. Euer Einsatz macht es möglich, daß diese Gelegenheiten zum Dialog und zum Besuch der kostbaren, im Vatikan aufbewahrten Zeugnisse der Kultur und des Glaubens ruhig und ordentlich verlaufen. Dieser euer Dienst wird in den kommenden Jahren noch an Bedeutung zunehmen im Hinblick auf das historische Ereignis, das den Beginn des dritten Jahrtausends kennzeichnen wird. Eure Kompetenz und die von euch geplanten Maßnahmen, um eure Tätigkeit noch zweckmäßiger zu gestalten, stellen zweifellos eine wichtige Stütze zur Lösung der zahlreichen Organisationsprobleme dar, die die Feierlichkeiten des Jubeljahres mit sich bringen werden. 4. Ich möchte euch nochmals meine aufrichtige Anerkennung für eure Mitarbeit ausdrücken und vertraue jeden von euch mit euren Familien dem Schutz der Muttergottes an. Sie möge euch unterstützen und eure Anrufungen erhören, indem sie sie ihrem göttlichen Sohn darbringt. Ich richte einen besonderen Gedanken an die Kollegen und ihre Familien, die großes Leid ertragen müssen, und an eure Kinder, für die ich ein inniges Gebet zum Herrn erhebe. Mit diesen Gefühlen erteile ich jedem von euch und euren Lieben meinen besonderen Apostolischen Segen. Im Zeichen von Tod und Auferstehung Predigt während der Ostemachtfeier am Samstag, 29. März 1. „Es werde Licht!“ (Gen 1,3). In der Ostemacht verkündet die Liturgie diese Worte aus dem Buch Genesis. Sie stellen ein ausdrucksvolles Leitmotiv dieser wunderbaren Feier dar. Zu Beginn wird das „neue Feuer“ gesegnet, und an ihm wird die Osterkerze entzündet, die in 574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Prozession zum Altar getragen wird. Die Kerze tritt zunächst ins Dunkel ein bis zu dem Augenblick, in dem nach dem Gesang des dritten „Lumen Christi“ die ganze Basilika in hellem Licht erstrahlt. Damit wurden die Elemente der Finsternis und des Lichtes, des Todes und des Lebens, miteinander verbunden. Vor diesem Hintergrund erklingt der biblische Schöpfungsbericht. Gott sagt: „Es werde Licht“ (Gen 1,3). Es handelt sich in gewissem Sinn um den ersten Schritt zum Leben. In dieser Nacht soll sich der einzigartige Übergang vom Tod zum Leben vollziehen, und die Lichtfeier, begleitet von den Worten der Genesis, ist dafür die erste Ankündigung. 2. Im Prolog seines Evangeliums schreibt Johannes über das Wort, das Fleisch geworden ist: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ {Joh 1,4). Diese heilige Nacht wird also zu einer außerordentlichen Offenbarung dieses Lebens, das das Licht der Menschen ist. An dieser Kundgebung haben die ganze Kirche und insbesondere die Katechumenen teil, die während dieser Feier die Taufe empfangen. Die Petersbasilika empfängt euch, liebe Schwestern und Brüder, die ihr in Kürze auf Christus, unser Osterlamm, getauft werdet. Zwei von euch kommen aus Albanien und zwei aus Zaire, aus Ländern, die dramatische Stunden ihrer Geschichte durchleben: Der Herr erhöre den Schrei der Armen, und führe sie auf dem Weg zu Frieden und Freiheit! Andere unter euch kommen aus Benin, von Kap Verde, aus China und aus Taiwan. Für jeden von euch, die ihr in dieser Versammlung die Erstlingsfrüchte der von Christus erlösten, neuen Menschheit repräsentiert, bete ich, damit ihr immer treue Zeugen seines Evangeliums seid. Die liturgischen Lesungen der Ostemacht verbinden die beiden Elemente des Feuers und des Wassers miteinander. Das Element des Feuers, das das Licht bringt, und das Element des Wassers, das zur „Materie“ des Sakramentes der Wiedergeburt, das heißt der Taufe, wird. „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ {Joh 3,5). Der Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer, das heißt die Befreiung von der Knechtschaft Ägyptens, ist Sinnbild und gleichsam Vorwegnahme der Taufe, die von der Knechtschaft der Sünde befreit. 3. Die vielfältigen Motive, die in dieser Liturgie der Ostemacht in den Schriftlesungen ihren Ausdruck finden, fügen sich zusammen und verflechten sich so zu einem einheitlichen Bild. Der Apostel Paulus ist es, der diese Wahrheiten am vollständigsten im Brief an die Römer wiedergibt, wie es vorher verkündet wurde: „Wißt ihr denn nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ {Röm 6,3-4). Diese Worte führen uns zur Mitte des christlichen Lebens selbst. Christi Tod, der heilbringende Tod, ist der Beginn des Übergangs zum Leben, der in seiner Auferstehung offenbar wurde. „Sind wir nun mit Christus gestorben — fahrt Paulus 575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fort so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt, der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Rom 6,8-9). 4. Indem sie die Fackel des Wortes Gottes in den Händen hält, bleibt die Kirche in der Feier der Ostemacht gleichsam an einer letzten Schwelle stehen. Sie macht halt in gespannter, die ganze Nacht andauernder Erwartung. Beim Grab erwarten wir das Geschehen, das sich vor zweitausend Jahren ereignet hat. Die ersten Zeugen dieses außerordentlichen Ereignisses waren die Frauen von Jerusalem: Sie kamen zu dem Ort, wo Jesus am Karfreitag begraben worden war, und fanden das leere Grab. Eine Stimme überraschte sie: „Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petras: Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat“ (Mk 16,6-7). Niemand hat mit eigenen Augen die Auferstehung Christi gesehen. Die Frauen, die zum Grab gekommen waren, waren die ersten, die das Ereignis feststellten, als es schon geschehen war. Die zur Feier der Ostemacht versammelte Kirche hört von neuem in schweigender Erwartung dieses Zeugnis und bekundet dann ihre große Freude. Wir haben vor kurzem aus dem Mund des Diakons den Ruf gehört: „Annuntio vobis gaudium magnum ... Ich verkünde euch eine große Freude, halleluja!“ Laßt uns diese Botschaft mit offenem Herzen aufiiehmen, laßt uns zusammen an der großen Freude der Kirche teilhaben! Christus ist wahrhaft auferstanden! Halleluja! Botschaft vor dem Segen ÜRBIET ÖRBI am Ostersonntag, 30. März 1. „Victimae paschali laudes / immolent Christiani ...“ „Dem Osterlamm, das geopfert ward, / weihet, ihr Christen, das Opfer des Lobes! Das Lamm erlöste die Schafe; / Christus, der ohne Schuld, / versöhnte die schuldige Welt mit dem Vater.“ Ich wende mich an euch, Christen! Ich wende mich an euch, Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner, Protestanten! Ich wende mich an euch mit der wunderbaren Nachricht: Christus ist auferstanden! Er, der von Johannes dem Täufer als Lamm Gottes bezeichnet wurde (vgl. Joh 1,29.36), hat seine Herde gerettet: „Agnus redemit oves.“ Christus hat die Herde der gesamten Menschheit gerettet, alle Menschen, ohne Ausnahme. Christus, das unschuldige Opfer am Kreuz, hat uns Sünder mit dem Vater versöhnt. Er, der ohne Sünde war, hat uns Sünder zum Vater zurückgeführt. An diesem hochheiligen Osterfest verkünden wir die Versöhnung der Menschheit mit dem Vater durch Christus, der für uns gehorsam war bis zum Tod: „Victima paschalis.“ 576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Mors et vita / duello conflixere mirando „Tod und Leben stritten im Kampfe, wie nie einer war; / der Fürst des Lebens erlag dem Tod; / zum Leben erstanden, triumphiert er als König.“ Der Mensch, der gegen das Böse kämpft, der sich immer gegen den Tod auflehnt, der das Leben vor jeder Gefahr schützen und retten will, dieser Mensch möge heute innehalten. Er möge innehalten und staunen. Ja, heute wurde der Tod besiegt. Der Sohn Gottes, geboren von der Jungfrau, Gott von Gott, Licht vom Licht, der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, hat den schmachvollen Tod am Kreuz auf sich genommen. Am Karfreitag war er ins Grab gelegt worden, und heute vor Sonnenaufgang hat er den Stein vom Grab weggewälzt und ist mit eigener Kraft auferstanden: „Dux vitae mortuus regnat vivus.“ 3. „Die nobis, Maria, / quid vidisti in via? ...“ „Maria, sage uns an: / Was hast du auf dem Wege gesehen?“ „Ich sah das Grab, / und Christus sah ich, der lebt! /... Ich sah das Tuch und die Linnen / und sah die Engel, die sagten mir sichere Kunde.“ Die Auferstehung Christi ist von den Zeugen bestätigt, durch diejenigen, die in der Morgendämmerung am ersten Tag nach dem Sabbat, das heißt heute, zum Grab gingen. Zuerst die Frauen und nach ihnen die Apostel. Die alte liturgische Sequenz richtet sich an Maria von Magdala, denn ihr war es gegeben, nicht nur das leere Grab zu entdecken, sondern den Aposteln das Ereignis zu verkünden. Petrus und Johannes eilten herbei und stellten fest, daß das, was die Frauen gesagt hatten, wahr war. 4. Wir wenden uns an dich, Maria von Magdala, die du, unter dem Kreuz kniend, die Füße des sterbenden Christus geküßt hast. Unter dem Antrieb der Liebe bist du zum Grab gelaufen und hast es leer gefunden. Als erste hast du den Auferstandenen gesehen und mit ihm gesprochen. Reuige Sünderin, Christus hat dich in gewisser Weise den Aposteln gleichgestellt, indem er dir die Nachricht von der Auferstehung in den Mund legte. Freu dich, Maria von Magdala! Freut euch, Petrus und Johannes! Freut euch, Apostel alle! Freue dich, Kirche, denn das Grab ist leer. Christus ist erstanden! Dort, wo man ihn hingelegt hatte, lagen nur die Leinenbinden, lag nur das Schweißtuch, in das man ihn am Karfreitag gewickelt hatte. Verkündet zusammen mit uns und mit der ganzen Menschheit: „Surrexit Christus spes mea - Surrexit Christus spes nostra!“ 5. Verkündet mit uns, daß Christus die Hoffnung auch derer ist, die das Dasein und die Zukunft durch Krieg und Haß gefährdet sehen, besonders im Herzen des afrikanischen Kontinents. Das Licht Christi leite die Verantwortlichen der Nationen, die gerufen sind, durch ihre Entscheidungen das Zusammenleben unter verschiedenen Völkern, Kulturen und Religionen, wie im Heiligen Land, zu lenken. Die Kraft des Auferstandenen stütze diejenigen, die den Frieden und die Demokratie zu festigen suchen, die oft um den Preis so vieler Opfer, wie in den Balkanländem und insbesondere im geliebten Albanien, erzielt wurden. Die Liebe Christi, die stärker ist als Sünde und 577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tod, schenke allen den Mut zur Vergebung und Versöhnung, ohne die es keine menschenwürdige Lösungen gibt: Wir denken dabei ganz besonders an die Personen, die in Lima, in Peru, seit vielen Monaten als Geiseln festgehalten werden. Möge ihnen endlich die langersehnte Freiheit gewährt werden! 6. An der Osterfreude mögen alle unsere Brüder und Schwestern im Glauben teilhaben, die in verschiedenen Teilen der Welt Opfer von Unterdrückung und Verfolgung sind. Sie können leider dieses Fest der Erlösung nicht so feiern, wie sie es gewollt hätten. Sie sollen nicht den Mut verlieren, Sie sollen sich nicht verlassen fühlen! Christus ist mit ihnen, die Kirche ist mit ihnen! „Surrexit Christus spes mea.“ Christus ist wahrhaft erstanden! In ihm können wir heute die Macht des Bösen überwinden. Er bietet uns allen ein neues Leben an. Ihm ist es zu verdanken, daß jeder sich von jetzt an den Brüdern und Schwestern in Liebe öffnen kann durch Annahme, Dienst und Vergebung. Ja, Christus ist auferstanden, Alles bekommt einen neuen Sinn und Wert. 7. „Scimus Christum / surrexisse a mortuis vere.“ „Wir wissen: Christus ist auferstanden! / Wahrhaft erstanden vom Tode!“ Das Zeugnis der Frauen und der Apostel, das Zeugnis der Kirche, erreicht nicht nur Jerusalem und das Gebirge von Galiläa. Es verbreitet sich bis an die äußersten Grenzen der Erde. Am Ende des zweiten Jahrtausends, während das Große Jubiläum des Jahres 2000 näherrückt, erklingt überall dieses Zeugnis: Christus ist erstanden! „Scimus Christum surrexisse a mortuis vere!“ Wir glauben, weil wir wissen: scimus. Und aus der Tiefe dieser höchsten Gewißheit, in der das Wort Gottes und die Vernunft des Menschen Zusammentreffen, rufen wir zu dir, dem gekreuzigten und auferstandenen Christus: „Tu nobis, victor Rex, miserere!“ Amen. Halleluja! Sarajevo ... die so sehr ersehnte Reise Nach dem Rosenkranzgebet in der Aula Paul VI. am 5. April Wenn es Gott gefallt, werde ich mich in einer Woche in Sarajevo befinden zu der so sehr ersehnten Begegnung mit der Bevölkerung jener Stadt, die fast zu einem Symbol dieses unseres von dramatischen Konflikten gezeichneten und für neue Hoffnungsperspektiven offenen Jahrhunderts geworden ist. Ich bin gewiß, daß ihr mich mit eurem Gebet begleiten werdet, und bin euch schon jetzt dankbar dafür. 578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sorge über die Zuspitzung in Nahost Grußwort bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen Botschafters des Staates Israel beim Heiligen Stuhl, Aharon Lopez am 10. April Sehr geehrter Herr Botschafter! Es ist mir eine Freude, Sie im Vatikan zu begrüßen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Staates Israel beim Hl. Stuhl ausweist. Bei diesem bedeutsamen Anlaß möchte ich meinen Dank für die Grüße zum Ausdruck bringen, die Sie mir vom Herrn Präsidenten Ezer Weizmann überbracht haben und die ich herzlich erwidere. Ich bitte Sie, ihm meine guten Wünsche zu übermitteln, und ich versichere ihn meiner Gebete für Ihr Land und für alle Völker des Heiligen Landes. Die 1994 zwischen dem Hl. Stuhl und dem Staat Israel aufgenommenen diplomatischen Beziehungen bilden einen wichtigen Schritt in dem bestehenden Normalisierungsprozeß, den wir aufgenommen haben. Diese diplomatischen Verbindungen dürfen aber als solche nicht als ein Endergebnis betrachtet werden, denn ihr Zweck besteht darin, die noch größeren Ziele zu erreichen, die im Grundlagenvertrag dargelegt sind, der Ende 1993 unterzeichnet wurde. Der Geist dieses Vertrags, die vertrauensvolle Einstellung und die Verpflichtung, die darin ausgedrückt sind, müssen beständig in der vordersten Linie all unserer Bemühungen stehen, wenn wir gemeinsam den Weg des gegenseitigen Einvernehmens, der Freundschaft und der Zusammenarbeit weitergehen. Es ist schon viel getan worden, um die einzelnen Artikel des Grundlagenvertrags durchzufiihren, und mit Freude nehme ich den Hinweis Eurer Exzellenz auf die „Rechtlichen Vereinbarungen“ zur Kenntnis, die bald der israelischen Regierung zur Approbation und Durchführung vorgelegt werden. Wir müssen beiderseits all denen dankbar sein, deren unermüdliche Bemühungen uns diesen Punkt erreichen ließen. Es ist meine Hoffnung, daß die „Rechtlichen Vereinbarungen“ so bald wie möglich unterzeichnet und ratifiziert werden, denn sie sind ein höchst bedeutsames juristisches Instrument für das Leben der katholischen Kirche in Israel und für die katholischen Gläubigen, die israelische Bürger sind. Wir sprechen hier ferner von einem wichtigen Schritt, der allen Menschen in Israel, ungeachtet des religiösen Glaubens oder kultureller Verschiedenheiten, helfen soll, als gleichgestellte Partner beim Aufbau der israelischen Gesellschaft zusammenzuarbeiten. Das bedeutet nichts Geringeres, als daß wir unsere Hoffnung fest auf den Schöpfer setzen und auf die Fähigkeit, die er dem Menschen gegeben hat, dem zu entsprechen, was von ihm verlangt wird: „Was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfürcht den Weg gehen mit deinem Gott“ {Mi 6,8). 579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jerusalem - Stadt des Friedens Das bringt uns zu dem, was Sie mit Recht als eine der Herausforderungen - ja als die große Herausforderung - bezeichnet haben, die Suche nach Frieden. Wie Sie hervorgehoben haben, wurde schon ein Fortschritt gemacht, und der Hl. Stuhl, der den Friedensprozeß stets aktiv unterstützt, ist erfreut, wann immer sich positive Ergebnisse zeigen. Es fehlt jedoch nicht an Schwierigkeiten und Krisen, die gerade jetzt den brüchigen Optimismus, der im Wachsen war, zunichte zu machen drohen. In dieser Hinsicht bringe ich erneut die ernste Besorgnis zum Ausdruck, mit der der Hl. Stuhl und die ganze internationale Gemeinschaft unlängst die Zunahme von Spannungen in einer schon schwierigen und brisanten Situation festgestellt haben. Es gibt ernste Probleme, die täglich die physische Sicherheit von einzelnen Menschen, sowohl von Israelis wie Palästinensern, betreffen und die die Möglichkeit der Befreiung aus der scheinbar endlosen Spirale von Aktion, Reaktion und Gegenreaktion bedrohen. Das ist in der Tat ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt, wenn nicht alle Parteien mit wahrhaft gutem Willen und in Solidarität handeln. Zu Beginn dieses Jahres habe ich gesagt: „Alle, Juden, Christen und Muslime, Israelis und Araber, Glaubende und Nichtglaubende, müssen den Frieden zusammen aufbauen und festigen.“ Dieser Friede gründet „auf einem fairen Dialog zwischen gleichgestellten Partnern ... mit Achtung der Identität und der Geschichte eines jeden, ... auf dem Recht der Völker zur freiheitlichen Bestimmung ihres Schicksals, auf ihrer Unabhängigkeit und auf ihrer Sicherheit“ (Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps, 13. Januar 1997). In diesem Zusammenhang kann ich es nicht unterlassen, den einzigartigen Charakter von Jerusalem - wenn auch nur kurz — zu erwähnen. Die Heilige Stadt, die Stadt des Friedens, bleibt ein Teil des gemeinsamen Erbes der ganzen Menschheit und muß für alle Generationen bewahrt und geschützt werden. Verschiedene Völker betrachten die Worte des Psalms als ihre eigenen: „Erbittet für Jerusalem Frieden!“ (Ps 122,6). Die katholische Kirche wird weiterhin ihren Teil dazu beitragen, die Berufung und Sendung zu fordern, mit der der Gott der Offenbarung selber die Heilige Stadt in ihrer verwickelten und vielgestaltigen Geschichte betraut hat. Und wenn wir an den Frieden denken, den Gott wünscht, dürfen wir nicht vergessen, daß dieser Friede Gerechtigkeit, Achtung vor der Würde einer jeden Person und die Bereitschaft erfordert, andere zu verstehen. Der Hl. Stuhl und die katholische Kirche als Ganzes setzen sich entschieden dafür ein, „in der Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus und aller Arten von Rassismus und religiöser Intoleranz sowie in der Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen den Nationen, der Toleranz zwischen Gemeinschaften und der Achtung vor dem menschlichen Leben und der menschlichen Würde mit dem Staat Israel zusammenzuarbeiten“ (Grundlagenvertrag, Artikel 2 § 1). Es kann keine Frage sein, daß in diesen Bereichen noch mehr getan werden kann und muß. 580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerade solche erneuten Bemühungen werden dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 eine wahrhaft universale Bedeutung geben, die sich nicht auf Katholiken oder Christen beschränkt, sondern alle Völker in jedem Teil der Welt umfaßt. Ich vertraue, daß die israelischen Behörden und ihre palästinensischen Kollegen alles tun, was sie können, um zu gewährleisten, daß diejenigen, die kommen, um die historischen und heiligen, mit den drei großen monotheistischen Glaubensgemeinschaften in Zusammenhang stehenden Stätten zu besuchen, in einem Geist der Achtung und Freundschaft aufgenommen werden. Es ist meine eigene sehnlichste Hoffnung, unter denen zu sein, die solch eine Pilgerfahrt unternehmen, und ich bin dankbar für die freundlichen Einladungen, die ich immer wieder erhalte. Herr Botschafter, ich wünsche Ihnen Erfolg in Ihrer Mission als Vertreter Ihres Landes beim Hl. Stuhl, und ich versichere Sie bei der Erfüllung Ihrer hohen Pflichten der Zusammenarbeit der verschiedenen Dienststellen der Römischen Kurie. Für Sie und Ihr Land mache ich mir das Gebet des alten biblischen Schriftstellers zu eigen: „Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil!“ (Num 6,26). Aus dem Vatikan, 10. April 1997 Altes und Neues Testament zu den Beziehungen von Juden und Christen Ansprache bei der Vollversammlung der Päpstlichen Bibelkommission am 11. April 1. Herzlich danke ich Ihnen, Herr Kardinal, für Ihre freundlichen Worte, mit denen Sie mir die Bibelkommission zu Beginn ihres Mandates vorgestellt haben. Herzlich begrüße ich auch die hier bei der Audienz anwesenden alten und neuen Mitglieder der Kommission. Die , Alten“ grüße ich in großer Dankbarkeit für die von ihnen geleisteten Aufgaben, und die „Neuen“ grüße ich mit besonderer Freude, einer Freude, die aus der Hoffnung hervorgeht. Ich freue mich, daß mir dieser Anlaß Gelegenheit gibt, Ihnen allen persönlich zu begegnen und jedem einzelnen meine Wertschätzung für die Großzügigkeit zu wiederholen, mit welcher Sie Ihre Kompetenz als Exegeten in den Dienst des Wortes Gottes und des kirchlichen Lehramtes stellen. Das Thema, das Sie im Laufe dieser Ihrer ersten Vollversammlung zu erörtern begonnen haben, ist von außerordentlicher Relevanz; geht es dabei doch um ein grundlegendes Thema zum richtigen Verständnis des Mysteriums Christi und der christlichen Identität. Vor allem möchte ich diese Nützlichkeit unterstreichen, die wir als Nützlichkeit „ad intra“ bezeichnen könnten. Diese ihrerseits spiegelt sich unausweichlich in einer Nützlichkeit wider, die man sozusagen „ad extra“ nennen kann, denn das Bewußtsein der eigenen Identität bestimmt die Art und Weise der Beziehungen zu anderen Personen. In diesem Fall bestimmt es die Art und Weise der Beziehungen zwischen Christen und Juden. 581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert war die Kirche mit der Versuchung konfrontiert, das Neue Testament ganz und gar vom Alten zu trennen und das eine gegen das andere zu stellen, indem sie jedem eine unterschiedliche Herkunft zuschrieb. Nach Markion stammt das Alte Testament von einem Gott, der dieses Namens unwürdig sei, da er rachsüchtig und blutrünstig sei, während das Neue Testament den versöhnlichen und großzügigen Gott offenbare. Die Kirche hat diesen Irrtum entschieden zurückgewiesen und alle daran erinnert, daß sich die göttliche Mildherzigkeit bereits im Alten Testament manifestiert. Dieselbe marki-onitische Versuchung stellt sich uns leider auch in der heutigen Zeit. Dabei zeigt sich immer mehr, welch eine Unwissenheit über die tiefe Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament herrscht. Aus dieser Unwissenheit gewinnt so mancher den Eindruck, die Christen hätten mit den Juden nichts gemeinsam. Jahrhundertelange Vorurteile und Gegensätze haben einen tiefen Graben aufgerissen, den die Kirche, angeregt durch die Stellungnahme des Zweiten Vatikanischen Konzils, nun aufzufullen bemüht ist. Die neuen liturgischen Lektionarien haben den Texten des Alten Testamentes mehr Platz eingeräumt, und auch im Katechismus der Katholischen Kirche ist es ein ständiges Anliegen, sich an den Schatz der Heiligen Schriften zu halten. 3. In der Tat kann man das Mysterium Christi gar nicht vollends zum Ausdruck bringen, wenn man nicht auf das Alte Testament zurückgreift. Die menschliche Identität Jesu wird von seiner Bindung an das Volk Israel her bestimmt, war er doch aus dem Geschlecht Davids und ein Nachkomme Abrahams, und es handelt sich dabei nicht nur um eine physische Zugehörigkeit. Jesus nahm an den synago-galen Zeremonien teil, bei denen die Texte des Alten Testaments gelesen und kommentiert wurden, und so nahm er auch auf menschliche Weise Kenntnis von jenen Texten. Er nährte damit Geist und Herz, indem er sich ihrer dann in seinen Gebeten bediente; auch sein Verhalten war ganz von ihnen durchdrungen. So wurde er ein echter Sohn Israels, tief verwurzelt in der langen Geschichte seines Volkes. Als er zu predigen und zu lehren begann, schöpfte er reichlich aus dem Schatz der Schriften, und er bereicherte denselben durch neue Inspirationen und unerwartete Initiativen. Diese - und das sei wohl bemerkt - zielten nicht auf eine Abschaffung der alten Offenbarung, sondern im Gegenteil darauf, sie gänzlich zur Erfüllung zu bringen. Selbst der immer hartnäckigere Widerstand, mit dem sich Jesus bis nach Golgota konfrontiert sah, wurde von ihm im Licht des Alten Testaments verstanden, welches ihm das den Propheten vorbehaltene Los offenbarte. Er wußte auch aus dem Alten Testament, daß am Ende die Liebe Gottes immer wieder siegt. Spricht man Christus seine Verbindung mit dem Alten Testament ab, dann bedeutet das, ihn von seinen Wurzeln zu trennen und sein Mysterium allen Sinnes zu entleeren. In der Tat bedurfte auch die Fleischwerdung einer Einbindung in Jahrhunderte der Vorbereitung, um ihren Sinngehalt erkennen zu lassen; denn sonst wäre Christus nur, gleich einem Meteoriten, der zufällig auf die Erde fallt, ohne jegliche Verbindung mit der menschlichen Geschichte empfunden worden. 582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Von ihren Anfängen an hat die Kirche diese Verwurzelung der Fleischwerdung in der Geschichte und folglich auch die Eingliederung Christi in die Geschichte des Volkes Israel gut verstanden. Sie hat die hebräischen Schriften immer als stets gültiges Wort Gottes aufgefaßt, das, außer an die Söhne Israels, an sie selbst gerichtet war. Es ist von erstrangiger Wichtigkeit, ein solches kirchliches Bewußtsein der wesentlichen Verbindungen zum Alten Testament zu bewahren und zu erneuern. Ich bin sicher, daß Ihre Arbeiten in hervorragender Weise dazu beitragen werden, worüber ich mich jetzt schon freue und wofür ich Ihnen von Herzen danke. Sie sind berufen, den Christen zu helfen, ihre eigene Identität zu begreifen, eine Identität, die sich vor allem vom Glauben an Christus, den Sohn Gottes, herleitet. Dieser Glaube ist aber untrennbar mit dem Alten Testament verbunden, denn es ist ein Glaube an Christus, „der für unsere Sünden gestorben ist gemäß der Schrift“ und „der auferstanden ist gemäß der Schrift“ (vgl. 1 Kor 15,3-4). Der Christ muß wissen, daß er durch seine Zugehörigkeit zu Christus ein „Nachkomme Abrahams“ geworden ist (vgl. Gal 3,29) und daß er in den edlen Ölbaum eingepfropft wurde (vgl. Röm 11,17; 24), das heißt, er wurde in das Volk Israel eingegliedert, um so „Anteil zu erhalten an der Kraft seiner Wurzel“ (vgl. Röm 11,17). Wenn der Christ diese feste Überzeugung besitzt, dann wird er nicht mehr akzeptieren, daß die Juden, insofern sie Juden sind, gering geschätzt oder, noch schlimmer, schlecht behandelt werden. 5. Wenn ich solches sage, ignoriere ich damit nicht, daß das Neue Testament die Spuren deutlicher Spannungen zwischen den urchristlichen Gemeinden und einigen Gruppen nichtchristlicher Juden aufzeigt. Der hl. Paulus selbst bezeugt in seinen Briefen, daß er als nichtchristlicher Jude stolz die Kirche Gottes verfolgt habe (vgl. Gal 1,13; 1 Kor 15,9; Phil 3,6). Diese schmerzlichen Erinnerungen müssen in der von Christus gebotenen Nächstenliebe überwunden werden. Es ist Aufgabe der exegetischen Arbeit, immer mehr in dieser Richtung weiterzugehen und so dazu beizutragen, die Spannungen zu verringern und die Mißverständnisse auszuräumen. Im Lichte all des Gesagten ist die von Ihnen begonnene Arbeit höchst wichtig und verdient es, mit Sorgfalt und Eifer durchgeführt zu werden. Dies bringt natürlich schwierige Aspekte und empfindliche Punkte mit sich, ist jedoch äußerst vielversprechend und reich an großen Hoffnungen. Ich wünsche und hoffe, daß diese Arbeit Frucht bringe und zur Ehre Gottes gereiche. Mit diesem Wunsch versichere ich Ihnen, stets im Gebet Ihrer zu gedenken, und von Herzen erteile ich Ihnen allen einen besonderen Apostolischen Segen. 583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nächstenliebe - Prüfstein christlichen Lebensvollzugs Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates Cor Unum am 18. April Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofs und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, euch anläßlich der 22. Vollversammlung des Päpstlichen Rats „Cor Unum“ zu empfangen. Mein besonderer Gruß gilt eurem Präsidenten, Erzbischof Paul Josef Cordes, dem ich für seine einfuhrenden Worte danke. Euch allen möchte ich danken für eure tägliche Hingabe in eurem Dienst für die Kirche innerhalb dieses Päpstlichen Rats und in den verschiedenen katholischen Organisationen auf der ganzen Welt. Ihr seid mit großer Aufmerksamkeit und Umsicht tätig, um Ausnahmesituationen meistern zu können, um auf alle Ausdrucksformen der Armut und der Sklaverei zu reagieren und um die ganzheitliche Entwicklung der Menschen und Völker zu fördern. Mit euch sage ich dem Herrn Dank für all das, was er uns vollbringen läßt, um das Elend und die Leiden unserer Brüder zu lindem. Euer Dikasterium, dessen Name an die Einmütigkeit der ersten christlichen Gemeinde erinnert - sie hatte ein einziges Herz im Gebet, im Brechen des Brotes und im brüderlichen Teilen (vgl. Apg 2,42-47) -, hat den Auftrag, die Nächstenliebe, die ihren Ursprung in Christus hat, in der Kirche zu offenbaren. Und „der Leib Christi wird durch die Nächstenliebe aufgebaut“ (Fulgentius v. Ruspe, Brief an Ferrandus, 14). 2. Eure Versammlung ist in erster Linie der gegebene Anlaß, um eine Bilanz des fünfündzwanzigjährigen Bestehens dieses Rates zu ziehen, der von Paul VI. im Jahr 1971 eingerichtet worden ist. Ihr seid Verwalter Gottes und habt den Auftrag, die Gaben der Gläubigen umsichtig zu verwalten, die Christen auf die Bedürfnisse ihrer Brüder aufmerksam zu machen, die Großherzigkeit in der Kirche unaufhörlich anzufachen und die verschiedenen Projekte aufeinander abzustimmen und zu koordinieren. Durch eure Aktionsprogramme und eure Arbeit seid ihr auch Fermente für die Einheit in der Kirche und Hoffnungsträger für alle Armen, denen die Bedeutung des Evangeliums zur Verwandlung der Welt bewußt wird. Durch eure theologischen und exegetischen Betrachtungen zur Vertiefung des spirituellen Sinns des karitativen Dienstes gebt ihr der Nächstenliebe ihren Adelsbrief wieder, denn sie kann nicht auf einige punktuelle Gesten - ohne einen langfristigen Einsatz - beschränkt werden. Gleichzeitig habt ihr richtigerweise die Erziehung zur Praxis der Nächstenliebe entwickelt, damit sich die Zivilisation der Liebe über die ganze Welt ausbreite. Unsere Gesellschaft macht gegenwärtig zahlreiche Krisen durch: wachsende Zahl der Armen, der Vertriebenen, der Ausgegrenzten und der Obdachlosen; Zunahme der sozialen Ungleichheiten und der unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Der 584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Päpstliche Rat „Cor Unum“, dem Papst Paul VI. eine spezifische Identität gegeben hat, die es zu wahren gilt, spielt eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, diesen Problemsituationen die Stirn zu bieten. Mit einem umfassenden Blick auf die Bedürfnisse unserer Welt hat er das Ziel, die Kräfte und Initiativen der katholischen Hilfsorganisationen durch den Austausch von Informationen und durch verstärkte Zusammenarbeit in Einklang zu bringen (vgl. Brief an Kardinal Villot Amoris officio, 15. Juli 1971) in enger Zusammenarbeit mit den Diözesanbischö-fen, die für die Leitung des Gottesvolkes und die Anregung des pastoralen Lebens verantwortlich sind, sowie mit der Gesamtheit der Einrichtungen der Ortskirchen und mit den anderen Organisationen der Römischen Kurie, die mit Fragen der Nächstenliebe - im weitesten Sinne des Wortes - zu tun haben. Außerdem ist dieser Rat dafür zuständig, vertrauensvolle Beziehungen zu den Spezialabteilungen der Vereinten Nationen zu unterhalten. Ich würdige an dieser Stelle die Entschlossenheit der UNO zur Ausrottung der Armut durch ein breitangelegtes Programm im Geist der beim Gipfel von Kopenhagen übernommenen Verpflichtungen. Überall dort, wo sie in die Tat umgesetzt werden - und dies ist der Sinn der Nächstenliebe -, sollen die Gesten der Hilfe, Fürsorge und Unterstützung in einem Geist des Dienens und des Schenkens ohne Gegenleistung getan werden zum Wohle aller Menschen, ohne Hintergedanken einer möglichen Bevormundung oder Bekehrungseifer, denn dies könnte den Eindruck erwecken, daß die Nächstenliebe für teilweise politische oder wirtschaftliche Zwecke benutzt wird. 3. Diese Vollversammlung eures Dikasteriums hat auch das Ziel, das Jahr der Nächstenliebe vorzubereiten, das dem Großen Jubeljahr 2000 vorausgehen wird. Die Betrachtung der Dreifaltigkeit führt den Menschen dazu, in der Liebe zu leben und sich der Nächstenliebe gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. Der hl. Matthäus erinnert uns an die tiefe Beziehung zwischen Gebet und Almosen. Das Gebet weitet das Herz und macht den Menschen gegenüber aufmerksam; wenn wir die Brüderlichkeit entwickeln, wird uns durch das Teilen bewußt, daß wir alle Kinder desselben Vaters sind (vgl. Mt 6,1-15). Außerdem können wir nur dann wahrhaft lieben, wenn wir aus der Quelle der Liebe schöpfen (vgl. Centesimus annus, Nr. 25). Dieses letzte Vorbereitungsjahr, in dessen Verlauf wir unseren Blick auf den Vater aller Barmherzigkeit richten werden, ist besonders geeignet, denn die Nächstenliebe ist die Wesens und Ausdrucksform aller Tugenden (vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II, q.23, a.8; J. Bemhart [Hg.], Bd. 3, Stuttgart 1985, S. 101). Die Nächstenliebe führt uns in das Geheimnis Gottes ein, sie macht uns für das Wirken des Heiligen Geistes bereit, sie läßt uns den Wert der Versöhnung mit dem Herrn und mit unseren Brüdern wiederentdecken (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 50) und führt uns dazu, gute Werke zu vollbringen (vgl. Joh 14,12-17). 585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Es ist nötig, in den Gläubigen ständig den Wunsch anzufachen, die Liebe des Herrn zu offenbaren, die keine Unterschiede zwischen den Menschen macht und in erster Linie das Wohl des anderen sucht (vgl. Veritatis splendor, Nr. 82). Durch die Werke der Nächstenliebe macht man sich zum Nächsten dessen, dem man Gutes getan hat (vgl. Origenes, Kommentar zum Hohenlied, I), und man streckt den Brüdern die Hand entgegen. Die Kirche bezeugt auf diese Weise, daß jeder Mensch mehr wert ist als alles Gold der Welt; sie wird nicht ruhen können, solange Männer und Frauen unter Katastrophen oder Konflikten zu leiden haben, an Hunger sterben oder nicht genug haben, um sich zu ernähren, zu kleiden, für ihre Gesundheit zu sorgen und jene zu erhalten, die von ihnen abhängen. 5. Durch das Zeugnis der brüderlichen Liebe leisten die Jünger Christi auch ihren Beitrag zur Gerechtigkeit, zum Frieden und zum Fortschritt der Völker. „Die Liebe ist das größte soziale Gebot. Sie achtet den anderen und dessen Rechte. Sie verlangt gerechtes Handeln, und sie allein macht uns dazu fähig. Sie drängt zu einem Leben der Selbsthingabe“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 1889). Der Wunsch, daß überall auf der Welt Gerechtigkeit und Frieden herrschen mögen, setzt voraus, daß man sich für die gerechte Verteilung der Ressourcen einsetzt. Die Nächstenliebe trägt dazu bei, denn sie schafft Bande gegenseitiger Achtung und Freundschaft zwischen den Einzelpersonen und den Völkern. Sie weckt Großherzigkeit in den Menschen, denen die Notwendigkeit einer verstärkten internationalen Solidarität bewußt wird. Es tut not, daran zu erinnern, daß dies nicht verwirklicht werden kann ohne einen echten Liebesdienst, der erfordert, daß man nicht nur das teilt, was man im Überfluß besitzt, sondern daß man auch von dem abgibt, was man selbst braucht. Wie der hl. Ambrosius von Mailand deutlich dargelegt hat, erlaubt die Unterscheidung zwischen dem Notwendigen und dem Unentbehrlichen jedem, gegenüber seinen Brüdern in Not durch eine vermehrte Großzügigkeit noch aufgeschlossener zu sein, die eigene Beziehung zum Geld zu läutern und seine Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt zu mäßigen (vgl. De Nabuthe). 6. Das Jubiläumsjahr muß in allen Mitgliedern der Kirche und allen Menschen guten Willens das Bewußtsein wecken, daß die Zusammenarbeit unerläßlich ist, um die Herausforderung des Teilens, der gerechten Güterverteilung und der Vereinigung der Kräfte aufnehmen zu können; so werden alle zum Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft beitragen als Voraussetzungen für das Reich Gottes, denn die Liebe ist ein Zeugnis des zukünftigen Reiches, und allein die Liebe kann die Welt radikal verändern. Die Nächstenliebe gibt den Armen die Hoffnung wieder, und sie entdecken, daß sie wirklich von Gott geliebt werden; alle haben ihre Aufgabe beim Aufbau der Gesellschaft und das Recht, das zu besitzen, was sie für ihr Auskommen nötig haben. Die Liebe zu den Armen unterstreicht die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, wie in dem Dokument Der Hunger in der Welt, das im vergangenen Jahr von 586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eurem Dikasterium veröffentlicht wurde, hervorgehoben wird. Gleichzeitig muß aber auch gesagt werden, daß die Nächstenliebe weiter geht als die Gerechtigkeit, denn sie lädt uns ein, von der Ordnung der einfachen Rechtlichkeit zur Ordnung der Liebe und der Selbsthingabe überzugehen, damit die zwischen den Menschen geschaffenen Bande auf gegenseitiger Achtung und Anerkennung der Brüderlichkeit beruhen, die die wesentlichen Grundlagen des Lebens in der Gesellschaft darstellen. 7. Diejenigen, die die Nächstenliebe üben, tun damit auch ein wichtiges Werk der Evangelisierung; „Denn der Geist der Armut und Liebe ist Ruhm und Zeugnis der Kirche Christi“ (Gaudium et spes, Nr. 88). Manchmal ist die gemeinschaftliche Aktion beredter als alle Lehren, und die mit dem Wort verbundenen Gesten sind besonders wirksame Zeugnisse. Die Jünger Christi müssen sich daran erinnern, daß den Armen und Leidenden dienen bedeutet, Christus, der das Licht der Welt ist, zu dienen. Durch ihr tägliches Leben in der Liebe, die von Ihm kommt, tragen die Gläubigen dazu bei, das Licht in die Welt hinauszutragen. Die Nächstenliebe ist auch die höchste Entfaltung der Menschen; sie gleicht sie dem Herrn an und macht sie frei in bezug auf die irdischen Güter. So können sie sich in Wahrheit fragen, um zu erkennen, ob die Güter ihnen gehören oder ob sie eher den Gütern gehören, ob ihre ganze Aufmerksamkeit der persönlichen Bereicherung gilt oder ob ihr Herz für ihre Brüder aufgeschlossen ist. 8. Zum Abschluß dieses Treffens, liebe Brüder und Schwestern, vertraue ich die Tätigkeit des Päpstlichen Rats „Cor Unum“ der Fürsprache der hl. Jungfrau Maria an und bitte sie, euch zu unterstützen, wie sie die Apostel im Abendmahlssaal unterstützt hat, als sie auf den Geist warteten, der an Pfingsten auf sie herabkam. Euch allen, euren Mitarbeitern bei den Werken der Nächstenliebe und all euren Lieben spende ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Berufung zum Dienst am Wort Botschaft zum 34. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Ostersonntag, den 20. April 1997, vom 28. Oktober 1996 Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, geliebte Brüder und Schwestern in aller Welt! 1. Der nächste Weltgebetstag um Geistliche Berufe steht im Kontext der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Bekanntlich wird das Jahr 1997 der Reflexion über das Geheimnis Christi, des Wortes des Vaters, das für uns Mensch geworden ist, gewidmet sein. Diese Reflexion muß mit Hilfe einer noch lebendigeren Vertrautheit mit dem Wort Gottes geschehen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 40). Wie sollte man sich da nicht der willkommenen 587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelegenheit einer noch aufmerksameren Untersuchung des biblischen Gehalts auch im Blick auf das Thema der Berufung zur persönlichen Ganzhingabe an den Dienst für das Himmelreich bewußt werden? Deshalb ist es mein ausdrücklicher Wunsch, daß anläßlich des nächsten Weltgebetstages mit erneutem Einsatz darüber nachgedacht werde, wie eine geeignete biblische Katechese auf eine noch zutreffendere Berufungspastoral hin angelegt werden könnte. Das Wort Gottes enthüllt den tiefen Sinn aller Dinge und gibt dem Menschen die Sicherheit der Unterscheidung und Orientierung bei den Entscheidungen, die im tagtäglichen Leben zu treffen sind. Indem die biblische Offenbarung die Lebensumstände der verschiedenen Persönlichkeiten erkennen läßt, denen Gott einen besonderen Auftrag für sein Volk erteilt hat, ist sie im Bereich der Berufungspastoral ferner in der Lage, dazu zu verhelfen, den Stil und die Merkmale jenes Rufes besser zu verstehen, den Er an die Männer und Frauen aller Zeiten richtet. Der kommende Weltgebetstag am 20. April 1997 gewinnt darüber hinaus eine besondere kirchliche Bedeutung, weil er beinahe mit dem „Kongreß über die Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben in Europa“ zusammenfallt. Den Veranstaltern dieser Versammlung, die in Rom stattfinden wird und eine vertiefte Arbeit der Bestandsaufnahme und der Werbung für geistliche Berufe leisten möchte, darf ich schon jetzt meine geistliche Nähe und meine herzlichsten Segenswünsche aussprechen. Ich lade alle ein, durch ihr Gebet ein solch wichtiges Ereignis zu unterstützen, dessen Früchte sich gewiß nicht nur zum Wohle der kirchlichen Gemeinden Europas, sondern des christlichen Volkes eines jeden Kontinents zeigen werden. 2. Bei der Verwirklichung seines Erlösungsplans hat Gott die Mitarbeit des Menschen gewollt: die Heilige Schrift erzählt die Heilsgeschichte als eine Geschichte der Berufungen, in der sich die Initiative des Herrn und die Antwort des Menschen kreuzen. In der Tat entsteht jede Berufung in der Begegnung zweier Freiheiten, der Freiheit Gottes und der des Menschen. Persönlich durch das Wort Gottes angerufen, stellt der Gerufene sich in seinen Dienst. Und es beginnt so eine Nachfolge, die nicht frei ist von Schwierigkeiten und Versuchungen, die aber zu einer wachsenden Vertrautheit mit Gott führt wie auch zu einer immer bereitwilligeren Verfügbarkeit, seinem Willen zu entsprechen. In jedem Anruf zu einer Berufung deckt Gott den tiefen Sinn des Wortes auf, das eine fortlaufende Enthüllung seiner Person bis zum Erscheinen Christi, dem letzten Sinn des Lebens, darstellt: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Christus also, das Wort des Vaters, ist die Ikone, die hilft, die Berufung eines jeden Menschen zu verstehen, seinen Lebensweg zu entdecken und seinem Sendungsauftrag geistliche Fruchtbarkeit zu verleihen. Bei der persönlichen Lektüre der Bibel wie in der Katechese kommt es darauf an, immer auf den Geist hinzuhören, der den Sinn der Texte erhellt (vgl. 2 Kor 3,6): 588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er ist es, der das Wort lebendig und immer wieder aktuell macht und gleichzeitig hilft, seine Bedeutung und seine Herausforderungen zu begreifen. „Die Heilige Schrift muß in dem Geist gelesen und ausgelegt werden, in dem sie geschrieben wurde“ (vgl. Dei Verbum, Nr. 12). Die biblische Katechese in einer Perspektive der geistlichen Berufe findet darum in der Weise statt, daß man sich in eine Haltung des gelehrigen Gehorsams gegenüber dem Geist versetzt: nur wer von seinem Licht durchdrungen ist, wird die weitere Entwicklung der Keime der Berufung, die es in der Kirche gibt, fördern können, wie dies die Erfahrung der Gründer und Gründerinnen der Ordenskongregationen und der Institute des geweihten Lebens bezeugt, die so vielen Männern und Frauen geholfen haben, den Ruf des Herrn zu entdecken und anzunehmen. 3. In unserer gegenwärtigen Kultur, speziell in den Gesellschaften mit alter christlicher Tradition, spielt der Dienst am Wort eine Rolle von noch größerer Dringlichkeit und Aktualität. Wie oft schon hatte ich Gelegenheit, daran zu erinnern, daß dies die Zeit der Neuevangelisierung ist, die alle einschließt. In einer immer säkularisierteren Welt gilt es, mutig eine erneute „implantatio Ecclesiae“ zu fördern, das heißt eine neue „Einpflanzung von Kirche“, welche die gewöhnlich notwendige Bedingung darstellt, damit die Erfahrung von Berufung möglich wird. Die in geeigneter Form erteilte Katechese läßt einerseits den Glauben reifen, macht ihn wirkmächtig und zu einer ganz bewußten Tat und leitet andererseits dazu an, die Zeichen des göttlichen Anrufs in den Erfahrungen des Alltags zu lesen. Von großem Nutzen erweist sich ferner die „lectio divina“, die Schriftlesung, die ein privilegierter Ort der Begegnung mit Gott im Hören seines Wortes ist. Sie wird in vielen Ordensgemeinschaften praktiziert und kann zu Recht gerade all denen vorgeschlagen werden, die das eigene Leben mit dem Plan Gottes in Einklang bringen wollen. Das Hören der göttlichen Offenbarung, das schweigende Meditieren darüber, das betrachtende Gebet und seine Umsetzung in die konkrete Lebenserfahrung stellen den Boden dar, auf dem eine echte Kultur der Berufung blüht und sich entfaltet. In diesem Lichte gilt es, die Verbindung zwischen Heiliger Schrift und christlicher Gemeinde immer höher zu bewerten. Das Hören auf das Wort der Schrift öffnet dem Worte Gottes das Herz des Menschen und trägt zur Auferbauung der Gemeinde bei, deren Glieder so von innen her ihre Berufung entdecken und zu einer hochherzigen Antwort des Glaubens und der Liebe erzogen werden. Nur der Glaubende, der „Jünger“ geworden ist, kann „das gute Wort Gottes“ (Hebr 6,5) kosten und auf die Einladung zu einem Leben der besonderen Nachfolge gemäß dem Evangelium antworten. 4. Jede Berufung ist ein persönliches und je eigenes Geschehen, doch ist sie auch ein gemeinschaftliches und kirchliches Ereignis. Keiner wird berufen, seinen Weg allein zu gehen. Jede Berufung wird vom Herrn als Geschenk für die christliche Gemeinde erweckt, die daraus Vorteil und Nutzen ziehen können sollte. Darum ist 589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine ernsthafte Unterscheidung notwendig, die vom direkt Betroffenen zusammen mit den Verantwortlichen der Gemeinschaft, die ihn auf seinem Berufungsweg begleiten, durchgeführt werden muß. Meine Gedanken gehen zu euch, geliebte Brüder im Bischofsamt, die ihr als Hirten der Kirche die Erstverantwortlichen bei der Förderung geistlicher Berufe seid. Setzt alle eure Energien ein für den Dienst an den Berufungen. Möge es euch gelingen, in der Kraft des Geistes eure Diözesangemeinschaften anzustacheln, das Problem der geistlichen Berufe als ihr ureigenes Problem zu verspüren und sich dabei der kirchlichen Dimension jeder göttlichen Berufung bewußt zu sein. Die Jugendkatechese möge ausdrücklich auf geistliche Berufe ausgerichtet werden und die jungen Menschen dazu bringen, im Lichte des Wortes Gottes eine mögliche persönliche Berufung und die Schönheit einer Ganzhingabe für die Sache des Himmelreiches zu erkennen. Fördert mutig die Seelsorge für die Berufungen zum Priestertum, zum Leben in einem Männer- oder Frauenorden, zum missionarischen und kontemplativen Leben, damit jene, die tatsächlich berufen sind, das wertvolle Geschenk erkennen mögen, das ihnen der Herr aus einer besonderen Vorliebe heraus machen will (vgl. Mk 10,21). 5. An Euch, liebe Diözesan- und Ordenspriester, geht meine Bitte, euch mit allen Mitteln dafür einzusetzen, daß unter den Gläubigen die Kenntnis der Heiligen Schrift und die Liebe zu ihr gefordert wird, und euch stets mit Eifer um eine auf geistliche Berufe ausgerichtete Dimension in der Katechese zu bemühen. Sorgt dafür, daß in den Herzen der jungen Menschen die Wertschätzung für das Hören des Wortes Gottes wachse in der Überzeugung, daß der aus den göttlichen Schriften schöpfende Glaube zur „lebenschaffenden Erinnerung“ des Glaubenden wird. An die Ordensleute richte ich den dringenden Appell, mit Freude die eigene radikale Weihe an Christus zu bezeugen: laßt euch unablässig vom Worte Gottes ansprechen, das in euren Gemeinschaften geteilt und mit Großmut im Dienst an den Brüdern, besonders an den jungen Menschen, gelebt wird. In einem Klima der Liebe und Brüderlichkeit, das vom Wort Gottes erhellt ist, ist es viel leichter, mit Ja auf Gottes Anruf zu antworten. Ich ermahne ferner die Pfarreien, die Katecheten, die Vereine, die Bewegungen und die im Apostolat engagierten Laien, eine echte Vertrautheit mit der Bibel zu fordern und zu pflegen im Bewußtsein dessen, daß das Hören des Wortes der bevorzugte Weg ist, Berufungen zum Blühen zu bringen. In der pfarrlichen Katechese räume man einer auf geistliche Berufe ausgerichteten Dimension ausreichend Platz ein, etwa auch durch die Bildung von Fördergruppen für geistliche Berufe, genauso wie es im Laufe des liturgischen Jahres biblische, auf eben diesen Zweck abzielende Initiativen des Gebets und der Katechese zu fordern gilt, wobei größter Wert zu legen ist auf den Bereich der Schule und auf geistliche Exerzitienkurse. Man muß den Glauben eines jeden Christen nähren durch die liebevolle Kenntnis des Wortes Gottes, verbunden mit einer Haltung großherziger Offenheit für das ständige Wirken des Geistes. 590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN 6. Doch vor allem möchte ich mich nun an euch, liebe junge Menschen, wenden: Christus braucht euch, um seinen Heilsplan zu verwirklichen! Christus braucht eure jugendliche Kraft und eure hochherzige Begeisterung für die Verkündigung des Evangeliums! Antwortet auf diesen Appell, indem ihr euer Leben Ihm und den Brüdern und Schwestern schenkt. Vertraut euch Christus an, und Er wird Eure Wünsche und Pläne nicht enttäuschen, sondern sie mit Sinn und Freude erfüllen. Er hat ja gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Öffnet Christus voll Vertrauen euer Herz! Laßt es zu, daß seine Gegenwart in euch immer mehr wächst durch das tägliche und anbetende Hinhören auf die Heiligen Schriften, die das Buch des Lebens und der erfüllten Berufungen sind. 7. Geliebte Brüder und Schwestern! Am Ende meiner diesjährigen Botschaft möchte ich alle Gläubigen einladen, vereint mit mir Gebete ohne Unterlaß im Namen dessen zu erheben, der bei Gott alles vermag (vgl. Joh 3,35). Er, der das lebendige Wort des Vaters und unser Anwalt ist, möge für uns eintreten, damit der Kirche viele und heilige Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben geschenkt werden. Heiliger und fürsorglicher Vater, Du bist der Herr des Weinbergs und der Ernte, und Du gibst jedem zu seiner Arbeit den gerechten Lohn. In Deinem liebevollen Plan rufst Du die Menschen, mit Dir zusammenzuarbeiten für das Heil der Welt. Wir danken Dir für Jesus Christus, Dein lebendiges Wort, das uns erlöst hat von unseren Sünden und unter uns da ist, um uns in unserer Armut und Schwäche zu Hilfe zu eilen. Leite die Herde, der Du den Besitz des Himmelreiches versprochen hast. Sende neue Arbeiter in Deine Ernte und pflanze in die Herzen der Hirten Treue zu Deinem Heilsplan, Ausdauer in der Berufung und Heiligkeit des Lebens ein. Jesus Christus, der Du an den Ufern des Sees von Galiläa die Apostel berufen und sie zum Fundament der Kirche und zu Trägem Deines Evangeliums gemacht hast, erhalte Dein Volk, das in diesen Tagen der Geschichte unterwegs ist. Schenke denen, die Du rufst, Mut, Dir auf dem Weg des Priestertums und des geweihten Lebens zu folgen, damit sie das Ackerfeld Gottes fruchtbar machen durch die Weisheit Deines Wortes. Mach sie zu gelehrigen Werkzeugen Deiner Liebe im täglichen Dienst an den Schwestern und Brüdern. Geist der Heiligkeit, der Du Deine Gaben ausgießest über allen Gläubigen, besonders aber über denen, die zu Dienern Christi berufen sind, hilf den jungen Menschen, das Faszinierende des göttlichen Rufes zu entdecken. Lehre sie den unverfälschten Weg des Gebetes, das sich am Worte Gottes nährt. Hilf ihnen, die Zeichen der Zeiten zu durchforschen, damit sie treue Ausdeuter des Evangeliums und Vermittler des Heils seien. 591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria, du Jungfrau des Hörens und des Wortes, das in Deinem Schoß Fleisch geworden ist, hilf uns, für das Wort des Herrn verfügbar zu sein, damit es angenommen und meditiert werde und so in unseren Herzen wachse. Hilf uns, so wie du die Glückseligkeit der Glaubenden zu erfahren und uns mit unermüdlicher Liebe der Verkündigung des Evangeliums an jene zu widmen, die nach deinem Sohne suchen. Gib, daß wir jedem Menschen dienen, und laß uns wirken gemäß dem gehörten Wort, damit wir in Treue zu ihm unser Glück darin finden, es in die Tat umzusetzen. Amen! Den Verantwortlichen und allen Förderern und Mitarbeitern in der Berufungspastoral, den jungen Männern und Mädchen, die auf der Suche sind nach dem, was Gottes Wille für sie ist, und allen, die zu einem Leben der besonderen Weihe berufen sind, erteile ich von ganzem Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 28. Oktober 1996, dem Fest der Apostel Simon und Judas Taddäus Joannes Paulus PP. II Berufung zum Dienst an der Herde Christi Predigt bei der Weihe von Neupriestem der Diözese Rom am 20. April 1. „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11). Heute, am vierten Sonntag der Osterzeit, dem „Sonntag des Guten Hirten“, kann ich zu meiner Freude in dieser Basilika 31 Diakone, die in den Seminaren der Diözese Rom ihre Ausbildung erhalten haben, zu Priestern weihen. Es handelt sich um eine schöne Gepflogenheit, die sich gut in den liturgisch-spirituellen Rahmen dieses Tages einfügt, der dem Gebet um geistliche Berufe gewidmet ist. Während ich dem Herrn für das Geschenk des Priestertums danke, möchte ich nun gemeinsam mit euch, liebe Brüder und Schwestern, eine Betrachtung zu den Worten Christi über den Guten Hirten anstellen. „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (ebd.). Wie sollte man in diesen Worten nicht implizit einen Hinweis auf das Geheimnis des Todes und der Auferstehung des Herrn erkennen? „... weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen“ {Joh 10,17-18). Christus hat sich aus freien Stücken am Kreuz hingegeben und ist kraft seiner göttlichen Macht auferstanden. Das Gleichnis vom guten Hirten hat also einen stark österlichen Charakter, weshalb es die Kirche für uns zur Reflexion während der Osterzeit bestimmt. 592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne“ (Joh 10,14-15). Dem Geheimnis der ewigen Kenntnis von Gott, der Vertraulichkeit der trinitarischen Liebe entspringen das Priestertum und die pastorale Sendung Christi, der versichert: „Ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich fuhren, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten“ (Joh 10,15-16). Die pastorale Sendung Christi ist eine universale Sendung, die sich nicht auf die Söhne und Töchter Israels beschränkt, sondern durch das Opfer am Kreuz alle Menschen und alle Völker umfängt. 2. Wenn wir diese Seite des Evangeliums aufmerksam lesen, entdecken wir, daß sie eine eindrucksvolle Synthese der Theologie des Priestertums Christi und des Amtspriestertums darstellt, für dessen Empfang ihr, liebe Diakone, nun bereit seid. Ihr seid wie der Gute Hirte berufen, das Leben hinzugeben und das Christenvolk zum Heil zu führen. Ihr müßt Christus nachahmen, indem ihr zu seinen mutigen Zeugen, zu unermüdlichen Dienern seines Evangeliums werdet. Liebe Weihekandidaten, ich grüße euch herzlich. Ich grüße alle, die euch auf dem Ausbildungsweg in den verschiedenen Priesterseminaren Roms geleitet haben. Ich grüße eure Familien und die christlichen Gemeinden, in denen eure Berufung zu keimen begonnen hat, sowie auch eure Freunde, die heute mit euch die Freude eurer Priesterweihe teilen. Der Priesterberuf ist Berufüng zum pastoralen Dienstamt, das heißt zum Dienst an der Herde Christi; ein Dienst, den ihr jetzt in der Diözese Rom und in anderen Teilkirchen antretet. Die christliche Gemeinschaft betet heute für euch, auf daß der „erhabene Hirt seiner Schafe“ (vgl. Hebr 13,20) euch jene vollkommene Liebe einflöße, die für die Hirten der Kirche unerläßlich ist. Was wir im Evangelium bezüglich Christus, den guten Hirten, gehört haben, wird in diesem Augenblick zur einstimmigen Anrufung an den himmlischen Vater, damit er euch mit der Liebe und selbstlosen Hingabe Christi erfülle. „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). 3. Liebe Diakone, diese Worte sollt ihr bei jeder Aufgabe und jeder Gelegenheit eures Priesterlebens in gelebte Erfahrung umsetzen. Aus ihnen sollt ihr das Licht und die Kraft schöpfen, die ihr für euer pastorales Dienstamt unbedingt benötigt. Es begleitet euch das Gebet der Christengemeinde, das in diesem Gottesdienst von besonderer Eindringlichkeit ist. Dieses Gebet vereinigt sich mit eurer flehentlichen, vertrauensvollen Bitte, die in dem ergreifenden Ritus der Prostration, d. h. des Sichhinstreckens am Boden, während des Gesanges der Allerheiligenlitanei Ausdruck findet. Die Kirche erbittet für euch nicht nur die Gnade des Weihesakramentes, sondern auch die Heiligung, damit ihr eurerseits die anderen heiligen könnt. Dies ist ein ganz entscheidender Augenblick eurer Existenz, der sich euch, wie jedem Priester, für immer in Geist und Herz einprägen soll. 593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch ich erinnere mich lebhaft und tiefbewegt an dieses großartige Bittgebet, das dem Höhepunkt der Weihe vorausgeht, wo der Bischof dem Weihekandidaten die Hände auflegt, das Weihegebet spricht und ihm durch diese uralte, auf die Apostel zurückgehende liturgische Handlung die sakramentale Macht des Priestertums überträgt und ihn damit in das „Presbyterium“ der Kirche einfiihrt. Begleitet wird dieses feierliche Geschehen vom Gesang des „Veni creator“, mit dem der Heilige Geist, der Herr ist und das Leben gibt, angerufen wird, damit er komme und durch sein Licht und seine Kraft alles verwandle, was wir in unserer menschlichen Schwachheit vollbringen. „Veni creator Spiritus,/ Mentes tuorum visita,/ Imple su-pema gratia,/ Quae tu creasti pectora.“ „Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein, / besuch das Herz der Kinder dein: / Die deine Macht erschaffen hat, / erfülle nun mit deiner Gnad.“ 4. „Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn“ (Ps 117/118,26). Durch die Worte des kurz vorher gesungenen Antwortpsalms weist uns die Liturgie des heutigen Sonntags eindringlich auf das Geheimnis des auferstandenen Christus hin. Dieser Psalm ist ein Hymnus der Danksagung; wir loben Gott und danken ihm, denn er ist gütig; seine Huld währt ewig (vgl. ebd., 26,1). Wir danken ihm, daß er unsere Bitten erhört hat und zu unserem Retter geworden ist (vgl. ebd., 26,21). Wir preisen ihn vor allem wegen Christus, der durch seinen Tod und seine Auferstehung zum Eckstein des göttlichen Hauses geworden ist (vgl. ebd., 26,22). Auf ihm ist die Kirche erbaut, und auf ihn gründet sich das königliche Priestertum jedes Getauften und noch mehr das Amtspriestertum der Priester. Die Worte dieses Psalms führen uns in das Geheimnis der Eucharistie ein, das von dieser Stunde an alle Tage eures Lebens eure besondere Speise und euer geistliches Geschenk sein wird. „Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn!“ Diese Anrufung wiederholen wir alle, Bischöfe und Priester, wenn wir das heilige Opfer feiern, beim „Sanctus“ und unmittelbar vor der Konsekration. So nehmen wir Christus, der täglich auf dem Altar gegenwärtig wird, auf, wie er am Palmsonntag in Jerusalem Einzug gehalten hat, um das Opfer der Erlösung darzubringen. Wenn wir in seinem Namen, „in persona Christi Capitis“, die von ihm beim Abendmahl gesprochenen Worte der Konsekration verkünden, ist es immer derselbe Christus, der durch unseren Dienst das Kreuzesopfer gegenwärtig macht. „Sacerdos alter Christus!“ Diener des Altars, Priester Christi, denke daran, welch tiefes Geheimnis zu einem Teil deiner selbst und zu deinem Erbe wird! Mit welch großer Huld du beschenkt worden bist! Bitte Gott um die Fähigkeit, auf seine unendliche Liebe mit vollkommener Liebe zu antworten! Die Jungfrau Maria, die sich unter dem Kreuz dem Opfer des Sohnes angeschlossen hat und uns von ihm als Mutter geschenkt worden ist, stehe dir bei und behüte dich mit ihrer Fürsprache, damit du inmitten deiner Brüder das getreue Abbild des Guten Hirten sein kannst. Amen! 594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hemmungslose Ausbeutung von Mensch und Natur -Gefährdung einer demokratischen Grundordnung Ansprache bei der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften am 25. April Herr Präsident! Meine Damen und Herren, liebe Mitglieder der Akademie! 1. Ich freue mich über die Begegnung mit Ihnen anläßlich der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, die einer Reflexion über das Thema ,Arbeit“ gewidmet war, das bereits im vergangenen Jahr angesprochen worden war. Die Wahl dieses Themas ist wegen seiner Aktualität besonders angebracht. Denn die menschliche Arbeit ist „ein Schlüssel und wohl der wesentliche Schlüssel in der gesamten sozialen Frage“ (Laborem exercens, Nr. 3). Die wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen, die wir zur Zeit erleben, haben zur Folge, daß das Thema , Arbeit“ immer komplexer wird und ernste Auswirkungen für die Menschen hat, da es in zahlreichen Familien und bei vielen, besonders jungen Menschen, Ängste und Hoffnungen auslöst. Ich danke Ihrem Präsidenten, Herrn Professor Edmond Malinvaud, für seine freundlichen Worte und für seine Verfügbarkeit, die er in der noch jungen Päpstlichen Akademie unter Beweis stellt. Ihnen allen spreche ich erneut meinen Dank dafür aus, daß Sie in dieser Institution Ihre fachlichen Kompetenzen so großzügig nicht nur in den Dienst der Wissenschaft, sondern auch der Soziallehre der Kirche stellen (vgl. Statuten, Art. 1). 2. In der Tat ist der Dienst, den das kirchliche Lehramt auf diesem Gebiet zu leisten hat, heutzutage anspruchsvoller geworden, denn es muß sich jeweils der Situation einer Welt stellen, die sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit verändert. Sicher, die Soziallehre der Kirche, soweit die von ihr vertretenen Grundsätze auf dem Naturgesetz und auf dem Wort Gottes beruhen, ändert sich nicht mit den jeweiligen geschichtlichen Umwälzungen. Doch diese Grundsätze können, besonders was ihre konkrete Anwendung betrifft, immer wieder neu geklärt und präzisiert werden. Und wie die Geschichte zeigt, wird das corpus der Soziallehre dauernd durch neue Gesichtspunkte im Zusammenhang mit den kulturellen und sozialen Entwicklungen bereichert. Mit Blick auf den 30. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Populorum progressio, mit der Papst Paul VI. am 26. März 1967 auf Grund des Konzils und in Fortsetzung des von Papst Johannes XXIII. eingeschlagenen Weges vorschlägt, die soziale Frage scharfsinnig und neu, das heißt in ihrer weltweiten Dimension, zu überdenken, möchte ich die grundsätzliche Kontinuität und dynamische Eigenart des Lehramtes auf sozialem Gebiet hervorheben. Sollte man sich etwa nicht an den prophetischen Aufschrei dieses 595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Papstes erinnern, als er sich zur Stimme derer, die keine Stimme haben, zur Stimme der am meisten benachteiligten Völker machte? Paul VI. . wollte so die Gewissen wachrütteln, indem er das Ziel, das es zu erreichen galt, aufzeigte: die umfassende Entwicklung durch Förderung „des ganzen Menschen und der ganzen Menschheit“ (vgl. Populorum progressio, Nr. 14). Anläßlich des 20. Jahrestages dieses Dokumentes habe ich die Enzyklika Sollicitudo rei socialis veröffentlicht, wo ich das Thema „Solidarität“ wieder aufgegriffen und vertieft habe. Im Laufe dieser letzten zehn Jahre haben zahlreiche politisch-soziale Ereignisse, besonders der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme, das Gesicht der Welt beträchtlich verändert. Angesichts des immer schneller vor sich gehenden Wandels im sozialen Bereich empfiehlt es sich heute, ständig Untersuchungen und Bewertungen vorzunehmen. Und genau diese Rolle hat Ihre Akademie, die in den drei Jahren ihres Bestehens bereits Beiträge geleistet hat, die sich sehen lassen können; besonders vielversprechend ist ihr Vorstoß für die Zukunft. 3. Unter Ihren aktuellen Forschungsarbeiten ist die gründliche Untersuchung der Frage „Recht auf Arbeit“ von großem Interesse, besonders wenn man die aktuelle Tendenz der „Deregulierung des Marktes“ berücksichtigt. Es handelt sich um ein Thema, zu dem sich das Lehramt wiederholt geäußert hat. Ich selbst habe Sie voriges Jahr an das moralische Prinzip erinnert, wonach die von hartem Konkurrenzkampf bestimmten Anforderungen des Marktes „nicht dem grundsätzlichen Recht des Menschen auf eine Arbeit, die es ihm ermöglicht, mit seiner Familie zu leben, im Weg stehen“ dürfen {Ansprache vom 22. März 1996, Nr. 3). Wenn ich heute dieses Thema wieder aufhehme, möchte ich unterstreichen, daß die Kirche mit der Formulierung dieses Prinzips keineswegs eine Verurteilung der Liberalisierung des Marktes an sich beabsichtigt. Sie fordert aber, daß die Planung und Umsetzung dieser Liberalisierung unter Achtung des Vorranges des Menschen erfolgt, dem die Wirtschaftssysteme unterzuordnen sind. Die Geschichte bietet ausgiebig Beispiele für den Sturz von Regimen, deren Planwirtschaft gegen die bürgerlichen und wirtschaftlichen Freiheiten verstößt. Aber das macht diametral entgegengesetzte Modelle deshalb nicht glaubwürdiger. Denn leider zeigt die Erfahrung, daß eine Marktwirtschaft, die bedingungsloser Freiheit überlassen bleibt, den Menschen und der Gesellschaft keineswegs möglichst viele Vorteile einbringt. Zwar scheint der erstaunliche Wirtschaftsaufschwung mancher erst vor kurzem industrialisierter Länder zu bestätigen, daß der Markt selbst in armen Regionen Reichtum und Wohlstand hervorbringen kann. Weitet man den Blick aber aus, kann man den hohen menschlichen Preis, den eine solche Entwicklung gekostet hat, nicht übersehen. Vergessen werden darf vor allem nicht der fortdauernde Skandal der schwerwiegenden sozialen Ungleichheit zwischen den verschiedenen Nationen und zwischen den Menschen und Gruppen eines jeden Landes, wie Sie bei Ihrer ersten Vollversammlung hervorgehoben haben (vgl. The study of the tension bet-ween human equality and social inequalities from the perspective of the various social Sciences, Vatikanstadt 1996). 596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Es gibt noch zu viele Arme überall auf der Welt, die keinen Zugang auch nur zum geringsten Quentchen des üppigen Reichtums einer Minderheit haben. Im Rahmen der „Globalisierung“ der Wirtschaft - man spricht auch von „Weltwirtschaft“ (vgl. Centesimus annus, Nr. 58) - vermehrt der erleichterte Transfer von Ressourcen und Produktionssystemen, der auf Grund eines rücksichtslosen Wettbewerbs und mit dem alleinigen Kriterium des größtmöglichen Gewinnes erfolgt, zwar in bestimmten Regionen die Möglichkeiten von Arbeit und Wohlstand, beläßt aber gleichzeitig andere, weniger begünstigte Regionen im Abseits und kann in den traditionellen Industrieländern zu einer Verschärfung der Arbeitslosigkeit führen. Die „globalisierte“ Organisierung der Arbeit, die die extreme Armut der Bewohner von Entwicklungsländern ausnützt, hat oft schwerwiegende Fälle von Ausbeutung zur Folge, die eine Verhöhnung des elementarsten Anspruchs auf menschliche Würde darstellen. Angesichts solcher Tendenzen ist es wichtig, daß die politischen Maßnahmen durch Anwendung des Prinzips der Subsidiarität und Solidarität nach dem Modell des Sozialstaates eine Ausgewogenheit des Marktes in seiner klassischen Gestalt sicherstellen. Wenn dieser Sozialstaat auf maßvolle Weise funktioniert, wird er auch ein überzogenes Wohlfahrtssystem vermeiden, das mehr Probleme erzeugt, als es löst. Unter dieser Voraussetzung ist er eine Bekundung authentischer Zivilisation, ein unverzichtbares Instrument für die Verteidigung der am stärksten benachteiligten Klassen der Gesellschaft, die von der übermäßigen Macht des „Weltmarktes“ oft geradezu erdrückt werden. In der Tat nützt man heute die neuen Technologien, die die Möglichkeit zu Produktion und nahezu unbegrenztem Austausch in allen Teilen der Welt bieten, dazu aus, um unqualifizierte Arbeiter abzubauen und ihnen große Belastungen aufzuerlegen, während man nach dem Ende der politischen „Blöcke“ und dem allmählichen Verschwinden der Grenzen auf ein neues Reservoir an schlecht bezahlten Arbeitern zählen kann. 5. Wie könnte man im übrigen die Gefahren dieser Situation, nicht nur in bezug auf die Forderungen der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch im Zusammenhang mit den weiterreichenden Zivilisationsaussichten unterschätzen? An sich kann ein ausgewogen organisierter Weltmarkt und eine gute Regulierung mit dem Wohlstand auch die Entwicklung der Kultur, der Demokratie, der Solidarität und des Friedens mit sich bringen. Aber ganz andere Auswirkungen muß man sich von einem unzivilisierten, rücksichtslosen Markt erwarten, dessen Aufschwung unter dem Vorwand der Wettbewerbsfähigkeit auf der hemmungslosen Ausbeutung des Menschen und der Umwelt beruht. Dieses ethisch inakzeptable Marktmodell muß, wenigstens langfristig, verheerende Folgen haben. Es zielt darauf ab, die Kulturen und die lebendigen Traditionen der Völker gewöhnlich nur im materialistischen Sinn anzuerkennen; es merzt die grundlegenden, gemeinsamen sittlichen und kulturellen Werte aus; es birgt die Gefahr, eine große Leere an menschlichen Werten, „einen anthropologischen Leerraum“, zu erzeugen, und gefährdet obendrein auf höchstgefährliche Weise das ökologische Gleichgewicht. Müssen wir da nicht 597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einen Ausbrach rechtswidriger und gewalttätiger Verhaltensweisen befurchten, der heftige Spannungen im Sozialkörper auslösen würde? Die Freiheit selbst wäre bedroht, und sogar der Markt, der vom Fehlen von Behinderungen profitiert hatte. Wenn man es recht bedenkt, ist die Realität der „Globalisierung“ ausgewogen betrachtet sowohl in ihren positiven Möglichkeiten wie in dem, was sie befürchten läßt, der Appell, eine Harmonisierung zwischen den „Forderungen der Wirtschaft“ und den Forderungen der Ethik nicht länger hinauszuschieben. 6. Indessen muß zugegeben werden, daß im Rahmen einer „weltweiten“ Wirtschaft die sittliche und rechtliche Steuerung des Marktes tatsächlich sehr schwierig ist. Um zu einem wirksamen Ergebnis zu gelangen, reichen in der Tat die internen politischen Initiativen der einzelnen Länder nicht aus; es braucht vielmehr ein „Übereinkommen zwischen den großen Ländern“ und die Festigung einer weltweiten demokratischen Ordnung mit den internationalen Organen, wo „die Interessen der großen Menschheitsfamilie gerecht vertreten werden müssen“ ('Centesimus annus, Nr. 58). An internationalen Organen auf Regional oder Weltebene fehlt es nicht. Ich denke insbesondere an die Organisation der Vereinten Nationen und an ihre verschiedenen sozialen Unterorganisationen. Ich denke auch an die Rolle, die Einrichtungen wie der Internationale Währungsfonds und die Welthandelsorganisation spielen. Es ist dringend geboten, daß sich auf dem Boden der Freiheit eine Kultur der „Regeln“ durchsetzt, die sich nicht auf die Förderung funktionierender Handelsbeziehungen beschränkt, sondern sich auf Grand zuverlässiger Rechtsmittel für den Schutz der Menschenrechte in allen Teilen der Welt einsetzt. Je „globaler“ der Markt ist, um so mehr muß er von einer „globalen“ Kultur der Solidarität, die sorgfältig auf die Bedürfnisse der Schwächsten achtet, im Gleichgewicht gehalten werden. Durch das Wiederauftauchen von Egoismen einzelner Nationen oder Gruppen sowie, tieferliegend, durch einen weitverbreiteten ethischen und kulturellen Relativismus, der die Wahrnehmung der Bedeutung des Menschen selbst bedroht, ist diese Bezugnahme auf die Werte heute trotz der großen Grundsatzerklärungen leider zunehmend gefährdet. 7. Aber genau das ist — und die Kirche wird nicht müde werden, darauf hinzuweisen! - der gordische Knoten, den es durchzuschneiden gilt, der entscheidende Bezugspunkt für die wirtschaftlichen und politischen Perspektiven bei der Formulierung ihrer Grundlagen und der Möglichkeit ihres Zusammenspiels. Mit Recht haben Sie daher zugleich mit den Problemen der Arbeit auch jene der Demokratie auf Ihre Tagesordnung gesetzt. Die beiden Problemstellungen hängen aufs engste zusammen. Denn Demokratie ist nur „auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich“ (Centesimus annus, Nr. 46), was voraussetzt, daß jedem Menschen das Recht auf aktive Beteiligung am öffentlichen Leben zur Verwirklichung des Gemeinwohls eingeräumt wird. Wie aber kann man jemandem die Beteiligung am demokratischen Leben garantieren, dem es am Nötigsten fehlt, weil er ohne jeden wirtschaftlichen Schutz ist? Wenn selbst das Recht auf Leben, 598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, nicht voll und ganz als ein absolut unantastbares Recht anerkannt wird, entartet die Demokratie von innen heraus, und die formellen Regeln von Beteiligung und Mitverantwortung werden zu einem Alibi, um den Machtmißbrauch der Starken gegenüber den Schwachen zu verschleiern (vgl. Evangelium vitae, Nm. 20, 70). 8. Meine Damen und Herren, hebe Mitglieder der Akademie, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Überlegungen, die Sie zu diesen wichtigen Themen angestellt haben. Es geht nicht nur um ein immer zutreffenderes Zeugnis der Kirche, sondern um den Aufbau einer Gesellschaft, die voll und ganz die Würde des Menschen achtet, der niemals als Objekt oder Ware angesehen werden darf, weil er das Bild Gottes in sich trägt. Wir stehen vor immensen Problemen, doch die kommenden Generationen werden von uns Rechenschaft darüber verlangen, wie wir unsere Verantwortung wahrgenommen haben. Mehr noch, wir müssen vor dem Herrn der Geschichte Rechenschaft darüber geben. Die Kirche zählt also sehr auf Ihre Arbeit, die von wissenschaftlicher Strenge geprägt ist, sich an das Lehramt hält und zugleich offen ist für den Dialog mit den vielfältigen Richtungen der heutigen Kultur. Ich rufe auf einen jeden von Ihnen die Fülle des Segens Gottes herab. Das Gebet um Berufungen bleibt unverzichtbar Botschaft an die Teilnehmer des Europäischen Kongresses über die Berufungen vom 29. April Liebe Teilnehmer des Europäischen Kongresses über die Berufungen! 1. Es ist mir eine Freude, meinen Gruß und meine besten Wünsche an euch zu richten zum Auftakt der Arbeiten über das anspruchsvolle Thema: „Neue Berufungen für ein neues Europa.“ Diesem Kongreß ging eine sorgfältige Vorbereitung voraus, an der viele in der Berufungspastoral Tätige teilgenommen haben. Der Kongreß stellt ein wichtiges Hoffnungszeichen für die Kirchen des europäischen Kontinents dar, und nach der Vorsehung ergießt er sich in den großen Strom von Glaubenserfahrungen, die Europa an seine christlichen Wurzeln und die Kirchen an den Auftrag erinnern, Jesus Christus den Generationen des dritten Jahrtausends zu verkünden. Diese vorgesehene Initiative hat das Ziel, die Aufmerksamkeit auf die Berufungspastoral zu lenken. In der Tat wird darin ein Kernproblem für die Zukunft des christlichen Glaubens - und in Abhängigkeit davon für den geistlichen Fortschritt der europäischen Völker selbst — erkannt. Es handelt sich dabei nicht um einen Teil oder Randaspekt kirchlicher Erfahrung, sondern gerade um das Glaubenserlebnis an Jesus Christus als das einzige Vorhaben, das in der Lage ist, dem tiefsten Streben des menschlichen Herzens vollkommen gerecht zu werden. 599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Das Leben hat grundsätzlich eine Berufungsstruktur. Der Plan, der es betrifft, hat nämlich seine Wurzeln im Kern des Gottesgeheimnisses: „Denn in ihm - in Christus - hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). Das ganze Dasein des Menschen ist also eine Antwort an Gott, der seine Liebe vor allem in bestimmten Momenten fühlbar macht: das Ins-Leben-Gerufen-Sein; der Eintritt in die Gnadengemeinschaft seiner Kirche; die Einladung, in der kirchlichen Gemeinschaft ein eigenes Zeugnis abzulegen für Christus nach einem ganz persönlichen und unwiederholbaren Plan; die Einberufung zur endgültigen Gemeinschaft mit Ihm in der Stunde des Todes. Es besteht deshalb kein Zweifel, daß das Engagement der kirchlichen Gemeinschaft für die Berufüngspastoral eines der ernstesten und dringendsten ist. Jedem Getauften muß nämlich geholfen werden, den Anruf zu vernehmen, der im göttlichen Heilsplan an ihn gerichtet ist, und sich für diesen bereit zu zeigen. So wird es für den, der Empfänger einer besonderen Berufüng im Dienst für das Reich Gottes ist, einfacher sein, deren Wert zu erkennen und sie großherzig anzunehmen. Es geht in der Tat nicht darum, die Menschen zu erziehen, etwas zu tun, sondern darum, dem eigenen Dasein eine radikale Ausrichtung zu geben und Entscheidungen zu treffen, die die eigene Zukunft für immer verändern. 3. In dieser Hinsicht stellt dieser Kongreß über die Berufungen zum Priesteramt und zum Geweihten Leben in Europa einen Glaubensakt an das wirksame und beständige Handeln Gottes dar; einen Akt der Hoffnung für die Zukunft der Kirche in Europa; eine Geste der Liebe für das Gottesvolk auf dem „alten Kontinent“. Denn dieses Volk braucht Menschen, die sich ganz der Verkündigung des Evangeliums und dem Dienst an ihren Brüdern widmen. Ihr habt euch vorgenommen, die geeigneten Strategien auszumachen, um jenen, die der Herr für diesen totalen Einsatz auswählt, zu helfen, den ihnen geltenden Anruf wahrzunehmen und ihr vorbehaltloses „Ja“ zu sprechen. Eure Aufmerksamkeit ist vor allem auf die Jugendlichen gerichtet, damit sie erkennen, die Aufforderung des Meisters zu seiner Nachfolge anzunehmen. Er schaut auf sie mit seinem durchdringenden Blick, von dem das Markusevangelium spricht (vgl. Mk 10,21): ein herausrufender Blick, erfüllt von dem Geheimnis des Lichtes und der Liebe, das jedes menschliche Wesen vom ersten Augenblick seines Dasein an umgibt und begleitet. Die Probleme, die heutzutage die Zustimmung zum Angebot Christi erschweren, sind uns allen wohlbekannt, darunter: das Konsumdenken, eine hedonistische Lebensanschauung, eine Kultur der Oberflächlichkeit, ein übertriebener Subjektivismus, die Angst vor endgültigen Entscheidungen, ein weitverbreiteter Mangel an Planungsfahigkeit. Wie der reiche junge Mann, vom dem das Evangelium erzählt (vgl. Mk 10,22), so spüren auch heute nicht wenige Jugendliche starke innere und äußere Widerstände angesichts des Anrufs Christi, und nicht selten ziehen sie sich traurig zurück und 600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geben den Einengungen nach, die sie bremsen. Die Traurigkeit, die sich auf dem Angesicht des reichen Jünglings zeigt, ist das wiederkehrende Risiko dessen, der sich nicht für ein „Ja“ zur Berufung entscheiden kann; und die Traurigkeit ist nur die Fassade eines Mangels an Werten, der sich in der Tiefe des Herzens findet und nicht selten den Betroffenen dazu fuhrt, den Weg der Entfremdung, der Gewalt und des Nihilismus einzuschlagen. Der Kongreß darf sich allerdings nicht darauf beschränken, die offensichtlichen Probleme, die die Welt der Jugendlichen kennzeichnen, zu untersuchen. Er hat vor allem die Aufgabe, den christlichen Gemeinschaften die natürlichen Kraftquellen, Erwartungen und Werte der neuen Generationen aufzuzeigen und gleichzeitig konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie auf der Grundlage dieser Voraussetzungen ein ernsthafter und am Evangelium orientierter Lebensplan erarbeitet werden kann. Wer die jungen Leute liebt, darf sie nicht dieser neuen und begeisternden Lebensmöglichkeit berauben, zu der Christus den Menschen auffuft im Hinblick auf eine vollkommenere Entfaltung des eigenen Leistungsvermögens als Voraussetzung für eine innerliche und dauerhafte Freude. Es muß also alles getan werden, um die Jugendlichen dazu zu bringen, Christus in den Mittelpunkt ihres Su-chens zu stellen und seinem etwaigen Aufruf gehorsam zu folgen. 4. Eine große Erhellung für euren Kongreß kann von den Worten des Apostels herkommen, die die theologische Satzung jeder kirchlichen Gemeinschaft darlegen: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (7 Kor 12,4-6). In dieser Perspektive müssen sich die Ortskirchen einsetzen, um die Entwicklung der Gaben und Charismen zu unterstützen, die der Herr unaufhörlich in seinem Volk weckt. Neue Berufungen im Heiligen Geist zu erwirken, ist dann möglich, wenn die christliche Gemeinde lebendig und gläubig ihrem Herrn vertraut. Diese fruchtbringende Lebenskraft setzt einen starken Glaubenseifer voraus, dazu intensives und ständiges Gebet, die Achtsamkeit auf die Qualität des geistlichen Lebens, das Zeugnis der Gemeinschaft und der Achtung gegenüber den vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes und missionarischen Eifer im Dienst am Reich Gottes. Es muß darum betont werden, daß sich die Berufungspastoral nicht in gelegentlichen und außerordentlichen Maßnahmen erschöpfen kann, die neben den normalen Weg der Kirchengemeinschaft gestellt werden. Sie muß im Gegenteil zu einem beständigen Bemühen in der Pastoral jeder Ortskirche werden. In diesem Zusammenhang stellt auch das liturgische Jahr eine dauernde Glaubensschule dar, und durch sie ist jeder Getaufte eingeladen, in den Kern des Gottesgeheimnisses vorzudringen, um sich nach seinem Bild und Gleichnis formen zu lassen. 5. Wir wissen, wie dringend die seelsorgerische Fürsorge für die pädagogische Vermittlung heute geworden ist. Mehr noch: Eine Ortskirche kann nur dann ver- 601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN trauensvoll in die eigene Zukunft schauen, wenn sie fähig ist, diese erzieherische Wachsamkeit in die Tat umzusetzen, indem sie beständig für die Erzieher - und vor allem für die Priester - sorgt. Dieser Kongreß ist also eine Einladung für alle Berufenen - Priester, geweihte Männer und Frauen -, freudige Zeugen im Dienst für das Reich Gottes zu sein, wohl wissend, daß ihr Leben ein immer wichtiges Dasein an der Seite der Jugendlichen ist: Es ermutigt oder entmutigt, es weckt die Sehnsucht nach Gott oder stellt ein Hindernis auf dem Weg zu seiner Nachfolge dar. Der erste Berufungsschritt ist das Angebot eines konsequenten Zeugnisses für den auferstandenen Christus. Außerdem will dieser Kongreß das Wachstum eines echten Bildungsbewußtseins in den Erziehern selbst fördern, denn sie sind zu einer ernsthaften, begeisternden Verantwortung an der Seite der jungen Menschen berufen: Sie sollen sie bei ihrer Suche begleiten und sie zu großherzigen Antworten auf die Berufungen anregen, um in diesem Zeitabschnitt der Kirche das Wunder der Heiligkeit, das wahre Geheimnis ersehnter kirchlicher Erneuerung der Kirche, wiederzubeleben. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Vor euch liegt eine sicher nicht leichte Aufgabe, aber das inständige Gebet, das dieses Treffen der europäischen Kirchen begleitet, nährt die Hoffnung auf das Versprechen Gottes und die radikalen Antworten auf seinen Anruf: Sie sind auch in unseren Tagen möglich. Das Gebet ist jenes Geheimnis, das in der Lage ist, das Wiedererwachen des Vertrauens innerhalb der christlichen Gemeinschaften zu gewährleisten. Das Gebet ist die ständige Stütze derer, die zum Dienst für die Sache des Evangeliums gerufen sind sowie zur Förderung der Berufüngspastoral in diesen schwierigen Jahren, die allerdings schon einige deutliche Zeichen für einen neuen spirituellen Frühling an den Tag legen. Die Weissagung des Radikalismus des Evangeliums ist ein Geschenk, das der Herr seiner Kirche auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend nicht vorenthalten wird. Maria, Vorbild einer jeden Berufung und leuchtendes Beispiel für eine vorbehaltlose Antwort auf den Anruf Gottes, möge euch bei eurem seelsorgerischen Einsatz im Dienst an den „neuen Berufungen für ein neues Europa“ begleiten. Mit diesem Empfinden spende ich euch allen einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 29. April 1997 602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Liebe Gottes ist Quelle wahrer Freude Predigt während der Heiligen Messe auf dem Petersplatz zur Seligsprechung von fünf Dienern Gottes am 4. Mai 1. „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Die Liturgie dieses Sechsten Sonntags der Osterzeit lädt uns ein, im Licht des Ostergeheimnisses über das große Gebot der Liebe nachzudenken. Gerade die Meditation über das neue Gebot, Herz und Synthese der Sittenlehre Christi, führt uns in die heutige Eucharistiefeier ein, die durch die Verkündigung von fünf neuen Seligen einen besonders eindrucksvollen, festlichen Charakter hat. In der zweiten Lesung und in dem Abschnitt aus dem Evangelium wird uns die Liebe als das Testament Jesu am Vorabend seines Leidens dargestellt. „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11): So sagt Jesus zum Abschluß seiner Worte an die Apostel beim Letzten Abendmahl. Die Liebe Gottes ist also die Quelle wahrer Freude. Das ist es, was diese unsere Brüder und unsere Schwester im Glauben, die heute der Kirche als Vorbilder großmütiger Treue zum Gebot des Herrn vorgestellt werden, persönlich erfahren haben. Sie sind „selig“. In ihrem irdischen Dasein haben sie in einer ganz besonderen Weise die Gottesliebe gelebt, und gerade deshalb haben sie die von Christus verheißene Fülle der Freude genießen dürfen. Heute werden sie uns zur Verehrung vorgestellt als bevorzugte Zeugen der Liebe Gottes. Durch ihr Beispiel und durch ihre Fürsprache weisen sie den Weg zu jener vollen Glückseligkeit, die die tiefe Sehnsucht der Menschenseele ausmacht. 2. Wie wir in dem soeben gesungenen Antwortpsalm wiederholt haben, ist die ganze Welt eingeladen, sich über die großen Werke Gottes zu freuen: „Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde, freut euch, jubelt und singt!“ (Ps 98/97,4). Heute steigt aus verschiedenen Teilen der Welt, besonders von den Orten, wo die neuen Seligen gelebt und gewirkt haben, ein vollklingendes Lied des Lobes und des Dankes zu Gott empor für die Seligsprechung von Florentino Asensio Barroso, Bischof und Märtyrer; Ceferino Gimenez Malla, Märtyrer; Gaetano Catanoso, Priester und Gründer der Kongregation der Veronikaschwestem vom Heiligen Antlitz; Enrico Rebuschini, Priester aus dem Orden der Diener der Kranken (Kamillianer); und Maria Encamaciön Rosal, Ordensfrau, Neugestalterin des Instituts der Betlehemitinnen. Der Papst hatte auf italienisch begonnen und fuhr auf spanisch fort: 3. „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9). Der Bischof Florentino Asensio Barroso ist in der Liebe Christi geblieben. Wie Er setzte er sich ein für den Dienst an den Brüdern, besonders im Priesteramt, das er zuerst jahrelang in Valladolid ausübte, und dann kurze 603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeit als Bischof und Apostolischer Administrator von Barbastro, wohin er wenige Monate vor dem Beginn des beklagenswerten Bürgerkrieges von 1936 berufen wurde. Als Diener des Herrn lebte er die wahre Hirtenliebe, und darum verließ er angesichts der drohenden Gefahren nicht seine Herde, bis er nach dem Beispiel des Guten Hirten sein Leben für sie opferte. Der Bischof ist als Lehrer und Leiter seines Volkes im Glauben berufen, diesen Glauben in Worten und Werken zu bekennen. Msgr. Asensio trug seine Verantwortung als Hirte durch bis zur letzten Konsequenz, bis zum Sterben für den Glauben, den er lebte und predigte. Nachdem er demütigende, qualvolle Foltern erlitten hatte, gab er in den letzten Augenblicken seines Lebens auf die Frage eines seiner Henker, ob er wisse, was ihn erwarte, ruhig und fest die Antwort: „Ich gehe in den Himmel.“ So verkündigte er seinen unerschütterlichen Glauben an Christus, den Sieger über den Tod und Spender des ewigen Lebens. Wenn er heute zur Ehre der Altäre erhoben wird, ermutigt der sei. Florentino Asensio Barroso durch sein Beispiel den Glauben der Christen in der geliebten aragonischen Diözese und wacht über sie mit seiner Fürsprache. 4. „Ich habe euch Freunde genannt“ (vgl. Joh 15,15 ). Ebenfalls in Barbastro starb der dem Volk der Sinti und Roma angehörende Ceferino Gimenez Malla, bekannt als „El Pele“, für den Glauben, den er gelebt hatte. Sein Leben zeigt, wie Christus in den verschiedenen Völkern und Rassen gegenwärtig ist und daß alle zur Heiligkeit berufen sind, zu der man gelangt, wenn man seine Gebote beachtet und in seiner Liebe bleibt (vgl. Joh 15,11). „El Pele“, der selbst arm war, zeigte sich großmütig und liebenswürdig gegenüber den Armen, aufrichtig in seinem Handeln, stolz auf sein Volk und seine Rasse. Er war von außerordentlicher natürlicher Intelligenz und besaß die Gabe, Rat zu erteilen. Er war vor allem ein Mann von tiefem religiösem Glauben. Die häufige Teilnahme an der hl. Messe, die Verehrung der Jungfrau Maria im Rosenkranzgebet, die Zugehörigkeit zu verschiedenen katholischen Vereinigungen halfen ihm, Gott und den Nächsten standhaft zu lieben. So trug er auch keine Bedenken, sein Leben aufs Spiel zu setzen zur Verteidigung eines Priesters, der verhaftet werden sollte. Dafür sperrte man ihn selbst ins Gefängnis, wo er nun nie mehr vom Gebet abließ. Schließlich wurde er, während er den Rosenkranz fest in seinen Händen hielt, erschossen. Der sei. Ceferino Gimenez Malla verstand es, Eintracht und Solidarität unter den Seinen zu verbreiten und in Konflikten, die manchmal die Beziehungen zwischen den katalonischen Bauern und den Roma gefährden, zu vermitteln. So zeigte er, daß die Liebe keine Rassen- oder Kulturgrenzen kennt. Heute tritt „El Pele“ beim gemeinsamen Vater für alle ein, und die Kirche stellt ihn als Vorbild zum Nachfolgen und als bedeutsamen Beweis für die allgemeine Berufung zur Heiligkeit vor, besonders den Sinti und Roma, die durch kulturelle und ethnische Bande eng mit ihm verbunden sind. 604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst sagte wieder auf italienisch: 5. Pater Gaetano Catanoso ist Christus auf dem Kreuzweg nachgefolgt und ist mit ihm zum Sühneopfer für die Sünden geworden. Oft hat er gesagt, er wolle Simon von Zyrene sein, der Christus das Kreuz tragen hilft, das Kreuz, das schwerer lastet durch die Sünden als durch das materielle Gewicht des Holzes. Als wahres Bild des Guten Hirten opferte er sich unermüdlich auf für das Wohl der ihm vom Herrn anvertrauten Herde: sowohl im Pfarrleben wie in der Sorge für die Waisen und die Kranken, im geistlichen Beistand für die Seminaristen und jungen Priester wie auch bei der Förderung der von ihm gegründeten Gemeinschaft der Veronikaschwestem vom Heiligen Antlitz. Er pflegte und verbreitete eine tiefe Andacht zum blutüberströmten, entstellten Antlitz Christi, dessen Spiegelbild er in den Zügen eines jeden leidenden Menschen erblickte. Alle, die ihm begegneten, nahmen in seiner Person den Wohlgeruch Christi wahr. Darum nannten sie ihn gern „Padre“ - Vater -, und sie spürten, daß er das wirklich war, denn er war ein vielsagendes Zeichen der Vaterschaft Gottes. 6. Auch der sei. Enrico Rebuschini ist sein Leben lang entschieden den Weg zu jener „Vollkommenheit der Liebe“ gegangen, die im Wortgottesdienst des heutigen Sonntags das beherrschende Thema ist. In den Fußspuren des Gründers, des hl. Kamillus de Lellis, hat er die barmherzige Liebe bezeugt und sie in allen Arbeitsbereichen, in denen er tätig war, geübt. Sein fester Vorsatz, „sein Leben zu verzehren, um Gott dem Nächsten zu schenken, in welchem er das Antlitz des Herrn selbst erblickte“, gab ihm den Antrieb zu einem beschwerlichen asketischen und mystischen Weg, gekennzeichnet von einem intensiven Gebetsleben, einer außerordentlichen Liebe zur Eucharistie sowie unaufhörlicher Hingabe zugunsten der Kranken und Leidenden. Er ist ein sicherer Anhaltspunkt sowohl für die Regularkleriker Diener der Kranken als auch für die christliche Gemeinde von Cremona. Sein Beispiel ist für alle Gläubigen eine dringende Einladung, den an Körper und Geist Leidenden und Kranken Aufmerksamkeit zu widmen. ... und nochmals auf spanisch: 7. „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Mutter Maria Encamaciön Rosal, die erste seliggesprochene Guatemaltekin, war auserwählt, das Charisma des sei. Pedro de San Jose Betancourt, Gründer des Ordens der Betlehemiten, des ersten lateinamerikanischen Ordens, fortzusetzen. Seine Frucht besteht heute weiter in den Betlehemitinnen, die zusammen mit allen Mitgliedern der großen Familie der Laienvereinigung daran arbeiten, ihr Evangelisierungs-Charisma zum Dienst der Kirche in die Praxis umzusetzen. 605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie war eine standhafte, beharrliche und vor allem von Liebe beseelte Frau. Ihr Leben war Treue zu Christus, mit dem sie durch das Gebet und die Spiritualität von Belen vertraut war. Das brachte ihr viele Opfer und Unannehmlichkeiten ein. Sie mußte von einem Ort zum andern wandern, um ihr Werk zu sichern. Es machte ihr nichts aus, auf vieles verzichten zu müssen, um nur das Wesentliche zu retten, und sie sagte: „Möge alles verlorengehen, nur die Liebe nicht.“ Von ihrer Ausbildung in der Schule von Belen an lebte sie in Wort, Liebe, Demut, Armut, großmütiger Hingabe und Kasteiung eine wunderbare Synthese von Kontemplation und Aktion, verband mit den Werken der Erziehung den Geist der Buße, Anbetung und Wiedergutmachung vor dem Herzen Jesu. Möge ihr Beispiel unter ihren Töchtern fortdauem und ihre Fürbitte das kirchliche Leben des amerikanischen Kontinents begleiten, der sich voll Hoffnung darauf vorbereitet, die Schwelle zum dritten Jahrtausend des christlichen Zeitalters zu überschreiten. Der Papst schloß auf italienisch: 8. Die Heiligkeit ist eine Berufung, die Gott an alle richtet, ohne aber jemand dazu zu zwingen. Gott erbittet und erwartet die freie Zustimmung des Menschen. Im Bereich dieser allgemeinen Berufung zur Heiligkeit wählt Christus dann für jeden eine besondere Aufgabe aus, und wenn er Zustimmung findet, sorgt er selbst dafür, daß das begonnene Werk zu Ende geführt wird und bleibende Frucht bringt. „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt ... Ihr seid meine Freunde“ (Joh 15,9.14), sagt der Herr immer wieder aufs neue, und er erwartet unsere Antwort, wie er es bei den neuen Seligen getan hat. Ihr Beispiel erinnert uns daran, daß wir alle dazu bestellt sind, jeder in verschiedener Art Frucht zu bringen nicht nur zu unserem eigenen Wohl, sondern zu dem der ganzen Gemeinschaft. Freuen wir uns heute über das Geschenk der neuen Seligen. Danken wir Gott für das, was sie vollbracht haben, und für die guten Werke, die sie bei ihrem Hinübergehen auf der Erde hinterlassen haben. Bitten wir, daß ihr Beispiel von vielen befolgt werde und daß die Zahl der Arbeiter im Weinberg des Herrn zunehme. Das Antlitz der Erde möge sich erneuern (vgl. Ps 104,30) durch die Macht des Heiligen Geistes, und in jedem Winkel der Erde erklinge das Lied der Freude, ertöne das Lied der göttlichen Liebe. Gott ist Liebe: Er hat uns zuerst geliebt. Unsere Aufgabe besteht nun darin, einander zu lieben, wie Er uns geliebt hat. Daran wird man uns als seine Jünger erkennen. Daraus ergibt sich die Verantwortung, glaubwürdige Zeugen zu sein. Die neuen Seligen waren es. Sie mögen erwirken, daß auch wir es seien, damit diese Welt, die wir lieben, in Christus den einzigen wahren Erlöser zu erkennen wisse! 606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Löscht den Geist des Gebetes und der Hingabe nicht aus! Schreiben an den Generalminister der Minderen Brüder zum Generalkapitel der Franziskaner in Assisi vom 5. Mai An den Hochwürdigsten Pater Hermann Schalück, Generalminister der Minderen Brüder 1. Anläßlich des Ordentlichen Generalkapitels, das an der vom „Poverello von Assisi“ so geliebten Stätte, dem Heiligtum von Portiunkula, stattfindet, freue ich mich, dem Orden der Minderen Brüder meine herzlichen Wünsche zu übermitteln. Genau dort hat Franziskus nämlich sein Leben im Sinne des Evangeliums begonnen (vgl. 1 Celano 22, Fonti francescane 356), und dort beendete er sein irdisches Dasein (vgl. 1 Cel 110, FF 512) mit dem Wunsch, „dort seine Seele Gott zu-rück[zu]geben, wo er ... zuerst den Weg der Wahrheit voll und ganz erkannt hatte“ (I Cel 108, FF 507; Thomas von Celano, Leben und Wunder des heiligen Franziskus von Assisi, hg. von E. Grau [.Franziskanische Quellenschriften, Bd. 5], Werl, 4. neubearb. Aufl. 1980, S. 183). Wenn ich mich also an Sie wende, Hochwürdigster Pater, dann möchte ich meinen herzlichen Gruß den Mitgliedern des Kapitels und allen Mitbrüdem, die in verschiedenen Teilen der Welt tätig sind, zukommen lassen, und ich wünsche jedem mit den Worten des hl. Franziskus „wahren Frieden vom Himmel und aufrichtige Liebe im Herrn“ (vgl. Ep Fid II, 1, FF 179; Franziskanische Quellenschriften, Bd. 1, Werl 1981, S. 17). 2. „Die Aufgabe, allen Menschen die Frohbotschaft zu verkündigen, [ist] die wesentliche Sendung der Kirche [...], eine Aufgabe und Sendung, die die umfassenden und tiefgreifenden Veränderungen der augenblicklichen Gesellschaft nur noch dringender machen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 14). Diese dringende Notwendigkeit ist von eurem Orden gut aufgegriffen und unter die vorrangigen Themen der Kapitelversammlung eingereiht worden. Dadurch möchte man nachdrücklich den Einsatz der Minderen Brüder in der Nachfolge des armen, keuschen und gehorsamen Christus betonen, damit sie durch diesen Einsatz in der Lage sind, alle erhabenen Offenbarungen der Frohen Botschaft besser zu verkünden und gleichzeitig „fest[zu]stehen im katholischen Glauben“ (RB XII, FF 109; Franziskanische Quellenschriften, Bd. 1, S. 106) und eifrig in der Gemeinschaft mit der Heiligen Kirche zu bleiben (vgl. Test. Sen., FF 135). Das apostolische und missionarische Werk ist nämlich nur dann fruchtbar, wenn es im Einvernehmen mit den rechtmäßigen Hirten, denen Christus die Verantwortung für seine Herde anvertraut hat, ausgeführt wird. Der Orden muß deshalb seine Mitglieder dazu anhalten, immer wirkungsvoller mit den Ortskirchen zusammenzuarbeiten, bei denen sie ihren hochgeschätzten Dienst tun (vgl. Phil 1,5). 607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Nach dem Beispiel meiner verehrten Vorgänger, darunter vor allem Papst Paul VI., der sich mit dem Apostolischen Schreiben Quoniam proxime (AAS 65[1973]353-357) an das Generalkapitel von Madrid gewandt hatte, möchte auch ich den Arbeiten dieses Kapitels nahe sein, auf dem das Thema der „Berufung des Ordens heute“ wiederaufgegriffen wird, um es unter dem Gesichtspunkt der Rückbesinnung und der Vorausschau zu vertiefen. In Anbetracht ihrer ruhmvollen Vergangenheit, so reich an Geschichte, Heiligkeit, Kultur und apostolischem Einsatz, müssen die Franziskaner die Verpflichtung wahmehmen, diesem Auftrag gewachsen zu sein und sich bemühen, neue und bedeutende Episoden ihrer Geschichte zu schreiben (vgl. Vita consecrata, Nr. 110). Wie könnte man - auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend - nicht die Berufung und den Evangelisierungsauftrag dieses Ordens hervorheben, die sozusagen im Mittelpunkt seiner Identität selbst stehen? Die Rückbesinnung auf die Ursprünge und die wichtigsten Abschnitte der Geschichte des Ordens muß als Paradigma für das gegenwärtige Engagement dieser Brüderschaft angewandt werden: Sie ist nämlich aufgerufen, die ihr von Gott durch die Kirche anvertraute Sendung durch das Bekenntnis zur Regel des hl. Franziskus in der heutigen Zeit zu leben. Das „Gedenken“ an das Geschenk Gottes für seine Kirche und für die Welt in der Gestalt des „Poverello“ leitet euch dazu an, das Geschehen unserer Zeit in einer neuen Art zu verstehen und euch - in einer Linie dynamischer Kontinuität - den Erwartungen und Herausforderungen der Gegenwart gegenüber offen zu zeigen, um die Zukunft mit konstruktivem Einsatz vorzubereiten. 4. Die lebendige Einheit zwischen dem Gestern, dem Heute und dem Morgen ist nötig, damit das „Gedenken“ zur „Prophetie“ wird. Denn „die wahre Prophetie entsteht aus Gott, aus der Freundschaft mit ihm, aus dem aufmerksamen Hören seines Worten in den verschiedenen geschichtlichen Gegebenheiten“ (Vita consecrata, Nr. 84). Das wahre „Prophetentum“ erfordert außerdem, daß die Christi vivendi forma [Lebensform Christi], die von den Aposteln nachgeahmt wurde (vgl. ebd., Nr. 14.16) und die sich der hl. Franziskus und seine ersten Gefährten zu eigen machten (vgl. 1 Cel, 22.24, FF 356.360-361), zur Norm für die Minderen Brüder dieses ausgehenden Jahrhunderts werde, so daß den Generationen des dritten Jahrtausends das geistliche Erbe, das durch die Vermittlung vieler bekannter und unbekannter Brüder aus den Händen des seraphischen Vaters selbst erhalten wurde, vollkommen weitergegeben wird. Der Bezug auf die ursprüngliche Erfahrung, vom Geist des auferstandenen Herrn angeregt, wird eurer Familie sicher eine hoffnungsvolle Zukunft eröffnen und euch helfen, im alltäglichen Geschehen die Gegenwart des in der Welt wirkenden Gottes zu entdecken und den weisen Dialog zwischen Glauben und Kultur zu fördern, der heute besonders notwendig ist. 608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Man darf in der Tat nie vergessen, daß das geweihte Leben, in den Dienst Gottes und des Menschen gestellt, „die prophetische Aufgabe [hat], sich auf Gottes Plan in bezug auf die Menschen zu besinnen und ihm zu dienen, wie es von der Schrift verkündet wird und wie es aus einem aufmerksamen Lesen der Zeichen des weisen Wirkens Gottes in der Geschichte hervorgeht“ (Vita consecrata, Nr. 73). In dieser Hinsicht ist auch für euren Orden eine aufmerksame Unterscheidung unerläßlich, die euch dazu bringt, nach der Bedeutung eures munus [Dienstes] in der Kirche und nach der Berufung der franziskanischen Brüderschaft in heutiger Zeit zu fragen. 5. Der besondere munus der Minderen Brüder wurde vom hl. Franziskus aufgezeigt, als er in seinem Brief an den gesamten Orden schrieb: Lobt Gott, „denn er ist gut, und verherrlicht ihn in euren Werken. Denn dazu hat er euch in alle Welt gesandt, daß ihr durch Wort und Werk seiner Stimme Zeugnis gebt und alle Menschen wissen laßt, daß niemand allmächtig ist außer ihm“ (vgl. FF 216; Franziskanische Quellenschriften, Bd. 1, Werl / Assisi 1981, S. 39). Dieser munus ist dann von den zahlreichen kirchlichen Dokumenten erläutert worden, die den Auftrag zum Predigen der Buße betreffen, so wie er dem Orden von Papst Innozenz III. erteilt (vgl. 1 Cel 33, FF 375) und im Laufe der Jahrhunderte von meinen verehrten Vorgängern bestätigt wurde. Die gesamte Geschichte der Minoriten bekräftigt, daß die Verkündigung des Evangeliums die Berufung, die Mission und der Daseinsgrund dieser Brüderschaft ist. Die Regel selbst - in der die Berufüng des Ordens innerhalb der Kirche dargelegt ist - erinnert daran, daß die Brüder zu einem Dasein mit Christus aufgerufen und zur Predigt und zur Pflege der Kranken ausgesandt sind (vgl. Mk 3,31-35; 1 Cel 24, 360; Vita consecrata, Nr. 41). Diese klaren Richtlinien des Gründers fordern die Einheit und gegenseitige Ergänzung von der Verkündigung des Evangeliums und dem Zeugnis der Nächstenliebe. Es handelt sich um eine apostolische und missionarische Aufgabe, die alle betrifft: Brüder, Kleriker und Laien. In der Legende der drei Gefährten wird erzählt: Am Ende des Kapitels erhielt von Franziskus jeder von ihnen, der „den Geist Gottes und die entsprechende Beredsamkeit zum Predigen hatte, ob Kleriker oder Laie, ... die Erlaubnis zur Predigt“ (vgl. Trium Soc 59, FF 1471; Franziskanische Quellenschriften, Bd. 8, Werl 1972, 5. 258 f.), während die anderen Brüder ihre Mitarbeit durch das Gebet und die Nächstenliebe anboten. 6. Diese unentbehrliche Einheit der apostolica vivendi forma setzt demnach voraus, daß alle Brüder, ein jeder nach seiner Lage und seinen persönlichen Fähigkeiten, mit vollem Recht in die einzige Berufung des Ordens zur Evangelisierung einbezogen werden. Dies verlangt eine ständige Anstrengung im Bereich der Ausbildung, die dem Einsatz der Arbeiter im Weinberg des Herrn vorausgehen und diesen begleiten soll (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 15). Ihr sollt also für eine angemessene Ausbildung für alle - Kleriker und Laien - sorgen, damit jeder Bruder 609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der Lage ist, sich mit apostolischem Geist und adäquater Professionalität in den weiten Bereich der Evangelisierung und der karitativen Tätigkeit einzufugen (vgl. Mt 10,7-8). Es ist außerdem notwendig, daß die apostolische Tätigkeit und die Werke zur Förderung des Menschen von einem ständigen Geist des Gebetes beseelt werden. Denn aus der Christus-Erfahrung geht die Verpflichtung hervor, „die Welt mit dem Evangelium zu erfüllen“. Dies ist die tiefe Bedeutung der persönlichen und inneren Erkenntnis von Christus, und euer Orden ist heute - in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche - aufgerufen, diese im Gottesvolk zu fördern. Wie wir wissen, ist die Einheit von Evangelisierung und Kontemplation verflochten mit der Regel der Minderen Brüder. Diese lädt sie ein, „den Geist des heiligen Gebetes und der Hingabe nicht auszulöschen“ (vgl. RB V, FF 88; Franziskanische Quellenschriften, Bd. 1, S. 102). Der hl. Franziskus erinnert daran: „Zuerst muß der Prediger in stillem Gebet schöpfen, was er nachher in heiliger Rede aus sich herausströmen läßt; zuerst muß er innerlich warm werden, sonst wird er nach außen nur in kalten Worten sich äußern“ (2 Cel 163, FF 747; Thomas von Celano, Leben und Wunder des heiligen Franziskus von Assisi, hg. von E. Grau [Franziskanische Quellenschriften, Bd. 5], 4. neubearb. Aufl. Werl 1980, S. 364) Aus der Gemeinschaft mit Christus wird das apostolische und karitative Leben seine Inhalte, seine Folgerichtigkeit und seine Dynamik beziehen. Aus der Erfahrung seiner lebenspendenden Gegenwart werden auch für die Minderen Brüder die Kraft und die Überzeugung zur Verkündigung hervorgehen, die eine Gemeinschaft mit Gott und der Kirche schafft, wie der hl. Johannes schreibt: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (1 Joh 1,3). 7. Hochwürdigster Vater! Ich ermutige die Brüderschaft der Minderen Brüder, die Arbeiten des Kapitels im Geist des Evangeliums anzugehen, der den hl. Franziskus beseelte, und ich bete zum Herrn, daß er seinen Heiligen Geist reichlich über jedes Mitglied des Kapitels ausgießen möge. Der Unbefleckten Jungfrau Maria vertraue ich die Betrachtungen dieser Tage an, damit sie, die Mutter und Königin der Minderen Brüder, jedem Bruder helfe, die Großtaten zu verkünden, die der Herr in der Welt wirkt, und euren ganzen Orden anregen möge, mit neuer Hingabe auf den Anruf Christi zu antworten. Mit diesen Empfindungen spende ich Ihnen, den Kapitelsvätem, und allen auf der ganzen Welt verstreuten Minderen Brüdern von ganzem Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 5. Mai 1997 610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rom — Einladung zum sinnerfüllten Leben Ansprache während der Sonderaudienz für die neuen Schweizergardisten und ihre Angehörigen am 6. Mai Herr Kommandant, Herr Kaplan, liebe Offiziere und Mitglieder der Schweizergarde, liebe Schwestern und Brüder! 1. Es ist für mich eine große Freude, euch am heutigen Ehrentag im Apostolischen Palast zu begrüßen. Besonders heiße ich die neuen Gardisten willkommen, für die dieser Tag mit der Ablegung des feierlichen Treueeides eine besondere Bedeutung bekommt. Es freut mich, daß so viele Verwandte nach Rom gekommen sind, um diesen festlichen Tag zu begehen. Gerade die Anwesenheit der Eltern und Angehörigen drückt nicht nur die Verbundenheit vieler Schweizer Katholiken mit dem Nachfolger Petri aus, sondern ist auch Zeugnis für die Erziehung und das gute Beispiel, durch die sie ihren Söhnen den christlichen Glauben und die Gesinnung selbstlosen Dienens auf den Lebensweg mitgegeben haben. Dafür sage ich euch, liebe Eltern, ein herzliches „Vergelt’s Gott“! 2. Der heutige Tag läßt uns zunächst einen Blick in die Vergangenheit werfen. Es war der „Sacco di Roma“, bei dem sich die Schweizergarde zu bewähren hatte. Sie hat die Probe bestanden und den Papst verteidigt. Viele Gardisten haben für ihn gekämpft bis zum Tod. Heute braucht ihr keinen „Sacco di Roma“ mehr zu befürchten. Aber es droht ein „Sacco delTanima“, ein „Sacco der Seele“. Gerade in unserer Zeit suchen viele junge Menschen nach Gütern und Werten, die nicht nur die Hände füllen, sondern in erster Linie die Seele. Denn Rom ist nicht nur die „Ewige Stadt“, reich an Geschichte, Kultur und Glaube. Rom ist auch eine Einladung zum Leben. Nützt die Zeit für die vielen Möglichkeiten, um in dieser Stadt zu einem sinnerfüllten Leben zu finden. Greift nach den Chancen, die sich euch hier bieten, um euren kulturellen, sprachlichen und geistlichen Horizont zu erweitern. 3. Wenn einige von euch heute schwören, den Dienst in der Garde treu zu erfüllen, und die anderen in ihrem Herzen ihren Treueeid erneuern, mögen alle daran denken, was bereits Jesus seinen Freunden ans Herz gelegt hat: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann“ CMt 10,28). Jesus lädt uns ein, ihn selbst zum Maßstab für unser Leben und Verhalten zu nehmen, so wie er den göttlichen Vater im Himmel zum alleinigen Maßstab und Mittelpunkt seines Lebens gewählt hat. 611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In französischer Sprache fuhr der Papst fort: 4. Die Zeit, die ihr in Rom verbringen werdet, ist eine außerordentliche Gelegenheit in eurem Leben, eine Gelegenheit, wie sie erleben zu können viele Menschen sich wünschen würden. Ich ermahne euch, das ganze Jahr lang - trotz der Pflichten, die euer Dienst verlangt - wachsam zu bleiben, damit ihr den Ruf Gottes auf dem Weg hören könnt, den er heute und auf den ferneren Strecken eures Lebens mit euch gehen will. Lebt in einem Geist aufrichtiger, rechtschaffener Brüderlichkeit, und helft euch gegenseitig, im Glauben zu wachsen und ein Leben zu fuhren, das eurer kirchlichen Sendung entspricht. Eure Ausbildung und der Dienst, den zu erfüllen ihr berufen seid, sind notwendig und wesentlich. Noch wichtiger aber ist es, daß ihr aus dieser Gelegenheit Nutzen zieht, um euch in eurem Glauben zu festigen und die Kirche immer mehr zu lieben. An diesem Tag möchte ich euch auch meine große Dankbarkeit aussprechen für eure Entscheidung, euch für einige Zeit dem Nachfolger des Petrus zur Verfügung zu stellen und mitzuhelfen, die notwendige Ordnung und Sicherheit im Bereich der Vatikanstadt zu gewährleisten. Unter euren verschiedenen Aufgaben seid ihr dazu berufen, allen Pilgern, die kommen, höflich und freundlich zu begegnen. Auf diese Weise bietet ihr ihnen ein gastfreundliches, von Herzlichkeit geprägtes Bild vom Vatikan. Ihr seid ja oft die ersten, an die sich Ankommende wenden, wenn sie den Vatikan besuchen wollen. Abschließend sagte der Papst auf italienisch: 5. Diese Überlegungen richte ich besonders an die neuen Rekruten, die am Anfang ihres Dienstes stehen. Aber auch die Veteranen möchte ich auffordem, beständig durch ihr Beispiel dazu beizutragen, daß ihre jüngeren Kameraden, die eben heute in die Schweizergarde eingereiht werden, Tag für Tag reifer werden an nutzbringender Erfahrung auf menschlicher wie auf geistlicher Ebene Dazu gebe ich euch allen und denen, die bei dieser einzigartigen Gelegenheit um euch sind, von Herzen den Apostolischen Segen. 612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch Vorleben der Nachfolge Christi ihre Anziehungskraft erhöhen Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Europäischen Kongresses über die Berufungen zum Priestertum und zum Geweihten Leben (Rom, 5. bis 10. Mai) am 9. Mai Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an euch alle, die ihr am Europäischen Kongreß über die Berufungen zum Priesteramt und zum Geweihten Leben teilnehmt, der in diesen Tagen in Rom stattfindet. Ich begrüße Kardinal Pio Laghi, Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen, und danke ihm für die höflichen Worte, die er im Namen der Anwesenden an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich alle hier versammelten Kardinäle und meine verehrten Brüder im Bischofsamt. Ein besonderes Gedenken richte ich auch an all jene Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die sich in den Kirchengemeinden für die Förderung einer Pastoral einsetzen, die vor allem den Berufungen zum Priestertum und zum Geweihten Leben gegenüber aufmerksam ist: Ihnen möchte ich meine Genugtuung und meine herzliche Ermutigung aussprechen. Die intensiven Tage eures Treffens haben herausgestellt, daß die auf dem europäischen Kontinent pilgernde Kirche aufgerufen ist, vor allem in den Jugendlichen eine tiefe Sehnsucht nach Gott anzufachen und auf diese Weise ein günstiges Umfeld zu schaffen für die Entstehung großherziger Antworten auf die Berufungen. Dazu ist es notwendig, daß jeder dem Heiligen Geist aufs neue und eifrig Gehör schenkt: Denn er ist der sichere Wegweiser zur vollkommenen Kenntnis Jesu Christi und zur Verpflichtung, ihm vorbehaltlos zu folgen. 2. Die Kirche wurde in die Welt gesandt, um den Auftrag des Erlösers weiterzuführen: Sie befindet sich deshalb immer in einem Berufungszustand und wird von Tag zu Tag um die vielfältigen Gnadengaben des Geistes bereichert. Aus der tiefen Verbundenheit der Liebe und des Glaubens mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist schöpft sie die Gewähr einer neuen Blüte der Berufungen zum Priestertum und zum Geweihten Leben. Dieses Blühen bricht nämlich nicht spontan auf und ist auch nicht Frucht eines Aktivismus, der nur auf die Mittel des Menschen zählt. Jesus macht dies im Evangelium sehr deutlich. Als er die Jünger ruft, um sie in die Welt auszusenden, fordert er sie vor allem auf, ihren Blick in die Höhe zu richten: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Die Pädagogik der Berufung, auf die der Herr hinweist, gibt uns zu verstehen, daß eine unausgewo- 613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN gen auf Aktion und werbende Initiativen ausgerichtete Pastoral Gefahr läuft, im Endeffekt unwirksam und aussichtslos zu sein, weil jede Berufung in erster Linie ein Geschenk Gottes ist. Es ist deshalb dringend notwendig, daß eine große Gebetsbewegung die Kirchengemeinden des europäischen Kontinents durchzieht und sich dem Wind des Säkularismus widersetzt, der dazu drängt, die menschlichen Mittel, Leistungsorientierung und eine pragmatische Lebensauffassung zu bevorzugen. Aus den Gemeinden, den klösterlichen und religiösen Gemeinschaften, aus den christlichen Familien und aus den Orten des Leidens muß sich unaufhörlich ein inständiges Gebet erheben. Es ist besonders nötig, die Kinder und Jugendlichen zu erziehen, ihr Herz für den Herrn zu öffnen, damit sie bereit werden, seine Stimme zu hören. Dieses Klima des Glaubens und des Hörens des Wortes Gottes wird die christlichen Gemeinschaften befähigen, die Berufungen, die der Heilige Geist in ihrer Mitte weckt, anzunehmen, zu begleiten und auszubilden. 3. Außerdem ist es notwendig, einen qualitativen Sprung in der Berufungspastoral der europäischen Kirchen zu fördern. Oft wurde die Meinung vertreten, daß man mit dieser - für die christliche Gemeinschaft wesentlichen - Aufgabe einige wenige Personen beauftragen könne, die bereit wären, sich darum zu kümmern. Zweifellos leisten diese Beauftragten in den verschiedenen kirchlichen Verhältnissen eine kostbare und oft verborgene Arbeit im Dienst an der göttlichen Berufung. Allerdings erfordern die veränderten historischen und kulturellen Bedingungen, daß die Berufungspastoral als eines der Hauptziele der ganzen christlichen Gemeinschaft angesehen wird. Die in der Berufungspastoral Tätigen werden ihre Arbeit um so wirksamer gestalten, je mehr sie den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft helfen, den Einsatz für die Heranbildung einer Anzahl von Priestern und geweihten Personen, die den Bedürfnissen des Gottesvolkes angemessen ist, als ihre eigene Aufgabe zu empfinden. Es bleibt natürlich offensichtlich, daß die zum Priesteramt und zum Geweihten Leben Berufenen auch die sind, die sich in erster Linie der Berufungspastoral annehmen müssen: Mit der Freude eines ganz dem Herrn geschenkten Daseins werden sie den Vorschlag zur radikalen Nachfolge Christi konkret und anregend machen und deren überraschende Bedeutung offenbaren. Christus hat sich nicht auf die Bitte beschränkt, um Arbeiter für die Ernte zu beten, sondern er hat die Betreffenden persönlich aufgefordert, ihm zu folgen, mit den Worten: „Komm und folge mir nach“ (Mt 19,21). Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensleute! Habt keine Angst, den Jugendlichen, denen ihr in eurem täglichen Dienst begegnet, die Einladung des Herrn zukommen zu lassen! Ihr sollt ständig darum bemüht sein, auf sie zuzugehen, um die geheimnisvollen und überraschenden Worte wieder anzubieten, die auch euer Leben gezeichnet haben: „Komm und folge mir nach.“ 614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. So wird die beständige und geduldige Aufmerksamkeit der christlichen Gemeinschaft für das Mysterium des göttlichen Anrufs eine neue Berufungskultur in den Jugendlichen und den Familien fördern. Das Unbehagen, das die Welt der Jugend erfaßt hat, legt auch in den jungen Generationen eindringliche Fragen über die Bedeutung des Daseins offen, und dies bestätigt, daß nichts und niemand die Frage nach dem Sinn und den Wunsch nach Wahrheit im Menschen ersticken kann. Für viele ist das der Boden, auf dem sich die Suche nach Berufungen vollzieht. Man muß den Jugendlichen helfen, sich nicht mit der Mittelmäßigkeit abzufinden. Man soll ihnen große Ideale vorstellen, damit auch sie den Herrn fragen können: „Meister - wo wohnst du?“ (Joh 1,38), „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17) , und ihr Herz der großherzigen Nachfolge Christi öffnen. Das war die Erfahrung unzähliger Männer und Frauen, die treue Zeugen Christi und Apostel des Evangeliums auf unserem Kontinent zu werden wußten. Sie teilten die Mühen und Anstrengungen der Menschen ihrer Zeit, glaubten an die universale Berufung zur Heiligkeit und haben diesen Gipfel erklommen auf dem besonderen, ihnen vom Heiligen Geist gewiesenen Weg. Ihre Entscheidungen und Charismen haben tiefe Furchen des Guten gezogen, die weiter vertieft werden müssen, damit die europäischen Kirchen ihre Mission zur Evangelisierung, Heiligung und Förderung des Menschen auch im nächsten Jahrtausend fortsetzen können. Die selige Jungfrau Maria, Mutter aller Berufungen, möge diesen großzügigen Einsatz begleiten und beim Herrn neue und zahlreiche Berufungen zum Dienst der Verkündigung des Evangeliums in jeder Nation Europas erwirken. Mit diesen Wünschen spende ich jedem von euch und euren Gemeinschaften einen besonderen Apostolischen Segen. Jesus, den Weg, die Wahrheit und das Leben, bekanntmachen Botschaft zum 31. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 11. Mai 1997 vom 24. Januar Liebe Schwestern und Brüder! Während dieses Jahrhundert und Jahrtausend zu Ende gehen, erleben wir eine noch nie dagewesene Expansion der sozialen Kommunikationsmittel in Form immer neuer Produkte und Dienste. Wir sehen, daß das Leben von immer mehr Menschen von der Verbreitung neuer Technologien im Bereich des Informations- und Kommunikationswesens betroffen ist. Doch gibt es noch eine große Anzahl von Menschen, die keinen Zugang zu den Medien, weder zu den alten noch zu den neuen, haben. 615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diejenigen, die von dieser Entwicklung profitieren, erleben ein ständiges Anwachsen der zur Wahl stehenden Quellen. Je größer die Auswahl, um so schwerer kann eine verantwortungsvolle Wahl fallen. Tatsache ist, daß es zunehmend schwieriger wird, unsere Augen und Ohren vor Bildern und Tönen zu schützen, die uns - unerwartet und ungeladen - durch die Medien erreichen. Besonders schwer ist es für Eltern, ihre Kinder vor schädlichen Botschaften zu bewahren und sicherzustellen, daß sie in einer Weise zu menschlichen Beziehungen erzogen und über die Welt unterrichtet werden, die ihrem Alter und Empfindungsvermögen und ihrem sich entwickelnden Sinn für Recht und Unrecht entspricht. Ein schwerer Schock für die öffentliche Meinung war es zu sehen, wie leicht die fortgeschrittenen Technologien im Kommunikationsbereich von Leuten mit üblen Absichten ausgenützt werden können. Und müssen wir nicht gleichzeitig bei denjenigen, die dieselben Chancen für gute Zwecke nützen wollen, eine gewisse Schwerfälligkeit beobachten? Wir wollen hoffen, daß die Kluft zwischen den Nutznießern der neuen Informationsmedien und Technologien und jenen, die noch keinen Zugang zu ihnen haben, nicht zu einer weiteren ständigen Quelle von Ungerechtigkeit und Diskriminierung wird. In manchen Teilen der Welt werden Stimmen laut gegen die Beherrschung der Medien durch die sogenannte westliche Kultur. Medienprodukte werden gewissermaßen als Verkörperung von Werten gesehen, die der Westen hochhält, und implizit stellen sie angeblich christliche Werte dar. Die Wahrheit der Angelegenheit ist wohl, daß der vorrangige Wert, den sie wirklich verkörpern, der kommerzielle Gewinn ist. Hinzu kommt, daß in den Medien der Anteil an Programmen, die sich mit religiösen und spirituellen Anliegen befassen, Programmen, die die Menschen moralisch aufrichten und ihnen helfen, ein besseres Leben zu führen, offensichtlich abnimmt. Es fällt einem nicht leicht, optimistisch zu bleiben in bezug auf den positiven Einfluß der Massenmedien, wenn diese entweder die lebenswichtige Rolle der Religion im Leben der Menschen zu ignorieren scheinen oder aber die Behandlung des religiösen Glaubens seitens der Medien stets negativ und unsympathisch ausfallt. Manche Elemente der Medien — insbesondere auf dem Unterhaltungssektor - geben oft den Anschein, als wollten sie religiös Gläubige in möglichst schlechtem Licht darstellen. Gibt es in den herkömmlichen Massenmedien noch einen Platz für Christus? Können wir in den neuen Medien einen Platz für ihn beanspruchen? In der Kirche soll das Jahr 1997, als erster Teil einer dreijährigen Vorbereitungszeit auf das Große Jubeljahr 2000, der Reflexion über Christus, das durch die Kraft des Heiligen Geistes menschgewordene Wort Gottes, gewidmet sein (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 30). Dementsprechend lautet deshalb das Thema des Welttages der Sozialen Kommunikationsmittel: „Jesus Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben, bekanntmachen“ (vgl. Joh 14,6). 616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieses Thema bietet der Kirche Gelegenheit, darüber nachzudenken, welche spezifischen Beiträge die Kommunikationsmittel anbieten können, um die Froh-botschaft von der Rettung in Jesus Christus bekanntzumachen und ihrerseits in dieser Richtung tätig zu werden. Es bietet auch den beruflich im Kommunikationswesen Tätigen Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen, wie religiöse und besonders christliche Themen und Werte die Produktionen der Medien und das Leben derer, denen die Medien dienen, bereichern können. Die modernen Medien richten sich nicht nur an die Gesellschaft im allgemeinen, sondern vor allem an die Familien, an junge Leute und auch an Kinder und Kleinkinder. Was für einen „Weg“ weisen die Medien aus? Was für eine „Wahrheit“ schlagen sie vor? Was für ein „Leben“ bieten sie an? Das betrifft nicht nur Christen, sondern alle Menschen guten Willens. Der „Weg“ Christi ist der Weg eines tugendhaften, fruchtbaren und friedvollen Lebens als Kinder Gottes und als Brüder und Schwestern in derselben Menschheitsfamilie; die „Wahrheit“ Christi ist die ewige Wahrheit Gottes, der sich uns nicht nur in der geschaffenen Welt, sondern auch durch die Heilige Schrift und besonders in und durch seinen Sohn Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, selbst geoffenbart hat; und das „Leben“ Christi ist das Leben der Gnade, jenes un-geschuldeten Geschenkes Gottes, das eine geschaffene Teilhabe an seinem eigenen Leben ist und es uns ermöglicht, für immer in seiner Liebe zu leben. Wenn Christen davon aufrichtig überzeugt sind, verwandelt sich ihr Leben. Diese Verwandlung führt nicht nur zu einem glaubwürdigen und unwiderstehlichen persönlichen Zeugnis, sondern auch zu einer eindringlichen und wirkungsvollen Bekanntmachung - auch durch die Medien - eines lebendigen Glaubens, der paradoxerweise gerade dadurch zunimmt, daß er mit anderen geteilt wird. Es ist tröstlich zu wissen, daß alle, die den christlichen Namen tragen, diese selbe Überzeugung teilen. Bei allem Respekt vor den Aktivitäten der einzelnen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Kommunikationswesen wäre es ein ökumenischer Erfolg, wenn die Christen bei der Vorbereitung auf die Feier des bevorstehenden Großen Jubeljahres im Medienbereich enger miteinander Zusammenarbeiten könnten (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 41). Alles sollte das vorrangige Ziel des Jubeljahres anstreben, nämlich die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen (vgl. ebd., Nr. 42). Die Vorbereitung auf das 2000-Jahr-Jubiläum der Geburt Christi ist gewissermaßen zum hermeneutischen Schlüssel dessen geworden, was der Heilige Geist der Kirche und den Kirchen in unserer Zeit zu sagen hat (vgl. ebd., Nr. 23). Den Massenmedien kommt eine bedeutende Rolle zu bei der Verkündigung und Erläuterung dieses Gnadenereignisses an die christliche Gemeinschaft selbst und an die Welt insgesamt. Derselbe Jesus, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist, ist auch „das Licht der Welt“ - das Licht, das unseren Weg erleuchtet, das Licht, das es uns ermöglicht, die Wahrheit wahrzunehmen, das Licht des Sohnes, der uns hier und dereinst 617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN übernatürliches Leben schenkt. Die zweitausend Jahre, die seit der Geburt Christi vergangen sind, stellen in Anbetracht der vorrangigen Rolle, die das Christentum in diesen zweitausend Jahren ausgeübt hat, für die ganze Menschheit ein außerordentliches Jubiläum dar (vgl. ebd., Nr. 15). Da ist es sicherlich angebracht, daß die Massenmedien diesem Beitrag den schuldigen Tribut zollen. Vielleicht wäre es eine der edelsten Gaben, die wir Jesus Christus zu seinem zweitausendsten Geburtstag anbieten könnten, daß die Frohbotschaft wenigstens jedem Menschen auf der Welt bekanntgemacht wird - zuallererst durch das lebendige Zeugnis des christlichen Beispiels, aber auch durch die Medien: „Jesus Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben bekanntmachen.“ Möge dies das Ziel und die Verpflichtung aller sein, die sich zur Einzigartigkeit Jesu Christi, der Quelle des Lebens und der Wahrheit, bekennen (vgl. Joh 5,26; 10,10.28) und die das Privileg und die Verantwortung haben, in der weiten und einflußreichen Welt der sozialen Kommunikationsmittel zu arbeiten. Aus dem Vatikan, am 24. Januar 1997 Joannes Paulus PP. II 80. Jahrestag der ersten Erscheinung Marias in Fatima Grußbotschaft an den Bischof von Leiria-Fatima vom 12. Mai An den verehrten Bruder D. Serafim de Sousa Ferreira e Silva Bischof von Leiria-Fatima „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1). Diese Worte aus der Offenbarung des Johannes kommen mir in den Sinn, da nun achtzig Jahre seit der ersten Erscheinung der Jungfrau Maria vor den drei Hirten-kindem in der Cova da Iria bei Fatima vergangen sind. Die Botschaft, die die heiligste Jungfrau damals an die Menschheit richtete, klingt weiter in all ihrer prophetischen Kraft. Sie lädt jeden ein zum inständigen Gebet, zur inneren Bekehrung und zum hochherzigen Bemühen, für die eigenen Sünden und die Sünden der Welt Buße zu tun. Im Gedanken an die zahlreichen Pilger, die zu diesem Anlaß im Heiligtum von Fatima zusammenströmen werden, um Maria ihre Verehrung und den festen Willen zu bezeigen, den Äußemngen ihrer mütterlichen Sorge zu entsprechen, möchte ich mich den gemeinsamen Gebeten anschließen, um die Fürsprache jener zu erflehen, die der Welt das menschgewordene göttliche Wort geschenkt und aus nächster Nähe an seinem Erlösungswerk teilgenommen hat. Sie, die „den Pilgerweg des 618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubens“ ging, „heftig mit ihrem Eingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichem Geist verband“ {Lumen Gentium, Nr. 58), möge am Ende dieses Jahrtausends bei ihren Kindern sein, um ihnen auf dem Weg zu dem historischen Ereignis des Großen Jubiläums beizustehen. In den Schwierigkeiten der gegenwärtigen Stunde wenden wir uns mit Vertrauen an sie und bitten sie, unseren Schritten in der Nachfolge Christi behilflich zu sein. Möge Maria, die Mutter des Erlösers, sich weiterhin als Mutter für alle zeigen. „Das einfache Mädchen aus Nazaret, das vor zweitausend Jahren der Welt das fleischgewordene Wort dargeboten hat, möge die Menschheit des neuen Jahrtausends zu dem hinlenken, der ,das wahre Licht (ist), das jeden Menschen erleuchtet4 {Joh 1,9)“ {Tertio millennio adveniente, Nr. 59). Mit diesem Wunsch entbiete ich Ihnen, verehrter Bruder, meinen herzlichen Gruß und bitte Sie, dessen Übermittler an alle zu sein, die in frommer Pilgerschaft zum Heiligtum von Fatima kommen werden. Dabei gilt mein besonderes Gedenken denen, die körperlich oder geistig leiden. Der Fürbitte der heiligsten Jungfrau die Bedürfnisse der Kirche in diesem gesegneten Land und in jedem anderen Teil der Welt anvertrauend, sende ich allen als Unterpfand reicher himmlischer Gaben den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 12. Mai 1997 Joannes Paulus PP. II Gemeinsamer Einsatz für erneuertes Missionsbewußtsein Ansprache vor der Generalversammlung der Päpstlichen Missionswerke am 15. Mai Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Nationaldirektoren, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Päpstlichen Missionswerke! 1. Mit Freude richte ich an jeden von euch meinen herzlichen Willkommensgruß. Besonders begrüße und danke ich Erzbischof Charles Schleck, dem Beigeordneten Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und Präsidenten der Päpstlichen Missionswerke, für die herzlichen Worte, mit denen er die Empfindungen aller Anwesenden zum Ausdruck gebracht hat. Außerdem grüße ich die Generalsekretäre und Nationaldirektoren, die hier in Rom zur jährlichen Generalversammlung dieser verdienstvollen Einrichtungen zusammengekommen sind. Dieses Jahr fällt euer Treffen mit zwei wichtigen Jahrestagen zusammen: dem 175. seit der Gründung des Päpstlichen Werkes der Glaubensverbreitung und dem 75. des Motu Proprio Romanorum Pontificum, durch das mein verehrter Vorgän- 619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ger Papst Pius XI. dem Werk der Glaubensverbreitung, dem Missionswerk der Kinder und dem Werk vom hl. Apostel Petrus („Opus S. Petri“) den Titel „päpstlich“ verlieh. Ich bin mir sicher, daß die Durchführung dieser beiden besonderen Gedenktage zur Zunahme des missionarischen Einsatzes im Gottesvolk beitragen wird. 2. Es gehört inzwischen zur gefestigten Tradition, daß im Mai eines jeden Jahres eure Generalversammlung stattfindet. Dieses Jahr habt ihr - zum Andenken an die Gründung des Werkes der Glaubensverbreitung - eine spezielle Pastoraltagung durchführen und euch vor allem mit den Gestalten und dem Werk von zwei außergewöhnlichen Frauen befassen wollen: der ehrwürdigen Marie-Pauline Jaricot und der Patronin aller Missionen, der hl. Therese vom Kinde Jesus. Die Laienchristin Marie-Pauline Jaricot wurde 1799 in Lyon geboren. Ihr lagen vor allem die Probleme der katholischen Missionen ihrer Zeit am Herzen. Sie gehörte zu einer von den Patres der Gesellschaft für auswärtige Missionen von Paris gegründeten Vereinigung und wurde zu einer Wegbereiterin der organisierten missionarischen Mitarbeit. Mit den Arbeiterinnen der Seidenfabrik, die von ihrer Schwester und ihrem Schwager geleitet wurde, nahm sie sich vor, die Mission durch Gebet und einen kleinen wöchentlichen Obolus zu unterstützen. Von dieser Initiative angeregt - die der ehrwürdigen Marie-Pauline den Titel als Gründerin des Werkes der Glaubensverbreitung eintrug -, gab eine Gruppe von Laien am 3. Mai 1822 dem Verein für die Glaubensverbreitung einen universaleren Charakter. Beseelt von einer Liebe ohne Grenzen, vertraten sie die Auffassung: „Wir sind Katholiken; deshalb sollen wir nicht diese oder jene besondere Mission unterstützen, sondern alle Missionen auf der ganzen Welt.“ Aus diesem Grunde wählten sie das Motto: „Ubique per Orbem“, das später vom Werk der Glaubensverbreitung und von den anderen Missionswerken übernommen wurde. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Marie-Pauline, eine junge Frau, die aufmerksam auf die Stimme des Geistes hörte, nahm auf prophetische Weise das vorweg, was das päpstliche Lehramt und das Zweite Ökumenische Vatikanische Konzil viele Jahre später unterstrichen haben, indem sie die missionarische Eigenschaft des ganzen Gottesvolkes und den spezifischen Beitrag hervorhob, den die Laien zur Evangelisierungstätigkeit der Kirche zu leisten berufen sind. Nach dem Vorbild dieser mutigen Frau seid ihr heute aufgerufen, eine immer brüderlichere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kirchen zu fördern und zahlreiche Mitarbeiter für die Sache der Mission zu werben und auszubilden. Ihr sollt in ihnen die Leidenschaft für die Verkündigung des Evangeliums wecken zusammen mit dem Wunsch, die Bemühungen der jungen Kirchen zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit wird dann wirksam sein, wenn sie unablässig vom Gebet, von Opfern und vom ständigen Streben nach Heiligkeit getragen ist. Nur dieses Klima apostolischer und geistiger Spannung wird die Voraussetzungen für die Entwicklung zahlreicher missionarischer Berufungen und eine großzügige Unterstützung der missionarischen Tätigkeit schaffen. 620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die zweite Gestalt, über die ihr im Laufe eurer Versammlung habt nachdenken wollen, ist die hl. Therese vom Kinde Jesus, die am 14. Dezember 1927 von meinem verehrten Vorgänger Papst Pius XI. zur „Hauptpatronin aller Missionen“ erklärt wurde. Dieses Jahr gedenken wir ihrer anläßlich des hundertsten Todestages. Obwohl sie zum kontemplativen Leben berufen war, lebte die hl. Therese vom Kinde Jesus in vollem Einklang mit der missionarischen Wirklichkeit der Universalkirche. Es war ihr höchster Wunsch, den Herrn zu lieben und andere Menschen dazu zu bringen, ihn zu lieben durch ihre Arbeit für die Verherrlichung der Kirche und das Heil der Seelen; so sagte sie in dem Gebet, in dem sie sich selbst als Opfer der barmherzigen Liebe hingab. Die Erfahrung der kleinen Therese stellt einen einmaligen Weg der Hingabe für die Sache der Evangelisierung dar. Er fußt im Streben nach Heiligkeit als unentbehrliche Voraussetzung für jede missionarische Berufung. Auch in der Enzyklika Redemptoris missio hatte ich darauf hingewiesen: „Die universale Berufung zur Heiligkeit ist eng mit der universalen Berufung zur Mission verbunden: jeder Gläubige ist zur Heiligkeit und zur Mission berufen. Dies war auch der dringende Wunsch des Konzils: ,Möge das Licht Christi [...] durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, alle Menschen erleuchten, indem sie das Evangelium allen Menschen verkündet1 {Lumen Gentium, Nr. 1). Die missionarische Spiritualität der Kirche ist ein Weg zur Heiligkeit“ (Nr. 90). 5. Liebe Nationaldirektoren, dies ist eure Aufgabe: mit allen Mitteln zu versuchen, in der ganzen Christengemeinschaft einen erneuerten missionarischen Eifer zu fordern. Von diesem apostolischen Drang ausgehend, ist jedes der Werke - das Werk der Glaubensverbreitung, das Apostel-Petrus-Werk, das Kindermissionswerk und der Missionsbund - aufgerufen, ihren spezifischen und unersetzlichen Einsatz voll zu entfalten, „um sowohl den Katholiken von klein auf einen die Welt umfassenden, missionarischen Geist einzugießen, als auch um eine angemessene Sammlung von Hilfen zugunsten aller Missionen zu erwirken [...]“ (Ad gentes, Nr. 38). Ein weiteres Ziel der Missionswerke ist die Weckung von Missionsberufnngen auf Lebenszeit, „sowohl in den alten als auch in den jungen Kirchen“ {Redemptoris missio, Nr. 84). Liebe Brüder und Schwestern! Mit dem Wunsch, daß die Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 für euch alle ein weiterer Anlaß zu einem erneuerten Einsatz im Dienst für die Sache des Evangeliums sein möge, vertraue ich euch und eure Mitarbeiter der mütterlichen Fürsorge Marias, des Sterns der Evangelisierung, an und erteile euch von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. 621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stärkung der Familie durch Erziehung und Bildung Ansprache vor der 43. Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz am 22. Mai „Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief: Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“ (Joh 7,37-39). Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ihr habt beschlossen, die Vollversammlung eurer Bischofskonferenz in den Tagen unmittelbar nach Pfingsten zu begehen: Möge der Heilige Geist, dessen Ausgießung auf die entstehende Kirche wir soeben gefeiert haben, eure erneute Zusammenkunft und Arbeit erleuchten und lenken. Es ist mir eine große Freude, bei euch zu sein und eure pastoralen Sorgen und euren Diensteifer zu teilen. Ich begrüße euren Präsidenten, Kardinal Camillo Ruini, wie auch die anderen italienischen Kardinäle und spreche allen meinen Dank aus. Ferner begrüße ich die Vizepräsidenten und richte ein ganz besonderes Wort des Dankes an Msgr. Giuseppe Agostino, der seinen Dienst nun beendet hat, und wünsche Msgr. Giuseppe Costanzo für seine neue Funktion als Vizepräsident alles Gute. Schließlich grüße ich auch den Generalsekretär und jeden einzelnen von euch, verehrte Brüder im Bischofsamt; mögen allen die Früchte des Geistes für euren Einsatz in den einzelnen Diözesen und innerhalb der Bischofskonferenz zuteil werden. 2. Eure Konferenz hat das große Thema der Begegnung mit Jesus Christus durch die Bibel auf breiter Grundlage erörtert. In Tertio millennio adveniente habe ich betont, wie wichtig es ist, daß in diesem Jesus Christus, dem alleinigen Retter, gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8), gewidmeten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum die Christen „mit erneutem Interesse zur Bibel zurückkehren, einmal in der mit göttlichen Worten gesättigten heiligen Liturgie, dann in frommer Lesung oder auch durch geeignete Institutionen und andere Hilfsmittel“ (Nr. 40). Trotz der starken Impulse, die das Zweite Vatikanum dem Studium der Heiligen Schrift und der Bibelpastoral in den christlichen Gemeinden gegeben hat, entbehren noch zu viele Gläubige die lebendige Begegnung mit den Heiligen Schriften und sind somit nicht in der Lage, ihren Glauben auf angemessene Weise mit dem Reichtum des in den offenbarten Texten enthaltenen göttlichen Wortes zu nähren. Notwendigerweise müssen wir uns weiterhin bemühen, um ihnen breiten Zugang zur Bibel zu ermöglichen. „Unkenntnis der Heiligen Schrift ist Unkenntnis Christi“, sagt der hl. Hieronymus; denn die gesamte Schrift schreibt über ihn (vgl. Lk 24,27). 622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für eine wirksame Begegnung mit der Heiligen Schrift sind die Richtlinien der dogmatischen Konstitution Dei Verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils entscheidend. Hier finden wir jene auf der kirchlichen Lehre begründeten Grundsätze und geeignetsten pastoralen Wege, die bewirken, daß die Begegnung mit der Heiligen Schrift ihre innewohnende Eigenschaft - das Hören des Wortes Gottes - bewahrt, in exegetischer Hinsicht korrekt ist, Quelle des geistigen Lebens wird, die gesamte pastorale Tätigkeit beseelt und stärkt, den ökumenischen Dialog lenkt und fordert und schließlich auch die großen menschlichen und kulturellen Reich-tümer der Bibel hervorhebt, die in Italien wie in vielen anderen Nationen wunderbare Früchte der Zivilisation hervorgebracht haben. Kraft dieser Verbindung zwischen Glaube und Kultur muß die Bibel als grundlegendes Werk für die Katechese zur christlichen Initiation neuer Generationen wie auch für den an den Schulen erteilten katholischen Religionsunterricht gesehen werden. Die anspruchsvolle Aufgabe der Neuevangelisierung kann demnach nur durch die erneute „Übergabe“ der Bibel an das gesamte Gottesvolk verwirklicht werden, durch ihre liturgische Verkündigung, Predigt und Katechese, die Übung der lectio divina und andere Wege, die das unlängst veröffentlichte Pastoralschreiben eurer Konferenz, „Die Bibel im Leben der Kirche“, erläutert. Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften, Vereinigungen und Laienbewegungen, Familien und Jugendliche können auf diese Weise das liebevolle Wohlwollen des göttlichen Vaters erfahren, der in der Heiligen Schrift auf jeden Menschen zugeht und die Wesensart seines eingeborenen Sohnes wie auch seinen Heilsplan für die Menschheit offenbart. Damit die Heilige Schrift von den Gläubigen in ihrer tiefen Wahrheit und als oberste Richtschnur unseres Glaubens verstanden und angenommen werden kann, ist zweifellos eine gewisse „Begleitung“ notwendig, um oberflächliche, gefühlsmäßige oder auch zweckmäßige Auslegungen zu vermeiden, die nicht durch ein weises Erkennen und Hören des Geistes erleuchtet sind. Hierin besteht eine unserer speziell pastoralen Verantwortungen, die wir als Hirten, unterstützt von Geistlichen und Katecheten, erfüllen müssen: die wahre und authentische Interpretation und Vermittlung der Heiligen Schriften kann nur innerhalb der Kirche, im Licht der lebendigen Tradition und unter Führung des kirchlichen Lehramtes (vgl. Dei Verbum, Nr. 10) erfolgen. 3. Durch die besondere Aufmerksamkeit, die ihr der Begegnung mit Jesus Christus durch die Bibel widmet, habt ihr, liebe Brüder, der Vorbereitung dieses besonderen Heiligen Jahres, in dem wir die zweitausendjährige Menschwerdung des Wortes Gottes feiern, neuen Impuls geben wollen. Es freut mich zu sehen, mit wieviel Eifer sich jeder von euch in seiner jeweiligen Teilkirche, und alle gemeinsam im Rahmen der Bischofskonferenz, auf dieses wichtige Ereignis vorbereitet. Einer der Höhepunkte dieses Vorbereitungswegs auf das Große Jubiläum ist der für Ende September geplante Nationale Eucharistische Kongreß, der dem gleichen 623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Thema dieses Vorbereitungsjahres gewidmet ist: „Jesus Christus, alleiniger Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit.“ Gerne werde ich mit euch in Bologna Zusammentreffen, und bereits jetzt möchte ich Kardinal Giacomo Biffi für den eifrigen Einsatz danken, mit dem er diese wichtige Kundgebung des Glaubens an den eucharistischen Christus und der Teilhabe an der kirchlichen Gemeinschaft vorbereitet. 4. Liebe Brüder, noch immer trage ich die Erinnerung an das Treffen von Palermo im Herzen, an dem alle Diözesen Italiens teilnahmen, um mit dem Evangelium der Nächstenliebe das Leben der Nation zu beseelen. Seitdem habt ihr intensiv für die Verwirklichung der gefaßten Entschlüsse gearbeitet im Hinblick auf den Primat des geistigen Lebens, den Einsatz für die Neuevangelisation, die Beziehung zwischen Glaube und Kultur, die Familie, die Jugend, die ganz besondere Liebe zu den Armen, die christliche Beseelung des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Insbesondere ist das christlich orientierte Kulturprojekt auf ein grundlegendes Ziel ausgerichtet, auf das wir hinarbeiten und unsere Aufmerksamkeit und Energie konzentrieren müssen: einen Glauben, der sich in die Tat umsetzen läßt, damit Jesus Christus auch die weltlichen Anliegen der Gläubigen, wie bereits in der Vergangenheit, für die Zukunft des italienischen Volkes inspirieren und fördern möge. In dieser Hinsicht möchte ich eure Bemühungen um eine eingehendere und organischere christliche Präsenz im Bereich der sozialen Kommunikation bestärken, denn wir alle sind uns bewußt, daß auf diesem Gebiet heute entscheidende Herausforderungen liegen. 5. Auch teile ich mit euch, liebe Brüder, eure Aufmerksamkeit und Sorge für das Schicksal der italienischen Nation, für ihre Einheit, ihr großes christliches Erbe und die Rolle, die sie infolgedessen in Europa einzunehmen wissen muß. Das italienische Volk zeichnet sich durch Energie und Tatkraft aus und besitzt die Fähigkeit, auch die größten Schwierigkeiten in Angriff zu nehmen und zu überwinden. Diese Kräfte müssen sich aber auf freie und solidarische Art und Weise entfalten können und für jene „Subjektivität der Gesellschaft“ (Centesimus annus, Nr. 13) Raum lassen, ja sie sogar fordern, deren Stärke in den zahlreichen Zwischengruppen liegt, den Körperschaften und Vereinigungen und insbesondere in der Familie, der Grundzelle von Gesellschaft und Kirche. Angesichts der zahlreichen Angriffe, denen die Familie heute auch in Italien ausgesetzt ist, wo sie doch eine besonders wichtige soziale Funktion erfüllt, möchte ich euch, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Unterstützung zusichem, sowohl bei der pastoralen Arbeit für das Wohl der Familie als auch im Hinblick auf die Verpflichtung aller Katholiken und Menschen guten Willens, auf legislativer Ebene die Rechte der auf der Ehe begründeten Familie zu schützen und die Einführung neuer Maßnahmen und Initiativen in bezug auf Arbeitsplätze, Wohnungsbau und Steuerbestimmungen zu fördern, damit Familie und Mutterschaft nicht auf ungerechte Weise benachteiligt werden. 624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder, ich weiß, daß ihr die mit der Schule verbundenen Probleme keineswegs mit geringerer Aufmerksamkeit verfolgt; das gilt sowohl für die Schule im allgemeinen, die in erster Linie in ihrer wesentlichen Aufgabe der Erziehung und Formung der Person unterstützt werden muß, als auch in ganz besonderer Form für die „freien“ Schulen. Gemeinsam mit euch möchte ich hier nun die Forderung nach baldiger Anerkennung und Gleichstellung der nichtstaatlichen Schulen wiederholen, die einen von vielen Familien geschätzten öffentlichen Dienst leisten (Ansprache im römischen Institut „ Villa Flaminia“ am 23.2.1997). Auch auf diesem Gebiet kann die Gesetzgebung vieler Länder der Europäischen Union als Beispiel gelten. 6. Verehrte Brüder im Bischofsamt! Laßt uns die in diesen Tagen des Gebets, des brüderlichen Austauschs und der gemeinsamen Reflexion herangereiften Vorhaben der Liebe Marias, unserer lieben Mutter, anvertrauen. Mit Maria, den Märtyrern und Heiligen vereint, die die Geschichte dieser Nation geschrieben haben, schauen wir voll Vertrauen auf die Aufgaben, die uns erwarten. Gott segne jeden von euch und eure Kirchen. Gott segne das italienische Volk; möge er es im Glauben der Väter bestärken, es geistig erleuchten und sein Herz öffnen, damit an der Schwelle des dritten Jahrtausends die Kultur der Liebe aufgebaut werden kann. Das Geheimnis göttlicher Liebe zu den Menschen bringen Predigt an Fronleichnam, 29. Mai 1. „Das ist mein Leib für euch [...] Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Tut dies [...] zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24-25). Die heutige Liturgie will des großen Geheimnisses der Eucharistie mit einem klaren Bezug auf den Gründonnerstag gedenken. Am letzten Gründonnerstag waren wir wie jedes Jahr hier in der Lateranbasilika versammelt zum Andenken an das Abendmahl des Herrn. Am Ende der Abendmahlsmesse fand die kurze Prozession statt, mit der das Allerheiligste in die Kapelle des Repositoriums gebracht wurde, wo es bis zur feierlichen Ostervigil verblieb. Heute machen wir uns auf den Weg zu einer viel feierlicheren Prozession, die uns durch die Straßen der Stadt führen wird. Am heutigen Festtag helfen uns die von Jesus im Abendmahlssaal gesprochenen Worte, diese Empfindungen vom Gründonnerstag wiederum wahrzunehmen: „Nehmt, das ist mein Leib [...] Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Mk 14,22.24). Diese Worte, die vor kurzem verlesen wurden, gestatten uns, noch tiefer in das Mysterium des fleischgewordenen Wortes Gottes einzudringen, das sich - unter den Gestalten von Brot und Wein - jedem Menschen als Speise und Trank des Heiles schenkt. 625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Im Gesang zum Evangelium bietet uns Johannes eine wichtige Interpretationshilfe für die Worte des göttlichen Meisters, indem er das wiedergibt, was Jesus in der Nähe von Kafamaum über sich selbst sagte: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6,51). So finden wir in den Lesungen von heute den vollen Sinn des Heilsgeheimnisses. Die erste Lesung aus dem Buch Exodus (vgl. Ex 24,3-8) verweist uns auf den Alten Bund, geschlossen zwischen Gott und Moses durch das Blut der Opfertiere, während im Hebräerbrief daran erinnert wird, daß Christus „ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen [ist], nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut“ {Hehr 9,12). Die heutige Feier hilft uns also dabei, Christus die zentrale Rolle zu geben, die ihm im göttlichen Plan für die Menschheit gebührt, und sie spornt uns auch dazu an, unser Leben immer mehr nach dem Vorbild Christi, des Höchsten und Ewigen Priesters, zu gestalten. 3. Geheimnis des Glaubens! Der heutigen Feierlichkeit wurde im Laufe der Jahrhunderte in den verschiedenen Traditionen der Christenheit eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Wie viele religiöse Bezeugungen sind aus der Verehrung der Eucharistie entstanden! Theologen und Hirten haben sich bemüht, das unaussprechliche Geheimnis der göttlichen Liebe in der Sprache der Menschen verständlich zu machen. Unter diesen maßgebenden Stimmen nimmt der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin einen besonderen Platz ein. In seinen dichterischen Werken besingt er mit inspirierter Begeisterung die Empfindungen der Verehrung und der Liebe der Gläubigen angesichts des Mysteriums des Leibes und Blutes Christi. Man denke nur an das berühmte „Pange, lingua“, das eine tiefe Meditation über das eucha-ristische Geheimnis, das Geheimnis des Leibes und Blutes des Herrn, beinhaltet -„gloriosi Corporis mysterium, Sanguinisque pretiosi“. Oder auch der Hymnus „Adoro te, devote“, der eine Einladung zur Verehrung des in den eucharistischen Gestalten verborgenen Christus ist: „Latens Deitas, quae sub his figuris vere latitas: Tibi se cor meum totum subjicit!“ Ja, unser ganzes Herz gibt sich Dir, o Christus, hin, denn wer dein Wort aufnimmt, entdeckt den vollen Lebenssinn und findet den wahren Frieden - „[...] quia te contemplans totum deficit.“ 4. Aus unseren Herzen strömt ganz spontan unser Dank für ein solch einzigartiges Geschenk. „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?“ „Quid retribuam Domino pro omnibus, quae retribuit mihi?“ (Ps 116,12). Die Worte des Psalmisten kann jeder von uns aussprechen im Bewußtsein des unschätzbaren Geschenks, das uns der Herr durch das Sakrament der Eucharistie gemacht hat. 626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Erheben wir den Kelch des Heils, und rufen wir den Namen des Herrn an“: Diese Einstellung des Lobes und der Anbetung klingt heute in den Gebeten und den Liedern der Kirche auf der ganzen Welt wider. Sie ertönt heute abend hier in Rom, wo das geistige Erbe der Apostel Petrus und Paulus lebendig ist. In Kürze, wenn wir durch die Straßen der Stadt von dieser Kirche nach Santa Maria Maggiore gehen, werden wir erneut jenen altehrwürdigen Hymnus der Verehrung und des Lobes anstimmen. Voller Ehrfurcht werden wir noch einmal singen: „Pange, lingua, gloriosi... - Das Geheimnis laßt uns künden, das uns Gott im Zeichen bot.“ Und weiter: „Nobis datus, nobis natus ex intacta Virgine [...] - Von Maria uns geboren, ward Gott Sohn uns Menschen gleich [...].“ „In supremae nocte coenae recumbens cum fratribus [...] - Auf geheimnisvolle Weise macht er dies Versprechen wahr [...].“ „Cibum turbae duodenae se dat suis manibus - [...] gab in Brot und Wein zur Speise sich der Herr den Seinen dar.“ 5. Also ein Sakrament des Schenkens, ein Sakrament der bis zum Äußersten getriebenen Liebe Christi: „in fmem dilexit“ (Joh 13,1). Der Sohn Gottes schenkt sich selbst. Unter den Gestalten von Brot und Wein schenkt er den Leib und das Blut, die er von Maria, der jungfräulichen Mutter, angenommen hat. Er schenkt seine Göttlichkeit und seine Menschlichkeit, um uns unermeßlich zu bereichern. „Tantum ergo Sacramentum veneremur cemui [...] - Gott ist nah in diesem Zeichen: knieet hin und betet an.“ Amen. Gegenseitiges Vertrauen weiter aufbauen und die Kompromißbereitschaft verstärken Aufruf zu verstärkten Anstrengungen für den Frieden Schreiben an Benjamin Netanyahu und Yasser Arafat vom 16. Juni An Herrn Benjamin Netanyahu Ministerpräsident des Staates Israel In den vergangenen Monaten habe ich eine Hoffnung gehegt, die jeden Tag neu wird: und zwar, daß das Wort „Frieden“ im Nahen Osten - und vor allem im Heiligen Land - wieder zum Hauptbezugspunkt der politischen Tätigkeit und des Engagements aller wird, sowohl in der Region selbst als auch in der internationalen Gemeinschaft. Ich weiß, daß viele Anstrengungen unternommen worden sind und daß viele Leute ihre Hilfe angeboten haben, aber ich habe leider feststellen müssen, daß Schwierigkeiten verschiedener Art bis heute unüberwindbar erscheinen. Wir müssen zugeben, daß der Dialog zwischen den Parteien, vor allem zwischen der Regierung unter Ihrem Vorsitz und den Verantwortlichen des palästinensischen Volkes, auf den so viele Hoffnungen gesetzt wurden, praktisch zum Still- 627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stand gekommen ist. Diese Tatsache war für mich der Anlaß, Ihnen zu schreiben im Vertrauen auf die Freundschaft zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Staate Israel und in dem Geist der Offenheit und Herzlichkeit, der unser Treffen im vergangenen Februar gekennzeichnet hat. Gleichzeitig schreibe ich an Präsident Yasser Arafat, denn ich möchte Ihnen beiden meine große Sorge ausdrücken, sowohl für die Gegenwart als auch für kurz und langfristige Projekte, falls diese Situation andauem sollte. Sie werden verstehen, Herr Ministerpräsident, daß dieses Ansinnen meinerseits nicht von Interessen politischer Art motiviert ist oder auf den Vorschlag praktischer Lösungen abzielt, sondern daß es von einer tiefen Empfindung des Leids herrührt, und ich glaube, daß dieses Gefühl sicherlich der Traurigkeit und vielleicht sogar der Frustration der Mehrheit der Israelis und Palästinenser entspricht. Die israelischen und palästinensischen Verantwortungsträger wissen, wie viele Menschen auf den Frieden gewartet haben und immer noch darauf warten in der Hoffnung auf eine Zukunft, die wirklich besser für sie sein wird. Ich schließe mich ihnen an in ihrem Wunsch, zu neuen Horizonten schauen zu können, wo die Leiden, Ängste und Unsicherheiten der Vergangenheit und Gegenwart durch gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und friedliches Zusammenleben ersetzt sein werden. Dieser Aufruf meinerseits ist in erster Linie moralischer Natur. Ich richte ihn vertrauensvoll an all jene, die sich der Suche nach dem Wohl ihrer Völker verschrieben haben. Im Namen Gottes und des Glaubens an Ihn, der uns alle eint, mögen alle Seiten eine Zunahme der Spannung und Frustration vermeiden: Die Geschichte, vor allem die des Heiligen Landes, lehrt uns: Wenn große Hoffnungen lange Zeit unerfüllt bleiben, dann können sie zu weiteren, unvorhersehbaren Provokationen und unkontrollierbaren Situationen der Gewalt führen. Das israelische und das palästinensische Volk tragen schon jetzt eine allzu schwere Last des Leidens: Diese Last darf nicht noch erschwert werden; sie verdient im Gegenteil größte Bemühungen, um Wege zu nötigen und mutigen Kompromissen zu finden. Die Anstrengungen in dieser Richtung werden Ihnen sicher die Dankbarkeit der zukünftigen Generationen und der ganzen Menschheit eintragen. Denn nur wenn das Heilige Land im Frieden lebt, wird es in der Lage sein, die vielen tausend Pilger würdig zu empfangen, die im Laufe des großen Jubeljahrs 2000 zum Beten dahin kommen möchten. In dem Vertrauen darauf, daß diese Worte nicht unbeachtet bleiben werden, grüße ich Sie, Herr Ministerpräsident, herzlich und versichere Ihnen, daß dieser Apostolische Stuhl immer für die Verantwortlichen der Israelis und Palästinenser offen ist, sowie für all jene, die aufrichtig und mit gutem Willen ihre Unterstützung bei der Friedenssuche anbieten möchten. Auf die Entschlossenheit und die Anstrengungen aller Parteien bei ihren Bemühungen um das Wohlergehen Ihrer Völker rufe ich den Segen und Beistand Gottes in Fülle herab. Aus dem Vatikan, 16. Juni 1997 Joannes Paulus PP. II 628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An Herrn Yasser Arafat Vorsitzender der Palästinensischen Behörde Die gegenwärtige Lage des Friedensprozesses im Nahen Osten und insbesondere die Unterbrechung „de facto“ des Dialogs zwischen den Palästinenservertretem und der israelischen Regierung veranlassen mich, Ihnen und gleichzeitig Herrn Benjamin Netanyahu, dem Ministerpräsidenten des Staates Israel, zu schreiben. Ich wende mich an Sie, Herr Präsident, im Gedenken an die gegenseitige Wertschätzung und Aufgeschlossenheit, die unsere vielen Begegnungen immer ausgezeichnet haben. Außerdem bewegt mich meine ständige Sorge um das Wohlergehen des palästinensischen Volkes. In den vergangenen Monaten hatte ich aufrichtig gehofft und jeden Tag dafür gebetet, daß der Frieden im Heiligen Land weiterhin das wichtigste Ziel eines offenen und konstruktiven Dialogs zwischen den Parteien sowie auch das Ziel eines dauerhaften und vernünftigen Engagements seitens der internationalen Gemeinschaft bleiben würde. Ich weiß, daß es an Anstrengungen und Versuchen nicht gefehlt hat, aber leider scheint es, daß sie bis heute vergeblich waren. Ich befürchte, daß - falls diese Situation andauem sollte -es immer schwieriger sein wird, die Suche nach dem Vertrauen wiederzubeleben, die für jede Verhandlung wesentlich ist. Ich bin tief besorgt und teile die Qual jener - vor allem Palästinenser und Israelis - die sich im Stich gelassen und frustriert fühlen, sich aber trotzdem nicht der schrecklichen Versuchung hingeben, den Konflikt wieder anzufachen und ihn noch gehässiger und gewalttätiger zu machen. Sie wissen, Herr Präsident, daß ich bei der Mitteilung meiner tiefen Sorge an Sie und an den Ministerpräsidenten von Israel allein von Beweggründen der sittlichen Ordnung veranlaßt bin, in der Gewißheit, verstanden und — so wage ich zu hoffen - im Namen der Menschlichkeit und im Namen des Glaubens an den Schöpfer Gott, der uns allen gemein ist, gehört zu werden. Im Namen Gottes appelliere ich an die palästinensischen und israelischen Verantwortlichen, vor allem das Wohl ihrer Völker und die Zukunft der jüngeren Generationen in Betracht zu ziehen. Jene Generationen sollen nicht ihrerseits das übermäßige Leid erfahren müssen, das diese beiden Völker getroffen hat. Sie müssen fähig sein, vertrauensvoll nach vorne zu schauen, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, in der Provokation, Spannung und Gewalt abgelöst werden von einem neuen Zusammenleben, das für alle von Vorteil ist. Die schmerzliche Geschichte der Vergangenheit darf nicht vergeblich und nutzlos gewesen sein, aber dies ist nur durch den Weitblick der Verantwortungsträger von heute möglich, der es ihnen erlauben wird, um jeden Preis das nötige Vertrauen und die Kompromißbereitschaft wiederherzustellen. Ich bin mir durchaus der praktischen und technischen Schwierigkeiten bewußt, die gewiß bei jedem Abschnitt dieses Weges auftauchen werden, aber ich bin der Ansicht, daß sie mit Mut und Entschlossenheit angegangen werden müssen. Diese Tugenden sind denen eigen, die für den Frieden arbeiten in einem Land, das sowohl für die dort ansässigen Völker als auch für die ganze Menschheit heilig ist. Millionen Gläubige, Juden, Christen und Muslime aus allen Teilen der Welt, 629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schauen auf dieses Land. Viele von ihnen wollen eine Pilgerreise dorthin unternehmen. Auch und besonders aus diesem Grund sollte dort Frieden herrschen, damit der Sinn des herrannahenden großen Jubeljahrs 2000 vollkommen sei. Ich grüße Sie herzlich, Herr Präsident, und beteuere erneut meine Nähe zu Ihnen und zum palästinensischen Volk. Ich versichere Ihnen, daß der Hl. Stuhl immer bereit ist, die Vertreter der Palästinenser und Israelis willkommen zu heißen, die guten Willens und vertrauensvoll den Frieden aufbauen möchten. Der Hl. Stuhl wird dieselbe Aufgeschlossenheit gegenüber denen zeigen, die ihren notwendigen Beitrag aufrichtig leisten wollen. Der Allmächtige Gott segne jene, die Frieden säen und das Wohl aller Völker suchen. Aus dem Vatikan, 16. Juni 1997 Joannes Paulus PP. II Die Dienste brüderlicher Nächstenliebe ausweiten Ansprache vor der Jahresversammlung der Hilfswerke für die Ostkirchen (ROACO) am 19. Juni Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Mitglieder und Freunde der ROACO! 1. An euch alle richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß anläßlich eurer alljährlichen Versammlung als Mitglieder der ROACO und Leiter der Kongregation für die Orientalischen Kirchen. Ich begrüße zuerst Kardinal Achille Silvestrini, dem ich für seine freundlichen Worte danke, mit denen er die gemeinsamen Empfindungen herzlicher Hingabe zum Ausdruck gebracht und eure mannigfaltigen Tätigkeiten skizziert hat. Mit ihm begrüße ich den Sekretär der Kongregation, Erzbischof Msgr. Miroslav Marusyn, und den Untersekretär, P. Marco Brogi. Ich freue mich, auch Erzbischof Datev Sarkissian in Vertretung Seiner Heiligkeit Karekin I., Katholikos aller Armenier, begrüßen zu können. Durch ihn sende ich Seiner Heiligkeit einen brüderlichen Gruß; die freundschaftlichen Treffen im vergangenen Dezember sind mir immer noch in lebhafter Erinnerung. Schließlich begrüße ich euch alle, die ihr hier versammelt seid, und spreche jedem meine Anerkennung und Dankbarkeit für die von euch geleistete Arbeit aus. Es ist mir eine Freude, euch heute zum Abschluß eurer Tagung zu treffen, denn ich bemerke, daß trotz der gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der großzügige Einsatz, der die von euch vertretenen Werke beseelt, nicht nachgelassen hat. Ich hatte schon im Apostolischen Schreiben Orientale lumen erwähnt, „daß die Gemeinschaften im Westen bereit sind ..., die Intensivierung dieses Dienstes der Diakonie dadurch zu fördern, daß sie ihre Erfahrungen zur Verfü- 630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gung stellen, die sie in den Jahren einer freieren Ausübung der Nächstenliebe erwerben konnten. Wehe uns, wenn der Überfluß der einen Seite Anlaß zur Demütigung der anderen Seite oder zu fruchtlosem und anstoßerregendem Konkurrenzdenken wäre. Die Gemeinschaften im Westen werden es sich ihrerseits zur Pflicht machen, wo es möglich ist, vor allem den Dienst betreffende Vorhaben mit den Brüdern der Ostkirchen zu teilen oder zur Verwirklichung dessen beizutragen, was diese im Dienst an ihren Völkern unternehmen“ (Nr. 23). Die Erinnerung an meinen jüngsten Besuch bei den Kirchen im Libanon, denen ich das Nachsynodale Apostolische Schreiben Eine neue Hoffnung für den Libanon übergeben habe, steht mir noch ganz klar vor Augen. In diesem Schreiben habe ich daran erinnert, daß die Mission der Kirchen den Einsatz aller erfordert sowie den festen Willen, die Charismen jedes Menschen und den geistigen Reichtum jeder Gemeinschaft auszuschöpfen, damit sie ein Faktor der Einheit und Brüderlichkeit sein kann. Dies geschieht auch durch „einen Gabenaustausch unter allen, mit besonderer Aufmerksamkeit für die Armen, denn dies ist ein spezifischer Dienst der katholischen Kirche für alle Menschen“ (Nr. 118). 2. In Zukunft wird die ROACO eine immer aktivere Rolle in dem Werk spielen, das die Kongregation für die Orientalischen Kirchen aufgrund der neueren politischen Entwicklungen eingeleitet hat: die Erweiterung der allgemeinen Perspektive des Dienstes auf die katholischen Ostkirchen durch die Unterstützung und Förderung ihrer Entfaltung unter so veränderten Bedingungen. Nachdem sie nämlich ihre Freiheit wiedererlangt haben, befragen sie sich immer systematischer über die (richtige) Art, ihre spezifisch östliche Identität im Kontext der katholischen Kirche zu leben. Die Kongregation für die Orientalischen Kirche empfindet es in diesem so bedeutenden Prozeß als ihre Aufgabe, die Fürsorge der universalen Kirche zu zeigen, indem sie - zusammen mit den Ostkirchen - neue Initiativen anregt und fordert, vor allem im Bereich der Studien, der Vertiefung der Liturgie, der Spiritualität und der Geschichte sowie hinsichtlich der Erziehungsarbeit und der praktischen pastoralen Planung. Parallel und ergänzend dazu setzt sich die Kongregation zu Recht dafür ein, daß auch die Kirche im Westen den Beitrag der katholischen Ostkirchen mit immer größerer Feinfühligkeit aufwertet und auf diese Weise einen immer vollständigeren Ausdruck der Katholizität als solcher fordert. Ich bitte euch, die Kongregation in ihrer vermehrten Tätigkeit, die im Laufe der Zeit noch fordernder werden wird, zu unterstützen und ihr beizustehen. Ein praktisches Beispiel für diese Initiativen ist die bevorstehende Versammlung der Bischöfe und Ordensoberen der katholischen Ostkirchen Europas, die vom 30. Juni bis 6. Juli in Hajdüdorog (Ungarn) stattfindet und deren Thema die Identität der Katholiken der Ostkirchen sein wird. Es handelt sich um ein wirklich wichtiges Ereignis. Es vereint - in Begegnung, Betrachtung und gemeinsamem Hören - die im Dikasterium für die Ostkirchen Tätigen mit den Vertretern jener Kirchen, die einen so hohen Preis für ihre Treue zu Christus und zum Hl. Stuhl bezahlt haben und die nun - nach Jahrzehnten der 631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Trennung und Verfolgung - zum ersten Mal wieder alle um einen Tisch versammelt sind. Dieses von der Kongregation organisierte Treffen drückt sehr gut jenen Pastoralen Ansatz aus, der immer mehr von den Dikasterien der Römischen Kurie gefordert wird. Es stellt sich außerdem als eine vorzügliche Gelegenheit dar, damit die Katholiken der Ostkirchen das Erbe ihrer Märtyrer wiederbeleben, im Bewußtsein der neuen pastoralen Erfordernisse wachsen und im Glauben und mit Großzügigkeit die nicht einfache Situation des Ökumenismus angehen können, wo ständig auf ihre Rolle hingewiesen wird. Ich segne diese Initiative von Herzen und wünsche ihr großen Erfolg und geistige Früchte in Fülle. 3. Auch möchte ich das unterstützen, was diese Kongregation für die Seminaristen und Priester und für die Ordensmänner und Ordensfrauen tut, die von ihren Bischöfen und Oberen nach Rom geschickt werden, um ihre Ausbildung zu vervollständigen und ihre kirchlichen Studien zum Abschluß zu bringen. Es muß ihnen geholfen werden, in ihrem Erziehungs- und Studienumfeld eine starke Glaubensausstrahlung zu erfahren, die Gewohnheit des biblischen Gebetes, die Aufmerksamkeit für die Qualität des geistlichen Lebens, das Zeugnis der Gemeinschaft und der Wertschätzung unter all jenen, die sie auf verschiedenen Ebenen begleiten, und den apostolischen Eifer im Dienst am Reich Gottes und an ihren heimatlichen Kirchen. Ich möchte aber die Aufmerksamkeit der ROACO und der Kongregation für die Orientalischen Kirchen auch auf einen anderen Aspekt lenken. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich mehrmals das Heilige Land in bezug auf die verschiedenen Zeitabschnitte des Großen Jubeljahrs erwähnt. Dieses Land war immer ein Gegenstand einzigartiger Vorliebe in der ganzen Kirche. Seit Beginn des christlichen Glaubens hatten die Gemeinschaft von Korinth und die Kirchen von Galatien - vom Eifer des Apostels Paulus angeregt - zurückgelegt und zusammengespart, was sie konnten, um dann ihre Liebesgaben nach Jerusalem zu schicken (vgl. 1 Kor 16,1-4). Dieser Brauch der finanziellen Hilfe nahm in verschiedenen Initiativen feste Gestalt an; darunter ist heute die „Kollekte für das Heilige Land“ von besonderer Bedeutung. Wenn das Land Jesu im Herzen aller Gläubigen ist, dann darf es nicht sein, daß die dortige Christengemeinschaft soziale Notlagen erlebt und daß aufgrund verschiedener Arten der Bedürftigkeit jene Brüder sich entschließen, ihr Land zu verlassen, um anderswo nach menschenwürdigeren Lebensbedingungen zu suchen. Ich lade also die ganze Kirche herzlich ein, zu bedenken, daß das, was vor allem am Karfreitag zugunsten des Heiligen Landes getan wird, eine Geste ausgesuchter und gebührender Brüderlichkeit ist. Sie drückt auf faßbare Weise das aus, was das Land Jesu für alle Christen ist. 4. Liebe Mitglieder der ROACO! Der Papst weiß, daß ihr euch um die Ausbildung der Menschen wie um die Realisierung der nötigen Infrastrukturen kümmert, daß 632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch die Solidarität unter den Christen wie die Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen bedürftiger oder von Unterentwicklung heimgesuchter Bevölkerungsgruppen am Herzen liegen, daß ihr die Werke der katholischen Gemeinschaften wie den Dialog zwischen den Christen und zwischen den verschiedenen Religionen fördert. Ich spreche euch meine Anerkennung aus für eure Antworten auf die Bitten, die an euch herangetragen werden. Ich möchte aber auch die Dankbarkeit jener Völker und Gemeinschaften zum Ausdruck bringen, die sich dank der Arbeit der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und der ROACO in ihren Bemühungen um einen intensiveren Aufschwung der apostolischen Tätigkeit unterstützt sehen und fühlen, daß diese Gesten der Teilnahme aus einer wahrhaften und universaleren Liebe stammen. Die Jungfrau von Nazaret, Mutter des Erlösers, möge euch in euren Vorhaben festigen. Sie erhalte euch in ständigem Hören auf ihre mütterliche Stimme: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Als Unterpfand der göttlichen Hilfe erteile ich euch von Herzen meinen Segen, den ich gerne ausdehne auf alle Kirchen und Einrichtungen, die ihr hier vertretet, und zugunsten der unterschiedlichen Situationen und Projekte, für die ihr euch einsetzt. Europa trägt für die Ökumene eine besondere Verantwortung Botschaft zur Ökumenischen Versammlung in Graz vom 20. Juni An Kardinal Edward Idris Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). 1. Mit diesem Gruß des Apostels Paulus spreche ich Ihnen und den Teilnehmern der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz meine besten Wünsche aus. Ich bitte Sie, allen Brüdern und Schwestern der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften Europas die Zusicherung meiner Nähe im Gebet zu übermitteln. Sie haben sich im Namen des Herrn und in einem Geist der Versöhnung versammelt, um das Wort Gottes zu hören, das uns zu Versöhnung und Gemeinschaft aufruft. Dieser Gruß des hl. Paulus an die Korinther ist sowohl eine Verkündigung als auch ein Segen, und dessen Notwendigkeit haben die Christen zu allen Zeiten verspürt. Er führt uns ein in das Geheimnis der erlösenden Liebe Gottes, der uns so sehr geliebt hat, daß er uns seinen einzigen Sohn Jesus Christus schenkte. Die durch den Sohn vollbrachte Erlösung hat unsere Beziehung zu Gott umgestaltet, nicht nur weil sie die Sünde besiegt, sondern auch seine Gnade über 633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns ausgegossen und so eine neue Gemeinschaft des Lebens geschaffen hat; „da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren“ (Röm 5,10). Die Christen leben in Gemeinschaft mit dem Vater durch die Kraft der Vergebung, die sie durch das Kreuz Christi empfangen haben. Das Thema der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung, nämlich Versöhnung als „Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“, ist wahrlich zeitgemäß. Wie der hl. Paulus uns in Erinnerung ruft, ist Versöhnung Gottes Werk (vgl. 2 Kor 5,18). Dies wird zu Recht als die Grundlage jeden Handelns kirchlicher oder sozialer Versöhnung angesehen. Wiederversöhnung mit Gott ist eng gebunden an die Versöhnung mit den anderen und ergibt sich aus ihr. Und in der Tat sieht der Herr die Wirksamkeit gottesdienstlichen Tuns selbst als davon abhängig. „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfallt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe“ (.Mt 5,23-24). 2. Diese Versammlung findet nach einer verdichteten Entwicklung der Beziehungen und des theologischen Dialoges zwischen den Christen statt, die zu einem neuen Klima unter uns geführt hat. Mit Freude beobachte ich, daß ein besonders wertvolles Ergebnis unserer Kontakte und unseres Dialoges die Stärkung unseres Engagements für die volle Einheit ist auf der Grundlage unseres gewachsenen Bewußtseins von den Glaubenselementen, die wir alle gemeinsam haben (vgl. Ut unum sint, Nr. 49). Auf eine besondere Weise bildet ein klareres Verständnis der bestehenden Grundelemente der Gemeinschaft, das sich aus vorangegangenen Dialogen ergeben hat, die echte Basis für diese Zusammenkunft der Christen verschiedener Konfessionen. Ich bin zuversichtlich, daß Ihre Begegnung eine Quelle großer Freude sein wird, da Sie in Ihrem Gegenüber immer klarer das Antlitz des Herrn selbst erkennen und in den Worten des anderen die Sehnsucht spüren, den einen Glauben an Christus gemeinsam zu verkünden. 3. „Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat“ (2 Kor 5,18). Liebe Brüder und Schwestern! Wir sind aufgerufen, uns in den Dienst der Versöhnung - in all ihren vielfältigen Aspekten - zu stellen. Es macht die Christen nicht glaubwürdig, wenn sie die Botschaft der Versöhnung verkünden, untereinander aber entzweit und zeitweise sogar feindlich gesinnt sind. Es besteht immer noch eine Notwendigkeit zur Läuterung unseres historischen Bewußtseins, das von den Wunden einer verworrenen und manchmal sogar gewalttätigen Vergangenheit gezeichnet ist. Europa trägt für die Ökumene eine besondere Verantwortung. In der Tat sind in Europa die größten Spaltungen zwischen Ost und West und innerhalb des Westens selbst aufgetreten. Allerdings wurden auch in Europa ernsthafte, auf die Versöhnung der Christen zielende Bemühungen und ein Streben nach voller und sichtbarer Einheit unternommen. Diese Versammlung ist ein Zeugnis dafür, wieviel bei 634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Förderung des theologischen Dialoges durch die Unterstützung jener spirituellen Bewegung erreicht wurde, die als Dialog der Liebe bekannt ist und die nötigen Voraussetzungen schafft, damit sich der theologische Dialog in Klarheit, Aufrichtigkeit und gegenseitigem Vertrauen entfalten kann. 4. Auf einer anderen Ebene strebt der europäische Kontinent heute nach der Versöhnung seiner Völker und nach Beseitigung von sozialen Ursachen, die Uneinigkeit schaffen. Nach dem Niedergang der kommunistischen Regierungssysteme ist es zu einer positiveren Beziehung zwischen Ost und West gekommen. Allerdings sind auch neue Probleme und Spannungen entstanden, die ihren Ausdruck manchmal in offenen Konflikten mit Gewalt gefunden haben. Die Christen haben in diesen Konfliktsituationen eine besondere Verantwortung, weil ihr geistliches Erbe selbst den Geist der Vergebung und des Friedens beinhaltet. In einem Europa, das nicht allein nach wirtschaftlichem als auch nach politischem und sozialem Zusammenhalt sucht, können die Christen des Ostens und des Westens einen gemeinsamen und doch unterschiedlichen Beitrag zur geistlichen Dimension des Kontinents leisten. Wir dürfen die Werte, die das Christentum zur Geschichte Europas vermittelt hat, weder vergessen noch geringschätzend ausschalten. Als Jünger Christi müssen wir alle fest davon überzeugt sein, daß wir gemeinsame Verantwortung tragen für die Förderung der Achtung vor den Menschenrechten, vor der Gerechtigkeit und dem Frieden sowie vor allem, was zur Heiligkeit des Lebens gehört. Insbesondere sind wir inmitten einer Zunahme von Indifferentismus und Säkularisierung dazu berufen, Zeugnis für die Werte des Lebens und für den Glauben an die Auferstehung abzulegen, das die ganze christliche Botschaft enthält. Gott möge die Arbeit dieser Versammlung segnen, damit sie zu einem greifbaren Ausdmck unseres Weges zur Versöhnung im Namen des Herrn werde. Mögen die Christen überall mit seiner Hilfe in der Lage sein, den Beginn des dritten Jahrtausends gemeinsam zu feiern. Und mögen wir - von unserem gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, den Herrn und Erlöser der Welt, angeregt - ihn mit erneuerter Begeisterung und tieferem Bewußtsein inständig um die Gnade bitten, uns alle darauf vorzubereiten, das Opfer der Einheit darzubringen: Denn für Gott ist das größte Geschenk der Frieden, die brüderliche Eintracht und ein Volk, das in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vereint wird (vgl. Ut unum sint, Nr. 102). Aus dem Vatikan, 20. Juni 1997 Joannes Paulus PP. II 635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Entwicklung erfordert neue Kriterien zur Verteilung der Arbeit Ansprache bei der Europäischen Tagung zur Soziallehre der Kirche, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden, am 20. Juni Herr Kardinal! Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Zunächst möchte ich meine große Genugtuung über diese Europäische Tagung zur Soziallehre der Kirche zum Ausdruck bringen. Für diese Begegnung haben sich zum ersten Mal die Dozenten des Faches versammelt, um die angemessensten Formen für dessen Unterricht und Verbreitung zu ermitteln. Ich danke Kardinal Roger Etchegaray für die freundlichen Worte, mit denen er dieses bedeutende Ereignis vorgestellt hat. Mein Dank richtet sich auch an Msgr. Angelo Scola, Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität, und an Prof. Adriano Bausola, Rektor der Katholischen Herz-Jesu-Universität, für die tatkräftige Mitarbeit, die sie dem Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden geboten haben bei der Vorbereitung dieser gewinnbringenden Begegnung, die Grund zur Freude und Hoffnung ist. Die Soziallehre der Kirche stellt eine meiner vorrangigen Bemühungen dar, denn ich bin mir voll bewußt, wie großzügig und qualifiziert die aufmerksame Sorge der ganzen Kirche sein muß, um dem Menschen unserer Zeit das Evangelium vom Leben, von der Gerechtigkeit und von der Solidarität zu verkündigen. Sie haben die Gründe für diesen Einsatz der Kirche vertieft und dabei zu Recht innegehalten, um des dreißigsten Jahrestags der Enzyklika Populorum progressio meines verehrten Vorgängers, des Dieners Gottes Paul VI., und des zehnten Jahrestages von Sollicitudo rei socialis zu gedenken. Diese beiden Enzykliken bleiben mit ihrer anspruchsvollen Botschaft auch heute eine aktuelle und unausweichliche Mahnung, nicht die „Baustelle“ zu verlassen, wo die Entwicklung des ganzen Menschen und jedes Menschen aufgebaut wird, und zwar nicht nur nach wirtschaftlichen, sondern auch nach sittlichen Parametern. 2. Bei Ihrer täglichen Arbeit als Dozenten der Soziallehre der Kirche stoßen Sie immer wieder auf dieselbe Frage: „Wie soll die den Christen anvertraute Wahrheit in der gegenwärtigen geschichtlichen und kulturellen Situation vorgestellt werden?“ Immer klarer und zwingender erhebt sich heute die Notwendigkeit einer „neuen Evangelisierung“, einer neuen „implantatio evangelica“, die auch einen Bezug auf soziale Fragen aufweist. Papst Paul VI. hatte aufgefordert, die Spaltung zwischen Evangelium und Kultur durch das Wirken für die Inkulturation des Glaubens zu überwinden. Inkulturation sollte dazu befähigen, die Beurteilungskriterien, die grundlegenden Werte und die Denkansätze einer jeden Gesellschaft durch die Kraft des Evangeliums zu erreichen und zu verwandeln. Die Hauptabsicht, die angesichts der Lage in Europa besonders zeitgemäß erscheint, bestand 636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darin, mit neuem Elan die Bedeutung des christlichen Glaubens für Geschichte, Kultur und Zusammenleben der Menschen hervorzuheben. Ausgehend von Jesus Christus, der einzigen Rettung des Menschen, ist es möglich, den universalen Wert des Glaubens und der christlichen Anthropologie zu unterstreichen, sowie ihre Bedeutung für jedes Umfeld des Daseins. In Christus wird dem Menschen eine spezifische, person- und gemeinschaftsbezogene Interpretation seiner Wirklichkeit angeboten, die offen ist für die Transzendenz. Gerade auf Grund dieser Anthropologie kann sich die Soziallehre der Kirche nicht als Ideologie oder als „dritter Weg“ darstellen, ähnlich anderen politischen und sozialen Ansätzen, sondern ganz eigenständig als theologisch-moralisches Wissen; und dieses hat seinen Ursprung in Gott, der sich dem Menschen mitteilt (vgl. Sol-licitudo rei socialis, Nr. 41). In diesem Geheimnis findet sie die unerschöpfliche Quelle, um das Geschehen im menschlichen Bereich zu deuten und zu orientieren. Die Neuevangelisierung, zu der die ganze Kirche aufgerufen ist, muß deshalb mit vollem Recht die Soziallehre der Kirche in sich aufhehmen (vgl. ebd.) und sich so in die Lage versetzen, die europäischen Völker in ihren konkreten Problemen und Situationen zu erreichen und zu befragen. 3. Eine weitere Perspektive, aus der man die Spektrumsbreite Ihres auf die Soziallehre der Kirche gegründeten Erziehungseinsatzes erkennen kann, betrifft die christliche Ethik. In der zeitgenössischen europäischen Kultur bemerkt man eine starke Neigung, die Ethik zu „privatisieren“ und die öffentliche Bedeutung der sittlichen Botschaft des Christentums zu leugnen. Die Soziallehre der Kirche ist schon in sich selbst Ablehnung einer solchen Privatisierung, weil sie die echten und entscheidenden sozialen Dimensionen des Glaubens herausstellt und ihre ethischen Folgerungen erläutert. Wie ich schon bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt habe, darf man im Blickwinkel der Soziallehre der Kirche nie darauf verzichten, die grundlegende Verbindung des Menschseins mit der Wahrheit sowie den Vorrang der Ethik über Politik, Wirtschaft und Technologie zu unterstreichen. Der europäische Kontinent erlebt gegenwärtig eine komplizierte und schwierige Phase hinsichtlich seiner politischen und wirtschaftlichen Integration und seiner sozialen Organisation. Durch ihre Soziallehre stellt die Kirche diesem Kontinent die Frage nach der sittlichen Qualität seiner Zivilisation als unvermeidliche Voraussetzung für den Aufbau einer wahren Zukunft des Friedens, der Freiheit und der Hoffnung für jedes Volk und jede Nation. 4. Angesichts der vielen und anspruchsvollen Herausforderungen der Gegenwart ist die Kirche in ihrer Evangelisierungstätigkeit dazu berufen, ein intensives und ständiges Werk der Erziehung zum sozialen Engagement zu entwickeln. Ich bin überzeugt, daß dabei Ihr qualifizierter Beitrag nicht fehlen wird, da die Soziallehre der Kirche die tragende Struktur dieser Bemühungen darstellt. Im Licht dieser 637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lehre wird man beweisen können, daß der volle Sinn der menschlichen und christlichen Berufung auch die soziale Dimension einschließt. Das wird vom Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich gemacht, wenn es in Gaudium et spes erklärt: „Verschieden sind [...] die Gaben des Geistes: die einen beruft er dazu, daß sie das Verlangen nach der Heimat bei Gott deutlich bezeugen und es in der Menschheitsfamilie lebendig erhalten; andere beruft er, damit sie im irdischen Bereich den Menschen hingebungsvoll dienen und so durch ihren Beruf die Voraussetzungen für das Himmelreich schaffen“ (Nr. 38). In dieser Hinsicht erscheint die Erziehung zum sozialen Engagement als Entwicklung einer echten christlichen Spiritualität, die von Natur aus berufen ist, jede menschliche Tätigkeit zu beseelen. Ihr wesentliches Element ist die Bemühung, die tiefe Einheit zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe, zwischen Gebet und Arbeit zu leben. Darauf also, liebe Dozenten der Soziallehre der Kirche, wird Ihr Unterricht immer wieder zurückkommen müssen. Der von Ihnen geleistete Beitrag muß auf organische Weise immer mehr zu einem Teil der pastoralen Tätigkeit der christlichen Gemeinschaft werden. 5. Eine angemessene Erziehung zum sozialen Engagement stellt eine doppelte und zugleich einheitliche Forderung dar: nämlich einerseits die Soziallehre der Kirche eingehend zu kennen und andererseits die Auswirkungen der Botschaft des Evangeliums auf die volle Verwirklichung des Menschen in den verschiedenen Umständen seines irdischen Daseins konkret erkennen zu können. Diese doppelte Anforderung wird besonders dringlich, wenn man die Entwicklungsthematik in Betracht zieht, die Sie im Laufe der Arbeiten der Tagung behandelt haben. In der Tat zeigen die gegenwärtigen Prozesse wirtschaftlicher Globalisierung zwar viele positive Aspekte, sie legen aber auch besorgniserregende Tendenzen an den Tag, die bedürftigen Länder, ja ganze Regionen, am Rande der Entwicklung zu lassen. Vor allem Angestellte und Arbeiter spüren die oft dramatischen Folgen der enormen Veränderungen in der Produktion und Verteilung der Güter und der wirtschaftlichen Dienstleistungen. Der am meisten begünstigte Sektor in diesem Prozeß wirtschaftlicher Globalisierung scheint der zu sein, der gemeinhin „Privatsektor“ genannt wird, und zwar wegen seiner unternehmerischen Dynamik. Die Soziallehre der Kirche erkennt diesem Bereich sicherlich eine wichtige Rolle in der Entwicklungsförderung zu, erinnert aber gleichzeitig jeden an seine Verantwortung, immer mit großer Aufmerksamkeit für die Werte des Gemeinwohls und der sozialen Gerechtigkeit tätig zu werden. Wenn es auf internationalem Niveau an angemessenen Strukturen zur Regelung und Orientierung des gegenwärtigen wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses fehlt, so verringert das nicht die soziale Verantwortung der Unternehmer, die in diesem Kontext arbeiten. Die Lage der ärmeren Menschen und Länder ruft jeden auf, die eigene Verantwortung zu übernehmen, damit unverzüglich günstige Bedingungen für die wahre Entwicklung aller geschaffen werden können. 638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Völker haben ein Recht auf Entwicklung: Es sind also die Organisationsformen der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kräfte und sogar die bis heute angewandten Kriterien zur Verteilung der Arbeit, die überdacht und korrigiert werden müssen, im Hinblick auf das Recht auf Arbeit, das jedem Menschen im Rahmen des Gemeinwohls zusteht. Der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden macht diese dringende Notwendigkeit dauernd deutlich und stellt einen klärenden Dialog mit qualifizierten Vertretern der verschiedenen Wirtschafts- und Sozialverbände her: mit Unternehmern, Wirtschaftsfachleuten, Gewerkschaftlern, internationalen Organisationen und Akademikern. Ich danke dem Präsidenten und allen Mitarbeitern dieses Dikasteriums für ihre großzügige Hingabe und wünsche von Herzen, daß ihr Einsatz ein wirksamer Beitrag sein möge bei der Aussaat der Zivilisation der Liebe in die Furchen der menschlichen Geschichte. Ich wünsche außerdem den hier versammelten Dozenten, daß sie erfahrene Erzieher der kommenden Generationen sein mögen, getragen vom Glauben an Christus, den Erlöser jedes Menschen und des ganzen Menschen, vom ständigen Kontakt mit den Problemen der modernen Zeit, von einer gereiften pastoralen Erfahrung und vom weisen Gebrauch der modernen Kommunikationsmittel. Mein Segen möge Sie bei Ihrer Arbeit stärken. Christlicher Glaube, verantwortliche Forschung und die Zukunft der Menschheit Ansprache während des Weltkongresses für Gynäkologische Endoskopie am 21. Juni Meine Damen und Herren! 1. Mit Freude heiße ich Sie alle herzlich willkommen, die Sie in diesen Tagen aus den fünf Kontinenten in Rom zusammengekommen sind, um am Weltkongreß für Gynäkologische Endoskopie teilzunehmen. Mein besonderer Gruß geht an Herrn Prof. Carlo Romanini, Direktor des Instituts für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität Rom-Tor Vergata, dem ich für die liebenswürdigen Worte danke, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Mit Ihrem Treffen wollten Sie den Beitrag hervorheben, den die Anwendung der außerordentlichen Fortschritte der Wissenschaften der Qualität menschlichen Lebens bieten kann, und zugleich die in Ihrer wissenschaftlichen und beruflichen Tätigkeit vorhandenen, tiefen Werte hervorheben. Denn die Gynäkologische Endoskopie führt Sie täglich an die Anfänge des Geheimnisses des Lebens selbst, dem sich mit demütigem und vertrauensvollem Herzen zu nähern der Wissenschaftler gerufen ist, jedem Manipulationsversuch widerstehend. 639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei Ihren intensiven Studientagen hatten Sie Gelegenheit, die von der Begegnung zwischen der wissenschaftlichen Forschung und dem „Evangelium vom Leben“ eröffneten Perspektiven zu vertiefen, und sind mit der Überwindung des engen Horizonts der Gebietssachkenntnis dahin vorgedrungen, die Gesamtheit der in der Ursprünglichkeit der menschlichen Person begründeten Ansprüche zu bedenken. Ihre Forschung hat so, auf Grund der globalen anthropologischen und ethischen Anschauung, in der sie sich bewegte, eine starke Wertigkeit an Weisheit erworben. Und das zu Recht. Denn die Wissenschaft - wenn losgelöst von den authentischen Werten, die den Menschen bestimmen - läuft Gefahr, zur zweckdienlichen Übung abzufallen, gefangen im Netz des Gesetzes von Angebot und Nachfrage. Anstatt auf die tiefen Bedürfnisse des Menschen zu antworten, beschränkt sie sich so darauf, bruchstückhafte Lösungen für seine unmittelbaren Anforderungen hervorzubringen. Es wird so jene innere Verbindung abgebrochen, die die Tätigkeit des Menschen zur Tiefe seines Seins, geschaffen als Abbild Gottes, zurückfuhrt. 2. Die geschichtliche Aufgabe, die in der wissenschaftlichen Forschung Gläubige und Menschen guten Willens vereint, besteht in der Förderung - jenseits aller rechtlichen Formalität - dessen, was die Menschenwürde fördert. Wer das Geschenk des Glaubens hat, weiß, daß am Ursprung jedes Menschen eine schöpferische Handlung Gottes steht, eine Liebesabsicht, die darauf angelegt ist, verwirklicht zu werden. Diese grundsätzliche Wahrheit, auch erfaßbar mit den wenn auch begrenzten Kräften des Verstandes, gewährt Einblick in die allerhöchste Sendung, die der menschlichen Sexualität zugeschrieben ist: Sie ist nämlich berufen, mit der schöpferischen Kraft Gottes zusammenzuwirken. Es ist gerade diese Mitwirkung, in der die menschliche Freiheit ihren höchsten Ausdruck und ihre unüberschreitbare Grenze findet. Von hier rührt ebenfalls die besondere Bedeutung Ihres beruflichen und wissenschaftlichen Wirkens her, das ausgerichtet ist, die Geheimnisse der Natur zu erforschen, um deren tiefe Wahrheit entziffern zu können und so die konkrete Verwirklichung der Wahlen zu ermöglichen, die sich von ihr anregen lassen. Es handelt sich hierbei um einen Weg, der - dadurch, daß er von herrschenden Ideologien abweicht - dem Unverständnis und einem Leben in Außenseiterposition aussetzt und der deshalb stete Treue zur Wahrheit Gottes und des Menschen fordert. Es ist jedoch auch ein Weg, der, da er Denkweisen formt, die für die Wahrheit geöffnet sind, zur vorzüglichen Übung der Barmherzigkeit wird. 3. Für all das ist eine klare Übernahme sittlicher Verantwortlichkeit notwendig. In unserer Zeit nimmt eine derartige Verpflichtung häufig dramatische Konturen an, vor allem angesichts der Angriffe, „die das werdende und das zu Ende gehende Leben betreffen, Angriffe, die im Vergleich zur Vergangenheit neue Merkmale aufweisen und ungewöhnlich ernste Probleme aufwerfen: deshalb, weil die Tendenz besteht, daß sie im Bewußtsein der Öffentlichkeit den Werbrechenscharakter1 verlieren und paradoxerweise ,Rechtscharakter1 annehmen“ (Evange- 640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lium vitae, Nr. 11). So stellt sich die ethische Frage im Horizont der Kultur und an der Wurzel des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens. Angesichts der Versuchung zu Autonomie und Aneignung gibt die Kirche den Zeitgenossen zu bedenken: „Das Leben des Menschen kommt aus Gott, es ist sein Geschenk, sein Abbild und Ebenbild, Teilhabe an seinem Lebensatem“ (ebd., Nr. 39). Das Leben ist solches, wenn es verbreitet und geschenkt wird: in der Brüderlichkeit, in der Solidarität, in der Zeugung neuen Lebens, im äußersten Zeugnis des Martyriums. Im Hinblick auf die Versuchung der selbstzerstörerischen Verneinung bringt die Kirche in Erinnerung: „Das Leben ist immer ein Gut“ {ebd., Nr. 34). Diese Perspektive, der vernunftgemäßen Forschung nicht fremd, findet volles Licht in der christlichen Offenbarung. Denn auf dem Weg des Glaubens wird der Mensch in die Lage versetzt, selbst in Situationen des Leidens und des Todes, die sein Dasein auf dramatische Weise durchqueren, eine authentische Möglichkeit des Guten und des Lebens zu gewahren. Da erkennt er im entstellten Antlitz des Gekreuzigten die Züge Gottes; in seinem Kreuz den Baum des Lebens. 4. Nach Jahrhunderten fortschreitender Trennung zwischen Glauben und Kultur fordern die unter gewissen Gesichtspunkten besorgniserregenden Ergebnisse der Moderne die Gläubigen auf, eine mitreißende und prophetische Rolle zu übernehmen und zum treibenden Pol für den Aufbau der Zivilisation des dritten Jahrtausends zu werden. Der christliche Glaube betrachtet die Sorge um die Zukunft des Menschen nicht als nebensächlich und vorübergehend. Er regt die Gläubigen dazu an, in der Perspektive des eschatologischen Ziels, sich in der gegenwärtigen Welt für eine Entwicklung einzusetzen, die jede menschliche Dimension respektiert, denn: „Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch“ (Irenäus, Adv. haer. IV, 20,7; BKV Bd. 4, Kempten/München 1912, S. 66). Es ist deshalb in der erneuerten Beziehung zwischen Glauben, gesellschaftlicher Praktik und wissenschaftlicher Forschung nötig, berufliche Profile auszumachen, die den Anforderungen unserer Zeit und den immerwährenden Werten des Menschen angemessen und in der Lage sind, die Integration zwischen Glauben und Leben zu verwirklichen. Denn „das Evangelium vom Leben ist für die Gesellschaft der Menschen da. Für das Leben eintreten heißt zur Erneuerung der Gesellschaft durch den Aufbau des Gemeinwohls beitragen“ {Evangelium vitae, Nr. 101). Sehr geehrte Dozenten, auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend wiederhole ich einem jedem von Ihnen die Aufforderung, sich zum Förderer der Kultur der Liebe zu machen, indem Sie Ihre jungen Studenten und Mitarbeiter auf dem Bildungsweg unterstützen, damit sich die Front zur Verteidigung des Lebens immer mehr verbreitert und verfestigt. Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen und denjenigen, die mit Ihnen in einem so wichtigen wissenschaftlichen Bereich tätig sind, einen besonderen Apostolischen Segen. 641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kultur und Religion Armeniens - Impulse für Fortschritt in der Ökumene Ansprache an die Bischofssynode der armenisch-katholischen Kirche am 23. Juni Verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. Mein Herz ist erfüllt von heiliger Freude zur Begrüßung Seiner Seligkeit Johannes Petros XVIII. Kasparian, des armenischen Patriarchen von Kilikien, und der Bischofssynode der armenisch katholischen Kirche. Die Tore des Hauses der hll. Apostel Petrus und Paulus, die Tore der universalen Brüderlichkeit öffnen sich, um euch alle, Brüder in Christus und treue Zeugen seines Evangeliums, mit heiligem Kuß zu empfangen. Ich weiß, daß ihr in diesen Tagen hier in Rom versammelt seid, um das Studium des „ius particulare“ zu vervollkommnen, das vom Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen (CCEO) vorgesehen ist. Diese Bemühungen sind sehr wichtig und bedeutsam. Wenn nämlich der Codex gedacht ist als eine Zusammenstellung der einheitlichen Anweisungen für alle orientalischen Kirchen, die schon in voller Gemeinschaft mit diesem Apostolischen Stuhl sind, so weiß die katholische Kirche doch, daß jede der orientalischen Kirchen ihre eigene Geschichte und ihre spezifischen Traditionen besitzt, nicht nur im Rahmen der Liturgie, sondern auch hinsichtlich der rechtlichen Bestimmungen. Auch das Zweite Vatikanische Konzil hat das bestätigt: „Schon von den ältesten Zeiten her hatten die Kirchen des Orients ihre eigenen Kirchenordnungen, die von den heiligen Vätern und Synoden, auch von ökumenischen, sanktioniert worden sind. Da nun eine gewisse Verschiedenheit der Sitten und Gebräuche [...] nicht im geringsten der Einheit der Kirche entgegensteht, sondern vielmehr ihre Zierde und Schönheit vermehrt und zur Erfüllung ihrer Sendung nicht wenig beiträgt, so erklärt das Heilige Konzil feierlich, um jeden Zweifel auszuschließen, daß die Kirchen des Orients, im Bewußtsein der notwendigen Einheit der ganzen Kirche, die Fähigkeit haben, sich nach ihren eigenen Ordnungen zu regieren, wie sie der Geistesart ihrer Gläubigen am meisten entsprechen und dem Heil der Seelen am besten dienlich sind“ (Unitatis redin-tegratio, Nr. 16). Es „ist nämlich das Ziel der katholischen Kirche“, so sagt das Konzil weiter, „daß die Überlieferungen jeder einzelnen Teilkirche oder eines jeden Ritus unverletzt erhalten bleiben; zugleich soll sich der Lebensstil dieser Kirchen den verschiedenen zeitlichen und örtlichen Notwendigkeiten anpassen“ (Orientalium ecclesiarum, Nr. 2). 2. Was ihr in diesen Tagen tut, ist also gewissermaßen die Vervollständigung des vom Orientalischen Codex dargestellten Werkes: Ihr kodifiziert die besonderen Regeln, die eure Tradition betreffen, und vollendet die gesetzgeberische Arbeit für eure Kirche, indem ihr die Selbständigkeit und Freiheit eures spezifischen Erbes berücksichtigt. 642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darin liegt ein symbolischer Wert, den ich an dieser Stelle erwähnen möchte: Der Hl. Stuhl gewährleistet einerseits die Elemente der gemeinsamen Zugehörigkeit zum katholischen Glauben, verteidigt und schützt aber andererseits das Recht sui iuris der Ostkirchen, ihre Eigentümlichkeit in den dafür vorgesehen Formen auszudrücken, gemäß folgendem Grundsatz: „Die Evangelisierung der Völker soll derart erfolgen, daß die Ganzheit des Glaubens und der Gebräuche erhalten bleibt und daß das Evangelium seinen Ausdruck finden kann in der Kultur jedes einzelnen Volkes, das heißt in der Katechese, in den eigenen liturgischen Handlungen, in der religiösen Kunst, in den besonderen Rechtsnormen und schließlich im ganzen Kirchenleben“ (CCEO, can. 584 § 2). Der universale und der örtliche Aspekt verschmelzen also und sind gegenseitig verflochten im Aufbau der einen, heiligen Kirche. Eure Katholizität schmälert eure Zugehörigkeit zum armenischen Volk in keiner Weise; im Gegenteil, sie unterstützt und schützt dieses Zugehörigkeitsgefühl, bringt es in innere Verbindung mit vielen anderen Ausdrucksformen des gemeinsamen Glaubens und ermöglicht so den anderen Kirchen, vom Beitrag eurer Einmaligkeit zu profitieren. 3. Verehrte Brüder! Die Kodifizierung des „ius particulare“ sei für euch ein willkommener Anlaß, um die seelsorgerische Praxis nach diesem Vorbild zu formen, damit man zu den „Überlieferungen der Väter“ zurückkehren kann, wie vom Konzil für den Fall erhofft wird, daß man „wegen besonderer Zeitumstände oder persönlicher Verhältnisse“ von ihnen abgekommen ist (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 6). Aus der Achtung für die eigene Identität entspringt nämlich die Bemühung, sie vollkommen zu leben, indem man sich sowohl für ihre volle Wiedererlangung einsetzt als auch dafür, daß sie für die Gläubigen von heute so mitteilbar wie möglich gemacht wird. Konkret bringt dies den ständigen Einsatz zur Wiederentdeckung eurer patristischen und liturgischen Quellen mit sich, um daraus Inspirationen für die Katechese, das geistige Leben und sogar eure kirchliche Kunst zu schöpfen. Es ist mein tiefempfundener Wunsch, das Leben eurer Kirche möge immer vom Geist des armenischen Volkes geprägt sein. Viele religiöse Kunstdenkmäler und literarische Werke von unschätzbarem Wert sind ausdrückliche Zeugnisse dieses Geistes. Einige dieser Monumente haben ihren ursprünglichen Glanz schon wiedererhalten und werden erneut für liturgische Handlungen genutzt, während andere leider auch heute noch verwahrlosen und den Zerstörungen der Zeit ausgesetzt sind. Wenn ihr euch nun für diese Unternehmung einsetzt, werdet ihr wirksam zur Neuentdeckung der gemeinsamen religiösen Wurzeln des ganzen armenischen Volkes beitragen, und ihr werdet dem Fortschritt der Ökumene einen bedeutenden Impuls geben können. 4. Verehrte und liebe Brüder! Ich habe erfahren, daß ihr euch darauf vorbereitet, die siebzehn Jahrhunderte seit der Bekehrung des armenischen Volkes zum christlichen Glauben feierlich zu begehen. Dieses Ereignis ist für die Kirche auf der 643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen Welt ein Anlaß zur Betrachtung und zum Dank an Gott: Ihr wart in der Tat das erste Volk das - als solches - den Glauben angenommen hat und christlich wurde. Wegen dieser Tat, und darüber hinaus wegen eurer Geschichte der Treue zu Christus, die euch einen sehr hohen Blutzoll kostete, empfinde ich das Bedürfnis, euch im Namen des ganzen Christenvolkes meine herzliche Dankbarkeit auszusprechen. Die Ereignisse von damals beweisen, daß es ohne eine persönliche und innere Bekehrung auch keine Bekehrung der Massen geben kann: Die Geschichte von König Tiridates und seine tiefe seelische Qual, die ihn dazu führte, sich aus einem Verfolger in einen Verteidiger Christi und seines Volkes zu verwandeln, ist ein beredtes Zeichen dieser tiefen Wahrheit. Die enge Verbindung zwischen der Taufe Armeniens und der Kirche von Kappadozien durch die Gestalt Gregors des Erleuchters deutet auf die fruchtbare ökumenische Aufgeschlossenheit hin, die die ganze Geschichte des armenischen Volkes auszeichnet und es dazu geführt hat, nicht nur den kappadozischen Beitrag, sondern auch den syrischen, den byzantinischen und den lateinischen mit Dankbarkeit zu empfangen. Die Armenier haben all diese Aspekte mit großer Offenheit aufzunehmen verstanden und sie mit dem originären Beitrag ihrer eigenen Empfindungen miteinander verschmolzen: Daraus ist ein offenes und fruchtbringendes kirchliches und kulturelles Modell hervorgegangen, das einen modernen Bezugspunkt für viele andere Völker darstellt. 5. Ich wünsche euch von Herzen und bete zu Gott, daß die Armenier immer würdige Zeugen ihrer glorreichen Vergangenheit sein mögen. Ich bin zuversichtlich, daß die Feier des 1700. Jahrestags der Taufe eures Volkes für euch alle eine kostbare Gelegenheit sein wird zur Intensivierung der gemeinsamen Bande der Zugehörigkeit nicht nur zu euren ethnischen Wurzeln, sondern auch zum christlichen Glauben, der durch diese Zugehörigkeit so klar identifiziert wird. Wenn man nämlich ein solch wichtiges Ereignis der Vergangenheit feiert, wird dieses Ereignis um so mehr eine ausdrucksstarke Hoffnungsbotschaft für die Menschen von heute, je deutlicher sie die Einheit im gegenwärtigen Einsatz zur Evangelisierung zeigt. Eine gemeinsame Herkunft muß zu einer gemeinsamen Anstrengung für ein gemeinsames Zeugnis führen. Je mehr also die Einheit durch das geschichtliche und religiöse Gedächtnis gefestigt wird, desto stärker und überzeugender wird die Verkündigung des gestorbenen und auferstandenen Christus sein. Ihr seid aufgerufen, diese Verkündigung in unserer Zeit zu erneuern und euren Blick schon auf das Große Jubeljahr 2000 zu richten. Mit diesen Empfindungen versichere ich euch meines Gebets für alle, die ihr hier versammelt seid, für eure geliebte Kirche, für die Söhne und Töchter des armenischen Volkes und vor allem für jene, die unter Schwierigkeiten und Qualen - sowohl materieller als auch spiritueller Art - zu leiden haben. Durch die Fürsprache der heiligen Jungfrau Maria und eurer heiligen Namenspatrone rufe ich auf jeden die Gaben des Himmels in Fülle herab. Als Unterpfand dafür spende ich allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. 644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Engagiertes Wirken der Katholiken in Hongkong Schreiben an Kardinal Wu anläßlich der Rückgabe Hongkongs an China vom 24. Juni An meinen verehrten Bruder Kardinal John Baptist Wu Chengchung, Bischof von Hongkong Die Rückkehr Hongkongs unter chinesische Souveränität am kommenden 1. Juli ist ein Ereignis von entscheidender historischer Bedeutung für das chinesische Volk, aber auch ein wichtiger und bedeutsamer Augenblick für die Diözesange-meinschaft, die Ihrer pastoralen Sorge anvertraut ist. Sie ist ein wesentliches Ereignis, das demnach im Geist des Glaubens, des Gebets und des Vertrauens auf jene göttliche Vorsehung gelebt werden muß, die den Lauf der Menschheitsgeschichte auf geheimnisvolle Art und Weise lenkt. Während ihres 156jährigen Bestehens - zunächst als Apostolische Präfektur, dann als Apostolisches Vikariat und schließlich als Diözese - konnte die Kirche in Hongkong stets größeres Ansehen erlangen und durch ihren hochherzigen Dienst am Menschen zunehmende Achtung in der Gesellschaft gewinnen. Die Verkündigung der Frohbotschaft der in Jesus Christus offenbarten Liebe Gottes, des Vaters, und die Solidarität mit dem Menschen und seiner Geschichte war und ist auch heute noch der wesentliche Stützpfeiler der katholischen Präsenz in Hongkong. Diese Präsenz ist in vielen Bereichen wirksam und bestrebt, religiöse, sittliche, kulturelle und soziale Werte durch ein breites Netz diözesaner Organe, kirchlicher Gemeinschaften, von Bildungseinrichtungen und allgemein geschätzten Zentren für Wohltätigkeitszwecke und Sozialarbeit zu fordern. Das wundervolle Werk der Katholiken in Hongkong beruht auf jenem Geist des Evangeliums, den der Apostel Petrus mit den Worten zum Ausdruck brachte, die er an den Gelähmten am Tempeltor richtete: „Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!“ (Apg 3,6). Bei der Erfüllung ihrer Mission in der Welt „bestimmt die Kirche“ in der Tat, jeein irdischer Machtwille, sondern nur dies eine: unter Führung des Geistes, des Trösters, das Werk Christi selbst weiterzuführen, der in die Welt kam, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen“ (Gaudium et spes, Nr. 3). Dieser Dienst der Evangelisierung und konkreten Solidarität darf nicht nachlassen, sondern wird nun in der Tat auf noch intensivere Art und Weise zunehmen müssen, da die Diözese Hongkong inmitten der chinesischen Nation mehr denn je berufen ist, „eine Stadt auf dem Berg“ und „ein Licht auf dem Leuchter“ (vgl. Mt 5,14-15) zu sein. Angesichts dieser neuen historischen Realität ist es Aufgabe der katholischen Gemeinschaft, alle auf dem Weg zu weiterem sozialen Fortschritt, Frieden und Solidarität zu begleiten. 645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihnen, Eminenz, Ihren Mitarbeitern, den Bischöfen, dem Klerus, den Ordensleuten, der gesamten Diözesangemeinschaft wie auch allen Menschen guten Willens bin ich im Gebet verbunden. Meine Gedanken gehen auch zu den Katholiken des chinesischen Festlands, die in dieser Zeit in ganz besonderer Weise mit ihren Glaubensbrüdem und -Schwestern in Hongkong verbunden sind. Für jeden von Ihnen erflehe ich die reichen Gaben des Heiligen Geistes und den Schutz Marias, Hilfe der Christen. Verehrter Bruder, mit diesem Wunsch möchte ich Sie herzlichst grüßen und bitten, all denjenigen, die gemeinsam mit Ihnen am 1. Juli an der Eucharistiefeier in der Kathedrale teilnehmen werden - allen, die dieses historische Ereignis erleben -, meine geistige Nähe und meinen ständigen Beistand im Gebet zu übermitteln. Von ganzem Herzen erteile ich jedem Mitglied Ihrer katholischen Gemeinde meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 24. Juni 1997, Fest des hl. Johannes des Täufers. Joannes Paulus PP. II Verbundenheit mit dem Zeugnis der Apostelfürsten bekunden Predigt am Hochfest der hll. Petrus und Paulus, 29. Juni 1. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ {Mt 16,18). Der Wortgottesdienst am heutigen Hochfest der hll. Petrus und Paulus weist zwei Elemente auf, die sich zu widersprechen scheinen, sich aber in Wirklichkeit gegenseitig ergänzen. In der Tat finden wir einerseits die außergewöhnliche Berufung der Apostel Petrus und Paulus und andererseits die Schwierigkeiten, auf die sie bei der Erfüllung des vom Herrn erhaltenen Auftrags gestoßen sind. Im Evangelium wendet sich Jesus bei Cäsarea Philippi folgendermaßen an Simon Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ {Mt 16,19). So kündigt Christus die Errichtung der Kirche an und gründet sie auf das Petrusamt, das demzufolge für sie eine wesentliche und dauernde Bedeutung annimmt. Als Jesus fragte, für wen die Leute den Menschensohn hielten, hatten die Apostel verschiedene unter den Juden kursierende Meinungen widergegeben. Aber als er sie direkt fragte: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ {Mt 16,15), antwortete Petrus im Namen der Zwölf: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ {Mt 16,16). Petrus legte sein Bekenntnis des Glaubens an Christus ab, und dieser sein Glaube ist die solide Grundlage für das Volk des Neuen Bundes. Die Kirche ist nicht in 646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erster Linie eine Sozialstruktur; sie ist die Gemeinschaft jener, die denselben Glauben des Petrus und der Apostel teilen; die Gemeinschaft jener, die den einzigen apostolischen Glauben verkünden. Dieses gemeinsame Glaubensbekenntnis stellt die echte Daseinsberechtigung der Kirche als sichtbare Einrichtung dar: Es begründet und trägt jedes ihrer Projekte und Initiativen. 2. Wir hören diese Worte Jesu wieder an dem Tag, an dem wir mit Verehrung der hll. Apostel Petrus und Paulus gedenken. Die Kirchenväter verglichen sie gerne mit zwei Säulen, auf denen der sichtbare Aufbau der Kirche ruht. Der antiken Tradition folgend, feiert die Liturgie sie zusammen und gedenkt ihres glorreichen Martyriums am gleichen Tage: Petrus, dessen Grab sich bei diesem Vatikanischen Hügel befindet, und Paulus, der in der Nähe der Via Ostiense verehrt wird. Beide haben das Zeugnis, das sie durch ihr Predigen und ihren kirchlichen Dienst für Christus abgelegt haben, mit ihrem Blut besiegelt. Dieses Zeugnis wird von der heutigen Liturgie gut herausgestellt. Sie läßt auch den tiefen Grund erkennen, warum es angemessen war, daß der von den beiden Aposteln mit den Lippen bekannte Glaube vom äußersten Beweis des Märtyrertods gekrönt würde. 3. Dieser Grund geht aus dem soeben verlesenen Abschnitt der Apostelgeschichte hervor, wie auch aus dem Antwortpsalm und aus dem Abschnitt aus dem Brief an Timotheus. Im Kehrvers des Antwortpsalms erscheint er in zusammengefaßter Form: „All meinen Ängsten hat mich der Herr entrissen“ (Ps 34,5). Die erste Lesung erinnert an die wunderbare Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis in Jerusalem, wo er von König Herodes in Haft gehalten wurde. In der zweiten Lesung schreibt Paulus, gewissermaßen seine ganze apostolische und missionarische Tätigkeit zusammenfassend: „So wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen“ (2 Tim 4,17). Das eine wie das andere Zeugnis belegen in einem gewissen Sinne den von beiden Aposteln zurückgelegten, gemeinsamen Weg. Beide wurden von Christus gesandt, das Evangelium in einem dem Heilswerk feindlich gesinnten Kontext zu verkündigen. Petrus erfuhr diesen Widerstand schon in Jerusalem, wo ihn Herodes, um die Gunst der Juden zu gewinnen, ins Gefängnis warf in der Absicht, „ihn nach dem Paschafest dem Volk vorfuhren zu lassen“ (Apg 12,4). Petrus aber wurde auf wunderbare Weise aus den Händen des Herodes befreit und konnte so seinen Evangelisierungsauftrag erfüllen, zuerst in Jerusalem und dann in Rom, und seine ganze Tatkraft in den Dienst der entstehenden Kirche stellen. Paulus hingegen wurde vom Auferstandenen in viele Städte und zu vielen heidnischen Völkern gesandt, die zum Römischen Reich gehörten. Auch er stieß auf heftigen Widerstand, sowohl von seiten seiner Mitbürger als auch der Zivilbehörden. Seine Briefe sind ein ausgezeichnetes Zeugnis dieser Schwierigkeiten und des schweren Kampfes, den er für die Sache des Evangeliums aufnehmen mußte. 647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Ende seiner Mission angelangt, konnte er dann schreiben: „Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten“ (2 Tim 4,6-7). Petrus und Paulus, jeder mit seiner eigenen persönlichen und kirchlichen Geschichte, bezeugen, daß der Herr sie auch inmitten der härtesten Prüfungen nie verlassen hat. Er war mit Petrus, um ihn aus den Händen seiner Gegner in Jerusalem zu befreien; er war mit Paulus während seiner ständigen apostolischen Bemühungen, um ihm die Kraft seiner Gnade mitzuteilen, damit er zu einem unerschrockenen Verkünder des Evangeliums zum Nutzen der Nationen werden konnte (vgl. 2 Tim 4,17). 4. Die Kirche ist aufgerufen, ihre Verbundenheit mit dem Zeugnis der Apostel Petrus und Paulus zu vertiefen. Durch die Feier des heutigen liturgischen Hochfestes stärken die christlichen Gemeinschaften auf der ganzen Welt die Bande der Einheit untereinander, die auf dem Bekenntnis desselben Glaubens an Christus und auf brüderlicher Liebe gründen. Ein beredtes Zeichen dieser kirchlichen Gemeinschaft ist der Ritus der Verleihung des heiligen Palliums durch den Nachfolger Petri an die neuen Erzbischöfe und Metropoliten aus verschiedenen Ländern. Liebe Brüder im Bischofsamt! Es ist mir eine Freude, euch zu dieser festlichen Liturgiefeier zu empfangen, in deren Verlauf ihr das Pallium erhalten werdet als Zeichen der Einheit mit dem Stuhl Petri und der Teilnahme an der Mission zur Verkündigung des Evangeliums an alle Völker, die Jesus den Aposteln und ihren Nachfolgern aufgetragen hat. Zusammen mit euch sende ich einen Gruß und eine herzliche Umarmung an die euch anvertrauten Kirchengemeinschaften und bitte den Herrn um die Gaben des Geistes in Fülle für eure Gläubigen. 5. Das Glaubenszeugnis und der beschwerliche Kampf, den die Apostel Petrus und Paulus um des Evangeliums willen aufhehmen mußten, endeten, rein menschlich betrachtet, mit einer Niederlage. Auch darin waren die Apostel dem Vorbild Christi treu. Menschlich gesehen, endete nämlich auch die Mission des zum Tode verurteilten und gekreuzigten Christus mit einer Niederlage. Trotzdem hielten beide ihren Blick fest auf das österliche Geheimnis gerichtet, und sie zweifelten nicht daran, daß gerade das, was in den Augen der Welt als eine Niederlage erscheinen mochte, in Wahrheit die beginnende Verwirklichung des Planes Gottes anzeigte. Es war der Sieg über die Mächte des Bösen, der zuerst von Christus und dann von seinen Jüngern durch den Glauben errungen wurde. Die ganze Gemeinschaft der Gläubigen ruht auf dem sicheren Fundament des apostolischen Glaubens und dankt Christus für den starken Fels, auf den sowohl ihr Leben als auch ihre Mission aufgebaut ist. Der Herr, der uns heute mit dem glorreichen Andenken an die hll. Apostel Petrus und Paulus erfreut, gewähre uns, ihre Lehren mit fügsamem Herzen zu hören, sie ehrfürchtig zu bewahren und treu zu überliefern, damit die Verkündung des Evangeliums alle Grenzen der Erde erreichen möge. Amen! 648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Spaltungen der Vergangenheit heilen Grußbotschaft an Dr. Jane Dempsey Douglass, Präsidentin des Reformierten Weltbundes, vom 30. Juli Mit Freude nehme ich diese durch die Anwesenheit von Kardinal Edward I. Cas-sidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, bei der 23. Vollversammlung des Reformierten Weltbundes in Debrecen, Ungarn, vom 8. bis 20. August sich bietende Gelegenheit wahr, Ihnen und den Teilnehmern an diesem wichtigen Treffen, das unter dem Motto steht: „Löst die Fesseln des Unrechts“, herzliche Grüße zu senden. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben der Reformierte Weltbund und die katholische Kirche zwei Phasen eines internationalen Dialogs geführt, der darauf hinzielt, die Fragen unterschiedlicher Auffassungen in der Lehre zu lösen, die uns noch daran hindern, die sichtbare Einheit zu erlangen, zu der Christus seine Jünger ruft. Andere bedeutende Kontakte haben ebenfalls zu vermehrtem beiderseitigen Verstehen zwischen uns beigetragen. Die katholische Kirche setzt sich für eine Fortsetzung dieses theologischen Dialogs ein, damit wir die bereits gefundenen Übereinstimmungen ausweiten und die noch anstehenden Fragen in Angriff nehmen können und zusammen dem Herrn Jesus Christus, dem einen Mittler zwischen Gott und der Menschheit, Ehre erweisen (vgl. 1 Tim 2,5). Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, Länder in Mittel- und Osteuropa zu besuchen, wo es vor Jahrhunderten oft Zusammenstöße zwischen katholischen und reformierten Christen gegeben hat. Ich erinnere mich gut an meinen Besuch in Debrecen im Jahre 1991. Dort nahm ich an einem ökumenischen Gottesdienst in der Reformierten Kirche teil, und danach besuchte ich das Denkmal, das zur Erinnerung an protestantische Opfer der Religionskriege errichtet wurde. Es war ein mahnender Hinweis darauf, daß Katholiken und Reformierte als Teil ihres gemeinsamen Pilgerweges zur Einheit weiterhin auf Heilung von Vergangenem bedacht sein müssen. Alle christlichen Gemeinschaften haben Märtyrer des Glaubens (vgl. Ut unum sint, Nr. 83). Oft besteht die zugrundeliegende Tragik darin, daß die Liebe des Evangeliums, die jeden hätte erfüllen sollen, nicht einmal zur Achtung voreinander stark genug war. Ihre Vollversammlung tritt gerade einige Jahre vor dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 zusammen, wenn Christen der Menschwerdung des Sohnes Gottes gedenken werden, der allein unser Licht und unsere Hoffnung ist. Ich bete dafür, daß wir diesem Gedenkjahr in einem Geist echter Dankbarkeit entgegengehen, weil wir in den letzten Jahren durch Gottes Gnade begonnen haben, diese Spaltungen der Vergangenheit zu heilen. Möge Gott uns weiterhin helfen, zusammen auf die Herausforderung zu antworten, die durch sein Gebet für seine Jünger an uns gestellt wurde: „Alle sollen eins sein,... damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). 649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Empfindungen erbitte ich Gottes Segen für Ihre Versammlung: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Aus dem Vatikan, 30. Juli 1997 Joannes Paulus PP. II Letamur Magnopere Apostolisches Schreiben anläßlich der Approbation und Veröffentlichung der lateinischen „Editio typica“ des „Katechismus der Katholischen Kirche“ vom 15. August Anlaß zu großer Freude ist für mich die Veröffentlichung der lateinischen Ausgabe des Katechismus der Katholischen Kirche, die von mir mit diesem Apostolischen Schreiben approbiert und promulgiert wird und somit zum endgültigen Text des erwähnten Katechismus wird. Das erfolgt ungefähr fünf Jahre nach dem Erlaß der Apostolischen Konstitution Fidei depositum vom 11. Oktober 1992, mit der am dreißigsten Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils die Veröffentlichung des in französischer Sprache geschriebenen ersten Textes des Katechismus veranlaßt wurde. Mit Genugtuung konnten wir alle feststellen, wie positiv der Katechismus in diesen Jahren in den meisten Fällen aufgenommen worden ist und was für eine weite Verbreitung er insbesondere in den Teilkirchen gefunden hat: Diese haben für seine Übersetzung in die jeweiligen Landessprachen gesorgt, um ihn den verschiedenen Sprachgemeinschaften auf der Welt zugänglich zu machen. Das bestätigt, wie berechtigt das im Jahr 1985 von der Außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode an mich gerichtete Ersuchen gewesen ist, einen Katechismus bzw. ein Kompendium der ganzen katholischen Glaubens- und Sittenlehre erstellen zu lassen. Der Katechismus, der von der 1986 eigens dazu eingerichteten Kommission aus Kardinälen und Bischöfen erarbeitet worden ist, wurde von mir mit der oben genannten Apostolischen Konstitution approbiert und veröffentlicht, die auch jetzt noch ihre volle Gültigkeit und Aktualität behält und in der vorliegenden lateinischen Ausgabe ihre endgültige Durchführung erfahrt. Diese Ausgabe hat eine aus den verschiedenen Dikasterien des Apostolischen Stuhls zusammengesetzte Kommission vorbereitet, die von mir 1993 zu diesem Zweck eingerichtet wurde. Diese Kommission, mit deren Vorsitz ich meinen ehrwürdigen Bruder Joseph Kardinal Ratzinger betraut habe, hat mit Beharrlichkeit und Sorgfalt gearbeitet, um den ihr übertragenen Auftrag zu erfüllen; besondere Aufmerksamkeit hat sie dabei den zahlreichen Änderungsvorschlägen zu Formu- 650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lierutigen des Katechismus gewidmet, die in diesen Jahren aus der ganzen Welt und von verschiedenen Seiten der kirchlichen Gemeinschaft dort eintrafen. Aus dieser Tatsache kann man deutlich ersehen, daß die so beachtliche Zusendung von Verbesserungsvorschlägen das in jeder Beziehung einzigartige Interesse erkennen läßt, das der Katechismus in der ganzen Welt, auch unter Nichtchristen, vielerorts ausgelöst hat. Sie bestätigt zudem die Absicht des Katechismus, sich als vollständige und unverkürzte Darstellung der katholischen Lehre darzubieten, woraus jeder erfahren kann, was die Kirche bekennt und feiert, was sie lebt und wofür sie in ihrem täglichen Tun und Handeln betet. Zugleich zeigt sich ganz offen der entschlossene Wille, beizutragen, damit der christliche Glaube, dessen unumstößliche Hauptinhalte im Katechismus zusammengefaßt werden, den Menschen unserer Zeit in möglichst angemessener Form vorgestellt werde. Außerdem nimmt durch dieses unterstützende Mitwirken von seiten zahlreicher Mitglieder der Kirche wie der reale Gestalt an, was ich in der genannten Apostolischen Konstitution Fidei depositum geschrieben habe: „... weil das Zusammenklingen so vieler Stimmen wirklich das ausdrückt, was man die ,Symphonie' des Glaubens nennen kann“ (Nr. 2). Auch aus diesen Gründen hat die Kommission die eingegangenen Vorschläge ernsthaft erwogen, sie durch verschiedene Instanzen sorgfältig geprüft und mir ihre Entscheidungen zur Bestätigung unterbreitet. Soweit diese Entscheidungen eine angemessenere Darlegung der das katholische Glaubensgut betreffenden Inhalte des Katechismus zulassen oder eine Formulierung mancher Wahrheiten dieses Glaubens ermöglichen, die den Ansprüchen der heutigen Katechese besser entspricht, sind sie von mir approbiert worden und haben somit in die vorliegende lateinische Ausgabe Eingang gefunden. Diese wiederholt also in ihren Lehrinhalten getreu den Text, den ich im Dezember 1992 der Kirche und der Welt offiziell übergeben habe. Mit der heutigen Veröffentlichung der lateinischen Ausgabe findet die Arbeit der Erstellung des Katechismus, die im Jahr 1986 begonnen hat, ihren Abschluß und der Wunsch der vorhin genannten Außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode seine erfolgreiche Erfüllung. Die Kirche verfügt jetzt über diese neue und gültige Darstellung ihres einen und ewigen apostolischen Glaubens, der ein „gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft“ und eine „sichere Norm für die Lehre des Glaubens“ sowie ein „sicherer und authentischer Bezugstext“ (vgl. Fidei depositum, Nr. 4) für die Ausarbeitung der einzelnen örtlichen Katechismen sein wird. Die Katechese wird in dieser unverfälschten und systematischen Darstellung des katholischen Glaubens und der katholischen Lehre einen absolut sicheren Weg finden, um mit erneuertem Schwung die christliche Botschaft in allen ihren einzelnen Teilen dem Menschen unserer Zeit nahezubringen. Von diesem Werk wird jeder in der Katechese Tätige eine solide Hilfe erhalten, um im Bereich der Ortskirche das eine, ewige Glaubensgut vermitteln zu können, während er mit Hilfe 651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Heiligen Geistes die wunderbare Einheit des christlichen Geheimnisses mit den vielfältigen Bedürfnissen und Lebenssituationen der Adressaten der Botschaft zu verbinden versucht. Die katechetische Tätigkeit wird einen breit gestreuten Neuaufschwung beim Volk Gottes erleben können, wenn sie diesen nachkonzilia-ren Katechismus zu gebrauchen und richtig zu schätzen weiß. Das scheint heute von umso größerer Bedeutung zu sein, als das dritte Jahrtausend immer näher rückt. Es ist nämlich dringend ein besonderer Einsatz für die Evangelisierung erforderlich, damit alle die Botschaft des Evangeliums kennen lernen und aufhehmen können und wachsen, bis sie „Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,13). Ich fordere daher meine ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt, denen vor allen anderen der Katechismus der Katholischen Kirche anvertraut wird, dringend auf, diese vorzügliche Gelegenheit der Veröffentlichung der lateinischen Ausgabe wahrzunehmen und sich intensiver für eine größere Verbreitung des Textes einzusetzen und vor allem für seine positive Aufnahme als vortreffliches Geschenk für die ihnen anvertrauten Gemeinden zu sorgen, die auf diese Weise den unerschöpflichen Reichtum des Glaubens werden wiederentdecken können. Möge dank dem einvemehmlichen und sich gegenseitig ergänzenden Engagement aller Gruppen, aus denen sich das Volk Gottes zusammensetzt, der Katechismus allen bekanntgemacht und von allen aufgenommen werden, damit jene Übereinstimmung im Glauben, die ihren Ursprung und Anfang in der trinitarischen Einheit hat, gestärkt werde und sich bis an die Grenzen der Welt ausdehne. Maria, der Mutter Christi, deren leibliche und geistige Aufnahme in den Himmel wir heute feiern, vertraue ich diese Wünsche an, auf daß sie sich zum geistlichen Wohl aller Menschen erfüllen. Aus Castelgandolfo, am 15. August 1997, dem 19. Jahr meines Pontifikats. Maria — glaubwürdige Zeugin der Liebe Gottes Homilie am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 1. „Die Königin erstrahlt, o Herr, an deiner Rechten“ (Antwortpsalm). Heute stellt uns die Liturgie das Bild der heiligen Jungfrau vor Augen, die in der Unversehrtheit von Seele und Leib in den Himmel aufgenommen ist. Im Glanz der himmlischen Herrlichkeit leuchtet sie, die vor dem Allmächtigen aufgrund ihrer Demut so groß wurde, daß alle Geschlechter sie seligpreisen (vgl. Lk 1,48). Jetzt thront sie als Königin neben ihrem Sohn in der ewigen Seligkeit des Himmels, und aus der Höhe blickt sie her auf ihre Kinder. In dieser tröstlichen Gewißheit wenden wir uns an sie und rufen sie an für die, die ihre Kinder sind: für die Kirche und für die ganze Menscheit, auf daß alle sie in ihrer treuen Nachfolge Christi nachahmen und zur endgültigen Heimat im Himmel gelangen mögen. 652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Die Königin erstrahlt, o Herr, an deiner Rechten.“ Als Erste unter den vom österlichen Opfer Christi Erlösten leuchtet Maria heute als unser aller Königin vor uns, die wir dem unsterblichen Leben entgegenpilgem. In ihr, die in den Himmel aufgenommen ist, wird uns die ewige Bestimmung gezeigt, die uns nach dem Geheimnis des Todes erwartet: eine Bestimmung zum vollen Glück in der göttlichen Herrlichkeit. Diese übernatürliche Aussicht hält uns auf unserem täglichen Pilgerweg aufrecht. Maria ist uns im Leben Lehrmeisterin. Wenn wir auf sie blicken, begreifen wir besser, wie relativ der Wert irdischer Größe ist, und wir verstehen besser den vollen Sinn unserer christlichen Berufung. Von der Geburt bis zur glorreichen Aufnahme in den Himmel entfaltete sich ihr Leben auf dem Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Diese Tugenden, erblüht in einem demütigen und an den Willen Gottes hingegebenen Herzen, zieren nun ihre kostbare, unverwesliche Königskrone. Es sind die Tugenden, die der Herr von jedem Gläubigen fordert, um ihn zur Herrlichkeit seiner eigenen Mutter gelangen zu lassen. Der Text der Offenbarung des Johannes, der soeben verkündet wurde, spricht von dem großen roten Drachen, Darstellung der immerwährenden Versuchung, der der Mensch sich gegenüber sieht: der Versuchung, das Böse dem Guten vorzuziehen, den Tod dem Leben, unverbindliches Vergnügen ohne Anstrengung dem anfor-demden, aber lohnenden Weg der Heiligkeit, wofür doch jeder Mensch erschaffen wurde. Im Kampf gegen den „großen Drachen, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verfuhrt“ (vgl. Offb 12,9), erscheint das großartige Zeichen der siegreichen Jungfrau, der Königin in Herrlichkeit, thronend zur Rechten des Herrn. Und in diesem geistigen Kampf ist ihre Hilfe für die Kirche entscheidend, um zum endgültigen Sieg über das Böse zu gelangen. 3. „Die Königin erstrahlt, o Herr, an deiner Rechten.“ Maria leuchtet auf Erden „bis zur Ankunft des Tages des Herrn [...] als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ {Lumen Gentium, Nr. 68). Als aufmerksame Mutter aller unterstützt sie das Bemühen der Gläubigen und ermutigt sie, im Eifer durchzuhalten. Hier denke ich in ganz besonderer Weise an die Jugendlichen, die den Verlockungen und Versuchungen durch flüchtige Träume und falsche Lehrer weit mehr ausgesetzt sind. Liebe Jugendliche, schaut auf Maria, und ruft sie mit Vertrauen an! Der Welttag der Jugend, der in einigen Tagen in Paris beginnen wird, gibt euch Gelegenheit, noch einmal ihre mütterliche Aufmerksamkeit zu erfahren. Maria wird euch helfen, euch als wesentlicher Teil der Kirche zu fühlen, und sie wird euch anspomen, keine Furcht zu haben, eure Verantwortlichkeiten als glaubwürdige Zeugen der Liebe Gottes auf euch zu nehmen. 653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute zeigt euch die in den Himmel Aufgenommene, wohin die Liebe und die volle Treue zu Christus auf Erden fuhren: hin zur ewigen Freude des Himmels. 4. Maria, du Frau, mit der Sonne bekleidet, hilf uns, angesichts der unvermeidlichen Leiden und der Schwierigkeiten eines jeden Tages unseren Blick auf Christus richten. Hilf uns, ihm ohne Furcht bis ans Ende zu folgen, auch dann, wenn das Kreuz uns unerträglich drückend erscheint. Laß uns begreifen, daß das allein der Weg ist, der auf den Gipfel des ewigen Heiles fuhrt. Und vom Himmel aus, wo du als Königin und Mutter des Erbarmens erstrahlst, wache über jedes deiner Kinder. Gib, daß sie Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes, lieben, anbeten und ihm dienen, o gütige, o milde, o liebe Jungfrau Maria! Telegramm zum Tod von Mutter Teresa an Schwester Nirmala, Generaloberin der Missionarinnen der Nächstenliebe, Kalkutta, vom 5. September Tiefbewegt über die Nachricht vom Tod Mutter Teresas, empfehle ich - in Verbundenheit gegenüber Ihnen und der ganzen Familie der Missionarinnen der Nächstenliebe - die Seele Ihrer Gründerin der ewigen Liebe unseres Himmlischen Vaters. Ich danke Gott zutiefst, der uns diese Frau von unerschütterlichem Glauben als ein Geschenk für die Kirche und die Welt gegeben hat, um uns alle an den Vorrang der vom Evangelium verkündeten Liebe zu erinnern, insbesondere, wenn sie sich im demütigen Dienst an den Geringsten unserer Brüder und Schwestern äußert. Ich bin zuversichtlich, daß die Erinnerung an die außergewöhnliche geistliche Vision Mutter Teresas, ihre aufmerksame und aufopfernde Liebe zu Jesus in jedem Menschen, ihr absoluter Respekt für den Wert jedes menschlichen Lebens und ihr Mut angesichts vieler Herausforderungen ihre geistigen Töchter und Söhne inspiriert, ihre Sendung fortzufuhren - durch ihr Ordensleben und in fröhlicher, uneingeschränkter Sorge für die Ärmsten der Armen. Als Unterpfand der Kraft und des Trostes erteile ich allen, die in der Hoffnung auf die Auferstehung trauern, meinen Apostolischen Segen. Joannes Paulus PP. II 654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Einsatz für die Leidenden Ansprache an die „Freiwilligen des Leidens“ im Eisstadion von Mariono am 6. September Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude treffe ich heute mit euch zusammen und grüße jeden einzelnen von ganzem Herzen. Einen besonders herzlichen Gruß richte ich an diejenigen, die, eine lange und beschwerliche Reise auf sich nehmend, bei diesem Treffen nicht fehlen wollten. In diesem Jahr feiert ihr das 50jährige Jubiläum eurer verdienstvollen Vereinigung, die der Diener Gottes, Msgr. Luigi Novarese, unterstützt von Frau Elvira Myriam Psorulla, ins Leben rief. Ich danke ihr für die Worte, die sie im Namen aller Anwesenden heute an mich gerichtet hat. Sie bekräftigte das Ziel der gesamten Vereinigung, Christus durch den Einsatz für den leidenden Menschen zu dienen, und zwar durch ein außerordentliches Werk der Evangelisierung und Katechese, das in erster Linie auf der persönlichen und direkten Initiative der Behinderten selbst begründet ist. Im Geiste ist Msgr. Novarese heute unter uns, und sicher wird er dieses aus seinem priesterlichen Herzen geborene Werk vom Himmel aus weiterhin begleiten. Mit ihm sind auch alle „Freiwilligen des Leidens“ geistig verbunden, die während dieses halben Jahrhunderts die Welt verlassen und den Trost der Teilhabe am Mysterium des Kreuzes Christi mitgenommen haben. 2. Ausgangspunkt eurer Organisation war die 1943 gegründete Marianische Priestervereinigung. Msgr. Novarese beabsichtigte mit dieser Initiative dem zu entsprechen, was die hl. Jungfrau bei ihren Erscheinungen von Lourdes und Fa-tima verlangt hatte. Ferner wollte er der Aufforderung meines verehrten Vorgängers Pius XII. Folge leisten und die Welt dem Unbefleckten Herzen Marias weihen. Er war sich bewußt, daß Maria selbst, am Fuß des Kreuzes mit ihrem göttlichen Sohn vereint, uns lehrt, kraft der Liebe des Heiligen Geistes das Leid mit Christus und in Christus zu tragen. Maria ist die erste und vollkommene „Freiwillige des Leidens“, die ihren eigenen Schmerz, damit er erlösende Bedeutung gewinne, mit dem Opfer des Sohnes vereint. Eure Vereinigung, liebe „Freiwillige des Leidens“, ist also marianischen Ursprungs, und ihr widmet euch einem überaus wertvollen Apostolat in der christlichen Gemeinschaft. Ihr seid Teil jener großen kirchlichen Emeuerungsbewe-gung, die, getreu der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und aufmerksam für die Zeichen der Zeit, neue Kräfte gefunden hat, um sich in der Evangelisierung auf einem zweifellos schwierigen Gebiet voller Geheimnisse, wie dem des Leidens, mutig einzusetzen. 655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese eure pastorale Orientierung findet eine ausdrückliche Bestätigung in dem Apostolischen Schreiben Christifideles laici, worin im Hinblick auf „die pastorale Tätigkeit für und mit den Kranken und Leidenden“ betont wird: „Im Kranken, Behinderten und Leidenden nicht nur den Adressaten der Liebe und des Dienstes der Kirche zu sehen, sondern ein aktives und verantwortliches Subjekt des Werkes der Evangelisierung und des Heils“ (vgl. Christfideles laici, Nr. 54). Anläßlich des Heiligen Jahres der Erlösung habe ich mit dem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris der Kirche eine eingehende Betrachtung über den heilbringenden Wert des menschlichen Leidens (vgl. AAS 76[1984]) bieten wollen, und ich danke euch, zur Verbreitung dieser Botschaft nicht nur im Wort, sondern auch durch das stille Zeugnis eures Lebens beigetragen zu haben. 3. Liebe Brüder und Schwestern, eure Leiterin hat, die heutige Einstellung eures Gründers interpretierend, das Versprechen zum Ausdruck gebracht, durch Gebet und Opfer auf intensive Weise an der Vorbereitung des Großen Jubeljahres 2000 mitzuarbeiten. Ich danke euch für diesen überaus nützlichen und wertvollen Beitrag. Das Wort Jubiläum bedeutet Freude, Begeisterung. Es könnte auf den ersten Blick mit der Situation leidender Menschen im Widerspruch stehen. So ist es tatsächlich, wenn wir nur den rein menschlichen Aspekt berücksichtigen. Aber mit dem Blick des Glaubens wird uns klar, daß es ohne das Kreuz keine Auferstehung gibt. So wird verständlich, daß Leid und Freude sich nicht nur miteinander vereinbaren lassen, sondern daß man vielmehr nur im Zeichen des Kreuzes zur wahren und trostspendenden christlichen Freude gelangen kann. Eine wirkliche Vorbereitung auf das Jubiläum ist nur dann möglich, wenn wir auf unserem geistigen Weg auch die Erfahrung des Leidens in seinen verschiedenen Formen machen. 4. Die großen Ziele, die die Kirche uns während dieses dreijährigen Wegs der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr vorschlägt, lassen sich ohne das persönliche und gemeinschaftliche Opfer der Christen, verbunden mit dem einen Erlösungsopfer Christi, nicht erreichen. In dieser Hinsicht kann eure Vereinigung einen ganz speziellen Beitrag leisten, wenn sie den leidgeprüften Gläubigen hilft, sich auf der geistigen Wallfahrt in das Jahr 2000 nicht als Ausgeschlossene zu fühlen, sondern im Gegenteil, in der ersten Reihe zu gehen, das glorreiche Kreuz Christi tragend, das stets die einzige Hoffnung auf Leben fiir die Menschheit ist. Ein außerordentliches Beispiel dieser stillen Sendung der Liebe, die aus der ständigen Betrachtung Christi am Kreuz hervorgeht, ist Mutter Teresa von Kalkutta, die gestern ins Haus des himmlischen Vaters heimgekehrt ist. Tiefbewegt habe ich heute morgen die heilige Messe für sie gefeiert, die unvergeßliche Zeugin einer Liebe, die zu konkretem und unablässigem Dienst an den ärmsten und verlassensten Brüdern wurde. Im Gesicht der Notleidenden hat sie das Antlitz Christi erkannt, der vom Kreuz herab schreit: „Mich dürstet“: Diesen Schrei hat sie mit selbstloser Hingabe auf den Lippen und in den Herzen der Sterbenden, der ausge- 656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN setzten Kinder, der von der Last des Leids und der Einsamkeit zu Boden gedrückten Männer und Frauen zu vernehmen gewußt. Unermüdlich unterwegs auf den Straßen der Welt, hat Mutter Teresa die Geschichte unseres Jahrhunderts geprägt: Mutig verteidigte sie das Leben; jedem Menschen wußte sie zu dienen, stets seine Würde und Achtung hochhaltend; sie ließ die „vom Leben Geschlagenen“ die Zärtlichkeit Gottes, des liebevollen Vaters jedes seiner Geschöpfe, spüren. Sie hat das Evangelium der Liebe bezeugt, das sich von unentgeltlicher Hingabe seiner selbst bis zum Tod nährt. So erinnern wir uns an sie und erbitten für sie den Preis, der auf jeden treuen Diener des Reiches Gottes wartet. Möge ihr leuchtendes Vorbild der Liebe Trost und Ansporn für ihre geistliche Familie, für die Kirche und die ganze Menschheit sein. Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch nochmals für diese freudige Begegnung und hoffe, daß dieses 50jährige Jubiläum für die Tätigkeit eurer Vereinigung von Nutzen sein wird. Die Jungfrau Maria um ihren mütterlichen Schutz bittend, erteile ich allen hier Anwesenden und allen „Freiwilligen des Leidens“ wie auch den „Stillen Arbeitern des Kreuzes“ und den Mitgliedern der Marianischen Priestervereinigung von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Ziele des eigenen Lebens hoch stecken Brief an die Jugendlichen von Rom vom 8. September Liebe Jugendliche von Rom! 1. Mit Freude denke ich an den XII. Weltjugendtag zurück, der im vergangenen August in Paris stattgefunden hat. Es war ein außergewöhnliches geistliches Erlebnis, für das ich dem Herrn danke. Zum Schluß der Eucharistiefeier in der Pferderennbahn von Longchamp, die dieses unvergeßliche Treffen beendet hat, habe ich mich mit den Jugendlichen der ganzen Welt für den Sommer des Jahres 2000 zum Jubeljahr der Jugendlichen in Rom verabredet. Ihr Jugendlichen von Rom seid schon jetzt in dieses wichtige Ereignis miteinbezo-gen, das eine intensive organisatorische, vor allem aber spirituelle Vorbereitung erfordert. Zu diesem Ziel möchte die Stadtmission beitragen, die sich derzeit besonders an die Welt der Jugend wendet. Ihr Motto ist „Öffne die Tür für Christus, deinen Retter“. Aber um Christus verkündigen und bezeugen zu können, muß man ihn kennen und ihm persönlich begegnet sein. Nur wer ihn intensiv und tiefinnerlich erlebt, kann ihn den anderen wirksam vermitteln. Nur wer regelmäßig mit diesem göttlichen Meister Umgang hat, kann seine Brüder zu ihm führen. Er ist der Einzige, der die Erwartungen jedes menschlichen Wesens vollkommen erfüllen kann. Sicherlich habt ihr schon in frühester Jugend von ihm gehört. Erlaubt mir aber eine Frage: Seid ihr ihm wirklich begegnet? Habt ihr eure lebendige Erfahrung mit 657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihm gemacht und ihn als aufrichtigen und treuen Freund erlebt, oder erscheint euch seine Gestalt zu weit von euren wirklichen Problemen entfernt, als daß sie noch Interesse wecken könnte? Jesus ist nicht nur eine große Persönlichkeit der Vergangenheit, ein Lehrer des Lebens und der Moral. Er ist der auferstandene Herr, der Gott, der jedem Menschen nahe ist, mit dem man sprechen und die Freude der Freundschaft, die Hoffnung in der Prüfung und die Sicherheit einer besseren Zukunft erleben kann. Er schätzt jeden von euch und ist bereit, euch das Geheimnis eines rundum gelungenen Lebens zu enthüllen und sich an eure Seite zu stellen, um eure Stadt menschlicher und solidarischer zu machen. 2. Liebe Jugendliche, vertraut Jesus Christus! Verlaßt euch auf ihn, wie der Junge, von dem in der Erzählung des Evangeliums über die wunderbare Brotvermehrung die Rede ist (vgl. Joh 6,1-13). Der Evangelist Johannes berichtet, daß eine große Menschenmenge Jesus folgte. Als Jesus alle diese Leute sah, fragte er Philippus: „Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?“ Es handelte sich um eine provokatorische Frage: Unter diesen Umständen war es gewiß schwierig, genug Brot für so viele Menschen zu beschaffen. Die Jünger bemerkten zu Recht: „Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll.“ Eigentlich wollte Jesus ihren Glauben auf die Probe stellen: Er baute nicht auf eine angemessene Verfügbarkeit materieller Mittel, sondern auf ihre Großherzigkeit und Bereitschaft, das wenige zu verschenken, was sie hatten. Großherzigkeit: Dieses Gefühl kam im Herzen eines kleinen Jungen auf, der vortrat und fünf Gerstenbrote und zwei Fische anbot. Zu wenig, dachten die Jünger: „Was ist das für so viele!“ Doch Jesus wußte diese Geste eures Altersgenossen zu schätzen; er nahm die Brote, sprach das Dankgebet und teilte sie an die Leute aus; ebenso machte er es mit den Fischen. Was der menschliche Verstand nicht zu hoffen wagte, wurde durch Jesus Wirklichkeit - dank dem großzügigen Herzen eines Jungen. 3. Dies, liebe Jugendliche Roms, ist die wichtige Aufgabe, die euch übertragen wurde: wie der Junge des Evangeliums großherzige Hauptfiguren einer Veränderung zu werden, die eure Zukunft, die Zukunft der Kirche in Rom und die der ganzen Stadt prägen soll. Gebet und Kontemplation, Stille und persönliche Askese werden euch dabei helfen, im Glauben und im Bewußtsein eures apostolischen Auftrags zu reifen. Dazu muß euch bewußt werden, was ihr besitzt: eure fünf Brote und zwei Fische, das heißt die Ressourcen an Enthusiasmus, Mut und Liebe, die Gott in euer Herz und eure Hände gegeben hat, kostbare Talente, die es für die anderen zu investieren gilt. Ihr sollt den Wert eurer Persönlichkeit neu entdecken, wo der Geist Gottes wie in einem Tempel wohnt; lernt, die Stimme dessen zu hören, der durch die Sakramente der Taufe und der Firmung zu euch gekommen ist, die Stimme des „Pa- 658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rakleten“ - wie ihn Jesus nennt (vgl. Joh 14,16.26) desjenigen, der lehrt und unterstützt, verteidigt und tröstet, des liebevollen Gastes der Seele. Mit Hilfe des Heiligen Geistes, der alle Furcht aus dem Herzen vertreibt und uns innerlich frei macht, werdet ihr - vor allem während der Durchführung der Stadtmission - der Stadt jenes „Mehr an Seele“ einprägen können, von dem mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI. sprach, und euren Beitrag zur vollen Ausschöpfung ihres Potentials leisten. 4. Der Heilige Geist weckt im Herzen jedes Menschen den Wunsch nach der Wahrheit. Christus ist die Wahrheit, die uns frei macht. Er kann als einziger behaupten: „Ich bin die Wahrheit“ (vgl. Joh 14,6), und er sagt auch: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ {Joh 8,31-32). Viele von euch studieren, manche arbeiten schon oder warten auf eine Anstellung. Es ist wichtig, daß ihr alle leidenschaftlich nach der Wahrheit sucht und zu ihren unerschrockenen Zeugen werdet. Ihr dürft euch nie mit Lüge, Falschheit oder Kompromissen abfinden! Setzt euch heftig gegen die Leute zur Wehr, die eure Intelligenz einzufangen trachten oder euer Herz mit Aussagen und Vorschlägen umgarnen wollen, die euch hörig machen gegenüber Konsumdenken, zügellosem Sex und Gewalt, bis sie euch in die Leere der Einsamkeit und das Labyrinth der Kultur des Todes drängen. Alle Freiheit verwandelt sich in eine neue und noch schwerere Sklaverei, wenn sie von der Wahrheit losgelöst ist. 5. Frei, um zu lieben! Liebe Jugendliche, wer möchte nicht lieben und geliebt werden? Aber um die aufrichtige Liebe zu erfahren, muß man die Tür des Herzens für Jesus öffnen und den Weg gehen, den er mit seinem eigenen Leben vorgezeichnet hat: Es ist der Weg der Selbsthingabe. Darin liegt der Erfolg jedes wahren Aufrufs zur Liebe, insbesondere jenes Aufrufs, der überraschend im Herzen eines Jugendlichen entsteht und zur Ehe, zum Priesteramt oder zum geweihten Leben fuhrt. Wenn ein junger Mann oder eine junge Frau erkennt, daß die wahre Liebe ein kostbarer Schatz ist, werden sie fähig, auch ihre Sexualität gemäß dem Plan Gottes zu leben, und sie lehnen die falschen Vorbilder ab, für die leider allzuoft geworben wird und die deshalb weit verbreitet sind. Sicher geht es dabei um eine anspruchsvolle Entscheidung; es ist aber auch die einzige, die wirklich frei und glücklich macht, weil sie den tiefen Wunsch erfüllt, den der Herr in das Herz jedes Mannes und jeder Frau gegeben hat. Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist wahre Freiheit (vgl. 2 Kor 3,17): Das ist die ewige Jugend des Evangeliums, die Personen, Kulturen und die ganze Welt erneuert. 6. Frei, um zu dienen! Eine der Berufungen, die am stärksten an euer Herz gerichtet sind, ist die des Dienens, vor allem zugunsten der Ärmsten und Ausgegrenzten. Der Abschnitt aus dem Evangelium, der unsere Betrachtung begleitet, erzählt von einer hungrigen Menschenmenge: Jesus nimmt sich ihrer an. Auch in unserer Stadt 659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gibt es Menschen, die Hunger nach materiellem, aber vielleicht noch mehr nach geistigem Brot haben. Im Laufe meiner Pastoralbesuche bei den römischen Gemeinden haben mich Jugendliche, alte Leute, Familien und Immigranten immer wieder auf Situationen sozialer Not, Einsamkeit und Verwahrlosung hingewiesen. Es gibt viel materielle und spirituelle Armut. Von Schwierigkeiten und Problemen ist auch die Welt der Jugend spürbar betroffen. Jesus fordert, die Hoffnung nicht zu verlieren und gegen jede Form von Entwürdigung anzugehen; er verlangt, daß wir uns tatkräftig einsetzen, um eine menschengerechte Zivilisation aufzubauen. Wie die Vorbilder vieler heiliger Menschen der Vergangenheit und Gegenwart beweisen, ist es möglich, sofort ein Netz aufrichtiger Beziehungen zwischen den Leuten zu knüpfen, wenn man das Leben liebt und unterstützt und beständig dafür tätig ist, daß jede Person als Kind Gottes anerkannt, liebevoll aufgenommen, in ihrem Wachstum gefördert und in ihren Rechten verteidigt wird. 7. Das Leben stellt uns viele Fragen; vor allem auf eine davon müssen wir eine Antwort finden: Welchen Sinn hat das Leben und was erwartet uns nach dem Tod? Diese Frage verleiht unserem ganzen Dasein seine Bedeutung. Einige eurer Altersgenossen stellen sie sich vielleicht nicht mehr: Sie leben die Gegenwart, als sei sie schon das Ganze. Sie geben sich passiv der Wirklichkeit hin, als sei es ein Traum, der bald endet, anstatt sich dafür einzusetzen, daß die Werte und die großen Ideale immer mehr Wirklichkeit werden. Christus, dem Erlöser, die Tür zu öffnen bedeutet, die Ziele des eigenen Lebens wieder hoch zu stecken. Gebt euch nicht mit banalen Erfahrungen zufrieden, hört nicht auf jene, die euch solche Erfahrungen vorschlagen. Vertraut dem Leben, und öffnet euer Herz für Christus, das Leben, das den Tod überwindet! Der auferstandene Christus wird in der Eucharistie zur Nahrung für uns; er führt uns schon jetzt ins unsterbliche Leben ein und gibt uns die Gewißheit, es eines Tages in Fülle und für immer erreichen zu können. Aus dieser Sicherheit erwächst der Mut, jeder Schwierigkeit entgegenzutreten und aus dem eigenen Dasein ein vorbehaltloses Geschenk für Gott und den Nächsten zu machen. Das ist ein außerordentliches Abenteuer, das wir jedoch nicht allein bewältigen können. Darum hat Jesus die Kirche einsetzen wollen, seinen mystischen Leib, das Volk des Neuen Bundes. 8. Ihr Jugendlichen von Rom sollt Christus, der in der Kirche gegenwärtig ist, erkennen und ihm die symbolischen Gerstenbrote und Fische, d. h. eure Begabungen und Fähigkeiten, zur Verfügung stellen. Viele von euch haben in den Gemeinden, Gruppen oder Bewegungen eine konstruktive Begegnung mit der Kirche entwickelt. Andere haben - nach der Erstkommunion oder Firmung - keine lebendige Beziehung mehr zu ihr gehabt; manche empfinden sie als weit entfernt und den eigenen Problemen fremd, andere beurteilen sie mit großer Strenge und lehnen ihre Lehren ab. 660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich kann euch aber versichern, daß in der Kirche niemand fremd ist. Im Gegenteil: Ohne euch fühlt sie sich wie eine kinderlose Familie. Sie braucht euch alle, eure Gegenwart, sogar eure konstruktive Kritik. Sie braucht vor allem eure aktive Beteiligung an der Verkündung des Evangeliums in dem Stil und der Lebhaftigkeit, die für euer Alter typisch sind. Jugendliche von Rom! Liebt die Kirche, und akzeptiert die Unzulänglichkeiten der Menschen, aus denen sie besteht: Entdeckt ihr Herz, und helft ihr, euch nahe zu sein! Ich sage das zu denen, die schon Teil einer Gemeinschaft, eines Verbandes, einer Bewegung oder einer kirchlichen Gruppe sind; ich sage das auch denen, die keinen steten Umgang mit der Kirche haben. In der Kirche ist für alle Platz! 9. Ganz besonders wende ich mich an euch junge Gläubige. Seid Zeugen Christi vor allem bei euren Altersgenossen. Der Auferstandene ruft euch, damit ihr mit ihm und untereinander einen Bund schließt, um dieser Stadt eine gerechtere, freiere und christlichere Ausrichtung zu geben. Seid Hauptdarsteller dieses Bundes in euren Beziehungen zu den anderen Jugendlichen, innerhalb eurer Familien, in euren Vierteln, in der Schule und der Universität, am Arbeitsplatz, beim Sport und in der Freizeit. Bringt Hoffnung und Trost, wo Entmutigung und Leid herrschen. Jeder von euch soll bereit sein, alle Menschen, die dem Glauben und der Kirche nähertreten wollen, aufzunehmen und ihnen zu helfen. Keiner soll verlorengehen von denen, die der Vater auf unseren Weg geführt hat! Die Stadtmission hat eben den Zweck, in den Getauften den Geist der Aufnahme und den Eifer für die Neuevangelisierung zu stärken, damit Rom, tiefer von den Werten des Evangeliums beseelt, sich der ganzen Welt gegenüber öffnen möge. Dieses wichtige Vorhaben der Kirche wird euch neue Formen des Dialogs mit denen finden helfen, die sich über den Sinn des Lebens und ihrer Zukunft befragen. Versichert ihnen, daß Jesus auf die wahrhaften Bedürfnisse ihres Herzens nicht mit „Nein“ antwortet, sondern mit einem lauten und klaren „Ja“ zum Leben, zur Liebe, zur Freiheit, zum Frieden und zur Hoffnung. Mit ihm ist kein Ziel unerreichbar, auch eine kleine Geste der Großzügigkeit kann sich vervielfachen und der Anfang einer großen Veränderung sein. Als Beteiligte an diesem einzigartigen „Volontariat des Geistes“ schlagt den Menschen, die ihr trefft, die persönliche Erfahrung mit Jesus durch das Hören seines Wortes, die Stille und das Gebet vor; ruft neue religiöse Initiativen ins Leben -auch auf ökumenischer Ebene - in der jugendgemäßen Ausdrucksweise der Musik und der Kunst. Erweitert den Horizont eures Apostolats für die Anforderungen der universalen Sendung der Kirche, und haltet euch dabei besonders die geistliche und weltliche Rolle Roms als Sitz des Nachfolgers Petri vor Augen. 10. Seid Missionare der Hoffnung! Dank der Bereitschaft des kleinen Jungen, der im Evangelium genannt wird, konnte Jesus eine große Menschenmenge satt machen. So wird er auch dank den von euch zur Verfügung gestellten Gaben und Talenten sein Heilswerk in unserer Stadt vollbringen können. 661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Öffne die Tür für Christus, deinen Retter.“ Liebe Jugendliche! Das Motto der Stadtmission soll für euch zum Programm und zur Anregung jedes neuen Tages werden. Richtet eure Blicke auf Maria, Mutter der Kirche und Stern der Evangelisierung. Ihr ganzes Dasein bestätigt euch, daß für Gott nichts unmöglich ist. Wenn ihr beharrlich ihrem Vorbild folgt und sie anruft, werdet ihr wie sie Überbringer von Freude und Liebe werden können. Mit ihr, der Jungfrau von Nazaret, werdet ihr lernen, euren Alltag als eine Werkstätte anzusehen, in die der Herr euch ruft, um seinen Heilsplan zu verwirklichen. Dank ihres mütterlichen Schutzes wird eure apostolische und missionarische Kraft nicht nachlassen. Gott helfe und beschütze euch! Ich begleite euch mit meiner Zuneigung und meinem Gebet. Jedem von euch und euren Familien wie auch euren Plänen und Wünschen erteile ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 8. September 1997, Fest der Geburt Mariens Der Weltkatechismus - Fundgrube des Glaubens Ansprache bei der Vorstellung der lateinischen „Editio typica“ des Katechismus der Katholischen Kirche am 8. September Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit dieser feierlichen Zeremonie möchte ich heute der Kirche und der Welt offiziell die lateinische „Editio typica“ des Katechismus der Katholischen Kirche vorstellen, die ich am vergangenen 15. August, Fest der Aufnahme Marias in den Himmel, mit dem Apostolischen Schreiben Laetamur magnopere approbiert und promulgiert habe. Zutiefst danke ich vor allem Gott, dem Allmächtigen, der mit dem erleuchtenden und stärkenden Beistand Seines Geistes die Ausarbeitung des Katechismus auf ihrem Weg geleitet und unterstützt hat. Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde damit begonnen, und nun ist sie glücklich zur Vollendung gekommen. Aufrichtig danke ich den Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, die als Mitglieder der verschiedenen Kommissionen an diesem Unternehmen gearbeitet haben und heute zusammen mit mir die Frucht dieser intensiven und nutzbringenden Arbeit ernten. Einen besonderen Dank richte ich von ganzem Herzen an den lieben Kardinal Joseph Ratzinger, der soeben den Empfindungen aller Anwesenden Ausdruck gegeben hat. Im Lauf dieser Jahre hat er den Arbeiten vorgestanden, sie mit lobenswerter Weisheit geleitet und koordiniert und zu ihrem glücklichen Abschluß gebracht. Nun übergebe ich diesen endgültigen und normativen Text der ganzen Kirche, vor allem den Hirten der einzelnen, über die Welt verstreuten Diözesen: Vor allem für 662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie ist ja dieser Katechismus bestimmt. In gewissem Sinn könnte man mit Recht auf diese Gelegenheit den paulinischen Ausdruck anwenden: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe“ (7 Kor 11,23). Der heutige feierliche Anlaß bezeichnet in der Tat die Ankunft an einem Zielpunkt, ist aber zugleich ein neuer Startpunkt, da ja der nunmehr fertiggestellte Katechismus weiter bekannt, aufgenommen, verbreitet und vor allem zum wertvollen Arbeitsinstrument in der Pastoral und der Evangelisierung werden soll. 2. Vielfältig und komplementär ist der Gebrauch, den man von diesem Text machen kann und soll, damit er immer mehr zum Bezugspunkt für das ganze prophetische Wirken der Kirche wird, vor allem in dieser Zeit, in der sich stark und dringend die Notwendigkeit zu einem neuen missionarischen Aufschwung und einer Wiedereinführung der Katechese bemerkbar macht. Der Katechismus hilft in der Tat zur „Vertiefung der Glaubenskenntnis ...“, ausgerichtet „auf das Reifen des Glaubens, seine Einwurzelung im Leben und seine Ausstrahlung im Zeugnis“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 23) aller Glieder der Kirche. Er bildet ein gültiges und sicheres Werkzeug für die Priester in ihrer ständigen Weiterbildung und in der Predigt; für die Katecheten in ihrer entfernteren und näheren Vorbereitung auf den Dienst des Wortes; für die Familien auf ihrem Weg zur vollen Entfaltung der im Ehesakrament gegebenen Möglichkeiten. Die Theologen werden im Katechismus einen maßgeblichen doktrinären Bezugspunkt für ihre unermüdliche Forschung finden können. Sie sind berufen, ihm gegenüber einen wertvollen Dienst zu entwickeln, sei es durch vertiefende Kenntnis des in ihm grundlegend und zusammenfassend dargebotenen Inhalts, sei es durch eingehendere Erklärung der den doktrinären Aussagen zugrundeliegenden Motivationen, sei es durch Erläuterung der zwischen den einzelnen Wahrheiten bestehenden tiefen Zusammenhänge, um immer mehr „die wunderbare Einheit des Geheimnisses Gottes zu erfassen, seines Heilsplanes ebenso wie die zentrale Stellung Jesu Christi, des eingeborenen Sohnes Gottes, vom Vater gesandt, durch das Wirken des Heiligen Geistes Mensch geworden im Schoß der heiligen Jungfrau Maria, um unser Erlöser zu werden“ (Fidei depositum, Nr. 3). Der Katechismus bietet sich auch als wertvolle Hilfe an, um die Arbeit derer, die auf den zahlreichen Gebieten kirchlichen Wirkens tätig sind, auf den heutigen Stand zu bringen. Allgemein gesagt, wird er überaus nützlich sein für die ständige Weiterbildung jedes Christen, der, wenn er ihn fortlaufend oder hin und wieder zu Rate zieht, die Tiefe und Schönheit des christlichen Glaubens aufs neue wird entdecken und dann mit den Worten der Taufliturgie ausrufen können: „Das ist unser Glaube. Das ist der Glaube der Kirche. Und wir rühmen uns, ihn zu bekennen in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Ritus der Tauffeier). Es sind auch nicht wenige, die in diesem Katechismus bereits eine wertvolle Hilfe gefünden haben zum persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet, zur Förderung und Beurteilung der verschiedenen und einander ergänzenden Wege der Spiritualität und zu erneuter Stärkung ihres Glaubenslebens. Im übrigen darf auch der ökumenische Wert des Katechismus nicht verschwiegen werden. 663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie schon zahlreiche positive Zeugnisse von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften belegen, ist er imstande, „den ökumenischen Bemühungen, die den heiligen Wunsch nach Einheit aller Christen pflegen, eine Stütze[zu] bieten, indem er den Inhalt und den harmonischen Zusammenhang des katholischen Glaubens genau aufzeigt“ (vgl. Fidei depositum, Nr. 4). Aber auch denen, die sich Fragen stellen und Schwierigkeiten in ihrem Glauben haben, oder denen, die gar nicht glauben oder nicht mehr glauben, kann der Katechismus eine gültige Hilfe anbieten, indem er aufzeigt, was die katholische Kirche glaubt und zu leben sucht, sowie auch durch klärende Anregungen bei der Wahrheitssuche. 3. Der Katechismus der Katholischen Kirche ist insbesondere ein sicherer Bezugstext und maßgebender Führer für die Ausarbeitung der verschiedenen örtlichen Katechismen (vgl. ebd., Nr. 4). In dieser Hinsicht war lobenswert die Bemühung von Bischöfen und von ganzen Bischofskonferenzen, örtliche Katechismen bereitzustellen, die als Bezugspunkt den Katechismus der Katholischen Kirche haben. Dieser Weg soll mit wachsamer Aufmerksamkeit und unermüdlicher Ausdauer fortgesetzt werden. Wie ich es schon bei anderen Gelegenheiten getan habe, so ermutige ich hier aufs neue die Bischofskonferenzen inständigst, diese ansehnliche Arbeit, die im Einvernehmen mit dem Apostolischen Stuhl verrichtet wird, mit kluger Geduld, aber auch mit mutiger Entschiedenheit zu unternehmen. Es handelt sich darum, Katechismen abzufassen, getreu den wesentlichen Inhalten der Offenbarung und, was die Methode betrifft, zeitentsprechend. Sie sollen fähig sein, die christlichen Generationen der neuen Zeiten zu einem festen Glauben heranzubilden. Wenn auch in Einzelfällen der Katechismus der Katholischen Kirche als nationaler und lokaler katechetischer Text benutzt werden kann, so wird es doch nötig sein, wo es noch nicht geschehen ist, an die Ausarbeitung neuer Katechismen zu gehen, die, während sie getreu und vollständig den Lehrgehalt des Katechismus der Katholischen Kirche darstellen, unterschiedliche und aufgegliederte erzieherische Ansätze begünstigen, je nach den Erwartungen derer, für die sie bestimmt sind. Diese Katechismen - die sich auch der wertvollen Hinweise bedienen, die das neue, demnächst erscheinende „Allgemeine Direktorium für die Katechese“ bieten wird - sind berufen, Jene Anpassungen in der Darlegung und den kateche-tischen Methoden“ vorzunehmen, „welche die Unterschiede in den Kulturen, Lebensphasen, im geistlichen Leben, in den gesellschaftlichen und kirchlichen Situationen der Adressaten erfordern“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 24). So wird sich irgendwie die wunderbare Erfahrung der apostolischen Zeit wiederholen, als jeder Gläubige die großen Taten Gottes in seiner eigenen Sprache verkünden hörte (vgl. Apg 2,11), und zugleich wird die Katholizität der Kirche noch greifbarer zutage treten durch die Verkündigung des Wortes Gottes in den vielfältigen Sprachen der Welt „wie ein harmonischer Chor, der, getragen von den Stimmen endloser Mengen von Menschen, zum Lob Gottes anhebt mit unzähligen Variationen, Klangfarben und Rhythmen, von jedem Punkt unseres Erdballs aus, 664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in jedem Augenblick der Geschichte“ (Slavorum Apostoli, Nr. 17). Weit also davon entfernt, zu entmutigen oder gar die lokalen Katechismen zu ersetzen, erfordert, begünstigt und leitet der Katechismus der Katholischen Kirche vielmehr deren Ausarbeitung. 4. Ich fordere den Klerus und die Gläubigen zu einer häufigen und intensiven Kontaktnahme mit diesem Katechismus auf, und ich vertraue ihn in besonderer Weise Maria an, deren Fest der Geburt wir heute feiern. Und ich bete, daß - wie die Geburt der Jungfrau zu Beginn der neuen Zeit ein grundlegender Augenblick in dem von Gott für die Menschwerdung seines Sohnes vorbereiteten Plan war — so dieser an der Schwelle des dritten Jahrtausends vorbereitete Katechismus ein zweckdienliches Werkzeug werden könne, um die Kirche und jeden einzelnen Gläubigen in eine immer tiefere Betrachtung des Geheimnisses des menschgewordenen Wortes Gottes einzufuhren. In diesem Sinn danke ich allen, die sich an der Herausgabe und der Übersetzung des Katechismus der Katholischen Kirche beteiligt haben, und erteile jedem von euch und allen, für die dieser Text bestimmt ist, einen besonderen Apostolischen Segen. Eine entscheidende Stunde für Kirche und Menschheit Botschaft an die Mitglieder des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) zu dessen 25. Generalversammlung vom 14. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, an die Mitglieder des CELAM, des Lateinamerikanischen Bischofsrates, einen herzlichen Gruß richten zu können, die sich in Rio de Janeiro vom 30. September bis zum 3. Oktober versammeln, um ihre 25. ordentliche Versammlung mit dem Ziel zu begehen, für die neuen heranrückenden Zeiten einige Richtlinien zu erstellen und einige Empfehlungen vorzuschlagen. Es sind nur noch wenige Tage bis zu meinem bevorstehenden Besuch in Lateinamerika, bei dem ich dem 2. Welttreffen mit den Familien in der eben genannten Stadt in Brasilien vorstehen werde. Daher möchte ich jetzt auch erneut meiner Zuneigung zu den Söhnen und Töchtern dieses geliebten Kontinentes Ausdruck verleihen. Ich habe immer mit viel Hoffnung auf die Völker Lateinamerikas geblickt. Sind es doch zutiefst katholische Nationen, die nach fünf Jahrhunderten der Evangelisierung mit Freude und festen Schrittes auf das Dritte Christliche Jahrtausend zuschreiten und stets im Leben ihren Blick auf Jenen gerichtet haben, welcher der Herr der Geschichte ist, Jesus Christus, der einzige, der die Wanderschaft dieser Völker, die sich den großen Herausforderungen der gegenwärtigen Stunde zu stellen haben, mit Licht erfüllen kann. 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wir befinden uns in einer entscheidenden Stunde für die Kirche und für die Menschheit. Angesichts dieser Tatsache ist es dringend notwendig, sich zu erneuern, sich vorzubereiten und spirituelle Energien zu tanken, die dann später in seelsorgliche Projekte und Realitäten umgesetzt werden, um so die Frohbotschaft allen Männern und Frauen, allen Völkern, Nationen und Kulturen zu verkünden. Nur so können wir „zu allen Geschöpfen“ gelangen, wie es der Herr bei seiner Aussendung uns aufgetragen hat (vgl. Mk 16,15). Er ist seinem Versprechen treu und ist bei uns „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). 3. Die 4. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates fand 1992 in Santo Domingo anläßlich der Fünfhundertjahrfeier der Evangelisierung der Neuen Welt statt. Sie gab der Mission der Kirchen in Lateinamerika einen starken Impuls, indem sie sie in die faszinierende Aufgabe der Neuevangelisierung miteinspannte. Ihrerseits soll aber auch die nächste für die kommenden Monate November und Dezember anberaumte Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika unter dem Aspekt des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ein wichtiges kirchliches Ereignis sein, das zweifelsohne seine Früchte in allen Ortskirchen des Kontinentes tragen wird, damit diese mit Enthusiasmus, Großzügigkeit und Festigkeit auf dem Pfad der Umkehr, der Gemeinschaft und der Solidarität voranschreiten. Dieser Pfad ist kein anderer als der lebendige Jesus Christus selbst. Er ist der einzige Retter, „gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). In Christo, „dem Retter und Verkünder des Evangeliums“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 40), konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Kirche, um so in angemessener Weise ihre Mission zu erfüllen. 4. Der Lateinamerikanische Bischofsrat (CELAM) sollte diesem Rhythmus der Erneuerung den Impuls verleihen, den das Zweite Vatikanische Konzil hervorgehoben hat und welchen die derzeitigen Umstände noch dringlicher werden lassen; sind doch das Ende dieses Jahrhunderts und der Eintritt in ein neues Jahrtausend Ereignisse, die hohe Anforderungen und Erwartungen an die Kirche stellen. Der Bischofsrat hat sich zur ordentlichen Versammlung zusammengefunden und sich unter anderen Themen auch jenes der Statutenreform zum Traktandum gewählt. Es ist wichtig, daß der CELAM innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft ein klares Selbstverständnis seiner eigenen Natur und Zweckdienlichkeit darstellt. Nur so kann er seiner Identität Ausdruck verleihen, welche ihm der Apostolische Stuhl zugewiesen hat, als dieser ihn auf Antrag der ersten in derselben Stadt Rio de Janeiro im Jahre 1955 stattfindenden Generalkonferenz des Episkopates von Lateinamerika ins Leben rief, und zwar als ein Organismus der Gemeinschaft, der Reflexion, der Zusammenarbeit und des Dienstes. Später manifestierte er sich nicht zuletzt auch aufgrund des Konzils immer mehr als ein Zeichen und Instrument des kollegialen Wohlwollens. Gemäß den Anforderungen und dem, was die Erfahrung lehrt, können die Strukturen des CELAM revidiert und redimensioniert werden (vgl. Dokument von Santo 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Domingo, Nr. 69), so daß sie einfacher und flexibler werden und sich so der heutigen Realität besser anpassen. „So widerspiegelt er das wahre Antlitz Lateinamerikas und durch wohl abgewogene Initiativen sowie durch eine höhere Beteiligung des Episkopates des Kontinentes wird er auch in entscheidender Weise zur Evangelisierung eben dieses Kontinentes beitragen“ (vgl. Botschaft anläßlich des vierzigjährigen Bestehens des CELAM, 16. April 1995, Nr. 4). 5. Es gibt heute viele ungeheure Herausforderungen, die sich der Kirche in euren Ländern an diesem außerordentlichen geschichtlichen Wendepunkt stellen, den wir derzeit erleben. Es sind dies unter anderem die Verteidigung des Lebens, die Kinder- und Jugenderziehung und die Förderung der Familie. Eine besondere Sorge bereiten der wachsende Säkularismus, die religiöse Gleichgültigkeit und die Verirrungen im ethischen Bereich (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 36), aber auch die rapide Ausbreitung der Sekten, das Phänomen der Verstädterung, die Gewalt und der Drogenhandel, Korruption und soziale Unordnung, Armut und Elend, denen viele Brüder ausgesetzt sind, sowie nicht zuletzt die Situation der autochtonen Bevölkerung und der Afroamerikaner. Der globale Plan, den der CELAM für diese Jahre ausgearbeitet hat und der den ausdrucksvollen Titel trägt „Jesus Christus, die Lebensfülle für alle“, bietet einige Anregungen, um jenen Problemen zu begegnen, welche auch die Synodenversammlung im kommenden November behandeln wird. 6. Man muß sich immerzu vergegenwärtigen, daß all das, was im kirchlichen Bereich an Projekten erstellt wird, von Christus und seinem Evangelium auszugehen hat, d. h. vom Zeugnis über den Herrn Jesus, da ja, wie Paul VI. sagte: „es keine wirkliche Evangelisierung gibt, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich, das Geheimnis von Jesus von Nazaret, dem Sohn Gottes, verkündet werden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 22). Damit die Kirche die Mission erfüllen kann, nämlich die Frohbotschaft zu verkünden, die Christus ihr anvertraut hat, ist sie in der Welt durch die Verkünder des Evangeliums gegenwärtig, und zwar vor allem durch ihre Priester. In der Tat „ist für die Neuevangelisierung eine unerläßliche Voraussetzung das Verfügen können über zahlreiche und qualifizierte Evangelisierer“ (Eröffnungsansprache von Santo Domingo, 12. Oktober 1992, Nr. 26). 7. Deshalb ist auch die Berufüngsseelsorge so wichtig. Sie muß heute eine Priorität in den Diözesen darstellen, und zwar als „Verpflichtung des ganzen Gottesvolkes“ (ebd.). Es gibt heute durchaus Berufüngen, und wir haben sogar das Versprechen Gottes, welches auch eine Prophetie ist: „Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen“ (Jer 3,15). Man muß allerdings diese Berufungen suchen, sie fordern und pflegen, so daß sich die Prophetie in Lateinamerika in ihrer ganzen Fülle verwirklicht. Diesbezüglich muß jedoch unbedingt die Empfehlung des Herrn in Betracht gezogen werden: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angesichts dieser Tatsache möchte ich hier nun das noch einmal aussprechen, was ich den Gläubigen in der Kathedrale zu Paris am vergangenen 21. August zurief: „Ich fordere euch alle auf, für die Jugendlichen in der ganzen Welt zu beten, die den Ruf des Herrn vernehmen, und für jene, die vielleicht Furcht haben, darauf zu antworten. Mögen sie in ihrer Umgebung Erzieher finden, die sie fuhren! Mögen sie die Größe ihrer Berufung erfassen: Christus über alles lieben, als Aufruf zu Freiheit und Glück. Betet, daß die Kirche euch auf eurem Weg helfe und eine rechte Unterscheidung treffe. Betet, daß die christlichen Gemeinschaften den Ruf des Herrn immer an die jungen Generationen weiterzugeben wissen. [...] Dankt ihm für die Familien, für die Pfarreien und für die Bewegungen, aus denen Berufungen erstehen“ (Botschaft an die Jugendlichen in der Kathedrale Notre Dame in Paris, Nr. 8). Mit großer pastoraler Genugtuung stelle ich fest, daß in einigen Ländern eures Kontinentes die Seminare in Blüte stehen. Ist doch dieser euer Kontinent dazu berufen, immer mehr Verkünder des Evangeliums zu sein und seinen Blick nach Afrika, Asien, aber auch nach Europa auszurichten. 8. Eine Quelle der Berufungen sind die christlichen Familien. Das Weltfamilientreffen des Papstes, das in Rio de Janeiro stattfinden wird, ist für mich eine Motivation, euch ans Herz zu legen, daß ihr euch unermüdlich um die Evangelisierung und Heiligung der Brautleute kümmern sollt, so daß „die Eltern, und besonders die Mütter, dem Herrn freigebig ihre Söhne schenken, die er zum Priestertum beruft, und daß sie mit Freude am Weg ihrer Berufung mitwirken, im Wissen darum, daß sie so ihre christliche und kirchliche ,Fruchtbarkeit' vergrößern und vertiefen und daß sie - in einem gewissen Sinne - die Seligpreisung der Jungfrau und Mutter Maria erfahren können: ,Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes1 (Lk 1,42)“ (Pastores dabo vobis, Nr. 82). 9. Mit diesen Betrachtungen, die ich mit allen Bischöfen Lateinamerikas teilen möchte, versichere ich euch meines Gebetes. Im Geiste bin ich euch immer nahe, damit der Herr die Arbeit dieser Versammlung mit reichen Früchten segnen möge. Ich stelle all euren Elan, eure Sorgen und Wünsche unter den Schutz der Gottesmutter von Guadalupe. Ist sie doch der Stern der ersten und auch der neuen Evangelisierung. So erteile ich nun aus ganzem Herzen euch, euren Priestern und den Gläubigen eurer Diözesen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 14. September 1997, Fest der Rreuzerhöhung Joannes Paulus PP. II 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petrus Canisius - ein Verkünder der Wahrheit, der die katholische Kirche Deutschlands prägte Brief an die deutschen Bischöfe anläßlich des 400. Todestages des hl. Petrus Canisius vom 19. September Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Als der hl. Petrus Canisius am 2. September 1549 den Segen Papst Pauls III. für seine Sendung nach Deutschland empfangen hatte, kniete er am Grabe des Apostelfürsten Petrus nieder, um dort zu beten. So tief hat ihn das, was er dabei innerlich erfuhr, geprägt, daß er noch in einem Fragment seiner Bekenntnisse davon spricht: „Du weißt, o Herr, wie sehr und wie oft du mir an jenem Tage Deutschland empfohlen hast. Von diesem Tage an sollte Deutschland mein Sorgen und mein Denken immer mehr einnehmen, und ich sollte mich danach sehnen, (...) im Leben und im Tod mich für Deutschlands ewiges Heil zu opfern.“ <6> Das war fortan sein Lebensprogramm, dem er bis zu seinem seligen Heimgang am 21. Dezember 1597 in heroischer Weise treu geblieben ist. <6> Petri Canisii Epistulae I 54. Dem von Papst Pius IX. am 20. November 1864 Seliggesprochenen hat mein geschätzter Vorgänger Leo XIII. in seiner Enzyklika Militantis ecclesiae vom 1. August 1897 darum mit Recht den Ehrennamen „Zweiter Apostel Deutschlands“ gegeben. <7> <7> AAS30(1897)3-9, bes. 3. Mit der Heiligsprechung am 21. Mai 1925 durch Papst Pius XI. wurde er mit dem Titel eines Kirchenlehrers ausgezeichnet. In seiner liebenden Vorsehung hat Gott den hl. Petrus Canisius zu seinem Botschafter in einer Zeit gemacht, da die Stimme der katholischen Glaubensverkündigung in den Ländern deutscher Zunge zu verstummen drohte. Damit sind die beiden Pole umschrieben, in deren Spannungsfeld sich Persönlichkeit und Wirken des Kirchenlehrers entfalten sollten: Deutschland, das damals ein viel größeres Gebiet als heute umfaßte, und die Wahrheit des katholischen Glaubens, die sich verschiedener Anfechtung ausgesetzt sah. 2. Als „Mitarbeiter für die Wahrheit“ (vgl. 3 Joh 8) diente Petrus Canisius der Kirche von Deutschland in vielfältiger Weise. Selbst wenn er sich organisatorischen und politischen Tätigkeiten widmete, waren das eigentliche Ziel seines Wirkens die Verkündigung der Wahrheit und das Leitmotiv seines reichen Schaffens die Katechese und Seelsorge. Wie sich bei ihm Redlichkeit und Klugheit paarten, zeigen gleichermaßen die außergewöhnliche Hochschätzung, die ihm von seiten der geistlichen und weltlichen Autoritäten entgegengebracht wurde, wie auch die Hindernisse, die ihm seine Gegner in den Weg zu legen suchten. 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Besondere Aufmerksamkeit schenkte der Heilige der Jugend, in deren intellektueller und religiös-sittlicher Bildung er eine wesentliche Voraussetzung für eine katholische Zukunft Deutschlands sah. Es war die alsbald weithin anerkannte Tätigkeit seiner Ordensbrüder in der Gesellschaft Jesu, als deren Frucht in wenigen Jahrzehnten eine geistige Elite heranwachsen sollte, die zur tragenden Schicht jener Kulturepoche wurde, in der die Aussaat des Konzils von Trient ihre reiche Ernte brachte. Eine so ermutigende Erfahrung weist auf die große Bedeutung hin, die eine vom Geist des Evangeliums durchdrungene, dem Leben der Kirche eng verbundene und hohen kulturellen Idealen verpflichtete Schule in unserer Zeit gewinnen könnte. So lege ich Ihnen, ehrwürdige Brüder, die Förderung des katholischen Schulwesens ans Herz, das in Deutschland seit langem vorbildlich organisiert ist. Wer der Jugend dient, dient der Zukunft von Kirche und Kultur. Darum ist eine im Sinne der Kirche angelegte Jugendbildung ein unentbehrlicher Dienst an einer gedeihlichen kulturellen und religiösen Blüte Deutschlands, für den sich auch hohe Opfer finanzieller und ideeller Art auf Dauer auszahlen werden. 3. Daß Petrus Canisius trotz seiner rastlosen kirchlichen Aufbauarbeit ein umfangreiches Werk als theologischer Schriftsteller hinterlassen hat, ruft Erstaunen und Bewunderung hervor. Mißt man den Theologen an Kriterien schöpferisch-spekulativer Qualität und historisch-kritischer Begabung, fallt es zwar schwer, bei ihm eine besondere Originalität und hohe Geistesflüge zu entdecken. Doch daß solche Ansprüche dem Heiligen femlagen, liegt daran, daß er sich in den verworrenen Gegebenheiten seiner Zeit im Dienst an der Glaubenswahrheit als Seelsorger zu den Menschen gesandt verstand: „So will ich denn in mir und anderen einen größeren Eifer erwecken, daß das katholische Glaubensdepositum, das der Apostel uns nicht grundlos ans Herz legt und das allen Schätzen dieser Welt vorzuziehen ist, hochgeschätzt und unverkürzt und unverfälscht bewahrt werde, da von ihm christliche Weisheit, allgemeiner Friede und Heil der Menschen zutiefst abhängig sind.“ <8> <8> Meditationes seu Notae in Evangelicas Lectiones, in: Societatis Jesu Selecti Scriptores 11, Freiburg i.B. 1955. Bewußt stellte sich Petrus Canisius in den Strom der heiligen Tradition, die die Apostel empfangen und weitergereicht hatten, damit sie als lebendige Überlieferung jede neue Generation von Gläubigen mit den Ursprüngen der Offenbarung in Jesus Christus verbinde. Die Gelehrsamkeit des Geistes verknüpfte er mit der Heiligkeit des Lebens und - einem Ideal seiner von Humanismus und Renaissance geprägten Epoche folgend - mit der Feinheit und Eleganz des sprachlichen Ausdrucks, so daß er schon bald nach seinem Tode der „Augustinus seiner Zeit“ genannt wurde. Theologische Wissenschaft, genährt aus Schrift und Tradition im Einklang mit dem kirchlichen Lehramt und beglaubigt durch das persönliche Leben - das ist eine Botschaft an alle, die heute zu Lehrern der Theologie bestellt sind. Das Wirken von Petrus Canisius zeigt, daß wissenschaftliche Theologie dann 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fruchtbar wird, wenn sie sich als Dienst an der geoffenbarten Wahrheit versteht. Diese Aufgabe kann nur von Theologen bewältigt werden, die ihren Standpunkt nicht in kritischer Distanz zur Kirche wählen, sondern als deren glaubende, hoffende und liebende Glieder in ihr beheimatet sind. Zwar muß der Theologe wie ein Seismograph die sich rasch wandelnden Ergebnisse der Humanwissenschaften verfolgen, doch, anstatt sich zu deren Sklaven zu erniedrigen, ist es ihm aufgetragen, ihre Erkenntnisse ins Licht des Glaubens zu stellen und aus dieser Perspektive heraus zu würdigen. Nur so ist er imstande, den nach ethischer Orientierung suchenden Profanwissenschaften ein zuverlässiger und redlicher Gesprächspartner zu sein. Denn die Kirche ist der eigentliche Lebensraum des Theologen. Wie der Fisch nicht ohne Wasser leben kann, so vermag der Theologe nur dann seiner Identität treu zu bleiben, wenn sein Suchen und Fragen, sein Forschen und Schreiben fest im Leben der Kirche verwurzelt sind. 4. Petrus Canisius lagen nicht nur die „Großen“ in Kirche und Politik am Herzen. Er war zugleich ein Mensch, der den „Kleinen“ zugewandt war, insbesondere den Kindern. In einem Brief bekannte er von sich selbst:, Andere mögen ihre Arbeiten vorschützen, sie mögen nach höheren Ämtern trachten, welche der Kirche größeren Gewinn einbringen. (...) Sie mögen sich auch damit entschuldigen, daß sie nicht mit den Kindern selbst zu Kindern werden wollten. Christus, die Weisheit Gottes selber, hat sich nicht gescheut, mit den Kindern ganz vertraulich umzugehen.“ <9> Wie er sich, wo immer er dazu Gelegenheit hatte, darum mühte, die Kinder persönlich im Glauben zu unterrichten, so suchte er gleichzeitig nach einer Möglichkeit, die gesamte heranwachsende Generation in den katholischen Ländern deutscher Zunge zu erreichen, indem er die Glaubens- und Sittenlehre schriftlich in Katechismen zusammenfaßte. Seiner tiefen Einfuhlungskraft in das Fassungsvermögen seiner Leser entsprangen drei Katechismen, die sich in Umfang und Sprache nach drei verschiedenen Alters- bzw. Bildungsgruppen richten, in Aufbau und Inhalt jedoch identisch sind. Obwohl die Zeit, in die Canisius hineinsprach, dramatisch und voller Zerreißproben war, blieb der Heilige seinem Grundsatz treu, auf überspitzte Polemik zu verzichten, Polarisationen nicht weiter zu schüren und in erster Linie die katholische Lehre sachlich darzulegen, ohne die Gegner auch nur zu nennen, geschweige denn sie anzugreifen. <9> Petri Canisii Epistulae VII333 f. In diesem Zusammenhang erinnere ich an mein Apostolisches Schreiben Cate-chesi tradendae, das das Erbe des ,^Kirchenlehrers der Verkündigung“ fortschreibt und die Grundsätze heutiger Katechese entfaltet. Systematisch aufgebaut, soll sie das Wesentliche der katholischen Lehre in notwendiger Vollständigkeit darbieten und, dem Bildungsgrad der Hörer entsprechend, diese in alle Bereiche des christlichen Lebens einführen. <10> Wie ein reifes Gewissen fundiertes Wissen voraussetzt, so ist sicheres Glaubenswissen notwendig, wenn der Mensch fähig sein soll, in <10> Vgl. Caiechesi imdendae, Nr. 21. 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Lebensgeschichte, die in heutiger Zeit bisweilen einer Gratwanderang gleicht, zwischen Wahrheit und Irrtum, Gut und Böse, Heilsweg und Holzweg zu unterscheiden. Ich spreche den vielen Frauen und Männern, die sich in dem nicht immer leichten Dienst der Katechese abmühen, meine dankbare Anerkennung aus. Nach den politischen Umwälzungen in den östlichen Ländern hat der Auftrag zur Katechese eine neue Dimension erhalten. Nicht nur Kindern und Jugendlichen gilt dieser Dienst der Kirche, sondern auch Erwachsenen. Denn mittlerweile leben in Eurem Land viele Menschen, denen entweder die Wahrheit über Jesus Christus vorenthalten wurde oder die, einst mit ihr vertraut, diese Wahrheit bewußt aus ihrem Leben ausgeklammert haben. Mit Dankbarkeit betrachte ich die vielfältigen katechetischen Bemühungen, die Ihr unternehmt, um den Menschen auf der Suche nach Lebenssinn eine Quelle zu erschließen, deren Wasser nicht nur den äußeren Durst zu stillen vermag, sondern „ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,14). 5. Die erste Quelle, die Petrus Canisius als eine Art Lebenselixier diente, war die Heilige Schrift. An ihr orientierte er sich besonders, wenn er predigte. Ob in Kathedralen oder an Fürstenhöfen, in Pfarr- oder Klosterkirchen - die Kanzel war ihm ein bevorzugter Ort im Dienst an der Wahrheit. Er selbst sagte einmal, es gebe in der Kirche Gottes kein würdigeres, wirksameres und seligeres Amt als das des Predigers, so einer es nur treu verwalte und dem Volk das recht verstandene Gotteswort vorlege und erkläre. Umgekehrt sei nichts der Christenheit so schädlich, als wenn das Predigtamt Lehrern des Irrtums anvertraut werde. <11> Das Gedenken an den großen Prediger Canisius erinnert uns daran, daß unter den Formen religiöser Rede die Predigt eine hervorragende Stellung einnimmt. Denn sie ist nicht nur eine Weise Gemeinschaft stiftender Kommunikation, sie ist der Widerhall der Stimme Jesu Christi selbst, der den Menschen zuruft: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mt 1,15). <11> Petri Canisii Epistulae et Acta VI627. In unserer Zeit ist das Amt des Predigers eine besondere Herausforderung. Durch die Botschaft der Massenmedien, deren Eindringlichkeit - von Bildreizen oft noch verstärkt - sich der Mensch kaum entziehen kann, durch den Trend zur Vereinfachung und die Fragwürdigkeit der darin vermittelten Wertvorstellungen sieht sich der Prediger nicht selten in der Rolle des einsamen Rufers in der Wüste (vgl. Mt 3,1-3). Trotzdem bildet die Predigt auch heute eine große Chance für die Weitergabe des Glaubens. Dabei kommt dem persönlichen Kontakt zwischen Prediger und Hörer eine besondere Bedeutung zu. Die Unmittelbarkeit der Begegnung erlaubt der Botschaft, ihre Authentizität zu erweisen. Denn der Prediger ist nicht nur der Lehrer, sondern in erster Linie der Zeuge. Das Wort wird mit Vollmacht gesprochen, so daß die Predigt gleichsam als Echo der Verkündigung Christi wider- 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hallt: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10,16). Deshalb ist es unerläßlich, daß die Priester selbst, besonders bei der Eucharistiefeier, den Predigtdienst übernehmen. Aufgrund dieses hohen Anspruchs ermutige ich alle, die das Amt der Verkündigung innehaben, sich durch Studium, Gebet und Betrachtung auf diese Aufgabe gründlich vorzubereiten. Wenn das Wort der Heiligen Schrift für den Prediger zum täglichen Brot gehört, wird es ihm leichter fallen, die Frohe Botschaft seinen Gläubigen als Wort des Lebens auszulegen. 6. Wie schon am Anfang meines Schreibens erwähnt, hat der Zweite Apostel Deutschlands die Inspiration zu seiner Lebensaufgabe am Grab seines großen Namenspatrons, des hl. Apostels Petrus, erfahren. Dessen Nachfolger Papst Paul III. gab ihm den Segen zu seiner Sendung. Mit tiefer Dankbarkeit können wir heute feststellen, daß die Einheit zwischen dem Hl. Stuhl und den deutschen Bischöfen sehr eng ist. Die Zeichen der Verbundenheit und der geistlichen Gemeinschaft, die Sie mir immer wieder schenken, erfüllen mich mit Freude. Auch zahlreiche Priester und Gläubige zeigen mir ihre Hochherzigkeit und Treue. Seinerseits hat der Hl. Stuhl immer größten Wert auf die enge Verbindung der Kirche in Deutschland gelegt und ihr wiederholt seine besondere Wertschätzung ausgedrückt. Ich selbst habe während meiner drei Apostolischen Reisen meine Nähe zur deutschen Kirche bekundet. Ihr wißt, daß der Nachfolger des Petrus, dem der Herr aufgetragen hat, seine Brüder zu stärken, sich dem Beispiel des hl. Völkerapostels Paulus verpflichtet fühlt und für alle Gemeinden Sorge trägt. Dabei gilt, was Papst Pius IX. auf dem Ersten Vatikanischen Konzil gesagt hat: „Diese oberste Autorität des Bischofs von Rom, ehrwürdige Brüder, unterdrückt nicht, sondern hilft, sie zerstört nicht, sondern baut auf, sie befestigt in der Würde, einigt in der Liebe, bestärkt und beschützt die Rechte seiner Mitbrüder, der Bischöfe.“ <12> Wie wahr dies ist, haben viele erfahren, die unter politischer oder weltanschaulicher Unterdrückung zu leiden hatten. <12> Collecüo Lacensis VII497 f. Die Rolle des Bischofs von Rom rückt auch dort in den Blick, wo es um die Einheit der Christen geht. Seit den Tagen des Petrus Canisius, in denen die schmerzliche Glaubensspaltung im Westen gerade besiegelt war, hat sich das Verhältnis der katholischen Kirche zu den aus der Reformation hervorgegangenen kirchlichen Gemeinschaften grundlegend verändert. Ich verweise nur auf das Ökumenismus-Dekret Unitatis redintegratio des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie auf meine Enzyklika Ut unum sint und empfehle, die darin enthaltenen Prinzipien des wahren Ökumenismus zu studieren und in Redlichkeit umzusetzen. Dabei ist der Primat des Bischofs von Rom ein unverzichtbares Dienstamt an der Einheit. „Den Vorsitz in der Wahrheit und in der Liebe führen, damit das Boot (...) nicht von den Stürmen zum Kentern gebracht wird und eines Tages sein Ufer erreichen kann“ <13>, <13> Ut unum sint, Nr. 97. 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darin liegt die vordringliche Aufgabe des Nachfolgers des Petrus. So rufe ich Euch auf, die geistliche Gemeinschaft mit mir als Richtschnur für Eure Bemühungen um die Einheit sowohl der Kirche in Deutschland als auch mit den getrennten kirchlichen Gemeinschaften zu nehmen. Gleichzeitig erneuere ich die Bitte, die ich vor zehn Jahren in Anwesenheit des ökumenischen Patriarchen, Seiner Heiligkeit Dimitrios I., ausgesprochen habe: „Der Heilige Geist schenke uns sein Licht und erleuchte alle Bischöfe und Theologen unserer Kirchen, damit wir (...) miteinander die Formen finden können, in denen dieser Dienst einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag.“ <14> Ehrwürdige Brüder! Der hl. Kirchenlehrer Petrus Canisius hat in den fünfzig Jahren seines in schonungslosem Einsatz wie in heroischem Gehorsam geleisteten Dienstes an der Wahrheit oft unter Tränen gesät, was nicht lange nach seinem Tode überreiche Frucht gebracht hat. Seine Wege im Dienst des katholischen Glaubens führten ihn durch alle Länder Mitteleuropas, von seiner Geburtsstadt Nijmegen über Rom bis Messina, von Straßburg bis in mein heimatliches Krakau und schließlich nach Fribourg. Nationale Grenzen waren seinem Wirken fremd, er wußte sich im Dienste der die Nationen übergreifenden Kirche. Was er in der Verworrenheit seiner Zeit nur ahnen konnte, das ist unsere Hoffnung an der Schwelle zum dritten Jahrtausend: Mit unserer Hilfe ist Gott dabei, „einen großen christlichen Frühling zu bereiten“ <15>, eine junge Kirche auf dem alten Kontinent Europa. Die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, die der Zweite Apostel Deutschlands in Wort, Schrift und Gebet hoch verehrt hat, gibt Euch und den Euch Anvertrauten dazu den guten Rat: „Was ER euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Dazu erteile ich Euch von Herzen den Apostolischen Segen. <14> Predigt bei der Eucharistiefeier in der Peterskirche in Anwesenheit von Dimitrios Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch (6. Dezember 1987), Nr. 3: AAS 80(1988)714. <15> Redemptoris missio, Nr. 86. Aus dem Vatikan, am 19. September 1997 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leitung und Lehre ist Dienst am Volk Gottes Ansprache an die Kongregation für die Evangelisierung der Völker während des Seminars für ffanzösischsprachige Bischöfe am 19. September Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Zum Abschluß eurer wichtigen Tagung, die der Information und der Reflexion über verschiedene Aspekte eures bischöflichen Auftrags gewidmet war, freue ich mich, euch heute zu empfangen. Ich richte den Ausdruck meiner Dankbarkeit an Kardinal Jözef Tomko und an die Mitarbeiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, die diese Studienwochen organisiert haben. Ich grüße euch alle herzlich, Bischöfe aus Afrika — zum größten Teil aber auch aus Lateinamerika und Ozeanien. Meine Gedanken gehen auch zu euren Mitbrüdem in Vietnam, die wir hier erwarteten, die sich euch aber leider nicht anschließen konnten. 2. Ich freue mich über diese Begegnung, denn sie bezeugt den ajfectus collegialis, der die Hirten der Universalkirche mit dem Bischof von Rom verbindet. Im Laufe eurer Sitzungen konntet ihr die verschiedenen Bereiche eures Amtes aus einem neuen Blickwinkel betrachten. Es ist wahr, daß dieses Amt euch manchmal in seiner Komplexität schwer zu tragen erscheint. Ich möchte euch aber ermutigen, dem entgegenzutreten im Namen des Heiligen Geistes, der euch bei eurer Bischofsweihe gegeben wurde. Der Bischof, der euch die Fülle des Weihesakraments erteilte, hat damals so zum Herrn gebetet: „Gieße über den, den du erwählt hast, die Kraft aus, die von dir kommt, den höchsten Geist, den du deinem vielgeliebten Sohn geschenkt hast“ (vgl. Weiheritual, Nr. 47). Der Auftrag eines Bischofs ist weit gespannt; aus menschlicher Sicht ist er fast unmöglich zu bewältigen. Aber wenn er einerseits eine völlige Hingabe eurer selbst verlangt, so bleibt ihr andererseits nicht ohne Unterstützung. Im Geist Christi werdet ihr zu Dienern seines Leibes, der Kirche, gemacht, der euch anvertrauten Ortskirche und der Universalkirche, zusammen mit dem Nachfolger Petri, „immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (Lumen Gentium, Nr. 18). 3. Ich möchte euch auffordem, oft über die Botschaft des Neuen Testaments über den Heiligen Geist zu meditieren, vor allem das, was die Apostel Johannes und Paulus über ihn schreiben. Es wird für euch immer sehr tröstlich sein, den Reichtum der Gaben des Geistes neu zu entdecken. Gerne richte ich die Worte des hl. Paulus an euch: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,3-4). Es ist nämlich dem Heiligen Geist zu verdanken, daß ihr das Fundament der Einheit in der Diözesangemeinschaft seid, der Einheit der Priesterschaft und der Einheit aller Getauften: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (ebd., 4,5). Erkennt die Gegenwart 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Heiligen Geistes in der Verschiedenheit der Menschen und Situationen, und versucht, die Einheit der Diözese immer weiter zu stärken, beginnend mit einer ständigen Fürsorge für die Priester, eure unmittelbaren Mitarbeiter. Alle aber mögen, aufgeschlossen für das innere Wirken Gottes (vgl. Phil 2,13), sich ganz der gemeinsamen Aufgabe widmen, ein jeder gemäß seiner besonderen Rolle, als Priester, geweihter Mensch oder gläubiger Laie! 4. Bei dem Gespräch Jesu mit den Aposteln nach dem Abendmahl wird großer Nachdruck auf die Verheißung des Heiligen Geistes gelegt. „Der Geist der Wahrheit wird euch in die ganze Wahrheit fuhren“ (vgl. Joh 16,13). In ihm ist ihr Dienst der Verkündigung der Frohbotschaft und der Unterweisung in der Heilslehre begründet. Als Nachfolger der Apostel müßt ihr die Echtheit der christlichen Botschaft fordern, ja manchmal verteidigen. Der wirkliche Bezugspunkt - für die ganze Überlieferung der Kirche und ihr Lehramt - ist in Wirklichkeit der Heilige Geist, der uns aufschließt für das Verständnis der Wahrheit, die im menschgewordenen Sohn vollkommen offenbart worden ist. Wenn ihr persönlich auf sein Wort hört, sowohl im Gebet als auch beim Studium, werdet ihr umso sicherer und überzeugender sein, wie ihr selbst dem Geist gegenüber folgsam seid. 5. „Die Liebe Gottes - schreibt der hl. Paulus - ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Vom Heiligen Geist erfüllt, widmet euren ganzen Dienst der Umsetzung des neuen Gebots, das die Lehren des Herrn krönt (vgl. Joh 13,34). Von der untrennbaren Liebe zu Gott und den Menschen erfüllt, setzt euch unermüdlich für den Dienst der Nächstenliebe ein, für die Bereitschaft, mit den Bedürftigen zu teilen, für die Hilfe zugunsten der Verirrten und Verzweifelten, für die Unterstützung der Familien, die in ihrer Liebe reifen und darin das Geschenk Gottes erkennen müssen, für eine liebevolle Pasto-ral der Jugendlichen, die es zu erziehen gilt, für Maßnahmen zur Versöhnung, wenn Uneinigkeiten auftreten, und für den Dialog mit den Brüdern und Schwestern anderer religiöser Traditionen. So wird die Gegenwart des Heiligen Geistes, des Quells der Hoffnung, durch eure Tätigkeit offenbart werden. 6. Liebe Brüder, die ihr erst seit wenigen Jahren das Bischofsamt ausübt: durch diese Betrachtungen möchte ich euch vor allem ermutigen, „in der neuen Wirklichkeit des Geistes“ {Röm 7,6) dem Gottesvolk zu dienen, dessen Leitung und Belehrung euch anvertraut wurde und das auf euch zählt als auf „gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes“ (7 Petr 4,10). Stützt euch ständig auf den Parakleten, den Tröster und Verteidiger. Er wird euch helfen und seine ganze Dynamik eurer Mission als Evangelisierer zur Verfügung stellen. In euren Ortskirchen inmitten eurer Völker ist eure Aufgabe enorm. Der Papst schenkt euch sein Vertrauen, damit ihr sie mit der Kraft des Geistes der Wahrheit und der Liebe erfüllt. Für euch selbst und für alle Gläubigen eurer Diözesen erbitte ich die Fürsprache der Jungfrau Maria und der heiligen Apostel und spende euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frei von einer engen Sicht des Alltäglichen Ansprache während der Audienz für das 31. Geschwader der italienischen Luftwaffe am 21. September Liebe Offiziere und Unteroffiziere des 31. Geschwaders der italienischen Luftwaffe! 1. Es ist mir eine besondere Freude, euch heute zusammen mit euren Familienangehörigen zu empfangen. Der traditionelle und herzliche Gruß, den ihr mir bei dieser Gelegenheit zu entbieten pflegt, gibt mir Gelegenheit, euch meinen Dank für den aufmerksamen und pünktlichen Dienst zu bekunden, den ihr dem Papst bei seinen Luftreisen im gesamten Bereich von Italien leistet. Besonders danke ich Ihnen, Herr Oberst, für das bedeutsame Geschenk und für die liebenswürdigen Worte, womit Sie sich zum Sprecher gemacht haben, um die Empfindungen der Anwesenden zum Ausdruck zu bringen. Aus dem, was Sie sagten, entnehme ich, daß Sie vor dem Abschluß Ihres Dienstes als Kommandant des 31. Geschwaders stehen. Ich spreche Ihnen meine große Wertschätzung für das vollbrachte Wirken und für die stets bewiesene liebenswürdige Dienstbereitschaft aus und zugleich auch meine besten Wünsche für die neuen Verantwortungen, die Ihnen übertragen werden. 2. Als Geste der Dankbarkeit gegenüber dem ganzen Geschwader möchte ich nun einigen von euch als Ausdruck der Hochschätzung und Achtung Päpstliche Ehrenzeichen überreichen. Die erlesene Aufgabe, die zu erfüllen ihr berufen seid, gibt euch oft die Möglichkeit, euch physisch von der Erde zu lösen und in die offenen Lufträume hinein zu fliegen, wo der Blick weit umherschweift und man in eine klare und reine Atmosphäre eintauchen kann. Diese Erfahrung trägt dazu bei, die Dinge mit anderen Augen anzusehen und sich von einer engen Sicht des Alltäglichen frei zu machen. Sie lädt auch dazu ein, die Größe Gottes zu betrachten, den der Glaube sich symbolisch im Himmel vorstellt, wenn er auch erklärt, daß das ganze Universum seine Unermeßlichkeit nicht umfassen kann. Indem die Kirche auf den Himmel hinweist, mahnt sie jeden Menschen, die Dinge der vergänglichen Welt mit achtungsvollem Abstand, doch auch in liebevoller Sorge zu betrachten und immer die gemeinsame und endgültige himmlische Heimat, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt, vor Augen und im Herzen zu haben. Meine Lieben, überlaßt euch, wenn ihr die weiten Horizonte des Himmels durch-meßt, diesen Empfindungen des Glaubens, die euch die rechte Haltung eingeben, mit der den irdischen Wirklichkeiten entgegenzutreten ist. Gott möge euch stets erleuchten und euch bei jedem Unternehmen beschützen. Ich empfehle euch und eure Lieben dem mütterlichen Schutz der heiligen Jungfrau von Loreto, der Patronin der Flieger, und erteile euch und euren Familien von Herzen den Apostolischen Segen. 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hütet das Erbe des hl. Antonio Maria Claret! Ansprache an die Teilnehmer des 22. Generalkapitels der Missionsgemeinschaft der Söhne des Unbefleckten Herzens Mariä (Claretiner) am 22. September 1. Diese Begegnung mit euch zum Abschluß eures 22. Generalkapitels ist mir hochwillkommen. Ihr habt bei diesem Kapitel vor allem über eure Beteiligung am Evangelisierungsauftrag der Kirche nachgedacht und dabei mit großer Hoffnung den Blick in die Zukunft gerichtet, um euer Charisma zum Wohl der kirchlichen Gemeinschaften und der Menschheit zu leben. Herzlich begrüße ich vor allem den als Generaloberen wiedergewählten P. Aquilino Bocos, die neuen Mitglieder der Räte und auch die Ordensangehörigen, die sämtliche Provinzen der zur Zeit in Europa, Amerika, Asien und Afrika tätigen Kongregation vertreten. Den übrigen Ordensmitgliedem, die für den glücklichen und fruchtbaren Verlauf der Arbeiten des Generalkapitels beteten, möchte ich durch euch meine Anerkennung und Wertschätzung zukommen lassen. 2. Eure Kongregation ist vor mehr als hundert Jahren auf Inspiration des hl. Antonio Maria Claret hin entstanden, der, nachdem er jahrelang als Volksmissionar durch Katalonien gezogen war, zum Erzbischof von Santiago de Cuba ernannt wurde, ein Amt, dem er sich zur Rettung der Seelen völlig hingab. Bei seiner Rückkehr nach Spanien hatte er um des Wohles der Kirche willen viele Leiden zu überstehen, bis er im Jahr 1870 im Exil in Fontfroide/Frankreich starb. Trotzdem war sein Leben immer von dem eindringlichen und ermutigenden Zuspruch des Paulus geprägt: „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Den Dienst am Wort, den ihr in der Mission „ad gentes“, unter dem einfachen Volk und unter Menschen am Rand der Gesellschaft, bei der Ausbildung neuer Verkünder des Evangeliums, sowohl Ordens- wie Weltgeistlicher, bei der Förderung des Ordenslebens, bei den Erziehungsaufgaben und bei der Erneuerung christlicher Gemeinden durch die Förderung des Glaubensdialogs mit denen, die Gott suchen, vollbringt, weiß die Kirche hochzuschätzen. Damit versucht ihr, eurem Stifter und Vater treu zu sein, der euch, da er sich zur Ganzhingabe an die anderen gedrängt fühlte, auftrug, bei der Verkündigung des Evangeliums an alle Völker von allen nur möglichen und euch zugänglichen Mitteln - Pfarrpastoral, Publikationen, Volksmissionen, Abhaltung von Exerzitien und Einkehrtagen - Gebrauch zu machen (vgl. Const. CMF, Nm. 6 und 48). Auf diese Weise erfüllt ihr aus dem Geist der Hingabe an Gott, an die Kirche und an die Menschheit eure Berufung, indem ihr durch die ständige Verkündigung der Frohbotschaft und die aufrichtige und tatkräftige Solidarität, besonders mit den Ärmsten, den Kranken, den Alten und den Ausgegrenzten, Zeugnis gebt von der Liebe zu Christus. 3. Die Annäherung an die geistliche Erfahrung des Missionars Claret hat euch in diesen Jahren dazu angehalten, das Wort Gottes in den Mittelpunkt eures persönli- 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen und gemeinschaftlichen Lebens zu stellen. Ihr wollt wie Maria dieses heilbringende Wort in euer Herz aufnehmen, um darüber nachzudenken und es dann den anderen mitzuteilen. Dieses Wort, liebe Missionare, ist gewiß lebendig und kraftvoll (vgl. Hebr 4,12), es wird euch in eurer Berufung stärken, euch trösten und euch Hoffnung geben in den Mühen und Leiden (vgl. Röm 15,4) und zugleich eure pastorale Arbeit Früchte tragen lassen. Erinnert euch angesichts der Schwierigkeiten eures Dienstes an das, was der Stifter euch sagte: „Nicht ihr werdet es sein, die sprechen, sondern der Geist eures Vaters und eurer Mutter ist es, der in euch sprechen wird“ (Vgl. Aut. 687). 4. Anlaß zu besonderer Genugtuung ist für mich die Feststellung, daß sich euer Kapitel an der Schwelle des dritten Jahrtausends vorgenommen hat, in die prophetische Dimension des Dienstes am Wort vorzudringen. Gleichzeitig habt ihr über die orientierenden Leitgedanken früherer Generalkapitel nachgedacht und die Gestalt Jesu, der vom Vater gesalbt und gesandt worden ist, um den Armen die Frohe Botschaft zu bringen (vgl. Lk 4,18; Aut. 687), als zentrale Mitte herausgestellt und damit auf den Aufruf zu antworten versucht, den ich in dem Apostolischen Schreiben Vita consecrata an alle Ordensleute gerichtet habe (vgl. Nm. 84-95). Was man in dieser Zeit tiefgreifender sozialer und kultureller Veränderungen von der Kirche erwartet, ist, daß das klare, treffende Wort des Gesandten im Namen Gottes begleitet sei von der transparenten Zeichenhaftigkeit des Lebens eines „Gottesmannes“. Wenn Schmerz, Einsamkeit und Ausschließung das menschliche Herz heimsuchen, erwartet man von den geweihten Personen ein neues, leuchtendes Angebot an Liebe durch eine Keuschheit, die das Herz weit macht, eine Armut, die Schranken beseitigt, und einen Gehorsam, der in der Kommunität, in der Kirche und in der Welt Gemeinschaft aufbaut. Auf diese Weise wird das prophetische Wirken allen Hoffnung bringen, weil sich Gott durch euch weiterhin seines Volkes annehmen wird (vgl. Lk 7,16). Ihr seid auch aufgerufen, gemeinsam mit den Ortsbischöfen „Sauerteig des Evangeliums zu sein und die Kulturen des dritten Jahrtausends und die Gesellschaftsordnung der Völker zu evangelisieren“ (Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2.2.1992, Nr. 5). Dafür müßt ihr durch Gebet, eifriges Hören des Wortes und durch die Eucharistie ein Verhältnis tiefer Vertraulichkeit zu Christus pflegen. Intensiviert durch Studium und Prüfung der Herausforderungen der Gegenwart die ständige Weiterbildung und laßt euer Herz immer großmütiger werden, um auf den Nächsten zuzugehen, der Liebe und Hoffnung nötig hat. Euer Beispiel und eure Hingabe soll auch eine Einladung und ein Ansporn für andere, vor allem junge Menschen sein, die sich ungeachtet des mancherorts gegenwärtig herrschenden Mangels an geistlichen Berufen eurer brüderlichen Missionsgemeinschaft anschließen wollen, um auf diese Weise Jesus zu folgen und sich aussenden zu lassen, um zu predigen (vgl. Mk 3,14). Eure Brüder, die 51 seliggesprochenen Märtyrer von Barbastro, sowie viele andere Märtyrer „haben in unserem Jahrhundert durch die Hingabe ihres Lebens Zeugnis von Christus, dem Herrn, gegeben“ (vgl. Vita consecrata, Nr. 86). Darum bitte ich den Herrn, daß das 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vergossene Blut für eure Kongregation die Saat zahlreicher Missionsberufe aufgehen lasse, für die gute und heiligmäßige Ausbilder bereitstehen sollen. 5. Ich empfehle euer Kapitel und die ganze Kongregation dem Schutz der Jungfrau Maria, Mutter Christi und Mutter der Kirche. Möge ihr mütterliches Herz alle zu tiefer Anhänglichkeit zu Jesus, zum Hören seines Wortes und zu inniger Liebe zu allen Menschen anleiten. An eben diesem Herzen werdet ihr euch immer wieder inspirieren müssen, um der Welt das Erbarmen des Herrn zu verkünden und ihn zu lieben, wie sie ihn geliebt hat. Möge ihre Fürbitte euch auch in den verschiedenen apostolischen Werken Stütze sein, in denen ihr euch engagiert. In diesem Sinne erteile ich euch und allen Claretiner-Missionaren, Söhnen des Unbefleckten Herzens Mariä, von Herzen den Apostolischen Segen. Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden gehen Hand in Hand Grußwort an eine hochrangige Delegation aus Palästina unter Leitung von Dr. Emil M. Jaijoui, Mitglied des Exekutivausschusses der PLO und Mitglied des palästinensischen Legislativrates für Jerusalem, am 22. September Sehr geehrte Mitglieder der Palästinensischen Führung! Es ist für mich eine besondere Freude, Sie heute zu empfangen und durch Sie Ihre Obrigkeiten und das ganze palästinensische Volk zu grüßen. An dieses liebe Volk zu denken, bedeutet leider immer auch, an eine traurige Wirklichkeit zu denken: Ungerechtigkeit, Gewalttätigkeit und Angst vor der Zukunft sind noch immer das tägliche Brot Ihrer Brüder und Schwestern. Der Hl. Stuhl und der Papst haben nie versäumt, in aller Ordnung frei heraus zu sagen, daß niemand die Tragödien vergessen sollte, die Ihre Geschichte und Ihre Leiden gekennzeichnet haben. Niemand darf es abweisen, daß ihn das Schicksal so vieler Menschenbrüder und -Schwestern etwas anginge, deren Rechte allzu oft nicht anerkannt, ja vielfach mit Füßen getreten werden. Ebenso hat der Hl. Stuhl sich wiederholt frei ausgesprochen für die Sicherheit des Staates Israel, in der tiefen Überzeugung, daß Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden Hand in Hand gehen. Gern möchte ich noch einmal alle, die im Nahen Osten leben, und alle, die in diesem Gebiet irgendeine politische, soziale oder religiöse Autorität ausüben, daran erinnern, daß ein Friedensprozeß in Gang gesetzt worden ist, daß der Weg der Versöhnung markiert wurde, daß Völker ihren Wunsch nach Gerechtigkeit zum Ausdruck gebracht haben und daß ganze Familien eine friedliche Zukunft für ihre Kinder erwarten. Mehr als nur menschliche Vernunft oder politische Interessen ist es Gott selbst, der jeden einzelnen auffordert, den Mut zu Brüderlichkeit, Dialog, Ausdauer und Frieden aufzubringen! Ich bitte ihn, alle zu segnen, deren Vertreter Sie sind, und alle, die in dem Land leben, das für uns „Das Heilige Land“ bleibt. 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Missionsarbeit an Brennpunkten der Not und Armut Botschaft an den Generaloberen der Comboni-Missionare vom Herzen Jesu, Manuel Augusto Lopes Ferreira, vom 25. September An den hochwürdigsten Pater Manuel Augusto Lopes Ferreira Generaloberer der Comboni-Missionare vom Herzen Jesu 1. Mit Freude wende ich mich an Sie anläßlich des Generalkapitels - eines vorzüglichen Augenblicks zu Vertiefung und Wachstum im Leben der Ordensfamilie -, und gern nehme ich die Gelegenheit wahr, Ihnen meine Glückwünsche zu der anspruchsvollen Aufgabe zum Ausdruck zu bringen, zu der Sie vom Vertrauen Ihrer Mitbrüder berufen wurden. Der Herr stehe Ihnen bei in der Erfüllung des neuen Auftrages, bei dem mein Gebet Sie begleitet. Ich grüße auch die Mitglieder des Generalrates und die Teilnehmer an der Kapitelversammlung. Von Herzen wünsche ich, die intensiven Arbeiten dieser Tage mögen in der combonianischen Gemeinschaft reiche Früchte des Guten erbringen zugunsten der Missionstätigkeit der Kirche. Meinen herzlichen Gruß entbiete ich weiterhin allen Comboni-Missionaren, die, oft unter schwierigen Bedingungen, in vier Kontinenten arbeiten. Ich ermutige sie, mit hochherziger Treue in ihrem Missionsauftrag „ad gentes“ fortzufahren. Das 15. Generalkapitel findet zwischen zwei bedeutsamen Ereignissen im Leben Eures Institutes statt: Das erste ist die Seligsprechung des Gründers, Msgr. Daniele Comboni, den zur Ehre der Altäre zu erheben ich im vorigen Jahr die Freude hatte; das zweite ist das Große Jubiläum des Jahres 2000, dessen Vorbereitung alle Teile des Gottesvolkes einbezieht. Diese beiden Ereignisse geben Eurer Ordensfamilie Antrieb zur Vertiefung ihres Charismas, um sich im Blick auf das dritte Jahrtausend mit neuem Schwung im Werk der Evangelisierung einzusetzen. 2. Mit Freude preise ich den Herrn wegen all des Guten, das Ihr Comboni-Missionare in der Welt vollbringt, und zugleich möchte ich Euch auffordem, hinsichtlich der Situation der Völker, wo Ihr Eure Pastoralarbeit leistet, aufmerksames Verständnis zu zeigen. Gott ruft Euch, Bevölkerungsgruppen, die oft von großer Armut und von langem und heftigem Leiden gezeichnet sind, Trost zu bringen, wie beispielsweise im Sudan, in Uganda, im Kongo-Kinshasa, in der Zentralafrikanischen Republik und in manchen anderen Teilen der Erde. Laßt Euch beständig von den schwierigen Situationen, mit denen Ihr in Kontakt kommt, befragen, und sucht in angemessener Weise das Zeugnis der Liebe zu geben, die der Heilige Geist in Eure Herzen eingießt (vgl. Röm 5,5). Das Leben der Comboni-Missionare, das Freuden und Leiden, Licht und Schatten kennt, ist auch in diesen letzten Jahren durch das Kreuz Christi gezeichnet und fruchtbar geworden. Wie sollte man nicht an die Mitbrüder erinnern, deren Missi- 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN onsdienst in der äußersten Hingabe, im Opfer ihres Lebens seinen krönenden Abschluß fand? Ihre radikale, dem Evangelium gemäße Entscheidung möge Euren missionarischen Einsatz erleuchten und allen den Mut geben, mit neuer Hochherzigkeit die Euch kennzeichnende Mission in der Kirche fortzusetzen. 3. Um diese nicht leichte Mission voranzubringen, bedarf es einer soliden und qualifizierten Ausbildung, sowohl im Anfangsstadium, wenn die Berufung der Kandidaten noch ausreift, als auch in den darauf folgenden Jahren. Zu diesem Zweck muß man sich notwendigerweise vergegenwärtigen, daß die Zahl der Nationen zunimmt, aus denen die jungen Missionare stammen, und daß zugleich die dringende Notwendigkeit einer entsprechenden Vorbereitung dieses neuen Nachwuchses nicht unterschätzt werden darf, damit er den für die comboni-anische Mission charakteristischen interkulturellen Übergängen gewachsen ist. Ebenso muß auch die Notwendigkeit einer Begleitung in den ersten Dienstjahren auf dem Missionsfeld für sie in Betracht gezogen werden. So wird die Unterstützung durch das Beispiel und das Zeugnis von reifen Combonianem von Nutzen sein. Es zeigt sich also, wie wichtig eine dauernde Weiterbildung ist, die ohne Unterschied alle Mitglieder des Instituts betrifft. Sie werde immer mehr als Verantwortung empfunden, die in erster Linie den einzelnen Ordensmann und die örtliche Gemeinschaft angeht. 4. Ausgehend von der augenblicklichen Lage Eures Instituts, wird es, wenn man sie - wie der sei. Daniel Comboni lehrt - „im reinen Licht des Glaubens“ betrachtet, möglich sein, einige Programmlinien vorzuschlagen, die Euch fuhren mögen, damit Ihr Euch mit Vertrauen und stets lebendigem apostolischen Schwung auf den Weg in die Zukunft macht. Vor allem sollt Ihr es verstehen, mit Freude die ständigen Anregungen zur Erneuerung und zum Einsatz anzunehmen, die aus der persönlichen Begegnung mit Jesus, dem Herrn, hervorgehen, der in der Mission durch den Heiligen Geist zugegen ist und wirkt. Gemäß einer grundlegenden Intuition von Msgr. Comboni wird Euch die Vertiefung und erneute Bestätigung des besonderen Charismas Eures Instituts wichtig sein. Das wird Euch gewiß dazu drängen, Euer Herz bereitwillig und dankbar für die Gnade Eurer besonderen Berufung in der Kirche zu öffnen. Sie trägt die Kennzeichen einer Berufung ad gentes und ad vitam. Die Weihe für die Mission muß sodann in einer wachsenden apostolischen Beweglichkeit zum Ausdruck kommen, die es erlaubt, sofort und in passender Weise den jeweils aktuellen Erfordernissen zu entsprechen. Das wird Euch gestatten, auf den neuen Areopagen der Evangelisierung aktiv anwesend zu sein und - auch wenn es Opfer mit sich bringen sollte - bevorzugt offen für Situationen, die in ihrer Realität äußerster Not wie ein Symbol für unsere Zeit erscheinen. 5. Nach dem Beispiel des seligen Gründers ist es dringend notwendig, der missionarischen Einstellung neuen Antrieb zu geben. Vor allem wird es der apostolische 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eifer der Missionare selbst sein, der die ihnen anvertrauten christlichen Gemeinschaften, besonders die erst vor kurzer Zeit gegründeten, darin unterstützt. Sie sollen von Euch ermutigt werden, die universale missionarische Berufung als wesentlichen Teil ihrer Identität zu verwirklichen und sich an dem „organischen solidarischen Zusammenwirken in der Pastoral“ zu beteiligen, auf das ich im Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa (Nr. 131) hingewiesen habe. Im Bemühen um eine Umstellung im Stil des missionarischen Dienstes wird es notwendig sein, einigen Elementen den Vorzug zu geben, die heute wichtig sind, wie etwa die Sensibilität für die Inkulturation des Evangeliums, der den Pastoral-arbeitem zugestandene Umfang der Mitverantwortung, die Wahl einfacher und schlichter Formen der Anwesenheit unter den Leuten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen der Dialog mit dem Islam, der Einsatz für die Förderung der Würde der Frau und der Werte der Familie, das wache Empfinden für die Themen der Gerechtigkeit und des Friedens. 6. Das Bemühen um die Erneuerung des Instituts schließt notwendigerweise das liebevolle Besorgtsein um das Befinden jedes einzelnen Ordensmannes ein, damit seine missionarische Weihe immer mehr zur Quelle belebender und heiligender Begegnung mit Jesus werde, aus dessen durchbohrtem Herz Trost, Friede und Heil für alle Menschen entspringen. In dieser Hinsicht ist es entscheidend, tiefer an die mystischen Wurzeln der combonianischen Berufung zu gehen. So wird Euch die Euch eigene Spiritualität Nahrung geben können, und Ihr werdet sie als kostbares Geschenk all denen anbieten können, denen Ihr im pastoralen Dienst begegnet. Wie ich bei der Seligsprechung von Daniel Comboni sagte, wußte der selige Gründer aus der Betrachtung des Kreuzes und aus der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu Hilfe und Kraft zu schöpfen, um jede Prüfung durchzustehen. Sein schutzloses Missionswerk war vom Gebet gestützt, das er als Hauptmittel der Evangelisierung und der missionarischen Animation bezeichnete (vgl. Seligspr. am 17.3.1996). Mögen, das ist mein Wunsch, die vom Generalkapitel erarbeiteten Richtlinien das ganze Institut dazu anleiten, mit Großmut und Entschlossenheit den vom Gründer vorgezeichneten und von so vielen Mitbrüdem mit heroischem Mut beschrittenen Weg weiterzugehen. In diesem Sinn bitte ich inständig um den himmlischen Schutz Marias, der Königin der Missionen, und des sei. Daniel Comboni und erteile den zum Kapitel Delegierten und der ganzen combonianischen Familie einen besonderen Apostolischen Segen. Aus Castelgandolfo am 25. September 1997 Joannes Paulus PP. II 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kulturgüter der Kirche im Dienst an der Seelsorge Botschaft an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche vom 25. September Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Gerne richte ich meinen Gruß an euch anläßlich der Zweiten Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche und danke euch für eure tatkräftige Arbeit. Einen besonderen Gruß möchte ich an euren Präsidenten, Erzbischof Francesco Marchisano, richten, der mir eure Gefühle zum Ausdruck gebracht hat, wofür ich ihm dankbar bin. Eure Gruppe wurde in jüngster Zeit um einige neue und qualifizierte Mitglieder bereichert, um die Universalität der Kirche und die Verschiedenheit der Kulturen noch besser zu repräsentieren. Durch die diversen künstlerischen Ausdrucksformen kann sich in der Tat ein vielfältiges Loblied zu Gott erheben, der sich in Jesus Christus offenbart hat. An alle richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß. Das Thema eurer Tagung ist von großem Interesse: „Die Kulturgüter der Kirche in bezug auf die Vorbereitung des Jubeljahres.“ Wie ich schon in Tertio millennio adveniente schrieb, ist die Kirche im Hinblick auf das Jubeljahr eingeladen, den in diesen zweitausend Jahren durchschrittenen Weg ihrer Geschichte zu überdenken. Die Kulturgüter stellen einen wichtigen Teil des Erbes dar, das sie im Laufe der Zeit zum Zweck der Evangelisierung, der Erziehung und der Nächstenliebe zusammengetragen hat. Der Einfluß des Christentums sowohl auf die verschiedenen Bereiche der Kunst als auch auf die Kultur mit all ihrem Wissensreichtum war in der Tat enorm. Die jetzige Tagung bietet euch eine willkommene Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch über das, was in den verschiedenen kirchlichen Einrichtungen, deren angesehene Sprecher ihr seid, im Hinblick auf das Jubeljahr organisiert wird. Sie erlaubt es euch auch, Empfehlungen und Ratschläge zu sammeln, die den zuständigen Behörden der einzelnen Länder mitgeteilt werden und dann im Zusammenhang den jeweiligen Traditionen ihre geeignetste Anwendung finden können. In diesem ersten Vorbereitungsjahr auf die historische Jahresfeier 2000 soll vor allem die Betrachtung des Bildes Christi die geistigen Kräfte der Gläubigen stärken, damit sie den Herrn lieben und für ihn im Heute der Kirche und der Kulturen Zeugnis ablegen, mit dem Mut der Heiligkeit und dem Genius der Kunst. Die verschiedenen Ausdrucksformen der Kunst und der Kultur, die immer ein bevorzugtes Mittel der Aussaat des Evangeliums gewesen sind, erfordern am Ende dieses Jahrtausends eine aufmerksame Überprüfung und eine Kritik mit Weitsicht, damit sie zu neuer kreativer Kraft fähig sind und ihren Beitrag zum Aufbau der „Zivilisation der Liebe“ leisten können. 684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die „Kulturgüter“ sollen der Förderung des Menschen dienen; im kirchlichen Umfeld spielen sie eine besondere Rolle, da sie zur Evangelisierung, zur Gottesverehrung und zur Nächstenliebe bestimmt sind. Es gibt unterschiedliche Arten: Malerei, Skulptur, Architektur, Mosaik, Musik, Literatur, Theater und Film. In diesen Kunstformen kommt die kreative Kraft des menschlichen Genius zum Ausdruck, der durch symbolische Darstellungen zum Überbringer einer die Realität übersteigenden Botschaft wird. Wenn sie vom Hauch des Geistes beseelt sind, können diese Werke der Seele auf ihrer Suche nach den göttlichen Dingen helfen und sogar interessante Anhaltspunkte für die Katechese und Askese liefern. Die kirchlichen Bibliotheken zum Beispiel sind nicht nur der Tempel eines sterilen Wissens, sondern der bevorzugte Ort der wahren Wissenschaft, welche über die Geschichte des Menschen als Herrlichkeit des lebendigen Gottes berichtet, und zwar durch die Mühen all derer, die in den Fragmenten der Schöpfung und im Innersten der Seelen die Prägung durch das Wesen Gottes gesucht haben. Die Museen religiöser Kunst sind nicht Aufbewahrungsorte seelenloser Fundstücke, sondern lebendige Stätten, an denen der Genius und die Spiritualität der Gläubigen durch die Jahre weitergegeben werden. Die Archive - vor allem die der Kirche - bewahren nicht nur die Spuren der Begebenheiten der Menschheit auf, sondern sie leiten auch zur Meditation über das Wirken der göttlichen Vorsehung in der Geschichte; so werden die dort aufgehobenen Dokumente zur Erinnerung an die Evangelisierung durch die Jahrhunderte und zu einem wirklichen Werkzeug der Pastoral. Meine Lieben! Ihr setzt euch aktiv für den Erhalt des unermeßlichen Schatzes der Kulturgüter der Kirche ein wie auch für die Wahrung des Andenkens ihrer Tätigkeit im Laufe der Zeit, um sie für weitere Entwicklungen im Bereich der Freien Künste zu öffnen. Ihr habt die Verpflichtung übernommen, unseren Zeitgenossen während dieser „passenden Zeit“ am Vorabend des Jubeljahres ohne großes Aufsehen all das vorzustellen, was die Kirche im Laufe der Jahrhunderte für die Inkulturation des Glaubens geleistet hat, und den Männern und Frauen in Kunst und Kultur angemessene Anregungen zu geben, damit sie mit ihren Werken beständig das Antlitz Gottes und des Menschen suchen. Die zahllosen Initiativen, die im Hinblick auf das Heilige Jahr unternommen und geplant werden, haben das Ziel, dank des Beitrags eines jeden Aspekts der Kunst und Kultur diese grundlegende Verkündung hervorzuheben: „Jesus Christus, gestern, heute und in Ewigkeit.“ Er ist der einzige Retter des Menschen, des ganzen Menschen. Die Bemühungen eurer Kommission um die Koordinierung des kulturellen und künstlerischen Bereiches durch eine besondere Einrichtung, welche die vielfältigen Vorschläge für künstlerische Ereignisse auswertet, sind deshalb sehr lobenswert. Zu den antiken Stücken kommen die neuen Meisterwerke der Kultur und der Kunst, und diese Mittel sind oft sehr wirksam, um die Gläubigen zum Wachstum im Glauben und zu einem Zeugnis mit neuem Mut anzuregen. Von den Ausgrabungsstätten bis hin zu den modernsten Werken christlicher Kunst muß der 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch unserer Tage in allem die Geschichte der Kirche nachlesen können, damit er die geheimnisvolle Faszination des Heilsplans Gottes erkennen kann. 3. Die Aufgabe, die eurer Kommission übertragen wurde, besteht in der kulturellen und seelsorgerischen Anregung der kirchlichen Gemeinschaften, indem die vielfältigen Ausdrucksformen ausgeschöpft werden, welche die Kirche im Dienst an der Neuevangelisierung der Völker hervorgebracht hat und immer noch hervorbringt. Es geht darum, das Andenken an die Vergangenheit zu bewahren und die sichtbaren Denkmäler des Geistes zu schützen - durch eine engmaschige und ständige Arbeit bei der Katalogisierung, Instandhaltung, Restaurierung, Erhaltung und der Sicherung. Man muß alle Verantwortlichen auf diesem Gebiet zu einem so wichtigen Einsatz auffordem, damit der Schutz der Güter der Christenheit und der ganzen Menschheit mit der gebührenden Aufmerksamkeit vorangebracht wird. Diese Güter gehören allen, und sie sollen deshalb allen Menschen lieb und vertraut werden. Es geht auch darum, durch sorgfältige und aufgeschlossene, persönliche Kontakte in diesem Bereich neue Produktionen zu fordern, damit auch unser Zeitalter Werke aufweisen kann, die den Glauben und den Einfallsreichtum der Gegenwart der Kirche in der Geschichte dokumentieren. Es sollen also die örtlichen Kircheneinrichtungen und die vielen Verbände ermutigt werden, eine enge und beständige Zusammenarbeit zwischen Kirche, Kultur und Kunst zu unterstützen. Darüber hinaus handelt es sich darum, den pastoralen Sinn dieser Bemühungen stärker hervorzuheben, damit sie von der Welt von heute, von den Gläubigen wie von den Nichtgläubigen, wahrgenommen werden. Zu diesem Zweck ist es angezeigt, in den Diözesangemeinschaften Gelegenheiten zur Ausbildung der Priester, Künstler und aller an den Kulturgütern interessierten Menschen zu organisieren, damit das künstlerische Erbe auf kulturellem und katechetischem Gebiet voll zur Geltung gebracht wird. Deshalb begrüße ich eure Anstrengungen für eine Darstellung des Beitrags der Christenheit zur Kultur der verschiedenen Völker durch die Evangelisierungstätigkeit der Priester, Ordensleute und engagierten Laien. Auch wenige Jahrhunderte der Evangelisierung haben fast regelmäßig Kunstwerke hervorgebracht, die in der Kulturgeschichte ihrer Völker wesentlich geblieben sind. Es ist außerdem angebracht, die echtesten Formen der Volksfrömmigkeit mit den dazugehörigen kulturellen Wurzeln hervorzuheben. Auch muß man die Bedeutung der kirchlichen Museen (auf Diözesan-, Gemeinde- und regionaler Ebene) unterstreichen sowie die der religiös inspirierten, literarischen und musikalischen Werke, der Theaterstücke und kulturellen Werke im allgemeinen, um der historischen Erinnerung der Christenheit ein konkretes und verwendbares Gesicht zu geben. Zu diesem Zweck wird es nützlich sein, Treffen auf nationaler und diözesaner Ebene in Zusammenarbeit mit verschiedenen kulturellen Institutionen (Universi- 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN täten, Schulen, Seminare, usw.) zu organisieren, um das Erbe der Kulturgüter der Kirche zu erläutern. Auch ist es hilfreich, auf lokaler Ebene das Studium hervorragender Persönlichkeiten in Kirche und Welt zu fördern, die eine bedeutende Prägung im Leben des Landes oder der christlichen Gemeinschaft hinterlassen haben, oder die Ereignisse der eigenen Geschichte zu untersuchen, bei denen das Christentum unter verschiedenen Gesichtspunkten - vor allem im Bereich der Kunst -eine entscheidende Rolle gespielt hat. 4. Die Belebung des Heiligen Jahres durch die Kulturgüter geschieht also „ad intra“ durch die Aufwertung des Kulturschatzes, den die Kirche während ihrer zweitausendjährigen Präsenz in der Welt hervorgebracht hat, und „ad extra“ durch das Einbeziehen von Künstlern, Kunstliebhabern und Verantwortlichen. Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche als Lehrmeisterin des Lebens kann sich nicht dem Auftrag entziehen, dem zeitgenössischen Menschen zu helfen, sein religiöses Erstaunen wiederzufinden angesichts des Zaubers der Schönheit und Weisheit, der aus den Hinterlassenschaften der Geschichte strömt. Diese Aufgabe erfordert eine anhaltende und beharrliche Arbeit der Orientierung, Ermutigung und des Austauschs. Ich möchte euch deshalb noch einmal meinen herzlichen Dank aussprechen für das, was ihr in diesem Bereich tut, und ich ermuntere euch, diesen anerkannten Dienst an der Kultur, der Kunst und dem Glauben mit Enthusiasmus und Kompetenz weiterzuführen. Das ist euer besonderer Beitrag zur Vorbereitung des Großen Jubeljahrs 2000, damit die Kirche weiterhin in der heutigen Welt präsent sein kann, indem sie jede wertvolle Ausdrucksform der Kunst fördert und die Entwicklung der verschiedenen Kulturen mit der Botschaft des Evangeliums inspiriert. Für die Arbeit eurer Versammlung erbitte ich den Beistand Gottes. Von Herzen segne ich jeden von euch wie auch alle Menschen, die mit euch Zusammenarbeiten in diesem für das Leben der Kirche so wichtigen Bereich. Aus Castelgandolfo, 25. September 1997 Therese von Lisieux — ein besonderes Vorbildfür junge Ordensleute Ansprache beim Internationalen Kongreß junger Ordensleute am 30. September Liebe junge gottgeweihte Männer und Frauen! 1. Es ist für mich eine große Stärkung, euch, die ihr aus allen Teilen der Welt hier in Rom zusammengekommen seid, anläßlich des Internationalen Kongresses der jungen Ordensleute zu treffen. Ich begrüße Kardinal Eduardo Martinez Somalo, den Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens, und danke ihm für die herzlichen Worte, die er in 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euer aller Namen soeben an mich gerichtet hat. Ich grüße den ehrwürdigen Pater Camilo Maccise und die ehrwürdige Mutter Giuseppina Fragasso, die beiden Präsidenten der Vereinigungen der Generaloberen und Generaloberinnen. Sie haben das heutige Treffen organisiert, und aus diesem Anlaß haben sich zum ersten Mal junge Mitglieder vieler Ordensfamilien in einem so bedeutsamen Abschnitt der Geschichte der Kirche und des geweihten Lebens hier versammelt. Ich richte meinen Gruß auch an die Generaloberen und -Oberinnen der verschiedenen Institute, die hier vertreten sind. Besonders aber begrüße ich euch, liebe junge geweihte Männer und Frauen. Einige von euch haben die Gedanken aller Anwesenden zum Ausdruck gebracht und mir die Erwartungen und die großherzigen Wünsche geschildert, die eure Gott und der Kirche geweihte Jugend beseelen. Eure so zahlreiche und festlich gestimmte Anwesenheit ruft uns natürlich das Bild des XII. Weltjugendtags in Erinnerung, der in Paris im August dieses Jahres stattgefunden hat. Dieses Bild habe ich noch lebhaft im Gedächtnis und trage es in meinem Herzen. So wie jene begeisterte Menge Jugendlicher stellt ihr - durch die Weihe an Gott, der „die Jugend erfreut“ - den reichen und erhebenden Ausdruck der ewigen Vitalität des Geistes dar. Man kann sagen, daß die Jugendlichen augenblicklich den Ton angeben: Jugendliche in Paris, Jugendliche am vergangenen Samstag in Bologna und Jugendliche jetzt bald auch in Brasilien, in Rio de Janeiro. 2. Mit Freude bemerke ich eine gewisse Kontinuität zwischen dem Ereignis in Paris und diesem Kongreß, die zum Glück auch durch die Themenstellung der beiden Treffen hervorgehoben wird. Das Thema des Weltjugendtags wurde nämlich durch die Worte des Johannesevangeliums vorgestellt: „Meister, wo wohnst du?“, „Kommt und seht“ (Joh 1,38-39), während das Thema eures Kongresses die Annahme der Einladung anzeigt, die Jesus an seine Jünger gerichtet hat und die in der österlichen Verkündigung der entscheidenden Entdeckung des Auferstandenen gipfelt: „Wir haben den Herrn gesehen“ {Joh 20,25). Ihr seid bevorzugte Zeugen dieser erstaunlichen Wahrheit vor der ganzen Welt: Der Herr ist auferstanden und macht sich zum Wegbegleiter des pilgernden Menschen auf den Straßen des Lebens, bis die Pfade der Zeit den Weg des Ewigen kreuzen werden, wenn „wir ihn sehen werden, wie er ist“ {1 Joh 3,2). Das geweihte Leben besitzt also ein prophetisches Charisma, weil es eingeordnet ist zwischen der Erfahrung, „den Herrn gesehen zu haben“, und der sicheren Hoffnung, ihn noch einmal zu sehen, „wie er ist“. Dieser Weg, den ihr eingeschlagen habt, wird euch Schritt für Schritt dazu fuhren, dieselbe Gesinnung Jesu anzunehmen (vgl. Phil 2,5). Laßt den Vater durch das Wirken des Geistes in eurem Herzen und Verstand dieselben Gefühle wie die seines Sohnes herausformen. Ihr seid berufen, mit derselben Leidenschaft für das Gottesreich einzutreten und eure Energie, eure Zeit, eure Jugend und euer Dasein dem Vater und den Brüdern zur Verfügung zu stellen, so wie er es getan hat. So werdet ihr eine wahre Lebensweisheit übernehmen. 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Weisheit, liebe Jugendliche, ist die Kostprobe des Gottesgeheimnisses und der Vertrautheit mit Gott; sie ist aber auch die Schönheit des Zusammenseins in seinem Namen, sie ist die Erfahrung eines keuschen, armen und gehorsamen Lebens zu seiner Ehre, sie ist Liebe zu den Armen und Kleinen und Verwandlung des Lebens im Licht der Seligpreisungen. Das ist das Geheimnis der Freude so vieler Ordensmänner und Ordensfrauen; diese Freude ist der Welt unbekannt, und ihr habt die Aufgabe, sie euren Brüdern und Schwestern mitzuteilen durch das leuchtende Beispiel eurer Hingabe. Der Papst, der auf italienisch begonnen hatte, fuhr auf spanisch fort: 3. Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen! Welch großer spiritueller Reichtum findet sich in eurer Geschichte, und welch kostbares Erbe haltet ihr in euren Händen! Behaltet aber stets in Erinnerung, daß euch dies nicht nur zu eurer eigenen Vervollkommnung gegeben wurde, sondern auch dazu, daß ihr es der Kirche und der Menschheit zur Verfügung stellt, damit es Anlaß zur Weisheit und Seligkeit für alle werde. So hat es auch die hl. Therese von Lisieux getan mit ihrem „Weg der geistlichen Kindheit“, der eine wahrhafte Theologie der Liebe darstellt. Sie war jung wie ihr und vermochte es, vielen Seelen die Schönheit des Vertrauens und der Hingabe an Gott, der Einfachheit der Kindheit nach dem Evangelium und der Vertrautheit mit dem Herrn zu vermitteln, aus der ganz von selbst brüderliche Gemeinschaft und Dienst am Nächsten hervorgehen. Die große kleine Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz wird gerade aus diesem Grund zur Kirchenlehrerin erhoben: weil sie durch die „Theologie des Herzens“ und in jedermann verständlichen Worten einen sicheren Weg aufgezeigt hat, um Gott zu suchen und sich von ihm finden zu lassen. Das ist auch die Erfahrung vieler eurer Brüder und Schwestern der Vergangenheit und der Gegenwart. In Stille und Verborgenheit haben sie es verstanden, die typisch apostolische Seele des religiösen Lebens zu verkörpern, insbesondere die außergewöhnliche Fähigkeit des geweihten Menschen, intensive Kontemplation und Gottesliebe zu verbinden mit tatkräftiger Liebe zu den Armen und Bedürftigen und zu den Menschen, die die Welt oft an den Rand drängt und ausschließt. Auf englisch sagte der Papst: 4. Euer Kongreß ist nicht nur ein Treffen junger Menschen oder für Ordensleute, sondern es ist eine prophetische Verkündigung und Zeugnis für alle. Ihr seid aus allen Teilen der Welt hierhergekommen, um über die zentralen Aspekte des geweihten Lebens nachzudenken: Berufung, Spiritualität, Gemeinschaft und Sendung. Darüber hinaus möchtet ihr eure Erfahrungen in einem Klima des Gebets und der freudigen Brüderlichkeit austauschen. Auf diese Weise erstrahlt das geweihte Leben klar als Teil des ewig jugendlichen Geistes der Kirche. Da ihr so viele und jung seid, bietet ihr ein dynamisches und zeitgenössisches Bild des geweihten Lebens. Sicherlich sind uns allen die Herausforderungen bewußt, 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die sich diesem Leben stellen, besonders in gewissen Ländern. Unter diesen sind speziell die Überalterung der Ordensleute zu nennen sowie die Neuordnung der Apostolate, die schwindende Präsenz und die zahlenmäßige Abnahme der Berufungen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß der Heilige Geist nicht aufhören wird, in vielen Jugendlichen wie euch den Aufruf zur vollständigen Hingabe an Gott zu wecken und zu ermutigen, und zwar sowohl in den traditionellen Formen des Ordenslebens als auch in neuen und originellen Formen. An die französischsprachigen Zuhörer gewandt, sagte der Papst: 5. Liebe Freunde! Ich danke euch für euren Besuch. Mehr noch als durch euer Alter verjüngt ihr die Kirche durch euren Enthusiasmus und durch die Freude, die ihr an den Tag legt. Ich möchte, daß ihr in meinem Herzen die Zuneigung und Achtung erkennt, die ich für jeden von euch hege. Der Papst liebt euch, er vertraut euch, er betet für euch und ist sicher, daß ihr fähig sein werdet, euch nicht nur an eure glorreiche Geschichte der Vergangenheit zu erinnern und sie zu erzählen, sondern diese Geschichte auch weiter aufzubauen im Laufe der Zukunft, die der Heilige Geist für euch vorbereitet (vgl. Vita consecrata, Nr. 110). In deutscher Sprache führ der Papst fort: Während wir uns im Rahmen der Vorbereitungen auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 darauf einstellen, das Jahr des Heiligen Geistes zu begehen, vertrauen wir gerade diesem Geist des Vaters und des Sohnes die große Gabe des gottgeweihten Lebens an. Wir schließen auch all jene ein, die sich überall auf der Welt hochherzig in die Nachfolge des armen, keuschen und gehorsamen Christus stellen. Erbitten wir dafür die Fürsprache der hll. Gründer und Gründerinnen eurer Orden und Kongregationen; erflehen wir vor allem die Hilfe Mariens, der gottgeweihten Jungfrau. Der Papst schloß, zur italienischen Sprache zurückkehrend: 6. Maria, junge Tochter Israels, die du auf den Vorschlag des Vaters sofort mit „Ja“ geantwortet hast, mache diese jungen Menschen dem Willen Gottes gegenüber aufmerksam und folgsam. Du hast die Jungfräulichkeit als vollkommene Aufnahme der göttlichen Liebe gelebt: Laß sie die Schönheit und Freiheit eines jungfräulichen Daseins entdecken. Du hast nichts besessen, um allein an Gott und seinem Wort reich zu sein: Befreie ihre Herzen von jeder weltlichen Anhänglichkeit, damit das Reich Gottes ihr einziger Schatz und ihre einzige Leidenschaft sei. Junge Tochter Zion, die du in deinem Gott liebenden Herzen immer Jungfrau geblieben bist: Erhalte in ihnen und in uns allen die ewige Jugend des Geistes und der Liebe. Jungfrau der Schmerzen, die du beim Kreuz deines Sohnes geblieben bist: Bewirke in jedem deiner Kinder, wie im Apostel Johannes, die Liebe, die stärker ist als der Tod. Jungfräuliche Mutter des Auferstandenen, mache uns alle zu Zeugen der Freude Christi, der in Ewigkeit lebt. Von Herzen segne ich euch alle. 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Glaube ist in der Liebe wirksam Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge [Oktober] 1997 vom 21. August 1996 Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Schicksal der Migranten und die leidvollen Mißgeschicke der Flüchtlinge, oftmals von der öffentlichen Meinung nicht genügend beachtet, müssen in den Gläubigen unweigerlich tiefe Anteilnahme und Interesse wecken. Mit dieser Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge möchte ich nicht nur meine ständige Aufmerksamkeit für die oft dramatische Lage derer bekunden, die die Heimat verlassen, sondern die Bischöfe, Pfarrer, Ordensleute, Pfarrgruppen sowie die kirchlichen Organisationen und Freiwilligenverbände auffordem, sich dieses Phänomens immer tiefer bewußt zu werden. Der kommende Welttag ist ein Anlaß, über die Lebensumstände der Migranten und Flüchtlinge nachzudenken, und ein Antrieb, ihre vorrangigen Bedürfnisse zu erkennen und Antworten zu finden, die ihrer personalen Würde und der Aufnahmepflicht besser entsprechen. Das Wanderungsphänomen zeigt sich heute als Massenbewegung, die zum großen Teil arme und bedürftige Personen betrifft, die ihre Heimat auf Grund von Kriegen, wirtschaftlichen Notlagen, politischen, ethnischen und sozialen Auseinandersetzungen und Naturkatastrophen verlassen haben. Viele verlassen aber ihr Herkunftsland auch aus anderen Gründen. Die Entwicklung der Verkehrsmittel, die Schnelligkeit der Nachrichtenübermittlung, die Vervielfältigung der sozialen Beziehungen, ein verbreiteter Wohl stand, mehr verfügbare Freizeit und wachsende kulturelle Interessen bewirken, daß der Personenverkehr ungeheure und oft unkontrollierbare Ausmaße annimmt, während er in fast allen Weltstädten zu einer Vielfalt von Kulturen führt und neue sozioökonomische Verhältnisse schafft. Religionszugehörigkeit ist soziales Unterscheidungsmerkmal Durch die Mobilität, die im Geflecht des täglichen Zusammenlebens Personen verschiedener Religionszugehörigkeit miteinander konfrontiert, wurde diese Zugehörigkeit zu einem sozialen Unterscheidungsmerkmal. Die Länder, die auf diesem Gebiet die stärksten Veränderungen erfuhren, sind gewiß die überwiegend christlichen des Westens. In einigen von ihnen ist die Pluralität der Religionen nicht nur verbreitet, sondern fest verwurzelt, weil der Migrationsstrom seit langer Zeit anhält. Den stärksten Religionsgruppen haben einige Regierungen bereits das Statut der Religionsanerkennung gewährt mit den damit verbundenen Vergünstigungen im Hinblick auf Schutz, Zuständigkeiten, Handlungsfreiheit und finanzielle Unterstützung für kulturelle und soziale Initiativen. Die Kirche, die die Kultfreiheit für jeden Menschen anerkennt, stimmt solchen Gesetzgebungen zu. Ja, sie schätzt und achtet die Anhänger der verschiedenen 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religionen und möchte mit ihnen konkrete Beziehungen anknüpfen und in einer Atmosphäre des Vertrauens und Dialogs im Hinblick auf die Lösung der dringenden Probleme der heutigen Gesellschaft Zusammenarbeiten. 2. Die Aufgabe, das Wort Gottes zu verkündigen, die Jesus der Kirche anvertraut hat, war von Anfang an mit der Geschichte der Emigration der Christen verbunden. In der Enzyklika Redemptoris missio erinnerte ich daran, daß „das Christentum in den ersten Jahrhunderten sich hauptsächlich deshalb verbreitete, weil die Christen, während sie umherzogen oder sich in Gebieten niederließen, wo Christus noch nicht verkündigt worden war, mit Mut ihren Glauben bezeugten und dort die ersten Gemeinden gründeten“ (vgl. Nr. 37). Das hat sich auch in jüngster Zeit bewahrheitet. 1989 schrieb ich: „Am Anfang der heute blühenden Christengemeinden finden wir oft kleine Einwandererkolonien, die sich unter der Leitung eines Priesters in notdürftigen Kirchen versammelten, um das Wort Gottes zu hören und von ihm den Mut zu erbitten, die Prüfungen und Schwierigkeiten ihrer harten Lebensumstände zu bewältigen“ (vgl. Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge 1989, Nr. 2). Viele Völker haben Christus durch die aus den Ländern der Erstevangelisierung Zugewanderten kennengelemt. An der Verkündigung der letzten Wirklichkeiten festhalten Heute verläuft die Wanderungsbewegung in umgekehrter Richtung. Es sind die Nichtchristen, die immer zahlreicher in die Länder christlicher Tradition kommen und Arbeit und bessere Lebensbedingungen suchen und das nicht selten als illegale Einwanderer und Flüchtlinge tun. Das bringt große und nicht leicht zu lösende Probleme mit sich. Die Kirche ihrerseits fühlt sich verpflichtet, sich - gleich dem barmherzigen Samariter - auf die Seite des illegalen Einwanderers und Flüchtlings zu stellen, der das zeitgenössische Abbild des Reisenden ist, der auf der Straße von Jericho überfallen, geplündert und liegen gelassen worden war (vgl. Lk 10,30). Sie geht zu ihm und heilt „seine Wunden mit dem Öl des Trostes und dem Wein der Hoffnung“ (Römisches Meßbuch, Präfation für Wochentage VII), weil sie sich gerufen fühlt, lebendiges Zeichen Christi zu sein, der gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Auf diese Weise handelt sie im Geist Christi und folgt seinen Spuren, während sie die Verkündigung der frohen Botschaft und die Solidarität mit dem Nächsten pflegt, die eng mit dem Werk der Kirche verbunden sind. 3. Die Dringlichkeit, den Migranten in ihrer oft schwierigen und heiklen Lage zu helfen, darf jedoch nicht die Verkündigung der letzten Wirklichkeiten behindern, auf denen die christliche Hoffnung gründet. Evangelisieren heißt, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Die nicht selten von Ungerechtigkeiten und Egoismen gezeichnete Welt von heute zeigt jedoch erstaunliches Interesse für den Schutz der Schwachen und Armen. 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter den Christen war in den vergangenen Jahren ein Streben nach Solidarität zu erkennen, das zu einem wirksameren Bezeugen des Evangeliums der Liebe an-spomt. Die Liebe und der Dienst an den Armen dürfen jedoch nicht zu einer Unterbewertung der Notwendigkeit des Glaubens fuhren, indem sie eine künstliche Trennung des einen Herrengebotes bewirken, das einlädt, gleichzeitig Gott und den Nächsten zu lieben. Der Einsatz der Kirche für die Zuwanderer und Flüchtlinge darf sich nicht darauf beschränken, einfach Strukturen der Aufnahme und Solidarität bereitzustellen. Diese Haltung würde die Reichtümer der Berufung der Kirche verkennen, deren Aufgabe in erster Linie die Vermittlung des Glaubens ist, der „stark wird durch Weitergabe“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 2). Am Ende unseres Lebens werden wir nach der Liebe, den Liebeswerken, die wir an den „geringsten“ Brüdern getan haben (vgl. Mt 25,31-45), aber auch nach dem Mut und nach der Treue, mit der wir für Christus Zeugnis abgelegt haben, gerichtet. Denn nach dem Evangelium hat er gesagt: „Wer sich [...] vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen“ {Mt 10,32-33). Für den Christen findet jede Tätigkeit ihren Beginn und ihre Vollendung in Christus: Der Getaufte handelt, gedrängt von der Liebe zu ihm, und weiß, daß aus der Zugehörigkeit zu ihm gerade die Wirkung seines Tuns entspringt: „[...] getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ {Joh 15,5). In der Nachfolge Jesu und der Apostel, die nach der Predigt vom Reich konkrete Zeichen seiner Verwirklichung setzen (vgl. Apg 1,1; Mk 6,30), evangelisiert der Christ durch Wort und Werke, die beide Früchte des Glaubens an Christus sind. Denn die Werke sind sein „wirksamer Glaube“, während das Wort sein „sprechender Glaube“ ist. Wie es keine Evangelisierung ohne konsequentes Handeln in Liebe zum Nächsten gibt, so gibt es keine wahre Liebe zum Nächsten ohne den Geist des Evangeliums: Diese beiden Aspekte sind eng miteinander verbunden. 4. „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4). Der wahre Hirt vergißt nie — auch wenn er vor ungeheure praktische Schwierigkeiten gestellt wird -, daß die Migranten Gott brauchen und daß viele ihn mit ehrlichem Herzen suchen. Aber wie bei den Jüngern von Em-maus sind ihre Augen oft nicht imstande, ihn zu erkennen (vgl. Lk 24,16). Deshalb soll auch ihnen Hilfe angeboten werden, indem man sie begleitet und anhört und so das Wort Gottes erklingen läßt, in ihren Herzen die Hoffnung weckt und sie zur Begegnung mit dem Auferstandenen führt. Das ist der missionarische Weg der Kirche: auf die Menschen aller Rassen, Sprachen und Nationen voll Sympathie und Liebe zugehen, indem man ihre Lage im Geist des Evangeliums teilt, um für sie das Brot der Wahrheit und der Liebe zu brechen. Es ist der Stil der Apostel, der in der missionarischen Erfahrung der christlichen Urgemeinden, in der Erzählung über die Verkündigung des Philippus an den Hofbeamten der Königin Kandake von Äthiopien (vgl. Apg 8,27-40) und in der Episode der Vision des Apostels Paulus (vgl. ebd., 18,9-11) erscheint. Letzterer, der 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in Korinth wirkt, wo die Bevölkerung zum großen Teil aus eingewanderten Hafenarbeitern besteht, wird vom Herrn ermutigt, keine Angst zu haben und weiter „zu reden und nicht zu schweigen“ und auf die Heilsmacht der Weisheit des Kreuzes zu vertrauen (vgl. 1 Kor 1,26-27). Dienst heißt Nachfolge Christi Die in der Apostelgeschichte erzählte Geschichte des Apostels Paulus bezeugt, daß er in der festen Überzeugung, nur in Christus sei Heil, ganz danach trachtete, jede Gelegenheit zu nutzen, um den Messias zu verkündigen. Er empfand diesen Einsatz als eine Pflicht: „Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (7 Kor 9,16). Er war sich in der Tat des Rechtes der Empfänger auf den Erhalt der Heilsbotschaft bewußt. Diesbezüglich bekräftigte mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandr. „Weder die Achtung und Wertschätzung noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen für die Kirche (können) eine Aufforderung darstellen, eher zu schweigen, als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden. Im Gegenteil, die Kirche ist der Auffassung, daß diese vielen Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi ken-nenzulemen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht“ (Nr. 53). 5. Das Johannesevangelium unterstreicht, daß Christi Tod dazu bestimmt war, „die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). Das Evangelium erzählt, daß während des Paschafestes einige Griechen an Philippus herantraten und ihn baten, Jesus sehen zu dürfen (vgl. Joh 21,21). Philippus ging und sagte es Andreas, und beide sagten es dem Herrn, der antwortete: „Die Stunde ist gekommen, daß der Menschensohn verherrlicht wird [...] Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es, wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach“ (Joh 12,23-26). Die Kirche will das Geheimnis Christi enthüllen Es sind Griechen, das heißt Heiden, die den Erlöser sehen wollen, und die Antwort erscheint auf den ersten Blick ohne Beziehung zu der Bitte. Aber im Licht dessen, was auf Golgota geschehen sollte, verstehen wir, daß die Erhöhung am Kreuz die Voraussetzung zur Verherrlichung Christi beim Vater und bei den Menschen ist und daß nur der Dynamismus des Ostergeheimnisses den Wunsch der Menschen, 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihn zu sehen und mit ihm in Verbindung zu treten, voll erfüllt. Die Kirche ist gerufen, mit den Menschen einen intensiven Dialog zu führen, um ihnen nicht nur wahre Werte zu vermitteln, sondern vor allem das Geheimnis Christi zu enthüllen, denn nur in ihm erreicht die Person ihre wahrste Dimension. „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Diese „Anziehungskraft“ gehört zur Gemeinschaft der Liebe und fordert die wahre menschliche Entfaltung, weil sie uns zur Vergebung und gegenseitigen Liebe befähigt. Im Bewußtsein, der Ort zu sein, wo die Menschen „Jesus sehen“ und seine Liebe erfahren können, erfüllt die Kirche ihre Sendung, indem sie sich bemüht, der Logik des Kreuzes entsprechend ein noch glaubwürdigeres Zeugnis der unentgeltlichen und uneingeschränkten Liebe des Erlösers zu geben, so daß „wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,13). 1997 ist das erste Jahr der dreijährigen Vorbereitung auf das Große Jubiläum 2000, in dem die Christen aufgerufen sind, ihren Blick besonders auf die Gestalt Christi zu richten. Ich lade alle nochmals ein, die Gemeinschaft mit Jesus noch intensiver zu pflegen und den Glauben an ihn durch die Liebe wirksam werden zu lassen (vgl. Gal 5,6) durch die besondere Öffnung des Geistes gegenüber denen, die in Not und Schwierigkeiten sind. So wird die Verkündigung des Evangeliums, die immer lebendige Botschaft der Hoffnung und der Liebe für die Menschen aller Zeiten, noch deutlicher Ausdruck finden. In dieser Hoffnung erteile ich den Migranten und den Flüchtlingen sowie allen, die sich ihrer schwierigen Lage annehmen, von Herzen den besonderen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, am 21. August 1996 Joannes Paulus PP. II 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freie und verantwortungsvolle Gestalter des eigenen Daseins werden Ansprache vor dem Internationalen Kongreß über Drogenabhängigkeit „Solidarisch für das Leben“ - organisiert vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst - am 11. Oktober In Anwesenheit von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano und des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, Erzbischof Javier Lozano Barragän, wurde am 9. Oktober der Kongreß über Drogen unter dem Thema „Solidarisch für das Leben“ eröffnet. Daran nahmen zahlreiche Experten und Delegierte aus mehreren Kontinenten teil. In der Eröffnungsrede faßte Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano die wichtigsten Richtlinien des päpstlichen Lehramts zu diesem Thema in sieben Kemgedanken zusammen. Der Papst nahm zu den angesprochenen Fragen dieses Themenkomplexes wie folgt Stellung: Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Freunde! 1. Es ist mir eine Freude, euch anläßlich des Internationalen Kolloquiums über Drogenabhängigkeit hier zu empfangen. Ich danke Msgr. Javier Lozano Barragän, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, für seine Willkommensgrüße und für die Organisation dieser Arbeitstagung. Es ist in der Tat höchst angebracht, über die ernsten Fragen nachzudenken, die das Phänomen der Drogensucht aufwirft, und über die Dringlichkeit der Forschungen, die den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, den Erziehern und den vom Drama der Drogenabhängigkeit heimgesuchten Familien Hilfestellung leisten können. 2. Seit mehreren Jahren hat der Hl. Stuhl immer wieder zu diesem Thema Stellung genommen, indem pastorale, erzieherische und soziale Vorschläge gemacht wurden. Wir müssen aber leider feststellen, daß dieses Phänomen heutzutage alle sozialen Schichten und alle Gegenden der Erde trifft. Immer mehr Kinder und Heranwachsende werden zu Konsumenten von Rauschgiften, oft wegen einem aus Leichtsinn begangenen oder als Herausforderung gedachten ersten Versuch. Die Eltern und Erzieher stehen dem häufig machtlos oder entmutigt gegenüber. Die Ärzte und die gesundheitlichen wie sozialen Einrichtungen stoßen auf große Schwierigkeiten, wenn sie denen helfen wollen, die zu ihnen kommen, um aus dem Teufelskreis der Droge auszubrechen. Man muß zugeben, daß die Strafandrohung gegen die Verbraucher solcher Substanzen nicht ausreicht, um diese Geißel einzudämmen; es hat sich nämlich auf internationaler Ebene eine bedeutende Handels- und Finanzkriminalität entwickelt. Die wirtschaftliche Macht, die sich aus der Herstellung und Kommerzialisierung dieser Produkte ergibt, entgeht in den meisten Fällen dem Gesetz und der Justiz. Man darf sich also nicht wundem, wenn die Gesellschaft von großer Verwirrung und von einem Gefühl der Ohnmacht gepackt wird. Manche schlagen vor, die Produktion und den Handel gewisser Drogen zu legalisieren. Einige Behörden sind 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bereit, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und versuchen nur, den Drogenkonsum zu überwachen, um seine Auswirkungen eventuell unter Kontrolle halten zu können. Daraus folgt, daß schon im Schulalter der Verbrauch bestimmter Drogen banalisiert wird; das wird außerdem von einer Einstellung gefordert, die die damit verbundenen Gefahren herabzuspielen versucht, vor allem durch die Unterscheidung zwischen weichen und harten Drogen, was dann zum Vorschlag einer Liberalisierung des Konsums gewisser Stoffe fuhrt. Eine solche Unterscheidung vernachlässigt und verwischt die Risiken, die mit der Einnahme jeglicher Art von Rauschgift einhergehen, vor allem die Verhaltensweisen der Abhängigkeit, die auf denselben psychischen Strukturen beruhen, die Abschwächung des Gewissens und der Verlust des Willens und der persönlichen Freiheit, und das gilt für alle Drogen. 3. Das Phänomen „Droge“ stellt ein Übel mit besonderer Gefährlichkeit dar. Zahlreiche Jugendliche und Erwachsene sind daran gestorben oder werden daran sterben, während andere in ihrem Innersten und in ihren Fähigkeiten geschwächt sind. Die Zuflucht der Jugendlichen zum Rauschgift hat vielfältige Bedeutsamkeiten. Während der heiklen Phasen ihres Wachstums muß die Drogensucht als Symptom eines „Lebensunbehagens“ oder der Schwierigkeit, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, oder auch einer Angst vor der Zukunft und einer Flucht in ein illusorisches und künstliches Leben aufgefaßt werden. Die Jugendzeit ist eine Zeit der Prüfungen und des Fragens, der Suche nach dem Sinn des Daseins und der Entscheidungen, die für die Zukunft wesentlich sind. Das Wachstum des Drogenmarktes und -konsums macht deutlich, daß wir in einer hoffhungsarmen Welt leben, wo es an kraftvollen menschlichen und spirituellen Angeboten fehlt. Deswegen denken viele Jugendliche, daß alle Verhaltensweisen gleichwertig sind, ohne daß sie das Gute vom Bösen unterscheiden können und ohne einen Sinn für irgendwelche sittlichen Grenzen zu finden. Umso mehr schätze ich die Bemühungen der Eltern und Erzieher, den Kindern geistige und moralische Werte zu vermitteln, damit diese als verantwortliche Menschen ihren Weg gehen. Oft tun sie das sehr mutig, aber sie fühlen sich nicht immer unterstützt, vor allem wenn die Medien moralisch inakzeptable Botschaften verbreiten, die in allen Ländern der Welt als kulturelle Bezugspunkte dienen und zum Beispiel vielfältige Modelle für das Familienleben anpreisen, die das normale Bild des Ehepaares zerstören und die Werte der Familie herabsetzen oder die Gewalt und manchmal sogar die Drogen selbst als Zeichen persönlicher Befreiung darstellen. 4. Die Angst vor der Zukunft und vor den Verpflichtungen des Erwachsenenlebens, die man bei den Jugendlichen beobachten kann, macht sie besonders anfällig. Häufig werden sie nicht zum Kampf für ein rechtes und schönes Leben angehalten; sie tendieren eher dazu, sich gegen die Außenwelt zu verschließen. Auch darf man nicht die verheerenden Auswirkungen der Arbeitslosigkeit bagatellisieren, deren Opfer vor allem die Jugendlichen sind, und zwar in einem Maße, das einer Gesellschaft, die die Menschenwürde achten möchte, unwürdig ist. 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kräfte des Todes drängen die jungen Leute dann dazu, sich den Drogen und der Gewalt auszuliefem, manchmal sogar bis hin zum Selbstmord. Hinter dem, was als Faszination für eine Art Selbstzerstörung erscheinen könnte, sollten wir bei den Jugendlichen einen Hilferuf und einen tiefen Lebenshunger erkennen, die man angemessen berücksichtigen sollte, damit die Welt ihre Angebote und Lebensweisen radikal zu ändern vermag. Zu viele Jugendliche bleiben sich selbst überlassen und erfahren keine aufmerksame Gegenwart, keine stabile Familie, sie erhalten weder eine normale Schulbildung noch eine soziale und erzieherische Unterweisung, die die intellektuelle und sittliche Bemühung in ihnen wecken und ihnen helfen, ihren Willen zu formen und ihr Gefühlsleben zu meistern. 5. Der Kampf gegen die Geißel der Drogenabhängigkeit ist Sache aller Menschen, ein jeder nach der Verantwortung, die ihm zukommt. Ich fordere in erster Linie die Eheleute auf, stabile eheliche und familiäre Beziehungen zu entwickeln, gegründet auf einer einmaligen, dauerhaften und treuen Liebe. So werden sie die besten Bedingungen schaffen für ein harmonisches Leben in ihrem Haushalt, indem sie ihren Kindern die affektive Sicherheit und das Selbstvertrauen bieten, die diese für ihr geistiges und psychisches Wachstum brauchen. Auch ist es wichtig, daß die Eltern, die die erste Verantwortung für ihre Kinder tragen, und mit ihnen die Gesamtheit der Erwachsenengemeinschaft ständig um die Erziehung der Jugend besorgt sind. Ich fordere also alle im Bereich der Erziehung Tätigen auf, ihre Bemühungen zugunsten der Jugendlichen zu verstärken, die ja erst ihr Gewissen ausbilden, ihr Innenleben entwickeln und positive Beziehungen sowie einen konstruktiven Dialog zu ihren Brüdern und Schwestern aufbauen müssen; sie können ihnen helfen, freie und verantwortliche Gestalter ihres Daseins zu werden. Die Jugendlichen, die eine wohlstrukturierte Persönlichkeit und eine solide menschliche und sittliche Ausbildung aufweisen und harmonische und vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Altersgenossen und zu den Erwachsenen unterhalten, werden eher in der Lage sein, den Lockungen der Menschen zu widerstehen, die Drogen verbreiten wollen. 6. Ich ermutige die zivilen Behörden, die Entscheidungsträger in der Wirtschaft und alle, die Verantwortung im sozialen Bereich tragen, ihre Bemühungen fortzusetzen und zu intensivieren, um die Gesetzgebung zum Kampf gegen Drogenabhängigkeit auf allen Stufen zu verbessern und um sich allen Arten von Drogenanbau und Drogenhandel zu widersetzen; es sind Quellen großen Reichtums, auf schändliche Weise erworben, indem die Schwäche schutzloser Menschen rücksichtslos ausgebeutet wird. Ich ermutige die Staatsgewalt, die Eltern und Erzieher, die im Gesundheitsbereich Beschäftigten und die christlichen Gemeinschaften, ihre Tätigkeiten abzusprechen und sich mit vorbeugenden Maßnahmen immer stärker für die Jugendlichen und Erwachsenen einzusetzen. Vor allem den Jugendlichen selbst sollen umsichtige und präzise medizinische Informationen gegeben werden, wobei die schädlichen Wirkungen der Drogen auf 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gesundheitlicher, intellektueller, psychologischer, sozialer und moralischer Ebene klar benannt werden sollen. Ich kenne die beständige Hingabe und Geduld derer, die die Menschen, die in die Netze der Droge verstrickt sind, pflegen und sie und ihre Familien begleiten. Ich lade die Eltern jedes Rauschgiftsüchtigen ein, nie zu verzweifeln, den Dialog immer aufrecht zu erhalten, nicht mit ihrer Zuneigung zu sparen und die Kontakte ihres Sohnes oder ihrer Tochter mit den Einrichtungen zu fordern, die sich um sie oder ihn kümmern könnten. Die warmherzige Aufmerksamkeit der Familie ist eine große Stütze für den innerlichen Kampf und für den Fortschritt jeder Entziehungskur. 7. Ich begrüße das unermüdliche und beharrliche pastorale Engagement der Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien im Drogenmilieu; sie unterstützen die Eltern und bemühen sich, die Jugendlichen aufzunehmen und ihnen zuzuhören, um ihre grundlegenden Fragestellungen zu verstehen, damit ihnen geholfen werden kann, aus der Spirale der Sucht auszubrechen und freie und glückliche Erwachsene zu werden. Die Sendung der Kirche besteht in der Vermittlung des Wortes des Evangeliums, das den Menschen für das Leben Gottes öffnet, und auch in der Offenbarung Christi, des Wortes des Lebens, das einen Weg menschlichen und geistigen Wachstums anbietet. Dem Vorbild ihres Herrn entsprechend und solidarisch mit ihren Brüdern im Menschengeschlecht, kommt die Kirche den Kleinsten und Schwächsten zu Hilfe, sie pflegt die Verwundeten, stärkt die Kranken und bemüht sich um die persönliche Entfaltung eines jeden Menschen. Zum Abschluß unseres Treffens möchte ich noch meine Anerkennung aussprechen für die Mission des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, der die menschlichen und spirituellen Probleme, die von der Drogenabhängigkeit und von anderen gesundheitlichen und sozialen Fragen aufgeworfen werden, aufmerksam verfolgt, um Lösungen vorzuschlagen für solche Situationen, die die darin verwik-kelten Menschen, unsere Brüder, schwer beeinträchtigen. Gleichzeitig ist der Rat auch aufgerufen, zusammen mit den Hirten der Ortskirchen, den Gläubigen und den zuständigen Dienststellen, die Drogenabhängige und ihre Familien unterstützen, seinen Beitrag zu allen möglichen lokalen Initiativen zu leisten. Ich vertraue euch und eure Tätigkeit der Fürsprache der Jungfrau Maria an; ich erflehe diese Fürsprache auch für die Jugendlichen, die unter der Macht der Droge stehen, und für ihre Angehörigen; möge Maria sie mit ihrer mütterlichen Liebe umgeben! Möge sie die Jugendlichen der Welt zu einem immer ausgeglicheneren Leben führen! Möge der Heilige Geist euch begleiten und euch den nötigen Mut zu eurem Werk zugunsten der Jugendlichen schenken! Euch allen, euren Mitarbeitern und Familienmitgliedern erteile ich den Apostolischen Segen. 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Menschen praktizierte Nachfolge Christi vorgelebt Predigt während fünf Seligsprechungen am 12. Oktober 1. „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17). Die Frage, die im Text des heutigen Evangeliums von einem jungen Mann gestellt wird, wurde im Lauf der Jahrhunderte von Männern und Frauen zahlloser Generationen, von Jungen und Alten, Klerikern und Laien an Christus gerichtet. „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Das ist die grundlegende Frage jedes Christen. Der Herr erinnert den Fragesteller vor allem an die Beobachtung der Gebote: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!“ (Mk 10,19; vgl. Ex 20,12-16). Der junge Mann erwidert mit Eifer: „Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“ {Mk 10,20). An diesem Punkt - so hebt das Evangelium hervor - „sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ Der junge Mann aber, so lesen wir in dem Erzählten weiter, „war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen“ {Mk 10,21-22). 2. Die neuen Seligen, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wurden, haben hingegen die Einladung Christi: „Komm und folge mir!“ mit bereitwilligem Eifer unverzüglich aufgenommen und sie bis ans Ende befolgt. So hat sich in ihnen die Macht der Gnade Gottes offenbart, und in ihrem irdischen Leben gelangten sie dahin, sogar zu vollbringen, was menschlich unmöglich erschien. Sie hatten all ihr Vertrauen in Gott gesetzt, und so ist für sie alles möglich geworden. Und darum freue ich mich heute, sie als Beispiele treuer Nachfolge Christi vorzustellen. Es sind: Elias Del Socorro Nieves, Märtyrer, Priester des Augustinerordens; Giovanni Bat-tista Piamarta, Priester der Diözese Brescia; Domenico Lentini, Priester der Diözese Tursi-Lagonegro; Maria von Jesus, mit bürgerlichem Namen Emilie d’Hooghvorst, Gründerin der Gemeinschaft der Schwestern von „Marie repa-ratrice“; Maria Teresa Fasce, Nonne aus dem Augustinerorden. 3. „Da sah Jesus ihn an und gewann ihn lieb“ (vgl. Mk 10,21). Diese Worte des Evangeliums erinnern an die geistliche und apostolische Erfahrung des Priesters Giovanni Piamarta, des Gründers der Kongregation der Heiligen Familie von Nazareth, den wir heute in der himmlischen Herrlichkeit betrachten. Auch er wußte nach dem Beispiel Christi viele Kinder und Jugendliche dahin zu fuhren, daß sie dem liebevollen und anfordemden Blick des Herrn begegneten. Wie viele konnten dank seines pastoralen Wirkens sich mit Freude auf den Weg ins Leben machen, nachdem sie ein Handwerk gelernt hatten und vor allem Jesus und seiner Heilsbotschaft hatten begegnen können! Das apostolische Werk des neuen Seligen 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist vielseitig und umfaßt viele Bereiche des sozialen Lebens: von der Arbeitswelt und der Landwirtschaft über Schule und Erziehung bis hin zum Verlagswesen. Er hat in der Diözese Brescia und der ganzen Kirche bedeutsame Spuren hinterlassen. Woraus schöpfte dieser außergewöhnliche Mann Gottes genügend Energie für seine vielfältige Tätigkeit? Die Antwort ist klar: Das inständige und eifrige Gebet war die Quelle des unermüdlichen apostolischen Eifers und der wohltuenden Anziehungskraft, die er auf alle ausübte, denen er näherkam. Er selbst betonte, wie Zeugnisse von Zeitgenossen in Erinnerung bringen: „Im Gebet wird man stark durch die Kraft Gottes selbst... Omnia possum.“ Mit Gott ist alles möglich, durch ihn und mit ihm. 4. „Die Güte des Herrn, unseres Gottes, sei über uns“ (Antwortpsalm). Das tiefe Bewußtsein von der Güte des Herrn erfüllte den Seligen Domenico Lentini, der als Wanderprediger nie müde wurde, zur Umkehr und Rückkehr zu Gott aufzufor-dem. Daher war seine apostolische Tätigkeit begleitet von eifrigem Dienst im Beichtstuhl. Denn er wußte gut, daß der Priester in der Feier des Bußsakramentes zum Ausspender des göttlichen Erbarmens und Zeugen des - dank der Reue des Bußfertigen und der vom Herrn gewährten Vergebung - wiedergeschenkten Lebens wird. Als Priester mit ungeteiltem Herzen wußte er die Treue gegen Gott und die Treue gegenüber dem Menschen miteinander zu verbinden. Die besondere Liebe seines Herzens galt den Jugendlichen, die er dazu erzog, im Glauben fest zu sein, und den Armen, denen er in absolutem Vertrauen auf die göttliche Vorsehung alles anbot, was ihm zur Verfügung stand. Die vollständige Hingabe an seinen Dienst machte aus ihm, nach dem Ausdruck meines verehrten Vorgängers Papst Pius XI., „einen Priester, der nur an seinem Priestertum reich war“. Von der italienischen Sprache ging der Papst dann auf die französische über: 5. In der zweiten Lesung der Liturgie haben wir gehört: „Lebendig ist das Wort Gottes ... es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist“ (Hebr 4,12). Emilie d’Hooghvorst hat dieses Wort zutiefst in sich aufgenommen. Sie hat es gelernt, sich dem Willen Gottes zu unterwerfen, und erfüllt zunächst die Aufgabe jedes christlichen Ehepaares: aus dem Heim der Familie ein „häusliches Heiligtum der Kirche“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 11) zu machen. Witwe geworden und erfüllt von dem Wunsch, am Ostergeheimnis Anteil zu haben, gründet Mutter Maria von Jesus die „Societe de Marie reparatrice“. Durch ihr Gebetsleben erinnert sie uns daran, daß wir in der eucharistischen Anbetung, bei der wir aus der Quelle des Lebens, nämlich Christus, schöpfen, Kraft für die tägliche Mission finden. Mögen wir alle, in welchem Lebensstand auch immer, es verstehen, „auf die Stimme Christi zu hören“, „die die Regel unseres Lebens sein muß“, wie sie gern sagte! 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Seligsprechung ist auch für die Ordensfrauen von „Marie reparatrice“ eine Ermutigung, ihr Apostolat mit erneuter Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen unserer Zeit fortzusetzen. Ihrem Charisma gemäß werden sie ihrer Sendung entsprechen: bei unseren Zeitgenossen den Glauben zu wecken, ihnen in ihrem geistlichen Wachstum behilflich zu sein und so aktiv am Aufbau der Kirche teilzunehmen. Folgendes sagte der Papst in spanischer Sprache: 6. Den Jüngern, die bestürzt sind über die Schwierigkeiten hinsichtlich des Eintritts ins Gottesreich, sagt Jesus: „Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott, denn für Gott ist alles möglich“ (Mk 10,27). Diese Botschaft nahm Pater Elias Del Socorro Nieves, der Augustinerpriester, der heute als Märtyrer für den Glauben zur Ehre der Altäre erhoben wird, freudig auf. Das grenzenlose, unbedingte Vertrauen auf Gott und die Jungfrau „del Socorro“, die er sehr verehrte, kennzeichnete sein ganzes Leben und seinen priesterlichen Dienst, den er selbstlos in steter Bereitschaft ausübte, ohne sich durch Hindernisse, Opfer oder Gefahr ab-schrecken zu lassen. Dieser treue Augustiner-Ordensmann verstand es, die Hoffnung auf Christus und auf die göttliche Vorsehung weiterzugeben. Das Leben und das Martyrium des Paters Nieves, der seine Gläubigen trotz des Risikos, das er einging, nicht verlassen wollte, sind eine Aufforderung, den Glauben an Gott zu erneuern, der alles vermag. Er ging standhaft dem Tod entgegen, segnete seine Henker und gab Zeugnis für seinen Glauben an Christus. Die Kirche in Mexiko zählt heute auf ein neues Vorbild des Lebens und einen mächtigen Fürbitter, der ihr beistehen wird, ihr christliches Leben zu erneuern. Ihre Augustinerbrüder haben ein weiteres Beispiel zur Nachahmung in ihrem beständigem Gottsuchen in Brüderlichkeit und im Dienst am Volke Gottes. Die ganze Kirche hat in ihm ein sprechendes Beispiel für die Früchte der Heiligkeit, die die Macht und die Gnade Gottes in ihr hervorbringen. Abschließend kam der Papst auf die italienische Sprache zurück: 7. Die erste Lesung, dem Buch der Weisheit entnommen, erinnert uns daran, daß Weisheit und Klugheit aus dem Gebet kommen: „Ich betete, und es wurde mir Klugheit gegeben; ich flehte, und der Geist der Weisheit kam zu mir“ (Weish 7,7). Diese Worte lassen sich gut auf das irdische Leben einer weiteren neuen Seligen anwenden, Maria Teresa Fasce, die in beständiger Betrachtung des Geheimnisses Christi lebte. Die Kirche zeigt sie heute als leuchtendes Beispiel einer lebendigen Synthese zwischen kontemplativem Leben und demütigem Zeugnis der Solidarität mit den Menschen, vor allem den Ärmsten, den Geringen, Verlassenen und Leidenden. Die augustinische Familie erlebt heute einen ganz besonderen Tag, denn sie sieht die Vertreter der beiden Zweige des Ordens in der Ehre der Altäre vereint: den apostolischen mit dem Seligen Elias Del Socorro Neves und den kontemplativen 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit der Seligen Maria Teresa Fasce. Ihr Beispiel ist für die Augustiner und Augustinerinnen ein Grund zur Freude und zu berechtigtem Stolz. Möge dieser Tag auch eine von der Vorsehung geschenkte Gelegenheit zu erneutem Eifer in der vollen und treuen Weihe an Gott und im hochherzigen Dienst an den Brüdern und Schwestern sein. 8. „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“ (Mk 10,18). Diese neuen Seligen haben den klaren Hinweis Christi gehört und begriffen, wo die ursprüngliche Quelle der Heiligkeit zu suchen ist. Gott ist die Fülle des Guten, dem das Bestreben eigen ist, sich auszubreiten: „Bonum est diffusivum sui“ (Hl. Thomas von Aquin, Summa Theol., I, q.5, a.4. ad 2). Er, der das höchste Gut ist, will sich selbst geben und diejenigen sich ähnlich machen, die ihn mit aufrichtigem Herzen suchen. Er hat den Wunsch, die zu heiligen, die bereit sind, alles zu verlassen, um seinem menschgewordenen Sohn nachzufolgen. Der erste Zweck dieser Feier besteht also darin, Gott, die Quelle aller Heiligkeit, zu loben. Wir erweisen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist Ehre, weil die neuen Seligen, die im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit getauft wurden, in heroischer Ausdauer mit der Gnade Gottes mitgewirkt haben. Nun schauen sie, des göttlichen Lebens in Fülle teilhaftig geworden, die Herrlichkeit des Herrn von Angesicht zu Angesicht. Sie genießen die Früchte der Seligpreisungen, die Jesus in der Bergpredigt verkündete: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3). Ja, das Himmelreich gehört diesen treuen Dienern und Dienerinnen Gottes, die, den Blick auf Christus gerichtet, ihm bis ans Ende gefolgt sind. Mit ihrem Leben haben sie Zeugnis gegeben für Ihn, der für sie und für alle am Kreuz gestorben und auferstanden ist. Es freut sich die ganze Kirche, die Mutter der Heiligen und Seligen, die große geistliche Familie der Menschen, die berufen sind, am göttlichen Leben teilzuhaben. Mit Maria, der Mutter Christi und Königin der Heiligen, und mit den neuen Seligen verkünden wir die Heiligkeit Gottes: „Heilig, heilig, heilig Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.“ Amen. 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein geistiges Haus, gebaut aus lebendigen Steinen Botschaft zur Neuweihe der Kathedrale von Minsk (Weißrussland) vom 15. Oktober An den verehrten Bruder Kardinal Kazimierz Swiatek Erzbischof von Minsk-Mohilev Es ist mir eine Freude, durch Kardinal Edmund C. Szoka bei der Feier der Neuweihe der Kathedrale von Minsk vertreten zu sein und auf diese Weise an der Freude der Gläubigen Weißrußlands teilhaben zu können. Der Bau dieses Gotteshauses, das Jesus, Maria und der hl. Barbara geweiht ist, wurde im Jahr 1700 von den Jesuiten begonnen. Nach der Auflösung der Gesellschaft Jesu Pfarrkirche geworden, wurde das Gotteshaus 1798 bei der Errichtung der Diözese Minsk zur Kathedrale des neuen Bezirks bestimmt, dessen erster Bischof Msgr. Jakub Daderka war. 1951 ließ das kommunistische Regime die Kirche schließen, beschlagnahmte sie und wandelte sie unter anderem in eine Sporthalle um. Sie erlebte wie viele andere Gotteshäuser dieser geliebten Nation eine Epoche der Profanierung, während der sie nach den geheimnisvollen Plänen der Vorsehung stets ein symbolisches Mahnmal für das Volk Gottes in den langen Jahren der Verfolgung blieb. 1994 wurde die ehemalige Kathedrale endlich der katholischen Gemeinschaft zurückgegeben, und Sie, Herr Kardinal, setzten sofort die Restaurierungsarbeiten in Gang. Es waren tiefe und kostspielige Eingriffe nötig, um das Bauwerk so weit wie möglich im ursprünglichen Glanz wiederherzustellen. Die leidenschaftliche Hingabe, mit der Sie sich darum gekümmert haben, hat es zusammen mit der Unterstützung durch Gläubige und Wohltäter ermöglicht, dieses Ziel glücklich zu erreichen. Wie sollte man bei, der Erinnerung an das Geschehene nicht an die Prüfungen unserer Väter im Alten Bund zurückdenken? Vom Sion vertrieben und des Tempelkultes beraubt, kehrten sie später voller Freude in die Heilige Stadt zurück und bauten das Heiligtum neu auf. Auch für die Mitglieder eurer Gemeinschaft sind die mehr denn je aktuellen Worte des Propheten gesprochen: „[...] faßt alle Mut, ihr Bürger des Landes - Spruch des Herrn -, und macht euch an die Arbeit! Denn ich bin bei euch [...] Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die frühere [...] An diesem Ort schenke ich die Fülle des Friedens“ (Hag 2,4.9). Die Herrlichkeit der Kirche, verehrter Bruder, ist Christus, der Herr - Priester, Opfer und Tempel des Neuen Bundes. Möge dieser Anlaß für die Gläubigen Ihres geliebten Landes, die auf das dritte christliche Jahrtausend zugehen, eine von der Vorsehung gewollte Gelegenheit sein, um den Einsatz zu erneuern, sich „als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen [zu lassen], zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (7 Petr 2,5). 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Neuweihe der Kathedrale „Sankt Maria“ in Minsk möge alle an diese Berufung und Sendung erinnern. Die Jungfrau und Gottesmutter, Urbild und Vorbild der Kirche und Leitstern der Evangelisierung, möge das gläubige Volk leiten, damit es den Plänen Gottes im Eifer des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe entsprechen kann zur Erbauung und zum Trost jedes Menschen guten Willens. Ihnen, verehrter Bruder, der Sie bei diesem feierlichen Anlaß auch Ihren 83. Geburtstag begehen, sende ich meine herzlichen, innigen Glück- und Segenswünsche, die ich mit einem besonderen Apostolischen Segen verbinde, den ich auf die Priester, die Ordensleute und die Gläubigen der ganzen Erzdiözese ausdehne. Aus dem Vatikan, am 15. Oktober 1997 Joannes Paulus PP. II Rundfunk im Dienst des Gebetes und der Katechese Ansprache des Papstes an polnische Freunde von „Radio Maria“ am 16. Oktober 1. Es freut mich, daß die Hörer von Radio Maria diese Wallfahrt in die Ewige Stadt unternommen haben, um die Gräber der Apostel zu besuchen und dem Papst zu begegnen, was diesmal mit dem Jahrestag seiner Erwählung als Nachfolger auf dem Stuhle Petri zusammenfallt. Ganz herzlich möchte ich euch nun begrüßen. Ebenfalls grüßen möchte ich aber auch Msgr. Andrzej Suski, der euch als Repräsentant der polnischen Bischofskonferenz auf dieser Pilgerreise begleitet. Radio Maria hat ja seinen Sitz auf dem Territorium seiner Diözese Torun. Seine tägliche Präsenz ist ein Ausdruck des Engagements, das die Bischöfe für die sozialen Kommunikationsmittel in Polen aufbringen. Unter uns ist auch Erzbischof Ignacy Tokarczuk zugegen. Ihm und auch dem Direktor von Radio Maria samt seinen Mitarbeitern gilt mein herzlicher Gruß. Ich danke euch für die Mühen, die ihr bei dieser Wallfahrt auf euch genommen habt, sowie für diese unsere Begegnung, eure Gebete, vor allem aber für eure geistlichen Gaben, die ja für den Papst in seinem „ministerium petrinum“ eine wirkungsvolle Unterstützung sind. Dankbar bin ich auch in besonderer Weise allen unseren Schwestern und Brüdern, die ihr Leid für die Kirche aufopfem. Gott möge es ihnen vergelten! Dankt bitte auch allen jenen in meinem Namen, die heute nicht auf den Petersplatz kommen konnten, das heißt, euren Familien, allen, die euch nahe stehen, den Kranken und den alten Menschen. Grüßt alle Hörer von Radio Maria in Polen und im Ausland. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt im Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel: „Die Katholische Kirche ist von Christus, dem Herrn, gegründet, um allen Menschen das Heil zu bringen, und darum der Verkündigung des Evangeliums unbedingt verpflichtet. Deshalb hält sie es für ihre Pflicht, die Heilsbotschaft auch mit Hilfe der sozialen Kommunikationsmittel zu verkünden und Grundsätze über deren richtige Anwendung aufzustellen“ (Nr. 3). 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche fürchtet die sozialen Kommunikationsmittel nicht, im Gegenteil, sie braucht sie für ihre heilbringende Sendung, das heißt für die Evangelisierung. Was ist überhaupt Evangelisierung? Es bedeutet, der Welt die Frohbotschaft Christi zu verkünden, der durch seinen Tod und seine Auferstehung jeden Menschen erlöst hat. Die richtig eingesetzten Kommunikationsmittel leisten der Menschheit einen großen Dienst. Sie müssen allerdings in ihrer Informationsübertragung präzise und aufrichtig, d. h., wahrheitsgetreu Vorgehen, und sie müssen den Geist bereichern, indem sie zur religiösen und moralischen Bildung der Menschen beitragen. Wenn sie das menschliche Gewissen schärfen, so tragen sie auf diese Weise zum Allgemeinwohl und zur Entwicklung der ganzen Gesellschaft, ja der ganzen Nation bei. Das Radio ist das am weitesten verbreitete soziale Kommunikationsmedium. Es ist daher ein Grund zur Freude, wenn in Polen in den letzten Jahren eine große Anzahl von katholischen Radiosendem entstanden ist, die von den Diözesen bzw. den Pfarreien oder Orden und Verbänden aus geleitet werden. Ich möchte hiermit meiner großen Anerkennung für die Laien und Kleriker Ausdruck verleihen, die ihr großes Talent zur Verfügung stellen und viel Mühe und Zeit aufwenden, um die Radioprogramme zusammenzustellen und auszusenden. Unter diesen polnischen Radiostationen ist Radio Maria eine der populärsten. Der Beitrag, den euer Sender zum Werk der Evangelisierung leistet, ist wahrhaft groß. Durch seine Sendungen erreicht der Gedanke an Gott viele Menschen und Orte, und dies nicht nur in Polen, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus, ja sogar bis hin zu anderen Kontinenten. Gebet und Katechese sind die beiden wesentlichen Elemente, die einen katholischen Radiosender von anderen unterscheiden, und es ist mir wirklich eine Freude, sagen zu können, daß bei Radio Maria beide Elemente vorhanden sind. Heute möchte ich allerdings besonders das Gebet hervorheben; denn das Gebet steht ja nun einmal am Beginn der Evangelisierung. Es ist eine stille aber wirksame Quelle, aus der die Kraft hervorgeht, Zeugnis abzulegen. Die Tatsache selbst, daß ihr so zahlreich hier erschienen seid, ist eine Frucht dieses Apostolates. Über die Ätherwellen von Radio Maria werden Messen und Gebete ausgestrahlt, die tief in unserer polnischen Volksfrömmigkeit verankert sind. Man könnte an dieser Stelle zum Beispiel das Rosenkranzgebet oder etwa das Gebet um die göttliche Barmherzigkeit, den Engel des Herrn, das kleine Offizium zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis der Allerheiligsten Jungfrau sowie das liturgische Stundengebet erwähnen. Es ist gut, daß in Radio Maria gebetet wird und den Hörem das Beten auch gelehrt wird. So zeigt sich erst, wie groß wirklich das Bedürfnis ist, das wir Menschen von heute, die Familie, die Kirche und die Welt diesbezüglich haben. Im religiösen sowie moralischen Leben, aber auch im Apostolat ist das Gebet unerläßlich. Der heilige Paulus schreibt: „Betet ohne Unterlaß“ (1 Thess 5,17), „Laßt nicht nach im Beten“ (Kol 4,2). Einige Tage nach der Wahl auf den Stuhl des hl. Petras begab ich mich zum Marienwallfahrtsort von Montorella in der Nähe von Rom und sprach dort zu den Pil- 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gern über die Notwendigkeit des Gebetes im Leben eines Christen. Ich sagte damals, daß „die Kirche betet, die Kiche will beten will, sie will im Dienst der ganz schlichten und und gleichzeitig herrlichen Gabe des menschlichen Geistes stehen, der im Gebet Wirklichkeit wird. Das Gebet ist in der Tat der höchste Ausdruck der inneren Wahrheit des Menschen, die erste Bedingung der echten Freiheit des Geistes [...] Das Gebet gibt dem ganzen Leben einen Sinn, in jedem Augenblick, in jeder Situation“ (29. Oktober 1978, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, I, S. 78-79; in: Wort und Weisheit 1978, S. 97 f.). Es ist mir daher eine Freude, heute, nach neunzehn Jahren als Papst im Dienste der Kirche und der Welt mit euch diese Erinnerungen teilen zu können. Ich rufe euch auf, im Gebet und im Apostolat, welches durch das Gebet belebt wird, auszuharren. Heute gibt es sowohl im religiösen wie im sozialen Leben so vieler Menschen und Nationen ein besonderes Bedürfnis dieses Apostolates. Das Gebet macht das menschliche Gewissen sensibel für die hohen Werte der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Diese Werte sind im Leben einer Nation wie Salz und Licht: denn nur diese können der Welt des Herzens Geschmack verleihen und den Geist erleuchten; nur sie können die Welt humaner und auch göttlicher werden lassen. Ich danke Radio Maria für dieses Gebetsapostolat sowie für die Gebete in der Meinung des Papstes und bitte euch gleichzeitig, daß ihr diesen Gebetsgeist nährt. In diesem Sinne danke ich auch allen anderen katholischen Radiosendem in Polen. Ihr kommt der großen Mission nach, „allen Geschöpfen“ das Evangelium zu verkünden. Möget ihr dem Sämann des Evangeliums immer ähnlicher werden, der aufs Feld ging, um zu säen. Und während er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg, ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wieder ein anderer Teil viel in die Domen, ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht (vgl. Mk 4,2-8). Dieser Samen aber ist das Wort Gottes, das auch über die Ätherwellen allen jenen verkündigt wird, die es hören und aus ihm Kraft schöpfen wollen. Eure Katechese ist ein Dienst an Kirche und Gesellschaft. 3. Meine Lieben, eure Aktivität ist in der Tat ein Dienst an der Kirche, und das bringt für euch eine große Verantwortung mit sich, nämlich in Treue mit den Bischöfen in einem Geist kirchlicher Gemeinschaft und christlicher Liebe zusammenzuarbeiten, um so zu bewirken, daß der Leib Christi wachse, welcher die Kirche ist. Möge das Evangelium in Polen mit einer einzigen Stimme verkündet werden, nämlich mit der Stimme der Kirche, denn sie ist auf dem Fundament der Apostel erbaut. Möge diese Aktion auch gleichzeitig ein Zeugnis für eure Hingabe und Treue zu Christus sein. Auf die Fürsprache der Allerheiligsten Gottesmutter erbitte ich vom Heiligen Geist alle jene Gnaden, die für dieses große Werk der Evangelisierung notwendig sind. Aus ganzem Herzen segne ich euch, die ihr hier anwesend seid, eure Familien, eure Lieben, alle Mitarbeiter - Priester und Laien - von Radio Maria, die 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN freiwilligen Mitarbeiter und alle jene, die über die Ätherwellen „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) die Botschaft des Evangeliums von Wahrheit und Liebe verkünden. Dienst am Wort im gesamten Lebensumfeld Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Katechesekongresses am 17. Oktober Meine Herren Kardinäle! Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, euch anläßlich dieses Internationalen Katechesekongresses zu empfangen, der veranstaltet wurde, um der Vorstellung der lateinischen „Editio ty-pica“ des Katechismus der Katholischen Kirche und der neuen Ausgabe des Allgemeinen Direktoriums für die Katechese entsprechendes Gewicht zu verleihen. Die Zahl der Teilnehmer, die Aktualität der diskutierten Themen und die sachliche Kompetenz der Referenten machen die Tagung zu einem bedeutenden Ereignis im Leben der Kirche. Herzlich begrüße ich die Kardinäle, die Vorsitzenden der Kommissionen der Bischofskonferenzen für die Katechese, die Leiter der Nationalen Katechetischen Ämter, die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und engagierten Laien, die aus verschiedenen Teilen der Welt hierher gekommen sind, um die Frucht ihrer Erfahrung und ihres Wissens gemeinsam zu nutzen. Von Herzen danke ich allen und jedem einzelnen für den wertvollen Dienst, den sie der Kirche leisten. Mein ganz besonderer Dank gilt Kardinal Joseph Ratzinger und Erzbischof Msgr. Dario Castrillon Hoyos, die - mit Hilfe ihrer Mitarbeiter in den Kongregationen für die Glaubenslehre und für den Klerus - diese wichtige Tagung organisiert und durchgeführt haben. Sie stellt ein ausdrucksvolles Zeichen dafür dar, welchen Platz in der Kirche das sorgende Bemühen um eine verständliche und ansprechende Verkündigung des Wortes Gottes an die Menschen unserer Zeit einnimmt. Man muß ihnen, ausgehend von ihren Fragen, helfen, mittels der menschlichen Worte die Heilsbotschaft, die uns Jesus Christus überbracht hat, zu entdecken. Das ist die komplexe und erlesene Arbeit, die die Kirche durch ihr Engagement, die ewige Wahrheit des Evangeliums in verschiedene Kulturen einzusenken, heute vollbringt. 2. Das für diesen Internationalen Katechesekongreß gewählte Motto - „Tradidi vobis quod accepi“ [„Ich habe euch überliefert, was auch ich empfangen habe“] (1 Kor 15,3) - verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise das Wesen des Glaubens und den Evangelisierungsauftrag der Kirche. Dazu lesen wir im Katechismus der Katholischen Kirche: „Der Glaube ist ein persönlicher Akt: die freie Antwort des 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen auf die Einladung des sich offenbarenden Gottes. Doch der Glaube ist kein isolierter Akt. Niemand kann für sich allein glauben, wie auch niemand für sich allein leben kann. Niemand hat sich selbst den Glauben gegeben, wie auch niemand sich selbst das Leben gegeben hat. Der Glaubende hat den Glauben von anderen empfangen; er muß ihn anderen weitergeben. Unsere Liebe zu Jesus und den Menschen drängt uns, zu anderen von unserem Glauben zu sprechen. Jeder Glaubende ist so ein Glied in der großen Kette der Glaubenden. Ich kann nicht glauben, wenn ich nicht durch den Glauben anderer getragen bin, und ich trage durch meinen Glauben den Glauben anderer mit“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 166). Bei dieser Aufgabe der Weitergabe des Glaubens bietet sich der Katechismus der Katholischen Kirche als maßgebendes Werkzeug an. Über ihn habt ihr in diesen Tagen Überlegungen angestellt, um seine wesentlichen Merkmale und Zielsetzungen besser kennenzulemen. Der Katechismus stellt die geoffenbarte Wahrheit dar und zeigt im Licht des II. Vatikanischen Konzils, wie sie in der Kirche geglaubt, gefeiert, gelebt und gebetet wird. Indem er reichlich aus dem kostbaren Erbe der Vergangenheit - vor allem aus dem Schatz von Bibel, Liturgie, Kirchenvätern, Konzilien und Lehramt — schöpft und Neues und Altes daraus hervorholt (vgl. Mt 13,52), bringt er in unserer Gesellschaft von heute die unveränderliche Frische der christlichen Wahrheit zum Ausdruck. Damit erscheint der Katechismus als sichere Norm für die Glaubensunterweisung und zugleich als sicherer und glaubwürdiger Bezugstext für die Erstellung der örtlichen Katechismen. 3. Die Kirche muß, wachsam in der Hoffnung, zwischen Ostern und der Parusie ihren eschatologischen Auftrag dadurch erfüllen, daß sie das Reich Gottes verkündet und aus der ganzen Welt den guten Weizen des Herrn in die Scheune bringt. Vor der Wiederkunft des Herrn hat sie unbedingt das „Christus-Ereignis“, sein Pascha von Tod und Auferstehung, zu verkünden. Ihre wesentliche Aufgabe besteht darin, erstes und universales Heilssakrament zu sein. Der Dienst am Wort steht somit im Zentrum des apostolischen Wirkens der Kirche, sei es, daß sie die Eucharistie feiert oder das Lob des Herrn singt, sei es, daß sie die Glaubenden darin unterweist, ihren Glauben im Alltag zu leben. Weit davon entfernt, sich neutral zu verhalten, ist die Kirche dem Christen in den verschiedenen Begebenheiten seines Lebens nahe, um ihn auf Entscheidungen hinzulenken, die den der übernatürlichen Ontologie seiner Taufe eingeschriebenen Anforderungen entsprechen. Dank dieses „mystagogischen“ Wirkens kann sich der in der Taufe erblühte Glaube entfalten und zu jener vollen Reife gelangen, die dem verantwortungsvollen erwachsenen Christen eigen ist. Und genau das ist die Aufgabe der Katechese. Keine leichte Aufgabe! Da die Katechese die Ganzheit des Lebens eines Menschen - den weltlichen Aspekt ebenso wie den religiösen - beachten soll, muß sie im gesamten Umfeld des Lebens Wurzeln fassen. Sie hat, mit anderen Worten, nicht nur die Glaubensschüler, die kulturelle und religiöse Wirklichkeit, sondern auch ihre sozialen, wirtschaft- 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen und politischen Verhältnisse zu berücksichtigen. Das ganze Leben in seinen konkreten Aspekten soll im Lichte des Evangeliums gelesen und gedeutet werden. 4. Das setzt die aufmerksame Einschätzung und Bewertung der Probleme voraus, denen ein Glaubender heute begegnet, der mit Recht wünscht, im Verständnis seines Glaubens weitere Fortschritte zu machen. Zu diesen Problemen gehören sicherlich die großen Fragen, die sich der Mensch in bezug auf seinen Ursprung, die Bedeutung des Lebens, das von ihm ersehnte Glück, das Schicksal der Menschheitsfamilie stellt. Das aber heißt, daß immer eine Doppelbewegung notwendig sein wird, um den Menschen unserer Zeit das Wort Gottes in seiner Unversehrtheit und Reinheit zu verkünden, so daß es für sie verständlich und auch ansprechend wird. Die Entdeckung des vollständigen Heilsmysteriums setzt aber die Begegnung mit dem von der kirchlichen Gemeinschaft gebotenen Zeugnis eines am Evangelium inspirierten Lebens voraus. Die Katechese spricht mit größter Eindringlichkeit von dem, was im konkreten Leben der Gemeinschaft tatsächlich sichtbar wird. Der Katechet ist sozusagen der Dolmetscher der Kirche gegenüber denjenigen, die von ihm im Glauben unterwiesen werden. Er deutet die Zeichen des Glaubens, deren wichtigstes die Kirche selbst ist, und lehrt, sie zu deuten. Gleichzeitig soll der Katechet die im Leben der Menschen bereits vorhandenen geistlichen Anknüpfungspunkte nach der fruchtbaren Methode des heilbringenden Dialogs zu unterscheiden und zu bewerten wissen. Eine Aufgabe, die sich immer wieder aufs neue stellt: Die Katechese soll die Fragen, die aus dem Herzen des Menschen emporsteigen, aufgreifen, um sie hinzulenken auf die von der erschaffenden und rettenden Liebe angebotenen Antworten. Die Meditation über die Heilige Schrift im Gebet, die wahrheitsgetreue Vertiefung der „Wunder Gottes“ durch den ganzen Zeitbogen der Heilsgeschichte hindurch, das Hören der lebendigen Überlieferung der Kirche und die Aufmerksamkeit für die Geschichte der Menschen und die Verbindung dieser Schritte miteinander können den Menschen helfen, jenen Gott zu entdecken, der im Innersten ihres Herzens und ihres Verstandes schon am Werke ist, um sie an sich zu ziehen und sie mit seiner Liebe zu überschütten, indem er sie in seinem eingeborenen Sohn zu seinen Kindern macht. 5. Liebe Brüder und Schwestern, möge dieser Internationale Katechesekongreß die fruchtbare Zusammenarbeit von priesterlichem Dienst, Ordensleben und Laienapostolat für eine erneuerte Verkündigung des Wortes vom Heil stärken. Diese Verkündigung ist die wesentliche Sendung der Kirche und zugleich ewige Quelle ihrer Freude, wenn sie neue Söhne und Töchter hervorbringt. Wir alle wollen uns mit einem einzigen Herzen unermüdlich dieser fundamentalen Aufgabe annehmen, die Christus seiner Kirche anvertraut hat: der Welt das lebendige Wort bringen, um sie von der Sünde zu befreien und in ihr die Tugenden und die Fassungskraft des neuen Lebens in Christus erstrahlen zu lassen. Mit diesen Wünschen rufe ich auf euch alle die Fülle der göttlichen Gnaden herab und erteile euch als Unterpfand der Stärkung und des Trostes von Herzen meinen Segen. 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einheit ohne Freiheit wird Zwang, aber Freiheit ohne Einheit droht das Chaos Ansprache an den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl, Dr. Jürgen Oesterhelt, bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens am 18. Oktober Sehr geehrter Herr Botschafter! 1. Mit besonderer Freude empfange ich Sie heute im Vatikan anläßlich Ihres Amtsantritts als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl. Wie schon Ihre geschätzten Vorgänger heiße ich auch Sie herzlich willkommen und beglückwünsche Sie zu Ihrer neuen ehrenvollen Aufgabe. 2. Sie haben Ihr Grußwort, für das ich aufrichtig danke, mit dem Versprechen eingeleitet, auch in Zukunft an der Pflege und Entwicklung der ausgezeichneten Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der Bundesrepublik Deutschland mitwir-ken zu wollen. Dabei haben Sie an den Besuch erinnert, den ich Ihrem geliebten Heimatland im vergangenen Jahr abstatten durfte, und besonders meinen gemeinsamen Gang mit dem Herrn Bundeskanzler durch das Brandenburger Tor erwähnt. Wie das geöffnete Tor ein Symbol für die Überwindung der erzwungenen Spaltung in politische Blöcke darstellt, so war auch das gemeinsame Überschreiten der einst trennenden Schwelle ein beredtes Zeichen. Denn der Gang durch das „Tor der Einheit“ zeigte die wiedererlangte Freiheit an, deutete aber gleichzeitig auch darauf hin, daß viele Probleme, die sich heute gerade durch die Freiheit stellen, nur von Partnern miteinander gelöst werden können. Was für das Verhältnis zwischen dem Hl. Stuhl und der Bundesrepublik Deutschland gilt, trifft auch für die Beziehung zwischen Staat und Kirche in Ihrem Land zu. Beide sind Bundesgenossen, wenn es darum geht, einer pluralistischen und säkularisierten Gesellschaft eine Seele zu geben. Freiheit und Einheit bedingen einander. Einheit ohne Freiheit wird Zwang, aber Freiheit ohne Einheit droht das Chaos. Während ich damals am Brandenburger Tor den Begriff der „Freiheit“ in den Mittelpunkt meiner Gedanken stellte, möchte ich heute die „Einheit“ zum Zentrum meiner Überlegungen machen. 3. Als im Herbst 1989 die Mauer zu bröckeln begann und schließlich in einer gewaltlosen Revolution eingerissen wurde, folgten zügig die nötigen Schritte, um Ost und West wieder zusammenzuführen: die gemeinsame Währung, die politische Wiedervereinigung und die wirtschaftliche Einheit. Obwohl auf diesen Gebieten viel geschehen ist, bleibt die innere Einheit noch ein Traum. Die einen sind noch immer hüben, die anderen drüben. Zwar können die Menschen aus Ost und West ungehindert Zusammenkommen, aber mit dem Fall der äußeren Mauer sind längst nicht alle inneren Mauern abgetragen. 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als die Väter des Grundgesetzes vor gut einem halben Jahrhundert daran gingen, nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs das neue Haus des Gemeinwesens aufzubauen, trafen sie die Entscheidung, daß sich das deutsche Volk eine Verfassung „im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ geben sollte. Dieser Passus aus der Präambel des Grundgesetzes ist auch heute die Magna Charta derer, die der deutschen Einheit eine Seele einpflanzen wollen. Denn zu den Tragödien dieses zu Ende gehenden Jahrhunderts zählt die schmerzliche Erfahrung, daß der Angriff auf den Menschen auch einen Angriff auf Gott und auf das Gewissen darstellte. Wenn auch vielen Zeitgenossen die Unmittelbarkeit dieser Erfahrung fehlt, so ist sie dennoch das bleibend gültige Vermächtnis der Generation vieler Eltern und Großeltern, die auf den Trümmern des Zusammenbruchs eine gesellschaftliche Ordnung aufbauten, in der politisches Handeln selbstverständlich unter der Prämisse des Respektes vor Gott und den Menschen stand. Daraus haben sich die noch heute gültigen Grundlagen herausgebildet, die das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Staat und Kirche auszeichnet, das getragen ist vom wechselseitigen Respekt vor der Selbständigkeit beider Partner und ihrem je eigenen Auftrag sowie vom Bewußtsein einer gemeinsamen Verantwortung für Gesellschaft und Kultur. Jüngst wurden die Rahmenbedingungen künftiger Zusammenarbeit auch in einigen neuen Bundesländern durch die Verträge geschaffen, die der Hl. Stuhl abgeschlossen hat. 4. Mit großer Freude und tiefer Dankbarkeit hebe ich hervor, wie sensibel und hochherzig diese gemeinsame Verantwortung auf gesellschaftlichem Gebiet wahrgenommen wird. Wo immer Krisenherde brennen, in Deutschland bleiben die Augen nicht verschlossen. Wann immer Hilfeschreie aus nah und fern zu vernehmen sind, bei den Bürgern Ihres Landes stoßen sie auf wache Ohren. Die Not anderer öffnet Herzen und Hände Ihrer Mitbürger. Die Rede von der Unterstützung materieller, finanzieller und moralischer Art ist kein bloßes Versprechen. Von Deutschland bekommt das Wort „Hilfe“ Hand und Fuß. Diese Solidaritätsgemeinschaft verbindet nicht nur die alten und die neuen Bundesländer, sie überspringt auch die deutschen Grenzen, weitet sich über den europäischen Kontinent hinaus und umarmt gleichsam den ganzen Globus der „Einen Welt“, über alle sprachlichen, religiösen und nationalen Grenzen hinweg. 5. Was auf die Verantwortung im großen zutrifft, sollte sich auch im kleinen zeigen. Wer von der Globalisierung der Erde redet, darf die Würde des einzelnen nicht verschweigen. Denn nicht nur die Welt ist eine Einheit, sondern auch der Mensch in allen Phasen seines Lebens. Gerade hier ist sowohl von den Politikern als auch von der Kirche besondere Aufmerksamkeit gefragt, um nicht dem Schein einer falsch verstandenen Humanität zu erliegen und neue Formen von Anschlägen auf die Würde des Menschen zuzulassen, die von der Verfestigung einer kulturellen Situation zeugen, die den Handlungen gegen das Leben einen bisher unbekannten Aspekt verleiht: Breite Schichten der öffentlichen Meinung rechtfertigen nämlich manche Verbrechen gegen das Leben im Namen der Rechte der indi- 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN viduellen Freiheit und beanspruchen unter diesem Vorwand nicht nur Straffreiheit für derartige Verbrechen, sondern sogar die Genehmigung des Staates, sie in absoluter Freiheit und unter kostenloser Beteiligung des staatlichen Gesundheitswesens durchzuführen. Ein Beispiel dieses tiefgreifenden Wandels in der Betrachtungsweise des Lebens stellen in der Bundesrepublik Deutschland sowohl die gegenwärtige Rechtspraxis der Abtreibung als auch die sich anbahnende Diskussion um das menschenwürdige Sterben dar. Das Ergebnis ist dramatisch: „So schwerwiegend und beunruhigend das Phänomen der Beseitigung so vieler menschlicher Leben vor der Geburt oder auf dem Weg zum Tod auch sein mag, so ist die Tatsache nicht weniger schwerwiegend und beunruhigend, daß selbst das Gewissen [...] immer träger darin wird, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse wahrzunehmen im Hinblick auf den fundamentalen Wert des menschlichen Lebens“ {Evangelium vitae, Nr. 4). Gott, das Gewissen und die Freiheit des Menschen lassen sich nicht voneinander trennen. Hier sind Staat und Kirche Verbündete, um auch die innere Einheit Deutschlands auf ein festes Fundament zu stellen. Denn wer sich am Menschen vergreift, vergreift sich an Gott. Wer sich an Gott vergreift, vergreift sich am Menschen. Welch schreckliche, blutige Mauer muß hier noch im eigenen Haus eingerissen werden, damit auch den Schwächsten, den ungeborenen Kindern, ihr Recht auf Leben zuerkannt wird! 6. Einem einheitlichen tragfahigen Fundament der Gesellschaft dient auch der Religionsunterricht. Wenngleich sich der Staat wertneutral verhält, ist er doch nicht wertfrei. An der Wiege der Bundesrepublik Deutschland stand die Option für den christlichen Gott. Die Wiedervereinigung ist kein Anlaß, diese Grundentscheidung auseinanderzudividieren. Deshalb gehört die Garantie des konfessionellen Religionsunterrichts an den Schulen zu den Pflichtaufgaben des staatlichen Bildungsauftrags. Er ist Ausdruck der positiven Religionsfreiheit im demokratischen Staat. Gleichzeitig weist er darauf hin, daß die Kirchen ihrer Botschaft in der Gesellschaft etwas Zutrauen und nicht gewillt sind, sich in die Nischen einer religiös-kirchlichen Sonderwelt zurückzuziehen. „Die Freiheit zu glauben“ und „Das Recht zu wissen“ lauten deshalb die Kemsätze, mit denen die Deutsche Bischofskonferenz bundesweit für den schulischen Religionsunterricht wirbt und dabei ihr Anliegen in einer Zeit ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit zu rücken versucht, in der auf politischer ebenso wie auf juristischer Ebene um die mögliche Einführung eines nicht kirchlich gebundenen religiös-ethischen Pflichtfachs gerungen wird. In diesem Zusammenhang erneuere ich den dringenden Wunsch, daß es allen katholischen Schülern, entsprechend dem klaren Rechtsanspruch der menschlichen Person wie dem der Familie, an der Schule ermöglicht werde, „in ihrer geistlichen Bildung unter Mithilfe einer religiösen Unterweisung voranzuschreiten, die von der Kirche abhängt“ {Catechesi tradendae, Nr. 69). 7. Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, daß nicht nur beim Thema Religionsunterricht, sondern auch zu anderen brennenden Fragen gemeinsame Erklärungen der christlichen Konfessionen in Deutschland zustandekamen, denen bisweilen bereits 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN konkrete Taten folgten. Neben der schon wiederholt gemeinsam veranstalteten „Woche für das Leben“ mit dem Ziel, die Gewissen für die „Kultur des Lebens“ zu schärfen, fanden besonders das Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, die Erklärung zur Medienethik und die Stellungnahme zur Migrati-ons- und Ausländerpolitik Beachtung und Anerkennung. Diese Initiativen deuten darauf hin, daß die Ökumene nicht tot ist, sondern gerade dort lebt, wo sich Christen unterschiedlicher Kirchen ihrer gemeinsamen Sendung bewußt werden, an einer tragfahigen Einheit der Gesellschaft mitzubauen. 8. Dieser Sendung der Christen kommt umso mehr Gewicht zu, je rascher es dem geeinten Europa entgegengeht. Die Probleme der deutschen Einheit stellen sich neu, wenn um Antworten auf die Frage nach der Einheit Europas gerungen wird. Der Hl. Stuhl drängt keinem Menschen noch dem Staat, noch der europäischen Völkerfamilie eine christliche Glaubenswahrheit auf. Aber er wird nicht nachlas-sen, daraufhinzuweisen, daß aller materieller und wirtschaftlicher Fortschritt - so erstrebenswert sie sind - nicht an Gottes Stelle gerückt werden darf. Bei dieser Wahrheit steht nichts ausschließlich Christliches auf dem Spiel, vielmehr geht es um spezifisch Menschliches. Es geht um das Humanum, die Menschlichkeit des Menschen. Darum betrifft sie alle Menschen, gleich welcher Religionsgemeinschaft sie angehören, und sie ist gültig für alle Völker. Die Kirche hat daher auch die erhöhte Pflicht, diese Wahrheit in das geplante europäische Haus einzubringen. Sonst ist es auf Sand gebaut. Daher wird jede politische Kraft in der Kirche einen treuen und zuverlässigen Partner finden, wenn sie bereit ist, Europa auf einen stabilen Felsen zu bauen, damit wir uns und die nachfolgenden Generationen sich in dem Haus, das die europäische Völkerfamilie beherbergen soll, sicher und geborgen fühlen können, frei von aller Angst, einmal unter seinen Trümmern begraben zu werden. 9. Sehr geehrter Herr Botschafter! In der gemeinsamen Verantwortung im Dienst an der Einheit, der nach Wiedererlangung der Freiheit der Auftrag von Staat und Kirche ist, verleihe ich meiner Überzeugung Ausdruck, daß sich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Hl. Stuhl weiter harmonisch entwickeln. Indem ich Sie bitte, die mir von Ihnen übermittelten Grüße des Herrn Bundespräsidenten und der Bundesregierung zu erwidern, erteile ich Ihnen, Herr Botschafter, Ihrer werten Familie und Ihren geschätzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Botschaft von Herzen den Apostolischen Segen. 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die eigene Persönlichkeit in vertrauensvoller Hingabe entfalten Ansprache beim Treffen mit Jugendlichen der Italienischen Katholischen Aktion (ACR) am 18. Oktober Liebe Jungen und Mädchen der Italienischen Katholischen Aktion! 1. Willkommen auf dem Petersplatz! Ihr seid hierhergekommen, um zum Abschluß eures nationalen Treffens den Papst zu besuchen. Ich danke euch für eure Anwesenheit, die soviel Freude und Enthusiasmus vermittelt. Vorhin bin ich an euch vorbeigegangen, um euch alle zu begrüßen und zu segnen. Ich weiß, daß ihr aus allen Teilen Italiens gekommen seid, und sende einen Gruß auch an eure Angehörigen, die in diesem Augenblick im Geiste mit uns verbunden sind. Mein besonderer Dank gilt eurem nationalen Vorsitzenden, Herrn Rechtsanwalt Giuseppe Gervasio, dem Generalassistenten Msgr. Agostino Superbo sowie der Verantwortlichen und dem Assistenten der Katholischen Aktion der Jugendlichen auf nationaler Ebene. Sie haben dieses schöne Treffen organisiert und - zusammen mit euren beiden Vertretern - die Empfindungen aller zum Ausdruck bringen wollen. Ich begrüße eure Erzieher, die sich so großzügig in den Dienst der menschlichen und christlichen, der kirchlichen und missionarischen Reifung der Kinder und Jugendlichen stellen, die die göttliche Vorsehung durch die apostolische Erfahrung in der Katholischen Aktion der Kirche schenkt. Ich grüße die hier anwesenden Priester und Ordensfrauen, die für die Ausbildung des Lebens nach dem Evangelium und für die Begleitung auf dem Glaubensweg sowohl der Jugendlichen wie der Erzieher zuständig sind. Einen besonderen Gruß richte ich außerdem an Frau Ministerin Rosy Bindi, an den Bürgermeister von Rom und an den Präsidenten der Region Latium, denen ich für ihre Anwesenheit danke. 2. Liebe Jungen und Mädchen! Diese Zusammenkunft, die ihr schon so lange vorbereitet und erwartet habt, erlebt ihr nun im Zeichen der Freude und des Feiems. „Gemeinsam ist das Fest schöner.“ Das ist der Wahlspruch eurer Begegnung, und er faßt die Botschaft eures nationalen Treffens sehr gut zusammen. Darin bringt ihr den Weg der ganzen Kirche zum Großen Jubeljahr 2000 sichtbar zum Ausdruck und nehmt gewissermaßen einen wichtigen Aspekt davon schon vorweg, indem ihr allen Leuten sagt, daß es ein wahres Fest ist, nur wenn man es miteinander erlebt. Es handelt sich um das christliche Fest, das immer aus der persönlichen Begegnung mit Christus Jesus hervorgeht, der in der konkreten Erfahrung der Kirche als Freund und Meister aufgenommen wird. Das tut ihr in euren Verbänden und Gemeinden. 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er, unser Herr Jesus Christus, erfüllt das Herz mit Freude, seiner vollen und nachhaltigen Freude, und ermöglicht auf diese Weise das Fest der brüderlichen und solidarischen Begegnung mit den anderen. Indem ihr Jesus, dem einzigen und wahren Heiland der Welt, nachfolgt, seid ihr Jugendlichen aufgefordert, in der Erkenntnis und Liebe des himmlischen Vaters zu wachsen und auf den Pfaden des täglichen Lebens konkrete Taten der Liebe und Hoffnung zu erbringen. So wird euer Einsatz zum Aufbau des Friedens weitergehen können, angefangen an den Orten, wo ihr eure Tage verbringt: euer Zuhause, die Schule, die Gemeinde, euer Dorf, die Stadt, Italien. Dieses Engagement eurerseits für den Frieden dehnt sich dann auch auf eure Altersgenossen aus, die in anderen Ländern Europas und der ganzen Welt unter weniger günstigen Umständen leben. Ich denke da zum Beispiel an Sarajevo und an die wunderbare Brücke der Freundschaft, die ihr mit den Mädchen und Jungen von Bosnien und Herzegowina zusammen gebaut habt. In eurer immer engeren Freundschaft mit Jesus Christus laßt ihr die Gemeinschaft der Kirche wachsen, und mit euren Talenten und gemäß euren kostbaren Fähigkeiten stellt ihr euch in den Dienst der christlichen Gemeinschaften, damit sie immer stärker am Evangelium festhalten. 3. Jungen und Mädchen der Italienischen Katholischen Aktion, der Papst hat Vertrauen zu euch! Darum zögert er nicht mit seinem Vorschlag an euch, Christus nach dem Vorbild der Heiligen zu folgen. Heute feiert die Kirche das liturgische Fest des Evangelisten Lukas. Sicherlich kennt ihr sein Evangelium und die Apostelgeschichte schon recht gut. Vertieft das Wort Gottes, sowohl persönlich als auch gemeinsam. Es wir euch helfen, eure Berufung immer besser zu verstehen und furchtlose Zeugen Jesu zu werden. Vor ein paar Tagen haben wir des hl. Franziskus von Assisi, des Schutzpatrons Italiens und der Italienischen Katholischen Aktion, gedacht. Was für ein wunderbarer Lehrer eines Lebens im Geist des Evangeliums und welch konkretes Beispiel eines Apostels Christi ist doch dieser große Heilige, der auf der ganzen Welt bekannt ist und verehrt wird! Neben ihm, der um der Liebe des Herrn willen alles aufgab, möchte ich euch heute eine weitere Heilige vorstellen, die vor genau einem Jahrhundert im Alter von nur vierundzwanzig Jahren gestorben ist: die hl. Theresia vom Kinde Jesus, die ich morgen zur Kirchenlehrerin ernennen werde. Sicherlich wäre die kleine Theresia ein großartiges Mitglied der Katholischen Aktion gewesen! Wenigstens bevor sie in den Karmel eintrat. Sie war voller Lebensfreude, Glauben und Enthusiasmus für Jesus und das Evangelium. Sie wollte ganz Gott gehören und beschloß deshalb, Karmelitin zu werden. Ihr kurzes Leben war vollständig von der Liebe zu Gott erfüllt und dem Wunsch, daß er von der ganzen Welt geliebt werde. Theresia hat uns als ihr Erbe das einfache und sichere Leben der Liebe voller Gottvertrauen hinterlassen. Sie nannte das den „kleinen Weg“, weil er jenen offensteht, die - wie Jesus sagt - „klein“, das heißt demütig und einfach, werden können. Es handelt sich um 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Weg der vertrauensvollen Hingabe in die Hände Gottes, wobei man mehr auf ihn als auf die eigenen Kräfte zählt. Auch ihr Jugendlichen sollt eure Persönlichkeit entfalten, um stark und erwachsen zu werden; richtet es aber so ein, daß euer Herz immer demütig, rein und „klein“ gegenüber Gott bleibt und immer bereit, eure Brüder und Schwestern zu lieben: Nur so kann man in das Reich Gottes ein-gehen, wo der Größte der Kleinste und wo der Bedeutendste der Diener aller anderen ist. 4. Jetzt möchte ich euch bitten, die Verpflichtungen des christlichen Lebens und der Mission, die ihr jedes Jahr durch eure Mitgliedschaft in der Katholischen Aktion von Jugendlichen (ACR) übernehmt, öffentlich zum Ausdruck zu bringen, indem ihr sie alle gemeinsam - wie in einem Chor - wiederholt. Liebe Jungen und Mädchen, ihr wißt, daß ihr durch die Taufe zu Kindern Gottes und lebendigen Steinen der Kirche geworden seid: - Wollt ihr die Vertrautheit und Freundschaft mit Jesus Christus im Gebet und durch die Sakramente pflegen? Die Jugendlichen antworten: Ja. Ihr wißt, daß ihr von unserem Herrn Jesus berufen seid, Apostel der Freude und Erbauer der Hoffnung in der christlichen Gemeinschaft zu werden: - Wollt ihr euren persönlichen und gemeinschaftlichen Beitrag zum Aufbau der Kirche in eurem jeweiligen sozialen Umfeld leisten? Die Jugendlichen antworten: Ja. Ihr wißt, daß ihr auch in eurem jugendlichen Alter gerufen seid, großherzige Zeugen der christlichen Erneuerung zu sein: - Wollt ihr eure Altersgenossen, eure Freunde, eure Familien, eure Dörfer und Städte mit der Freude des Evangeliums und mit der Liebe Christi anstecken? Die Jugendlichen antworten: Ja. 5. Liebe Jungen und Mädchen! Der Heilige Geist, Geschenk unseres himmlischen Vaters und Christi, seines Sohnes, möge euch helfen, diesen Verpflichtungen treu zu bleiben und in der Freude der christlichen Freundschaft zu wachsen, um es dem Herrn auf diese Weise zu erlauben, große Dinge in euch zu wirken. Er will auch euch zu einem Geschenk für die Kirche und die ganze Menschheit machen. Deshalb möchte ich euch Maria anvertrauen, der holden Jungfrau von Nazaret, der Mutter des Herrn und von uns allen, damit sie euch jeden Tag auf eurem Weg, auf den Straßen der Wahrheit und des Friedens beschützt. Gemeinsam mit Christus, mit Maria, mit den Heiligen und mit der Katholischen Aktion ist das Fest wirklich schöner! Euch allen und euren Familien erteile ich einen besonderen Segen. Liebe Jungen und Mädchen! Ihr habt den Petersplatz gefüllt wie selten zuvor. Ich danke euch und wünsche euch einen schönen Sonntag. 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Divini amoris scientia Apostolisches Schreiben zur Proklamation der hl. Theresia vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz zur Kirchenlehrerin vom 19. Oktober 1. Die Wissenschaft der göttlichen Liebe, die der Vater des Erbarmens durch Jesus Christus im Heiligen Geist ausgießt, ist ein Geschenk, das den Kleinen und Demütigen gewährt wird, damit sie die Geheimnisse des Gottesreiches, die den Gelehrten und Weisen verborgen sind, erkennen und verkünden. Darum frohlockte Jesus im Heiligen Geist und pries den Vater, der es so verfugt hat (vgl. Lk 10,21-22; Mt 11,25-26). Auch die Mutter Kirche freut sich, da sie feststellt, wie der Herr sich im Lauf der Geschichte auch weiterhin den Kleinen und Demütigen offenbart und seine Auserwählten durch den Heiligen Geist, der „alles ergründet, auch die Tiefen Gottes“ (vgl. 1 Kor 2,10), fähig macht, von dem zu sprechen, „was uns von Gott geschenkt worden ist, ... nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfullten das Wirken des Geistes deuten“ (1 Kor 2,12.13). Auf diese Weise fuhrt der Heilige Geist die Kirche hin zur ganzen Wahrheit; er unterweist sie mit mannigfaltigen Gaben, zeichnet sie mit seinen Früchten aus, macht sie jugendlich mit der Kraft des Evangeliums und setzt sie instand, die Zeichen der Zeit zu erforschen, um immer besser dem Willen Gottes zu entsprechen (vgl. Lumen Gentium, Nm. 4.12; Gaudium etspes, Nr. 4). Unter den Kleinen, denen in bevorzugter Weise die Geheimnisse des Gottesreiches erschlossen wurden, leuchtet Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz hervor, Nonne vom Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen, deren Eintritt in die himmlische Heimat sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal jährt. Während ihres Lebens gingen Theresia „neue Lichter“ auf, „verborgene und geheimnisvolle Bedeutungen“ (Ms A 83 v), und sie empfing vom göttlichen Meister jene „Wissenschaft der Liebe“, die sie dann in einer sie kennzeichnenden Weise in ihren Schriften klar darlegte (vgl. Ms B 1 r). Diese Wissenschaft bringt lichtvoll ihre Kenntnis vom Geheimnis des Gottesreiches und ihre persönliche Erfahrung der Gnade zum Ausdruck. Sie kann als ein besonderes Charisma der Weisheit des Evangeliums betrachtet werden, das Theresia, wie andere Heilige und Lehrer des Glaubens, im Gebet in sich aufnahm (vgl. Ms C 36 r). 2. Das Beispiel ihres Lebens und ihrer dem Evangelium entstammenden Lehre wurde in unserer Zeit schnell, überall und stetig aufgenommen. Ihre Heiligkeit wurde, gewissermaßen in Nachahmung ihrer frühzeitigen geistlichen Reife, von der Kirche im Zeitraum von wenigen Jahren anerkannt. In der Tat Unterzeichnete Pius X. am 10. Juni 1914 das Dekret zur Einleitung des Seligsprechungsprozesses, am 14. August 1921 erklärte Benedikt XV. den heroischen Tugendgrad der Dienerin Gottes und hielt bei diesem Anlaß eine Ansprache über den Weg der geistlichen Kindschaft. Pius XI. sprach sie am 29. April 1923 selig. Wenig später, am 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 17. Mai 1925, nahm der gleiche Papst vor einer ungeheuren Menschenmenge in der Petersbasilika die Heiligsprechung vor. Dabei betonte er vor allem den Glanz ihrer Tugenden und die besonderen ihr eigenen Wesenszüge ihrer Lehre. Zwei Jahre darauf, am 14. Dezember 1927, folgte er den Bitten vieler Missionsbischöfe und erklärte sie, zusammen mit dem hl. Franziskus Xaverius, zur Patronin der Missionen. Nach diesen Anerkennungen durch die Kirche nahm die geistliche Ausstrahlung Theresias vom Kinde Jesus zu und breitete sich bis in die heutige Zeit über die ganze Erde aus. Viele Institute geweihten Lebens und kirchliche Bewegungen, vor allem in den jungen Kirchen, haben sie als Patronin und Lehrmeisterin erwählt und sich von ihrer geistlichen Lehre amegen lassen. Ihre Botschaft, oft als der sogenannte „kleine Weg“ zusammengefaßt, der nichts anderes ist als der dem Evangelium gemäße Weg der Heiligkeit für alle, wurde von Theologen und Kundigen der Spiritualität erforscht. Kathedralen, Basiliken, Gotteshäuser und Heiligtümer in der ganzen Welt wurden unter dem Patrozinium der Heiligen von Lisieux errichtet und dem Herrn geweiht. Sie wird in der katholischen Kirche in den verschiedenen Riten des Ostens und des Westens verehrt. Viele Gläubige haben die Macht ihrer Fürsprache erfahren können. Viele, die zum priesterlichen Dienst oder zum geweihten Leben berufen wurden, besonders in den Missionen und in Klau-surklöstem, schreiben die göttliche Gnade ihrer Berufung ihrer Fürbitte und ihrem Beispiel zu. 3. Die Hirten der Kirche, angefangen bei meinen Vorgängern, den Päpsten dieses Jahrhunderts, die Theresias Heiligkeit als Beispiel für alle vorgestellt haben, betonten auch, daß sie Lehrmeisterin im geistlichen Leben ist aufgrund einer Lehre, die einfach und zugleich tief ist: Unter Führung des göttlichen Meisters hat sie aus den Quellen des Evangeliums geschöpft und dann den Brüdern und Schwestern in der Kirche auf höchst wirksame Weise davon mitgeteilt (vgl. Ms B 2v-3r). Diese geistliche Lehre wurde uns vor allem durch ihre Selbstbiographie übermittelt. Aus drei von ihr in den letzten Lebensjahren verfaßten Manuskripten entnommen und ein Jahr nach ihrem Tod unter dem Titel Histoire d’une Äme (Geschichte einer Seele), Lisieux 1898, veröffentlicht, hat sie bis in unsere Tage ein außerordentliches Interesse geweckt. Diese Autobiographie, zusammen mit ihren anderen Schriften in etwa fünfzig Sprachen übersetzt, hat Theresia in allen Gegenden der Welt bekannt gemacht, auch außerhalb der katholischen Kirche. Ein Jahrhundert nach ihrem Tod wird Theresia vom Kinde Jesus weiterhin als eine der großen Lehrmeisterinnen geistlichen Lebens unserer Zeit anerkannt. 4. Es ist daher nicht zu verwundern, daß dem Apostolischen Stuhl viele Bitten vorgelegt wurden, sie möge mit dem Titel einer Kirchenlehrerin ausgezeichnet werden. Seit einigen Jahren, und besonders seitdem das hundertste Gedenkjahr ihres Todes näherrückte, trafen solche Bitten immer zahlreicher, auch von Bischofskonferenzen, ein. Ferner fanden Studienkongresse statt, und es wurden immer mehr 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schriften veröffentlicht, die hervorheben, daß Theresia vom Kinde Jesus eine außergewöhnliche Weisheit besaß und daß sie mit ihrer Lehre vielen Männern und Frauen in allen Lebensverhältnissen Jesus Christus und sein Evangelium kennen und lieben hilft. Durch solche Äußerungen angeregt, veranlaßte ich eine eingehende Untersuchung darüber, ob die Heilige von Lisieux die notwendigen Voraussetzungen habe, um mit dem Titel Kirchenlehrerin ausgezeichnet zu werden. 5. Es ist mir ein Anliegen, in diesem Zusammenhang kurz einiges aus dem Leben Theresias vom Kinde Jesus in Erinnerung zu rufen. Sie ist am 2. Januar 1873 in Alenpon, Frankreich, geboren. Zwei Tage später wird sie in der Notre-Dame-Kir-che getauft und erhält die Namen Maria Franziska Theresia. Ihre Eltern sind Louis Martin und Zelie Guerin, deren beider heroischen Tugendgrad ich vor kurzem anerkannt habe. Nach dem Tod der Mutter, die am 28. August 1877 starb, siedelt Theresia mit der ganzen Familie in die Stadt Lisieux über, wo sie, umgeben von der Liebe ihres Vaters und ihrer Schwestern, streng, zugleich aber auch voll Zärtlichkeit erzogen wird. Gegen Ende 1879 empfängt sie zum ersten Mal das Bußsakrament. Am Pfingsttag 1883 wird ihr durch die Fürsprache „Unserer Lieben Frau von den Siegen“ die einzigartige Gnade der Heilung von einer schweren Krankheit zuteil. Sie geht bei den Benediktinerinnen von Lisieux in die Schule. Am 8. Mai 1884 empfängt sie nach einer eifrigen Vorbereitung die erste hl. Kommunion. Einen einzigartigen Höhepunkt bildet die Gnade, daß sie die tiefinnere Verbundenheit mit Christus empfindet. Wenige Wochen später, am 14. Juni des gleichen Jahres, empfängt sie das Sakrament der Firmung und ist sich dabei total bewußt, daß ihr damit die persönliche Anteilnahme an der Gnade des Pfingstfestes zuteil wird. Weihnachten 1886 macht sie eine sehr tiefe geistliche Erfahrung, die sie als „vollständige Bekehrung“ bezeichnet. Dadurch überwindet sie die emotionelle Schwäche, die auf den Tod der Mutter gefolgt war, und beginnt „den Lauf eines Riesen“ auf dem Weg zur Vollkommenheit (vgl. Ms A 44v-45v). Theresia hatte Verlangen nach dem kontemplativen Leben, wie ihre Schwestern Pauline und Maria es im Karmel von Lisieux führten, aber ihr jugendliches Alter hinderte sie noch daran. Anläßlich einer Pilgerfahrt nach Italien, wobei sie auch das Heilige Haus in Loreto und die heiligen Stätten der Ewigen Stadt besucht, wird den Gläubigen der Diözese Lisieux von Papst Leo XIII. am 20. November 1887 eine Audienz gewährt. Dabei erbittet und erhält Theresia von Leo XIII. die Erlaubnis, schon mit 15 Jahren in den Karmel einzutreten. Am 9. April 1888 tritt sie in den Karmel von Lisieux ein, wo sie am 10. Januar des folgenden Jahres das Gewand des Ordens der heiligsten Jungfrau empfängt und am 8. September 1890, dem Fest Mariä Geburt, ihre Ordensprofeß ablegt. Im Karmel geht sie voll Eifer und Treue den von der Mutter Gründerin, Theresia von Jesus, vorgezeichneten Weg der Vollkommenheit in der Erfüllung der verschiedenen ihr in der Gemeinschaft übertragenen Aufgaben. Vom Wort Gottes erleuchtet, geprüft durch den Schmerz, den die Krankheit ihres so sehr geliebten Vaters ihr 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bereitet, der am 29. Juli 1894 stirbt, geht Theresia voran auf dem Weg zur Heiligkeit. Dabei gibt sie stets der Liebe den Vorzug. Sie entdeckt den kleinen Weg der geistlichen Kindschaft und unterweist die ihrer Sorge anvertrauten Novizinnen darin. Auf diesem Weg fortschreitend, dringt sie immer tiefer in das Geheimnis der Kirche ein, und von der Liebe Christi angezogen, fühlt sie, wie die apostolische und missionarische Berufung in ihr stärker wird und sie dazu drängt, alle mit sich zu ziehen, hin zum göttlichen Bräutigam. Am 9. Juni 1895, dem Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit, weiht sie sich als Ganzopfer der barmherzigen Liebe Gottes. Am 3. April des folgenden Jahres werden in der Nacht vom Gründonnerstag zum Karfreitag zum ersten Mal die Anzeichen der Krankheit erkennbar, die sie zum Tod fuhren wird. Theresia nimmt sie an als geheimnisvollen Besuch des göttlichen Bräutigams. Gleichzeitig beginnt für sie eine innere Anfechtung des Glaubens, eine Prüfung, die bis zu ihrem Tod an-dauem wird. Da ihre Krankheit sich verschlimmert, wird sie am 8. Juli 1897 ins Krankenzimmer verlegt. Ihre Mitschwestem und andere Ordensfrauen zeichnen ihre Äußerungen auf. Ihre Schmerzen und Prüfungen, die sie geduldig erträgt, nehmen zu, bis sie am Nachmittag des 30. September stirbt. „Ich sterbe nicht, ich gehe ins Leben ein“, hatte sie an einen ihrer geistlichen Brüder, Don Belliere, geschrieben {LT 244). Ihre letzten Worte „Mein Gott, ich liebe dich“ sind das Siegel ihres Lebens. 6. Theresia vom Kinde Jesus hat uns Schriften hinterlassen, durch die sie mit Recht den Titel einer Lehrerin des geistlichen Lebens verdient. Ihr Hauptwerk bleibt der Bericht über ihr Leben in den drei autobiographischen Manuskripten {Manuscrits autobiographiques A, B, C), erstmals veröffentlicht unter dem bald berühmt gewordenen Titel Histoire d’une Äme {Geschichte einer Seele). Im Manuskript A - auf die Bitte der Schwester Agnes von Jesus, damals Priorin des Klosters, geschrieben und ihr am 21. Januar 1896 übergeben - beschreibt Theresia die Wegstrecken ihrer religiösen Erfahrung: die ersten Jahre der Kindheit, vor allem das Ereignis ihrer ersten Kommunion und das der Firmung und die Jugendzeit bis zum Eintritt in den Karmel und zu ihrer ersten Profeß. Das Manuskript B, auf die Bitte ihrer Schwester Maria vom göttlichen Herzen verfaßt während der geistlichen Einkehrtage des gleichen Jahres, enthält einige der schönsten, der bekanntesten und der am meist zitierten Seiten der Heiligen von Li-sieux. In ihnen offenbart sich die volle Reife der Heiligen, die von ihrer Berufung in der Kirche als Braut Christi und Mutter der Seelen spricht. Das Manuskript C - wenige Monate vor ihrem Tod im Monat Juni und in den ersten Julitagen 1897 niedergeschrieben und der Priorin Maria de Gonzaga gewidmet, die sie darum gebeten hatte - vervollständigt die im Manuskript A wiedergegebenen Erinnerungen über das Leben im Karmel. Diese Seiten offenbaren die übernatürliche Weisheit der Verfasserin. Aus diesem letzten Abschnitt ihres Lebens berichtet Theresia einige sehr tiefe Erfahrungen. Bewegende Seiten widmet sie der Prüfung des Glaubens: Es ist die Rede von der Gnade der Läuterung, die 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie in eine lange und schmerzvolle dunkle Nacht taucht, die aber erhellt ist durch ihr Vertrauen in die erbarmungsvolle und väterliche Liebe Gottes. Von neuem und ohne sich zu wiederholen, läßt Theresia das strahlende Licht des Evangeliums auf-leuchten. Wir finden hier die schönsten Seiten, die sie dem vertrauensvollen Sich-den-Händen-Gottes-Überlassen, dem Verbundensein von Gottes- und Nächstenliebe und ihrer missionarischen Berufung in der Kirche gewidmet hat. In diesen drei verschiedenen Manuskripten, die in der Thematik und in einer fortschreitenden Beschreibung ihres Lebens und ihres geistlichen Weges übereinstimmen, hat Theresia uns eine echte Autobiographie dargeboten, die die Geschichte ihrer Seele darstellt. Aus ihr geht deutlich hervor, daß Gott durch ihr Leben der Welt eine bestimmte Botschaft gegeben hat. Er hat einen Weg nach dem Evangelium gewiesen, nämlich den „kleinen Weg“, den alle gehen können, da ja alle zur Heiligkeit berufen sind. In den uns erhaltenen 266 Briefen, die an ihre Angehörigen, an Ordensfrauen und an ihre „Brüder“, die Missionare, gerichtet sind, offenbart Theresia ihre Weisheit und entfaltet eine Unterweisung, die in der Tat eine tiefschürfende Praxis geistlicher Seelenführung darstellt. Zu ihren Schriften gehören auch 54 Gedichte, darunter einige von großer theologischer und geistlicher Dichte, von der Heiligen Schrift inspiriert. Besonders verdienen erwähnt zu werden: Vivre d’Amour (P 17) und Pourquoi je t’aime, o Marie! (P 54), eine schöne Zusammenfassung des Weges der Jungfrau Maria nach dem Evangelium. Zu diesen Schriften kommen noch 8 „Recreations pieuses“: poetische Texte und Bühnenstücke, von der Heiligen für ihre Klostergemeinschaft erdacht und vorgefuhrt zu gewissen, in der Tradition des Karmels gebräuchlichen Festen. Unter anderen Schriften ist noch an eine Reihe von 21 Gebeten zu erinnern. Und es darf die Sammlung ihrer Worte, die sie in den letzten Monaten ihres Lebens gesprochen hat, nicht vergessen werden. Sie sind in verschiedenen Versionen erhalten, bekannt als Novissima verba {Letzte Worte) und unter dem Titel Derniers Entretiens {Letzte Gespräche). 7. Aus der genauen Untersuchung der Schriften der hl. Theresia vom Kinde Jesus und aus dem Echo, das sie in der Kirche fanden, lassen sich die besonders herausragenden Aspekte der „hervorragenden Lehre“ entnehmen, d. h. des grundlegenden Elementes, auf das sich die Verleihung des Titels „Kirchenlehrerin“ stützt. Es ist vor allem ein besonderes Charisma der Weisheit festzustellen. Diese junge Karmelitin ohne besondere theologische Vorbildung, aber vom Licht des Evangeliums erleuchtet, sieht sich vom göttlichen Meister belehrt, der, wie sie sagt, „der Lehrmeister der Lehrmeister“ (Doctor doctorum) ist (vgl. Ms A 83 v), von dem sie die „göttlichen Unterweisungen“ {Ms B lr) empfangt. Sie erkennt, daß sich in ihr die Worte der Schrift verwirklicht haben: „Wenn jemand klein ist, so komme er zu mir ...; den Geringen wird Barmherzigkeit erwiesen“ {Ms B lv; vgl. Spr 9,4; Weish 6,6), und sie weiß, daß sie zur Weisheit der Liebe angeleitet wurde, die den Weisen und Klugen verborgen ist, die aber der göttliche Meister geruhte, ihr, wie allen Kleinen, zu erschließen {Ms A 49r; vgl. Lk 10,21-22). 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Papst Pius XI., der Theresia von Lisieux als „Stern seines Pontifikats“ betrachtete, zögerte nicht, in der Predigt am Tag ihrer Heiligsprechung, dem 17. Mai 1925, zu behaupten: „... der Geist der Wahrheit enthüllte ihr und lehrte sie, was er gewöhnlich den Weisen und Klugen verbirgt und den Unmündigen offenbart (Mt 11,25). Tatsächlich erwarb sie - nach dem Zeugnis Unseres unmittelbaren Vorgängers -eine solche Einsicht in die übernatürlichen Dinge, daß sie den andern einen sicheren Weg des Heiles vorzeichnen konnte“ (AAS 17[1925]213; zitiert in: O.R.dt., 43, 24.10.97, S. 12). Ihre Lehre stimmt nicht nur mit der Heiligen Schrift und mit dem katholischen Glauben überein, sondern sie ragt hervor (eminet) durch ihre Tiefe und die in ihr zustande gekommene Synthese der Weisheit. Ihre Lehre ist zur gleichen Zeit ein Bekenntnis des Glaubens der Kirche, ein Erleben des christlichen Mysteriums und ein Weg zur Heiligkeit. Theresia bietet eine reife Synthese der christlichen Spiritualität; sie verbindet die Theologie und das geistliche Leben, ihr Ausdruck ist kraftvoll und sicher, voll großer Überzeugungs- und Kommunikationsfähigkeit, wie die Aufnahme und Verbreitung ihrer Botschaft im Gottesvolk zeigt. Die Lehre Theresias drückt die Dogmen des christlichen Glaubens konsequent aus und vereint sie harmonisch als Lehre der Wahrheit und Lebenserfahrung. Diesbezüglich darf nicht vergessen werden, daß, wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, das Verständnis für den von den Aposteln überkommenen Glaubensschatz in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes voranschreitet: „... es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben“ (Dei Verbum, Nr. 8). In den Schriften Theresias von Lisieux finden wir vielleicht nicht, wie bei anderen Kirchenlehrern, eine wissenschaftlich ausgearbeitete Darstellung der göttlichen Dinge, aber wir können ihnen ein erleuchtetes Zeugnis des Glaubens entnehmen, das, während es mit vertrauender Liebe die achtungsvolle Barmherzigkeit Gottes und das Heil in Christus aufnimmt, das Geheimnis und die Heiligkeit der Kirche offenbart. Mit Recht also kann man in der Heiligen von Lisieux das Charisma des Kirchenlehrers erkennen, sowohl wegen der Gabe des Heiligen Geistes, die sie empfangen hat, um ihre Glaubenserfahrung zu leben und zum Ausdruck zu bringen, als auch wegen des besonderen Verstehens des Geheimnisses Christi. In ihr konzentrieren sich die Gaben des neuen Gesetzes, das heißt die Gnade des Heiligen Geistes, der sich offenbart im lebendigen Glauben, der durch die Liebe wirksam ist (vgl. hl. Thomas v. Aquin, Summa Theol. I-II, q. 106, art. 1; q. 108, art. 1). Wir können auf Theresia von Lisieux anwenden, was mein Vorgänger Paul VI. von einer anderen jungen Heiligen, der Kirchenlehrerin Katharina von Siena, sagte: „Was uns bei dieser Heiligen am meisten erschüttert, ist die eingegossene Weisheit, d. h. die klare, tiefe und begeisterte Aufnahme der göttlichen Wahrhei- 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten und der Geheimnisse des Glaubens [...]: ein Aufnehmen, das sicherlich von einzigartigen natürlichen Gaben begünstigt, aber offensichtlich wunderbar einem Charisma der Weisheit des Heiligen Geistes zu verdanken war“ (AAS 62[1970]675). 8. Mit ihrer einzigartigen Lehre und ihrem unverkennbaren Stil erscheint Theresia als echte Lehrmeisterin des Glaubens und des christlichen Lebens. Durch ihre Schriften strömt belebend, wie durch die Aussagen der Heiligen Väter, die katholische Tradition, deren Reichtümer sich, wie wiederum das II. Vatikanische Konzil bestätigt, „in Tun und Leben der glaubenden und betenden Kirche ergießen“ (Dei Verbum, Nr. 8). Wenn die Lehre Theresias von Lisieux in ihrer literarischen Gattung und ihrer Erziehung und Kultur sowie den besonderen Verhältnissen ihrer Zeit entsprechend aufgenommen wird, erscheint sie in einer providentiellen Einheit mit der ureigensten Tradition der Kirche, sowohl hinsichtlich des Bekenntnisses des katholischen Glaubens als auch der Förderung des durchaus echten geistlichen Lebens, das allen Gläubigen in einer lebendigen und zugänglichen Sprache vorgelegt wird. Sie hat in unserer Zeit die Schönheit des Evangeliums aufleuchten lassen; sie hatte die Sendung, die Kirche, den mystischen Leib Christi, kennen und lieben zu lehren, und hat dazu beigetragen, die Seelen von den Härten und Ängsten der janse-nistischen Lehre zu heilen, die mehr dazu neigte, die Gerechtigkeit Gottes als sein göttliches Erbarmen zu betonen. In der Barmherzigkeit Gottes hat Theresia alle göttlichen Vollkommenheiten betrachtet und angebetet, denn „selbst die Gerechtigkeit Gottes scheint mir (mehr vielleicht als jede andere Vollkommenheit) in Liebe gekleidet zu sein“ (Ms A 83 v). So ist sie zu einem lebendigen Abbild jenes Gottes geworden, der, wie die Kirche es im Tagesgebet am 26. Sonntag im Jahreskreis formuliert, „omnipotentiam suam parcendo maxime et miserendo manifestat“ (seine Macht vor allem im Erbarmen und im Verschonen offenbart) (vgl. Missale Romanum). Wenn Theresia auch keine ganze und eigentliche Sammlung von Lehren vorzulegen hat, so leuchten doch aus ihren Schriften außergewöhnliche Lichtblitze der Lehre auf, die, gleichsam durch die Gnade des Heiligen Geistes, die Offenbarung in ihrem innersten Mark in einzigartiger und neuer Sicht erfassen und die Unterweisung auf hervorragende Art darbieten. Der Kern ihrer Botschaft ist das Geheimnis Gottes selbst, der die Liebe ist, des dreieinigen, in sich unendlich vollkommenen Gottes. Wenn die echte, christliche, geistliche Erfahrung im Einklang sein muß mit den offenbarten Wahrheiten, in denen Gott sich selbst und das Geheimnis seines Willens mitteilt (vgl. Dei Verbum, Nr. 2), dann muß man bestätigen, daß Theresia die göttliche Offenbarung fortschreitend erfahren hat bis hin zur Kontemplation der erhabensten Wahrheiten unseres Glaubens und deren Fülle im Geheimnis des dreifältigen Lebens. Den Gipfelpunkt bildet als Quelle und Ziel die erbarmende Liebe der drei göttlichen Personen, wie die Heilige es hauptsächlich in ihrem „Akt der Weihe an die barm- 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN herzige Liebe“ zum Ausdruck bringt. An der Basis steht, auf seiten des Menschen, die Erfahrung, in Jesus Adoptivkind des Vaters zu sein. Darin liegt die eigentliche Bedeutung der geistlichen Kindschaft: in der vom Heiligen Geist bewirkten Erfahrung, Kind Gottes zu sein. Ferner befindet sich an der Basis, uns gegenüber, der Nächste, alle anderen, an deren Heil wir mitarbeiten müssen mit und in Jesus, mit dieser seiner barmherzigen Liebe. Durch diese geistliche Kindschaft macht man die Erfahrung, daß alles von Gott kommt, zu Ihm zurückkehrt und in Ihm bleibt, zum Heil aller Menschen, im Geheimnis der barmherzigen Liebe. Das ist die Botschaft der Lehre, die die Heilige hinterließ und die sie selbst gelebt hat. Wie zu allen Zeiten bei den Heiligen der Kirche, so war auch in Theresias geistlicher Erfahrung Christus die Mitte und die Fülle der Offenbarung. Theresia hat Jesus gekannt, sie hat ihn mit der Leidenschaft einer Braut geliebt und sich dafür eingesetzt, daß auch andere ihn liebten. Sie ist in die Geheimnisse seiner Kindheit eingedrungen und in die Worte seines Evangeliums, in die Passion des leidenden Gottesknechtes, die sie in die Züge seines heiligen Antlitzes eingeprägt fand, in den Glanz seines Lebens in der Herrlichkeit und in seine eucharistische Gegenwart. Sie hat die Liebe Christi besungen, wie sie das Evangelium in vielfacher Weise darstellt (vgl. Gedichte, 24, „Jesus, mon Bien-Äime, rappelle-toi!“). Theresia hat in besonderer Weise Licht empfangen über die Wirklichkeit des mystischen Leibes Christi, über die Vielfalt seiner Charismen, über die Gaben des Heiligen Geistes und die überragende Kraft der Liebe, die gleichsam das Herz der Kirche ist, wo sie ihre Berufung als Kontemplative und Missionarin entdeckte (vgl. Ms B 2r-3v). Schließlich muß unter den besonders ihr ureigenen Kapiteln ihrer geistlichen Wissenschaft noch die weise Untersuchung erwähnt werden, die Theresia über das Geheimnis und den Weg der Jungfrau Maria unternahm, wobei sie zu Ergebnissen kam, die der Lehre des II. Vatikanischen Konzils im 8. Kapitel der Konstitution Lumen Gentium und dem, was ich selbst in meiner Enzyklika Redemptoris Mater vom 25. März 1987 schrieb, sehr nahe stehen. 9. Die Hauptquelle ihrer geistlichen Erfahrung und ihrer Lehre ist das Wort Gottes im Alten und Neuen Testament. Das bekennt sie selbst und hebt dabei besonders ihre leidenschaftliche Liebe zum Evangelium hervor (vgl. Ms A 83v). In ihren Schriften zählt man mehr als tausend Bibelzitate, über vierhundert aus dem Alten und über sechshundert aus dem Neuen Testament. Obgleich sie nur unzulänglich vorbereitet war und keine geeigneten Hilfsmittel für das Studium und die Auslegung der heiligen Bücher zur Hand hatte, widmete Theresia sich voll Glauben und einzigartigem Eifer der Betrachtung des Wortes Gottes. Unter dem Einfluß des Heiligen Geistes gewann sie zu ihrem eigenen und anderer Nutzen eine tiefschürfende Kenntnis der Offenbarung. Durch die Liebe, mit der sie sich in die Heilige Schrift versenkte - gern hätte sie sich Kenntnisse in Hebräisch und Griechisch angeeignet, um Geist und Buchstaben der heiligen 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bücher besser zu erfassen hat sie erkennen lassen, wie wichtig die biblischen Quellen für das geistliche Leben sind. Sie hat die Ursprünglichkeit und Frische des Evangeliums bekanntgemacht und eine kluge geistliche Auslegung des Gotteswortes im Alten und Neuen Testament gepflegt. So entdeckte sie verborgene Schätze und machte sich Worte und Episoden zu eigen, manchmal nicht ohne übernatürliche Kühnheit, so, wenn sie z. B. beim Lesen der Schriften des hl. Paulus (vgl. 1 Kor 12-13) ihre Berufung zur Liebe daraus entnahm (vgl. Ms B 3r-3v). Erleuchtet durch das Wort der Offenbarung hat Theresia geniale Seiten über die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe geschrieben (vgl. Ms C llv-19r) und sich hineinversetzt in das Gebet Jesu beim Letzten Abendmahl als Ausdruck seiner Bitte um das Heil aller (vgl. Ms C 34r-35r). Ihre Lehre stimmt, wie ich bereits sagte, mit der Lehre der Kirche überein. Von Kindheit an wurde sie von ihrer Familie zum Gebet und zur Teilnahme an der kirchlichen Liturgie erzogen. Bei der Vorbereitung auf ihre erste Beichte, auf die Erstkommunion und auf das Sakrament der Firmung zeigte sie eine außerordentliche Liebe zu den Glaubenswahrheiten und lernte den Katechismus fast Wort für Wort auswendig (vgl. Ms A 37r-37v). Am Ende ihres Lebens schrieb sie mit ihrem eigenen Blut das Apostolische Glaubensbekenntnis als Ausdruck ihrer vorbehaltlosen Treue zum Glauben nieder. Außer den Worten der Schrift und der Lehre der Kirche waren Theresias geistliche Nahrung von Jugend an auch die Unterweisungen der Nachfolge Christi, die sie, wie sie selbst sagt, fast auswendig kannte (vgl. Ms A Air). Entscheidend für die Verwirklichung ihrer Berufung als Karmelitin waren die geistlichen Schriften der Gründerin, Mutter Theresia von Jesus, besonders jene, die die kontemplative und kirchliche Bedeutung des Charismas des theresianischen Karmels darlegten (vgl. Ms C 33v). Doch in ganz besonderer Weise zog Theresia ihre geistliche Nahrung aus der mystischen Lehre des hl. Johannes vom Kreuz, der ihr wahrer geistlicher Lehrer war (vgl. Ms A 83r). Es ist also nicht zu verwundern, daß auch sie, eine ausgezeichnete Schülerin in der Schule dieser beiden Heiligen, die später zu Kirchenlehrern erklärt wurden, schließlich eine Lehrerin des geistlichen Lebens wurde. 10. Die geistliche Lehre Theresias von Lisieux hat zur Ausbreitung des Reiches Gottes beigetragen. Mit ihrem Beispiel der Heiligkeit, der vollkommenen Treue zur Mutter Kirche, der vollen Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri wie auch mit den besonderen Gnaden, die sie für viele Missionare und Missionarinnen erlangte, hat sie einen außerordentlichen Dienst für die erneuerte Verkündigung und Praxis des Evangeliums Christi und für die Ausbreitung des katholischen Glaubens unter allen Völkern der Erde geleistet. Es ist nicht notwendig, daß wir uns weiter verbreiten über die Universalität der theresianischen Lehre und über die umfassende Aufnahme ihrer Botschaft während des Jahrhunderts, das seit ihrem Tod vergangen ist: Diese Dinge wurden gut dokumentiert in den Studien, die der Verleihung des Titels „Kirchenlehrerin“ an die Heilige vorausgingen. 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Hinsicht ist die Tatsache von besonderer Bedeutung, daß das Lehramt der Kirche nicht nur die Heiligkeit Theresias anerkannt, sondern auch ihre Weisheit und ihre Lehre klar herausgehoben hat. Schon Pius X. sagte von ihr, daß sie „die größte Heilige der modernen Zeit“ war. Als er mit Freude die erste italienische Ausgabe der Geschichte einer Seele in Empfang nahm, lobte er die Früchte, die sich aus der theresianischen Spiritualität entnehmen ließen. Benedikt XV. erläuterte bei der Verkündigung des heroischen Tugendgrades der Dienerin Gottes den Weg der geistlichen Kindschaft und pries die Wissenschaft von den göttlichen Wahrheiten, die Gott Theresia verliehen hatte, um andere die Wege des Heils zu lehren (vgl. AAS 13 [ 1921 ]449-452). Pius XI. legte sowohl bei der Selig- wie bei der Heiligsprechung die Lehre der Heiligen dar und empfahl sie, wobei er die besondere göttliche Erleuchtung unterstrich (Discorsi di PioXI, Bd. I, Turin 1959, S. 91). Er nannte Theresia Lehrmeisterin des Lebens (vgl. AAS 17[1925]211-214). Pius XII. sagte bei der Weihe der Basilika von Lisieux 1954 unter anderem, Theresia sei mit ihrer Lehre bis in das Herz des Evangeliums eingedrungen (vgl. ^L4S46[1954]404-408). Kardinal Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., besuchte einige Male Lisieux, vor allem als er Nuntius in Paris war. Während seines Pontifikats ließ er bei verschiedenen Gelegenheiten seine Verehrung für die Heilige erkennen und erläuterte die Beziehungen zwischen der Lehre der Heiligen von Avila und derjenigen ihrer Tochter, Theresia von Lisieux (Discorsi, Messaggi, Colloqui, Bd. 2 [1959-1960] SS. 771-772). Während des II. Vatikanischen Konzils kamen die Väter mehrmals auf ihr Beispiel und ihre Lehre zu sprechen. Bei der Jahrhundertfeier ihrer Geburt richtete Paul VI. am 2. Januar 1973 einen Brief an den Bischof von Bayeux und Lisieux, worin er das Beispiel Theresias in ihrer Gottsuche pries und sie als Meisterin des Gebetes und der theologischen Tugend der Hoffnung und als Vorbild der Verbundenheit mit der Kirche vorstellte; den Lehrern, Erziehern, Priestern und auch den Theologen empfahl er das Studium ihrer Lehre (vgl. AAS 65[1973]12-15). Ich selbst hatte bei verschiedenen Gelegenheiten die Freude, Bezug zu nehmen auf die Gestalt und die Lehre der Heiligen anläßlich meines unvergeßlichen Besuchs in Lisieux am 2. Juni 1980, als ich allen in Erinnerung rief: „Von Theresia von Lisieux kann man mit Überzeugung sagen, daß der Geist Gottes ihrem Herzen möglich gemacht hat, den Menschen unserer Zeit das grundlegende Geheimnis, die Wirklichkeit des Evangeliums direkt zu offenbaren: ... Der kleine Weg ist der Weg der heiligen Kindheit. Auf diesem Weg gibt es etwas Einzigartiges, den Genius der hl. Theresia von Lisieux. Gleichzeitig sehen wir eine sehr grundlegende und allgemein gültige Wahrheit bekräftigt und neu herausgestellt. Welche Wahrheit aus der Botschaft des Evangeliums ist denn wohl grundlegender und allgemeiner gültig als jene: Gott ist unser Vater, und wir sind seine Kinder?“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, Bd. III/l [1980] S. 1659; s.: O.R.dt., 25, 20.6.1980, S. 12). Diese einfachen Hinweise auf eine ununterbrochene Reihe von Zeugnissen der Päpste dieses Jahrhunderts über die Heiligkeit und die Lehre der hl. Theresia vom 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kinde Jesus und auf die universale Ausbreitung ihrer Botschaft bringen klar zum Ausdruck, wie sehr die Kirche in ihren Hirten und ihren Gläubigen die geistliche Lehre dieser jungen Heiligen aufgenommen hat. Zeichen für die Aufnahme der Unterweisung der Heiligen seitens der Kirche ist auch der Rückgriff auf ihre Lehre in vielen Dokumenten des ordentlichen Lehramts der Kirche, vor allem wenn von der kontemplativen und missionarischen Berufung, vom Vertrauen auf den gerechten und barmherzigen Gott, von der christlichen Freude und von der Berufung zur Heiligkeit die Rede ist. Auch im Katechismus der Katholischen Kirche ist ihre Lehre zu finden (Nm. 127, 826, 956, 1011, 2011, 2558). Sie, die aus dem Katechismus so gern die Wahrheiten des Glaubens lernte, hat es verdient, unter die maßgeblichen Zeugen der katholischen Lehre gezählt zu werden. Theresia besitzt eine einzigartige Universalität. Ihre Person, ihre evangelische Botschaft vom „kleinen Weg“ des Vertrauens und der geistlichen Kindschaft haben eine überraschende, alle Grenzen überschreitende Aufnahme gefunden und finden sie auch weiterhin. Der Einfluß ihrer Botschaft umfaßt vor allem Männer und Frauen, deren Heiligkeit oder heroischen Tugendgrad die Kirche selbst anerkannt hat, Hirten der Kirche, solche, die sich der Theologie widmen und die Spiritualität pflegen, Priester und Seminaristen, Ordensmänner und Ordensfrauen, kirchliche Bewegungen und neue Gemeinschaften, Männer und Frauen jeder Herkunft und von allen Kontinenten. Allen gibt Theresia ihre persönliche Bestätigung, daß das christliche Mysterium, für das sie Zeugin und Apostolin geworden ist — da sie sich, wie sie kühn sagt, im Gebet zur „Apostolin der Apostel“ {Ms A 56r) gemacht hat -, wörtlich genommen werden muß mit möglichst großem Realismus, da es zeitlich wie räumlich von universaler Bedeutung ist. Die Kraft ihrer Botschaft liegt darin, daß sie konkret zeigt, wie alle Verheißungen Jesu sich erfüllen in dem Gläubigen, der die rettende Gegenwart des Erlösers mit Vertrauen in sein Leben aufzunehmen weiß. 11. Alle diese Erwägungen bezeugen sehr klar die Aktualität der Lehre der Heiligen von Lisieux und die starke Auswirkung ihrer Lehre auf die Männer und Frauen unseres Jahrhunderts. Dazu kommen verschiedene Umstände, aus denen ihre Bestimmung zur Lehrerin der Kirche unserer Zeit noch deutlicher hervorgeht. Vor allem ist Theresia eine Frau, die, wenn sie sich mit dem Evangelium befaßte, ihm seine verborgenen Reichtümer zu entnehmen verstand, so konkret und mit so tiefer Resonanz im Leben und Denken, wie es dem weiblichen Genius im allgemeinen eigen ist. Aus der Schar der heiligen Frauen, in denen die Weisheit des Evangeliums hell aufleuchtet, ragt Theresia wegen ihrer Universalität hervor. Ferner ist sie eine kontemplative Frau. In der Verborgenheit ihres Karmels lebte sie so das große Abenteuer christlicher Erfahrung, daß sie die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe der Liebe Christi kennenlemte (vgl. Eph 3,18-19). Gott hat nicht gewollt, daß ihre Geheimnisse verborgen blieben, darum würdigte Er Theresia, das Geheimnis des Königs zu offenbaren (vgl. Ms C 2v). Durch ihr Leben bie- 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tet Theresia ein Zeugnis und eine theologische Erläuterung der Schönheit des kontemplativen Lebens als Ganzhingabe an Christus, den Bräutigam der Kirche, und als lebendige Bestätigung des Primates Gottes in allem. Ihr verborgenes Leben hat eine geheimnisvolle Fruchtbarkeit für die Ausbreitung des Glaubens und erfüllt die Kirche und die Welt mit dem Wohlgeruch Christi (vgl. Briefe 169, 2v). Theresia von Lisieux ist eine Jugendliche. Sie ist in ihrer blühenden Jugend zur Reife der Heiligkeit gelangt (vgl. Ms C 4r). Sie stellt sich daher als eine Lehrerin des Lebens nach dem Evangelium dar, die überaus geeignet ist, die Wege der Jugendlichen zu erleuchten, deren Aufgabe es sein wird, unter den kommenden Generationen das Evangelium zu leben und zu bezeugen. Theresia vom Kinde Jesus ist nicht nur ihrem Alter nach die jüngste Kirchenlehrerin, sondern sie steht uns auch zeitlich am nächsten und unterstreicht damit sozusagen die Kontinuität, mit der der Geist des Herrn der Kirche seine Boten, Männer und Frauen, als Lehrer und Zeugen des Glaubens sendet. Denn bei all ihrer Verschiedenartigkeit, die sich im Lauf der Geschichte feststellen läßt, und bei deren mannigfaltigen Auswirkungen im Leben und Denken der Menschen in den einzelnen Epochen dürfen wir nicht das fortlaufende Band unbeachtet lassen, das die Kirchenlehrer miteinander verbindet: In jedem geschichtlichen Kontext bleiben sie Zeugen jenes Evangeliums, das niemals verändert wird, und mit dem Licht und der Kraft, die ihnen der Heilige Geist gewährt, werden sie seine Boten und verkünden den Menschen ihrer Zeit dieses Evangelium in seiner ganzen Reinheit. Theresia ist Lehrmeisterin für unsere Zeit, die nach lebendigen und wesentlichen Worten, nach heroischen und glaubhaften Zeugnissen dürstet. Darum ist sie auch von Brüdern und Schwestern anderer christlicher Gemeinschaften geliebt und angenommen. 12. In diesem Jahr, in dem die Hundertjahrfeier des glorreichen Todes Theresias vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz begangen wird, während wir uns weiter auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereiten und nachdem ich zahlreiche und maßgebliche Bitten, vor allem von vielen Bischofskonferenzen der ganzen Welt, erhalten hatte sowie das offizielle Gesuch, den Supplex Libellus, datiert vom 8. März 1997, vom Bischof von Bayeux und Lisieux, dann auch die Gesuche des Generalobem des Ordens der Unbeschuhten Karmeliten der Heiligen Jungfrau Maria vom Berge Karmel und des Generalpostulators dieses Ordens, beschloß ich, der für diesen Bereich zuständigen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse „praehabito voto Congregationis pro Doctrina Fidei ad eminentem doctrinam quod attinet“ (Pastor bonus, Nr. 73) die gebührende Untersuchung zu übergeben für den Prozeß zur Verleihung des Titels einer Kirchenlehrerin an diese Heilige. Nachdem die notwendige Dokumentation erbracht war, haben die oben erwähnten beiden Kongregationen die Frage in ihren jeweiligen Beratungen behandelt: in der „Consulta“ der Kongregation für die Glaubenslehre am 5. Mai 1997 das, was die „hervorragende Lehre“ (eminens doctrina) betrifft, und in der 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Consulta“ der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse am 29. Mai des gleichen Jahres zur Prüfung der entsprechenden „Positio“. Am darauffolgenden 17. Juni kamen die diesen Kongregationen als Mitglieder angehörenden Kardinäle und Bischöfe, einem von mir für diese Gelegenheit approbierten Verfahren entsprechend, zu einer interdikasterialen Vollversammlung zusammen und diskutierten die Angelegenheit. Einmütig brachten sie ihre Zustimmung zur Verleihung des Titels „Ecclesiae universalis doctor“ an die hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz zum Ausdruck. Dieses Gutachten wurde mir von Kardinal Joseph Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, und vom Pro-Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Msgr. Alberto Bovone, Titularerzbischof von Cäsarea in Numidien, persönlich mitgeteilt. In Anbetracht dessen habe ich am vergangenen 24. August beim Angelusgebet in Gegenwart Hunderter von Bischöfen und vor einer endlosen Menge von Jugendlichen aus aller Welt, die zum 12. Weltjugendtag in Paris versammelt waren, persönlich die Absicht kundtun wollen, Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz in Rom anläßlich des Weltmissionstages zur Kirchenlehrerin zu proklamieren. Heute, am 19. Oktober 1997, habe ich vor einer den Petersplatz dicht füllenden Menge von Gläubigen aus aller Welt in Gegenwart zahlreicher Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe in der festlichen Eucharistiefeier Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz mit folgenden Worten zur Kirchenlehrerin proklamiert: „Den Wünschen einer großen Zahl meiner Brüder im Bischofsamt und zahlreicher Gläubigen aus aller Welt entgegenkommend, nach Anhören des Gutachtens der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und nach Erhalt des Votums der Kongregation für die Glaubenslehre hinsichtlich der ,hervorragenden Lehre1 erklären wir aus sicherer Kenntnis und nach reiflicher Überlegung kraft der vollen apostolischen Autorität die hl. Jungfrau Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz zur Kirchenlehrerin. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Nachdem dies in gebührender Weise vollzogen ist, bestimmen wir, daß dieses Apostolische Schreiben ehrfürchtig aufbewahrt werde und jetzt und in Zukunft voll wirksam sei. Außerdem wird entschieden und festgelegt, daß es vergeblich und zwecklos ist, hieran bewußt oder unbewußt etwas zu ändern, gleich von welcher Seite es ausgehen mag und mit welcher Autorität auch immer. Gegeben in Rom bei Sankt Peter unter dem Fischerring am 19. Tag des Monats Oktober im Jahre 1997, dem zwanzigsten des Pontifikats. 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mission und Gebet als Einheit von Wort und Tat Botschaft zum Weltmissionssonntag am 19. Oktober 1997 vom 18. Mai „Der Geist des Herrn ruht auf mir; ... Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine Gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18). „Ich muß auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden“ (Lk 4,43). 1. Liebe Brüder und Schwestern! Der Weltmissionstag ist ein wichtiger Anlaß im Leben der Kirche. Man kann sagen, daß seine Bedeutung noch zunimmt, je mehr wir uns der Schwelle zum Jahr 2000 nähern. Die Kirche, die sich bewußt ist, daß außer Christus „uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben [ist], durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12), macht sich heute mehr denn je die Worte des Apostels zu eigen: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (7 Kor 9,16). In dieser Hinsicht halte ich es daher für angebracht, auf einige grundlegende Punkte der Frohen Botschaft aufmerksam zu machen, die die Kirche ihrem Auftrag gemäß im neuen Jahrtausend verkünden und zu den Völkern bringen muß. 2. Jesus Christus, der Gesandte des Vaters und der erste Missionar, ist der einzige Erlöser der Welt. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben: Wie Er das gestern war, so ist Er es heute, und so wird Er es morgen sein, bis an das Ende der Zeiten, wenn alles für immer unter Ihm als dem Haupt vereint wird. Das Heil, das Jesus gebracht hat, dringt in das tiefste Innere des Menschen ein und befreit ihn von der Herrschaft des Bösen, von der Sünde und vom ewigen Tod. Positiv ausgedrückt: Das Heil ist Anbruch des „neuen Lebens“ in Christus. Es ist ein ungeschuldetes Geschenk Gottes und wirbt um die freie Zustimmung des Menschen. Ja um den Preis von Anstrengung und Kreuz wird es Tag für Tag errungen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 10). Daher ist also unser persönliches unermüdliches Mitwirken durch die bereitwillige Zustimmung unseres Willens zu Gottes Plan notwendig. So kommt man an das sichere und endgültige Ziel, das Christus uns durch sein Kreuz zugänglich gemacht hat. Zu dieser Befreiung gibt es keine Alternative, durch die man in den Besitz des wahren Friedens und der Freude gelangen könnte, denn diese rühren nur her aus der Begegnung mit dem Gott, der die Wahrheit ist: „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (.Joh 8,32). Das ist in Kürze die „Gute Nachricht“, die Christus gebracht hat. Er wurde gesandt, sie den „Armen“ zu bringen, den in der vielfachen Sklaverei dieser Welt Gefangenen, den „Heimgesuchten“ aller Zeiten und aller Breiten, ja allen Menschen, denn das Heil ist allen Menschen zugewendet, und jeder Mensch auf der Erde hat das Recht, Kenntnis davon zu erhalten: Es geht dabei um sein ewiges Schicksal. „Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden“ (Röm 10,13), sagt der hl. Paulus. 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Kein Mensch aber kann Jesus anrufen und an Ihn glauben, wenn er nicht zuvor von Ihm hat sprechen hören, d. h. wenn Sein Name ihm nicht zuvor bekanntgemacht wurde (vgl. Rom 10,14-15). Daher also der höchste Auftrag des Meisters an die Seinen vor seiner Rückkehr zum Vater: „Geht ..., lehrt“ {Mt 28,19 f.); „Verkündet das Evangelium ... Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet“ {Mk 16,15.16). Daher die von Ihm der Kirche übertragene Weisung, durch die Zeit hin sein Werk fortzusetzen als „allumfassendes Heilssakrament“ {Lumen Gentium, Nr. 48) und „Mittlerin des Geschenkes der Gnade“ (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 14) für die ganze Menschheit. Daher stammt „das Privileg“ und zugleich „die schwerwiegende Verpflichtung“ (vgl. Botschaft zum Weltmissionssonntag 1996, O.R.dt., 14.6.1996, S. 14), daß, gerade aufgrund des empfangenen Glaubens, allen, die in die Kirche eingegliedert sind, das „Privileg“, die „Gnade“ und die „Verpflichtung“ zukommt, ihren Teil zu der weltumgreifenden Bemühung um Evangelisierung beizutragen. Angesichts der vielen, die, zwar vom Vater geliebt (vgl. Redemptoris missio, Nr. 3), aber noch nicht von der Frohbotschaft des Heils erreicht sind, kann der Christ nicht umhin, in seinem Gewissen das Schaudern zu spüren, das den Apostel Paulus befiel und ihn in die Worte ausbrechen ließ: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ {1 Kor 9,16). In gewissem Maße ist tatsächlich jeder als erster vor Gott verantwortlich für den „fehlenden Glauben“ von Millionen Menschen. 4. Das Ausmaß des Unternehmens und die Feststellung der Unzulänglichkeit der eigenen Kräfte kann bisweilen zur Mutlosigkeit verleiten; doch wir dürfen uns nicht ängstigen lassen: Wir sind nicht allein. Der Herr selbst hat uns versichert: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20); „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen“ {Joh 14,18); „Ich werde euch den Beistand senden“ (vgl. Joh 16,7). Es sei uns ein Trost, uns bewußt zu bleiben - vor allem in Dunkelheiten und Prüfungen -, daß, so lobenswert und unerläßlich auch die Bemühungen des Menschen sind, die Mission doch immer und in erster Linie Werk Gottes bleibt, Werk des Heiligen Geistes, des Beistandes, der die unbestrittene „Hauptperson“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 21) dabei ist. Die Mission vollzieht sich im Heiligen Geist, sie ist „Sendung im Geist“ {ebd., Nr. 22), und dank dem Wirken des Geistes nimmt das Evangelium „im Herzen und im Geist des Menschen und in der Weltgeschichte Gestalt an“ (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 42). Gerade aufgrund der in der Taufe und in der Firmung empfangenen „Salbung“ kann, ja muß jeder Christ die Worte des Herrn auf sich selbst anwenden und fest glauben, daß auch auf ihm der Heilige Geist „mht“, der ihn sendet, die Gute Nachricht zu verkünden, und der durch seinen Beistand bei jeder apostolischen Initiative mitwirkt. 5. Eine beispielhafte Antwort auf die universale Berufung zur Verantwortung im Missionswerk hat zu ihrer Zeit die hl. Theresia vom Kinde Jesus gegeben, deren 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Todes vor hundert Jahren wir in diesem Jahr gedenken. Das Leben und die Lehre der hl. Theresia unterstreichen die ganz enge Verbindung zwischen Mission und Kontemplation. Es kann in der Tat keine Mission geben ohne ein intensives Gebetsleben und eine tiefe Verbundenheit mit dem Herrn und seinem Opfer am Kreuz. Dem Meister zu Füßen sitzen (vgl. Lk 10,39), darin besteht ohne Zweifel der Anfang jeder wirklich apostolischen Tätigkeit. Aber wenn das der Ausgangspunkt ist, dann muß danach ein ganzer Weg zurückgelegt werden, der Opfer und Kreuz als verpflichtende Strecken mit sich bringt. Die Begegnung mit dem „lebendigen“ Christus ist auch Begegnung mit dem „dürstenden“ Christus, mit jenem Christus, der, ans Kreuz genagelt, durch die Jahrhunderte hin seinen brennenden Durst nach Seelen, die zu retten sind, hinausruft (vgl. Joh 19,28). Und um den Durst Gottes, der die Liebe ist, und zugleich auch unseren Durst zu stillen, gibt es kein anderes Mittel als lieben und sich lieben zu lassen. Lieben: den glühenden Wunsch Christi, „daß alle Menschen gerettet werden“ (1 Tim 2,4), zutiefst in sich aufnehmen. Sich lieben lassen: Christus erlauben, sich unser zu bedienen gemäß „Seinen Wegen, die nicht die unseren sind“ (vgl. Jes 55,8), damit es geschehe, daß alle Menschen aller Himmelsstriche Ihn erkennen und das Heil erlangen können. 6. Gewiß, nicht alle sind berufen, hinauszugehen in die Missionen: „Missionar ist man zuallererst durch das, was man ist, ... bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut“ (Redemptoris missio, Nr. 23). Nicht das „Wo“ ist entscheidend, sondern das „Wie“. Man kann auch innerhalb der Wände seines Hauses, am Arbeitsplatz, im Krankenbett, in der klösterlichen Klausur ... wirklich Missionar, Missionarin sein, und zwar auf sehr fruchtbare Weise. Was zählt, ist, daß das Herz von jener göttlichen Liebe brennt, die - allein - nicht nur die physischen und moralischen Leiden, sondern auch die Mühen des Alltags in Licht, Feuer und neues Leben für den ganzen Mystischen Leib Christi umzugestalten vermag. 7. Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche von Herzen, die ganze Kirche möge an der Schwelle des neuen Jahrtausends einen neuen Schwung missionarischer Verpflichtung spüren. Jeder Getaufte möge sich das Programm der heiligen Patronin der Missionen zu eigen machen und es, je nach seiner persönlichen Situation, aufs beste zu leben suchen: „Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein ... so werde ich alles sein!“ Maria, die Mutter und Königin der Apostel, die bei den Aposteln im Abendmahlssaal war und im Gebet die Ausgießung des Geistes erwartete und die von Anfang an den heroischen Weg der Missionare begleitete, möge heute die Gläubigen anregen, sie in der eifrigen und solidarischen Sorge für das weite Feld missionarischer Tätigkeit nachzuahmen. In diesem Sinn zu jeder Initiative missionarischer Zusammenarbeit in der Welt ermutigend, segne ich alle von Herzen. Aus dem Vatikan am Pfingstfest, 18. Mai 1997 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelebte Liebe als Mitte und Herz der Kirche Predigt bei der Verkündigung der hl. Theresia vom Kinde Jesu als Kirchenlehrerin am Weltmissionssonntag, 19. Oktober 1. „Völker wandern zu deinem Licht“ (Jes 60,3). In den Worten des Propheten Jesaja klingt schon als glühende Erwartung und leuchtende Hoffnung der Widerhall von Epiphanie. Gerade die Verbindung mit diesem Hochfest läßt uns besser den missionarischen Charakter des heutigen Sonntags begreifen. Die Prophezeiung des Jesaja weitet ja die Aussicht auf das Heil auf die ganze Menschheit aus und nimmt so die prophetische Geste der Magier aus dem Orient vorweg, die, als sie sich zu dem neugeborenen göttlichen Kind nach Betlehem begeben (vgl. Mt 2,1-2), die Hinwendung der Völker zur Botschaft Christi verkünden und einleiten. Alle Menschen sind berufen, im Glauben das rettende Evangelium anzunehmen. Die Kirche ist zu allen Völkern, zu allen Ländern und Kulturen gesandt: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20). Diese Worte, die Christus sprach, ehe er in den Himmel aufstieg und die er mit dem Versprechen an die Apostel und deren Nachfolger verband, immer bei ihnen zu sein bis ans Ende der Welt (vgl. Mt 28,20) -, diese Worte bilden den Kern des Missionsauftrags: In der Person seiner Diener geht Christus selbst ad gentes zu denen, die die Verkündigung des Glaubens noch nicht empfangen haben. 2. Therese Martin, Unbeschuhte Karmelitin von Lisieux, wünschte sich glühend, Missionarin zu sein. Und sie war es so sehr, daß sie zur Patronin der Missionen erklärt wurde. Jesus selbst zeigte ihr, in welcher Weise sie diese Berufung leben könne: wenn sie nämlich voll und ganz das Gebot der Liebe lebe, tauche sie ein in das Herz der Mission der Kirche und unterstütze mit der geheimnisvollen Kraft des Gebetes und der Gemeinsamkeit die Verkünder des Evangeliums. Sie verwirklichte also das, was das II. Vatikanische Konzil betonte: daß die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist (vgl. Ad gentes, Nr. 2). Nicht nur jene, die sich für das Missionsleben entscheiden, sondern alle Getauften sind in gewisser Weise „ad gentes“ gesandt. Darum habe ich den heutigen Missionssonntag wählen wollen, um die hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz zur Kirchenlehrerin zu erklären: eine Frau, eine Jugendliche, eine Kontemplative. 3. Es entgeht also niemandem, daß heute etwas Überraschendes geschieht. Die hl. Therese von Lisieux konnte keine Universität besuchen und auch keine systematischen Studien betreiben. Sie starb in jugendlichem Alter: Und trotzdem wird sie von heute an als „Doctor Ecclesiae“, Kirchenlehrerin, geehrt, eine qualifizierte Anerkennung, die sie in der Achtung der ganzen christlichen Gemeinschaft weit über das erhebt, was ein „akademischer Titel“ mit sich bringen könnte. 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn das kirchliche Lehramt nämlich jemand zum Kirchenlehrer erklärt, möchte es alle Gläubigen, und in besonderer Weise jene, die in der Kirche den fundamentalen Dienst der Predigt ausüben oder die schwierige Aufgabe der theologischen Forschung und Unterweisung erfüllen, darauf aufmerksam machen, daß die von einer bestimmten Person bekannte und verkündigte Lehre ein Bezugspunkt sein kann, nicht nur, weil sie mit der offenbarten Wahrheit übereinstimmt, sondern auch, weil sie ein neues Licht über die Glaubenswahrheiten, ein tieferes Verständnis des Geheimnisses Christi bringt. Das Konzil hat uns daran erinnert, daß unter dem Beistand des Heiligen Geistes in der Kirche das Verständnis des „depositum fidei“ ständig zunimmt und daß zu diesem Wachstumsprozeß nicht nur das von Kontemplation erfüllte Studium beiträgt, zu dem die Theologen berufen sind, und nicht nur das Lehramt der Hirten, die „das sichere Charisma der Wahrheit“ empfangen haben, sondern auch jene „innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt“, mit dem Reichtum und der Vielfalt an Gaben, die denen geschenkt werden, die sich gelehrig vom Geist Gottes führen lassen (vgl. Dei Verbum, Nr. 8). Die Konstitution Lumen Gentium lehrt ihrerseits, daß in den Heiligen „Gott selbst zu uns spricht“ (Nr. 50). Darum wird zur vertieften Erkenntnis der göttlichen Geheimnisse, die stets größer sind als unsere Gedanken, der geistlichen Erfahrung der Heiligen besonderer Wert zugeschrieben, und nicht von ungefähr wählt die Kirche ausschließlich unter ihnen jene, die sie mit dem Titel „Kirchenlehrer“ auszeichnen will. Der Papst ging dann auf die französische Sprache über: 4. Unter den „Kirchenlehrern“ ist Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz die Jüngste, aber ihr glutvoller geistlicher Weg zeigt so viel Reife, und die Eingebungen des Glaubens, die in ihren Schriften zum Ausdruck kommen, sind so umfangreich und so tief, daß sie ihr das Verdienst einbringen, einen Platz unter den großen geistlichen Meistern einzunehmen. Im Apostolischen Schreiben, das ich zu dieser Gelegenheit verfaßt habe, habe ich einige besondere Aspekte ihrer Lehre unterstrichen. Doch wie sollte man hier nicht an das erinnern, was man als deren Höhepunkt betrachten kann, ausgehend von dem Bericht über die umstürzende Entdeckung, die sie über ihre besondere Berufung in der Kirche machte? „Die Liebe gab mir den Schlüssel meiner Berufung. Ich begriff, daß wenn die Kirche einen aus verschiedenen Gliedern bestehenden Leib hat, ihr auch das notwendigste, das edelste von allen nicht fehlt; ich begriff, daß die Kirche ein Herz hat und daß dieses Herz von Liebe brennt. Ich erkannte, daß die Liebe allein die Glieder der Kirche in Tätigkeit setzt, und würde die Liebe erlöschen, so würden die Apostel das Evangelium nicht mehr verkünden, die Märtyrer sich weigern, ihr Blut zu vergießen ... Ich begriff, daß die Liebe alle Berufungen in sich schließt... Da rief ich im Übermaß meiner überschäumenden Freude: O Jesus, meine Liebe ... endlich habe ich meine Berufung gefunden, meine Berufung ist die Liebe!“ (Manuskript B, dt. Übersetzung in: Therese vom 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kinde Jesus, Selbstbiographische Schriften. Authentischer Text, nach der von P. Franqois de Sainte-Marie O.C.D. besorgten und kommentierten Ausgabe ins Deutsche übertragen von Dr. Otto Iserland und Cornelia Capol, Einsiedeln 9. Aufl. 1981, S. 200). Das ist eine wunderbare Seite. Sie allein genügt schon, um zu zeigen, daß man auf die hl. Theresia den Abschnitt aus dem Evangelium anwenden kann, den wir im Wortgottesdienst gehört haben: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt 11,25). 5. Therese von Lisieux hat die tiefe Wahrheit über die Liebe als Mitte und Herz der Kirche nicht nur begriffen und beschrieben, sondern sie hat sie in ihrem kurzen Dasein intensiv gelebt. Gerade diese Übereinstimmung zwischen Lehre und konkreter Erfahrung, Wahrheit und Leben, Unterweisung und Praxis ist mit besonderer Klarheit in dieser Heiligen aufgeleuchtet und macht sie zu einem anziehenden Vorbild insbesondere für die Jugendlichen und für die, die auf der Suche sind nach dem wahren Sinn, den sie ihrem Leben geben sollen. Angesichts vieler leerer Worte bietet Therese eine andere Lösung, das einzige Wort des Heils, das, wenn es im Schweigen gelebt wird, zur Quelle neuen Lebens wird. Einer rationalistischen Kultur, die nur zu oft von praktischem Materialismus überwuchert ist, setzt sie mit entwaffnender Unbefangenheit den „kleinen Weg“ entgegen. Auf das Wesentliche zurückkommend, fuhrt er in das Geheimnis allen Daseins: die göttliche Liebe, die das ganze menschliche Abenteuer umgibt und durchdringt. In einer Zeit wie der unsem, die sehr oft von der Kultur des Vergänglichen und der Genußsucht gezeichnet ist, zeigt sich diese neue Kirchenlehrerin in einzigartiger Weise mit der Gabe ausgestattet, den Geist und das Herz der nach Wahrheit und Liebe Dürstenden zu erleuchten. 6. Die hl. Therese wird als Kirchenlehrerin an dem Tag vorgestellt, an dem wir den Weltmissionstag begehen. Sie hatte den glühenden Wunsch, sich der Verkündigung des Evangeliums zu weihen und hätte ihr Zeugnis mit dem höchsten Opfer, dem Martyrium, krönen wollen (vgl. Ms B, 3). Man weiß auch mit welch intensivem persönlichen Engagement sie die apostolische Arbeit der Patres Maurice Bel-liere, Missionar in Afrika, und Adolphe Roulland, Missionar in China, unterstützte. In ihrem liebenden Elan für die Evangelisierung hatte sie ein einziges Ideal, wie sie selbst sagt: „Was wir von Ihm erbitten, ist dies: Für seine Ehre arbeiten, ihn lieben und dazu beitragen, daß man ihn liebt“ (Brief220). Der Weg, den sie ging, um dieses Lebensideal zu erreichen, ist nicht der der großen Unternehmungen, die wenigen Vorbehalten sind, sondern er ist im Gegenteil ein Weg in Reichweite aller, der „kleine Weg“, der Weg des Vertrauens und des völligen Sich-selbst-Überlassens an die Gnade des Herrn. Das ist kein Weg, der gering bewertet werden darf, als ob er weniger anfordemd wäre. Er stellt in Wirklichkeit Forderungen, wie es das Evangelium immer tut. Aber es ist ein Weg, auf dem man durchdrungen ist vom Geist vertrauensvoller Hingabe an die göttliche Barmherzigkeit, der auch den härtesten geistlichen Einsatz leicht macht. 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch diesen Weg, auf dem sie alles als „Gnade“ empfangt aufgrund der Tatsache, daß sie ihr Verhältnis zu Christus und ihre Entscheidung für die Liebe in die Mitte von allem stellt, und auch durch den Platz, den sie auf ihrem geistlichen Weg dem Aufschwung des Herzens einräumt, ist Therese von Lisieux eine Heilige, die jung bleibt, trotz der Jahre, die dahingehen, und sie stellt sich den Christen als herausragendes Vorbild und als Führerin auf dem Weg durch unsere Zeit dar, die sich dem dritten Jahrtausend nähert. Abschließend kehrte der Papst zur italienischen Sprache zurück: 7. Groß ist daher die Freude der Kirche an diesem Tag, der die Erwartungen und Gebete so vieler krönt, die mit der Bitte um die Erklärung zur Kirchenlehrerin dieses besondere Geschenk Gottes intuitiv erfaßt und seiner Anerkennung und Aufnahme Vorschub geleistet haben. Wir wollen alle zusammen Gott dafür danken, besonders auch mit den Professoren und den Studenten der römischen kirchlichen Universitäten, die gerade in diesen Tagen das neue akademische Jahr beginnen. Ja, Vater, zusammen mit Jesus preisen wir dich, weil du deine Geheimnisse „den Weisen und Klugen verborgen“ (vgl. Mt 11,25) und sie dieser „Kleinen“ offenbart hast, auf die du uns heute aufs neue aufmerksam machst und die du uns zur Nachahmung vorstellst. Dank sei dir für die Weisheit, die du ihr gegeben hast und wodurch du sie für die ganze Kirche zu einer einzigartigen Zeugin und Lehrerin des Lebens machst! Dank für die Liebe, die du in sie hineingelegt hast und die weiterhin die Herzen erleuchtet und wärmt und sie zur Heiligkeit anspomt! Der Wunsch, den Therese ausgesprochen hat, nämlich „ihren Himmel damit zuzubringen, auf Erden Gutes zu tun“ (vgl. Vollständige Werke, S. 1050), verwirklicht sich weiterhin auf wunderbare Weise. Dank dir, Vater, daß heute ein neuer Titel sie uns nahebringt zum Lob und zur Ehre deines Namens in Ewigkeit. Amen! Mit Christus vereint — den Menschen zugewandt Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger anläßlich der Ernennung der hl. Therese vom Kinde Jesu und vom hl. Antlitz zur Kirchenlehrerin am 20. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Der gestrige Tag hat es euch ermöglicht, an einer Feierlichkeit teilzunehmen, die im Leben der Kirche selten vorkommt, aber von umso größerer Bedeutung ist: die Ernennung eines Kirchenlehrers. Herzlich begrüße ich alle Pilger, die heute morgen hier anwesend sind, darunter vor allem Msgr. Pierre Pican, Bischof von Bayeux und Lisieux, sowie Msgr. Guy Gaucher, seinen Weihbischof, und Msgr. 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Georges Gilson, Erzbischof von Sens und Prälat der „Mission de France“. Ihr habt in die Schule jener Frau gehen wollen, die für uns den „kleinen Weg“, nämlich den königlichen Weg der Liebe, verkörpert. Die hl. Therese vom Kinde Jesus und vom heiligen Antlitz gehört zu jener Gruppe von Heiligen, in denen die Kirche ihre Lehrmeister geistlichen Lebens erkennt. Als „Lehrerin“ soll sie uns belehren, denn auch wenn ihre Schriften nicht dieselbe Form wie die der Theologen aufweisen, so sind sie doch für jeden von uns eine kraftvolle Unterstützung zum Verständnis des Glaubens und des christlichen Lebens. 2. Ich wende mich nun an die Vertreter des Karmeliterordens und begrüße sie herzlich, denn die heutige Ernennung der hl. Therese von Lisieux zur Kirchenlehrerin ist für sie ein ganz besonderes Fest. Mit großer Zuneigung grüße ich alle Ordensleute und die Mitglieder der geistlichen Bewegungen, die sich unter die Schirmherrschaft der hl. Therese von Lisieux stellen. Ich ermutige euch, der Botschaft treu zu bleiben, die sie der Kirche schenkt: Sie tut dies durch euch, die ihr die leibhaftigen Zeugen ihrer Lehre seid. Seid darum bemüht, ständig auf ihre Botschaft zu hören und sie - durch euer Wort und euer Beispiel - um euch zu verbreiten. 3. Für unser Zeitalter ist Therese eine kraftvolle und uns nahestehende Zeugin einer Erfahrung des Glaubens an Gott, den treuen und barmherzigen Gott, den Gott, der in seiner Liebe gerecht ist. Sie lebte ganz innig ihre Zugehörigkeit zur Kirche, dem Leib Christi, ganz intensiv. Ich glaube, daß die Jugendlichen in ihr wirklich eine Orientierung finden können, die sie im Glauben und im Leben der Kirche leitet zu einer Zeit, in der der Weg von Prüfungen und Zweifel durchkreuzt sein kann. Therese hat viele Arten der Prüfung erfahren; trotzdem war es ihr gegeben, treu und zuversichtlich zu bleiben. Dafür legt sie Zeugnis ab. Sie steht ihren Brüdern und Schwestern auf allen Wegen der Welt bei. Der Papst, der auf französisch begonnen hatte, fuhr auf italienisch fort: 4. In ihrer Einfachheit ist Therese das Vorbild für ein dem Herrn geschenktes Leben, bis hin zu den kleinsten Gesten. Sie schrieb zum Beispiel: „Ich möchte meinen Herzschlag, meine Gedanken und meine einfachsten Handlungen heiligen, indem ich sie mit seinen unendlichen Verdiensten vereinige“ (Gebet Nr. 10). Mit einer ähnlichen gedanklichen Einstellung wandte sie sich eines Tages an ihren Herrn und Meister und sagte zu ihm: „Ich bitte euch: Ihr selbst sollt meine Heiligkeit sein“ (Ganzopfer an die erbarmungsvolle Liebe, Gebet Nr. 6). Aus der Vereinigung mit Christus gehen jene Früchte der Nächstenliebe hervor, die wir auch in uns heranreifen lassen müssen. Therese hatte wohl verstanden, daß genau darin der Ursprung unserer sich für den Nächsten aufgeschlossenen Liebe liegt: „Wenn ich mildtätig bin, ist es Jesus allein, der in mir wirkt; je enger ich mit ihm verbunden bin, desto mehr liebe ich alle meine Schwestern“ {Ms C, V. 12). In den Schwierigkeiten, die das tägliche Leben unweigerlich mit sich bringt, versuchte sie nie, ihre Rechte geltend zu machen, sondern sie war immer bereit, einer 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitschwester gegenüber nachzugeben, auch wenn sie das in ihrem Inneren viel kostete. Diese Einstellung sollte zu jeder Zeit im Leben der Kirche von den Getauften jeden Alters und Standes nachgeahmt werden. Nur die Tugend der Demut, um die Therese ihren Herrn Christus so eindringlich gebeten hat, macht eine wahre Aufmerksamkeit für die anderen möglich. Auf spanisch sagte der Papst: 5. Mit Christus vereint und den Mitmenschen ergeben, spürte Therese die natürliche Neigung, ihre Liebe auf die ganze Welt auszudehnen. Mein Vorgänger, Papst Pius XI., hat diesen Aspekt ihrer spirituellen Lehre unterstrichen, als er sie 1927 zur Hauptpatronin aller Missionen ernannte. Von der Liebe ausgehend, die sie mit Christus verbindet, beginnt Therese, sich mit der Geliebten des Hohenlieds zu identifizieren: „Zieh mich her hinter dir“ (Illd 1,4). Später versteht sie, daß der Herr — mit ihr zusammen — die Vielzahl der Menschen an sich zieht, da ihre Seele von einer unendlichen Liebe zu ihnen erfüllt ist. „Alle von ihr geliebten Seelen werden dazu geführt, ihr zu folgen“ (Ms C, 34r). Mit einer wunderbaren Kühnheit und geistigen Feinheit macht sich Therese die Worte Jesu nach dem Abendmahl zu eigen, um auszudrücken, daß auch sie zu einem Bestandteil der großen Bewegung wird, durch die der Herr alle Menschen anzieht und zum Vater führt: „Deine Worte, o Herr Jesus , sind also auch meine, und ich kann mich ihrer bedienen, um auf die Seelen, die mit mir verbunden sind, die Gunst des himmlischen Vaters herabzurufen“ (Ms C, V. 34). Zur französischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 6. Liebe Brüder, liebe Freunde! Ihr seid beauftragt, jeden Tag aus dieser Lehre zu leben, die der ganzen Kirche nunmehr öffentlich angeboten worden ist. Es soll euch dabei besonders am Herzen liegen, sie euch zu eigen und bei den anderen besser bekannt zu machen. Wie die Heilige Schrift - die Therese besonders gern zitierte —, ist diese Lehre nie so schwierig, daß sie uns entmutigen würde, aber auch nie so leicht, daß man sie erschöpfen könnte: „Sie ist weder verschlossen und entmutigend, noch zugänglich bis zur Banalität. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto weniger wird man ihrer müde, je mehr man darüber meditiert, desto mehr liebt man sie“ (Gregor d. Große, Moralia in Hiob, XX, 1,1). Ich wünsche euch viele neue Entdeckungen und Freuden an der Schule der hl. Therese vom Kinde Jesus und vom heiligen Antlitz, Lehrerin der Weltkirche, und spende euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen, den ich auf all jene ausdehne, die ihr hier vertretet und die euch im Geiste begleiten. 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Wahrheit sein und die Wahrheit in der Liebe tun Ansprache vor der Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre am 24. Oktober Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude, am Ende eurer Vollversammlung mit euch zusammenzutreffen und bei dieser Gelegenheit meine tiefe Dankbarkeit und große Anerkennung für die Arbeit auszudrücken, die euer Dikasterium für das Dienstamt an der Einheit verrichtet, das insbesondere dem Bischof von Rom anvertraut ist und in erster Linie als Einheit im Glauben zum Ausdruck kommt, unterstützt und verkörpert vom „depositum fidei“, dessen erster Hüter und Verteidiger der Nachfolger Petri ist (vgl. Pastor bonus, Nr. 11). Mein Dank gilt Kardinal Joseph Ratzinger für seine herzlichen Worte, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat, und für die Erläuterung der auf dieser Vollversammlung behandelten Themen. In erster Linie befaßte sie sich mit der Vertiefung der Kategorien von Wahrheit, die am Ende der von dieser Kongregation 1989 veröffentlichten neuen Formulierung der „professio fidei“ erwähnt werden, und der Reflexion über das anthropologische und christologische Fundament der Morallehre im Licht der in der Enzyklika Veritatis splendor bekräftigten Prinzipien. Ferner möchte ich meine Freude über das positive Ergebnis der Überarbeitung des Textes der Agendi ratio in doctrinarum examine ausdrücken, dieses zweifellos wertvolle Instrument für eine immer angemessenere Strukturierung der Überprü-füngsverfahren von anscheinend im Gegensatz zum Glauben stehenden Schriften. 2. Nun möchte ich kurz auf die wesentlichen von dieser Vollversammlung erörterten Argumente eingehen. Die Vertiefung der Ordnung der Kategorien von den Wahrheiten der christlichen Lehre, die Art der geschuldeten Zustimmung und der Formulierung für das Angebot ihrer Annahme stehen im Zusammenhang mit dem während der vorherigen Vollversammlung behandelten Thema: Wert und Autorität des kirchlichen Lehramts im Dienst der Glaubenswahrheit und als feste Grundlage der theologischen Forschung. Jener Anlaß gab mir Gelegenheit, daran zu erinnern: „Für eine Gemeinschaft, die wesentlich begründet ist in der gemeinsamen Treue zu Gottes Wort und in der daraus folgenden Sicherheit, in der Wahrheit zu leben, ist die Autorität zur Bestimmung dessen, was zu glauben und zu bekennen ist, unverzichtbar. Daß die Autorität verschiedene Lehrgrade einschließt, wurde deutlich in den beiden letzten Dokumenten der Kongregation für die Glaubenslehre zum Ausdruck gebracht: nämlich in Professio fidei und in der Instruktion Donum veritatis. Diese Hierarchie der Grade sollte nicht als Behinderung, sondern als Stimulus für die Theologie be- 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN trachtet werden“ (L’Osservatore Romano, 25. November 1995, S. 6, Nr. 5; dt. Ausg., 10. Januar 1996, S. 8). Die ganz besonders aufmerksam verfolgte Wiederaufnahme dieses Themas trägt zur eingehenderen Erklärung der verschiedenen Zustimmungsstufen der Gläubigen zu den Lehren des kirchlichen Lehramtes bei, damit ihre Bedeutung und ursprüngliche Tragweite stets auf vollständige Art und Weise aufgenommen und bewahrt werden kann. Gleichzeitig bewirkt sie ein immer klareres Verständnis der zwischen den verschiedenen Wahrheiten der katholischen Lehre und dem Fundament des christlichen Glaubens bestehenden Verknüpfung. Auch dank der Ausarbeitung einer Klarstellung in dieser Hinsicht, für die sich eure Kongregation in diesen Tagen eingesetzt hat, wird den Bischöfen, die von den Aposteln die Aufgabe des „Lehr- und Hirtenamtes“ in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom übernommen haben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22), in Zukunft ein weiteres Werkzeug für die Bewahrung und Förderung des Glaubensgutes zum Wohl des gesamten Gottesvolkes zur Verfügung stehen. 3. Ganz besondere Aufmerksamkeit habt ihr moralischen Fragen aus allen Bereichen der menschlichen Existenz gewidmet. Diesbezüglich schrieb ich in meiner Enzyklika Redemptor hominis: „Die Kirche darf am Menschen nicht Vorbeigehen; denn sein ,Geschick1, das heißt seine Erwählung, seine Berufung, seine Geburt und sein Tod, sein ewiges Heil oder Unheil sind auf so enge und unaufhebbare Weise mit Christus verbunden“ (Nr. 14). Die schwerwiegenden Probleme, die mit stets wachsender Dringlichkeit eine der Wahrheit und dem Guten entsprechende Antwort erfordern, können nur dann eine wirkliche Lösung finden, wenn das anthropologische und christologische Fundament des sittlichen christlichen Lebens wiedererlangt wird. In der Tat ist der menschgewordene Sohn Gottes die universale und konkrete Norm des christlichen Handelns: „Er selbst wird in seinem Geist zum lebendigen und persönlichen Gesetz, das zu seiner Nachfolge einlädt, das die Gnade gewährt, sein Leben und seine Liebe zu teilen, und die Kraft bietet, in Entscheidungen und Taten von ihm Zeugnis zu geben (vgl. Joh 13,34-35)“ (Veritatis splendor, Nr. 15). Jedem Menschen wird also durch die Gnade Gottes die Wahrheit und das Gute in Ihm zuteil, der das Ebenbild des unsichtbaren Gottes ist (vgl. Kol 1,15), und durch die Zustimmung, Ihm nachzufolgen ist er befähigt, in der dem Sohn eigenen Freiheit zu handeln. Durch den Dienst, mit dem euer Dikasterium den Nachfolger Petri und das Lehramt der Kirche unterstützt, tragt ihr dazu bei, daß die Freiheit immer und ausschließlich „in der Wahrheit“ bleibt, indem ihr dem Gewissen aller Menschen und insbesondere dem der Jünger Christi helft, nicht von jenem Weg abzuweichen, der zum wahren Wohl des Menschen führt. Das Wohl der menschlichen Person ist es, in der Wahrheit zu sein und die Wahrheit in der Liebe zu tun. Diese wesentliche Verbindung „Wahrheit-Wohl-Freiheit“ scheint in unserer zeitgenössischen Kultur zu einem großen Teil abhanden gekommen zu sein, und daher ist es heute eines der ganz ureigenen Anliegen der kirchli- 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN chen Sendung, dem Menschen bei ihrer Wiederentdeckung zu helfen, denn es ist Aufgabe der Kirche, für das Heil der Welt zu sorgen. Durch eure Bemühungen um eine stets eingehendere Klärung der ursprünglichen anthropologischen und christologischen Grundlegung des sittlichen Lebens tragt ihr zweifellos - entsprechend der Aussage der Erklärung Dignitatis humanae des Zweiten Vatikanums - zur Förderung der Gewissensbildung vieler unserer Brüder bei: „Bei ihrer Gewissensbildung müssen ... die Christgläubigen die heilige und sichere Lehre der Kirche sorgfältig vor Augen haben. Denn nach dem Willen Christi ist die katholische Kirche die Lehrerin der Wahrheit; ihre Aufgabe ist es, die Wahrheit, die Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren, zugleich auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen, autoritativ zu erklären und zu bestätigen“ (Nr. 14). 4. Zum Abschluß unseres heutigen Zusammentreffens möchte ich gern an die hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz erinnern, die ich am vergangenen Sonntag feierlich zur Kirchenlehrerin erklärt habe. Das Zeugnis und Beispiel dieser jungen Heiligen, Schutzpatronin der Missionen und Kirchenlehrerin, helfen uns, die innere Einheit zwischen der Aufgabe der verstandesmäßigen Erfassung des Glaubens und der eigentlich missionarischen Aufgabe der Verkündigung der Heilsbotschaft zu begreifen. Der Glaube als solcher will verständlich und allen zugänglich sein. Die christliche Mission ist somit stets um die Verbreitung der Wahrheit bemüht, und ihre wahre Liebe für den Mitmenschen verdeutlicht sich auf vollendete und tiefste Weise, wenn sie dem Nächsten das schenken will, was der Mensch am nötigsten braucht: das Erkennen der Wahrheit und die Gemeinschaft mit ihr. Die höchste Wahrheit ist das Mysterium des in Christus endgültig und unübertrefflich offenbarten dreieinigen Gottes. Wenn der missionarische Eifer nachzulassen droht, ist dafür in erster Linie der Verlust der Begeisterung und der Liebe zu jener Wahrheit verantwortlich, zu der uns der christliche Glaube hinfuhrt. Die Erkenntnis der christlichen Wahrheit weckt und fordert andererseits zutiefst im Inneren die Liebe zu demjenigen, dem sie ihre Zustimmung gegeben hat. Die Theologie der Weisheit der hl. Theresia vom Kinde Jesus zeigt uns den Weg jeder theologischen Reflexion und lehrmäßigen Untersuchung: die Liebe, auf der „das Gesetz und die Propheten begründet sind“, ist die Liebe zur Wahrheit, und auf diese Weise bleibt sie authentische Agape zu Gott und dem Menschen. Es ist wichtig, für die heutige Theologie jene Dimension der Weisheit wiederzuentdecken, die den verstandesmäßigen und wissenschaftlichen Aspekt mit der Heiligkeit des Lebens und dem kontemplativen Erleben des christlichen Mysteriums ergänzt. So weist die hl. Therese von Lisieux, die Lehrerin der Kirche, durch ihre weise Reflexion, genährt an den Quellen der Heiligen Schrift und der göttlichen Tradition in voller Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche, der heutigen Theologie den Weg zum Mittelpunkt des christlichen Glaubens. 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder und Schwestern, indem ich euch zu diesem wertvollen Dienst beglückwünsche, den ihr mit dem Apostolischen Stuhl für die ganze Kirche ausübt, erflehe ich den besonderen Schutz Marias, Sitz der Weisheit, und der hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz. Möge euch auch mein Segen begleiten, den ich von ganzem Herzen als Zeichen der Zuneigung und Dankbarkeit euch allen erteile. Neue Formen der Glaubensvermittlung entwickeln Ansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 30. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Es ist mir eine Freude, euch, die ihr an der 17. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien teilnehmt, heute zu empfangen. Ich begrüße vor allem die neuen Mitglieder und Konsultoren des Rates, die sich zum ersten Mal seit Antritt ihres fünfjährigen Mandats versammelt haben. Dies ist auch die erste Vollversammlung unter der Leitung eures Präsidenten Msgr. James Francis Stafford, mit Msgr. Stanislaw Rylko als Sekretär. Ich danke euch allen für eure wertvolle Mitarbeit; außerdem spreche ich denen, die im Dienst für den Rat hier in Rom tätig sind, meinen Dank aus. An dieser Stelle möchte ich auch sagen, daß ich Kardinal Eduardo Pironio, der euer Dikasterium viele Jahre kompetent und hingebungsvoll geleitet hat, in brüderlicher Zuneigung und im Gebet nahe bin. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr tragt eine besondere Verantwortung: Die Ernennungen, die ihr erhalten habt, machen euch zu Mitarbeitern des Nachfolgers Petri in seinem seelsorglichen Dienst, um der ausgedehnten und mannigfaltigen Wirklichkeit der katholischen Laien zu dienen. Ich bin euch dafür dankbar, daß ihr diesen Auftrag mit großzügiger Bereitschaft angenommen habt. Ihr seid ganz persönlich dazu aufgerufen worden: Der Rat zählt also auf eure Erfahrung als Christen, auf euren „sensus Ecclesiae“, auf eure Fähigkeit, den Reichtum des christlichen Lebens bei den verschiedenen Völkern und Kulturen sowie die Erfahrungen der Pädagogik, des Gemeinschaftslebens und der gegenseitigen Hilfe in allen Milieus zu verstehen und bekannt zu machen. Eure Versammlung ist eine Zeit des Hörens und des Erkennens der Bedürfnisse und Erwartungen der gläubigen Laien, um sie zum Zeugnis und zur Aktion zu ermutigen und um die Aufgaben des Rates, der ihnen zu Diensten steht, im Licht des theologischen und pastoralen Lehramts der Kirche besser zu definieren. 2. Seit der Gründung des Rates durch Papst Paul VI. sind dreißig Jahre vergangen. Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils hatten die Einrichtung eines solchen Rates gewünscht. Ich selbst war vor geraumer Zeit Konsultor dieses Dikasteriums 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und kann sowohl die Kontinuität der in den vergangenen drei Jahrzehnten geleisteten Arbeit als auch ihre ständige Erneuerung bezeugen; zusammen mit euch möchte ich dafür danken. Der Päpstliche Rat für die Laien orientiert sich an den grundlegenden Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils: Der Kirche ist sich tiefer bewußt geworden, daß sie Geheimnis der Gemeinschaft und ihrer Natur nach missionarisch ist; die Würde, die Mitverantwortung und die aktive Rolle der Laien wurden besser anerkannt und zur Geltung gebracht. Diese dreißig Jahre bieten uns mehr als einen Grund zur Hoffnung: Heutzutage kommt die Reife der gläubigen Laien in ihrer Tätigkeit innerhalb der Gemeinschaften, Einrichtungen und verschiedenen kirchlichen Dienste zum Ausdruck. Sie nehmen intensiver am liturgischen und sakramentalen Leben der Kirche teil, das Ursprung und Höhepunkt des christlichen Daseins ist. Sie verlangen auch eine methodische und umfassende Ausbildung. Unter Berücksichtigung der Vielzahl an Charismen, Vorgehensweisen und Initiativen sehen wir eine neue Generation von Laienverbänden heranreifen, die reiche Früchte der Heiligkeit und des Apostolats hervorbringen und der Gemeinschaft und der Sendung des Christenvolkes neuen Schwung geben. Die Weltjugendtage - den jüngsten und sehr eindrucksvollen in Paris haben wir noch frisch im Gedächtnis - haben gezeigt, daß die Jugendlichen wirklich die Hoffnung der Kirche sind, die bald in das dritte Jahrtausend eintreten wird. Die Jugendlichen bringen ihr Verlangen nach Sinn und Idealen, ihren Wunsch nach einem immer mehr menschlichen und wahren Leben kraftvoll zum Ausdruck: Diese Gefühle sind im Herzen der Menschen und in der Kultur der Völker verwurzelt, und sie sind tiefer und lebhafter als der nihilistische Konformismus, der so viele Gewissen zu erfassen scheint. Im Laufe der letzten Jahre hat der Bestätigungsprozeß der wahren Würde der Frau die aktive Unterstützung der Kirche erfahren, denn der „frauliche Genius“ bereichert die christliche Gemeinschaft und die Gesellschaft immer mehr. Außerdem ist das Engagement zahlreicher Christen in den verschiedensten Werken zur gegenseitigen Hilfe in menschlicher und sozialer Hinsicht zu bewundern, indem sie die aufbauende Schöpfimgskraft der Nächstenliebe zum Ausdruck bringen und sich im Rahmen politischer, kultureller und wirtschaftlicher Einrichtungen in den Dienst des Gemeinwohls stellen. Das Apostolische Schreiben Christifideles laici hat diese Zeichen der Hoffnung auf dem nachkonziliaren Weg der katholischen Laien untersucht. Ihr habt nun die Aufgabe, diesen Weg weiterzugehen. Die ganze Kirche rechnet mit einem noch tatkräftigeren Einsatz der Gläubigen an allen Vorposten der Welt. 3. Im Rahmen der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr findet eure Versammlung in dem Jahr statt, das Jesus Christus gewidmet ist (vgl. Tertio millennio adve-niente, Nm. 40-43). Das Jubeljahr lädt uns ein, der Präsenz des menschgewordenen Wortes durch unseren tätigen Dank zu gedenken: Es handelt sich um die lebendige Erinnerung an seine Gegenwart, die hier und jetzt genauso wahr und 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN genauso neu ist wie vor zweitausend Jahren. Die Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung fuhrt uns dieses Jahr dazu, vor allem auf der „Wiederentdeckung der Taufe als Grundlage der christlichen Existenz“ (ebd., Nr. 41) zu bestehen. In Paris hat die Tauffeier zehn Jugendlicher im Laufe des Abendgottesdienstes zum Weltjugendtag die mehreren hunderttausend jungen Menschen, die sich dazu versammelt hatten, aber auch alle anderen Christen nachdrücklich aufgefordert, sich wieder des Geschenks ihrer Taufe und der Verantwortung, die sich daraus ergibt, bewußt zu werden. Heute liegt die größte Herausforderung in einer weitverbreiteten Entchristlichung. Das Jubeljahr ruft also zu einem ernsthaften katechetischen und missionarischen Einsatz auf. Jeder Mensch muß die Gegenwart Christi und den liebevollen Blick Gottes auf den einzelnen erkennen können und erneut seine Worte hören: „Komm und folge mir nach.“ Darum erwartet die Welt ein eindeutigeres Zeugnis freier Männer und Frauen, die sich in der Einheit versammeln und durch ihren Lebensstil belegen, daß Jesus Christus eine Antwort anbietet, die ihr Verlangen nach Wahrheit, Glück und menschlicher Entfaltung ohne jede Gegenleistung erfüllt. Es ist für die Gläubigen also wesentlich, wie auch im Thema eurer Versammlung ausgesprochen, „Christen auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend“ zu sein und ihre Taufe, Berufung und christliche Verantwortung zu leben. Leider wächst die Zahl der Nichtgetauften, sogar in den Gegenden mit einer jahrhundertealten christlichen Tradition. Außerdem lassen sich viele Getaufte dazu verleiten, das zu vergessen, was sie durch die erhaltene Gnade geworden sind, nämlich „neue Geschöpfe“ (vgl. Gal 6,15), die Christus angelegt haben. Diese Situationen müssen heute umso aufmerksamer untersucht werden. Es ist angezeigt, den missionarischen Eifer anzufachen durch den Vorschlag von Wegen zur christlichen Initiation für die zahlreichen Jugendlichen und Erwachsenen, die um die Taufe bitten, und durch das Angebot einer Erneuerung der christlichen Ausbildung für die Menschen, die sich vom überlieferten Glauben entfernt haben. Es geht hier in der Tat um die grundlegende Frage der Erziehung zum Glauben und im Glauben zu einer Zeit, wo die Fähigkeit zur Glaubensvermittlung - in der Kontinuität der Überlieferung - einiges an Energie verloren zu haben scheint. Ich freue mich über das Thema, das euer Rat gewählt hat; ich zweifle nicht daran, daß eure Überlegungen und abschließenden Empfehlungen sehr nützlich sein werden. Eure Versammlung hat weiterhin die Aufgabe, die Arbeitsprogramme eures Dika-steriums für die kommenden Jahre auszuarbeiten. Ich habe erfahren, daß die Vorbereitung zum Weltkongreß der Laienbewegungen und zu ihren Pilgerfahrten nach Rom im Gange sind. Das sind Initiativen von großer Tragweite. Auch den beiden Ereignissen, die ihr für das Jubeljahr vorgesehen habt, kommt eine große Bedeutung zu: der Weltkongreß des Laienapostolats, der die schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführte Tradition der periodischen Treffen wiederaufhimmt, und das Jubeljahr der Jugendlichen auf dem Weg einer jungen Kirche unterwegs. 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich danke euch dafür, daß ihr heute hierhergekommen seid. Im Gebet und durch die Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche, vertraue ich dem Herrn die Arbeiten des Päpstlichen Rates für die Laien an. Euch allen, die ihr hier anwesend seid, euren Angehörigen und euren Brüdern und Schwestern in den verschiedenen Ortskirchen erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Antijudaismus wendet sich gegen Gott und die Kirche Ansprache beim Kolloquium über „Die Wurzeln des Antikudaismus im christlichen Bereich“ am 31. Oktober Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich euch heute im Rahmen eures Symposiums über die Wurzeln des Antijudaismus. Besonders grüße ich Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Komitees für das Große Jubeljahr 2000, der bei euren Arbeiten den Vorsitz führt. Ich danke euch allen dafür, daß ihr diese Tage einer theologischen Untersuchung von großer Bedeutung gewidmet habt. Euer Kolloquium gehört zur Vorbereitung auf das Große Jubeljahr. Ich habe dazu die Söhne und Töchter der Kirche eingeladen, eine Bilanz des vergangenen Jahrtausends - und vor allem unseres Jahrhunderts - zu ziehen im Geist einer notwendigen „Gewissensprüfüng“ an der Schwelle zu diesem besonderen Jahr, das eine Zeit der Bekehrung und Versöhnung sein sollte (vgl. Tertio millennio adveniente, Nm. 27-35). Der Gegenstand eurer Tagung ist die korrekte theologische Interpretation des Verhältnisses der Kirche Christi zum jüdischen Volk. Die Konzilserklärung Nostra aetate hat die Grundlagen dazu gelegt, und ich selbst habe in Ausübung meines Lehramts mehrmals Gelegenheit gehabt, mich zu diesem Thema zu äußern. In der Tat waren in der christlichen Welt - und ich spreche nicht von der Kirche als solcher - irrige und ungerechte Interpretationen des Neuen Testaments bezüglich des jüdischen Volkes und seiner angeblichen Schuld allzu lange Zeit im Umlauf. Sie haben Gefühle der Feindschaft diesem Volk gegenüber verursacht. Sie haben dazu beigetragen, viele Gewissen abzustumpfen. Dann wurde Europa von der Welle der Verfolgungen erfaßt: Diese waren von einem heidnischen Antisemitismus inspiriert, der seinem Wesen nach auch ein Anti-Christianismus war, und neben den Christen, die alles getan haben, um die Verfolgten zu retten und dabei sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten, gab es auch viele, deren geistiger Widerstand nicht so stark war, wie die Menschlichkeit es von den Jüngern Christi hätte erwarten können. Eure abgeklärte Untersuchung der Vergangenheit im Hinblick auf eine Läuterung der Erinnerung ist besonders angebracht, um ganz klar zu zeigen, daß der Antisemitismus ohne jede Rechtfertigung und absolut verdammungswürdig ist. 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure Arbeiten vervollständigen die Überlegungen vor allem der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, die unter anderem ihren Ausdruck in den Orientierungen vom 1. Dezember 1974 und in den Empfehlungen für die richtige Vorstellung der Juden und des Judentums bei den Predigten und der Katechese der katholischen Kirche vom 24. Juni 1985 gefunden haben. Ich weiß die Tatsache zu schätzen, daß die theologischen Forschungsarbeiten eures Symposiums streng wissenschaftlich betrieben werden sollen in der Überzeugung, daß der Wahrheit zu dienen auch bedeutet, Christus selber und seiner Kirche zu dienen. 2. Zum Abschluß der Kapitel des Römerbriefes (9-11), in denen Paulus uns entscheidende Einsichten in das Los Israels nach dem Plan Gottes vermittelt, läßt der Apostel einen Gesang der Anbetung anklingen: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!“ (Röm 11,33). In der glühenden Seele des Apostels ist dieser Hymnus der Widerhall des kurz vorher aufgestellten Grundsatzes, der sozusagen das Hauptthema des ganzen Briefes ist: „Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen“ (ebd. 11,32). Die Heilsgeschichte wird von der Barmherzigkeit dessen geleitet, der alles Verlorene zu retten gekommen ist, auch wenn die Schicksalsschläge uns irreführend erscheinen. Vor den unergründlichen Tiefen der liebevollen Vorsehung Gottes läßt uns nur eine Haltung der Anbetung etwas davon erahnen, was ein Geheimnis des Glaubens ist. 3. Am Ursprung dieses kleinen Volkes inmitten von heidnischen Großmächten, die durch den Glanz ihrer Kultur die Oberhand über es haben, steht die Tatsache der Erwählung durch Gott. Dieses Volk wird von Gott, dem Schöpfers des Himmels und der Erde, zusammengerufen und geführt. Seine Existenz ist also nicht eine rein von der Natur oder Kultur bedingte Tatsache in dem Sinne, daß der Mensch die Ressourcen seiner eigenen Natur durch die Kultur entfaltet. Es handelt sich vielmehr um einen übernatürlichen Sachverhalt. Dieses Volk hält gegenüber allem und gegen alles stand, weil es das Volk des Bundes ist und weil Gott - trotz der Untreue der Menschen - seinem Bund treu ist. Diesen Grundsatz zu mißachten bedeutet, den Weg des Markionismus einzuschlagen, dem sich die Kirche schon seinerzeit scharf widersetzt hatte im Bewußtsein ihrer lebensnotwendigen Verbindung mit dem Alten Testament, denn ohne es ist das Neue Testament selbst seines Sinnes entleert. Die Schrift kann nicht getrennt werden von diesem Volk und seiner Geschichte, die zu Christus, dem verheißenen und erwarteten Messias, dem menschgewordenen Gottessohn, hinführt. Die Kirche bekennt dies unermüdlich, wenn sie in der Liturgie jeden Tag die Psalmen und die Lobgesänge des Zacharias, der Jungfrau Maria und des Simeon wiederaufnimmt (vgl. Ps 132,17; Lk 1,46-55; 1,68-79; 2,29-32). Manche Menschen betrachten die Tatsache, daß Jesus Jude war und daß sein Milieu die jüdische Welt war, als einfachen kulturellen Zufall, der auch durch eine andere religiöse Tradition ersetzt und von der die Person des Herrn losgelöst werden könnte, ohne ihre Identität zu verlieren. Aber diese Leute verkennen nicht nur 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Heilsgeschichte, sondern noch radikaler: Sie greifen die Wahrheit der Menschwerdung selbst an und machen eine authentische Auffassung der Inkulturation unmöglich. 4. Vom oben Gesagten ausgehend, können wir einige Schlußfolgerungen ziehen, die der Einstellung des Christen und der Arbeit des Theologen als Orientierungshilfe zu dienen vermögen. Ganz entschieden verurteilt die Kirche alle Arten des Völkermords sowie die rassistischen Theorien, die ihm zugrundliegen und ihn zu rechtfertigen suchen. Man könnte an dieser Stelle die Enzyklika Mit brennender Sorge (1937) von Papst Pius XI. oder die Enzyklika Summi Pontificatus (1939) von Papst Pius XII. anführen; dieser Papst erinnerte besonders an das Gesetz der menschlichen Solidarität und der Nächstenliebe gegenüber jedem Menschen, welchem Volk er auch immer angehören mag. Rassismus ist also eine Verneinung der tiefsten Identität des menschlichen Wesens, das eine nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffene Person ist. Bei der „Shoah“ kam zur sittlichen Böswilligkeit eines jeden Völkermords noch die Bosheit des Hasses hinzu, der sich dem Heilsplan Gottes für die Geschichte widersetzt. Von diesem Haß weiß sich auch die Kirche direkt betroffen. Im Römerbrief lehrt uns der Apostel Paulus, welche brüderlichen, im Glauben wurzelnden Gefühle wir den Kindern Israels entgegenbringen müssen (vgl. Röm 9,4-5). Paulus betont dies: „Um der Väter willen“ sind sie von Gott geliebt, denn „unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die er gewährt“ (vgl. Röm 11,28-29). 5. Ihr könnt meiner Dankbarkeit für eure Arbeit sicher sein, denn sie behandelt ein Thema großer Tragweite, das mir sehr am Herzen liegt. Auf diese Weise leistet ihr euren Beitrag zur Vertiefung des Dialogs zwischen Katholiken und Juden, der sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte positiv entwickelt hat. Darüber dürfen wir uns freuen. Ich spreche euch und euren Angehörigen meine besten Wünsche aus und erteile euch sehr gerne den Apostolischen Segen. Erbe des christlichen Humanismus neu entdecken Ansprache bei der Zweiten öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien am 3. November Sehr verehrte Kardinäle, sehr verehrte Botschafter, sehr verehrte Mitglieder der Päpstlichen Akademien, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine besondere Freude, Ihnen anläßlich der zweiten öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien zu begegnen. Ich danke Kardinal Paul Poupard, dem Präsidenten des Koordinierungsrates der Päpstlichen Akademien, der in Ihrer aller Namen die Absichten, die Ziele und den Zweck dargestellt hat, die Sie im 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend vorschlagen. Mein Gruß gilt den Kardinälen, den Brüdern im Bischofsamt, den Botschaftern beim Hl. Stuhl, den Priestern, den Ordensleuten und allen Mitgliedern der verschiedenen Päpstlichen Akademien. Wir haben uns vor zwölf Monaten zum ersten Mal hier an dieser Stelle zusammengefunden, um die durchgefuhrte Reform der Päpstlichen Akademien festlich zu begehen und um den kulturellen Einrichtungen des Hl. Stuhls neue Impulse zu geben. Auf diese Weise erhält das wissenschaftliche und künstlerische Wirken Ihrer Päpstlichen Akademien zum Dienst an der Neuevangelisierung in den verschiedenen Bereichen der Kultur und der Kunst, der Theologie und des Apostolats öffentliche Anerkennung. 2. Ihr Vorhaben an akademischer Arbeit hat bei aller Verschiedenheit der Disziplinen, die Sie maßgeblich vertreten, das Ziel, sich in einem eigenständigen „Beitrag zum christlichen Humanismus an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend“ zu verwirklichen. Während ich meine Wertschätzung für dieses interessante und immer aktuelle Programm ausdrücke, bitte ich Sie inständig, mit Mut auf diesem Weg voranzugehen, damit Ihr Beitrag zu einem sorgfältigeren, breiteren und tieferen Verständnis des christlichen Humanismus die menschliche Person und die Anerkennung ihres besonderen Wertes und ihrer unveräußerlichen Würde fördere. In der Verschiedenheit der heutigen Kulturen zeigt sich immer mehr die Herausforderung, die die Kirche berufen ist, als ihre klare Pflicht aufzunehmen: „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben“ 0Gaudium et spes, Nr. 4). Die Christen müssen in der Lage sein, die von Jesus Christus, „Weg, Wahrheit und Leben“ (Joh 14,6) und „Erstgeborener unter vielen Brüdern“ (Rom 8,29), offenbarte Wahrheit über den Menschen vorzubringen, denn nur in Ihm kann die Würde des Menschen erstrahlen, der nach dem Abbild Gottes erschaffen und ihm ähnlich ist (vgl. Gen 1,26). 3. Dem Vertreter der „Päpstlichen Römischen Akademie des hl. Thomas von Aquin und der katholischen Religion“ sowie dem der „Römischen Theologischen Akademie“ bin ich dankbar für die gelehrten Überlegungen zu den Leitlinien des christlichen Humanismus, angeregt durch die Gedanken des Aquinaten. Man kann sich passenderweise auf die hervorragende Lehre des Doctor Angelicus beziehen, um den wahren Humanismus zu kennzeichnen, der in der Lage ist, alle Dimensionen der menschlichen Person anzuerkennen und ihnen angemessen Ausdruck zu geben. Im aktuellen kulturellen Zusammenhang, der häufig von Unsicherheiten und Zweifeln gekennzeichnet ist, die die grundlegenden geistlichen Werte untergehen lassen, bietet der christliche Humanismus - beständig in seiner Substanz, aber 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer neu in seinem Begegnungsversuch und in seiner Darstellung - eine tragfähige Antwort auf den Durst nach Werten und echtem menschlichen Leben, der in der Seele eines jeden über seine eigene Bestimmung nachdenkenden Menschen brennt. 4. Die Tätigkeit der Päpstlichen Akademien stellt sich in enge Verbindung mit der Sendung des Nachfolgers Petri. Während ich diese Ihre großartige Aufgabe bestätige, erhoffe ich mir, daß durch die von Ihnen ausgefiihrten und geförderten Studien, Veröffentlichungen und künstlerischen Werke die Menschen aller Kulturen den echten Humanismus entdecken, den wahren Spiegel, in dem sich das Antlitz Gottes und das Antlitz des Menschen offenbaren. Ebenso hoffe ich, daß unter dem Anstoß Ihres Beispiels und der Gediegenheit Ihrer akademischen Arbeiten der philosophischen und theologischen Forschung und der Lehre dieser Disziplinen ein neuer Schwung verliehen wird, damit der Menschenverstand, erleuchtet von der göttlichen Offenbarung, neue Wege entdecken kann, um in der Sprache der verschiedenen Kulturen „den unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) auszudrücken. Viele Zeitgenossen, vor allem Jugendliche, sind enttäuscht, weil Versprechungen, auch verführerische, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kennzeichneten, sich nicht selten als reine Utopien erwiesen haben, unfähig, den Menschen von seiner Existenzangst zu befreien. Es sind nicht wenige, die heute das Gefühl haben, in eine Sackgasse zu laufen. Aufgabe der Christen und insbesondere von Ihnen als Mitglieder der Päpstlichen Akademien ist es, die Kenntnis des christlichen Humanismus zu verbreiten, vor allem dann, wenn die Wahrheit über den Menschen von Grundeinstellungen verdunkelt oder verleugnet wird, die seine besondere Würde nicht respektieren. Mit der Demut der Jünger und der Stärke der Zeugen haben Sie, verehrte Akademiker, den hervorragenden Auftrag, das philosophische, theologische und kulturelle Erbe der Kirche zu vertiefen, um all diejenigen daran teilhaben zu lassen, die auf der Suche nach einer zufriedenstellenden Antwort sind. 5. Und nun freue ich mich, die Weisung des Koordinierungsrates aufhehmend, den Preis der Päpstlichen Akademien dem Päpstlichen Institut „Regina Mundi“ zu überreichen, das in Rom seine Tätigkeit als Hochschule ausübt für die philosophische, theologische, geistliche und pastorale Ausbildung von Ordensfrauen aus allen Teilen der Welt. Das Päpstliche Institut hat die Arbeiten von drei Ordensfrauen vorgelegt: die Kongolesin Eufrasie Beya Malumbi vermochte einige bedeutende Aspekte der Heilstheologie des hl. Thomas von Aquin in einer modernen Sprache und mit kulturellen Kategorien ihres Heimatlandes zu übersetzen; die Vietnamesin Cecilia Phan Thi Tien hat die evangelisierende Wirkung des Liedes mit besonderem Bezug auf die Musik ihres Landes erforscht; die Thailänderin Marie Monique Rungruang-Kanokkul hat eine theologisch-pastorale Studie über die Vorbereitung von Kindern aus religionsverschiedenen Ehen in ihrer Region auf das Sakrament der Eucharistie erarbeitet. 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit der Überreichung des Preises möchte ich auch der ehrwürdigen Präsidentin, Mutter Femanda Barbiero, und den Dozenten des Instituts „Regina Mundi“ meine Wertschätzung ausdrücken für ihr Wirken zugunsten der Förderung des christlichen Humanismus in den vielfältigen Kulturen, denen die studierenden Ordensflauen angehören. Alle Anwesenden und ihre Sendung vertraue ich der Muttergottes an, dem Sitz der Weisheit, und von Herzen erteile ich Ihnen und Ihren Familien und all jenen, die Ihnen lieb sind, einen besonderen apostolischen Segen. ln Forschung und Technik die Menschenwürde achten! Ansprache bei der XII. Internationalen Konferenz „Kirche und Gesundheit in der Welt. Erwartungen und Hoffnungen an der Schwelle des Jahres 2000“ am 8. November Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Gerne heiße ich jeden von euch herzlich willkommen, die ihr an dieser vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst einberufenen zwölften internationalen Konferenz zum Thema „Kirche und Gesundheit in der Welt. Erwartungen und Hoffnungen an der Schwelle des Jahres 2000“ teilnehmt. Mein besonderer Dank gilt Msgr. Javier Lozano Barragän für seine hochherzigen Bemühungen um die Organisation dieses Symposiums und für seine herzlichen Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich alle Mitarbeiter und danke jedem von Herzen. In diesen Tagen des eingehenden Studiums und der Gegenüberstellung haben die verschiedenen Berichte die komplexe Natur der Gesundheitsprobleme und die Notwendigkeit koordinierter und harmonisch abgestimmter Maßnahmen hervorgehoben, um nicht nur die im Krankendienst Tätigen, von denen stets größere Kompetenz als Therapeuten und Betreuer gefordert wird, auf wirksame Weise einzubeziehen, sondern auch die auf dem Bildungs- und Erziehungssektor, in der Welt der Arbeit, im Umweltschutz und im wirtschaftlichen und politischen Bereich beschäftigten Personen. „Den Gesundheitszustand schützen, wiederherstellen und bessern heißt dem Leben in seiner Gesamtheit dienen“, so formuliert es die Charta des im Krankendienst tätigen Personals, die euer Päpstlicher Rat ausgearbeitet hat. In dieser Hinsicht zeichnet sich die große Würde der beruflichen Tätigkeit im Bereich der Medizin und Krankenbetreuung ab, die sich als Zusammenarbeit mit jenem Gott darstellt, den die Heilige Schrift als „Freund des Lebens“ (Weish 11,26) bezeichnet. Die Kirche unterstützt und bestärkt euch in eurer Arbeit, die ihr mit hochherziger Bereitschaft im Dienst für das verwundbare, schwache und kranke Leben leistet, für den ihr oft eure Heimat verlaßt und sogar bei der Erfüllung eurer Pflicht das Leben riskiert. 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. In diesem letzten Abschnitt unseres Jahrhunderts lassen sich viele Anzeichen der Hoffnung erkennen. Denken wir nur an die „von der Wissenschaft, der Technik und vor allem von der Medizin im Dienst am menschlichen Leben erzielten Fortschritte, das lebhafte Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt, die Anstrengungen zur Wiederherstellung des Friedens und der Gerechtigkeit überall, wo sie verletzt wurden“, an den Willen „zu Versöhnung und Solidarität zwischen den verschiedenen Völkern (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Die Kirche freut sich über diese bedeutenden Fortschritte, die in aller Welt der Hoffnung auf Leben Auftrieb gegeben haben. Dennoch kann sie angesichts jener 800 Millionen Menschen nicht schweigen, die zu einem von Armut, Unterernährung, Hunger und prekärer Gesundheit gekennzeichneten Leben gezwungen sind. Vor allem in den armen Ländern leiden zu viele Menschen an Krankheiten, die verhindert oder auch geheilt werden können. Angesichts so gravierender Situationen sind die internationalen Organisationen um eine gerechtere Förderung des Gesundheitswesens bemüht. Sie sind der Überzeugung, daß „der Kampf gegen die Ungleichheit sowohl eine ethische als auch eine praktische Notwendigkeit ist, von der die Gesundheit aller in der Welt abhängt“ (vgl. Weltgesundheitsorganisation, Projet de document de consultation pour l ’actualisation de la Strategie mondiale de la santepour tous, 1996, S. 8). Während ich einer solch lobenswerten Initiative zugunsten unserer ärmeren Brüder höchste Anerkennung zolle, möchte ich aber auch nachdrücklich betonen, daß wir über eine stets gleichmäßigere Verteilung der menschlichen, wirtschaftlichen und technologischen Ressourcen in den verschiedenen Teilen der Welt wachen müssen. Ferner rufe ich die zuständigen internationalen Organe auf, sich in wirksamer Form für die Ausarbeitung angemessener Rechtsnormen einzusetzen, damit auch die ganzheitliche Gesundheit derjenigen gefordert werden kann, die keine Stimme haben, und das Gesundheitswesen, unbeeinflußt von der Dynamik des Profitstrebens, vielmehr von der Logik der Solidarität und Barmherzigkeit geprägt werde. Im Hinblick auf das Jubeljahr 2000, das „Gnadenjahr“ des Herrn, bekräftigt die Kirche, daß die Reichtümer der Schöpfung, die ohne jegliche Diskriminierung zur Förderung eines gesünderen und würdigeren Lebens eingesetzt werden sollten, als gemeinsames Gut der ganzen Menschheit betrachtet werden müssen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 13). 3. Die Gesundheit ist ein wertvolles Gut, das auch heute noch durch die Sünde vieler bedroht und durch Verhaltensweisen ohne angemessene ethische Anhaltspunkte gefährdet wird. Der Christ weiß, daß durch die Sünde der Tod in die Welt gekommen ist (vgl. Rom 5,12) und die Verwundbarkeit von Anfang an die Geschichte der Menschheit geprägt hat. Dennoch sind Krankheit und Schmerz, die unseren Lebensweg begleiten, oft Anlaß zu brüderlicher Solidarität und bewegen uns, die trostspendende Liebe Gottes zu erbitten. „Indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte, hat Christus gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben. Darum kann auch jeder 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch durch sein Leiden am erlösenden Leiden Christi teilhaben“ (Salvifici doloris, Nr. 19). Der im Glauben gelebte Schmerz hilft dem Kranken wie Ijob das wahre Antlitz Gottes zu erkennen: „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut“ (Ijob 42,5). Mehr noch: durch sein geduldiges Zeugnis kann der Kranke auch seinen Betreuern helfen, sich als Abbild Jesu zu erkennen, der „umherging, Gutes tat und heilte“ (vgl. Apg 10,38). Diesbezüglich möchte ich unterstreichen, daß die Tätigkeit des Arztes und des Pflegepersonals „therapeutisches Dienstamt“ und zugleich „Dienst am Leben“ ist, wie die „Charta der im Krankendienst Tätigen“ sagt. Fühlt euch als Mitarbeiter Gottes, der sich in Jesus als „Arzt für Leib und Seele“ offenbart hat, und werdet so wahrhaft Verkünder des Evangeliums. 4. Jesus Christus, der einzige Erlöser der Welt, ist das endgültige Wort des Heils. Die Liebe des Vaters, die er uns geschenkt hat, heilt auch die tiefsten Wunden des menschlichen Herzens und befriedet seine Unruhen. Für die im Bereich der Krankenbetreuung tätigen Gläubigen ist das Beispiel Jesu Grundlage und Vorbild bei ihrem täglichen Dienst an körperlich und geistig verwundeten Menschen, um ihnen zu helfen, Gesundheit und Heilung zu erlangen in Erwartung des endgültigen Heils. Durch seine Entscheidungen, die die ontologische Verfassung der nach dem Bilde Gottes geschaffenen Person, ihre Würde und die dem Geschaffenen eingeschriebenen Regeln achten, fahrt der im Krankendienst Tätige, auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit blickend, fort, die Geschichte der Liebe Gottes zur Menschheit zu erzählen. In gleicher Weise enthüllt auch der gläubige Wissenschaftler durch seine dem göttlichen Plan entsprechende Forschung nach und nach all jene in der Schöpfung verborgene Kraft, mit der Gott sie reichhaltig ausgestattet hat. Die auf das Leben und die Gesundheit hingeordneten Studien, die Forschung und die Technik müssen in Solidarität und in Achtung der Würde jeder menschlichen Person, insbesondere der schwachen und schutzlosen, die Entwicklung der ganzen Menschheit fordern (vgl. Evangelium vitae, Nr. 81). Keinesfalls dürfen sie zum Ausdruck des menschlichen Begehrens werden, das selbst die Rolle des Schöpfers übernehmen will. 5. Die Pflege der Gesundheit des Körpers kann nicht auf die grundlegende und belebende Verbindung mit der Innerlichkeit verzichten. Daher ist es notwendig, eine kontemplative Sicht zu pflegen, die ,glicht mutlos angesichts derer kapituliert, die sich in Krankheit, in Leid, am Rande der Gesellschaft und an der Schwelle des Todes befinden; sondern sie läßt sich von allen diesen Situationen befragen, um nach einem Sinn zu suchen, und beginnt gerade unter diesen Gegebenheiten auf dem Antlitz jedes Menschen einen Aufrufzu Gegenüberstellung, zu Dialog, zu Solidarität zu entdecken“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 83). In der Geschichte der Kirche hat die Kontemplation der Anwesenheit Gottes in den Schwachen und Kranken 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stets Menschen und Werke hervorgebracht, die, wie in unserer Zeit Mutter Teresa von Kalkutta, mit erstaunlichem Erfindungsgeist die unendlichen Ressourcen der Nächstenliebe zum Ausdruck gebracht haben. Mutter Teresa ist zum „guten Samariter“ jedes leidenden und verachteten Menschen geworden und, wie ich anläßlich ihres Todes sagte, „hinterläßt uns das Zeugnis der Kontemplation, die Liebe wird, und der Liebe, die Kontemplation wird“ (vgl. Angelus vom 7.9.97). 6. Die Jungfrau Maria, Mutter der Gesundheit und Sinnbild der Erlösung, die sich im Glauben der Fülle der Liebe geöffnet hat, ist das erste Beispiel von Kontemplation und Annahme des Lebens. Die Kirche, die „durch Predigt und Taufe die vom Heiligen Geist empfangenen und aus Gott geborenen Kinder zum neuen und unsterblichen Leben gebiert“, sieht sie als Beispiel und Mutter (vgl. Lumen Gentium, Nm. 63-64). An sie, „Salus infirmorum“, wenden sich die Kranken und bitten sie in den ihr geweihten Wallfahrtsstätten um ihre Hilfe. Möge Maria, deren Schoß das Leben empfangen hat, euch helfen, in den Bitten vieler kranker und leidender Menschen das Verlangen nach Solidarität zu erkennen und „die Bitte um Hilfe, um weiter hoffen zu können, wenn alle menschlichen Hoffnungen zerrinnen“ (Evangelium vitae, Nr. 67). Möge sie an eurer Seite bleiben, um aus jeder therapeutischen Geste ein „Zeichen“ des Gottesreiches zu machen. Mit diesen Wünschen erteile ich euch, euren Mitarbeitern und den eurer liebevollen Pflege anvertrauten Kranken meinen besonderen Apostolischen Segen. Neue Initiativen für die Bereitschaft zum Dialog und zur Solidarität unter den Völkern einbringen Botschaft an die Staats- und Regierungsoberhäupter des siebten Iberoamerikanischen Gipfeltreffens vom 28. Oktober 1997, übermittelt am 8. November An die sehr geehrten Herren Staats- und Regierungsoberhäupter der Länder Lateinamerikas, Spaniens und Portugals! Das siebte Iberoamerikanische Gipfeltreffen, das auf der venezolanischen Margariteninsel gehalten wird und über das Thema handelt: „Die ethischen Werte der Demokratie“, ist mir ein willkommener Anlaß, den obersten Abgesandten dieser Länder meine herzlichsten und ergebensten Grüße zu übersenden. Die Teilnehmer haben sich dort zusammengefunden, um über einige Prinzipien zu sprechen und auf der Basis einiger gemeinsamer Grundlagen zusammenzuarbeiten, die das Schicksal ihrer Völker bestimmen. 1. Der Hl. Stuhl hat die Entwicklung der bisherigen Iberoamerikanischen Gipfeltreffen mit regem Interesse verfolgt und mit Freude von den Verpflichtungen 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Notiz genommen, die dabei öffentlich übernommen wurden, besonders die Erklärungen von San Carlos de Bariloche in Argentinien und von Vinadel Mar in Chile. Zu dem Wohl und Nutzen, die diese Versammlungen für jene Länder bringen können, in denen die katholische Kirche eine starke Präsenz aufweist, ist noch der Wert des nunmehr eingeschlagenen Weges des Dialoges und der freien Zusammenarbeit hinzuzufugen. Auch die Kirche legt dies mit Nachdruck als die angemessenste, gerechteste und fruchtbringendste Methode nahe, um Konflikte zu lösen und Fortschritt und Frieden unter den Völkern zu fördern. Das Thema, das für diesen Gipfel zur Debatte steht, berührt das Herz jeder Demokratie, die, bevor sie in einer konkreten politischen Organisation Gestalt annehmen kann, eine zutiefst ethische Option ist: eine Option zugunsten der Menschenwürde mit all ihren Rechten und Freiheiten, ihren Pflichten und Verantwortungen, worin jede Form menschlichen Zusammenlebens und sozialer Strukturierung ihre Unterstützung und Legitimierung erfahrt. Hier hat die Kirche, die weder eine eigene Formel politischer Konstitution für die Nationen besitzt noch bestimmte Regierungskriterien durchsetzen will, ihren spezifischen Missionsbereich, nämlich, vom Glauben her die soziale Realität zu erleuchten, in die sie gestellt ist. In der Tat lehrt die Kirche, daß die politisch-rechtlichen Strukturen „ohne jede Diskriminierung allen Staatsbürgern immer mehr die tatsächliche Möglichkeit geben müssen, frei und aktiv teilzuhaben an der rechtlichen Grundlegung ihrer politischen Gemeinschaft, an der Leitung des politischen Geschehens, an der Festlegung des Betätigungsbereichs und des Zwecks der verschiedenen Institutionen und an der Wahl der Regierenden“ (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoral-konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 75). Das bedeutet für die Staatsbürger auch „das Recht und die Pflicht, von der freien Wahl Gebrauch zu machen zur Förderung des Gemeinwohls“ (vgl. ebd.). Deshalb ist es notwendig, daß jedermann nicht nur das Recht hat, seine Ideen zu entwickeln, sie vorzubringen und sich in Freiheit politisch zu betätigen, sondern daß er auch das Recht hat, gemäß seinem in rechter Weise ausgebildeten Gewissen zu leben, ohne die anderen zu verurteilen oder selbst verurteilt zu werden, und das alles aufgrund der vollen Würde der menschlichen Person. Der erste ethische Wert in der Demokratie, der zugleich ihre Voraussetzung ist und sie stützt und nährt, ist die Erkenntnis, daß der Mensch von Gott mit einer Würde ausgestattet wurde, die durch nichts und niemand verletzt werden darf. Dies bedeutet die Ablehnung jeglicher Form von Unterdrückung des Menschen durch den Menschen und daher jeglicher Art von Tyrannei, Absolutismus und Totalitarismus. 2. Zu diesen grundlegenden Prinzipien hat man immer wieder zurückzukehren, wenn die politischen Institutionen der Länder versucht sind, ihre Wurzeln als Rechtsstaat zu vergessen, in ihren Aufgaben Winkelzüge zu machen oder sich mit Anordnungen zufrieden zu geben, die lediglich dem Namen nach als demokratisch bezeichnet werden können. 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die effektive, bewußte und verantwortungsvolle Teilnahme der Bürger am öffentlichen Leben darf sich nicht in formellen Erklärungen erschöpfen, sondern erfordert ständige Aktion, damit die erklärten Rechte auch wirklich ausgeübt werden können. Das hat ein entschiedenes Engagement zugunsten der zivilen, sozialen, kulturellen und politischen Grundrechte der Person zur Folge sowie „die Förderung [...] der einzelnen Menschen durch die Erziehung und die Heranbildung zu den echten Idealen“ (Centesimus annus, Nr. 46). Ein menschenwürdiges Leben und eine gesunde ethische und moralische Ausbildung sind die unerläßlichen Voraussetzungen dafür, daß die Bürger sich in rechter Weise politisch betätigen können. Nur wenn die Menschen zutiefst die Werte der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Achtung der anderen leben, können ihre Entscheidungen auf bessere und verantwortungsvollere Weise zum Gemeinwohl beitragen. Diese Ausbildung ist das beste Gegenmittel angesichts so vieler Vorkommnisse von Entartung und bisweilen von Korruption, die manche demokratischen Systeme befallen. Anderseits muß es eine Führungsschicht geben „mit jenem Bewußtsein der eigenen Verantwortung, der Objektivität und unparteiisch, mit jener Hochherzigkeit und ohne bestochen werden zu können, ohne die es einer demokratischen Regierung kaum gelingt, die Achtung, das Vertrauen und die Zustimmung des besseren Teils des Volkes zu finden“ (Ansprache an die Römische Kurie, 22. Dezember 1994). 3. Bei der demokratischen Ausübung der politischen Verantwortung hat gewiß die politische Ausrichtung der Mehrheit Bedeutung, wenn dies auch nicht immer als letztes und exklusives Handlungskriterium angesehen werden darf. Es gibt ethische und rechtliche Grundlagen, die Priorität haben. Gerade sie rechtfertigen die Teilnahme aller Bürger, und sie dürfen nicht verletzt werden, ohne daß die demokratische Struktur selbst dadurch geleugnet würde. In der Tat kommt es vor, daß im Namen des Rechts und der Freiheit versucht wird, die menschliche Freiheit mit Füßen zu treten, sei es, weil die Mehrheit die legitimen Rechte der Minderheiten leugnet, sei es, weil man die Rechte der Person verletzt, wozu keine Macht der Welt berechtigt ist. Dies gilt „besonders [für] das Recht auf Leben in jedem Stadium seiner Existenz, die Rechte der Familie, insofern sie die soziale Grundgemeinschaft oder ,Zelle der Gesellschaft1 ist; die Gerechtigkeit in den Arbeitsverhältnissen; die Rechte, die dem Leben der politischen Gemeinschaft als solcher innewohnen; die Rechte aus der transzendenten Berufung des Menschen, angefangen beim Recht auf Freiheit, den eigenen religiösen Glauben zu bekennen und zu praktizieren“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 33). In der Tat, wie kann ein System, das sich hinsichtlich der Achtung jedes menschlichen Wesens als gerechtfertigt betrachtet, eben diese Achtung anderen Personen absprechen? Daher lehrt die Kirche, daß „eine wahre Demokratie nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich ist“ (vgl. Centesimus annus, Nr. 46). Wir erleben jedoch eine Korrumpie-rung dieses Systems, wenn durch dasselbe lediglich versucht wird, Macht zu er- 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN langen, statt wirklich dem Volk zu dienen, und wenn die Mehrheit die Rechte der Minderheiten vergißt, sich über diese stellt und so Haltungen von Unwillen und Ablehnung provoziert. Wenn also nicht die volle Freiheit für alle existiert, fühlen sich viele wie versklavt. Das heißt, solange die Entwicklung der wahren Freiheit nicht in Angriff genommen wird, ist es unmöglich, zu einer echten und effizienten Friedenskultur zu gelangen. Anderseits kommt diese Friedenskultur nicht einfach dadurch zustande, daß keine Kriege geführt werden, sondern dadurch, daß man willentlich für das Leben plädiert, was ohne Zweifel ein starkes Band der Brüderlichkeit innerhalb der menschlichen Existenz schafft und ein soziales Zusammenleben in gegenseitiger Gleichheit und Freiheit bewahrt und fördert. 4. Die Staaten, die die demokratischen Werte, die Menschenrechte, die Rechte der Minderheiten und den Kampf gegen Armut und Rassismus, gegen Ausländerhaß und Intoleranz fördern wollen, fühlen sich verpflichtet, diese Werte auch über die eigenen Staatsgrenzen hinaus zu tragen, um sich gegenseitig durch die Intuitionen und Erfahrungen anderer Völker zu bereichern und zu versuchen, auch auf internationaler Ebene ein Modell zu verbreiten, das sich in seinen tiefsten ethischen Fundamenten als Erbe der Menschheit und als Faktor der Einheit, der Zusammenarbeit und des Friedens unter den Völkern bezeichnen kann. In diesem Sinne bin ich mir völlig bewußt, daß auf diesem Iberoamerikanischen Gipfeltreffen dessen hohe Repräsentanten neue Schritte unternehmen wollten, um so wiederum ihre Einheit zu bestätigen, die die gleichen sprachlichen, historischen, kulturellen und religiösen Wurzeln aufweist. Ich bin mir sicher, daß sie sich auf einen ehrlichen und soliden Beitrag der Katholiken von überall her verlassen können, um so vereint für die Sache der eigenen Mitbürger, des eigenen Landes und der gesamten internationalen Gesellschaft zu arbeiten. Bevor ich diese Botschaft beende, möchte ich noch die Aufforderung des Apostels Paulus in Erinnerung rufen und in diesem Sinne mit der ganzen Kirche Bitten an den Herrn richten „für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können [...] Ich will, daß die Männer überall beim Gebet ihre Hände in Reinheit erheben, frei von Zorn und Streit“ (7 Tim 2,2-8). Gleichzeitig möchte ich meinen aufrichtigsten Wünschen Ausdruck verleihen, daß dieses siebte Gipfeltreffen neue Perspektiven erbringe und die nötige Dialogbereitschaft sowie eine fruchtbare und solidarische Bereitschaft zur Zusammenarbeit unter den teilnehmenden Mitgliedern zum Wohle der gesamten iberoamerikanischen Völkerfamilie. Aus dem Vatikan am 28. Oktober 1997 Joannes Paulus PP. II 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkünder und Miterbauer des Gottesreiches Predigt in der Messe zu den Seligsprechungen am 9. November 1. „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ {Joh 2,19). Die Worte Christi, die soeben im Evangelium verkündigt wurden, fuhren uns mitten ins Ostergeheimnis. Christus zeigt beim Eintritt in den Tempel von Jerusalem seinen Unwillen darüber, daß das Haus seines Vaters in einen großen Markt verwandelt worden ist. Angesichts seiner Reaktion protestieren die Juden: „Welches Zeichen läßt du uns sehen als Beweis, daß du dies tun darfst?“ {Joh 2,18). Darauf antwortet Jesus mit dem Hinweis auf ein einziges, großartiges Zeichen, ein endgültiges Zeichen: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Er spricht natürlich nicht vom Tempel von Jerusalem, sondern von dem seines eigenen Leibes. Denn zum Tod ausgeliefert, wird er am dritten Tag die Macht der Auferstehung kundtun. Der Evangelist fahrt fort: „Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, daß er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte“ {Joh 2,22). 2. Am heutigen Sonntag feiern die Kirche in Rom und das ganze christliche Volk das Kirchweihfest der Lateranbasilika, die nach ältester Tradition als die Mutter aller Gotteshäuser betrachtet wird. In der Liturgie vernehmen wir Worte, die sich auf den Tempel beziehen: auf jenen Tempel, der vor allem der Leib Christi ist, den aber durch Christus auch jeder Mensch darstellt. Paulus fragt: „Wißt ihr nicht, daß ihr Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (7 Kor 3,16). Dieser Tempel wird auf dem Fundament errichtet, das Gott selbst gelegt hat. „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (7 Kor 3,11). Er ist der Eckstein des göttlichen Bauwerks. Auf Christus, das feste Fundament der Kirche, haben die drei Diener Gottes, die ich heute mit Freude zur Ehre der Altäre erhebe, den Tempel ihres Lebens gebaut: der Bischof und Märtyrer Vilmos Apor; der Bischof und Gründer der Missionare und Missionarinnen vom hl. Karl, Johannes Baptista Scalabrini; und die Gründerin der Gemeinschaft der Dienerinnen der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Armen, Maria Vicenta di Santa Dorotea Chävez Orozco. Folgendes sagte der Papst in ungarischer Sprache: 3. Die innere Teilnahme am Geheimnis Christi, des neuen und vollkommenen Tempels, in welchem sich die volle Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch vollzieht (vgl. Joh 2,21), leuchtet auf im pastoralen Dienst des sei. Vilmos Apor, dessen Leben mit dem Martyrium gekrönt wurde. Er war der „Pfarrer der Armen“ und setzte diesen Dienst auch als Bischof fort: In den dunklen Jahren des Zweiten Weltkriegs handelte er als großzügiger Wohltäter der Armen und Verteidiger de- 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rer, die verfolgt wurden. Furchtlos erhob er seine Stimme, um im Namen der Grundsätze des Evangeliums die Ungerechtigkeiten und Gewalttätigkeiten gegen die Minderheiten, vor allem gegen die jüdische Gemeinschaft, zu brandmarken. Nach dem Vorbild des Guten Hirten, der sein Leben für seine Schafe hingibt (vgl. Joh 10,11), bewies der neue Selige seine Treue zum Ostergeheimnis bis ins Letzte, bis zur Hingabe seines eigenen Lebens. Gerade am Karfreitag wurde er zum Opfer der Gewalt. Er wurde zum Tode verwundet, während er seine Herde verteidigte. So hat er durch das Martyrium sein eigenes, einzigartiges Ostern erfahren. Vom heroischen Zeugnis der Liebe zu Christus und der Solidarität mit den Brüdern und Schwestern ging er hinüber und empfing die Krone der Herrlichkeit, die denen verheißen ist, die treu ihren Dienst erfüllen. Das heroische Zeugnis des Bischofs Vilmos Apor macht der Geschichte der edlen ungarischen Nation Ehre und wird heute der ganzen Kirche zu bewundernder Verehrung vorgestellt. Möge es die Gläubigen dazu ermutigen, in ihrem Leben Christus ohne Zögern zu folgen. Das ist die Heiligkeit, zu der jeder Getaufte berufen ist! Auf italienisch fuhr der Papst fort: 4. „Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“ (1 Kor 3,17). Die universale Berufung zur Heiligkeit wurde stets empfunden und gelebt von Giovanni Battista Sca-labrini. Oft und gern wiederholte er: „Könnte ich doch heilig werden und alle mir anvertrauten Seelen heiligen!“ Nach Heiligkeit zu streben und sie auch denen vorzustellen, mit denen er zusammenkam, das war stets seine Hauptsorge. Zutiefst von der Liebe zu Gott und von außerordentlicher Verehrung zur Eucharistie erfüllt, verstand er es, die Betrachtung Gottes und seines Geheimnisses in intensives apostolisches und missionarisches Wirken umzusetzen und allen alles zu werden, um das Evangelium zu verkündigen. Diese glühende Leidenschaft für das Gottesreich gab ihm seinen großen Eifer bei der Katechese, bei seinen pasto-ralen Aufgaben und seiner karitativen Tätigkeit, vor allem zugunsten der Ärmsten. Papst Pius XI. nannte ihn den , Apostel des Katechismus“ wegen seines Einsatzes, mit dem er in allen Pfarren die methodische Unterweisung von Kindern und Erwachsenen in der Lehre der Kirche forderte. Durch seine Liebe zu den Armen und in besonderer Weise zu den Emigranten wurde er zum Apostel seiner zahlreichen Landsleute, die, oft unter schwierigen Verhältnissen und in direkter Gefahr, den Glauben zu verlieren, zur Auswanderung gezwungen waren: für sie war er ein Vater und sicherer Führer. Wir können sagen, daß der sei. Giovanni Battista Sca-labrini intensiv das Ostergeheimnis lebte, nicht durch das Martyrium, sondern indem er dem armen und gekreuzigten Christus diente in den vielen Bedürftigen und Leidenden, die er mit dem Herzen eines wahren Hirten, der mit seiner Herde solidarisch ist, besonders liebte. Im folgenden ging der Papst auf die spanische Sprache über: 5. Ein kostbarer Tempel der Heiligsten Dreifaltigkeit war die starkmütige und demütige Seele der neuen mexikanischen Seligen, Maria Vicenta de Santa Dorotea 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Chävez Orozco. Angetrieben von der Liebe zu Christus, der immer in seiner Kirche lebt und gegenwärtig ist, weihte sie sich ihm, um ihm in der Person derer zu dienen, die sie in mütterlicher Liebe die „pobrecitos enfermos“ (die armen Kranken) nannte. Endlose Schwierigkeiten und Widrigkeiten meißelten ihren energischen Charakter, denn Gott wollte, daß sie einfach, milde und gehorsam werde, um aus ihr den Eckstein für das Institut der Dienerinnen der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Armen zu machen, das die neue Selige in der Stadt Guadalajara zur Pflege von Kranken und Alten gründete. Als verständige und kluge Jungfrau machte sie den leidenden Christus zum Fundament ihres Werkes. Mit dem Balsam der Liebe und der Medizin des Trostes nahm sie sich der Wunden des Leibes und der gequälten Seelen bei denen an, die Christus besonders liebt: den Armen, Bedürftigen und Notleidenden. Ihr leuchtendes Beispiel, in welchem Gebet, Dienst am Nächsten und Apostolat miteinander verflochten waren, wirkt heute weiter im Zeugnis ihrer Töchter und vieler gutherziger Menschen, die mutig an der Arbeit sind, um die Frohe Botschaft des Evangeliums in Krankenhäuser und Kliniken zu bringen. Abschließend kam der Papst auf die italienische Sprache zurück: 6. Die erste Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel spricht vom Symbol des Wassers. Das Wasser ist für uns mit dem Sakrament der Taufe verbunden, und es ist ein Zeichen für die Wiedergeburt zum neuen Leben in Christus. Heute wollen wir bei der Seligsprechung von Vilmos Apor, Johann Baptist Scalabrini und Maria Vicenta di Santa Dorotea Chävez Orozco Gott danken für die Gnade ihrer Taufe und für alles, was er in ihrem Leben vollbracht hat: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5). Diese Seligen aber, wiedergeboren aus dem Heiligen Geist, sind ins Reich Gottes gekommen, und die Kirche verkündet und bestätigt es heute feierlich. Die christliche Gemeinschaft, auf Christus als ihrem Fundament auferbaut, freut sich über die Erhöhung dieser ihrer Kinder und erhebt ein Lied des Dankes zum Himmel für die Früchte an Gutem, gereift durch die unbedingte Treue dieser Seligen zum Willen Gottes. Gestärkt durch ihr Zeugnis und durch ihre Fürbitte wie auch durch die Fürsprache der Jungfrau Maria, der Königin der Apostel und der Märtyrer, blickt sie voll Vertrauen in die Zukunft und, mit Eifer sich anschickend, die Schwelle des neuen Jahrtausends zu überschreiten, verkündet sie, daß Christus der einzige Erlöser der Menschheit ist: gestern, heute und immer. Amen! 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkünder und Zeugen des Wortes Predigt bei der Gedenkmesse für die im Laufe des Jahres verstorbenen Kardinäle und Bischöfe am 11. November 1. ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen...“ (Joh 17,24). Unmittelbar vor seinem Tod vertraut Jesus mit diesen Worten die Apostel dem Vater an. Er ist auf dem Weg, die Welt zu verlassen, während sie bleiben werden, um durch die Verkündigung des Evangeliums, die Wahrung des Glaubensguts und die Führung des Volkes des Neuen Bundes seine Heilssendung fortzusetzen. Zunächst erfüllen sie diese Aufgabe persönlich und später durch das Werk ihrer Nachfolger, an die sie ihren Auftrag weitergeben werden. Auch auf diese zukünftigen Diener des Heils überträgt sich der Geist Jesu auf dem Höhepunkt seines Lebens: die Stunde des Pascha-Mysteriums des Kreuzes und der Auferstehung. „Ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin ...“. Die innige Liebesgemeinschaft, die Christus mit den Aposteln und der Schar jener verbindet, die seinen Auftrag weiterfuhren werden, wird sich erst dann vollends erfüllen, wenn auch sie zusammen mit ihm beim Vater sein werden, um seine Herrlichkeit zu schauen, jene Herrlichkeit, die ihm schon „vor der Erschaffung der Welt“ (vgl. ebd.) gegeben worden war. 2. In dieser typischen, von der Erinnerung an die verstorbenen Gläubigen geprägten November-Atmosphäre haben wir uns heute um den Altar versammelt, um jener Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe zu gedenken, die in diesem Jahr zum Vater heimgekehrt sind. Während dieses in ihrer Erinnerung gefeierten heiligen Meßopfers wollen wir den Herrn bitten, ihnen jenen himmlischen Lohn zu gewähren, der allen guten und treuen Dienern verheißen ist. Bei dieser Eucharistiefeier wollen wir vor allem unserer verstorbenen Brüder im Kardinalsamt gedenken, der verehrten Kardinäle Joseph Louis Bemardin, Jean Je-röme Hamer, Narciso Jubany Amau, Juan Landäzuri Ricketts, Mikel Koliqi, Ugo Poletti und Bemard Yago, die im Laufe der vergangenen zwölf Monate in das Haus des Vaters heimgekehrt sind. Unser herzliches Andenken gilt auch den Erzbischöfen und Bischöfen, die ebenfalls im letzten Jahr von uns gegangen sind. Sie sind im Herrn entschlafen, im Vertrauen auf seine barmherzige Liebe und in der wohlbegründeten Hoffnung am ewigen Festmahl (vgl. Jes 25,5) im Himmel teilnehmen zu können. 3. Hier auf Erden haben diese unsere Brüder den Glauben an die Auferstehung mit dem Wort verkündet und mit dem Leben bezeugt. Wie oft haben sie die eben verkündeten Worte des hl. Paulus wiederholt: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20)! Sie, die in der Kirche als Spender des göttlichen Lebens berufen waren, ruhen nun in Erwartung der endgültigen Auferweckung, wenn der Tod für immer entmachtet sein wird 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (vgl. Jes 25,8; 1 Kor 15,26) und Gott über alles und in allem herrscht (vgl. 1 Kor 15,28). Wir gedenken ihrer mit liebevoller Zuneigung und Dankbarkeit für den hochherzigen pastoralen Dienst, den sie zuweilen auch unter großen Schwierigkeiten und Sorgen geleistet haben: der gesamten christlichen Gemeinschaft kamen ihre apostolischen Bemühungen zugute. Gleichzeitig wollen wir den Herrn inständig bitten, damit er sie an seiner Seite in Herrlichkeit aufnehme (vgl. Joh 17,24). Für sie und mit ihnen bringen wir den Wunsch nach der endgültigen Begegnung mit Gott zum Ausdruck: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir“ (Ps 42,2). 4. Der schmerzensreichen Jungfrau, die wir in der traditionellen Darstellung der Barmherzigkeit betrachten, die Mutter, die den toten, vom Kreuz abgenommenen göttlichen Sohn in ihren Armen hält, vertrauen wir nun die Seelen unserer Brüder im Glauben und Priesteramt an. Mögen sie, die während ihres weltlichen Lebens Maria mit kindlicher Liebe geliebt und verehrt haben, von ihr in das ewige Reich des Vaters geführt werden. Möge Maria mit fürsorglichem Blick über jene wachen, die nun in Erwartung der Auferstehung in Frieden ruhen! Wir erheben unser Gebet für sie zu Gott, in der Hoffnung, alle eines Tages für immer im Paradies vereint zu sein. Herr, gebe ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen. Mögen sie ruhen in Frieden. Amen! Alle Energien für den Dienst an der Evangelisierung freisetzen! Predigt während der Hl. Messe zur Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika am 16. November Der Papst begann in italienischer Sprache: 1. „Seid wachsam und haltet euch bereit, denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Ruf zum Evangelium, vgl. Mt 24,42; 44). Diese Wachsamkeit im Gebet, zu der uns die heutige Liturgie einlädt, paßt gut zu dem wichtigen Ereignis, dem wir hier beiwohnen: der Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika, die zum Thema hat: „Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus - Weg der Umkehr, der Gemeinschaft und der Solidarität in Amerika.“ Auf dieser Synode sind die Bischöfe aller Episkopate des amerikanischen Kontinentes versammelt, welcher Nord-, Mittel- und Südamerika sowie die Karibischen Inseln umfaßt. An alle richte ich meinen herzlichen Gruß, und denen, die von Übersee hierhergekommen sind, ein herzliches Willkommen. Das Wort Gottes bietet uns heute eine angemessene Perspektive für das Werk der Unterscheidung, das anzugehen wir nun im Begriff sind: nämlich in der „eschato- 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN logischen“ Perspektive mit den Augen des Glaubens auf die Geschichte zu blicken. Das ist die Art und Weise, das menschliche Leben zu betrachten, zu der der Herr die Gläubigen erzieht. Wir haben eine Weissagung aus dem Buch Daniel vernommen. Der Prophet empfangt sie aus dem Mund eines himmlischen Boten, der gesandt wurde, um „ihm die Wahrheit mitzuteilen“ (vgl. Dan 11,2) über die geschichtlichen Ereignisse. Es ist eine Weissagung, die von Drangsal und Rettung für das Volk spricht: Wie sollte man darin nicht eine Vorankündigung des Ostermysteriums erkennen, das den einzigen Mittelpunkt der Geschichte und den Schlüssel zu ihrer authentischen Interpretation darstellt? Im Licht des Ostermysteriums bereitet und vollzieht die Kirche jeden Schritt ihrer irdischen Pilgerschaft, und heute beginnt sie in feierlicher Weise eine einzigartige Zeit der Reflexion und Konfrontation hinsichtlich der Sendung, zu der sie auf dem amerikanischen Kontinent berufen ist. Das Wort Gottes bietet ihr die rechte Weise, mit den Augen des Glaubens zu lesen, wie der Engel zu Daniel sagt, „was im Buch der Wahrheit aufgezeichnet ist“ (Dan 10,21). In dieser Sicht wendet die Kirche den Blick auf den bis heute zurückgelegten Weg, um so mit erneutem missionarischen Eifer dem neuen Jahrtausend entgegenzugehen. ... und fuhr in spanischer Sprache fort: 2. Noch ist nicht viel Zeit verstrichen, seit wir 1992 feierlich der 500 Jahre der Evangelisierung Amerikas gedachten. Die Synode nimmt heute hier in der Peterskirche zu Rom ihre Arbeit auf und gedenkt dabei jener Zeiten, als die Bewohner der sogenannten ,Alten Welt“ dank des bewundernswerten Unternehmens des Christoph Kolumbus von der Existenz einer „Neuen Welt“ erfuhren, von der sie bis dahin keine Kenntnis besaßen. Von diesem historischen Tag an begann das Werk der Kolonisatoren und zu gleicher Zeit die Sendung der Evangelisierer, die die Völker dieses Kontinentes über Christus und sein Evangelium in Kenntnis setzten. Die Frucht dieser außerordentlichen missionarischen Mühen ist die Evangelisierung Amerikas oder, genauer gesagt, der sogenannten „drei Amerikas“, die sich heute zum großen Teil als christlich betrachten. Es ist also sehr wichtig, nach diesem Zeitraum von fünfhundert Jahren und am Vorabend eines neuen Jahrtausends im Geist noch einmal den Weg nachzuvollziehen, den das Christentum in jenen Ländern zurückgelegt hat. Es empfiehlt sich auch, die Geschichte des amerikanischen Christentums nicht etwa aufzuteilen in die Geschichte Nord-, Mittel- und Südamerikas, sondern man sollte sie eher als eine gemeinsame betrachten, wohl unter Wahrung der jeweils eigenen geschichtlichen Besonderheiten; denn jenen, die vor mehr als 500 Jahren dorthin gelangten, erschien es eher als eine einheitliche Realität. Und vor allem ist die Gemeinschaft der einzelnen örtlichen Gemeinschaften untereinander ein lebendiges Zeichen der natürlichen Einheit der einzigen Kirche Jesu Christi, deren organischer Bestandteil sie sind. 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst sagte in englischer Sprache: 3. Jeder weiß, daß auf dem großen amerikanischen Kontinent die Ergebnisse der kolonialen Unternehmungen heute in der politischen und wirtschaftlichen Verschiedenheit desselben zutage treten, was zweifelsohne kulturelle und religiöse Auswirkungen hat. Im Vergleich zu anderen Ländern hat Nordamerika einen höheren Grad an technologischem Fortschritt und Wirtschaftswohlstand und ebenso in der Entwicklung demokratischer Einrichtungen erreicht. Angesichts dieser Realitäten kommen wir nicht umhin, nach den historischen Gründen zu fragen, die solche sozialen Unterschiede verursacht haben. In welchem Ausmaß haben diese Unterschiede ihre Wurzeln in der Geschichte der letzten 500 Jahre? In welchem Ausmaß zählt dabei das Erbe der Kolonialisierung? Und welchen Einfluß hatte die Erstevangelisierung? Um eine umfassende Antwort auf diese Fragen zu schaffen, wird es im Laufe der Synode notwendig sein, den Kontinent von Alaska bis nach Feuerland als ein einheitliches Ganzes zu betrachten, ohne dabei eine Trennung von Nord, Süd und dem Zentrum vorzunehmen, um nicht etwa dem Risiko zu verfallen, sie gegeneinander in Kontrast zu setzen. Wir müssen vielmehr unter Berufung auf die gemeinsamen religiösen und christlichen Traditionen nach den tieferen Gründen suchen, die zu einer solchen einheitlichen Betrachtungsweise Anlaß geben. Diese wenigen Angaben lassen uns bereits die Wichtigkeit der Synode verstehen, die heute eröffnet wird. ... und weiter in portugiesischer Sprache: 4. „Seid wachsam und haltet euch bereit, denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ Diese Mahnung, die wir soeben im Ruf zum Evangelium gehört haben, deutet auf das spirituelle Klima hin, das wir jetzt verspüren, insofern als sich das liturgische Jahr dem Ende zuneigt. Es ist ein Klima, durchwoben von eschatologischen Themen, die uns vor allem in der Perikope des Markusevangeliums vor Augen gestellt werden, wo Christus die Vergänglichkeit von Himmel und Erde hervorhebt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ {Mk 13,31). Die Gestalt dieser Welt vergeht, aber das Wort Gottes wird nicht vergehen. Wie vielsagend ist diese Gegenüberstellung! Gott vergeht nicht, noch vergeht das, was von Ihm kommt. Nicht vergeht das Opfer Christi, über welches wir heute im Brief an die Hebräer lesen: Christus hat „nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht“ {Hebr 10,12), und „durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt“ {Hebr 10,14). Im Verlauf dieser Synodenversammlung wollen wir innehalten und die Vergangenheit, besonders aber die Gegenwart des amerikanischen Kontinentes betrachten. Wir werden dafür Sorge tragen, daß in allen seinen Regionen die heilbringende Gegenwart Christi, seines Wortes und seines Opfers erkennbar wird, 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf daß all unsere Energien für den Dienst der Bekehrung und Evangelisierung neu belebt werden. Der Papst sagte in französischer Sprache: 5. Wie sollte man hier nicht an die bestärkenden Willenskundgebungen denken, die 1992 in Santo Domingo am Ende der Vierten Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe zu vernehmen waren, vor allem hinsichtlich der Zusammenarbeit der Hirten bezüglich der Neuevangelisierung? Es handelte sich damals um die Intensiviemng der missionarischen Pastoral in allen Gemeinden, um das Gewissen der Menschen neu für das Engagement zu wecken, auch über die Grenzen hinaus zu wirken, „um anderen Völkern den Glauben zu bringen, der uns vor 500 Jahren erreicht hat“ (Schlußbotschaft; in: O.R.dt., 20.11.92, S. 8). Laßt uns Gott danken, denn heute geht der Wunsch in Erfüllung, den ich zu Arbeitsbeginn jener Versammlung zum Ausdmck brachte. Ich unterstrich bei dieser Gelegenheit, daß „diese Generalversammlung die Gelegenheit benützen kann, in nicht ferner Zukunft eine Begegnung von Vertretern der Episkopate des ganzen amerikanischen Kontinents zu veranstalten - sie könnte auch synodalen Charakter haben —, um die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Einzelkirchen in den verschiedenen Bereichen der seelsorglichen Arbeit zu steigern. Im Rahmen der Neuevangelisierung und als Ausdruck der bischöflichen Gemeinschaft können dort auch die Probleme der Gerechtigkeit und Solidarität aller Nationen Amerikas behandelt werden“ {O.R.dt., 23.10.92). ... und schloß in italienischer Sprache: 6. Liebe Brüder und Schwestern! Laßt uns die Synodenarbeit im Kontext des bevorstehenden Abschlusses des liturgischen Jahres und nahenden Advents beginnen. Möge ein solch bedeutsames Zusammenfallen der Ereignisse die grundlegende Ausrichtung unserer Überlegungen und Entscheidungen mitbestimmen! Diese Zeit, liebe Brüder und Schwestern, lädt wirklich zu größter Wachsamkeit ein. Wir müssen wachen und beten, und wir müssen uns vor Augen halten, daß wir eines Tages vor dem Menschensohn erscheinen werden als Hirten der Kirche des amerikanischen Kontinents. Dir, Maria, Mutter der Hoffnung, die du an so zahlreich über den ganzen Kontinent verstreuten Wallfahrtsorten geliebt und verehrt wirst, dir vertrauen wir diese Synodenversammlung an. Hilf den Christen Amerikas, wachsame Zeugen des Evangeliums zu sein, um wach und bereit gefunden zu werden an dem großen und geheimnisvollen Tag, an dem Christus als der glorreiche Herr der Völker kommen wird, die Lebenden und die Toten zu richten. Amen! 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kulturelle und religiöse Bildungsstätte für den deutschen Sprachraum in Rom Schreiben zum 1.200jährigen Jubiläum der deutschen Nationalstiftung im Vatikan vom 21. November Hochwürdigstem Herrn Prälat Erwin Gatz Rektor des Priesterkollegs beim „Campo Santo Teutonico“ Im Schatten der Petersbasilika stößt man auf den „Campo Santo Teutonico“, den Friedhof der Deutschen und Flamen, der vom Priesterkolleg und der Kirche „Santa Maria della Pieta“ umgriffen wird. In diesen Tagen sind aus nah und fern Gäste nach Rom gekommen, um sich freudig der Wurzeln ihrer ehemaligen Ausbildungsstätte zu erinnern, die in der seit 1200 Jahren urkundlich überlieferten „Schola Francorum“ liegen. Im Bewußtsein dieses geschichtsträchtigen Ortes reihe ich mich geistig in die Festversammlung ein, die Gott, dem Geber alles Guten, in der Feier der Eucharistie Dank sagt für seine treue Begleitung, die er der Institution auf ihrem langen Weg durch die Zeit geschenkt hat. Der Anlaß ruft in mir noch einmal die persönlichen Erinnerungen wach, die sich mit meinem römischen Studienaufenthalt vor fünfzig Jahren verbinden und die ich vor einem Jahr anläßlich meines Goldenen Priesterjubiläums in meinem Buch Geschenk und Geheimnis festgehalten habe. Wie die Mitglieder des Priesterkollegs beim „Campo Santo Teutonico“, so habe auch ich damals „in der Ewigen Stadt auf intensive Weise Rom ,erlernt“, d. h. kennen- und verstehen gelernt [...]: das Rom der Katakomben, das Rom der Märtyrer, das Rom des Petrus und Paulus, das Rom der Bekenner. [...] Beim Abschied nahm ich im Gepäck nicht nur eine erweiterte theologische Kultur mit, sondern auch die Stärkung meines Priestertums und die Vertiefung meines Kirchenbildes“ (Geschenk und Geheimnis, S. 66). Indem ich allen Verantwortlichen für ihren Dienst im „Collegio Teutonico“ meine aufrichtige Wertschätzung ausdrücke, spreche ich den Wunsch aus, daß der Ort dieser ehrwürdigen Stiftung programmatisch sei für den Geist, der darin herrsche. Ich weiß um die Verbindung, die zwischen der Kirche im deutschsprachigen Raum und dem Nachfolger Petri besteht. Ich weiß um die Prägekraft dieser Einrichtung, die zahlreichen Persönlichkeiten sowohl die Grundeinstellung als auch die Kompetenz dafür vermittelt hat, das wissenschaftliche, kirchliche und gesellschaftliche Leben in ihrer Heimat im christlichen Sinn maßgeblich mitzugestalten. Möge die Nähe zum Grab des hl. Petrus ein Symbol des Ansporns und der Treue für all diejenigen sein, die heute und morgen aus dieser Bildungsstätte hervorgehen werden. Sie empfangen ihre Ausbildung an einer privilegierten Stätte, die den Blickwinkel um eine europäische und universale Dimension zu erweitern vermag. 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie die Kirche zur Schmerzhaften Muttergottes gleichsam als Herz dem Priesterkolleg eingepflanzt ist, so empfehle ich den „Campo Santo Teutonico“ der besonderen Fürsprache der Jungfrau Maria. Sie möge die Lebenswege aller leiten, die hier ein- und ausgehen: der Priester und Laien, der Professoren und Studenten, der Bewohner und Angestellten, der Mitglieder der Erzbruderschaft und nicht zuletzt der Schwestern der Christlichen Liebe, die sich in den Dienst des Kollegs stellen. Ihnen und allen, die sich zur 1200-Jahr-Feier eingefunden haben, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 21. November 1997 Joannes Paulus PP. II Selbstloser Dienst am Kranken als geistliche Berufung Schreiben zum 100. Jahrestag der Geburt des hl. Riccardo Pampuri an den Generalprior des Hospitalordens vom hl. Johannes von Gott vom 22. November An den hochwürdigsten Fra' Pascual Piles Ferrando Generalprior des Hospitalordens vom hl. Johannes von Gott 1. Bei der Hundertjahrfeier der Geburt des hl. Riccardo Pampuri möchte ich dem Herrn Dank sagen für diesen Heiligen, der Ihrer Ordensfamilie zur Ehre gereicht. Seine im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder („Fatebenefratelli“) auf der Tiberinsel aufbewahrten Reliquien liefern einen passenden Anlaß, um denen, die in diesem Hospital arbeiten, noch einmal das vielsagende Zeugnis seines Lebens vorzustellen, das ganz von dem asketischen Programm erfüllt war: „Ama nesciri et pro nihilo reputari“ [Liebe es, unbekannt zu sein und für nichts gehalten zu werden]. Ich hatte die Freude, diese lautere Persönlichkeit unserer Zeit 1981 selig-und 1989 heiligzusprechen. In ihr leuchten die Züge der Laienspiritualität auf, wie sie das II. Vatikanische Ökumenische Konzil Umrissen hat. Sein irdisches Leben, das kaum 33 Jahre umfaßte, zeigt, wie dieser junge Ordensmann in kurzer Zeit zum Gipfel der Heiligkeit zu gelangen vermochte. In seinen ersten Lebensjahren in Trivolzio und Torrino, während seiner Schul- und Universitätsjahre in Mailand und Pavia, an der italienisch-österreichischen Front im ersten Weltkrieg und dann als Gemeindearzt in Morimondo — überall hinterließ er Spuren des Mitempfindens und der Liebe zu den Armen. Vom Beispiel seiner Angehörigen und dem Umgang mit frommen und eifrigen Priestern angeregt, setzte er sich in vielfältiger apostolischer Tätigkeit ein: Er war eifriges und großherziges Mitglied des „Circolo Universitario“ und der Vinzenzkonferenz, Präsi- 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dent des Jugendverbandes der Katholischen Aktion, Franziskanerterziar und gab unermüdlich Anstöße zu Initiativen geistlicher und karitativer Formung. Im Alter von 30 Jahren trat er in den Orden der Barmherzigen Brüder ein und wurde einer von denen, die dessen Charisma besonders deutlich zum Ausdruck brachten. 2. „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17). Diese Frage scheint den jungen Mann, der immer auf der Suche nach der christlichen Vollkommenheit war, in Gedanken beschäftigt zu haben. „Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ (Mk 10,21). Von Glauben und tiefer Liebe erfüllt, antwortete er mit Freude auf die Einladung des Herrn, übergab sich vollkommen dem armen, demütigen und keuschen Christus und trat in den Orden der Barmherzigen Brüder ein. Er selbst litt an einer Krankheit, die er sich im Kriegsgebiet zugezogen hatte. Als er dann dem Charisma des hl. Johannes von Gott folgte, konnte er voll und ganz seinem Wunsch nachkommen und den Kranken das Evangelium des gekreuzigten und auferstandenen Christus verkünden. Wie der göttliche Meister empfand er die dringende Notwendigkeit, sich in die „Wüste“ zum Gebet zurückzuziehen (vgl. Mk 1,35), um dann den Brüdern, besonders den Kranken und Leidenden, dienen zu können. „Ich habe das Bedürfnis, mich ein wenig in der Gegenwart des Herrn zu sammeln, damit meine Seele nicht austrocknet und sich in sterilen und schädlichen äußeren Sorgen verliert“, schrieb er in einem Brief. Dieses Bedürfnis brachte ihn dazu, in beständiger Verbundenheit mit dem Herrn zu leben, lange vor dem Tabernakel zu verweilen und eine innige Verehrung der hl. Jungfrau zu pflegen. In der Schule des Evangeliums wurde er für alle, die ihn kannten, und besonders für die von ihm Betreuten, ein lebendes Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, stets bereit, in den Kranken den leidenden Christus zu sehen, niederzuknien auf der Schwelle der vom Leid heimgesuchten Häuser und sie nachher eilig wieder zu verlassen, ohne irgendeinen Entgelt zu erwarten. Da er entschlossen war, in der Nachfolge seines Herrn den Willen des Vaters bis zum Grund zu erfüllen, lebte er auch die Krankheit und den Tod als höchsten Akt des Gehorsams. 3. Wie sollten wir nicht die Botschaft aufnehmen, die in dem bei der Hundertjahrfeier erneut so beredt vorgestellten, wunderbaren Weg der Heiligkeit des hl. Riccardo Pampuri enthalten ist? Die Mitbrüder im Orden, dem er angehörte, die berufen sind, Christus in den Kranken zu dienen, weist das Zeugnis dieses jungen Chirurgen daraufhin, daß die Verbundenheit mit Gott beständig dem Ordensleben und der apostolischen Tätigkeit Nahrung geben muß. Den Laien, die in den Krankenhäusern arbeiten, legt der hl. Riccardo Pampuri als Arzt, der von seiner Sendung bei den Kranken ganz erfüllt war, ans Herz, ihren Beruf zu lieben und ihn als Berufung zu leben. Er, der bei der Sorge für die Lei- 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denden nie Wissenschaft und Glauben, zivilen Einsatz und apostolischen Geist voneinander trennte, fordert jeden im Krankendienst Tätigen auf, immer auf die Würde der menschlichen Person Rücksicht zu nehmen, um die „tägliche Pflicht“ im Geist des Guten Samariters zu erfüllen. Das Zeugnis, das er in seiner Todeskrankheit gab, ermutigt die Leidenden, nicht das Vertrauen auf Gott zu verlieren, sondern auch in der Prüfung den Liebesplan des Herrn anzunehmen. Während ich um den besonderen Schutz des hl. Riccardo Pampuri flehe, bete ich, daß die Feiern zum Jubiläum seiner Geburt und das ganze geistliche und kulturelle Programm, das in diesem Zusammenhang vorbereitet wurde, für jeden eine Gelegenheit zu erneutem Einsatz im christlichen Leben, in den zwischenmenschlichen Beziehungen und im Dienst an den Kranken seien. Mögen alle, die zur Verehrung der Reliquien des hl. Riccardo Pampuri hierherkommen, mit der Radikalität und der Großherzigkeit, die er bis zum Tod bezeugte, dem Beispiel des hl. Gründers des Hospitalordens, Johannes von Gott, folgen. Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen, Ihren Mitbrüdem, den Ordensschwestern und allen mit Ihnen im Rrankendienst Tätigen sowie den Kranken einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 22. Oktober 1997 Joannes Paulus PP. II Die Gemeinschaft der Brüder Andreas und Petrus ist Vorbild für unsere Kirchen Botschaft zum Fest des Apostels Andreas vom 25. November An Seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel, Ökumenischer Patriarch Das Fest des erstberufenen Apostels (vgl. Joh 1,40) ermöglicht der Kirche von Rom, ihre enge Verbundenheit mit der Kirche von Konstantinopel zum Ausdruck zu bringen. Andreas hat den Messias gefunden. Das teilt er seinem Bruder Simon mit und fuhrt diesen auch zu Jesus, der Simon den Namen Petrus gibt (vgl. Joh 1,41-42). Die Gemeinschaft der beiden Brüder bei der Aufnahme des Wortes Gottes bleibt ein Beispiel und Vorbild für die Kirchen, die unter ihren Schutz gestellt sind. Das empfangene Wort, das uns verwandelt, muß so verkündet werden, daß es durch alle Generationen, die berufen sind, von diesem Wort belebt zu werden, weitergegeben werden kann. Die ungebrochene Verbindung der apostolischen Sukzession gewährleistet die Echtheit ihrer Sendung. 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter diesem Blickwinkel bekommt unsere gegenseitige Teilnahme an den Feierlichkeiten für Petrus und Andreas ihre volle Bedeutung. Die Feier der Apostel, die Ursprung unserer Kirchen sind, ermöglicht uns ein erneuertes Bewußtwerden der Einheit, die schon existiert und die vollkommen hergestellt werden muß. Im Dank-, Lob- und Bittgebet vereint, erneuern wir vor Gott unseren Entschluß, zusammen auf das Ziel zuzugehen, zu dem wir berufen sind und an dem wir erwartet werden. Die Anwesenheit der Delegation unter der Leitung von Kardinal Edward Idris Cassidy, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, wird der sichtbare Ausdruck dieser Gefühle, dieser Entschlossenheit und dieser Hoffnung sein. Noch einmal möchte ich Ihnen, Heiligkeit, meine tiefe Verbundenheit aussprechen. Aus dem Vatikan, am 25. November 1997 Sende deinen Geist, o Herr, auf die Stadt Rom und die ganze Welt Predigt bei der Eucharistiefeier zur feierlichen Eröffnung des zweiten Vorbereitungsjahres für das Jubiläum des Jahres 2000 - Kreuzübergabe für die römische Stadtmission - am Ersten Adventssonntag, 30. November 1. „Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt“ (Lk 21,36). Die vom Lukasevangelium berichteten Worte Christi führen uns ein in die tiefe Bedeutung der Liturgie, die wir jetzt feiern. An diesem Ersten Adventssonntag, der den Beginn des zweiten Jahres der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 kennzeichnet, erklingt die Aufforderung zu wachen und zu beten, um für die Begegnung mit dem Herrn bereit zu sein, lebendiger und aktueller denn je. Unsere Gedanken richten sich vor allem auf die Begegnung des bevorstehenden Weihnachtsfests, wenn wir erneut vor der Krippe des neugeborenen Erlösers niederknien werden. Doch die Gedanken gehen auch zum großen Datum des Jahres 2000, an dem die gesamte Kirche mit ganz besonderer Intensität das Mysterium der Menschwerdung des „Wortes“ wieder erleben wird. Wir sind aufgerufen, unsere Schritte auf dieses Ziel hin zu beschleunigen und uns, insbesondere in diesem Kirchenjahr, vom Licht des Heiligen Geistes leiten zu lassen. „Zu den wichtigsten Aufgaben der Vorbereitung auf das Jubeljahr gehört daher die Wiederentdeckung der Anwesenheit und Wirksamkeit des Geistes“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 45). In dieser Hinsicht verrichtet das Komitee für das Große Jubiläum seine Arbeit mit unverändert lobenswertem Einsatz. Sein wertvoller Dienst an der Kirche verdient 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ermutigung, insbesondere in dieser dem historischen Datum bereits so nahen Phase. Dank der Bildungs- und Koordinierungsinitiativen dieses Zentralorgans wird der Weg, der das Gottesvolk zum Überschreiten der Schwelle des dritten Jahrtausends fuhrt, immer besser orientiert und motiviert werden können. 2. Die Kirche in Rom trifft heute auch aus einem anderen Grund in dieser Basilika zusammen: zur Übergabe des Kreuzes an die Missionare und Missionarinnen, die die Aufgabe übernehmen, in den verschiedenen Lebensbereichen der Stadt das Evangelium zu verkünden. Gerade haben wir die Worte des Apostels Paulus vernommen: „Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen [...]“ (7 Thess 3,12). Mit diesem Wunsch überreicht euch der Bischof von Rom das Kreuz: euch allen, liebe Missionare und Missionarinnen, und euren Pfarrgemeinden. Liegt nicht etwa hier das Geheimnis für den Erfolg der Stadtmission? Jesus selbst hat die Wirksamkeit der Verkündigung von der gegenseitigen Liebe seiner Jünger abhängig gemacht: „... sie sollen in uns eins sein, damit die Welt glaubt....“ (vgl. Joh 17,21). Der Erfolg der Mission hängt von der Intensität der Liebe ab. Die dritte Person der Heiligen Dreifaltigkeit ist die subsistierende [d. h. aus sich heraus bestehende] Liebe. Wer kann besser als der Heilige Geist Liebe in unsere Herzen ausgießen (vgl. Röm 5,5)? Das Zusammentreffen der Eröffnung des zweiten Vorbereitungsjahres für das Große Jubiläum, des Jahres des Heiligen Geistes, mit der Übergabe des Kreuzes an euch, die ihr während dieses Jahres die Hauptakteure der Mission in der ganzen Stadt sein werdet, ist also von der Vorsehung gewollt. Das sichert euch den besonderen Beistand des Heiligen Geistes, des unbestreitbar ersten Hauptakteurs der Mission. 3. „Öffne die Tür für Christus, deinen Retter!“ Dieser Aufruf steht im Mittelpunkt der Stadtmission, er soll aber vor allem in unseren Herzen widerhallen. Wir als erste sollen Christus die Tür unseres Gewissens und unseres Lebens öffnen und gehorsam werden gegenüber dem Wirken des Geistes, um so dem Herrn immer ähnlicher zu werden. Denn man kann ihn in der Tat nicht verkünden, ohne sein Bild widerzuspiegeln, das durch die Gnade und das Wirken des Geistes in uns lebendig wird. Liebe Missionare und Missionarinnen, habt eine starke Liebe zu den Menschen und Familien, denen ihr begegnen werdet! Die Menschheit braucht Liebe, Verständnis und Vergebung. Seid mit eurer Aufmerksamkeit vor allem jenen Familien nahe, die mit Schwierigkeiten sowohl im Glauben als auch im Eheleben zu kämpfen haben oder deren Existenz von Armut und Leid gekennzeichnet ist. Jede Familie Roms soll in euren Taten und Worten ein Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit und der Aufhahmebereitschaft der Kirche sehen. Versucht, auch nach eurem Besuch so lange wie möglich die persönliche Beziehung zu den Familien und jedem einzelnen ihrer Mitglieder aufrechtzuerhalten. 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebt die Kirche, deren Glieder und Missionare ihr seid. Lehrt durch Rede und Vorbild, sie zu lieben. Habt Anteil an ihrem leidenschaftlichen Einsatz für die Erlösung der Menschheit. Liebt die Kirche, die - durch das am Kreuz vergossene Blut Christi gereinigt - heilig ist. Bemüht auch ihr euch darum, heilig zu sein! Nehmt die Ermahnung des hl. Paulus aus der Zweiten Lesung an, „... damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott“ (/ Thess 3,13). Die Berufung zur Mission geht aus der Berufung zur Heiligkeit hervor. Folgt ihr mit Großherzigkeit. Öffnet die Türen eures Lebens für das Geschenk des Heiligen Geistes, des Heiligmachers, der das Angesicht der Erde erneuert und Herzen aus Stein in Herzen aus Fleisch verwandelt, die fähig sind zu lieben, wie Christus uns geliebt hat (vgl. Joh 15,12). 4. Wenn ihr von Haus zu Haus geht und jede Familie eurer Pfarrei besucht, könnt ihr wie der Apostel Paulus sagen: Ich bin zu euch gekommen in Schwäche und Furcht, zitternd und bebend, um euch Jesus Christus, den Gekreuzigten, zu verkünden (vgl. 1 Kor 2,1-3). Diese Schlichtheit der Verkündigung, begleitet von der Liebe zu den Menschen, denen ihr begegnet, ist die wahre Kraft eures missionarischen Dienstes. Gegenüber der Überzeugungs- und Anziehungskraft der vielen menschlichen Botschaften, die Tag für Tag auf das Leben der Menschen einstürmen, mag das Evangelium, oberflächlich betrachtet, vielleicht arm und schwach erscheinen, in Wirklichkeit aber ist es das machtvollste und wirksamste Wort, das gesagt werden kann, denn es dringt in die Herzen ein und öffnet dank des geheimnisvollen Wirkens des Heiligen Geistes den Weg zur Umkehr und zur Begegnung mit Gott. Ich möchte den Wunsch des Apostels zu dem meinen machen, daß ihr wachst und euch auf dem Weg des Guten auszeichnet: „Ihr habt von uns gelernt, wie ihr leben müßt, um Gott zu gefallen, und ihr lebt auch so; werdet darin noch vollkommener!“ (7 Thess 4,1). Die Mission soll in der Tat für jede Pfarrgemeinde eine willkommene Gelegenheit sein, neue Beziehungen zu den Menschen, die auf ihrem Gebiet wohnen, aufzubauen, um das Angebot des Glaubens besser an alle herantragen zu können, besser auf Forderungen und Erwartungen eingehen und im täglichen Leben jedes einzelnen vermehrt anwesend sein zu können. So kann die Pfarrei auf authentischere Weise sie selbst sein in großherzigem Apostolats- und Missionseinsatz an den außerhalb von ihr Lebenden. 5. Liebe Missionare und Missionarinnen Roms! Ich sage heute zu euch, was ich am vergangenen 8. September an die Jugendlichen geschrieben habe, wobei ich sie aufforderte, allen bereitwillig entgegenzugehen und zu helfen, die sich dem Glauben und der Kirche nähern wollen, damit keiner von denen verlorengeht, die uns der Vater über den Weg schickt (vgl. Brief an die Jugendlichen von Rom, Nr. 9; in: O.R.dt., 3.10.97, S. 10 f.). Dasselbe sage ich auch euch Priestern und Diakonen, damit ihr das Geschenk Gottes neu belebt, das euch durch die Auflegung der Hände des Bischofs zuteil geworden ist (vgl. 2 Tim 1,6). Geht mit der Liebe und Sorge des Guten Hirten auf 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Suche nach denen, die sich entfernt haben und auf eine Geste, ein Wort von euch warten, um die Liebe Gottes und seine Vergebung wiederentdecken zu können. Euch Ordensleuten möchte ich die Mission als günstigen Boden für ein kraftvolles Zeugnis freudigen Dienstes am Evangelium nahelegen. Insbesondere die Klausur-schwestem möchte ich darin bestärken, durch das ständige Gebet der Anbetung und Kontemplation des Mysteriums des Kreuzes und der Auferstehung das eigentliche Herz der Mission zu sein. Euch liebe Jungen und Mädchen möchte ich noch einmal daran erinnern, daß eure aktive Teilnahme an der Stadtmission ein unverzichtbares Geschenk für die Gemeinschaft ist. Werdet Protagonisten des schönsten und begeisterndsten Abenteuers, für das es sich lohnt, zu leben: das Abenteuer der Verkündigung Christi und seines Evangeliums. Mit der Begabung und den Fähigkeiten, die der Herr euch geschenkt hat, könnt und sollt ihr in dieser unserer geliebten Stadt zum Heilswerk beitragen. Auch euch, liebe christliche Familien, die ihr so reich an Glauben und Liebe beschenkt seid, möchte ich erneut auffordem, eure Berufung zur Mission mit großer Einsatzbereitschaft zu leben und anderen Familien in eurer Nachbarschaft in Freundschaft und Solidarität zu dienen und mutig die Wahrheit des Evangeliums an sie heranzutragen. Meine Gedanken gelten nun vor allem euch Kranken, Alten und Alleinstehenden. Euch ist eine ganz besondere Aufgabe in der Mission anvertraut: Ihr bringt eure täglichen Gebete und Leiden für den Erfolg dieses Apostolatsuntemehmens dar, damit die Gnade des Herrn die Missionare beim Besuch der Familien begleite und die Herzen derer, die sie bei sich empfangen, zur Umkehr bereit mache. 6. „Seht, es werden Tage kommen [...], da erfülle ich das Heilswort, das ich [...] gesprochen habe“ (Jer 33,14). Durch das Wirken des Geistes führt der Herr die Geschichte des Heils durch die Jahrhunderte bis zu ihrer Vollendung am Ende der Zeiten. „Sende deinen Geist und erneuere das Angesicht der Erde!“ Wie auf Maria, die Jungfrau des Advents, so sende auf uns deinen Geist herab. Sende deinen Geist, o Herr, auf die Stadt Rom, und erneuere ihr Angesicht! Sende deinen Geist auf die ganze Welt, die sich vorbereitet, in das dritte christliche Jahrtausend einzutreten. Hilf uns, daß wir wie Maria das Geschenk deiner göttlichen Gegenwart und deines Schutzes annehmen. Hilf uns, folgsam zu beachten, was der Geist uns rät, damit wir mit Mut und apostolischem Eifer das „Wort“ verkünden können, das fleischgeworden ist, um unter uns zu wohnen: Jesus Christus, den menschgewordenen Gott, der uns durch seinen Tod und seine Auferstehung erlöst hat. Amen! 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Komm, Geist der Liebe und des Friedens! Gebet zum Heiligen Geist für das zweite Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vom 30. November Heiliger Geist, du liebevoller Gast der Seelen, enthülle uns den tiefen Sinn des Großen Jubeljahres, und mache unser Herz bereit, daß wir es im Glauben feiern, in der Hoffnung, die nicht enttäuscht, in der Liebe, die keine Gegenleistung erwartet. Geist der Wahrheit; der du die Tiefen Gottes ergründest und in der Kirche Gedächtnis und Prophezeiung weckst, leite die Menschheit, daß sie in Jesus von Na-zaret den Herrn der Herrlichkeit erkennt, den Erlöser der Welt, die endgültige Erfüllung der Geschichte. Komm Geist der Liebe und des Friedens! Schöpfergeist, geheimnisvoll verborgen baust du das Reich Gottes auf. Führe die Kirche durch die Kraft deiner heiligen Gaben, daß sie mutig die Schwelle des neuen Jahrtausends überschreitet, um den künftigen Generationen das Licht des rettenden Gotteswortes zu bringen. Geist der Heiligkeit, göttlicher Hauch, der das Weltall bewegt, komm und erneuere das Angesicht der Erde! Wecke in den Christen das Verlangen nach voller Einheit, damit sie in der Welt wirksam Zeichen und Werkzeug der tiefen Verbindung mit Gott und der Einheit des ganzen Menschengeschlechtes seien. Komm, Geist der Liebe und des Friedens! Geist der Gemeinschaft, Seele und Stütze der Kirche, gib, daß der Reichtum an Charismen und Diensten beitrage zur Einheit des Leibes Christi. Laß Laien, Ordensleute und Priester gemeinsam dämm bemüht sein, das eine Reich Gottes aufzubauen. Geist des Trostes, unerschöpfliche Quelle der Freude und des Friedens, erwecke Solidarität mit den Bedürftigen, laß den Kranken die nötige Hilfe zuteil werden, erfülle die Geprüften mit Vertrauen und Hoffnung, belebe in allen neu den Einsatz für eine bessere Zukunft. Komm Geist der Liebe und des Friedens! Geist der Weisheit, der den Verstand und das Herz berührt, weise der Wissenschaft und der Technik den Weg zum Dienst am Leben, zum Dienst für Gerechtigkeit und Frieden! Mache fruchtbar den Dialog mit jenen, die anderen Religionen angehören, gib, daß die verschiedenen Kulturen sich für die Werte des Evangeliums öffnen! 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geist des Lebens, durch dessen Wirken das Wort Fleisch geworden ist im Schoß der Jungfrau, der Frau des Schweigens und des Zuhörens, mach uns gelehrig für das, was deine Liebe uns eingibt und stets bereit die Zeichen der Zeit aufzunehmen, die du auf dem Weg der Geschichte setzt. Komm, Geist der Liebe und des Friedens! Dir, Geist der Liebe, sei mit dem allmächtigen Vater und dem eingeborenen Sohn Lob, Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen. Film als Träger und Vermittler von Bildung und Kultur Ansprache beim Internationalen Studientreffen „Film, Übermittler von Spiritualität und Kultur“ am 1. Dezember Herr Kardinal, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, Ihnen, die Sie an dem Internationalen Studientreffen: „Film, Vermittler von Spiritualität und Kultur“ teilnehmen, zu begegnen. Dem Päpstlichen Rat für die Kultur und dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, die in Zusammenarbeit mit der „Rivista del Cinema-tografo dell'Ente dello Spettacolo“ dieses Treffen veranstaltet haben, bringe ich meine Wertschätzung zum Ausdruck. Zusammen mit meinem herzlichen Grußwort an Sie möchte ich auch diejenigen grüßen, die im Bereich von Kultur, Kommunikation und Film mit Ihnen Zusammenarbeiten, und Ihnen allen eine zunehmend erfolgreiche Arbeit wünschen. 2. Vor kurzem hat der Film das erste Jahrhundert seines Bestehens vollendet, und er zieht weiterhin das Interesse der Öffentlichkeit an, die ihn als Gelegenheit, ein Schauspiel zu erleben, wahmimmt. Der Film besitzt aber auch die Fähigkeit, das persönliche Wachstum zu fordern, wenn er den Menschen zu ästhetischer und geistiger Erhebung führt. Aus diesem Grund möchte die Kirche im Kontext dieses ersten Festivals „Tertio Millennio“ ihren Beitrag leisten zur Reflexion über die geistigen und kulturellen Werte, deren Träger der Film sein kann. Die Kirche hat die Bedeutung der sozialen Kommunikationsmittel schon seit deren Aufkommen anerkannt als nützliche Instrumente zur Bekanntmachung und Wertschätzung der menschlichen und religiösen Werte, die das Reifen der Person unterstützen. Sie hat die auf diesem schwierigen Gebiet Arbeitenden auf ein hohes Verantwortungsbewußtsein hingewiesen. Der Film steht Seite an Seite mit diesen Mitteln und bedient sich dabei seiner eigenen Sprache, die es gestattet, Personen verschiedener Kulturen zu erreichen. In den ersten hundert Jahren seines Bestehens ging der Film Seite an Seite mit anderen Kunstformen, die schon vor ihm be- 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN standen hatten, und verband sich mit ihnen auf neue und eigene Weise, und so brachte er Meisterwerke zustande, die jetzt ein wesentlicher Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes sind. Es war ein Fortschritt auf technischer wie auf künstlerischer und menschlicher Ebene. Im ersten Jahrhundert des Films sind bedeutende Fortschritte zustandegekommen, die ihm große Ausdrucksmöglichkeiten geboten haben, wenn die Technik es auch in manchen Fällen mehr auf die besondere Wirkung als auf den Inhalt abgesehen hat. 3. Der wirkliche Fortschritt dieser modernen Form der Kommunikation bemißt sich nach ihrer Fähigkeit, Gehaltvolles zu übertragen und Lebensmodelle vorzustellen. Wer zu einer der in verschiedenen Formen angebotenen Filmvorführungen geht, spürt die Kraft, die davon ausgeht, denn der Film vermag das Denken und Verhalten von ganzen Generationen zu lenken. Darum ist es von Bedeutung, daß er positive Werte anzubieten hat und die Würde der menschlichen Person respektiert. Neben Filmstreifen, die mehr den Charakter zur Unterhaltung aufweisen, gibt es eine Menge von Filmen, die mehr zugänglich sind für existentielle Probleme. Deren Erfolg ist vielleicht weniger lautstark, aber sie spiegeln die Arbeit großer Meister wider, die durch ihr Werk dazu beigetragen haben, das kulturelle und künstlerische Erbe der Menschheit zu bereichern. Angesichts solcher Filme wird der Zuschauer zum Nachdenken über Aspekte einer ihm manchmal unbekannten Wirklichkeit gebracht, die Bilder geben ihm innerlich Fragen auf, und er spiegelt sich in ihnen, er konfrontiert sich mit verschiedenen Perspektiven und kann nicht gefühllos bleiben für die Botschaft, die ihm das Filmwerk übermittelt. Der Film ist imstande, Augenblicke besonderer Intensität zu schaffen, wenn er in den Bildern einen Augenblick des Lebens festhält und bei ihm verweilt mit einer Sprache, die zum Ausdruck echter Poesie werden kann. So kann diese neue Art Kunst viel Wertvolles beitragen zu dem unerschöpflichen Weg der Suche, den der Mensch geht, wenn er die Kenntnis der ihn umgebenden Welt wie auch die seines inneren Universums erweitert. Natürlich ist es notwendig, den Zuschauern, besonders den jüngeren, zu helfen, daß sie eine Fähigkeit zu kritischem Betrachten der vorgelegten Botschaften in sich ausbilden, damit der Film zum umfassenden, harmonischen Wachstum der Person beitrage. 4. Der Film hat Themen aufgegriffen, die vom Glauben inspiriert waren, und er greift sie auch weiterhin auf. In dieser Hinsicht sind die Heilige Schrift, das Leben Jesu, Marias und der Heiligen, wie auch die Probleme der Kirche unerschöpfliche Quellen für den, der auf der Suche ist nach dem geistigen und religiösen Sinn des Lebens. So ist es ein Erfolg, daß die Filmkunst oftmals eine erhabene Botschaft zu übermitteln wußte und dazu beigetragen hat, die Respektierung jener Werte zu verbreiten, die das Herz des Menschen bereichern und ohne die es sehr schwierig ist, ein erfülltes und umfassendes Dasein zu leben. 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Film kann auf diese Weise einen wertvollen Beitrag zur Kultur leisten und der Kirche eine besondere Mitarbeit anbieten. Das wird vor allem bedeutsam, während wir uns anschicken, die Schwelle zu einem neuen christlichen Jahrtausend zu überschreiten. Es wäre mein Wunsch, daß die mit dem Glauben verbundenen Themen immer mit Sachkenntnis und gebührender Achtung behandelt werden. Auch in den Filmen mit nicht ausgesprochen religiöser Thematik lassen sich echte menschliche Werte finden, eine Auffassung vom Leben und eine Sicht der Welt, die zum Transzendenten hin offen sind. So wird der Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen möglich, die sich an dem offenen Fenster zeigen, das der Film anbietet: Auf diese Weise werden die Entfernungen in der Welt abgekürzt, und das gegenseitige achtungsvolle Verstehen wird begünstigt. 5. Dieses Kommunikationsmittel kann also auch eine pädagogische Funktion übernehmen, die dem Menschen zur Kenntnis der universalen Werte in den verschiedenen Kulturen verhilft und ihn dazu bringt, die berechtigten Unterschiede als Gelegenheit zu wechselseitigem Austausch von Gaben wahrzunehmen. Der Film ist ein Mittel, das besonders dazu geeignet ist, das unaussprechliche Geheimnis zu erzählen, das die Welt und den Menschen umgibt. Durch Bilder spricht der Regisseur mit dem Zuschauer, überträgt er ihm seine Gedanken, treibt er ihn an, sich Situationen gegenüberzustellen, die das Innere des Menschen nicht unberührt lassen können. Wenn er sich über die Kunst hinaus mit Verantwortungsbewußtsein und Klugheit auszudrücken versteht, kann er seinen spezifischen Beitrag zum großen Dialog zwischen Menschen, Völkern und Kulturen leisten. So wird er in gewisser Weise zum Erzieher, nicht nur für seine Zeitgenossen, sondern auch für kommende Generationen, wie es auch bei anderen Kulturschaffenden der Fall ist. Der Film ist also ein äußerst sensibles Instrument, fähig, in der Zeit jene Zeichen zu lesen, die manchmal dem Blick eines oberflächlichen Beobachters entgehen können. Wenn vom Film guter Gebrauch gemacht wird, kann er zum Wachstum wahrer Menschlichkeit und schließlich zu dem Lob beitragen, das sich vom Geschöpf zum Schöpfer erhebt. Dies ist mein Wunsch für Ihre Tätigkeit. Ich rufe das Licht des Heiligen Geistes auf Ihre Mühen im Dienst der Kultur, des Friedens und des Dialogs herab und erteile Ihnen allen und Ihren Lieben von Herzen den Apostolischen Segen. 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bleibe bei uns, Makellose Mutter, bei der Vorbereitung auf das Jahr 2000 Gebet am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria an der Mariensäule auf der Piazza di Spagna am 8. Dezember 1. Wir grüßen Dich, Tochter Gottes, des Vaters! Wir grüßen Dich, Mutter des Sohnes Gottes! Wir grüßen Dich, Braut des Heiligen Geistes! Wir grüßen Dich, Wohnstatt der Heiligsten Dreifaltigkeit! Mit diesem Gruß treten wir an Deinem Festtag mit kindlichem Vertrauen vor Dich hin, und wir verweilen, wie es nun schon Tradition ist, zu Füßen dieser historischen Säule beim jährlichen Treffen auf dem Spanischen Platz. Von hier aus, geliebte und verehrte Mutter alle, wachst Du über der Stadt Rom. 2. Bleibe bei uns Makellose Mutter, mitten in unserer Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Wache, wir bitten Dich, in besonderer Weise über das Triennium der letzten Jahre des zweiten Jahrtausends: 1997, 1998 und 1999, Jahre, die der Betrachtung des dreifältigen Geheimnisses Gottes geweiht sind. Wir haben den Wunsch, dieses unser an Ereignissen reiches Jahrhundert und das zweite christliche Jahrtausend mögen schließen unter dem Siegel des dreifältigen Gottes. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes beginnen wir jeden Tag die Arbeit und das Gebet. Und auch wenn wir unsere Tätigkeit beenden, wenden wir uns an den himmlischen Vater und beten: „Durch unseren Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes.“ Und so geht die Kirche Roms, verbunden mit den Gläubigen der ganzen Welt betend dem Abschluß des zwanzigsten Jahrhunderts entgegen, um mit erneuertem Herzen ins dritte Jahrtausend einzutreten. 3. Wir grüßen Dich, Tochter Gottes, des Vaters! Wir grüßen Dich, Muttes des Sohnes Gottes! Wir grüßen Dich, Braut des Heiligen Geistes! Wir grüßen Dich, Wohnstatt der Heiligsten Dreifaltigkeit! Aus diesem Gruß leuchtet auf, wie sehr Du vom Leben Gottes selbst erfüllt bist, von seinem tiefen, unaussprechlichen Geheimnis. Du bist ganz durchdrungen von diesem Geheimnis vom ersten Augenblick Deiner Empfängnis an. Du bist voll der Gnade, Immaculata, Makellose! 4. Wir grüßen Dich, Makellose Mutter Gottes! Nimm an unser Gebet und würdige Dich, die Kirche Roms und der ganzen Welt Deinem Sohn vorzustellen in jener Fülle der Zeit, der das Weltall entgegengeht, seit dem Tag, an dem Dein göttlicher Sohn, unser Herr Jesus Christus, in die Welt 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kam. Er ist der Anfang und das Ende, das Alpha und das Omega, der König der Zeiten, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung, der Erste und der Letzte. In Ihm findet alles seine endgültige Erfüllung; in Ihm reift alles, was da ist, heran zu dem Maß, das Gott in seinem geheimnisvollen Liebesplan gewollt hat. 5. Wir grüßen Dich, Du weiseste Jungfrau! Wir grüßen Dich, Du gütigste Jungfrau! Bitte für uns! Tritt für uns ein, Du Makellose Jungfrau, unsere barmherzige und mächtige Mutter, Maria! Bitte um Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaften Worte beim Besuch in der Basilika Santa Maria Maggiore am 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nach der gewohnten Ehrenbezeigung an die Heilige Jungfrau auf dem Spanischen Platz führt mich mein kurzer marianischer Pilgerweg des 8. Dezember jetzt in diese uralte, der Muttergottes geweihte Basilika, um im Gebet vor der Ikone der Salus Populi Romani (Heil des Römischen Volkes) zu verweilen, die von den Römern und den Pilgern so sehr verehrt wird. Ich grüße Dich, Du Gnadenvolle, Heil des Römischen Volkes! Ich komme zu Dir als Bischof von Rom und als ein Dir Ergebener. Ich komme als Hirte der Universalkirche, der in Dir seine Mutter und sein Vorbild erkennt. Mit meinem heutigen Kommen nach Santa Maria Maggiore bietet sich die glückliche Gelegenheit, einen herzlichen Gruß an alle zu richten, die pastorale Dienste und die Erfordernisse der Verwaltung an der Basilika versehen, an das „Liberianische Kapitel“, die anwesenden Gläubigen und die Pilger, die in so großer Zahl aus allen Teilen der Welt hierherkommen. Ihnen allen möge Maria mit ihrem mütterlichen Schutz Beistand und Trost schenken. 2. Im übrigen freue ich mich, mit diesem meinen Besuch bei der Jungfrau, dem Heiligtum des Geistes Gottes, das zweite Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 zu beginnen, das Jahr, das dem Heiligen Geist geweiht ist. Maria vertraue ich den Weg der Kirche zur heiligen Pforte des dritten Jahrtausends an. Sie, die Braut des Heiligen Geistes und die vollkommen mit ihm zusammen Wirkende, möge die christliche Gemeinschaft von heute lehren, sich vom göttlichen Geist fuhren und gleichsam durchdringen zu lassen, damit die Bande der Liebe und der Gemeinschaft in ihr erstarken und die Botschaft von Christus, dem Erlöser der Welt, glaubhaft zu allen gelange. In besonderer Weise bitte ich für die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika, die nunmehr ihrem Abschluß entgegengeht. Möge die Heilige Jungfrau, die in so vielen Heiligtümern 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jenes Kontinents verehrt wird, das Geschenk einer echten Erneuerung für die christlichen Gemeinschaften Amerikas erlangen. Sodann wende ich mich an Maria, Salus Populi Romani, und bitte sie, über der römischen Stadtmission zu wachen, die jetzt ihren eigentlichen Anfang nimmt. Die Fürbitte Marias unterstütze den Einsatz des Kardinalvikars, der Weihbischöfe, der Pfarrer und Pfarrvikare und aller Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen, der Missionare und Missionarinnen. 3. Von diesem marianischen Herzen Roms aus bitte ich für alle, die in unserer Stadt leben. Ich bitte für alle gemäß den besonderen Anliegen, die dieser Ort und die liturgische Zeit des Advents nahelegen, und erflehe für jeden Mann und jede Frau, für jede Familie und jeden Lebensbereich das Geschenk der Hoffnung. Wie zahlreich sind die Erwartungen dieser Stadt! Möge der Herr geben, daß sie nicht enttäuscht werden und zu Entmutigung und Resignation führen. Möge der Heilige Geist in allen die Tugend der Hoffnung entzünden, um gemeinsam das Rom des Jahres 2000 aufzubauen, eine Stadt, die für die ganze Welt ein Zeichen der Hoffnung sei. Makellose Jungfrau, Salus Populi Romani, bitte für uns! Christliche Liehe kommt heute in der Solidarität zum Ausdruck Ansprache an die Mitglieder der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika am 11. Dezember Meine Herren Kardinäle, geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind nun am Ende der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika angelangt. In diesem Augenblick öffnet sich mein Herz zunächst zur Danksagung an Gott: Von ihm kommt „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk“ (Jak 1,17). Ich empfinde große Dankbarkeit gegenüber all denen, die bei der jetzigen Synodenversammlung Werkzeuge Gottes gewesen sind, um seiner Kirche diese geistlichen Reichtümer zu vermitteln. Mein lebhafter Dank gilt den Synodenvätem, die als Hauptverantwortliche die Last der Arbeit getragen haben und denen nun das Verdienst der Früchte zukommt. Jeden Tag haben die Delegierten Präsidenten wirksam die Versammlung geleitet; der Generalrelator und die beiden Sondersekretäre haben dazu verholfen, das Synodenthema mit Kompetenz zu behandeln; der Generalsekretär hat die Versammlung auf dem komplexen Weg der Synode sicher geführt. Die Bruderdelegierten aus bestimmten christlichen Konfessionen Amerikas und eine gute Zahl von Männern und Frauen, die als Assistenten und Assistentinnen, 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auditoren und Auditorinnen gekommen waren, haben einen an Bedeutung reichen Teil dazu beigetragen. Und wie könnte man vergessen, daß die Versammlung vorbereitet wurde durch das Gebet, die Reflexion und die Konsultation aller Teilkirchen sowie anderer dafür ausgewählter Organismen wie auch durch die verschiedenen Versammlungen des Vorsynodalen Rates? Die harmonische Zusammenarbeit zahlreicher kirchlicher Komponenten wie auch verschiedener Organe und Dienste des Apostolischen Stuhls haben sicher zum glücklichen Gelingen der Arbeiten beigetragen. Wir behalten auch die zahlreichen Personen im Gedächtnis, die die Synodenarbeiten durch die Aufopferung ihrer Leiden und ihr ständiges Gebet begleitet haben. Allen und jedem gilt mein persönlicher Dank. Der Papst hatte auf französisch gesprochen und fuhr auf spanisch fort: 2. So sind wir am Ende dieser interessanten kirchlichen Erfahrung angekommen, bei der wir wirklich „miteinander gegangen“ (syn-odos) sind. Die heutige Begegnung bietet uns die Gelegenheit, eine erste Bilanz zu ziehen. Morgen vormittag werden wir bei der Eucharistiefeier unter meinem Vorsitz in der Vatikanbasilika dem Herrn danken können für die in diesen Wochen gesammelten Früchte des Apostolats für den amerikanischen Kontinent, von Alaska bis Feuerland, vom Pazifik bis zum Atlantik. Für die Zukunft habe ich, wie es nach jeder Synode Brauch ist, die Absicht, ein Nachsynodales Apostolisches Schreiben zu veröffentlichen, das die von der Versammlung gutgeheißenen Propositiones und die reichhaltigen Beiträge und Berichte berücksichtigen wird mit dem Ziel, den im Lauf der Synodenarbeiten vorgebrachten pastoralen Empfehlungen wirksam Ausdruck zu geben. Diese Tage, die wir miteinander verbracht haben, waren eine wahre Gnade des Herrn. Wir haben eine besondere Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus erfahren und geeinigt einen Weg der Umkehr, der Gemeinschaft und der Soliarität beschritten. Wir haben uns im Namen Jesu versammelt gefühlt (vgl. Mt 18,19-20) dank des Wirkens des Heiligen Geistes, der die Gegenwart und die Zukunft des amerikanischen Kontinentes erleuchtet mit der Freude der Hoffnung, die nie enttäuscht (vgl. Rom 5,5). Durch die zahlreichen Wortbeiträge, die die Größe und Schönheit der christlichen Berufüng in Erinnerung brachten, wurden wir alle ermutigt, Christus, dem Hirten, Priester und Propheten, zu folgen - jeder nach seiner eigenen Berufüng. Die gemeinsame Berufüng, Christus nachzufolgen, ließ uns empfinden, wie besorgniserregend die Situationen, in denen viele unserer Brüder und Schwestern leben, immer noch sind. Nicht wenige von ihnen befinden sich in einer Lage, die der Würde von Kindern Gottes zuwiderläuft: äußerste Armut, das Fehlen eines Mindestmaßes an Krankenversorgung, immer noch verbreiteter Analphabetismus, Ausbeutung, Gewalt und Drogenabhängigkeit. Und was soll man von dem psychologischen Druck auf die Bevölkerung sagen, der in Industriegesellschaften 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausgeübt wird und auf verschiedene Weise den Zugang zu den lebendigen Quellen des Evangeliums behindert: ein Klima des Mißtrauens gegenüber der Kirche, antireligiöse Kampagnen in den Massenmedien, der verderbliche Einfluß der Permis-sivität und die Faszination leicht verdienten Geldes auch illegaler Herkunft. Der Hinweis auf solche beklagenswerte Situationen tauchte in vielen Beiträgen von Synodenvätem auf. Auf portugiesisch sagte der Papst: 3. Neben diesen mutigen Anklagen laßt ihr jedoch nicht davon ab, auf Gründe der Hoffnung und des Trostes hinzuweisen. Eine stets größere Zahl von Jugendlichen entscheidet sich für das Priestertum oder das Ordensleben und stellt ihre Energien und ihre Kreativität in den Dienst der Neuevangelisierung. Viele wohlverdiente Priester und viele dem Charisma ihrer Institute treuen Ordensleute stehen euch in eurem Apostolat zur Seite, ehrwürdig Brüder. Wie sollte man die Tausende von Laien vergessen, die in Antwort auf euren Aufruf eure engen Mitarbeiter in der Apostolatstätigkeit werden? Sie helfen auf die verschiedensten Weisen im Werk der Evangelisierung mit - vor allem in den kleinen Gemeinschaften von Gläubigen, die sich sowohl in den Zentren der großen Städte als auch in den abgelegensten Siedlungen auf dem Land versammeln, um zu beten und das Wort Gottes zu hören. Es gibt auch Laien - Männer und Frauen -, die ihrer spezifischen Laienberufung folgen und sich mit Kompetenz auf den verschiedenen Gebieten des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens einsetzen, um den Sauerteig des Evangeliums in sie hineinzubringen und so eine gerechtere, geschwisterlichere und solidarischere Welt aufzubauen. Ihr mutiges und unersetzbares Wirken ist eine wesentliche Komponente der Evangelisierung und läßt die explizite Verkündigung Jesu Christi glaubhafter werden in einer Welt, die mehr als Worte konkrete Gesten braucht. Im Verlauf dieser Synode haben wir miteinander nachdenken können über Wege der Neuevangelisierung auf der Suche nach Antworten des Lebens, der Versöhnung und des Friedens, um sie dem ganzen Amerikanischen Kontinent anzubieten. Die in diesen Wochen gemachte reiche Erfahrung an Brüderlichkeit muß weitergehen als bleibendes Zeugnis der Einheit für einen auf seinen verschiedenen Gebieten zur Integration und zur Solidarität berufenen Kontinent. Das ist eine pasto-rale Priorität, die alle auffordert, ihre Mitarbeit zu leisten. Verschiedene Male wurde in dieser Synodenaula an die Wichtigkeit erinnert, heute nicht nur vom Überflüssigen, sondern auch vom Notwendigen zu geben nach dem Beispiel der im Evangelium zitierten Witwe (vgl. Mk 12,42—44). Wenn es auch wahr ist, daß auf dem amerikanischen Kontinent wie in anderen Teilen der Welt die Herausforderungen zahlreich und komplex sind und die Aufgaben die menschlichen Kräfte zu übersteigen scheinen, wiederhole ich heute für jedenvon euch: „Habt keine Angst! Stützt vielmehr euer ganzes Leben auf die Hoffnung, die nie enttäuscht“ (vgl. Röm 5,5). 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Und schließlich fuhr der Papst auf englisch fort: 4. Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! Soweit es mein Terminkalender zuließ, hatte ich täglich die Freude, persönlich die Arbeit der Synode zu verfolgen. Was mich beeindruckt hat, war ein ständiger Aufruf, der aus den Wortbeiträgen und Diskussionsvoten zu vernehmen war: Ich beziehe mich auf die Aufforderung zur Solidarität. Ja, die Solidarität muß prophetisch gefordert und in der Praxis bezeugt werden. Solidarität, die die Anstrengungen jeder Einzelperson und aller Völker vereint, wird die schädlichen Auswirkungen gewisser Situationen überwinden helfen, die uns während der Synode mit Nachdruck zum Bewußtsein gebracht wurden: eine Globalisierung, die trotz möglicher Vorteile auch Formen von sozialer Ungerechtigkeit hervorgebracht hat; der Alptraum der Auslandsverschuldung einiger Länder, der geeignete und angemessene Lösungen dringend erforderlich macht; die Plage der Arbeitslosigkeit, die zumindest teilweise auf vorhandene Unausgeglichenheiten zwischen den Ländern zurückzufuh-ren ist; die schwierigen Herausforderungen, verursacht durch Immigration und menschliche Mobilität, zusammen mit den Leidenssituationen, die dafür verantwortlich sind. Der Synodenprozeß hat uns erfahren lassen, wie wahr die Worte des Psalmes sind: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Solidarität entsteht aus geschwisterlicher Liebe, die um so wirksamer ist, je mehr sie in der göttlichen Liebe wurzelt. Möge Gott als beste Frucht dieser Synode eine Zunahme des Verständnisses und der Liebe unter den Völkern Amerikas schenken. Gerne erinnere ich daran, daß -wie bemerkt wurde - das Gegenteil von Liebe nicht notwendigerweise Haß ist; es kann auch Gleichgültigkeit, Desinteresse oder mangelnde Hinwendung sein. Auf dem Weg der Liebe wollen wir in das neue Jahrtausend eintreten. Liebe Freunde, in wenigen Tagen werdet ihr in eure Teilkirchen zurückkehren, zu euren Brüdern und Schwestern im Glauben, um die Arbeit der Synode fortzusetzen. Bringt ihnen die Grüße und die Umarmung des Papstes! Ich werde euch weiterhin im Gebet nahe sein. Ich vertraue euch der Vorsehung Gottes an und flehe auf euch das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes herab. Zusammen haben wir das besonders ihm gewidmete Jahr begonnen - ein weiterer bedeutungsvoller Schritt auf die Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 zu. Der Geist bewirkt unsere Umkehr und bringt uns in Gemeinschaft mit unseren Brüdern und Schwestern. Er drängt uns dazu, die größte der Gaben zu leben: die christliche Liebe, die heute in der Solidarität zum Ausdruck kommt. Möge unsere Liebe Frau von Guadalupe, Patronin von ganz Amerika und Leitstern der ersten Evangelisierung und der Neuevangelisierung, uns die Gnade erbitten, daß wir erfahren und sehen dürfen, wie aus dieser Sonderversammlung der Bischofssynode reiche Früchte wachsen. Euch allen erteile ich meinen Segen! 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der lebendige Christus ist unsere einzige Rettung - Sein Testament ist Missionsauftrag für alle Getauften Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Sonderversammlung der Synode für Amerika am 12. Dezember 1. „In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg (Lk 1,39). Wie eindrucksvoll ist es, bei dieser Feier, mit der die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika schließt, die Seite aus dem Evangelium wieder zu vernehmen, die vom Besuch Marias bei Elisabet berichtet! Die Kirche ist immer „unterwegs“. Sie ist gesandt und besteht, um unterwegs zu sein durch Zeit und Raum und das Evangelium bis an die äußersten Enden der Erde zu bezeugen. Vor etwa fünf Jahrhunderten machte sich die in der Geschichte pilgernde Kirche auf den Weg zu dem gerade entdeckten amerikanischen Kontinent. Von da an hat sie in den zahlreichen Kulturen jener Länder Wohnung genommen. Ihr Gesicht hat die Züge der dortigen Menschen angenommen, wie es das ausdrucksvolle Bild der Jungfrau von Guadalupe zeigt, deren Gedächtnis wir in der Liturgie dieses Tages feiern. Und nun hat sich in diesem Jahr, während das ganze Volk Gottes auf dem Weg zum Jubeljahr 2000 ist, diese Kontinentalsynode ereignet. Sie ist jetzt an einen Endpunkt gelangt, ja, aber mehr noch ist sie zu einem neuen Ausgangspunkt gekommen. Nach dem Vorbild Marias macht sich die christliche Gemeinschaft, gedrängt von der Liebe Christi, wiederum auf den Weg, um die Neuevangelisierung des amerikanischen Kontinents zu unternehmen. Es ist der Beginn einer erneuten Mission, die in der Sonderversammlung der Bischofssynode ihren .Abendmahlssaal“ und ihr „Pfingsten“ hatte, gerade am Beginn eines Jahres, das ganz dem Heiligen Geist geweiht ist. Der Heilige Geist ist es, der das christliche Volk unaufhörlich auf den Straßen der Heilsgeschichte leitet. Dafür wollen wir heute dem Herrn danken in der Erkenntnis, daß Christus selbst unter uns gegenwärtig ist und mit uns geht. Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern, laßt uns gemeinsam eine geistliche Pilgerfahrt nach Betlehem unternehmen und die Früchte unserer Bemühungen dem Sohne Gottes, der kommt, um uns zu retten, zu Füßen legen: „Regem venturum, Dominum, venite adoremus!“ Von der italienischen Sprache ging der Papst sodann zur englischen über: 2. In diesen Wochen haben wir uns die letzten Worte Christi, des menschgewordenen Gottessohnes, zu eigen gemacht, sein Testament, das auch sein großer Missionsauftrag an die Getauften ist: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,19-20). 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Getreu seinem Auftrag, auf den sich unser Dienstamt gründet, werdet ihr, die Hirten der Kirche in Amerika, nicht müde, einer nach Wahrheit hungernden Welt den lebendigen Christus zu verkünden, unsere einzige Rettung. Er allein ist unser Friede, er allein ist jener Reichtum, von dem wir stets Kraft und innere Freude empfangen können. Im Verlauf der Synode haben wir Echos von den Stimmen der Erstverkündiger des Evangeliums in Amerika gehört, die uns an unsere Pflicht zu tiefgreifender Bekehrung zu Christus, der einzigen Quelle echter Gemeinschaft und Solidarität, erinnert haben. Jetzt ist die Zeit der neuen Evangelisierung, eine von der Vorsehung geschenkte Gelegenheit, das Volk Gottes, in Amerika mit erneuter Hoffnung zum Überschreiten der Schwelle des dritten Jahrtausends zu fuhren. Wie könnten wir es versäumen, heute Gott Dank zu sagen für all die Missionare, die sich in fünf Jahrhunderten Geschichte der Evangelisierung des Kontinents gewidmet haben? Die Kirche schuldet ihnen großen Dank. Viele von ihren Namen sind uns bekannt, weil sie zur Ehre der Altäre erhoben wurden. Aber die meisten dieser Missionare, in der Mehrzahl Ordensleute, bleiben unbekannt. Amerika verdankt ihnen viel, nicht nur in religiöser, sondern auch in kultureller Hinsicht. Geradeso wie in Europa, von wo die Missionare kamen, so hatten auch in Amerika zahllose Kunstwerke, Werke der Architektur und der Literatur, sowie viele volkstümliche Feste und Überlieferungen ihren Ursprung in der inneren Verbindung zwischen Glauben, Evangelisierung und Kultur. So entstand eine reiche Tradition, eine Tradition, die ein bedeutendes Erbe der Völker von Süd-, Mittel- und Nordamerika darstellt. Zwischen diesen Regionen bestehen Unterschiede, die bis zu den Anfängen ihrer Evangelisierung zurückreichen. Die Synode hat jedoch sehr klar herausgestellt, wie das Evangelium sie in Übereinstimmung gebracht hat. Die Synodenteilnehmer haben diese Einheit, die Quelle geschwisterlicher Solidarität, persönlich empfunden. Auf diese Weisen hat die Synode ihre Hauptaufgabe erfüllt, die schon in ihrem Namen synodos, d. h. Gemeinsamkeit der Wege, zum Ausdruck kommt. Wir danken dem Herrn für diese Gemeinschaft der Wege, auf denen ganze Generationen von Christen auf diesem großen Kontinent gewandert sind. Weiter sagte der Papst auf französisch: 3. Liebe Brüder und Schwestern, im Verlauf der Synodenversammlung wurden die Probleme und die Perspektiven der Neuevangelisierung in Amerika untersucht. Jede Lösung geht aus von der Erkenntnis der dringenden Pflicht, mit Eifer und Mut Jesus Christus, den Erlöser eines jeden Menschen und des ganzen Menschen, zu verkünden. Nur wenn man aus dieser lebendigen Quelle schöpft, kann man allen Herausforderungen wirksam begegnen. Ich möchte an einige davon erinnern: die echte Unterweisung in der Lehre der Kirche und eine Katechese, die dem Evangelium treu und zugleich den Bedürfnissen der Zeit gemäß ist; die Aufgaben und das Zusammenwirken der verschiedenen Be- 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rufungen und Dienste in der Kirche; der Schutz des menschlichen Lebens vom Augenblick seiner Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende; die erstrangige Rolle der Familie in der Gesellschaft; die Notwendigkeit, so zu handeln, daß die Gesellschaft, ihre Gesetze und ihre Institutionen mit der Lehre Christi übereinstimmen; der Wert der menschlichen Arbeit als Zusammenwirken der menschlichen Person mit der schöpferischen Tätigkeit Gottes; die Evangelisierung der Welt der Kultur unter ihren verschiedenen Aspekten. Dank eines apostolischen Handelns, das im Evangelium wurzelt und für die Herausforderungen von seiten der Gesellschaft offen ist, werdet ihr dazu beitragen können, in ganz Amerika die so sehr ersehnte Zivilisation der Liebe auszubreiten, die nachdrücklich den Primat des Menschen und die Förderung seiner Würde in all seinen Dimensionen, beginnend mit seiner geistigen Dimension, hervorhebt. Die Kirche in Amerika wird tiefer und umfassender die Folgen der echten Versöhnung mit Christus erfahren können, der die Herzen öffnet und es den Brüdern und Schwestern im Glauben möglich macht, auf neue Art zusammenzuarbeiten. Von grundlegender Bedeutung für die Neuevangelisierung ist die wirkliche Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufungen und Diensten, den verschiedenen, vom Heiligen Geist erweckten Apostolaten und Charismen, seien es die der traditionellen Ordensinstitute oder solche, die aus neuen Bewegungen und Vereinigungen von Gläubigen hervorgegangen sind. Weiter sagte der Papst in portugiesischer Sprache: 4. Verehrte und liebe Synodenväter, die ihr die Sonderversammlung der Synode für Amerika gebildet habt, jedem von euch gilt in diesem Augenblick mein herzlicher Gruß, zusammen mit meinem lebhaftesten Dank. Soweit es mir möglich war, habe auch ich versucht, bei den Synodenarbeiten anwesend zu sein. Es war für mich eine bedeutsame Erfahrung, die mir Gelegenheit gegeben hat, die Bande der affektiven und pastoralen Gemeinschaft, die mich in Christus Jesus mit euch verbinden, zu bestärken. Diese geistliche Verbundenheit gipfelt jetzt in der Feier der Eucharistie, Mittelpunkt und Ziel des Lebens der Kirche und eines jeden ihrer apostolischen Pläne. Wenn ihr Rom verlaßt, um in die einzelnen Diözesen Amerikas zurückzukehren, dann nehmt meinen Segen mit, und überbringt ihn euren Gläubigen, besonders den Priestern, euren Mitarbeitern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, die in euren Gemeinden arbeiten, den im Apostolat tätigen Laien, den Jugendlichen, den Kranken und den alten Menschen. Versichert sie meines Gebetes und meiner Zuneigung. Der Heilige Geist helfe uns in diesem Ihm besonders geweihten Jahr, vereint im Namen des Herrn weiterzugehen! Wir schließen die Synodenarbeiten ab an dem Tag, der Unserer Lieben Frau von Guadalupe, der ersten Zeugin der Gegenwart Christi in Amerika, geweiht ist. Ihr Heiligtum im Herzen des amerikanischen Kontinents bildet ein stetes Gedenken an die Evangelisierung, die sich im Lauf dieser fünf Jahrhunderte vollzogen hat. Die 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mutter Christi erschien einem einfachen Mann, einem Indio mit Namen Juan Diego. Sie erwählte gerade ihn als Vertreter aller geliebten Söhne und Töchter jener Länder, um zu verkündigen, daß die göttliche Vorsehung die Menschen jeder Rasse und Kultur zum Heil beruft, die Eingeborenen, die seit Jahrhunderten dort weilten, wie die Menschen, die aus Europa gekommen waren, um — wenn auch mit ihren Grenzen und ihrer Schuld - das überaus große Geschenk der Frohen Botschaft zu bringen. Während der Synode haben wir die besondere Nähe der in Guadalupe verehrten Gottesmutter gespürt. Und heute wollen wir ihr den zukünftigen Weg der Kirche in dem großen Kontinent Amerika anvertrauen. Abschließend bediente sich der Papst der spanischen Sprache: 5. Beim Abschluß der Arbeiten vor einigen Tagen habt ihr, den Vorschlag der drei delegierten Präsidenten entgegennehmend, mir den Wunsch eröffnet, ich möge zur Promulgation des nachsynodalen Apostolischen Schreibens als Pilger wieder zu ihrem Heiligtum in der Stadt Mexiko kommen. Diesbezüglich vertraue ich jeden Plan und Wunsch ihr an. Schon jetzt aber werfe ich mich im Geist ihr zu Füßen, eingedenk meiner ersten Pilgerreise im Januar 1979, als ich vor ihrem wundertätigen Bild niederkniete, um ihre mütterliche Hilfe und ihren Schutz auf meinen beginnenden päpstlichen Dienst herabzurufen. Damals vertraute ich ihren Händen die Evangelisierung in Amerika an, besonders die von Lateinamerika, und ich nahm an der Dritten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats in Puebla teil. In eurem Namen rufe ich heute wiederum, wie damals, zu ihr: Maria, Jungfrau von Guadalupe, Mutter von ganz Amerika, hilf uns, treue Ausspender der großen Geheimnisse Gottes zu sein. Hilf uns, die Wahrheit zu lehren, die dein Sohn verkündet hat, und die Liebe auszubreiten, die das Hauptgebot und unter den Früchten des Heiligen Geistes die bedeutendste ist. Hilf uns, unsere Brüder im Glauben festigen, hilf uns, die Hoffnung auf das ewige Leben verbreiten. Hilf uns, die großen Schätze, die in den Seelen des uns anvertrauten Gottesvolkes eingeschlossen sind, bewahren. Königin der Apostel! Nimm an unser Bemühen, rückhaltlos der Sache deines Sohnes zu dienen, der Sache des Evangeliums und des auf Gerechtigkeit und Liebe unter den Menschen und Völkern gegründeten Friedens. Königin des Friedens! Rette die Nationen und die Völker des ganzen Kontinents, die so sehr auf dich vertrauen! Bewahre sie vor Kriegen, vor Haß und Umsturz! Gib, daß alle, Regierende und Untergebene, es lernen, in Frieden zu leben, daß sie sich zum Frieden erziehen und das tun, was die Gerechtigkeit und die Achtung vor den Rechten eines jeden Menschen erfordern, damit der Friede sich festige. Erhöre uns, Jungfrau „morenita“, Mutter der Hoffnung, Mutter von Guadalupe! 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wiederentdecken des Ökumenismus und der synodalen Dimension der Kirche Ansprache bei der Weihnachtsaudienz für die Kardinäle und die Römische Kurie am 22. Dezember 1. „Das Leben Christi ist nicht der Erweis einer allmächtigen Kraft. Seine Herrlichkeit ist für die, die fähig sind, sie wahrzunehmen, nicht für die Welt. Seine Macht besteht in der Tatsache, daß er der Kraft entsagt. Dieses Leben besitzt die entscheidende Macht des höchsten ethischen Ideals, und darum ist Christus der Punkt, an dem sich die Geschichte der Welt teilt“ (Alfred North Whitehead, Religion in Making). Diese Worte des modernen Denkers Whitehead, der nicht katholisch und anscheinend ohne formelle Bindung an eine christliche Kirche ist, vermögen ausgezeichnet den Sinn unserer heutigen Begegnung an der Vigil des Weihnachtsfestes klarzulegen, während wir mit großen Schritten dem Ende des zweiten christlichen Jahrtausends entgegengehen. Können wir uns, wenn wir uns auf die Worte des Philosophen beziehen, nicht als Menschen bezeichnen, die sich bemühen, den wahren Sinn der Herrlichkeit Christi zu erkennen? Sind wir denn nicht davon überzeugt, daß sein Leben „nicht der Erweis einer allmächtigen Kraft“ und „seine Herrlichkeit nicht für die Welt ist“, sondern daß „seine Macht in der Tatsache besteht, daß er der Macht entsagt“? Können wir tatsächlich von uns selbst sagen, daß wir uns gerade dieser „Macht“ Christi übergeben haben und ihm im Namen „des höchsten ethischen Ideals“ gefolgt sind, indem wir in der Kirche unsere Berufung als Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien zu verwirklichen suchten, wie sie so wunderbar vom II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil erläutert wurde? Ehrwürdige Brüder im Episkopat, liebe Brüder und Schwestern! Die göttliche Vorsehung hat Sie zu diesem außergewöhnlichen Dienst für den Apostolischen Stuhl berufen, der von großer Bedeutung für die Universalkirche ist, da er Sie in engste Beziehung zum „ministerium petrinum“ des Bischofs von Rom bringt. Von ganzem Herzen möchte ich heute Ihnen, Herr Kardinaldekan, meinen lebhaften Dank aussprechen für die liebenswürdigen und herzlichen Worte der Ergebenheit und die Glückwünsche, die Sie im Namen der großen Familie der Römischen Kurie an mich gerichtet haben. Mein Dank gilt auch Ihnen, meine Herren Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, wertvolle Mitarbeiter des Apostolischen Stuhles: Allen bringe ich meinen Wunsch zum Ausdruck, daß Sie es als Ehre und Gewinn empfinden mögen, berufen zu sein, im Herzen der Kirche Christus selbst und seinem Erlösungswerk zu dienen. 2. Christus ist „der Punkt, an dem sich die Geschichte der Welt teilt“. Mit diesen Worten gibt uns Whitehead sozusagen den Grund an, warum die Kirche sich anschickt, das Jahr Zweitausend mit besonderer Feierlichkeit zu begehen. Sie hat so- 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eben den zweiten Abschnitt des Dreijahresweges begonnen, der sie dem Großen Jubeljahr entgegenführt, in welchem sie an das Ereignis erinnern will, das vor zweitausend Jahren die Geschichte verändert hat. Im Blick darauf macht sich jeder Gläubige bereit, mit Freude sein Bekenntnis des Glaubens an das Geheimnis der Menschwerdung des göttlichen Wortes zu erneuern. Dank des Einsatzes des zentralen Komitees für das Große Jubeljahr und der nationalen und diözesanen Komitees wurden in der ganzen Welt zahlreiche und lobenswerte Initiativen eingeleitet, damit das kommende Heilige Jahr eine Zeit der Gnade und der Versöhnung werde. In der Diözese Rom ist nach der Synode die Stadtmission zur Vorbereitung auf das Jubiläum in Gang. Dabei beteiligen sich die christlichen Gemeinschaften an der Aufgabe, die Verkündigung des Evangeliums in die Familien und die Arbeits- und Lebensbereiche zu bringen. Ich spreche erneut meine Hochschätzung für diese Initiative aus und möchte ein tiefempfundenes Gedenken Kardinal Ugo Poletti widmen, der im vergangenen Februar zum ewigen Lohn berufen wurde. Bei der Vorbereitung der römischen Diözesansynode war er mir zur Seite, um diesen neuen missionarischen Aufschwung in der Stadt Rom einzuleiten. Die zahlreichen Aufgaben, die uns erwarten, um die Feiern des Heiligen Jahres würdig vorzubereiten, dürfen uns nicht vergessen lassen, daß das Jubeljahr vor allem ein großes Geschenk ist, das der Herr durch die Kirche der ganzen Menschheit macht: eine Gnade, die von den Gläubigen im Glauben und mit innerer Bekehrung empfangen werden sollte. Es ist ein ausgesprochen geistliches Ereignis, auf welches hin auch die notwendigen rein organisatorischen Aspekte orientiert sein müssen. Möge der Heilige Geist, dem dieses zweite Vorbereitungsjahr geweiht ist, die Kirchen und die Christen bereit machen für die Einladungen des Herrn, um die Gnade der Jubiläumsfeier voll und ganz aufzunehmen. 3. „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ {Mt 28,19). Der missionarische Eifer, den das Näherkommen des dritten Jahrtausends in der ganzen Familie Gottes neu belebt, hatte bezeichnende Momente bei den Apostolischen Reisen, die der Herr mich auch im Lauf dieses Jahres machen ließ. Wie könnte jene lang ersehnte nach Sarajevo unerwähnt bleiben, in die Stadt, die ein Symbol für die Gegensätze und die Hoffnungen des zu Ende gehenden Jahrhunderts ist? Oder die Reise in die Tschechische Republik, wo ich die Freude hatte, an den Jahrtausendfeierlichkeiten zum Gedenken an den hl. Adalbert teilzunehmen, den großen Verkündiger des Evangeliums bei den Völkern Mitteleuropas? Ein anderer lange ersehnter Besuch war der in den Libanon, wohin ich mich mit Freude begeben habe, um die Sonderversammlung der Bischofssynode abzuschließen und denen, die aufrichtig eine Zukunft des Dialogs und des Friedens suchen, ein Wort der Ermutigung und der Hoffnung zu bringen. Sodann konnte ich in meine Heimat zurückkehren, um am Internationalen Eucharistischen Kon- 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN greß in Wroclaw teilzunehmen und dem Herrn für das Geschenk des christlichen Glaubens zu danken, der vor ungefähr tausend Jahren dem Volk von Polen und dem benachbarten Böhmen vom hl. Adalbert, dem großen Bischof, verkündet wurde. Bei diesem Besuch hatte ich im übrigen die Freude, die sechshundert Jahre seit der Gründung der „Alma mater“ zu feiern, die mich als Student und als Dozent gesehen hat: die Jagiellonen-Universität von Krakau, ein wahrer Leuchtturm von Zivilisation und Kultur für ganz Polen. In der zweiten Hälfte des Jahres nahm ich in Paris am zwölften Weltjugendtag und dann in Rio de Janeiro am Zweiten Welttreffen der Familien teil: zwei räumlich weit voneinander entfernte, aber in dem einen Glauben und im gleichen missionarischen Einsatz einander nahe Ereignisse. Mit tiefer Bewegung denke ich an die aus fünf Kontinenten kommenden Jugendlichen zurück, die in Longchamp mit Begeisterung ihre Liebe zu Christus und ihre Freude zum Ausdruck gebracht haben, ihn auf den Straßen der Welt zu verkünden. Ähnliches konnte ich dann wiederum in Bologna mit Tausenden von Jugendlichen erleben, die zur Feier des italienischen Nationalen Eucharistischen Kongresses dorthin gekommen waren. Was soll ich sodann von den unvergeßlichen Tagen beim Zweiten Welttreffen der Familien in Brasilien sagen? Dank des hochherzigen Einsatzes des Päpstlichen Rates für die Familie und der Erzdiözese Rio de Janeiro hat dieses Ereignis der Familienpastoral einen neuen Impuls gegeben und Gelegenheit geboten, die Werte der Familie und des Lebens als bevorzugte Wege zu verkünden, um Hoffnung für die Menschheit aufzubauen. Ich vertraue dem Herrn die apostolischen Reisen an, die zu unternehmen ich, wenn es Ihm gefällt, 1998 die Freude haben werde. Zuerst den Pastoralbesuch in Kuba im kommenden Januar. 4. „Ich verkünde euch eine große Freude... Heute ist euch der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (vgl. Lk 2,10-11). Die beeindruckende Atmosphäre der weihnachtlichen Feste erinnert uns daran, daß die Aufgabe der Kirche vornehmlich darin besteht, den Menschen die frohe Botschaft des Erlösers zu bringen. Die Kirche erfüllt diesen Auftrag, indem sie zu jeder Zeit und unter allen Gegebenheiten die befreiende und rettende Wahrheit verkündet, nämlich: Jesus Christus, den menschgewordenen Gottessohn. Ein besonderer Augenblick dieses Dienstes an der Wahrheit war in diesem Jahr die Veröffentlichung der in lateinischer Sprache abgefaßten ,3ditio typica“ des Katechismus der Katholischen Kirche — ein ausgezeichnetes Rüstzeug zur vollständigen und systematischen Vermittlung der Heilsbotschaft. Dienst an der Wahrheit des Evangeliums war aber auch das, was im vergangenen Oktober geschah, als ich die junge Karmelitin von Lisieux, die hl. Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz, in die Reihe der Kirchenlehrer aufgenommen habe. Mit ihrem „kleinen Weg“ hat sie ungezählten Seelen einen einfachen, wenn auch anspruchsvollen Pfad zur Vollkommenheit eröffnet. Sie hat eine Welt, die immer 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mehr der Versuchung zum Aufgeben des Engagements ausgesetzt ist, daran erinnert, daß das christliche Leben aus der Übereinstimmung von Lehre und Praxis, von Wahrheit und Leben besteht; daß es vor allem Begegnung mit einem nahen und barmherzigen Gott ist, der uns drängt, alle ohne Vorbehalt und Berechnung zu lieben. 5. Die Kirche ist berufen, sich in vielfältigen Formen und aufmerksam für die geschichtlichen Veränderungen in den Dienst des Evangeliums zu stellen. Der Apostel Paulus hatte das gut verstanden. Er beteuert: „Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten“ (1 Kor 9,22). Die Sendung zur Evangelisierung drängt die Kirche, den Konflikten und Problemen der Menschheit aufmerksame Sorge zu widmen, um in Zusammenarbeit einen gerechten Frieden zustandezubringen und das Recht der Schwächsten zu verteidigen, die oft unschuldige Opfer der großen Gegensätze unserer Zeit sind. Ihr ständiges Programm besteht darin, denen, die keine Stimme haben, eine Stimme zu geben und ihr eigenes Handeln mit konkreten Zeichen der Solidarität und geschwisterlicher Liebe zu begleiten. Der Einsatz der Kirche für die Armen in allen Breiten der Erde zeigt sich in besonderer Weise durch die tägliche Arbeit und Hochherzigkeit der Missionare. Auch in diesem Jahr waren einige von ihnen berufen, zu Zeugen der größten Liebe zu werden und für die Sache des Evangeliums das Martyrium zu erleiden. In diesem Zusammenhang der bevorzugten Liebe zu den „Kleinen“ erinnere ich hier in Liebe und Dankbarkeit an Mutter Teresa von Kalkutta, die der Herr nach einem Leben, das sich ganz im Dienst an den , Ärmsten unter den Armen“ verzehrt hat, zu sich gerufen hat. Ihr einzigartiges Zeugnis des Gebetes, der totalen Hingabe an die Letzten und der Liebe zur Kirche bleibt für Glaubende und Nichtglaubende ein Erbe, das es anzunehmen und hochzuschätzen gilt. 6. Die Geburt des Erlösers, der gekommen ist, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52), fordert alle, die ihm kraft der einen Taufe gehören, auf, den Weg zur vollen Einheit weiterzugehen. Den Blick gerichtet auf das Geheimnis von der Enthüllung „der Güte Gottes, unseres Retters“, und „seiner Menschenliebe“ (vgl. Tit 3,4-7), ist die Kirche auch in diesem Jahr auf der Fährte des Ökumenismus vorangeschritten. Die Vorbereitung auf das Große Jubiläum und das bei vielen Christen verbreitete Streben, die Ursachen der Trennung, die sich im 2. Jahrtausend aufgetürmt haben, zu überwinden, waren Auslöser für zahlreiche ökumenische Begegnungen und Initiativen. Besonders möchte ich die Begegnung mit Seiner Heiligkeit Aram I. Keshishian, dem armenischen Katholikos von Kilikien, in Erinnerung rufen. Mit ihm wurde der gemeinsame Glaube an Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, wieder bekräftigt und über die jahrhundertelangen Verständnislosigkeiten hinaus die gemeinsame Verpflichtung betont, sich in den Dienst an der christlichen Einheit im theologischen, kulturellen und pastoralen Bereich zu stellen. 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein weiterer Abschnitt auf dem ökumenischen Weg war die Begegnung mit dem Kapitel der Kathedrale von Canterbury aus Anlaß der 1400-Jahrfeier der dem hl. Augustinus und seinen Gefährten von Papst Gregor d. Gr. anvertrauten Mission. Der Hl. Stuhl war weiterhin vertreten bei der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung, die vom 23. bis 29. Juni in Graz stattfand und bei der 700 Delegierte aus verschiedenen christlichen Kirchen Europas gemeinsam über das Thema: „Versöhnung - Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“ reflektierten. Man wollte erneut den Willen bekräftigen, einen gemeinsamen Beitrag zur geistlichen Dimension von Europa anzubieten und sich nach Jahrhunderten der Trennung zusammenzufinden in der so sehr gewünschten Einheit unter den Christen. 7. Soeben wurde die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika abgeschlossen, bei der zum ersten Mal die Repräsentanten der Episkopate des ganzen Kontinentes und der Römischen Kurie zusammenkamen. Das gemeinsame Nachdenken über die großen menschlichen und geistlichen Reichtümer sowie über die zum Teil dramatischen Widersprüche in der „Neuen Welt“ hat die Synodenväter dazu geführt, die zeitgemäßen Wege der Evangelisierung und Versöhnung aufzuzeigen und auf die Herausforderungen des Kontinents zu antworten. Die Treue zur wirklichen Lehre der Kirche, die Wiederentdeckung der verschiedenen Berufungen und Dienste sowie die Verpflichtung zur Zusammenarbeit, die Verteidigung des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, die erstrangige Rolle der Familie in der Gesellschaft, die Aufgabe zur Gestaltung der Gesellschaft in Vereinbarkeit mit der Lehre Christi, der Wert der menschlichen Arbeit und die Verkündigung des Evangeliums in der Welt der Kultur wurden aufgezeigt als dieselben Grundlinien für eine erneuerte kirchliche Sendung auf dem ganzen Kontinent. Ich hoffe, daß aus so großer geistlicher und seelsorglicher Gnade eine neue Solidarität und ein neues Verstehen zwischen den Gläubigen und den Völkern Amerikas entsteht. Die Wiederentdeckung des Ökumenismus und der synodalen Dimension der Kirche ist Frucht des größten kirchlichen Ereignisses in unserem Jahrhundert: Das II. Vatikanische Ökumenische Konzil, das sich immer mehr als ideale „Heilige Pforte“ zum Großen Jubiläum des Heiligen Jahres 2000 erweist. Im großen Werk des „Aggiornamento“ der Kirche im Zeichen der zweifachen Treue zu Gott und zum Menschen, ausgesprochen von dieser historischen Versammlung, entwickelte mein verehrter Vorgänger Paul VI., dessen 100. Geburtstag in dieses Jahr fiel, eine Rolle des großen Gestalters. Wir wollten festlich dieser erhabenen Gestalt des Pontifex und Menschen unseres Jahrhunderts gedenken. Dankbar erinnerten wir uns seines großen Glaubens, seiner Liebe zur Kirche, seiner Leidenschaft für die Verkündigung des Evangeliums, die ihn in eine gewissenhafte und schwierige, aber kompromißlose Beziehung zur Welt seiner Zeit brachten. 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Episkopat und Priestertum, verehrte Ordensleute, liebe Laienmitarbeiter! Ich habe an einige Aspekte der in diesem Jahr vom Hl. Stuhl ausgeübten Tätigkeit erinnert. Diese hatte zum Ziel, die durch die Geburt des Herrn überbrachte Heilsbotschaft in den konkreten Alltag zu übersetzen. Mir sind die Großherzigkeit und die Fachkenntnis bekannt, mit der Sie für diesen unersetzlichen Dienst arbeiten, den der Apostolische Stuhl für die Gesamtkirche leistet. Darüber hinaus weiß ich um die tiefen Motivationen aus dem Glauben und die aufrichtige Liebe zur Kirche und zum Papst, die Sie beseelen. Ihr oft stiller und verborgener Arbeitseinsatz ist höchst wertvoll, weil er die Gemeinschaft aller an Christus Glaubenden fordert und dem Nachfolger Petri ermöglicht, konkret die Aufgabe zu erfüllen, „die Brüder im Glauben zu stärken“ (vgl. Lk 22,32). Jedem einzelnen von Ihnen wünsche ich, in diesen geistlichen Beweggründen die Kraft zu finden, in freudiger und dem Evangelium angemessener Weise die wichtigen Aufgaben, die Ihnen die Vorsehung anvertraut hat, zu bewältigen. Allen möchte ich meine Anerkennung aussprechen für diese kluge, freundliche und taktvolle Zusammenarbeit, welche die Ausübung meines Dienstamtes ständig begleitet und unterstützt. Mit dem Herzen zur Krippe von Betlehem gewandt, hören wir voll Freude die von den Engeln überbrachte Botschaft von der Erlösung und vom Frieden. Sie verkünden, daß sie hervorgeht aus der väterlichen Liebe Gottes zu jedem von uns. In der Heiligen Nacht zeigt die Jungfrau uns die „gesegnete Frucht ihres Schoßes“ und lehrt uns in der Armut nach dem Evangelium, im Gehorsam zum Vorhaben des Vaters und in der Reinheit des Herzens die Leitwege zu erfassen, „seinen Ruhm zu erkennen“, ihn als Herrn unseres Lebens anzubeten und mit der ganzen Kirche zu bekennen: „Incamatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine et homo factus est.” Mit diesen Wünschen erbitte ich für jeden von Ihnen alles Gute und erteile allen von Herzen meinen Segen. Frohe Weihnachten! 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus Christus ist Retter der ganzen Schöpfung Homilie während der Christmette am 25. Dezember 1. „Ich verkünde euch eine große Freude. ... Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,10-11). Heute! Dieses „Heute“, das in der Liturgie erklingt, bezieht sich nicht nur auf das Ereignis, das schon fast zweitausend Jahre zurückliegt und eine Wende in der Geschichte der Welt eingeleitet hat. Es betrifft auch diese Heilige Nacht, in der wir hier in der Petersbasilika in geistlicher Gemeinschaft mit all denen vereint sind, die wo auch immer in der ganzen Welt das Hochfest der Geburt des Herrn begehen. Auch an den entlegensten Orten der fünf Erdteile erklingen in dieser Nacht die Worte der Engel, die die Hirten in Betlehem gehört haben: „Ich verkünde euch eine große Freude. ... Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,10-11). Im Lukasevangelium wird berichtet, daß Jesus in einem Stall geboren wurde, „weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7). Maria, seine Mutter, und Josef hatten in Betlehem nirgendwo Aufnahme gefunden. Maria mußte den Retter der Welt in eine Krippe legen - die einzige Wiege, die dem menschgewordenen Sohn Gottes zur Verfügung stand. Das ist die Realität der Geburt des Herrn. Alljährlich kommen wir auf sie zurück und entdecken, ja erleben wir sie wieder mit neuem Staunen. 2. Die Geburt des Messias! Sie ist das zentrale Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Die ganze Menschheit wartete auf sie mit unbestimmter Vorahnung. Das auserwählte Volk erwartete sie mit klarer Gewißheit. Hauptzeuge dieser langen Erwartung ist während der liturgischen Zeit des Advents und auch in dieser feierlichen Mittemachtsmesse der Prophet Jesaja, der seinen erhellten Blick aus fernen Jahrhunderten auf diese einmalige Nacht von Betlehem richtet. Er, der viele Jahrhunderte zuvor gelebt hatte, spricht über dieses Ereignis wie ein Augenzeuge: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“ - „Puer natus est nobis, Filius datus est nobis“ (Jes 9,5). Das ist das geheimnisvolle geschichtliche Ereignis: Ein zartes Menschenkind wird geboren, das zugleich der eingeborene Sohn des Vaters ist. Er ist der Sohn, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott.“ Er ist das Wort, durch das „alles geschaffen ist“. In Kürze werden wir diese Wahrheiten im Credo bekennen und hinzufügen: „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ Indem wir mit der ganzen Kirche unseren Glauben bekennen, bezeugen wir auch in dieser Nacht die staunenswerte Gnade, die die Barmherzigkeit des Herrn uns gewährt. 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Israel, das Volk Gottes des alten Bundes, wurde erwählt, um „den Sproß des Stammes Davids“ zur Welt zu bringen, den Messias, den Erlöser und Retter der ganzen Menschheit. Zusammen mit einem herausragenden Vertreter jenes Volkes, dem Propheten Jesaja, richten wir also unseren Blick nach Betlehem und erwarten den Messias. Im göttlichen Licht können wir sehen, wie sich der alte Bund vollendet und mit der Geburt Christi ein neuer und ewiger Bund offenbar wird. 3. Von diesem neuen Bund spricht der hl. Paulus in seinem Brief an Titus, den wir soeben gehört haben: „... die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). Gerade diese Gnade erlaubt es der Menschheit, „auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung [zu] warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus“, der „sich für uns hingegeben [hat], um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das [...] voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit 2,13-14). An uns, liebe Brüder und Schwestern, wird heute diese Botschaft der Gnade gerichtet! Hört also: Allen „Menschen seiner Gnade“, allen, die die Einladung zum Wachen und Beten in dieser hochheiligen Nacht annehmen, wiederhole ich voll Freude: Gottes Liebe zu uns hat sich offenbart! Seine Liebe ist Gnade und Treue, Barmherzigkeit und Wahrheit. Für, der uns aus der Finsternis der Sünde und des Todes befreit hat, ist das feste und unerschütterliche Fundament der Hoffnung jedes Menschen geworden. Die Liturgie wiederholt es mit froher Beharrlichkeit: Kommt, laßt uns anbeten! Kommt aus allen Teilen der Welt und seht, was im Stall von Betlehem geschehen ist! Uns ist der Erlöser geboren, und das ist heute für uns und für alle ein Geschenk des Heils. 4. Unerforschlich in seiner Tiefe ist das Geheimnis der Menschwerdung! Dieser Tiefe entspricht der Reichtum der Liturgie von der Geburt des Herrn: In den Messen in der Nacht, am Morgen und am Tag beleuchten verschiedene liturgische Texte nacheinander dieses große Ereignis, das der Herr all denen bekanntmachen will, die ihn erwarten und suchen (vgl. Lk2,\5). Im Geheimnis der Geburt des Herrn tritt die ganze Wahrheit seines Heilsplanes über den Menschen und die Welt zutage. Nicht nur der Mensch wird gerettet, sondern die ganze Schöpfung, die eingeladen ist, dem Herrn ein neues Lied zu singen, sich zu freuen und zu jubeln mit allen Ländern der Erde (vgl. Ps 95/96). Gerade dieses Loblied erklang mit großer Erhabenheit über dem armseligen Stall von Betlehem. Wir lesen bei Lukas, daß ein großes himmlisches Heer Gott lobte und sprach: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). In Gott ist die Fülle der Herrlichkeit. In dieser Nacht wird die Herrlichkeit Gottes zum Erbe der ganzen Schöpfung und insbesondere des Menschen, der ewige Sohn, er, der das ewige Wohlgefallen des Vaters ist, wurde Mensch. Seine Geburt auf Erden in der Nacht von Betlehem bezeugt ein für allemal, daß in ihm jeder 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch in das Geheimnis der göttlichen Erwählung, der Quelle des endgültigen Friedens, einbezogen ist. „Frieden bei den Menschen seiner Gnade.“ Ja, Frieden der Menschheit! Das ist mein Weihnachtswunsch. Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir in dieser Nacht und in der ganzen Weihnachtsoktav den Herrn um diese so notwendige Gnade. Bitten wir darum, daß die ganze Menschheit in Marias Sohn, der in Betlehem geboren ist, den Erlöser der Welt erkennen möge, der Liebe und Frieden bringt. Amen. Herzen für Perspektiven der Zukunft öffnen Weihnachtsbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 25. Dezember 1 „Alle Lande schauten Gottes Heil.“ Heute, am Geburtsfest des Herrn, erleben wir zutiefst / die Wahrheit dieser Worte: Die Erde schaute Gottes Heil. Zuerst vernahmen es die Hirten von Betlehem, / die bei der Verkündigung der Engel / voll Freude zur armseligen Grotte eilten. Es war Nacht, vom Geheimnis erfüllte Nacht. Was fanden sie vor? Ein Kind, in einer Krippe liegend, / neben ihm fürsorglich Maria und Josef. Sie sahen ein Kind. Doch, vom Glauben erleuchtet, / erkannten sie in diesem zarten Geschöpf den / menschgewordenen Gott, / und sie brachten ihm ihre bescheidenen Gaben dar. So setzten sie, ohne es zu wissen, den Anfang / zu dem Loblied auf den Immanuel, / den Gott mit uns, / das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Ein frohes Lied, das Erbe all derer ist, die sich heute / im Geist nach Betlehem begeben, / um die Geburt des Herrn zu feiern, / und Gott loben für die machtvollen Taten, / die er vollbracht hat. Voll Glauben kommen wir mit ihnen / in diesen einzigartigen Lobpreis ein, / der alljährlich zu Weihnachten hier auf dem Petersplatz / traditionsgemäß erneuert wird und mit dem Segen endet, / den der Bischof von Rom „Urbi et Orbi“ spendet: „Urbi“, daß heißt dieser Stadt, die durch den Dienst / der hll. Apostel Petrus und Paulus / in besonderer Weise / den Erlöser der Welt „geschaut hat“. „Et Orbi“, das heißt dem Erdkreis, / auf dem sich die Heilsbotschaft / bis an die Grenzen der Erde verbreitet hat. Die Freude von Weihnachten ist auf diese Weise / das Erbe unzähliger Völker und Nationen geworden. Ja, „alle Enden der Erde / sahen das Heil unsres Gottes“. (Ps 97/98,3). 2. An alle ist die Botschaft des heutigen Festes gerichtet. Alle sind gerufen, / an der Freude über die Geburt des Herrn teilzuhaben. 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde, / freut euch, jubelt und singt“ (Ps 97/98,4). Die Geburt des Herrn ist ein Tag außerordentlicher Freude! Diese Freude hat die Herzen der Menschen durchdrungen / und sich in vielfältiger Weise / in der Geschichte und Kultur der / christlichen Völker ausgedrückt. Sie wurde aufgegriffen in den Kirchen- und Volksliedern, / in der Malerei, der Literatur und den übrigen Kunstbereichen. Von großer Bedeutung für die christliche Formung / ganzer Generationen / sind die Bräuche und Lieder, / die Heiligendarstellungen und vor allem die Krippen. Der Gesang der Engel in Betlehem / hat auf diese Weise ein weltweites, vielfaches Echo gefunden / in den Gewohnheiten, der Mentalität und / den Kulturen aller Zeiten. Er hat im Herzen jedes Glaubenden Widerhall gefunden. 3. An diesem heutigen Tag, an dem sich alle freuen, / an einem Tag, der von so vielen Aufrufen zu Frieden / und Brüderlichkeit erfüllt ist, / werden die Bitte und das Flehen der Völker, / die sich in Situationen besorgniserregender ethnischer / und politischer Gewalt befinden / und sich nach Freiheit und Eintracht sehnen, / um so drängender und eindringlicher. An diesem heutigen Tag erschallt die Stimme / derer noch lauter, / die sich hochherzig dafür einsetzen, / daß die Schranken von Furcht und Aggressivität / niedergerissen werden, / um die Verständigung zwischen Menschen / verschiedener Herkunft, Hautfarbe und Religion zu fördern. An diesem heutigen Tag erscheinen die Leiden der Menschen / noch dramatischer, die auf der Flucht sind - / sei es in die Berge des eigenen Gebietes / oder auf der Suche nach einem Landeplatz an den Küsten / benachbarter Länder, / um an ihrer wenn auch schwachen Hoffnung / auf ein weniger schwieriges und bedrohtes / Leben festzuhalten. Noch verängstigter klingt heute die von Spannung / beschwerte Stille / der stetig wachsenden Zahl der neuen Armen: / der Frauen und Männer ohne Arbeit und ohne Dach / über dem Kopf, / der Kinder, die verletzt und entehrt werden, / der Heranwachsenden, die für die Kriege der Erwachsenen / eingezogen werden, / der Jugendlichen, die Opfer der Drogen sind / oder von trügerischen Mythen geblendet werden. Heute ist Weihnachten, ein Tag des Vertrauens für Völker, / die lange geteilt waren und schließlich wieder / miteinander reden und verhandeln. Oft sind es nur schüchterne und / zerbrechliche Perspektiven / und langsame und anstrengende Gespräche, / aber sie sind von der Hoffnung erfüllt, / daß sie schließlich zu Verträgen führen / in der Achtung der Rechte und Pflichten aller. 4. Es ist Weihnachten! Diese unsere Menschheit, / die sich verlaufen hat und zugleich / auf dem Weg zum dritten Jahrtausend ist, / wartet auf Dich, Kind von Betlehem, / daß Du kommst, um die Liebe des Vaters zu zeigen. 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Du König des Friedens, mögest uns heute einladen, / keine Angst zu haben. Du mögest unsere Herzen öffnen für / Perspektiven der Hoffnung. Deshalb singen wir „dem Herrn ein neues Lied; / denn er hat wunderbare Taten vollbracht“ (vgl. Ps 97/98,1). Seht, das größte von Gott vollbrachte Wunder: / Er selbst ist Mensch geworden, er ist in der Nacht / zu Betlehem geboren, / er hat für uns sein Leben am Kreuz hingegeben, / er ist am dritten Tag auferstanden gemäß der Schrift / und bleibt in der Eucharistie immer bei uns / bis ans Ende der Zeiten. Wahrhaftig, „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Das Licht des Glaubens läßt uns / im neugeborenen Kind / den ewigen und unsterblichen Gott erkennen. Wir werden Zeugen seiner Herrlichkeit. Er, der Allmächtige, / hat äußerste Armut angenommen. Das ist unser Glaube, der Glaube der Kirche, / der uns erlaubt, die Herrlichkeit des / eingeborenen Sohnes Gottes zu bekennen, / obwohl unsere Augen nur den Menschen sehen, / ein neugeborenes Kind im Stall von Betlehem. Der menschgewordene Gott liegt heute in der Krippe, / und das von tiefem Schweigen umfangene All bestaunt ihn. Möge die Menschheit in ihm ihren Erlöser erkennen! Dank und Gebet für die Zunahme an geistlichen Berufungen Predigt bei der Vesper und Te Deum zum Jahresabschluß in der römischen Kirche Sant’ Ignazio am 31. Dezember 1. „Ubi venit plenitudo temporis, misit Deus Filium suum...“ „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die ffeikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4). Der lateinische Ausdruck „plenitudo temporis“ weist darauf hin, daß das Mysterium der Inkarnation die Fülle der Zeit anzeigt. Durch seine Menschwerdung ist der Sohn Gottes in die weltliche Dimension eingetreten, und durch seine Gegenwart hat er sie in die Ewigkeit eingeführt. Jesus Christus, das Wort, Sohn eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott, gehört an und für sich zur göttlichen Dimension der Ewigkeit, durch seine Menschwerdung hat er sich jedoch in die Dimension der Zeit begeben. Die Geburt des Erlösers in Betlehem war der Beginn einer neuen Zeitrechnung: man sagt nämlich „vor“ und „nach“ Christus. 2. „Christus heri et hodie, Principium et Finis, Alpha et Omega. Ipsius, sunt tem-pora et saecula. Ipsi gloria et imperium per universa aetemitatis saecula.“ 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Liturgie sind diese Worte für die Ostemacht vorgesehen, während die Jahreszahl in die Osterkerze, das Symbol des auferstandenen Christus, eingraviert wird. Die Zeit gehört Christus. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden und hat dadurch die Zeit als Maßeinheit seines irdischen Daseins akzeptiert und sie sich „unterworfen“. Durch ihn begegnen sich und verschmelzen die Menschheitsgeschichte und das Heil. Heute, am letzten Tag des Jahres, wollen wir auf die vergangenen Tage, Wochen und Monate zurückblicken wie auf einen weiteren Teilabschnitt der Heilsgeschichte, die uns alle betrifft. In der geistlichen Atmosphäre, die die Weihnachtszeit kennzeichnet, hält die Diözese Rom in Gemeinschaft mit der über die ganze Welt verbreiteten Christenheit heute inne, um über das Jahr 1997 nachzudenken, über ein weiteres Sonnenjahr, das nun schon bald hinter uns liegen wird. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Was unsere Diözesangemeinschaft angeht, so ist das Jahr, das heute zu Ende geht, vor allem von der Stadtmission geprägt, in die -nach einer Zeit der Vorbereitung - immer mehr Gemeinden und alle kirchlichen Gruppierungen einbezogen worden sind. Es handelt sich um einen gemeinsamen und beständigen Arbeitsplatz der Evangelisiemng, der sich - mit der Gnade Gottes - als ein besonders wirksamer Weg zur Verkündigung des Evangeliums an die Einwohner unserer Metropole erweist. Während der vergangenen Fastenzeit haben etwa zwölftausend Missionare, zum größten Teil Laien, die Familien der Stadt besucht und ihnen den Text des Markusevangeliums geschenkt. Die Geste, mit dem Evangelium in der Hand die Häuser zu betreten, und die gute Aufnahme, die die Missionare im allgemeinen gefunden haben, sind schon an und für sich sehr bedeutsam: Die Römer - auch jene, die die Kirche nicht oder nur selten besuchen - warten darauf, dem Herrn zu begegnen. Das wird auch durch das große Interesse und die rege Teilnahme an den Treffen über Glaubensthemen und die Suche nach Gott in der Lateranbasilika bestätigt. Dadurch ist es zum aufrichtigen Dialog gekommen zwischen den Menschen, die Christus verkünden, und denen, die nach erschöpfenden Antworten auf die grundlegenden Fragen des Lebens suchen. Die Mission lädt uns ein, in die Zukunft zu blicken und den Weg für die Evangelisierung dieser unserer Stadt im Hinblick auf das dritte Jahrtausend zu bereiten. Zu diesem Zweck haben wir im Laufe des letzten Teils des Jahres unsere spezielle Aufmerksamkeit den Jugendlichen gewidmet. Ich selbst habe mich in einem besonderen Schreiben am 8. September, dem Fest der Geburt Marias, an sie gewandt und sie aufgefordert, verantwortliche Mitgestalter bei der Verkündigung und dem Zeugnis Christi an ihre Altersgenossen zu sein. Ich wünsche, daß die Begeisterung für das Evangelium immer mehr Platz im Herzen vieler junger Römer findet. 4. Im Verlauf dieser Feier umfassen wir im Gebet die gesamte Einwohnerschaft. Einen herzlichen Gruß möchte ich an den lieben Kardinal Ruini mit seinen Weihbischöfen, an Kardinal Canestri sowie an Pater Kolvenbach, den General der 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesellschaft Jesu, richten, deren Mitgliedern diese Kirche, in der wir heute Aufnahme gefunden haben, anvertraut ist. Mein Gruß dehnt sich dann auf alle Einwohner der Stadt aus; zuerst richte ich ihn an den Bürgermeister, der auch dieses Jahr an dieser Feierlichkeit teilnimmt, um im Namen der Stadtverwaltung den traditionellen Votivkelch darzubringen. Mit ihm begrüße ich die Mitglieder von Stadtrat und -regierung. Ich werde am 15. Januar die Freude haben, sie bei meinem Besuch im Kapitol zu treffen. Ein besonderer Gruß gilt dem Präsidenten der Region, dem Präfekten von Rom und allen anderen anwesenden Vertretern der Obrigkeit. Ich grüße die Sozialarbeiter, die sich in den Dienst der Bevölkerung gestellt haben, und die Freiwilligen, die sich in vielen Arbeitsbereichen engagieren. Einen besonderen Gedanken möchte ich an jene richten, die sich in schwierigen Situationen befinden und diese Feiertage in Bedrängnis und Not verbringen. Jedem und allen versichere ich meine herzliche Anteilnahme, unterstützt von ständigem Gebet. Zum Abschluß des Jahres 1997 erhebt sich ganz von selbst eine vertrauensvolle Bitte an den Herrn: Er möge den Verkündern des Evangeliums seinen Geist der Weisheit und Kraft schenken und das Herz, das Gewissen und das Leben eines jeden ohne Angst für die Aufnahme des nahenden Christus öffnen. Im Rückblick auf das vergangene Jahr möchte ich darüber hinaus Gott danken, der, es mir gewährte, noch weitere Pfarrgemeinden zu besuchen. Im ganzen habe ich so seit dem Beginn meines Bischofsamts in Rom 265 Gemeinden besucht. Trotz der unterschiedlichen sozialen Gegebenheiten habe ich überall lebendige Gemeinschaften vorgefunden, die im Glauben und im tatkräftigen Zeugnis christlicher Nächstenliebe wachsen möchten. Dieses Netz von Gemeinden, das das ganze Gebiet der Diözese deckt und dessen Einrichtungen im Hinblick auf das Große Jubeljahr vervollständigt werden, stellt für die Stadt Rom selbst eine Möglichkeit von unschätzbarem Wert dar: Es fordert nämlich die Festigung sozialer Beziehungen, die auf gegenseitiges Kennenlemen, Freundschaft und Solidarität ausgerichtet sind. Es leistet außerdem einen wichtigen Beitrag zur Erziehung der Kinder und Jugendlichen und zur sittlichen Führung der Familien, zur Aufnahme der Ausgegrenzten und zur Pflege der alleinstehenden und leidenden Menschen. 5. Jede Pfarrgemeinde, wie auch jede besondere Form der Seelsorge in der Diözese, benötigt zu ihrer gelungenen Tätigkeit den großzügigen und treuen Dienst der Priester. Deshalb danke ich dem Herrn dafür, daß ich am vergangenen 20. April dreißig neue Priester für unsere Diözese weihen durfte. Das Römische Seminar, zusammen mit den anderen Seminaren, in denen der Klerus für unsere Diözese herangebildet wird, bietet - durch die Gnade des Herrn — einen qualifizierten Bildungsweg, bei dem ernsthafte Studien von einem intensiven Gebetsleben und dem Engagement einer echten brüderlichen Gemeinsamkeit begleitet werden. Ich ermutige die Verantwortlichen für die Ausbildung, ihre verdienstvollen Mühen fortzusetzen; dabei gehen meine Gedanken vor allem an Kar- 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dinal Ugo Poletti, den der Herr am 25. Februar dieses Jahres zu sich gerufen hat. Heute gedenken wir seiner und erneuern unseren Dank an Gott für all das Gute, das er durch ihn in dieser Kirche und dieser Stadt gewirkt hat. Zusammen mit Kardinal Poletti möchten wir dem Herrn alle weiteren, im Laufe des Jahres verstorbenen Priester empfehlen, darunter auch den hochverehrten Msgr. Luigidi Liegro. Das Zeugnis und das Werk der Priester, die ihr ganzes Leben Gott und ihren Brüdern gewidmet haben, stellen ein wertvolles Erbe und Beispiel für den Klerus und für die gesamte Diözesangemeinschaft dar. Ein weiterer Grund zu tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn liegt in der spürbaren Zunahme der Priesterberufungen, die ein gutes Vorzeichen für die Zukunft unserer Gemeinschaft, darstellt. Ich möchte an dieser Stelle den Wunsch aussprechen, daß wir bald auch bei den Berufungen zum geweihten Leben, und zwar vor allem für die Frauenorden, einen ähnlichen Zuwachs zu verzeichnen haben, so reich an vielversprechenden apostolischen Früchten für alle. Ich bin sicher, daß dies der Fall sein wird, wenn Priester und Pfarrgemeinschaften das Werk der Institute geweihten Lebens in dieser Richtung großzügig unterstützen. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Wir haben innegehalten, um über einige Aspekte des Wirkens Gottes in unserer Diözese während des vergangenen Jahres nachzudenken. Wenn wir unser Augenmerk auf die verflossenen Monate richten, erhebt sich wie von selbst der Wunsch, um Vergebung zu bitten und Gott zu danken: um Vergebung bitten für alle Schuld und für die von uns begangenen Fehler und Unterlassungen, indem alles der göttlichen Barmherzigkeit anvertraut wird; und dann Gott danken für all das, was er uns jeden Tag geschenkt hat. Deshalb singen wir das „Te Deum“: Wir loben Gott und danken ihm für alle guten Gaben, die er uns gewährt hat und die die verschiedenen Abschnitte des nun zu Ende gehenden Jahres gekennzeichnet haben: „Salvum fac populum tuum, Domine, / et benedic hereditati tuae ... / Per singulos dies benedicimus te; / et laudamus nomen tuum in saeculum, / et in saeculum sae-culi.“ Amen! 801 IV. Ad-Limina-Besuche AD-LIMNA-BESUCHE Aufbau der Kirche als familienhafte Gemeinschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Äthiopien und Eritrea am 12. September Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Euch, die Bischöfe aus Äthiopien und Eritrea, anläßlich eures Besuches Ad-li-mina-Apostolorum hier willkommen zu heißen, ist für mich wirklich Anlaß zur Freude: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Die antike Praxis, zu Kephas zu kommen und um Rat zu fragen, erinnert uns an den Besuch des Apostels Paulus in Jerusalem, um einige Tage bei Petrus zu verbringen (vgl. Gal 1,18), den unser Herr zum „Felsen“ gemacht hat, auf den er seine Kirche baute. Aus der brüderlichen Umarmung von Petrus und Paulus entnahm die erste Christengemeinde die Pflicht, die von Paulus bekehrten Heiden wie wirkliche Brüder und Schwestern im Glauben zu behandeln. Gleichzeitig aber sah die gesamte Gemeinde in der paulinischen Rede von der überreichen Gnadenausgießung auf diese neuen Brüder und Schwestern herab immer deutlichere Gründe dafür, das unendliche göttliche Erbarmen zu loben (vgl. Apg 15,16 ff.). In vergleichbarer Weise bestätigt heute unsere gegenseitige Begegnung die Gemeinschaft eurer Kirchen mit dem Nachfolger Petri und der Gesamtkirche. In solch tiefer Herzensgemeinschaft können auch wir nun in den Gesang des Psalmisten einstimmen: „Könige kommen mit Gaben, aus Ägypten bringt man Geräte von Erz, Kusch erhebt zu Gott seine Hände. Ihr Königreiche der Erde, singt für Gott, singt und spielt für den Herrn“ (Ps 68,3 lb-33). 2. Liebe Brüder im Bischofsamt, eure beiden Länder sind in letzter Zeit enormen politischen und kulturellen Veränderungen ausgesetzt gewesen. Unter den bedeutendsten möchte ich vor allem die Entwicklung demokratischer Regierungsformen und die unternommenen Anstrengungen bezüglich des Wirtschaftswachstums und des technischen Fortschritts in eurer traditionell ausgerichteten Gesellschaft hervorheben. Ich teile mit euch die pastorale Sorge um die friedliche Entwicklung eurer Völker, und zwar nicht nur im materiellen Sinn, sondern vor allem was echte politische Freiheit, Harmonie unter den Volksgruppen und die Beachtung der Rechte aller Bürger anbelangt, immer unter besonderer Berücksichtigung der Situation von Minderheiten sowie der Bedürfnisse der Armen. Die Frage, die sich vor euch auftut, könnte angesichts der Verhältnisse, die ihr in eurem Anfang dieses Jahres veröffentlichten Pastoralschreiben Thy Kingdom Come erwogen habt, in etwa so gestellt werden: Wie kann die Frohbotschaft in der heutigen Situation Gestalt annehmen? Wie kann die Kirche — wie können die einzelnen Christen die entscheidenden Probleme, denen sie begegnen, heute am besten in Angriff nehmen, wenn sie für sich selbst eine bessere Zukunft bauen wollen? 805 AD-LIMNA-BESUCHE Eine Antwort auf diese Fragen könnte in eben jenen Vorhaben gefunden werden, die ihr euch als Hirten eurer Ortskirchen von Äthiopien und Eritrea gesetzt habt: die Menschheit von innen heraus umzuformen, die Unschuld des Herzens der Menschen zu erneuern und, wie es ja auch von der durch die Bischofssynode ein-berufenen Sonderversammlung für Afrika empfohlen wurde, die Kirche als Familie aufzubauen (vgl. Thy Kingdom Come, Pastoralschreiben der katholischen Bischöfe Äthiopiens und Eritreas, 6). Eben dieses letztgenannte Engagement bietet einen wichtigen Schlüssel für die Verwirklichung der beiden ersteren, denn in der „Kirche als Familie Gottes“ erkennen die Synodenväter „einen für Afrika besonders passenden Ausdruck für das Wesen der Kirche. Dieser bildhafte Ausdruck betont nämlich die Sorge um den anderen, die Solidarität, die Herzlichkeit der Beziehungen, die Annahme, den Dialog und das Vertrauen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 63). Wenn nun die Evangelisierung wirklich eine Kirche zustande bringt, die als Familie aufgefaßt wird, dann kann auch eine echte Harmonie zwischen den verschiedenen Volksgruppen ermöglicht werden, und dann wird auch der Ethnozentrismus unterbunden, und die Menschen werden zur gegenseitigen Versöhnung ermutigt. Eine größere Solidarität und die gerechte Verteilung der Ressourcen unserer Erde unter dem Volk und den jeweiligen Ortskirchen werden dann ebenso Wirklichkeit. 3. Das postsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa, welches eine Art Pastoralplan für euren Kontinent darstellt, unterstreicht die Bedeutung, in effektiver Weise die Laien in das Pfarrei- und Diözesanleben sowie in die Seelsorge und die VerwaltungsStrukturen miteinzubeziehen (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 90). In der Tat nehmen die Laien „als Getaufte und aufgrund ihrer spezifischen Berufung [...] in dem Maß, das einem jeden entspricht, am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teil“ (Christifideles laici, Nr. 23). Daher ist es notwendig, den Laien eine angemessene Ausbildung zuzusichem, die sie befähigt, in wirksamer Weise auf die enormen Herausforderungen zu reagieren, denen sie in ihrer Nachfolge Christi und als Bürger von Ländern, die um die Entwicklung ringen, ausgesetzt sind. Der Katechismus der Katholischen Kirche ist diesbezüglich ein durchaus wertvolles Ausbildungsinstrument sowie überhaupt für die Evangelisierung von Nutzen. Nun, da ihr bereits eine Übersetzung in Amharisch besitzt und eine weitere Übersetzung in Tigrinya schon in Arbeit ist, möchte ich euch dazu ermutigen, so vorzugehen, daß eine größtmögliche Anzahl von Menschen an die Texte herangeführt werden kann: Man sollte auch genügend Exemplare zur Verfügung stellen, ganz besonders für die kleinen christlichen Gemeinden, die ja so sehr zur Stärkung des kirchlichen Lebens beitragen. Die Synodenväter haben erkannt, daß „die Kirche als Familie nur dann in vollem Ausmaß Kirche sein kann, wenn sie sich in Gemeinden gliedert, die klein genug sind, um enge menschliche Beziehungen zu erlauben“ (.Ecclesia in Africa, Nr. 89). In der äthiopischen Tradition sind die Vereinigungen „Mehaber“ ein vielsagender 806 AD-LIMNA-BESUCHE Ausdruck für solche Kommunitäten. Ihr selbst stellt ja in eurem Pastoralschreiben den Wert und die Dynamik dieser Gruppen fest, „was einen sehr positiven Einfluß auf die Evangelisierung [...] der Familien, der Dörfer und der Pfarrgemeinden haben kann“ (vgl. Thy Kingdom Come, 32). 4. Im Zusammenhang mit einer Öffnung für die Herausforderungen der Zukunft gilt es, der Jugend eine besondere Beachtung zu schenken, was von erstrangiger Bedeutung ist und weiterhin einen herausragenden Stellenwert bei der Ausübung eures Seelsorgeamtes einnehmen muß. „Die Zukunft der Welt und der Kirche gehört den jungen Generationen [...] Christus erwartet große Dinge von den Jugendlichen“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 58). Der jüngst begangene 12. Weltjugendtag in Paris war wohl eine klare Bestätigung dafür, daß die Jugend fähig ist, die eigenen Energien und den eigenen Enthusiasmus einzusetzen, und zwar ausgerichtet auf die Anforderungen der Solidarität mit anderen Menschen und nicht zuletzt auf die Anforderungen, die sich bei der Suche nach wahrer christlicher Heiligkeit ergeben. Die gesamte katholische Gemeinschaft sollte sich Mühe geben, sicherzustellen, daß die junge Generation wirklich in effektiver Weise Übung bekommt und angemessen vorbereitet wird, der Verantwortung nachzukommen, die eines Tages auf ihren Schultern lasten wird und in gewisser Weise heute schon als die Ihrige angesehen werden kann. All das tut ihr dank einem starken Einsatz für die Bildung der Jugend. Besonders nennenswert sind eure Anstrengungen für die katholischen Schulen und andere Formen des Sozialdienstes und des Gesundheitswesens. Ich weiß, daß euch der Unterhalt der Schulen ein großes Opfer abverlangt. Jedoch ist das eine Aufgabe, die sich als wesentlich für das Leben der Kirche erweist sowie einen immensen Vorteil sowohl für die Familien als auch für die Gesellschaft selbst sicherstellt. Außerdem ist es auch wichtig, auf angemessene Weise danach zu trachten, das Wohl einer gesunden Moral und einer religiösen Unterweisung auch den öffentlichen Schulen zugute kommen zu lassen, was ja bereits in Eritrea geschieht, wo in der öffentlichen Meinung ein gewisser Konsens über die Bedeutung einer solchen Bildung gefordert wird. Dieser Dienst, der aus einer engeren Zusammenarbeit mit den jeweiligen Regierungen hervorgehen kann, ist eine richtungweisende Form aktiver katholischer Teilnahme am sozialen Leben eurer Länder, gerade weil er ohne religiöse oder ethische Diskriminierung unter Achtunc der gemeinsamen Rechte an-geboten wird. In der Tat ist ja die Universalität — ein wesentliches Merkmal der Kirche (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 881, 830 ff.), welches zur Teilung der materiellen und geistigen Güter drängt - auch eine Bedingung für die Wirksamkeit eures Amtes. Die Universalität und das Teilen der Güter treten besonders deutlich zutage beim Austausch kirchlichen Personals, wenn äthiopische und eritreische Priester und Ordensangehörige bei den Brüdern und Schwestern in fremden Landen Seelsorgedienst leisten oder wenn Priester und Ordensleute aus anderen Ländern ihr Talent 807 AD-LIMNA-BESUCHE und ihre Solidarität den Ländern Äthiopien und Eritrea anbieten und so in Einklang treten mit einer Kirche, die zu Recht stolz ist auf ihre antike Tradition und Kultur. Die Verfassungen beider Länder anerkennen das grundlegende Recht auf Religionsfreiheit und Ausübung der eigenen Religion. Ich vertraue darauf, daß ein weiterer Dialog mit staatlichen Autoritäten zur Klärung der rechtlichen Grundlage kirchlicher Präsenz und kirchlicher Aktivitäten zum Wohle aller gereicht, und ich wage zu hoffen, daß so die Zusammenarbeit der Missionare, die ja auf so wirkungsvolle Weise zum Wohlstand und Fortschritt eurer Völker beitragen, erleichtert wird. 5. Die katholischen Gemeinschaften, deren Hirten ihr seid, leben Seite an Seite und in enger Beziehung zu den Brüdern und Schwestern, die in Äthiopien die Mehrheit darstellen, nämlich die äthiopisch-orthodoxe Gemeinschaft. Beide Gemeinschaften teilen gemeinsame Wurzeln; beide Gemeinschaften haben eine gemeinsame Spiritualität, welche aus der uralten und reichen christlichen Tradition hervorgeht, die in euren Ländern präsent ist. Die Aussicht auf die Wiederkehr des zweitausendsten Jahrestages der Geburt unseres Heilands soll eine Einladung für alle sein, über ein solch gemeinsames christliches Erbe nachzudenken. Dieses Erbe birgt in sich selbst eine Quelle gegenseitigen Respektes und Verständnisses sowie den Anlaß für einen wesentlich weiter gefaßten Dialog und eine größere Zusammenarbeit. Als zu einem einzigen Herrn gehörige Brüder und Schwestern sollt ihr stets versuchen, untereinander Gemeinschaft zu halten, um so ein einmütiges Zeugnis vom Mysterium Christi und seiner Kirche abzulegen. Eine weise und geordnete Inkulturation der Liturgie wird man „vorantreiben müssen [...], damit das gläubige Volk die liturgischen Feiern besser verstehen und miterleben kann“ {Ecclesia in Africa, Nr. 64). Ferner werden weitere Anstrengungen nötig sein für ein tieferes Verständnis der Geschichte und Entwicklung des Alexandrinischen Ritus, so daß die gemeinsame christliche Tradition dieser Region auf dem Wege zur Einheit einen Beitrag zu leisten vermag sowohl innerhalb der katholischen Gemeinschaft als auch zusammen mit den anderen Kirchen. Gleichzeitig wird aber auch der missionarische Aspekt der Kirche, der ja keine Ritusfrage darstellt, sondern direkt im Evangelium verwurzelt ist, erneuert werden müssen unter dem Ansporn, der seinen Ursprung im Wunsch hat, Christus jenen zu verkünden, die noch nicht an ihn glauben. Die Pflicht, das Evangelium zu bringen, ist wesentlicher Bestandteil katholischer Identität und darf nicht durch ein unvollständiges Verständnis der Inkulturation und der Ökumene gefährdet werden. Die Synode erkennt die Dringlichkeit an, die Frohbotschaft Millionen von Afrikanern zu bringen, die noch nicht evangelisiert sind. Gewiß respektiert und schätzt die Kirche die nichtchristlichen Religionen, denen so viele Afrikaner angehören, doch ist sie nach den Worten meines Vorgängers, Papst Paul VI., „der Auffassung, 808 AD-LIMNA-BESUCHE daß diese vielen Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi (vgl. Eph 3,8) kennenzulemen, worin, nach unserem Glauben, die ganze Menschheit in unerschöpflicher Fülle all das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53). 6. Da eure Ortskirchen ja versuchen, den Missionsaufitrag, den der Herr selbst gegeben hat, zu erfüllen (vgl. Mt 28,19), kommen wir nicht umhin, für die vielen Berufungen zu danken, mit denen ihr gesegnet seid. Ich appelliere an euch, unbedingt sicherzustellen, daß eure Programme zur Förderung von Berufungen sich intensiv für dieses Gottesgeschenk einsetzen und es schützen. Die jungen Kandidaten sollen eine geeignete theologische und spirituelle Ausbildung erhalten, die sie fest in der geistigen Tradition Äthiopiens verwurzelt und sie darauf vorbereitet, sich mit den pastoralen, sozialen und ethischen Problemen auseinanderzusetzen, die die Modernisierung der Gesellschaft mit sich bringt. Ich ermutige euch ferner, euch weiterhin zu bemühen, der Gruppe der Ausbilder der drei Priesterseminare qualifiziertes Personal zu garantieren. Auf diese Weise werden jene Seminare authentische Zentren des Studiums und der theologischen Forschung, die imstande sind, in beiden Ländern die pastorale Sendung der Kirche im Dienste der Evangelisierung zu erleuchten. Auch die Ordensgemeinschaften haben bei euch systematische Ausbildungskurse ins Leben gerufen. Sie schauen auf zu euch, die ihr die Hirten der Herde seid, die Christus euch anvertraut hat, damit sie in euch Stütze und Führung erfahren; denn auch die Ordensangehörigen sind eurer pastoralen Leitung und Sorge anheim gestellt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 45; Christus Dominus, Nm. 15, 35). Ihr wißt sehr wohl, daß unter den vielen Pflichten des bischöflichen Amtes die permanente menschliche, spirituelle und intellektuelle Aus- und Weiterbildung der Priester eine der Hauptaufgaben darstellt. Um ihre hohe Sendung, Meister und Lehrer der menschlichen Seele zu sein, in die Tat umzusetzen, brauchen eure Priester eure väterliche und brüderliche Unterstützung (vgl. Christus Dominus, Nr. 16); sie sollen auf eure Freundschaft und die ihrer Brüder im Priesteramt zählen können (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28). Je mehr sie das Privileg zu schätzen wissen, „in persona Christi“ zu handeln, desto mehr werden sie sich vollkommen ihrem Dienst in Keuschheit und Schlichtheit des Lebens hingeben, und ihre Seelsorgetätigkeit wird für sie eine unerschöpfliche Quelle der Freude und des Friedens sein. 7. Es ist mir eine Freude, hervorheben zu können, daß eure Bischofskonferenz, durch die Empfehlung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika angeregt, die Kommission „Gerechtigkeit und Frieden“ eingerichtet hat, um grundlegende Fragen wie die Entwicklung eurer Demokratien - einschließlich der Menschenrechte -, die Redlichkeit in der öffentlichen Verwaltung und die Rolle 809 AD-LIMNA-BESUCHE der Frau in der Gesellschaft zu behandeln. Gewiß hat die Kirche eine besondere Aufgabe in diesem Bereich zu erfüllen und kann Hilfe leisten im Aufbauprozeß einer Gesellschaft, wo alle Bürger ungeachtet ihrer ethnischen, kulturellen und religiösen Herkunft sich wohl fühlen können und gerecht behandelt werden sollen. Deshalb ist die Kirche in Äthiopien und Eritrea aufgerufen, Mut und weitsichtige Weisheit zu zeigen in ihrer Aufgabe, eine große Sendung voranzubringen, eine Sendung, die aus der Natur selbst ihres Sakrament-Seins für die Vereinigung mit Gott und die Einheit unter allen Mitgliedern der Menschheitsfamilie entspringt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Die Suche nach Frieden und Harmonie soll auch innerhalb der Kirche stattfinden, wo Differenzen nicht Anlaß zu Konflikten und Spannungen geben, sondern Quelle der Kraft und der Einheit in berechtigter Vielfalt sein sollen. Harmonie und großzügige Zusammenarbeit unter den Gläubigen, besonders aber unter den Priestern und unter euch Bischöfen, wird ein mächtiger Ansporn sein, den guten Willen und die Solidarität innerhalb der ganzen Gesellschaft zu fördern. „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). 8. Liebe Brüder, das sind einige der Gedanken, die mir anläßlich eures Besuches bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in den Sinn kamen. Ich bete, damit eure Pilgerfahrt euch in eurem Amt stärken möge, auf daß ihr niemals müde werdet, das Wort Gottes zu predigen, die Sakramente zu spenden, die eurer Obhut anvertraute Herde zu weiden und die verlorenen Schafe zu suchen. Ich lade euch ein, den Blick auf das Große Jubiläum zu richten, das aufgrund des erhabenen Mysteriums, dessen dabei gedacht wird, einen eindringlichen Aufruf zur christlichen Freude darstellt (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 142). Möge diese Freude - Frucht der Stärkung im Glauben und einer heiligmäßigen Lebensführung - Wirklichkeit werden für eure Völker. Ich stimme in euer Gebet für die Kirche Äthiopiens und Eritreas mit ein und vertraue euch, euren Klerus, eure Ordensleute und eure Laien dem liebevollen Schutz Mariens an. Sie ist der Stern der Evangelisierung und die Königin Afrikas. Aus ganzem Herzen erteile ich euch als Unterpfand der Gnade und der Gemeinschaft mit ihrem göttlichen Sohn einen besonderen Apostolischen Segen. 810 AD-LIMNA-BESUCHE Sorge der Kirche für die Randgruppen der Gesellschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Belgien am 7. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange, ich euch im Hause des Nachfolgers Petri. Ihr seid beauftragt, das Volk Gottes in Belgien zu leiten, und eure Anwesenheit erinnert mich an meine Reise in euer Land im Juni 1995 anläßlich der Seligsprechung eines belgischen Landsmanns, Pater Damian de Veuster, einer herausragenden Gestalt von großer Spiritualität und vorbildlicher Zeuge der Liebe zu den Kranken. Ich danke Kardinal Godfried Danneels, dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, für seine herzlichen Worte und möchte ihm zu seinem Geburtstag meine besten Wünsche aussprechen. Ihr seid nach Rom zum Besuch der Apostelgräber gekommen, um Erleuchtung und Unterstützung für euer bischöfliches Amt zu finden für den Aufbau des Leibes Christi (vgl. Eph 4,12) in Gemeinschaft mit der Weltkirche, und um neuen Mut zu schöpfen, damit ihr eure Mitarbeiter, die Priester und Diakone, leiten und stützen und ihre Hoffnung - sowie die des gesamten Gottesvolkes — stärken könnt. 2. In euren Fünfjahresberichten habt ihr mich über die verschiedenen Initiativen eurer Diözesen im Hinblick auf das Große Jubeljahr unterrichtet, das gewissermaßen einen neuen Advent für die Kirche darstellt; ich freue mich über die positive Aufnahme, die sie bei den Mitgliedern eurer Diözesen gefunden haben, und über die Dynamik, die sie innerhalb der christlichen Gemeinschaften wecken. Das ist ein greifbares Zeichen des Verlangens der Gläubigen nach Spiritualität und ihres Bedürfnisses, das Geheimnis der Dreifaltigkeit auf neue Art zu entdecken, um davon zu leben und in ihrem täglichen Leben dafür Zeugnis abzulegen. Wir stehen kurz vor dem Anbruch des zweiten Vorbereitungsjahrs für das Große Jubeljahr, und ich bitte den Heiligen Geist, euch zu erleuchten und euch in dem Amt, das ihr erfüllen sollt, zu unterstützen. Als Hirten sollt ihr die Priester in ihrer Sendung bestärken, indem ihr ihnen nahe seid, sie ermutigt und unterstützt, damit sie in den ihnen übertragenen Aufgaben die Verkündigung des Evangeliums weiterführen und immer das Beispiel eines echten Gebetslebens und eines ihrer Verpflichtung angemessenen Daseins geben. Unter Achtung der Personen und gemäß der nötigen Diskretion steht es euch auch zu, sittlich nicht vertretbare Situationen durch nachdrückliches Mahnen zu korrigieren und abzustellen, damit keiner zum Stein des Anstoßes für seine Brüder wird und keiner verlorengeht, wie ich in einem Brief an die amerikanischen Bischöfe vom 11. Juni 1993 unterstrichen habe, die vor ähnliche Gesellschaftsprobleme wie ihr gestellt waren (vgl. Brief an die Bischöfe der USA vom 11.6.1993 [O.R.dt., 2.7.93]; 1 Kor 10,32; 2 Kor 6,3; CIC, can. 1044, §2;1395). 811 AD-LIMNA-BESUCHE 3. Ich begrüße die wichtigen Bemühungen eurer Diözesen zur Intensivierung der Kinder- und Jugendkatechese, die ihr als eine eurer pastoralen Prioritäten betrachtet. Die Erfahrung zahlreicher Jugendlicher im Laufe des jüngsten Weltjugendtags könnte euch die Gelegenheit bieten, diese Art der Seelsorge auszubauen, insbesondere durch eine vertiefte spirituelle und religiöse Ausbildung. Diese letztere ist in der Tat ein wesentlicher Bereich und ein Hauptpunkt der Evangelisierungsmission der Kirche, wie es im jüngsten Allgemeinen Direktorium für die Katechese der Kongregation für den Klerus herausgestellt worden ist. Dieses Dokument ist ein kostbares Hilfsmittel und ein Leitfaden, der uns zu Recht darauf hinweist, daß Christus und seine Botschaft im Mittelpunkt jeder Glaubensvermittlung stehen. Das katechetische Amt soll also in der Sendung der ganzen christlichen Gemeinschaft eine bevorzugte Rolle spielen. Unter der Verantwortung des Bischofs sollen sich daran die Eltern, Priester, geweihten Menschen und Gläubigen beteiligen, die gewillt sind, Katechisten zu werden und die angemessene Schulung dazu erhalten. Außerdem würdige ich die Aufmerksamkeit, die ihr der theologischen und sittlichen Bildung der Laien schenkt, besonders durch verschiedene Publikationen und diverse Lehrveranstaltungen, die in euren Diözesen organisiert werden. Ihr begleitet diese Ausbildung mit einer Einführung in das Gebet und die Liturgie, damit die Entdeckung Christi sich nicht nur auf das bewußte Erkennen beschränkt, sondern auch den Willen und die Gefühle miteinbezieht, so daß schließlich das tägliche Leben davon umgestaltet wird. In eurer jüngsten Erklärung Au soujfle de TEsprit vers l'An 2000 habt ihr die Gläubigen passenderweise daran erinnert, daß die Hoffnung eine Gabe des Heiligen Geistes ist; sie gründet auf der Treue zu Gott, um die wir unablässig bitten müssen. Durch die Sakramente und die Teilnahme an der kirchlichen Gemeinschaft erhalten die Christen zahlreiche Früchte davon. Die Vertiefung des christlichen Mysteriums und ein wahrhaft spirituelles Leben ermöglichen es, den nötigen Elan zu finden, um aktiv an der Evangelisie-rungsmission der Kirche und ganz spezifisch an der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft mitzuarbeiten. Die Laien sind im Lichte des Evangeliums und der Soziallehre der Kirche aufgerufen, durch ihr Engagement in der zeitlichen Ordnung - und zusammen mit allen ihren Landsleuten - zum Gemeinwohl beizutragen, indem sie die Gmndsätze über das Ziel der Schöpfung und über den Gebrauch der Welt sowie die sittlichen Werte klar verkünden (Äpostolicam actuo-sitatem, Nr. 7). Besonders ermutige ich euch, die Jugendseelsorge zu entfalten, wobei ihr euch bemühen sollt, dafür Priester auszuwählen, die fähig sind, die jungen Menschen mit der Feinfühligkeit zu leiten, die angezeigt ist bei Menschen, deren Persönlichkeit sich in einem Aufbaustadium befindet. Das ist wichtig, damit die Jugendlichen Christus entdecken und die mit der heutigen Gesellschaft einhergehenden Probleme gelassen angehen können. Ich freue mich über das verstärkte Engagement der Katechisten, der Eltern, der Religionslehrer und anderer Erzieher, die für die 812 AD-LIMNA-BESUCHE religiöse Ausbildung in den Schulen und Gemeinden sorgen; auch muß man die Tatkraft der verschiedenen Bewegungen anerkennen: Sie schlagen der Jugend vielfältige Aktivitäten vor, durch die die christlichen Werte und die geistliche Erfahrung entdeckt und erlebt werden können. 4. Ihr habt mir eure Sorgen bezüglich der steten Abnahme der Anzahl der Priester mitgeteilt sowie hinsichtlich der schweren Aufgaben, die sie gegenwärtig erfüllen müssen, manchmal bis zur äußersten Grenze ihrer Kräfte und bis ins hohe Alter. Ich kenne ihre mühsamen Lebensumstände und würdige deshalb ihre Hingabe, ihre Ausdauer und Treue. Ich fordere sie auf, die Hoffnung nicht zu verlieren und aus dem persönlichen und liturgischen Gebet vor allem aus der Eucharistiefeier -die Kraft zu schöpfen, um nach dem Vorbild Christi zu leben, dessen lebendige Abbilder sie sind, damit sie wahre Diener des Evangeliums sein und den Menschen offenbaren können, daß ein Gott geschenktes Leben im Zölibat eine Quelle tiefer Freude und inneren Gleichgewichts ist. Ihr habt den Auftrag - den ihr auch jetzt schon erfüllt -, euch um die Qualität ihres materiellen Lebens zu sorgen und sie daraufhinzuweisen, daß sie eine richtige Balance zwischen spirituellem Leben, Seelsorge, Freizeit und freundschaftlichen Beziehungen erhalten müssen. Andererseits ist es nötig, all das zu fordern, was die Einheit und den brüderlichen Sinn innerhalb der Priesterschaft stärken kann, die „nach dem Bischof gestimmt ist, wie die Saiten einer Zither“ (hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Ephe-ser). Die Priester sind mit ihren Mitbrüdem verbunden durch „das Band der Liebe, des Gebets und der allseitigen Zusammenarbeit“ {Presbyterorum Ordinis, Nr. 8). Dies bedeutet, daß die Beziehungen von Freundschaft und Aufmerksamkeit füreinander gekennzeichnet sein müssen, wobei die Jüngeren am Anfang ihres Amtes und ihrer ersten Verantwortung unterstützt werden möchten und die Älteren all ihre Erfahrung einbringen können. All das wird durch Einkehrtage und Zeiten der theologischen Ausbildung gefördert, die der Gesamtheit der Priesterschaft ange-boten werden, damit ihre Lehre gestärkt werde und sie in der Lage ist, präzise Antworten auf die Fragen unserer Zeitgenossen zu finden. Richtet bitte den Priestern und Diakonen meinen herzlichen Zuspruch und die Zusicherung meines Gebets aus, vor allem jenen, die krank sind oder auf Schwierigkeiten bei der Ausübung ihres Amtes stoßen. Richtet meine besten Grüße den Mitgliedern der Institute geweihten Lebens aus, die trotz des Mangels an neuen Berufungen ihre Sendung zum Preis erheblicher Mühen fortsetzen, aus Liebe zu Christus und zu seiner Kirche. Ich wünsche, daß sie die nötigen Mittel finden, um ihre Kräfte zusammenzulegen und um den Laien, die mit ihnen arbeiten, ihre Spiritualität mitzuteilen, wie sie es jetzt schon tun. Auf flämisch sagte der Papst, der bisher französisch gesprochen hatte: 5. Ihr habt beschlossen, in jedem Bistum ein Großseminar zu erhalten, als wesentliche und zentrale Einrichtung, die zur Sichtbarkeit der Kirche in ihrer apostolischen Dynamik beiträgt. Das ist eine mutige Entscheidung, die die große 813 AD-LIMNA-BESUCHE Aufmerksamkeit unter Beweis stellt, die ihr auf die Formung der zukünftigen Priester richtet, sowie eure Sorge um ein gutes Unterscheidungsvermögen. Dank dieser Nähe können die jungen Männer ihr Vertrauensverhältnis und ihren Gehorsam gegenüber dem Bischof stärken, und sie werden sich der Wirklichkeit in der Diözese bewußt, in der sie in Zukunft leben werden. Was die Ausbildung betrifft, so ist es in erster Linie angezeigt, die korrekte Gesinnung der Priesteramtskandidaten und ihren Reifegrad zu überprüfen und ihnen dabei zu helfen, ihre Persönlichkeit zu entfalten (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 62). In diesem Zusammenhang soll daraufhingewiesen werden, daß es für die jungen Leute nachteilig wäre, ihren Ausbildungsort selbst auszuwählen aufgrund von Kriterien, die von ihrer Subjektivität, ihren Gefühlen und ihrer persönlichen Lebensgeschichte abhängig sind. Das könnte ihr Unterscheidungsvermögen einschränken und die Dimension des Dienens, die das Priesteramt erfordert, entkräften. Ich schätze die Sorgfalt, die ihr auf die philosophische und theologische Ausbildung und auch auf den geistigen Fortschritt der zukünftigen Priester verwendet, indem ihr Professoren und geistliche Leiter auswählt, die für diese delikate Aufgabe besonders qualifiziert sind. Das Vorhandensein eines Priesterseminars bietet auch allen Gläubigen die Gelegenheit, ihren zukünftigen Hirten nahe zu sein und sie mit ihrem brüderlichen Gebet zu unterstützen. Alle Christen, und vor allem die Eltern, müssen sich bemühen, neue Berufungen in den Familien zu wecken und die Jugendlichen zu begleiten, die sich berufen fühlen, Christus im Priesteramt oder im geweihten Leben nachzufolgen. In diesem Geist freue ich mich über den neuen Elan, den ihr, den verschiedenen Diensten für die Berufungen habt geben wollen. 6. Die gegenwärtige Situation hat euch dazu geführt, die Gemeinden neu zu organisieren und umzustrukturieren, unter Berücksichtigung der euch gebotenen Möglichkeiten und der seelsorgerischen Bedürfnisse. Die Gemeinde ist nicht ein einfacher Verband, sondern ein Zeichen der Sichtbarkeit der Kirche und ein „Heim“, in dem die Gemeinschaft aller Gemeindemitglieder zum Ausdruck kommt. Sie ist die grundlegende Einheit und ist deshalb verpflichtet, die wichtigsten Tätigkeiten der kirchlichen Sendung zu gewährleisten; gerade aus diesem Grund muß sie eine gute Anzahl lebendiger Kräfte zur Verfügung haben. Es ist deshalb wichtig, daß diese Neuorganisation sowohl die Anzahl der Gläubigen berücksichtigt als auch die Möglichkeit, die verschiedenen unentbehrlichen pastora-len Dienste zu gewährleisten, und daß sie auch dem sozialen Geflecht Rechnung trägt, das einen Teil seiner Vitalität in den sonntäglichen Versammlungen und in den Aktivitäten der Gemeinde findet. 7. In euren Berichten bringt ihr die Sorge eurer Bischofskonferenz und die eines Großteils der Belgier angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen zum Ausdruck. Ihr unterstreicht die Zunahme der Armutserscheinungen, die mit der wirtschaftlichen Konjunktur und der wachsenden Arbeitslosigkeit Zusammenhängen; sie verursachen eine Zunahme aller Arten von Kriminalität und verleiten die Men- 814 AD-LIMINA -BESUCHE sehen dazu, ihre Hoffnung in die Zukunft zu verlieren. Auch stellt ihr eine Zersetzung der sittlichen Werte fest, die die eigentliche Grundlage bilden für ein ordentliches persönliches Leben, für die Beziehungen zwischen euren Mitbürgern, für die nötige Solidarität innerhalb der nationalen Gemeinschaft und für die Leitung der „res publica“. Die Kirche muß sich um alle Menschen kümmern, vor allem um jene, die am Rande der Gesellschaft leben. Ich fordere also die Christen auf, sich immer mehr in den Dienst ihrer Brüder und Schwestern zu stellen. Außerdem sollen sie bereit sein zum rechten Beistand für jeden Menschen durch ihren Einsatz auf allen Gebieten des Soziallebens, mit einem großen Sinn für Rechtschaffenheit, den jeder, der zur Teilnahme an der Verwaltung des Gemeinwohls berufen ist, besitzen muß. Eine solche Einstellung wird dazu beitragen, das Vertrauen eurer Landsleute in die nationalen Einrichtungen immer mehr zu festigen. Die Kirche muß auch unermüdlich daran erinnern, daß jede Person beschützt werden muß, und besonders die Kinder, die schwach und wehrlos sind und deshalb oft zur Zielscheibe perverser Erwachsener werden, die die jungen Menschen tief und dauerhaft verletzen, nur um ihren Trieben freien Lauf zu lassen. In diesem Augenblick denke ich besonders an die Familien, die in letzter Zeit von kriminellen Verhaltensweisen betroffen wurden, deren Opfer die Kinder gewesen sind. Versichert ihnen, daß der Papst ihnen im Gebet nahe und von dem Mut gerührt ist, den sie in ihrem Schmerz bewiesen haben, als sie ihre Mitbürger zu einem tiefgehenden moralischen Umschwung und zur Vergebung aufgefordert haben. 8. Die Zukunft der Gesellschaft stellt allen unseren Zeitgenossen eine große ethische Herausforderung; darum ist eine erneute sittliche Betrachtung angezeigt, die jedem Menschen die nötigen Elemente liefert zur Unterscheidung, zur Bewertung der sittlichen Richtigkeit einer Tat und zu einer rechtschaffenen Lebenshaltung. In diesem Sinne würdige ich die kraftvollen und mutigen Erklärungen der Bischöfe, die die Aufmerksamkeit der Gläubigen und des gesamten belgischen Volkes auf die Notwendigkeit gerichtet haben, die wesenseigene Würde jedes Menschen von der Zeugung bis hin zu seinem natürlichen Tod zu achten. In jedem Land hat die Kirche die Pflicht, ihre Stimme für die Schwächsten zu erheben und zu jeder Zeit - ob passend oder unpassend - die sittlichen Werte zu lehren, die kein Gesetz straflos zur Seite schieben kann. Andererseits: Auch wenn die Kirche sich in keiner Weise mit der politischen Gemeinschaft identifiziert, die sie allerdings achtet, so muß sie doch all jene, die einen wichtigen Dienst für das Volk leisten, und alle unsere Zeitgenossen an das erinnern, was die Grundlage unseres persönlichen und Gemeinschaftlichen Handelns bildet sowie an das, was - im Gegensatz dazu - dem Menschen und der Menschheit ernstlich schadet. In der Tat: „Die Ausübung von Autorität zielt darauf ab, eine gerechte Rangordnung der Werte sichtbar zu machen, um allen den Gebrauch ihrer Freiheit und Verantwortung zu erleichtern“ (.Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2236) und dadurch auch das Gemeinwohl zu fordern. 815 AD-LIMNÄ-BESUCHE Zum Schluß wandte sich der Papst auf deutsch an die Anwesenden; 9. Am Ende unserer Begegnung, liebe Brüder im Bischofsamt, bitte ich euch, meinen herzlichen Gruß den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien eurer Gemeinden zu übermitteln. Versichert sie meines Gebetes, damit sie in den gegenwärtigen Schwierigkeiten die Hoffnung nicht verlieren und der Heilige Geist alle zu mutigen und prophetischen. Handlungen anspome, was für ihre Brüder und Schwestern ein herausragendes Zeichen sein soll für das Heil, das Christus gebracht hat, und für die Bekehrung, die er in den Herzen bewirkt. Ich empfehle euch der Fürsprache der Heiligen eures Landes und erteile euch und den Gliedern des Volkes Gottes, das eurer pastoralen Sorge anvertraut ist, gern den Apostolischen Segen. Bürde und Würde seelsorglichen Dienstes in pluralistischer Gesellschaft Ansprache an die Bischöfe von England und Wales anläßlich ihres Ad-limina-Be-suchs am 23. Oktober Eminenz! Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In der Liebe unseres Herrn Jesus Christus heiße ich euch - die Bischöfe von England und Wales - anläßlich eures Besuchs „ad Limina Apostolorum“ willkommen. Meine herzlichen Grüße möchte ich auch auf die Priester, Diakone, Ordensleute und gläubigen Laien in den Ortskirchen ausdehnen, die ihr liebevoll leitet. In dieses Jahr fällt der 1400. Jahrestag der Ankunft des hl. Augustinus in Britannien, des Apostels der Engländer, dessen Werk bei den Angelsachsen die Grundlage für das spätere Wachstum der Christenheit in eurem Land gelegt hat. Unser heutiges Treffen ist mit diesen Ereignissen von vor vierzehn Jahrhunderten ganz konkret verflochten. Die Bande kirchlicher Gemeinschaft, die damals zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem euch anvertrauten Teil der Weltkirche entstanden, haben die Wechselfalle der Geschichte überlebt und werden durch euren Besuch lebhaft ausgedrückt und erneuert. Eines der Hauptereignisse dieses Besuchs ist euer Glaubensbekenntnis bei den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Ihr seid gekommen, um Petrus zu besuchen (vgl. Gal 1,18), und zwar in der Person seines Nachfolgers auf dem Stuhl der römischen Kirche, dieser „größten und ältesten aller Kirchen“ (vgl. hl. Irenäus, Gegen die Häresien, 111,3,2). Deshalb bezeugt euer Besuch das einzigartige Amt der Einheit, das der Bischof zum Wohl der ganzen Herde Christi übernommen hat, so wie es auch Ausdruck unserer kollektiven Verantwortung als Bischöfe „für alle Gemeinden“ ist (2 Kor 11,28). Das Bild der ersten christlichen Gemeinschaft, das uns die Apostelgeschichte vermittelt - „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am 816 AD-LIMNA-BESUCHE Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42) - erinnert uns daran, daß die Kirche eine liebende Gemeinschaft der Gläubigen ist, die sich um die Apostel und deren Nachfolger versammeln und die in der Kraft des Heiligen Geistes ständig zu einer Einheit des Glaubens, der Disziplin und des Lebens geformt werden. Ganz besonders hat der Herr dem Bischofskollegium die Aufgabe übertragen, die „koi-nonia“ aufzubauen, und deshalb müssen wir das Gottesvolk unablässig auffordem, „ein Herz und eine Seele“ zu sein (Apg 4,32). Es ist wichtig, daß wir - die Hirten -in den Augen der Kirche und der Welt „im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens“ (Lumen Gentium, Nr. 22) gesehen werden, damit wir die Gläubigen zu einer immer tieferen Vereinigung mit dem dreifältigen Gott (vgl. 1 Joh 1,3) und zur Gemeinschaft miteinander im Leib Christi (vgl. 1 Kor 10,16) führen. In einem Geist evangeliumsgemäßen Vertrauens müssen wir alles daran setzen, unsere Gemeinschaft immer tiefer und herzlicher zu gestalten. 2. Das herannahende Jubeljahr stellt eine dringende Einladung an die Hirten der Kirche dar, die ihnen anvertrauten Gemeinden auf einer spirituellen Pilgerreise zum eigentlichen Kern des Evangeliums zu leiten. Unser Weg zum Jahr 2000 sollte die Gestalt eine aufrichtigen Strebens nach Bekehrung und Versöhnung annehmen, durch die Läuterung unserer selbst von Verirrungen, Treulosigkeiten, Wankelmütigkeit und Versäumnissen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 33). Es ist dabei nicht ausreichend, öffentliche Erklärungen der Reue für Fehler der Vergangenheit abzugeben. Wir müssen vielmehr uns selbst und die Gläubigen an die zutiefst persönliche Natur der notwendigen Reue und Umkehr erinnern. Die Freude des Jubeljahrs ist „in besonderer Weise eine Freude über den Nachlaß der Schuld, die Freude der Umkehr“ (ebd., Nr. 32). In diesem Sinne ist es auch eine Gelegenheit, das wahre „Gefühl für die Sünde“ (vgl. 1 Joh 1,8) in den Gläubigen neu zu wecken und sie zu einem gestärkten Bewußtsein der Schönheit und der Freude über das Sakrament der Buße zu führen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 48). Es wird zu einer Wiederaufnahme der sakramentalen Praxis kommen, wenn in den Predigten, in der Katechese und in den seelsorgerischen Plänen und Programmen der Diözesen ein besonderer Akzent auf das Sakrament der Versöhnung gelegt wird. Der beste Katechist der Versöhnung ist der Priester selbst, der regelmässig auf dieses Sakrament zurückgreift. Die Priester, die sich dem Amt des Bußsakraments widmen, wissen, daß es sich um eine anspruchsvolle und oft auch strapaziöse Aufgabe handelt, die zugleich aber „eine der schönsten und tröstlichsten“ des Priesterlebens ist (vgl. Reconciliatio et Paenitentia, Nr. 29). Außerdem haben die Gläubigen gewissermaßen ein Recht auf vorbestimmte Uhrzeiten für die Buße in der Gemeinde und darauf, daß ihre Priester immer bereit sind, die Menschen zu empfangen, die beichten möchten. 3. Die Gemeinde ist und bleibt der Ort, an dem sich die Gläubigen normalerweise als eine Familie versammeln, um das rettende Wort Gottes zu hören, um die Sakramente würde- und ehrfurchtsvoll zu feiern und um in ihrer Sendung zur Heiligung 817 AD-LIMNA-BESUCHE der Welt in Heiligkeit, Gerechtigkeit und Frieden orientiert und gestärkt zu werden. Die Gemeinde macht das Geheimnis der Kirche als organische Gemeinschaft gegenwärtig; darin „vertritt der Pfarrer den Ortsbischof und stellt das hierarchische Band mit der gesamten Teilkirche dar“ (vgl. Christifideles laici, Nr. 26). Weitere Einrichtungen, Organisationen und Verbände sind Zeichen der Lebenskraft, Werkzeuge der Evangelisierung und Sauerteig des christlichen Lebens, solange sie zum Aufbau der örtlichen Gemeinschaft in der Einheit des Glaubens und des Kirchenlebens beitragen. Jede Gemeinschaft, in der sich die Gläubigen für ihre geistige Nahrung und ihre Werke im Dienste der Kirche versammeln, muß für die „Einheit des Geistes ... durch den Frieden“ (Eph 4,3) vollkommen offen sein. Diese Einheit beinhaltet eine organische Verbindung zur Ortskirche, in der der kirchliche Charakter jeder Gruppierung gewährleistet ist und ihre Charismen aktiviert werden. Die Hirten sind verpflichtet, „den Charismen, den Diensten und den verschiedenen Formen der Teilnahme des Gottesvolkes Raum zu geben, ohne deshalb einem De-mokratizismus oder einem Soziologismus zu frönen, der nicht die Sichtweise der Kirche und den wahren Geist des II. Vatikanums widerspiegelt“ (vgl. Tertio mil-lennio adveniente, Nr. 36). Im Dokument The Sign We Give, von eurer Bischofskonferenz im Jahr 1995 verabschiedet, habt ihr die Notwendigkeit einer Stärkung des „kollaborativen Amtes“ zwischen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien herausgestellt, derart, daß eine wahre Gemeinschaft der Mission im diöze-sanen und Gemeindeleben immer offensichtlicher würde. Gemeinsamer Einsatz für das Evangelium (vgl. Phil 1,5) erfordert viel mehr als nur eine von praktischer Notwendigkeit vorgeschriebene Aufgabenverteilung. Diese Zusammenarbeit hat ihre Grundlage in den Sakramenten christlicher Initiation (vgl. Christifideles laici, Nr. 23) und setzt das Bewußtsein der verschiedenen Gnadengaben voraus, die der Heilige Geist dem ganzen Leib Christi geschenkt hat (vgl. 1 Kor 12,4-13). Genau aus diesem Grund verlangt sie auch theologische und praktische Klarheit darüber, was für das Amtspriestertum spezifisch ist. Stimmt es etwa nicht, daß je mehr der Sinn der Laien selbst für ihre Berufung vertieft wird, sie desto mehr auch die sakramentale Weihe des Priesters anerkennen und seine besondere Rolle zur Förderung des „auf die Taufe zurückgehenden gemeinsamen Priestertums des ganzen Volkes Gottes ..., indem sie es zu seiner vollen kirchlichen Verwirklichung fuhren“ (Pastores dabo vobis, Nr. 17)? 4. Eure Priester sind das große Werk eures bischöflichen Amtes. Unter jedem Gesichtspunkt und in jedem Abschnitt ihres priesterlichen Lebens müssen sie in euren Gebeten präsent und Gegenstand eurer liebevollen Fürsorge sein. Seit eurem letzten Ad-limina-Besuch wurde die Apostolische Visitation der Priesterseminare von England und Wales abgeschlossen. Sie hat bestätigt, daß die Kandidaten -heute vielleicht noch mehr als in der Vergangenheit - eine Orientierung im Bereich ihrer menschlichen Entfaltung und Ausbildung brauchen, vor allem hinsichtlich der zwischenmenschlichen Beziehungen im allgemeinen, der Keuschheit 818 AD-LIMNA-BESUCHE und des Zölibats und der ganzen Reihe von Einstellungen und Fähigkeiten, die sie zu reifen und ausgeglichenen Menschen machen werden, in ihrem Umgang mit den anderen begabt und psychologisch gut ausgestattet für die Anforderungen ihres Lebens und ihrer Arbeit als Priester. Sie brauchen eine tief verinnerlichte menschliche, spirituelle, akademische und seelsorgerische Schulung, wenn sie sich gemäß der Absicht Christi und der Kirche auf das Priestertum vorbereiten sollen. Es ist bedeutsam, daß eure Bischofskonferenz in dieser Zeit gerade den Charter for Priestly Formation überarbeitet. Diese Überarbeitung wird die Hinweise des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Pastores dabo vobis und die entsprechenden Dokumente des Heiligen Stuhls berücksichtigen in dem Wunsch, das Verständnis der Kirche vom geweihten Amt als eine sakramentale Angleichung an Jesus Christus darzustellen, die es dem Priester ermöglicht, „in persona Christi Capitis“ und im Namen der Kirche zu handeln. Die Visitation hat auch die besondere Mitarbeit der Laien - Männern und Frauen -bei der Priesterausbildung herausgestellt. Diese Mitarbeit wird die erhofften Ergebnisse hervorbringen, vorausgesetzt, sie ist „zweckmäßigerweise auf die vorrangige erzieherische Verantwortung der Ausbilder in der Priestererziehung hingeordnet und ihr eingegliedert“ {Pastores dabo vobis, Nr. 66). Es ist auf jeden Fall nötig, einen Unterschied zu machen zwischen der spezifischen Ausbildung der Seminaristen, die sich auf die Priesterweihe vorbereiten, und den anderen Kursen, die denjenigen angeboten werden, die andere Ämter in der Kirche innehaben werden. Die Priesterausbildung ist nicht nur und auch nicht vorwiegend eine Frage der Entfaltung pastoraler Fähigkeiten, sondern eine Frage der Bildung der Einstellung zu Jesus Christus - seines eigenen Herzens und seiner Gesinnung (vgl. Phil 2,5) - in denen, die den Ewigen Hohenpriester vertreten werden. Wie sollte man an dieser Stelle nicht auf die Wichtigkeit des inbrünstigen und ständigen Gebets hinweisen, vor allem in den Familien und Gemeinden, für eine Zunahme der Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben? Das Apostolat der Berufungen hängt zum großen Teil vom Apostolat des Gebets ab. Wie der Apostel Andreas, der seinen Bruder Simon zu Jesus führte (vgl. Joh 1,40-42), trägt der Bischof eine persönliche Verantwortung bei der Förderung neuer Berufungen zum Dienst des Herrn. Er sollte einerseits Priester und Ordensleute dazu ermutigen, alles, was sie können, auf diesem Gebiet zu tun, und andererseits besondere Programme unterstützen, die darauf abzielen, einen Kontakt herzustellen zwischen den jungen Leuten und dem Priesterseminar oder den verschiedenen Formen des geweihten Lebens. In dieser Hinsicht ist die Mitarbeit von Priestern und geweihten Menschen, die ein wirklich positives Bild von ihrer Berufung vermitteln, von wesentlicher Bedeutung. 5. Die Gläubigen blicken auf euch als einzelne Bischöfe und als Bischofskonferenz, um ihnen die geistliche und sittliche Führung zu geben, die ihnen dabei helfen wird, Antworten auf die komplizierten Fragen zu finden, die sich ihnen und ihren Familien in der heutigen Gesellschaft stellen. Sie erwarten von ihren spiritu- 819 AD-LIMINA -BESUCHE eilen Beratern, daß diese in der Lage sind, die Gründe der Hoffnung (vgl. 1 Petr 3,15) mit ihnen zu teilen. Diese Hoffnung entspringt der Wahrheit über den Menschen als von Gott geliebtes Geschöpf, vom Blut Christi erlöst und zur ewigen Gemeinschaft mit ihm im Himmel bestimmt; die Wahrheit über die Würde des Menschen und deswegen auch über seine Verantwortung für das Leben und die Welt, in der er lebt. Heutzutage wird das Leben selbst immer mehr unter dem Blickwinkel einer „Verbrauchermentalität“ betrachtet. Das Leben wird nur dann geschätzt und geachtet, wenn es irgendwie nützlich erscheint, oder wenn es Befriedigung und Vergnügen bringen kann. Leid wird als ein sinnloses Übel angesehen, das es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Einflußreiche Elitegruppen versuchen, die öffentliche Meinung dahin zu bringen, Abtreibung und Euthanasie als sittlich akzeptable Lösungen zu den Problemen des Lebens zu billigen. Denen, die gegenwärtig nach legislativer Unterstützung für das sogenannte „Recht auf einen würdevollen Tod“ suchen, kann die Kirche nur antworten, daß die Christen eine klare Verpflichtung haben, Widerstand gegen die Gesetze zu leisten, die das menschliche Leben gefährden oder gegen seine Würde verstoßen (vgl. Evangelium vitae, Nr. 72). Als Bischöfe müssen wir lehren, daß ein verantwortliches Bemühen um das Leben von jedermann verlangt, den medizinischen, moralischen und ethischen Unterschied zwischen Heilen - unter Einsatz aller nötigen Mittel, die für die Sorge des Lebens von der natürlichen Zeugung bis zu seinem natürlichen Ende zur Verfügung stehen - und Töten zu beachten. Angesichts der neuesten Entwicklungen der Biotechnologie, die extrem heikle Fragestellungen moralischer Art nach sich ziehen, muß die ganze Kirche, unter der Leitung des Bischofskollegiums in Verbindung mit dem Papst, entschlossen und klar verkünden, daß die wissenschaftliche Forschung als menschliche Tätigkeit sich nur dann treu bleibt, wenn sie die vom Schöpfer ins Herz des Menschen geschriebene sittliche Ordnung respektiert (vgl. Rom 2,15). 6. Ebenso: Wenn ihr eure Stimme gegen Ungerechtigkeit erhebt und die gläubigen Laien auffordert, das „Salz der Erde“ zu sein (vgl. Mt 5,13), dann sagt ihr damit, daß eine echte Erneuerung des sozialen und politischen Lebens auf der moralischen Ordnung gründet, die in der Schöpfung offenbart (vgl. Röm 2,15) und vom Geheimnis Christi erleuchtet ist, denn „in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,17). Die Verbreitung der Soziallehre der Kirche ist in der Tat ein „Teil des Verkündigungsauftrages der Kirche“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 41). Das Große Jubeljahr 2000 bringt die bedeutende Herausforderung mit sich, „zur Stimme aller Armen der Welt“ zu werden (Tertio millennio adveniente, Nr. 51), und es bietet der Kirche in England und Wales die Gelegenheit, eine neue Verpflichtung gegenüber den Armen zu übernehmen - gegenüber denen, die bedürftig, leidend und verlassen sind, und vor allem gegenüber denen, deren Leben im Mutterleib gefährdet ist oder die an ihrem Lebensabend vernachlässigt werden und zu spüren bekommen, daß sie lästig sind. Ich fordere euch auf, die Gläubigen und die ganze Gesellschaft nach- 820 AD-LIMNA-BESUCHE drücklich auf die Pflicht hinzuweisen, in jedem Menschen die „Offenbarung Gottes in der Welt, Zeichen seiner Gegenwart und Spur seiner Herrlichkeit“ zu sehen {Evangelium vitae, Nr. 34). 7. Euer Dienst kirchlicher Gemeinschaft führt euch unvermeidlich zum offenen und respektvollen Dialog mit den Menschen, die noch nicht die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche erreicht haben. Ihr habt den dringenden Aufruf der Enzyklika Ut unum sint begrüßt, in der ich geschrieben habe, daß die volle Wiederherstellung der sichtbaren Einheit aller Christen „organisch zum Leben [der Kirche] und zu ihrem Wirken gehört und infolgedessen dieses Miteinander durchdringen muß“ (vgl. Nr. 20). Der ökumenische Weg ist nicht ohne Hindernisse und scheinbare Rückschläge; dazu muß auch die Entscheidung der Kirche von England, Frauen zum Priesteramt zuzulassen, gezählt werden. Während ihr weiterhin mit den Mitgliedern anderer christlicher Gruppen nach einem tieferen Verständnis der Natur dieses Amtes und der Lehrautorität der Kirche suchen müßt, seid ihr auch aufgefordert, die Gründe darzulegen, warum die katholische Kirche die Auffassung vertritt, daß sie nicht das Recht hat, etwas so Grundsätzliches in der ganzen christlichen Tradition zu verändern (vgl. Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4). Man sollte den Gläubigen helfen, zu begreifen, daß diese Lehre Frauen nicht diskriminiert, weil das Priestertum kein „Recht“ oder „Privileg“ ist, sondern eine Berufung, die man sich nicht eigenmächtig nimmt, sondern zu der man „von Gott berufen [wird], so wie Aaron“ (Hebr 5,4). Andererseits obliegt es der kirchlichen Gemeinschaft, eine bessere Würdigung der speziellen Gaben der Frauen zu fördern und sie in die Lage zu versetzen, aktiver in Verantwortungsstellungen der Kirche einbezogen zu werden (vgl. Brief an die Frauen, Nm. 11-12). Wir alle müssen Bemühungen in dieser Richtung unternehmen in der Gewißheit, daß die Kirche des dritten Jahrtausends neue Weisen finden kann, durch die der „Genius der Frau“ den Leib Christi aufbauen wird. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich bete inständig dafür, daß euer Besuch bei den Gräbern der seligen Apostel Petrus und Paulus euch ermutigen möge, das Werk Christi, des Ewigen Priesters, des Hirten und Bischofs unserer Seelen (vgl. 1 Petr 2,25), weiterzuführen. „Ich habe euch ins Herz geschlossen ... Denn ihr alle habt Anteil an der Gnade, die mir durch ... die Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums gewährt ist“ (vgl. Phil 1,7). Als Bischöfe - und getreu der Wahrheit, die uns allein frei machen wird (vgl. Joh 8,32) - sind wir oft aufgerufen, die „unerträglichen Worte“ (vgl. Joh 6,60) zu wiederholen und den Menschen zu zeigen: „Das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal“ {Mt 7,14). Wir versuchen, dies mitleids- und respektvoll gegenüber jedem Menschen zu tun. Wir müssen an der Seite unserer Brüder und Schwestern gehen, indem wir all jene mit Liebe umfassen, die unter menschlichen Schwächen leiden, und indem wir in den Armen und Leidenden das Abbild unseres armen und leidenden Herrn und Meisters erkennen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Unsere Hoffnung und unser Ver- 821 AD-LIMNA-BESUCHE trauen gründen immer auf der Kraft des auferstandenen Herrn. Ich rufe auf euch und auf jene, die eurer pastoralen Fürsorge anvertraut sind, reiche Gaben des Heiligen Geistes herab und empfehle euch der Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche. Von Herzen spende ich euch meinen Apostolischen Segen. Religiöses Gemeindeleben und Priestermangel Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Zentralfrankreich am 11. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wenige Monate nach meiner letzten Pastoraireise nach Frankreich, die ich noch in lebhafter Erinnerung habe, freue ich mich, heute meine Unterredungen mit den Bischöfen der verschiedenen Regionen zu beginnen anläßlich ihrer Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel, die der ursprüngliche Sinn des Ad-limina-Besuchs ist. Eure Treffen mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern sind eine Geste der kirchlichen Gemeinschaft und Ausdruck des kollegialen Geistes, der uns verbindet. Diese Kontakte stellen darüber hinaus eine Gelegenheit für eine detaillierte Betrachtung über die verschiedenen Aspekte eurer Sendung dar. Ich danke Msgr. Michel Moutel, Bischof von Nevers und Präsident der Region Zentralfrankreich, für die Worte der Zuneigung, die er soeben in eurem Namen gesprochen, und für das Bild, das er von der Situation der Kirche in eurem Land gezeichnet hat. Herzlich begrüße ich jeden von euch, besonders Msgr. Jean Honore, den Erzbischof von Tours, der mich im vergangenen September so zuvorkommend in seiner Bischofsstadt aufgenommen hat und meine Pilgerreise zum Grab des hl. Martin zu einem großen Erlebnis gemacht hat, an das ich mich jetzt, da ihr hier versammelt seid, gerne erinnere. Heute ehren wir auch das Andenken von Msgr. Jean Cuminal, Bischof von Blois, der uns zu früh verlassen hat, noch bevor er den 300. Jahrestag der Gründung seiner Diözese feiern konnte. Wir beten zum Herrn, daß er diesem treuen Diener seinen Lohn im ewigen Frieden gewähren möge. 2. Msgr. Moutel hat mehrere Besonderheiten eurer Diözesen aufgezählt, die sich im Rahmen einer weit ausgedehnten Region von großer Verschiedenartigkeit zusammengeschlossen haben. Es trifft sich gut, daß ihr trotz der relativen Zersplitterung bei verschiedenen Initiativen Zusammenarbeiten könnt. Ich denke in diesem Zusammenhang besonders an das Seminar in Orleans, das für fast alle eure Diözesen zuständig ist und dessen Situation ihr vor kurzem verbessern konntet. Zahlreiche Gläubige zeigen eine große Selbstlosigkeit und nehmen tatkräftig und bewußt am Leben der Kirche teil. Dies ist ein wahrer Anlaß zur Hoffnung und ein Zeichen der aktiven Gegenwart des Heiligen Geistes im Herzen der Getauften und in ihren Gemeinschaften. Ich bitte euch, den Mitgliedern eurer Diözesen den 822 AD-LIMNA-BESUCHE herzlichen Gruß und die Ermutigungen des Bischofs von Rom zu überbringen. Vor allem den Priestern, den Diakonen, den geweihten Menschen und den Laien, die in der Kirche Verantwortung übernommen haben, möchte ich meine Würdigung für ihre Arbeit und mein Vertrauen aussprechen, denn sie nehmen auch um den Preis großer selbstloser Hingabe alle zusammen und an eurer Seite an der Sendung teil, die Jesus seinen Jüngern anvertraut hat. Ich habe vor, zusammen mit den verschiedenen Gruppen der Bischöfe Frankreichs, die in den nächsten Wochen zu ihren Ad-limina-Besuchen nach Rom kommen werden, mehrere Themen zu erörtern, die für die Kirche in der heutigen Welt von Bedeutung sind. Ich möchte euch einige Anhaltspunkte zum Bedenken vorlegen im Geist dessen, was der Herr von Petrus verlangte: „Stärke deine Brüder“ (Lk 22,32). Heute werde ich vor allem bei einigen Aspekten eures Bischofsamtes verweilen, ohne jedoch ein vollständiges Bild davon zeichnen zu wollen. 3. Msgr. Moutel hat die Hauptschwierigkeiten dargelegt, denen ihr gegenübersteht. Ich möchte zwei Punkte davon aufgreifen, die die Gesamtheit der Kirche in eurem Land betreffen: erstens die Tatsache, daß ein großer Teil der Bevölkerung auf Distanz zur Kirche bleibt und ihre Botschaft nicht leicht aufnimmt, und zweitens die Verringerung der Anzahl der Priester, die dazu führt, daß es immer schwieriger wird, die seelsorgerischen Tätigkeiten zu gewährleisten, auch wenn zahlreiche Laien öfter Verantwortung in der Kirche übernehmen. Wie in vielen anderen Ländern, so werdet auch ihr mit verschiedenen Formen der Verarmung oder Schwächung der Kirche konfrontiert, die die bischöfliche Sendung sehr erschweren. Als Apostel Christi seid ihr unter den ersten, die das Kreuz der Gleichgültigkeit, des Unverständnisses und manchmal sogar der Feindseligkeit erfahren. In einer Gesellschaft, die an sich selbst zweifelt und an einer langen wirtschaftlichen wie sozialen Krise leidet, seht ihr zu viele Menschen und zu viele Getaufte, die aufgrund einer Art Ablehnung gegenüber der Institution als solcher -und zugunsten eines individualistischen Einschlags - der kirchlichen Gemeinschaft fembleiben: Jeder fühlt sich als Richter über seine eigenen Lebensnormen, und wenn er auch einen gewissen Sinn für Religion beibehält oder die Kirche für ihn ein ferner Bezugspunkt bleibt, so lebt er doch nicht einen persönlichen Glauben an Jesus Christus und verkennt die kirchliche Dimension dieses Glaubens. 4. Diese Situation, die selbstverständlich gemäß den verschiedenen Orten und Gegebenheiten nuanciert betrachtet werden muß, hat eine nachhaltige Wirkung auf den, der nicht untätig bleiben darf. Wie der hl. Paulus habt auch ihr gesagt: „Daher erlahmt unser Eifer nicht in dem Dienst, der uns durch Gottes Erbarmen übertragen wurde [...] Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn“ (2 Kor 4,1.5). Der Bischof schöpft sein festes Vertrauen aus den Versprechen Christi und aus der Gabe des Geistes, denn „treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn“ (I Kor 1,9). 823 AD-LIMNA-BESUCHE Der bischöfliche Auftrag - es erübrigt sich, noch einmal darauf hinzuweisen - ist in erster Linie geistlicher Art. Als Wärter und Wächter schaut der Hirte auf seine Gläubigen und auf die ganze Gesellschaft mit einem Blick, der von der Perspektive des Evangeliums und der kirchlichen Erfahrung erleuchtet ist. Indem er auf das hört, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7), kann er seine Verantwortung ausüben, angefangen mit einer offenen und wohlwollenden Unterscheidungs-fahigkeit hinsichtlich der Erfolge oder Mißerfolge, der dynamischen Initiativen oder der bedauernswerten Tatenlosigkeit, die den Weg des Volkes Gottes kennzeichnen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Hauptaufgaben der Nachfolger der Apostel klar umrissen, und zwar sowohl in der Konstitution über die Kirche Lumen Gentium als auch in dem Dekret Christus Dominus über die Hirtenaufgabe der Bischöfe. Es ist angebracht, die Meditation über diese wichtigen Texte des kirchlichen Lehramts wiederaufzunehmen: Eine solche Betrachtung kommt natürlich vor allem jenen zugute, die eine wesentliche Sendung im Dienste an dem ihnen anvertrauten Volk erfüllen sollen, aber auch die Gläubigen müssen daran beteiligt sein. 5. Ich möchte euch brüderlich in eurem Auftrag bestärken, zu lehren und den Menschen das Evangelium Christi zu verkünden (vgl. Christus Dominus, Nr. 11). Der Bischof ist ein Prophet, der die Frohbotschaft verkündet, und er bietet sie unermüdlich an, indem er nach einer Sprache sucht, die den Sinn der Schrift offenbart, wie es der Herr mit den Jüngern in Emmaus getan hat. Das Konzil sagt namentlich: „Die christliche Lehre sollen sie [die Bischöfe] auf eine Weise vortragen, die den Erfordernissen der Zeit angepaßt ist, das heißt, die den Schwierigkeiten und Fragen, von denen die Menschen so sehr bedrängt und geängstigt werden, entspricht“ (ebd., Nr. 13). Diese Worte reichen aus, um zu zeigen, daß euer apostolisches Amt an die Menschen der Gegenwart gerichtet ist gemäß den ausdrücklichen oder verborgenen Bedürfnissen sowohl der Gläubigen, die sichtbar an der diözesanen Gemeinschaft teilhaben, als auch der anderen Personen, die an der Schwelle stehenbleiben und sich schwer tun, den Sinn ihres Lebens zu finden. Insbesondere steht der Bischof in vorderster Linie beim Einsatz zugunsten der Armen und der von der Gesellschaft Ausgeschlossenen. Er muß auftreten als Verteidiger der Menschenwürde, der Achtung eines jeden Menschenlebens, der Gerechtigkeit in der Nächstenliebe und der Solidarität. Er ist derjenige, der zum Dienst an jenen aufruft, die ihr „die vom Leben Verwundeten“ genannt habt, die an Krankheiten oder körperlichen Behinderungen leiden, von sozialen Problemen betroffen sind oder unter dem Mangel an Glauben und geistiger Hoffnung leiden. Als Abbild des Herrn, der als Diener gekommen ist, öffnet der Hirte die Wege des Dienens für all jene, die er zu leiten berufen ist. Im Bereich der Nächstenliebe besteht das apostolische Amt darin, das Volk in enger Zusammenarbeit mit den Priestern, die an den bischöflichen Aufgaben beteiligt sind, zu vereinen. Ich werde noch auf die heutigen Erfordernisse des priester- 824 AD-LIMNA-BESUCHE liehen Amtes, das eure erste Sorge ist, zurückkommen. Heute soll es ausreichen, darauf hinzuweisen, daß die Priester - und mit ihnen die Verantwortlichen der verschiedenen Dienste oder Bewegungen - auf den Bischof zählen, um die Gesamtheit der Tätigkeiten zu koordinieren, damit alle zur Einheit und Dynamik der Diözesankirche beitragen. All eure Verantwortung kann euch zuweilen sehr schwer Vorkommen. Nur der Geist des Herrn kann euch in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche das Licht und die Kraft geben, die ihr braucht. Bewahren wir unser Vertrauen zu dem einzigen Geist, „der Herr ist und das Leben gibt“. Behalten wir ständig das Versprechen Jesu im Sinn: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid“ (Joh 15,26-27). 6. Der Versuch der letzten Jahrzehnte hat es den Bischöfen erlaubt, bei der Erfüllung ihrer Mission nie ohne Unterstützung zu bleiben. Wichtige Einrichtungen zur Zusammenarbeit auf regionaler oder nationaler Ebene sind geschaffen worden. Darüber hatte ich schon in Reims zu euch gesprochen. Das Konzil empfiehlt, daß die Bischöfe sich zusammenfinden, „damit durch den Austausch von Kenntnissen und Erfahrung und durch gegenseitige Beratung ein heiliges Zusammenwirken der Kräfte zum gemeinsamen Wohl der Kirchen zustande kommt“ (Christus Dominus, Nr. 37). In der Tat ermöglichen die bischöflichen Treffen - über eine einfache Abstimmung hinaus - die Ausarbeitung von gemeinsamen Richtlinien; sie schaffen die Voraussetzungen dafür, daß die für das ganze Land gültigen Botschaften gehört werden und daß auf regionalem oder nationalem Niveau die Mittel zur Vertiefung und zur Aktion zusammengelegt werden, über die eine einzelne Diözese nicht verfügt. Als Beispiel dafür möchte ich die wichtige Arbeit erwähnen, die von mehreren unter euch mit der Hilfe von Experten, Vertretern der Laienbewegungen und zahlreichen Gläubigen geleistet worden ist und die euch dazu geführt hat, den Hirtenbrief mit dem Titel Den Glauben in der heutigen Gesellschaft vermitteln an die Katholiken Frankreichs zu richten. Ich wünsche, daß dieses Dokument der französischen Bischöfe zu einer klaren Bewertung der Situation der Katholiken in der gegenwärtigen Gesellschaft beiträgt und sie dazu anregt, zum Mittelpunkt des Glaubensgeheimnisses vorzustoßen, um eine Kirche zu bilden, die die aus Gnade erhaltenen Gaben immer besser anzubieten und zu teilen weiß. Zusammen werdet ihr besser dazu in der Lage sein, die Entwicklung und das Leben in den verschiedenen Gemeinschaften, aus denen die Kirche in eurem Land momentan zusammengesetzt ist, zu verfolgen. Außerdem werdet ihr ihre Tatkraft auf die wichtigsten Dienstleistungen hinlenken, für die sich die Kirche seit jeher einsetzt, vor allem im Erziehungswesen, in der Krankenpflege oder der klugen und konkreten gegenseitigen Hilfe, sowohl innerhalb eures Landes als auch zugunsten eurer Brüder in benachteiligteren Gegenden. 825 AD-LIMNA -BES UCHE Zusammen wird eure Stimme auch besser gehört, wenn ihr auftretet als Verteidiger der sozialen Solidarität gegenüber allen Einwohnern eures Gebietes, was ihre Herkunft auch immer sein mag. 7. Eure Anwesenheit in Rom unterstreicht eure Verbundenheit mit der Universalkirche. Ich bin euch dankbar für die Aufmerksamkeit, die ihr dem Lehramt der Kirche und der Tätigkeit des Bischofs von Rom schenkt. Ihr tragt ebenfalls zur Bekanntmachung und Erklärung dieser Tätigkeit bei. Ich denke auch an die Fürsorge für alle Kirchen. Das Konzil hat mehrmals hervorgehoben, daß jeder Nachfolger der Apostel dafür verantwortlich ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23 und Christus Dominus, Nr. 6). Ich weiß, daß eure Diözesen an ihrer bedeutenden missionarischen Tradition fest-halten und daß sie - aufgrund althergebrachter oder in neuerer Zeit geknüpfter Bande - lebendige Beziehungen zu anderen Ortskirchen unterhalten, namentlich mit den jungen Kirchen, die oft von Missionaren aus euren Gegenden gegründet worden sind, oder auch mit älteren Kirchen, die nach schweren Prüfungen Wiederaufleben und die einen wahrhaften Austausch der Gaben wünschen, wie ich es oft erwähnt habe. Dies hat schon in der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, deren erneutes Zusammentreten ich vor kurzem angekündigt habe, seinen Ausdruck gefunden. Eure Gemeinschaft mit der Gesamtheit der Kirche offenbart sich auch durch die Generalsynoden, wie diejenige, die gegenwärtig über das Thema des Bischofsamts vorbereitet wird, nachdem wir uns mit den Laien, den Priestern und dem geweihten Leben befaßt haben. 8. Wichtige Aufgaben erwarten euch im Laufe der kommenden Monate und Jahre. Bald wird in Paris der Weltjugendtag stattfinden, nachdem alle Diözesen Frankreichs Jugendliche aus der ganzen Welt aufgenommen haben werden. Ich bin all jenen dankbar, die für den Erfolg dieser Zusammenkunft am Werk sind, denn solche Treffen erwecken eine große Hoffnung: Die Jugendlichen vergleichen ihre verschiedenen Weisen, an Christus zu glauben, der sie aufruft, ihm nachzufolgen: „Kommt und seht“ {Joh 1,39). Dieses Ereignis im August 1997 gehört zur direkten Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000, die begonnen hat mit einer erneuerten Betrachtung über „Jesus Christus, alleiniger Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8). Helft den Gläubigen, die Taufe und die universale Berufüng zur Heiligkeit wiederzuentdecken, ihren Glauben und ihr Zeugnis zu stärken, die Katechese für alle Generationen auszubauen und vertrauensvoll zur Heiligen Jungfrau zu beten, mit der „die Kirche verehrend in das erhabene Geheimnis der Menschwerdung tiefer eindringt“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 65, vgl. Tertia millen-nio adveniente, Nm. 40-43). Und das Jubeljahr muß von einem erneuerten Einsatz für die Evangelisierung gekennzeichnet sein (vgl. Tertio millennio adveniente, Nm. 21 und 40). 826 AD-LIMNA-BESUCHE 9. Liebe Brüder! Zu Beginn der Ad-limina-Besuche der Bischöfe Frankreichs versichere ich euch meiner tiefen Gemeinschaft im Gebet und in einer festen Hoffnung für die Zukunft eurer Diözesen, wo sich trotz der Prüfungen viele Arten lebendiger Hingabe entfalten. Möge Jesus Christus euch die Freude geben, ihm zu dienen, indem ihr die euch anvertrauten Diözesankirchen in seinem Namen leitet! Mögen die Heilige Jungfrau und alle Heiligen Frankreichs für euch fürsprechen! Euch Hirten der Region Zentralfrankreich und all jenen, die mit euch und euren Landsleuten die Kirche lebendig gestalten, erteile ich von ganzen Herzen den Apostolischen Segen. Spiritualität und Zölibat des Priesters Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Region Nordfrankreich am 18. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch anläßlich eures Ad-limina-Besuchs. Durch eure Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus und durch eure Treffen mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern werdet ihr eine neue Ermutigung für eure bischöfliche Sendung finden; Christus, der seine Kirche nie verläßt und sie durch seinen Geist leitet, damit sie ein Zeichen des Heils in der Welt sei, wird die Hoffnung in euch wachsen lassen. Ich danke Msgr. Michel Saudreau, dem Bischof von Le Havre und Präsidenten eurer Region, für seine Grußworte, in denen er an die herzliche und aufmerksame Aufnahme von seiten des französischen Volkes gelegentlich meiner jüngsten Reise in euer Land erinnert hat, und für seine Ausführungen über einige gemeinsame pastorale Richtlinien, damit die Menschen den dreieinigen Gott entdecken. Eure Maßnahmen reihen sich in die Vorbereitungsarbeit des Großen Jubeljahres ein. 2. In euren Fünijahresberichten habt ihr die Zukunft des Klerus als eine eurer Hauptsorgen erwähnt. Die Alterspyramide ist ein Grund zur Besorgnis. Auch die Priester sorgen sich mit euch, weil sie ihre Nachfolge nicht gesichert sehen und sie oft nur mit großer Mühe all die zahheichen Aufgaben ihres Amtes erfüllen können. Ich verstehe eure Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft der christlichen Gemeinden, die geweihte Priester brauchen. Ich fordere euch trotzdem zur Hoffnung auf, insbesondere durch die Meditation über das Konzilsdekret Presbytero-rum Ordinis über den Dienst und das Leben der Priester, dessen 30. Jahrestag wir 1995 gefeiert haben. Für alle, die die Priesterweihe empfangen haben, ist das eine Gelegenheit, um die ihnen vom Herrn anvertraute Mission mit neuen Augen zu betrachten und um „die Gnade Gottes wieder zu entfachen“, die ihnen durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist (vgl. 2 Tim 1,6). 827 AD-LIMINA -BES UCHE Mit euch möchte ich also alle Priester, vor allem aber die Diözesanpriester, ermutigen, sich für die Stärkung und die Erneuerung der Spiritualität des Diöze-sanpriestertums einzusetzen. Durch ihr geistliches Leben werden sie in der Ausübung der wahrhaften caritas pastoralis einen Weg persönlicher Heiligkeit entdecken, eine neue Dynamik in ihrem Amt und eine überzeugende Kraft gegenüber den Jugendlichen, die zögern, den Weg des Priesteramts einzuschlagen. 3. Die Aufforderung des Apostels Paulus an Timotheus erinnert uns an das tiefe Band, das zwischen Weihe und Sendung besteht. Ohne diese Einheit hätte das Priesteramt eine rein soziale Funktion. Vom Herrn berufen und ausgewählt, nehmen die Priester an seinem Werk zum Aufbau der Kirche als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes teil (vgl. Presbyterorum Ordinis, Nr. 1). „Die Priester sind in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten“ (Pastores dabo vobis, Nr. 15). Aus der Mitte ihrer Brüder erwählt, sind sie zuallererst Männer Gottes; es ist wichtig, daß sie ihr geistiges Leben nicht vernachlässigen, denn jede seelsorgerische und theologische Tätigkeit „muß in der Tat mit dem Gebet beginnen“ (vgl. hl. Albert der Große, Kommentar der mystischen Theologie, 15), das „etwas Großes ist, das die Seele weit macht und mit Jesus verbindet“ (hl. Therese von Lisieux, Autobiographische Manuskripte C, fol. 25). 4. In der täglichen, tiefinnerlichen Verbindung mit Christus, die das Dasein und den Dienst zusammenschließt, ist es also angemessen, der Eucharistie - die den ganzen geistlichen Schatz der Kirche enthält - den ersten Platz einzuräumen. Sie gleicht den Priester jeden Tag Christus, dem Hohenpriester, an, dessen Gesandter er ist. Und in der Feier der Eucharistie, wie in der aller anderen Sakramente, ist der Priester mit seinem Bischof verbunden, und er macht ihn „so in den einzelnen Gemeinschaften der Gläubigen gewissermaßen gegenwärtig“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 5); er stellt den Zusammenhalt innerhalb des Gottesvolkes her und läßt es wachsen, indem er es um die beiden Tische des Wortes und der Eucharistie versammelt und indem er den Menschen die Unterstützung der liebevollen göttlichen Barmherzigkeit bietet. Sodann gliedert das Stundengebet seinen Tagesablauf und formt sein geistliches Leben. Die Meditation über das Wort Gottes, die lectio di-vina und das persönliche Gebet führen zu einem Leben in inniger Verbundenheit mit dem Herrn, der die Heilsgeheimnisse demjenigen offenbart, der nach dem Beispiel des geliebten Jüngers an der Seite Jesu bleibt (vgl. Joh 13,25). In der Gegenwart Gottes findet der Priester die Kraft, um die wesentlichen Bedürfnisse seines Dienstes in sein Leben zu übertragen. Er erlangt die nötige Fügsamkeit, um den Willen dessen zu tun, der ihn gesandt hat, in einer Haltung ständiger Offenheit gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes, denn Er ist es, der wachsen läßt, und wir sind seine Mitarbeiter (vgl. 1 Kor 3,5-9). Gemäß dem am Tag der Weihe abgelegten Versprechen konkretisiert sich diese Offenheit durch den Gehorsam gegenüber dem Bischof, der im Namen der Kirche den Priester zu seinen 828 AD-LIMNA-BESUCHE Brüdern schickt, um - trotz seiner Schwäche und Anfälligkeit - der Vertreter Christi zu sein. Durch den Priester spricht der Herr zu den Menschen und offenbart sich ihren Augen. 5. In der heutigen Gesellschaft, die gewisse irrige Auffassungen hinsichtlich der Sexualität anpreist, erinnert der priesterliche oder geweihte Zölibat, wie in anderer Form das Engagement im Sakrament der Ehe, auf prophetische Weise an den tiefen Sinn des menschlichen Daseins. Die Keuschheit schenkt demjenigen, der sich dazu verpflichtet, die richtige Geisteshaltung, um sein Leben in die Hände Gottes zu legen, indem er dem Herrn all seine inneren Fähigkeiten für den Dienst an der Kirche und für das Heil der Welt zur Verfügung stellt. Durch „die vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen“ stärkt der Priester seine mystische Verbindung mit Christus, dem er sich „in neuer und vorzüglicher Weise“ und „ungeteilten Herzens“ weiht (Presbyterorum Ordinis, Nr. 16). So schenkt und opfert er sich - in seinem Sein und Tun - aus seinem eigenen freien Willen, als Antwort auf das Geschenk und das Opfer seines Herrn. Die vollkommene Keuschheit fuhrt den Priester dazu, eine universale Liebe zu entfalten und jedem seiner Brüder gegenüber aufmerksam zu sein. Diese Einstellung ist der Quell einer unvergleichlichen geistlichen Fruchtbarkeit, „mit der keine andere fleischliche Fruchtbarkeit zu vergleichen ist“ (vgl. hl. Augustinus, De sancta vir-ginitate, 8), und sie befähigt den Priester in gewisser Weise dazu, „die Vaterschaft in Christus tiefer zu verstehen“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 16). 6. Heutzutage ist die Sendung des Priesters oft schwierig, und sie nimmt sehr verschiedene Formen an. Die kleine Anzahl der Priester bringt es mit sich, daß diese oft bis an die Grenzen ihrer Kraft beansprucht werden. Ich kenne die dürftigen und mühseligen Umstände, unter denen die Priester eures Landes ihre Sendung zu erfüllen bereit sind. Ich ehre ihre Standhaftigkeit und lade sie ein, ihre eigene Gesundheit nicht zu vernachlässigen. Es ist selbstverständlich Aufgabe der Bischöfe, die dies auch schon tun, sich immer mehr um die Lebensqualität ihrer Priester zu bemühen. Mögen die Priester nie den Mut verlieren und auf die Menschen zugehen, um das Evangelium zu verkünden und um aus allen Menschen Jünger zu machen! Sie haben die Aufgabe, die Laien zu bitten, ihren spezifischen Dienst vollauf zu erfüllen, indem sie jeden — gemäß seinem Charisma — zu einer angemessenen Teilnahme an der Liturgie und an der Katechese anregen oder auch zu einem verantwortlichen Engagement in den Bewegungen und in verschiedenen kirchlichen Einrichtungen zum Wohl der Kirche. Auf diese Weise werden die Priester ihren Dienst und ihre tiefe Verbindung mit allen anderen Mitgliedern des Gottes-volkes leben, und sie sind aufgerufen, um ihren Bischof geschart an der gemeinsamen Mission teilzuhaben. Aus dieser gegenseitigen Ergänzung wird eine neue apostolische Kraft entstehen. 7. Die Menschen unserer Zeit dürsten nach Wahrheit; die menschliche Forschung reicht nicht aus, um ihrem tiefempfundenen Wunsch gerecht zu werden. Die Ge- 829 AD-LIMNA -BESUCHE weihten müssen die ersten sein, die Christus der Welt vorstellen, und zwar durch die Vorbereitung und die Feier der Sakramente, durch die Erläuterung der Heiligen Schrift, durch die Katechese für die Jugendlichen und die Erwachsenen und durch die Begleitung christlicher Gruppen. In ihrem Dienst nimmt auch die Belehrung über das christliche Mysterium einen wesentlichen Platz ein. Wie könnten nämlich unsere Zeitgenossen - mit Kulturen und Wissenschaften konfrontiert, die dem Glauben tiefschürfende Fragen stellen - Christus folgen, wenn ihnen die dogmatischen Kenntnisse und ein starker, geistlicher Unterbau fehlen? Die sonntäglichen Predigten sollten also mit großer Sorgfalt vorbereitet werden durch das Gebet und durch eingehendes Studium. Sie werden den Gläubigen helfen, ihren Glauben in ihrem täglichen Dasein zu erleben und mit ihren Brüdern in Dialog zu kommen. 8. Die priesterliche Sendung ist so wichtig, daß sie einer ständigen Weiterbildung bedarf. Ich ermutige euch deshalb, in euren Diözesen, in eurer Region oder auch auf nationaler Ebene euren engsten Mitarbeitern Zeit für ihre geistliche und theologische Bereicherung zu geben. Die drei Jahre der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr liefern einen besonders passenden Rahmen dafür, da wir alle aufgefordert werden, unseren Blick nacheinander auf Christus, den Heiligen Geist und den Vater zu richten. Die Kirche in Frankreich ist reich an heiligmäßigen Hirten, die Vorbilder für die Priester von heute sind. Ich denke dabei besonders an den Pfarrer von Ars, den Schutzheiligen der Priester in aller Welt, an die Mitglieder der „Ecöle franfaise“ und an den hl. Franz von Sales, der einen sicheren Weg für das geistliche Leben, für die Praxis der christlichen Tugenden und für die seelsorgerische Leitung aufzeigt (vgl. Introduction a la vie devote), sowie, in diesem Jahrhundert, an die zahlreichen Hirten, die für die heutigen Priester wahre Inspiratoren bleiben. Andererseits habt ihr ein kirchliches Erbe, das lebendig erhalten werden muß. Frankreich verfügt über wunderbare Ausgaben patristischer und spiritueller Autoren, die es zu würdigen und zu unterstützen gilt. Es handelt sich um einen Glaubensschatz, der geeignet ist, das geistliche Leben zu nähren und die Sendung zu stärken. Dieses Erbe erlaubt es, neue Mittel zu finden, um den gegenwärtigen Bedürfnissen gerecht zu werden. 9. Die priesterliche Brüderlichkeit innerhalb des Presbyteriums einer Diözese ist ebenfalls unerläßlich; sie gibt jedem Unterstützung und Trost; sie ermöglicht das gemeinsame Gebet, das Teilen der Freuden und der Hoffnungen des Priestertums und die Aufnahme der priesterlichen Mitbrüder mit Zuvorkommenheit, in der berechtigten Verschiedenheit der Charismen und der pastoralen Entscheidungen. Ich fordere euch und alle Mitglieder der Geistlichkeit auf, den Priestern und Diakonen nahe zu bleiben, die in schwierigen persönlichen oder pastoralen Verhältnissen leben. Sie benötigen eine ganz besondere Art des Beistands. Meine Gedanken gehen auch zu denen, die schon alt sind und nicht mehr die Kraft haben, ihr Amt 830 AD-LIMINA-BESUCHE hundertprozentig zu erfüllen: Die Mehrzahl von ihnen kann immer noch zahlreiche Dienste leisten und für die Mitbrüder ein guter Ratgeber sein. 10. Ihr habt Schritt für Schritt den ständigen Diakonat im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils ausgebaut, und ihr habt den Stellenwert der Diakone in euren Diözesen unterstrichen. Sie werden geweiht „zur Dienstleistung“ {Lumen Gentium, Nr. 29) für die kirchliche Gemeinschaft und alle Menschen in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit ihrem Bischof und der Gesamtheit der Hirten. Wenn sie predigen, wenn sie Taufen und Eheschließungen feiern, wenn sie ihr Amt in zahlreichen kirchlichen Diensten ausüben, begleiten sie das geistige Wachstum ihrer Brüder. Durch ihr Berufsleben, durch ihre Verantwortung innerhalb der Gesellschaft und in ihren Familien werden sie zu Dienern in einer dienenden Kirche und offenbaren auf konkrete Weise die fürsorgliche Aufmerksamkeit der Kirche gegenüber allen Menschen. Die verheirateten Diakone werden in ihren Ehefrauen und ihren Kindern eine wichtige Unterstützung für die Ausübung ihrer Sendung finden. 11. Außerdem habt ihr die Ausstrahlung der Klöster und der Spiritualitätzentren hervorgehoben. In einer von Gleichgültigkeit und dem Verlust an religiösem Empfinden gezeichneten Welt sollten unsere Zeitgenossen den Wert der Stille wiederentdecken: Sie erlaubt es ihnen, sich dem Herrn zuzuwenden, ihr Dasein zu vereinheitlichen und ihm seinen ganzen Sinn zu geben. Bei dieser Wiederentdeckung spielen die Mönche und Nonnen sowie die Gesamtheit der Ordensmänner und Ordensfrauen eine ganz wichtige Rolle. Durch ihr Leben, das sie ganz Gott und ihren Brüdern schenken, bringen sie vor der ganzen Welt und auf prophetische Weise zum Ausdruck, daß nur Christus das Leben gibt und daß einzig ein auf geistige und sittliche Werte gegründetes Leben zum wahren Glück führt (vgl. Vita con-secrata, Nr. 15). Aber darüber hinaus versuchen die geweihten Menschen in ihrem eigenen Dasein „die Lebensform, die der Sohn Gottes annahm, als er in die Welt eintrat“ {Lumen Gentium, Nr. 44), nachzuahmen. Diese Anpassung an das Mysterium Christi bringt jene Confessio Trinitatis zustande, die dem Ordensleben eigen ist. Eure Berichte bezeugen die wesentliche Rolle der Ordensmänner und Ordensfrauen im seelsorgerischen und karitativen Leben eurer Diözesen. Ich würdige ihre Hingabe und Großherzigkeit, vor allem gegenüber der Jugend, den Kranken, den Bedürftigsten und auch jenen, die der Kirche femstehen. 12. Zum Abschluß unseres Treffens möchte ich die marianische Dimension eines jeden christlichen Lebens erwähnen, und besonders des priesterlichen Lebens. Zu Füßen des Kreuzes, wo die Kirche ihren Ursprung findet, nimmt der Jünger die Mutter des Heilands zu sich. Zusammen empfangen sie das Geschenk des Opfertodes Christi, damit das Geheimnis der Erlösung der ganzen Welt verkündet werde (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 45). Schließlich gehen meine Gedanken zu den Gläubigen eurer Gemeinden. Überbringt all denen, die sich durch das Gebet und durch ihre Tätigkeit für die Sen- 831 AD-LIMNA-BESUCHE düng der Kirche engagieren, vor allem den Priestern, den Diakonen, den Ordens-männem und Ordensfrauen, sowie allen Katholiken eurer Diözesen die herzlichen Grüße und die Ermutigungen des Papstes und versichert sie meines Gebets, damit sie auch inmitten der gegenwärtigen Schwierigkeiten die Hoffnung bewahren! Außerdem bitte ich euch, meine herzlichen Grüße auch den emeritierten Bischöfen eurer Region auszurichten. Durch die Fürsprache Unserer Lieben Frau und der Heiligen eures Landes spende ich euch und allen Mitgliedern der Gottesvolkes, das eurer pastoralen Fürsorge anvertraut ist, von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Zusammenarbeit von Priestern und Laien in schwieriger Zeit Ansprache an die Bischöfe der Kirchenregion Südwestfrankreich anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 25. Januar Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es freut mich, euch, die Bischöfe der zehn Diözesen der Kirchenregion Südwestfrankreich, anläßlich eures Pilgerbesuches an den Gräbern der Apostel zu empfangen. Gemeinsam mit euch rufe ich Petrus und Paulus als Säulen der Kirche an. Der Apostelfürst und der Völkerapostel mögen für euch erwirken, daß ihr mit dem Licht und der Kraft, die der Geist des Herrn euch schenkt, euer Hirtenamt gut fuhrt! Ich danke Kardinal Pierre Eyt, Erzbischof von Bordeaux und Vorsitzendem eurer Kirchenregion, für seine überzeugenden Ausführungen zur Lage der Kirche in euren Diözesen. Die Schwierigkeiten und Beschränkungen, unter denen ihr zu leiden habt, werden klar ausgesprochen, aber man darf auch dankbar sein für zahlreiche Anzeichen einer wirklich dynamischen Lebendigkeit eurer Gemeinden. 2. Zur Zeit müssen sich viele Diözesen neu organisieren, was vor allem eine Neugruppierung bzw. Neugestaltung ihrer territorialen Strukturen bedeutet. Es hat nämlich ein beträchtlicher Wandel im Siedlungswesen und Wirtschaftsleben stattgefunden, der weiter im Gange ist. Die Lebensweisen ändern sich. Es ist auch eine größere Mobilität der Menschen festzustellen, deren Interessensschwerpunkte und Kultur sich wandeln. Das Erscheinungsbild der Gesellschaft weist spürbare Veränderungen auf. Für die Kirche sind die sichtbarsten Fakten die zahlenmäßige Verringerung an Priestern und häufig der Rückgang an praktizierenden Gläubigen. Diese beunruhigenden Entwicklungen haben sehr komplexe Ursachen, wobei der Einfluß des Wandels der Gesellschaft auf das Verhalten der Gläubigen und der seit langem in diesen Ländern verwurzelten christlichen Gemeinden nicht übersehen werden darf; man ist also keineswegs allein durch die Entwicklung der tatsächlichen 832 AD-LIMNA-BESUCHE Priesterzahlen zu institutioneilen Veränderungen veranlaßt. Daß altehrwürdige Bräuche und Gewohnheiten heute aufgegeben werden müssen, mag von manchen bedauert werden, aber es geht weder darum, das nostalgische Andenken an eine im übrigen manchmal idealisierte Vergangenheit zu pflegen, noch jemanden zurechtzuweisen. Eure Analysen in den Fünfjahresberichten zeigen, daß ihr euch über die Situation im klaren und bereit seid, aktiv am Aufbau neuer Verhältnisse mitzuwirken. Änderungen, und zwar positiver Art, treten auch im Verhalten der Katholiken auf. Ihr habt auf geistliche Aufbrüche, Bekehrungen, engagierte Einsätze in der Kirche hingewiesen, die von einer mannigfaltigen qualitativen Erneuerung des Glaubens und des christlichen Handelns zeugen. In der Bereitschaft einer beachtlichen Anzahl von Laien, eine aktivere und vielseitigere Rolle im kirchlichen Leben zu spielen und die Möglichkeit zu ergreifen, sich dafür ausbilden zu lassen, ist eine echte Hoffnungsquelle zu erkennen. In diesem Zusammenhang veranlaßt euch euer wichtiger Hirtenauftrag zur organisatorischen Neugestaltung der Gemeinden. Ihr habt gezeigt, daß die anstehenden Veränderungen durch breit angelegte Beratungen gesteuert werden, die nicht nur die praktischen Bedingungen für die Zusammenlegung von Pfarreien oder die Schaffung neuer pastoraler Einheiten betreffen. Für die Priester und die Gläubigen geht es darum festzulegen, unter welchen Bedingungen man in Zukunft die Frohbotschaft verkündigen, das Volk Gottes leiten und mittels der sakramentalen Gegenwart Christi versammeln kann. Die Diözesansynoden bildeten oft den Rahmen für einen bemerkenswerten Reifungsprozeß der Getauften, der ihre unverzichtbare Verantwortung und ihre Komplementarität im kirchlichen Leben enthüllt. In bezug auf die derzeitige Situation und die erneuerten Strukturen, die ihr aufbauen sollt, will ich euch einfach einige Überlegungen zum Leben des pastoralen Miteinander mitteilen. Meine Absicht ist dabei, euch sowie den Klerus und die Gläubigen der Diözesen eures Landes zu ermutigen, sich bei der täglichen Erfüllung der gemeinsamen Sendung immer besser auf den Felsen Christus und auf die Gemeinschaft der ganzen Kirche zu stützen. 3. Die lebendigen Kräfte vieler eurer Diözesen haben bei der Durchführung der von mir soeben erwähnten Veränderungen die Wichtigkeit der territorialen Verwurzelung der Kirche richtig verstanden: In guter Koordinierung mit den anderen pastoralen Gruppierungen ist es im wesentlichen die Pfarrei, die es der Kirche überhaupt ermöglicht, konkret zu existieren, so daß sie für alle offen ist. Die Pfarrei ist, unabhängig von ihrer Größe, kein bloßer Verein. Sie muß eine Stätte sein, wo sich die Glieder des Leibes Christi versammeln, die offen sind für die Begegnung mit Gott, dem liebenden Vater und Retter in seinem Sohn, die vom Heiligen Geist bei ihrer Taufe in die Kirche eingegliedert wurden und bereit sind, in geschwisterlicher Liebe ihre Brüder und Schwestern, unbesehen ihres Standes und ihrer Herkunft, anzunehmen. 833 AD-LIMNA-BESUCHE Die Einrichtung der Pfarrei ist dazu bestimmt, die Erfüllung der großen Funktionen der Kirche zu gewährleisten: gemeinsames Gebet und Lesung des Gotteswortes, Feier von Gottesdiensten, vor allem der Eucharistie, Kinderkatechese und Er-wachsenenkatechumenat, Weiterbildung der Gläubigen, Vermittlung und Bekanntmachung der christlichen Botschaft, Dienste karitativer Nächstenliebe und Solidarität, Wirken von Bewegungen im lokalen Umfeld. Im Grunde gilt es, nach dem Bild des Heiligtums, dessen sichtbares Zeichen er sein soll, gemeinsam einen Bau zu errichten, gemeinsam einen Leib, eine Gemeinschaft zum Leben und Wachsen zu bringen, wo man die Gaben Gottes empfängt und wo die Getauften großzügig ihre Antwort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe auf die Aufforderungen des Evangeliums geben. Heute, wo die pastoralen Strukturen erneuert werden müssen, wird es ratsam sein, sich wieder gründlich mit der Kirchenlehre des II. Vatikanischen Konzils zu beschäftigen, wie sie in der Konstitution Lumen Gentium und in den verschiedenen richtungsweisenden Dokumenten, besonders über die Priester und über die Laien, dargelegt ist. Man ist, wie mir scheint, bei der notwendig gewordenen Neuordnung hauptsächlich darauf bedacht, der Pfarrei die tatsächliche Erfüllung der Aufgaben zu ermöglichen, auf die ich soeben hingewiesen habe. Sie sollte daher nicht zu klein sein und überdies, soweit möglich, den praktizierenden Katholiken und allen ihren Brüdern und Schwestern nahe bleiben. Selbst wenn eine Neugruppierung die Kirchenmitglieder mehrerer Ortschaften zusammenfaßt, muß alles darangesetzt werden, das materielle, aber auch das menschliche geschichtliche Erbe dadurch zu bewahren, daß das Möglichste getan wird, damit die Christen den nötigen geistlichen Beistand erhalten und damit außerdem die Heiligtümer Gebetsstätten bleiben, die weiterhin aufgesucht werden, und Frömmigkeitsbräuche des Volkes nicht in Vergessenheit geraten. 4. Eine entscheidende Frage ist natürlich die nach den Verantwortlichen. Um die pastoralen Einheiten leiten und mit Leben erfüllen zu können, bedarf es der sich zunehmend entwickelnden Zusammenarbeit von Priestern und Laien. Rund um den Pfarrer spielen die Pastoralräte und andere Gruppen pastoraler Mitarbeiter im liturgischen und außerliturgischen Bereich [die „equipes animatrices“ und die „relais pastoraux“] eine unentbehrliche Rolle. Sie ermöglichen es vor allem den verschiedenen Ebenen kirchlichen Lebens sich bestmöglich zum Ausdruck zu bringen: der mitunter kleinen Ortsgemeinde, die aber eine lebendige und aktive Schaltstelle ist; der Pfarrei selbst; sodann den größeren Seelsorgezonen; und schließlich der Diözese als ganzer. Es ist unbedingt darauf zu achten, daß der Austausch in beiden Richtungen erfolgt: das heißt, die Verantwortlichen müssen die Appelle hören, die von der Basis kommen, und dann muß auf alle diese Appelle entsprechend den von den Verantwortlichen selbst ausgegebenen Richtlinien, angefangen bei denen des Bischofs, eingegangen werden. Das alles setzt voraus, daß Priester und Laien klar und unmißverständich aufeinander abstimmen, was nach der Lehre des Konzils in der Konstitution über die Kir- 834 AD-LIMNA-BESUCHE che in die Zuständigkeit des Amtspriestertums und was in die des allgemeinen Priestertums der Gläubigen fallt, wie ich in Reims unterstrichen habe {Ansprache in der Kathedrale von Reims, 4). Die gläubigen Laien, die kirchliche Aufgaben ausüben, wissen, daß sie sich nicht an die Stelle des Priesters setzen, sondern an einem gemeinsamen Werk, dem Werk der ganzen Kirche, mitarbeiten. Eine der vorrangigen Sorgen der Hirten und der Gläubigen, die Verantwortlichkeiten haben, gilt der Förderung der harmonischen Einheit der Gemeinde. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß die Ortskirche im Hinblick sowohl auf die Getauften, die nicht an ihrem täglichen Leben teilnehmen, wie auf die ganze Gesellschaft ein transparentes Zeichen der Gegenwart Christi darstellt. Unter den Christen gibt es verschiedenste gesellschaftliche Milieus, Kulturen oder Interessensschwerpunkte und auch Charismen. Bestimmung der Pfarreien ist es gerade, jedem zu erlauben, sich zum Ausdruck zu bringen und in die Einheit des aus verschiedenen, aber einander ergänzenden Gliedern gebildeten Leibes einzutreten. Wir wollen nicht aufhören, immer wieder über die diesbezüglichen Lehren des hl. Paulus nachzudenken (vgl. 1 Kor 12). Insbesondere ist darauf zu achten, daß die Kirchengemeinde trotz häufig zu konstatierender Distanzen ein Ort der Begegnung der Generationen bleibt. Die Erwachsenen sollen, ohne passiv abzuwarten, von sich aus den Kontakt mit den Jugendlichen pflegen, sie annehmen, ihre Bitten und Wünsche anhören, ihre Schwierigkeiten und Zukunftssorgen zu verstehen versuchen, ihnen von Rechts wegen einen Platz einräumen und sie an den Verantwortlichkeiten beteiligen. Die Diöze-sansynoden haben sich oft damit beschäftigt; es muß alles unternommen werden, um den Jugendlichen zu ermöglichen, ihre christliche Bildung unter sich fortzuführen, wie sie es häufig wünschen, ihnen aber auch zu helfen, sich in die Welt der Erwachsenen zu integrieren, in die sie viel einzubringen haben. Auf die Jugendseelsorge werde ich noch zurückkommen, möchte aber schon jetzt unterstreichen, daß sie keinesfalls von der Gesamtheit des pastoralen Leben abgetrennt werden darf. 5. Die Lebenskraft der kirchlichen Gemeinschaft wird in ihrer Treue zu der Sendung sichtbar, die vom Herrn seinen Jüngern aufgetragen worden ist: die Evangelisierung. Wir sind treuhänderische Verwahrer und Überbringer der Frohen Botschaft. Das Apostolat in allen seinen Erscheinungsformen besteht zuerst darin, das Wort des Heils und die Kenntnis des Wortes, das der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, weiterzugeben und anzubieten. Allein das Wort Gottes vermag den Weg jedes einzelnen wahrhaft zu erhellen, dem Familienleben, der beruflichen Tätigkeit und den unzähligen Aufgaben des Lebens in der Gesellschaft einen vollen Sinn zu geben, offen zu machen für die Hoffnung. Das Wort, dem wir in der Liturgie freudig zustimmen und für das wir Gott preisen, richtet sich direkt an die anwesenden Gläubigen. Die versammelte Gemeinde muß selbst unaufhörlich evangelisiert werden: jeder Gläubige muß sich ständig von Christus ansprechen lassen, sich zum Hören des Wortes bekehren, das große An- 835 AD-LIMNA-BESUCHE forderangen stellt, aber auch ein unschätzbares Geschenk ist, denn es ist die Ankündigung des Heils, der Versöhnung, des Sieges des Lebens über den Tod. Die Kinder und Jugendlichen für die Aufnahme des Wortes des Lebens zu öffnen, ist ein entscheidender Evangelisierangsauftrag für die Gemeinden. „Was wir gehört haben, [...] was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, [...] das Wort des Lebens“ (1 Joh 1,1) verkünden wir von Generation zu Generation. Die Glaubensweckung bei den Kleinkindern, die Katechese und die christliche Initiation sollen ein Höchstmaß von Hingebung bei Personen auslösen, die bereit sind, sich dieser Aufgabe zu widmen und sich Fachkenntnisse anzueignen, ohne daß deshalb die anderen Pfarrmitglieder das Interesse an dem verlieren, was Auftrag aller bleibt. Sollte man nicht auch die Katholiken immer wieder danach fragen, was sie eigentlich tun, um denjenigen, die nur gelegentlich in die Kirche kommen, den Getauften, die die in ihrer Kindheit empfangene Gnade in sich begraben sein lassen, die Botschaft Christi nahezubringen? In ihnen sollten diese Menschen überzeugte, entgegenkommende Zeugen finden, die den Weg jedes einzelnen respektieren, aber bereit sind, Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die sie erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15)! Es gibt ein Glaubensglück, und man muß es zu teilen wissen. Wenn man von der Gnade des von der Hoffnung belebten und von der Liebe beseelten Glaubens durchdrungen ist, kann einen kein Glück oder Unglück im Leben des eigenen Wohnviertels oder des Dorfes gleichgültig lassen. Die Evangelisierung wird dann verschiedene Formen annehmen in der sozialen Solidarität, im Familienleben, bei der Arbeit, in den nachbarschaftlichen Beziehungen. Ein einzelner Zeuge stößt an seine Grenzen, Zeugen aber, die von der Gemeinschaft Ansporn erhalten, werden besser mit anderen die Hoffnung zu teilen vermögen, „die nicht zugrunde gehen läßt; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (vgl. Röm 5,5). Im Zusammenhang mit den Pfarreien oder Seelsorgszonen will ich kurz die Bewegungen und Vereinigungen von Gläubigen erwähnen, die der Sendung einen wertvollen Auftrieb geben, wenn sie auf eine gute Koordination und eine gute Integration in das Ganze bedacht sind. Sie helfen mit, das geistliche Leben reifen zu lassen, die jungen Menschen auszubilden, sich in die apostolische Sorge in den verschiedenen Lebensbereichen zu teilen, die Annahme der Ärmsten und den Dienst an ihnen zu einem wirksamen und beständigen Anliegen zu machen (vgl. Aposto-licam actuositatem, Nr. 24; Christifideles laici, Nr. 30). Heute möchte ich noch die Gläubigen eurer Diözesen zur Erneuerung ihres Engagements bei der Evangelisierung der eigenen Person, in der Familie und in den bestehenden Gruppen ermutigen. Einen erfreulichen Ansporn dazu werden sie durch das Schreiben an die Katholiken Frankreichs erhalten, das kürzlich von eurer Bischofskonferenz angenommen wurde. 6. Nachdem ich auf die Frage der verantwortlichen Organisation der Gemeinden durch Priester und Laien und auf die Frage der Evangelisierangsaufgaben einge- 836 AD-LIMINA -BESUCHE gangen bin, ist es wohl angebracht, jetzt kurz auf die Herzmitte kirchlichen Lebens hinzuweisen: denn die Pfarrei ist nun einmal der Hauptort für die Feier der Sakramente und insbesondere der Eucharistie, die für die Angehörigen jeden weltlichen und geistlichen Standes Quelle der Heiligung ist. Die Aufgabe, zu der eine Pfarrei bestimmt ist, läßt sich nur auf Grund des sakramentalen Charakters der Kirche festlegen. Da wird uns die Gegenwart Christi im Ostergeheimnis sichtbar kundgetan. In die Messe werden die Opfergaben aller eingebracht, Glück und Leid, apostolische Anstrengungen und brüderliche Dienste jeder Art. Der Herr nimmt die Opfer aller seiner Brüder in sein eigenes Opfer auf. Er versammelt uns in seinem Heiligen Geist; er stärkt den Glauben und die Liebe; er hört auf unser Flehen um Fürbitte beim Vater, Versöhnung, Heil und Frieden auf die ganze Welt auszudehnen; er vereint uns mit den Heiligen aller Zeiten in der Erwartung der vollen Gemeinschaft in seinem Reich. Es stimmt, daß viele Gläubige darunter leiden, daß die Messe nicht mehr, wie oft bis vor kurzem, in der Nähe ihrer Wohnung gefeiert werden kann. Die Priester, deren Zahl ständig abnimmt, leben in immer größerer räumlicher Entfernung. Um so wichtiger ist es deshalb, der Eucharistie ihren vollen Wert zu geben. Eine Gemeinde verarmt, wenn sie nicht voll Inbrunst wieder zu dieser lebenswichtigen Verbundenheit mit dem Herrn findet, die Quelle jeden christlichen Lebens und jeden Apostolats ist. Die eucharistische Versammlung ist der Ort, wo diese Grundwirklichkeit des Glaubens greifbar zu erkennen ist. Es darf keine Mühe gescheut werden, damit die höchsten Gaben, die Sakramente, allen Lebensstufen zugänglich gemacht werden. Eröffnet wird das christliche Leben durch die heiligmachende Gnade der Taufe; der Eintritt in das christliche Reifealter wird durch die Firmung der Jugendlichen bekräftigt; die Eheschließung und die Gründung einer Familie werden durch die Teilhabe am Bund Gottes in der Ehe geheiligt; in der Konfrontation mit dem Übel und der Sünde wird durch das Bußsakrament die Gnade der Vergebung und Versöhnung ausdrücklich gewährt und mitgeteilt; im Sakrament der Krankensalbung ist das Leiden mit dem Kreuz verbunden. Da die Sakramente im Zentrum des Auftrags der christlichen Gemeinden stehen, ist die Vorbereitung auf sie natürlich äußerst wichtig. Ein lebendigeres Bewußtmachen der Gaben, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat, soll zweifellos dazu einladen, die Berufungen zum Priesteramt aufzuwerten, damit das Wort Gottes vermittelt, Christus im Sakrament gegenwärtig gemacht und das Volk Gottes geleitet werde. Eure Pfarrgemeinden sollen nicht aufhören, den Herrn flehentlich um die Berufung junger Männer zu bitten, die sich ganz hingeben und weihen lassen, um ihm neben ihren Brüdern zu dienen! 7. Es mag durchaus den Anschein haben, daß der Umfang des Auftrages die Möglichkeiten von Gemeinden, die sich ihrer Grenzen und ihrer Dürftigkeit bewußt sind, übersteigt. Sie müssen im Glauben wiederentdecken, daß sie den Menschensohn und seine kleine Gruppe von Jüngern widerspiegeln, die alle ihre Schwächen hatten; und dennoch haben diese Jünger die Fundamente der Kirche gelegt, der die Treue Christi, des Guten Hirten, verheißen wurde. 837 AD-LIMNA-BESUCHE Der Mangel an Personen, Mitteln und Fähigkeiten soll eine Aufforderung sein, sich wirklich auf den Herrn zu stützen. Die Kirche weiß, daß sie verwundbar ist, doch die Zeichen der Gnade zeigen sich in der apostolischen Tatkraft, deren Zeugen ihr seid und für die wir Christus danken müssen, der seine Herde niemals im Stich läßt, sondern sie mittels des Heiligen Geistes leitet. Möge euch die Begegnung mit dem Bischof von Rom in eurem Amt stärken! Überbringt meine herzlichen Grüße und meine Ermutigungen den Diözesanprie-stem, den Diakonen, den Ordensmännem und Ordensffauen, den Laien, die in den Pastoralräten und in den „equipes d’animation“ oder in den Funktionen der „relais pastoraux“ mitarbeiten, den Kranken und allen Gläubigen, damit sie in ihren verschiedenen Aufträgen als Getaufte und in der organischen Einheit der Kirche als Leib Christi Fortschritte machen. Ich rufe auf euch alle und auf eure Diözesangemeinden die mütterliche Fürsprache Unserer Lieben Frau und die Gnade des göttlichen Segens herab. Durch die Gestaltung der Liturgie den Sinn für das Heilige wecken! Ansprache beim Ad-limina-Besuch der französischen Bischöfe der Region „Provence-Mediterranee“ am 8. März Liebe Brüder im Bischofsamt! l.Zum Abschluß der persönlichen Begegnungen, die ich anläßlich eures Ad-limina-Besuchs mit euch haben konnte, freue ich mich nun, mich an alle Bischöfe der apostolischen Region Provence-Mediterranee wenden zu können, um euch in erster Linie zu danken, daß ihr mir eure pastoralen Sorgen mitgeteilt habt. Eure Diözesen bilden eine vielgestaltige Region, zusammengehalten von einer gemeinsamen Ausrichtung auf das Mittelmeer; es ist eine der schönen Gegenden Europas, die nicht nur Touristen anziehen, sondern auch andere Menschen, die sich dort niederlassen. Ihr lebt also an einem Ort mehrfacher Kontakte. Die Anwesenheit zahlreicher Ausländer bringt euch dazu, den ökumenischen Dialog mit den Christen aus dem Osten und mit den reformierten kirchlichen Gemeinschaften zu entwickeln. Andererseits gebührt auch dem interreligiösen Dialog eine besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Präsenz zahlreicher muslimischer Gläubigen unter euch; es ist gut, daß der Meinungsaustausch mit ihnen sich auf Studien von hohem Niveau gründet im Rahmen eines neuen und spezialisierten Instituts. Ich möchte außerdem hervorheben, daß es in eurer Region mehrere wichtige Universitätszentren gibt, an die aktive wissenschaftliche Forschungseinrichtungen angeschlossen sind. Die katholischen Gemeinden eurer Diözesen sind oft klein und die Priester meistens nicht sehr zahlreich. Aber ihr bezeugt die Energie des Klerus und der Laien, 838 AD-LIMNA-BESUCHE ihre Treue zu ihren alten, ruhmreichen Ursprüngen, gebunden an apostolische Generationen, das Weiterbestehen einer sehr beachtlichen Volksfrömmigkeit sowie die Emeuerungsbemühungen aller lebendigen Kräfte der Diözesen. Übermittelt allen Gläubigen, den Priestern, den kontemplativen und apostolischen Ordens-männem und Ordensfrauen den Zuspruch des Nachfolgers Petri. Ihr habt mir eure Sorge um die Armen mitgeteilt, die umso eindringlicher ist, weil in eurer Gegend das Elend sich mehr als anderswo gegen den Reichtum abhebt. Es ist zu wünschen, daß alle Gläubigen im Sozialleben den Sinn für den redlichen und uneigennützigen öffentlichen Dienst zum Wohl aller Einwohner zu fördern gewillt sind, unabhängig von ihrer Herkunft, in Solidarität und gegenseitiger Hilfsbereitschaft, um das Gebot der Nächstenliebe großzügig in die Tat umzusetzen. Alle mögen zusammenstehen, um Tag für Tag glaubwürdige Zeugen Christi und der Gebote des Evangeliums zu sein! Es ist mir ein Anliegen, in diesem Geist eine besondere Ermutigung an die Hirten und Gläubigen der Diözese Ajaccio zu richten für ihr Engagement zugunsten von Versöhnung und brüderlichem Frieden inmitten einer zerrissenen Gesellschaft. 2. Das Thema, über das ich heute mit euch vor allem nachdenken möchte, betrifft die Pastoral der Liturgie und der Sakramente unter Berücksichtigung der wesentlichen Rolle jedes Bischofs und der Bischofskonferenzen in diesem Bereich, wie ich es schon in meinem Apostolischen Schreiben zum 25. Jahrestag der Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium erwähnt habe (4. Dezember 1988, Nm. 20-21). Es geht darum, die Durchführung der Entscheidungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ständig zu verbessern. Das Konzil hat den Stellenwert der Liturgie im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens treffend hervorgehoben: „In der Liturgie, besonders im heiligen Opfer der Eucharistie, ,vollzieht sich das Werk unserer Erlösung1, und so trägt sie im höchsten Maße dazu bei, daß das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird [...] So stellt sie denen, die draußen sind, die Kirche vor Augen als Zeichen, das aufgerichtet ist unter den Völkern. Unter diesem sollen sich die zerstreuten Söhne Gottes zur Einheit sammeln“ (Nr. 2). Diese Worte des Konzils, die in ihrem ganzen und reichhaltigen Kontext wiederaufgegriffen werden sollten, deuten schon daraufhin, daß die liturgische Handlung - und vor allem das Gedächtnis an den erlösenden Opfertod Christi - „der Höhepunkt [ist], dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (ebd., Nr. 10). Denn die Liturgie ist der bevorzugte Ort, wo die Glieder des Leibes Christi mit dem Gebet des Heilands und mit dem vollkommenen Geschenk seiner selbst verbunden sind, um den Vater und seinen Heilsauftrag für die Welt zu verherrlichen. Sie ist, so sagt uns das Konzil weiter, der „Vollzug des Priesteramtes Jesu Christi; [...] [in ihr wird] vom mystischen Leib Christi, d. h. dem Haupt und den Gliedern, der gesamte öffentliche Kult vollzogen“ (ebd., Nr. 7). 3. Die liturgische Pastoral hat also die Aufgabe, Priester und Gläubige bei ihrer Teilnahme an der zentralen, von Christus seiner Kirche anvertrauten Handlung zu 839 AD-LIMNA-BESUCHE führen, nämlich bei der Aktualisierung des österlichen Geheimnisses der Passion und der Auferstehung. „Denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Geheimnis der ganzen Kirche hervorgegangen“ (ebd., Nr. 5). Wir müssen uns immer wieder sagen, daß die Eucharistie die Kirche „ausmacht“ und daß durch sie die Kirche zum Zeichen Christi wird. Ein richtiges Verständnis der Liturgie trägt der Tatsache Rechnung, daß die grundlegenden Kennzeichen der Kirche deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Das ist zuerst einmal die Einigkeit der Versammlung, bei der die Getauften sich zusammenfinden, um denselben Herrn zu feiern. Hierbei ist wichtig, daß die Einheit im Ritus durch die verschiedenen Generationen der Gläubigen, ihre verschiedenen Milieus und die verschiedenen Kulturen wahrnehmbar ist. Es darf kein Kontrast zwischen dem Universalen und dem Einzelnen auftreten. Sicher haben die Zusammenkünfte in den Städten und Dörfern, von einem Land zum anderen jeweils ihren eigenen Charakter, aber die liturgische Feier muß es jedem verständlich machen können, daß sie nicht eine private Handlung vollziehen, ein bloßes Spiegelbild der anwesenden Gruppe, sondern daß die Kirche „das ,Sakrament der Einheit1“ ist {ebd., Nr. 26). Der Herr versammelt uns, und die Kirche macht sich auf den Weg, um ihm zu begegnen, „bis er kommt“, um den liebevollen Plan des Vaters in seiner Fülle zu verwirklichen: „in Christus alles zu vereinen“ {Eph 1,10). So kann auch in der schlichtesten Versammlung jene Katholizität wahrgenommen werden, an der teilzuhaben alle berufen sind. Der Sinn für das Heilige muß mit großer Aufmerksamkeit gewahrt werden unter Vermeidung einer übertriebenen Sakralisierung einerseits, aber anderseits auch einer Banalisierung der Riten oder der heiligen Worte, deren spezielle Bedeutung es ist, die Gabe Gottes und seine heiligmachende Gegenwart kundzutun. Die liturgische Handlung in Heiligkeit mitzufeiem bedeutet, den Herrn zu empfangen, der gekommen ist, um in uns das zu vervollkommnen, was wir mit unseren eigenen Kräften nicht erreichen können. Es ist offensichtlich, daß der apostolische Aspekt aus dem Auftrag an die Apostel hervorgeht: aus ihrer Teilnahme am einzigartigen Priesteramt Christi, in der Funktion, mit der sie betraut worden sind innerhalb der Gesamtheit der Kirche, die am universalen Priesteramt teilhat. Die Kirche ist auch deswegen apostolisch, weil sie nie von ihrer missionarischen Berufung abrückt. In der Liturgie wird Gott - zu seinem Ruhm - alles dargebracht, was die Gläubigen vollbringen, um ihrem Auftrag in der Welt gerecht zu werden. Und die liturgische Handlung führt dazu, diesen Auftrag erneut zu übernehmen mit der Unterstützung der lebenspendenden Gnade Christi, auf dem jeweiligen Weg der Berufung jedes einzelnen. Die gemeinschaftliche Liturgie hilft den Mitgliedern der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, das Mysterium Christi in ihrer Zeit zu leben. Die Bedeutung der Versammlung zur Meßfeier am Tag des Herrn kann nicht genug unterstrichen werden. Die ersten Generationen der Christen hatten dies gut verstanden: „Wir leben nach dem Tag des Herrn, an dem auch unser Leben aufging 840 AD-LIMNA-BESUCHE durch ihn und seinen Tod, ... Wie werden wir leben können ohne ihn?“ (Ignatius von Antiochien, An die Magnesier, 9,1-2; J. A. Fischer [Hg.] Die Apostolischen Väter, Darmstadt, 10. Aufl. 1993, S. 167 ff.). Der wöchentliche Besuch des Sonntagsgottesdienstes und der Zyklus des Kirchenjahres ermöglichen eine rhythmische Gestaltung des christlichen Lebens und die Heiligung der Zeit, die der auferstandene Herr auf die glückliche Ewigkeit des Reiches Gottes hin öffnet. Die Pastoral wird darüber wachen, daß die Liturgie nicht vom übrigen christlichen Leben isoliert bleibt: Denn die Gläubigen sind täglich aufgerufen, ihre gemeinschaftliche liturgische Praxis durch das persönliche Gebet an jedem Wochentag zu erweitern; dieses spirituelle Verhalten verleiht dem Zeugnis des tagtäglich gelebten Glaubens der Christen einen neuen Aufschwung wie auch dem Dienst an den Armen und am Nächsten im allgemeinen. Die liturgische Pastoral, die nicht an der Kirchentür stehenbleiben darf, hält jeden dazu an, die Übereinstimmung seines Lebens und Handelns zu verwirklichen. 4. Die Liturgie, die die Eigenart der Kirche zum Ausdruck bringt und eine Quelle für die Mission ist, wird von der Kirche zur Verherrlichung Gottes vollzogen: Sie hat demnach ihre Gesetze, die beachtet werden wollen, unter Berücksichtigung der verschiedenen Rollen der geweihten Priester und der Laien. Vorrang verdient das, was die Gläubigen zu Gott hinwendet, was sie vereint und sie untereinander und mit allen anderen Gemeinden verbindet. Das Konzil hat sich in dieser Hinsicht klar ausgedrückt: „Darum sollen die Seelsorger bei liturgischen Handlungen darüber wachen, daß nicht bloß die Gesetze des gültigen und erlaubten Vollzugs beachtet werden, sondern auch daß die Gläubigen bewußt, tätig und mit geistlichem Gewinn daran teilnehmen“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 11). Die Zelebranten und die Animatoren müssen der Gemeinde helfen, zu einer liturgischen Handlung beizutragen, die nicht ihr eigenes Produkt ist, sondern ein Akt der ganzen Kirche. Man muß also dem Wort und dem Handeln Christi den Vorrang lassen, dem, was man als das „Staunen vor Gott“ bezeichnen konnte. Die Gottesdienstgestaltung ist nicht dazu da, alles auszudrücken oder alles vorzuschreiben; sie wird eine gewisse geistige Freiheit eines jeden Menschen in seiner Beziehung zum Wort Gottes und zu den sakramentalen Zeichen respektieren. Die liturgische Handlung ist ein Gnadenereignis, dessen Tragweite über das Wollen und Können der Handelnden hinausgeht, die nur dazu berufen sind, bescheidene Werkzeuge in der Hand des Herrn zu sein. Sie haben den Auftrag, den Menschen zu verstehen zu geben, was Gott für uns ist und was er für uns tut. Sie sollen den Gläubigen von heute begreiflich machen, daß sie in die vom Erlöser geheiligte Geschichte eingehen, in das Geheimnis des universalen Heils. 5. Auf einer konkreteren Ebene möchte ich hinzufügen: Es ist ebenfalls wichtig, über die Qualität der Zeichen zu wachen, ohne deswegen unbedingt „elitär“ zu werden, denn die Jünger Christi jeder Kultur müssen in den Worten und Gesten die Gegenwart des Herrn in seiner Kirche und seine Gnadengaben erkennen kön- 841 AD-LIMNA-BESUCHE nen. Das erste Zeichen ist die Versammlung selbst. Wenn die Gemeinde zusammenkommt, nimmt sie gewissermaßen Christus und die Menschen, die er liebt, gastlich auf. Die Einstellung aller zählt, denn die zur Liturgie versammelte Gemeinde ist das erste Bild, das die Kirche, zum Tisch des Herrn gerufen, von sich selbst zeigt. Sodann wird in der Kirche das Wort Gottes wahrhaft verkündet: ein Wort, dem man Ehre erweist, weil es lebendig und vom Heilgen Geist erfüllt ist. Die Lesungen sollen von allen Beteiligten mit größter Sorgfalt vorgetragen werden. Diese sollten den Text zuerst in sich aufgenommen haben, damit er den Gläubigen wie eine wahre Erleuchtung und eine Kraft für den Alltag vermittelt wird. Die Predigt setzt von seiten der Priester eine Meditation und eine geistige Verarbeitung in dem Maße voraus, daß die Gläubigen den Sinn des Wortes begreifen können und ein wirkliches Festhalten daran ermöglicht wird, das sich im täglichen Engagement fortsetzt. Die Lieder und die Kirchenmusik spielen eine wesentliche Rolle, um die Gemeinschaft aller untereinander zu festigen, und zwar durch eine Form, die die Aufnahme und Verarbeitung des Wortes Gottes erleichtert und dem Gebet Einheit gibt. Wir kennen die biblische Bedeutung des Gesangs, der voll Weisheit ist: „Psallite sapienter“, sagt der Psalmist (Ps 47/46,8). Sorgt dafür, daß schöne Lieder ausgesucht und komponiert werden, die auf sinnvollen Texten beruhen und deren Inhalt bedeutungsvoll ist. Noch allgemeiner als der Gesang als solcher ist die Kirchenmusik dazu geeignet, den theologischen Sinn, den Sinn für formelle Schönheit und die poetische Eingebung miteinander zu verflechten. Hier muß auch gesagt werden, daß neben dem Wort und dem Gesang die Stille — wenn sie gut vorbereitet ist - in der Liturgie einen unentbehrlichen Platz einnimmt; sie erlaubt es jedem, zu einem inneren geistlichen Zwiegespräch mit dem Herrn zu kommen. In eurem Land, das über ein kostbares religiöses Erbe verfügt, ist es nicht nötig, zu betonen, daß die Gotteshäuser und Kultobjekte von ihrer Natur her ausdrucksvolle Zeichen sind, ob sie nun Erbe der Vergangenheit oder zeitgenössische Schöpfungen sind, denn der Glaube verleiht der Kultur und der Kunst eine echte kreative Dynamik. Im Hinblick darauf möchte ich euch sagen, daß ich die Pflege, die den zahlreichen Kultstätten - seien es Kathedralen oder Pfarrkirchen - von seiten der staatlichen Behörden und den örtlichen Gemeinschaften zugedacht wird, sehr hoch schätze. Ihr dürft keine Mühe scheuen, um die Dorfkirchen lebendig zu erhalten, selbst wenn die Einwohner nicht sehr zahlreich sind. Die Liturgie muß immer der wahrhafte Lebenszweck dieser Bauwerke bleiben. Denn, so hat man gesagt, wie die Steine aneinander angepaßt sind, so sind es auch die Menschen, wenn sie sich zusammenfinden, um Gott zu loben. Zusammenfassend kann man festhalten: Die Liturgie ist ein ausgezeichnetes Mittel zur Evangelisierung des Menschen mit all seinen geistigen Vorzügen und der Schärfe seiner Sinne, mit seinen intuitiven Fähigkeiten und seinem künstlerischen oder musikalischen Empfinden. Das alles drückt sein innerstes Verlangen nach dem Absoluten besser aus als viele Worte. 842 AD-LIMNA-BESUCHE Damit die Liturgie gut und fruchtbar gestaltet wird, muß die Ausbildung der Zelebranten und Gottesdiensthelfer sorgfältig begleitet werden, wie eure Diözesan-kommissionen für die Pastoral der Liturgie dies schon tun. Die Gruppen, die für die Gestaltung liturgischer Feiern zuständig sind, sollen sie sehr gewissenhaft vorbereiten in positiver Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien. 6. Was ich eben über die Pastoral der Liturgie im allgemeinen erwähnt habe, muß um einige Überlegungen zur Sakramentenpastoral erweitert werden, die nicht nur wenigen Spezialisten Vorbehalten ist. Die ganze Kirche Christi hat die Verantwortung, ihre Brüder und Schwestern in Liebe aufzunehmen, und zwar auch diejenigen, die vom regelmäßigen Gottesdienstbesuch Abstand genommen haben. Um ihren Auftrag als Verwalter der Geheimnisse Gottes vollkommen zu erfüllen, zählen die Priester auf die Mitarbeit der Laien, die sich bereit erklären, Gruppen zu bilden, um die Vorbereitung auf die Taufe oder auf die Ehe zu übernehmen oder auch - im Rahmen der Katechese und des Katechumenats - die Vorbereitung auf die Erstkommunion und auf die Firmung zu gewährleisten. Die Hirten und die Gemeinden, die Bitten von Familien, Jugendlichen oder Erwachsenen erhalten, müssen ihren Einsatz nach den verschiedenen Lebenslagen, in denen sich die Leute befinden, ausrichten. Wenn die Anfrage oft zögernd oder förmlich erscheint, heißt es, offen zu sein und auf das Wirken des Heiligen Geistes in den Antragstellern selbst zu vertrauen. Man bietet die Sakramente als Gnadengaben für das ganze Sein des Menschen an, als Aufruf zur Bekehrung und nicht als Endergebnis oder Besiegelung einer Reifung im Glauben, die schon vorher erreicht worden wäre. Die Sakramentenpastoral kann man nicht loslösen von der Gesamtheit des Evangelisierungsauftrags: Sie gibt Gelegenheit zur Glaubensvermittlung und zur Einführung in das christliche Leben; sie will den geistlichen Fortschritt derer unterstützen, die an die Türen der Kirche klopfen; sie gibt den Aufruf des Herrn weiter und macht die Ansprüche des Evangeliums deutlich. Es ist auch wünschenswert, daß Gemeinden und Bewegungen dafür sorgen, die Kontakte mit den Menschen aufrechtzuerhalten, bei denen der Empfang der Sakramente zu einem seltenen und dem täglichen Leben fremden Ereignis zu werden droht. Ich kann hier nicht all meine Gedanken ausführen zur Art und Weise, wie die verschiedenen Sakramente verwaltet werden sollen, aber ich möchte euch einladen, besonders eure Überlegungen zum Sakrament der Ehe zu vertiefen in seiner Dimension als Zeichen des Bundes und der treuen Liebe zu Gott. Die Krise der Ehe und der Familie ruft nach einem neuen Verständnis für den christlichen Sinn dieses Sakraments, damit die Paare dazu gebracht werden, eine glaubwürdige Auffassung der Ehe zu vertreten, die das Abbild der Beziehung Gottes zur Menschheit ist. Ihr habt auch darauf hingewiesen, daß das Bußsakrament gar nicht mehr beliebt ist. Das hat mehrere Gründe, vor allem kultureller Art, zum Beispiel den gegenwärtig sehr verbreiteten Individualismus oder auch Mißverständnisse über die 843 AD-LIMNA-BESUCHE sittlichen Anforderangen, die Bedeutung der Sünde und des Verhältnisses zu Gott. Wir müssen unseren Brüdern und Schwestern den Dienst erweisen, daß wir es nicht aufgeben, sie zu einer ernsthaften Betrachtung im Lichte des Evangeliums zu führen, das uns Gott offenbart, „der voll Erbarmen ist“ (Eph 2,4). Der Einsatz ist wesentlich für Männer und Frauen, die manchmal von der Sünde erdrückt werden, auch wenn sie sie nicht benennen können, und die vor der Beichte zurückschrecken. Sie verkennen das wunderbare Geschenk, das der Vater uns durch Christus, den Retter, macht, und sie lassen außer acht, daß für ein von einer schweren Sünde belastetes Gewissen die Notwendigkeit besteht, vor dem Empfang der Eucharistie das Sakrament der Versöhnung zu empfangen. Die Priester dürfen die Tragweite des Dienstes der Wiederversöhnung nicht bagatellisieren; es handelt sich sicherlich um eine ansprachsvolle Aufgabe, aber auch um eine Quelle des Friedens und der Freude für jene, denen sich die barmherzige Liebe Gottes offenbart. 7. Eine umsichtige Pastoral der Liturgie stellt eine der Hauptaufgaben in der Mission der Kirche dar, damit die Wege der Gemeinschaft in der Gnade des Heils möglichst vielen Menschen eröffnet werden können. Ich habe diese Themen behandelt, um die beachtlichen Bemühungen zu unterstützen, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in euren Diözesen unternommen worden sind. Wie ich schon während eines Liturgiekongresses sagte, habt ihr die Aufgabe, euch „mit großer Ausgewogenheit der euch anvertrauten Rolle zu widmen und die Rolle Gottes und jene des Menschen, die Hierarchie und die Gläubigen, die Tradition und den Fortschritt, das Gesetz und die Anpassung, den einzelnen und die Gemeinschaft, die Stille und den erhebenden Gesang in Betracht zu ziehen. So wird sich die irdische Liturgie mit der im Himmel verbinden, wo [...] sich ein einziger Chor bilden wird [...], um durch Jesus Christus den Vater einstimmig zu preisen“ {Ansprache am 27. Oktober 1984, Nr. 6). Bitten wir den Herrn, daß er den Getauften helfen möge, fest an das Wirken Christi in der heutigen Welt zu glauben mit Hilfe der Sakramente, die er seiner Kirche geschenkt hat. Danken wir für die Hingabe all jener, die in euren Gemeinschaften ihren Beitrag zur Liturgie leisten. Dabei vergessen wir nicht die - heutzutage recht zahlreichen - Jugendlichen, die am Altar dienen und dadurch eher bereit sind, gegebenenfalls den Aufruf des Herrn zu seiner Nachfolge im Priesteramt oder im geweihten Leben zu hören. Im Namen des Herrn erteile ich euch und all euren Diözesanen von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. 844 AD-LIMNA-BESUCHE In Jugendseelsorge und Katechese persönliche Begegnungen ermöglichen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der französischen Bischöfe aus der Region „Midi-Pyrenee“ am 15. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit Freude empfange ich euch heute anläßlich eurer Pilgerreise zu den Gräbern der hll. Apostel Petrus und Paulus und eures Ad-limina-Besuchs. Dieser Besuch bringt die Zusammengehörigkeit der über die ganze Welt verstreuten Ortskirchen mit dem Nachfolger Petri und ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den verschiedenen Einrichtungen des Hl. Stuhls zum Ausdruck. Zuerst möchte ich Msgr. Maurice Gaidon, eurem Präsidenten, dafür danken, daß er mir einige wichtige Aspekte eurer Tätigkeit dargelegt hat: eure Freuden und Ursachen zur Dankbarkeit, denn ihr erfahrt das Werk des Heiligen Geistes in den Herzen der Menschen und auch die Fragen, die sich euch jeden Tag in eurer Mission stellen. Unsere Unterredungen ermöglichen es mir, dem Klerus und den Gläubigen der Diözesen, deren Hirten ihr seid, nah zu sein. Unter den Elementen der Erneuerung und den besonderen Aufgabenbereichen, die ihr in euren Fünfjahresberichten erwähnt, möchte ich heute besonders auf das zurückkommen, was die Katechese und die Jugendlichen betrifft. Gerade diese beiden Themen möchte ich mit euch besprechen; in dem Geist, der die Frühjahrsversammlung der Bischöfe Frankreichs 1996 beseelt hat, ermutige ich euch, eure Jugendarbeit fortzusetzen und zu verstärken, denn die Fürsorge der Kirche muß sich vor allem der Jugend gegenüber ausdrücken. 2. Zunächst habt ihr den Wunsch zahlreicher Familien hervorgehoben, beim Erwachen des Glaubens ihrer Kleinsten begleitet zu werden. Mit den Fragen der Kinder konfrontiert, sind die Eltern manchmal hilflos; dann haben sie das Bedürfnis, sich an die Hirten zu wenden. Oft stellt dies für sie eine Gelegenheit dar, ihren eigenen Glauben zu beleben und zu einer intensiveren Praxis der Sakramente zurückzufinden. Zuhause - und schon in zartestem Alter - stellen sich die Kinder Fragen über Gott; hier können sie die ersten Antworten auf ihre Fragen erhalten und so in das Zwiegespräch mit dem Herrn und in das Vertrauen zu seiner väterlichen Güte eingeführt werden. Allerdings setzt eine ganz einfache Pädagogik des christlichen Gebets auch voraus, daß die Erwachsenen ein Beispiel persönlichen Gebets und der Betrachtung über das Wort Gottes geben. Wir müssen daher die Eltern ermuntern, sich ihres Auftrags als Erzieher zum Glauben bewußt zu werden und die Unterstützung der Priester und Laien zu suchen, die besonders für diesen Bereich der Pastoral ausgebildet worden sind. 3. Um den besonderen Anforderungen der religiösen Erziehung der Kinder gerecht zu werden, werdet ihr für einen katechetischen Unterricht sorgen, der das christ- 845 AD-LIMNA-BESUCHE liehe Geheimnis organisch entfaltet. In der Tat werden für die Katechese wohldurchdachte Programme benötigt - getreu dem Katechismus der Katholischen Kirche -, die die verschiedenen Aussagen des Glaubensbekenntnisses darstellen. Anderseits lernen die Kinder auf ihrem Weg durch die Heilsgeschichte die großen Gestalten der Bibel kennen, und sie können sich an jenen ein Beispiel nehmen, die die Ankunft des Heilands vorbereitet haben, um Christus kennenzulemen und um ihrerseits zu seinen Jüngern zu werden. In einem Alter, in dem die Formung durch das Angebot von Vorbildern christlichen Lebens geschieht, ist die Identifizierung mit Männern und Frauen des Alten und Neuen Testaments und mit den Heiligen unserer Geschichte ein wichtiger Aspekt der geistlichen Erziehung. Außerdem habt ihr festgestellt, daß immer mehr Kinder im Schulalter um die Taufe bitten; man kann sich über diese Entwicklung nur freuen und muß ihr große Aufmerksamkeit widmen, denn dies ist ein Zeichen dafür, daß die Kinder den Wert der Sakramente zu entdecken in der Lage sind: Helfen wir ihnen, regelmäßig daran teilzunehmen. 4. Auch die spezialisierte Katechese erlebt einen neuen Aufschwung. Ich freue mich vor allem über die Menschen, die sich dafür einsetzen, daß behinderte Kinder eine auf sie zugeschnittene Katechese erhalten können und ihnen eine angemessene spirituelle Unterstützung zuteil wird. Mit ganzem Herzen und trotz ihrer Leiden können sich diese Jugendlichen über Gottes Größe und seine Schönheit entzücken, denn er offenbart sich nicht den Weisen, sondern den Armen und Kleinen (vgl. Lk 10,21); sie haben auch einen tiefen Sinn für das kindliche Gebet und für das Vertrauen in den Herrn. Für die Erwachsenen ist der Umgang mit diesen Jugendlichen eine große Bereicherung. Ich lade die christlichen Gemeinschaften ein, den Schwächsten und Gebrechlichsten den ihnen gebührenden Platz zuzuerkennen. 5. In einer Gesellschaft, die dazu tendiert, alles unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität zu sehen, ist es sinnvoll, daran zu erinnern, daß die menschliche Entwicklung und Reifung der Jugendlichen nicht allein der Aneignung wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse zu verdanken sein kann. Dies würde bedeuten, das Bedürfnis des Menschen nach Verinnerlichung zu verkennen. Aus verinnerlichter Erfahrung entspringt Lebenskraft. Für die notwendige geistige Entwicklung ihrer Kinder lassen zahlreiche Eltern ihnen eine religiöse Erziehung zukommen, die nicht mit dem Unterricht in Religionsfragen, wie er in einem Großteil der schulischen Einrichtungen erteilt wird, verwechselt werden darf. Kenntnisse über die Religion zu vermitteln ist richtig, denn dies erlaubt den Jugendlichen, die geistigen und sittlichen Wurzeln ihrer Kultur zu entdecken. Dennoch wird damit noch nicht die Weitergabe des Glaubens gesichert, der den Weg zur Praxis des christlichen Lebens bereitet. Die Möglichkeit der Katechese zu bewahren ist nicht nur eine Frage der Religionsfreiheit oder geistiger Aufgeschlossenheit, sondern sie entspricht auch dem Wunsch, den jungen Menschen Zugang zum Glanz der 846 AD-LIMNA-BESUCHE Wahrheit zu verschaffen und aus ihnen Jünger des Herrn zu machen, die ihre Verantwortung innerhalb der christlichen Gemeinschaft übernehmen. Ein katecheti-scher Unterricht, der die Kinder nicht einlädt, dem Herrn zu begegnen im persönlichen Gebet und durch den regelmäßigen Empfang der Sakramente, vor allem der Eucharistie, bringt die Gefahr mit sich, daß die Jugendlichen den Glauben und die Anforderungen eines sittlichen Lebens bald vernachlässigen. In dieser Hinsicht ist es nötig, daß die Behörden und all jene, die Verantwortung tragen im Bereich der Erziehung, sich darum kümmern, daß in den Wochen des Schulbetriebs passende Stundenpläne ausgearbeitet und eingehalten werden, damit Familien, die dies wünschen, ihren Kindern eine christliche und spirituelle Ausbildung bieten können, ohne daß dies zu einer Überbelastung der Jugendlichen in ihrer Zeiteinteilung nach sich zieht oder sie daran hindert, an anderen außerschulischen Aktivitäten teilzunehmen. In diesem Zusammenhang begrüße ich die bedeutenden Bemühungen, die von den Verantwortlichen für die Katechese und den Gemeinden unternommen worden sind, um sich den Zeitplänen der Jugendlichen anzupassen. 6. Immer mehr Leute beteiligen sich an der Katechese. Ich freue mich sehr, daß Familienväter und -mütter, in Zusammenarbeit mit Ordensmännem, Ordensfrauen und Priestern, ihre Zeit opfern, um diesen grundlegenden Auftrag der Kirche zu gewährleisten. Eure Aufgabe ist dabei, Sorge zu tragen, daß sie in Fragen der Theologie, Spiritualität und Pädagogik sorgfältig ausgebildet werden, damit sie die Kinder bei ihrem menschlichen und geistigen Wachstum mit Geduld begleiten und ihnen die christliche Botschaft vermitteln können. Der Katechist ist mehr als ein Lehrer: Er ist ein Zeuge des Glaubens der Kirche und ein Vorbild sittlichen Lebens. Er fuhrt die Jugendlichen dazu, Christus zu entdecken, und hilft ihnen, den von ihnen gewünschten Platz zu finden in den christlichen Gemeinschaften, die ihnen gegenüber aufgeschlossen sein, sie aufnehmen und sie in die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Kirche eingliedem sollen. Ich würdige die Anstrengungen der Diözesandienste für die Katechese und deren Einsatz zur Einrichtung von Begegnungsstätten, wo die Erwachsenen ausgebildet werden können, wo sie nützliche Literatur finden können und ihnen die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen. Dank vielseitiger Zusammenarbeit haben die Verantwortlichen für die Katechese auf diese Weise unentbehrliche Hilfen zur Hand, die ihnen ihre Erziehungsarbeit erleichtern, sowohl auf dem Gebiet der Lehre als auch in pädagogischer Hinsicht. 7. Den katholischen Schulen kommt im Rahmen der religiösen Erziehung eine besondere Aufgabe zu, wie es vor allem in den kürzlich geänderten Statuten des katholischen Bildungswesens erwähnt wird und in den eingehenden Überlegungen bei den verschiedenen Tagungen der Verwaltungsorgane des katholischen Bildungswesens zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieser Einrichtungen hat die Erziehergemeinschaft den Auftrag, durch schulische Ausbildung, religiöse Bildungs- 847 AD-LIMNA-BESUCHE kurse, Katechese und das tägliche Leben die christliche Auffassung vom Menschen herauszustellen und die wesentlichen geistigen und sittlichen Werte, die von der christlichen Botschaft vermittelt werden, klar darzulegen. Die Leiter und Lehrer müssen sich darum bemühen, durch ihr ganzes Leben Vorbilder christlichen Lebens zu sein; das ist sicherlich sehr anspruchsvoll, aber die Jugendlichen werden den Glauben, der die sie umgebenden Personen leben und wirken läßt, sowohl durch deren Lebensweise als auch deren Worte entdecken. 8. Überbringt meine herzlichen Ermutigungen allen Männern und Frauen, die - in den verschiedenen Abteilungen der katechetischen Ausbildung - sich vorbehaltlos dafür einsetzen, daß Christus erkannt und geliebt werde und daß das christliche Geheimnis den Jugendlichen von heute deutlich gemacht wird. Sie mögen - mit Hilfe des persönlichen Gebets und des Empfangs der Sakramente und unterstützt durch alle Mitglieder der christlichen Gemeinschaften - fortwährend neue pädagogische Initiativen entwickeln, trotz der manchmal recht kargen Mittel. Außerdem lade ich die kirchlichen Gemeinschaften ein, Wortgottesdienste und, womöglich am Sonntag, Eucharistiefeiem anzubieten, bei denen Kinder und Jugendliche wirklich integriert und die auch für sie verständlich sind. 9. Im Bereich der außerschulischen Aktivitäten weist die Kirche eine langjährige Tradition auf, und sie hat dort auch immer eine Rolle gespielt, denn die Freizeit ist auch für die Erziehung kostbar. In vielen Jugendbewegungen erinnert man sich oft und gerne an Priester, Ordensleute und Laien, die an freien Tagen und in den Schulferien die Kinder zusammenbrachten und mit ihnen Spiele, intelligenzför-demde Aktivitäten und ein gemeinschaftliches Leben zwischen jung und alt veranstalteten; das sind günstige Voraussetzungen für das umfassende Wachstum der Jugend und für ihre soziale Aufgeschlossenheit. Zahlreiche Jugendliche, die an solchen Aktivitäten teilgenommen haben, haben später in der Kirche oder in der Gesellschaft große Verantwortung übernommen. Auch heute müssen die besten Wege gesucht werden, um dem Bedürfnis der Jugendlichen zu entsprechen, die sich neben ihrem schulischen Leben, dessen Ablauf und Zeitplan oft anstrengend ist, zu Recht etwas Freizeit wünschen. Denn die wirkliche Erziehung kann sich nicht in einer intellektuellen Ausbildung erschöpfen. Es muß der Geist und der Körper berücksichtigt werden, denn es handelt sich in erster Linie darum, in jedem Jugendlichen den Mann oder die Frau heranzubilden, die er oder sie morgen sein werden, mit Verantwortung für sich selbst und für die Mitmenschen. Dazu muß den jungen Leuten geholfen werden, ein geistiges, menschliches und affektives Gleichgewicht zu finden. 10. Ihr macht euch um die geringe Präsenz der Jugendlichen in den kirchlichen Gemeinschaften Sorgen und habt mich über die relativ hohe Zahl der jungen Leute informiert, die in der Schule versagen oder unter persönlichen und familiären Schwierigkeiten zu leiden haben. Außerdem stellt ihr fest, daß viele von ihnen von den Krisensituationen der heutigen Gesellschaft stark betroffen sind. Andere wer- 848 AD-LIMNA-BESUCHE den angezogen und fasziniert von den Bewegungen aller Art, die ein illusorisches Glück versprechen, wobei oft die Freiheit des einzelnen untergraben oder manchmal sogar das psychologische Gleichgewicht der Menschen gestört wird. Um euren Auftrag noch besser erfüllen zu können, habt ihr letztes Jahr eine große Umfrage bei den Jugendlichen gestartet; ihr habt über 1200 Antworten erhalten, darunter auch viele bedeutsame Zeugnisse. Dies ist ein ermutigendes Zeichen und ein Appell, immer bessere Projekte für die Jugend zu entwickeln. Dank der Analysen und der Synthese, die eure Bischofskonferenz aufgrund dieser Umfrage ausgearbeitet hat, werdet ihr nun den örtlichen Gemeinden zur Seite stehen, damit sie neue Pastoralprojekte ins Auge fassen können, um den Erwartungen der Jugendlichen gerecht zu werden und aus ihnen Partner des kirchlichen Lebens zu machen. Alle lebendigen Kräfte der Diözesen sind zur Zusammenarbeit aufgerufen. Sie sollen ihre Bemühungen zugunsten der Jugend intensivieren: die betreffenden Diözesaneinrichtungen, die Gemeinden, die Jugendbewegungen, wie die ,Action catholique“, die Pfadfinder, der MEJ oder die charismatischen Gemeinschaften. 11. Ihr bemerkt bei den Jugendlichen auch ein neues Verlangen, Gott kennenzulernen, ihr Seelenleben zu entwickeln und in Gemeinschaft zu leben, als mutige Antwort auf den Ruf Gottes und als wertvolle Entscheidung für ihr Dasein. Auf ihre Weise wollen sie wie die Jünger zu Christus sagen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Während der Jahre der Ausbildung stellen die Einrichtungen für religiöse Unterweisung im öffentlichen und privaten Schulwesen unvergleichliche Glaubensgemeinschaften dar, die es den Jugendlichen ermöglichen, Erfahrungen in der Kirche zu sammeln; sie sollen ihnen auch helfen, sich leichter in die Diözesankirche einzufügen. Die jungen Leute nehmen auch immer zahlreicher an den großen Versammlungen teil, bei denen die liturgischen Feiern in festlicher Stimmung erlebt werden. Paradoxerweise sind es gerade diese großen christlichen Treffen, bei denen auch die Stille möglich ist, die ihnen die Möglichkeit geben, sich bewußt zu machen, daß Gott ihnen nahe ist, vor allem in den Sakramenten der Eucharistie und der Wiederversöhnung, und daß er durch die Schrift zu ihren Herzen spricht. Sie erleben dort auch Katholizität und Verschiedenheit innerhalb der Kirche. So haben sich zum Beispiel zahlreiche Jugendliche eurer Diözesen für die Vorbereitung der Weltjugendtage zur Verfügung gestellt. Das ist ein beredtes Zeichen dafür, daß sie sich nach einem engagierteren christlichen Leben sehnen, zusammen mit anderen Jugendlichen ihres Alters, und daß sie sich vor allem in der Nachfolge Christi in der Kirche einsetzen möchten, um „Propheten für das Leben und die Liebe“ zu sein, wie ich vor einiger Zeit gesagt habe {Botschaft vom 26.11.1995 zum XI. Weltjugendtag, Nr. 8; in: O.R.dt., v. 8.12.95, S. 7). In diesem Sinn haben mir einige von euch ihre Freude über die zahlreichen Jugendlichen zum Ausdruck gebracht, die ehrlich einen Glaubensweg gehen und das Sakrament der Firmung empfangen wollen. All dies zeigt die Zweckmäßigkeit einer guten 849 AD-LIMNA-BESUCHE Integration der Jugendlichen in die kirchliche Gemeinschaft, so wie ihr es in eurer Botschaft an die katholische Jugend Frankreichs 1996 gewünscht habt. 12. Die jungen Menschen möchten vor allem gehört, geliebt und geführt werden, damit sie ihre Persönlichkeit ausgeglichen entfalten können. Außerdem brauchen sie Erwachsene, die in der Lage sind, sie an die Bezugspunkte und Anforderungen zu erinnern, die ein Dasein mit sich bringt, das „schön“ sein will. Diese Erwachsenen müssen auch fähig sein, den Jugendlichen die christliche Botschaft auf positive Weise vorzustellen, besonders auf dem Gebiet der Moral. In dieser Hinsicht -wie ihr selbst schon gesagt habt - sind die jungen Priester oft am geeignetesten, um den Jugendlichen nahe zu sein und um der Jugendpastoral neuen Schwung zu geben. Man könnte sie eventuell von anderen Aufgaben ihres Amtes fteistellen, damit sie in erster Linie für die Mission bei den Jugendlichen zur Verfügung stehen, wobei sie von ihren Brüdern im Priesteramt unterstützt werden und ihren Platz in den Gemeinden behalten. Ich ermutige also die jungen Priester und Ordensleute, den jungen Menschen nahe zu sein, vor allem während der kritischen Zeiten ihres Wachstums. In ihrer Mitte werden sie qualifizierte Zeugen sein und an den Tag legen, daß für Gott und für die Kirche jeder Mensch seinen Wert besitzt. Die jungen Erzieher spielen eine wichtige Rolle; sie müssen im Gedächtnis behalten, daß „der heutige Mensch ... lieber auf Zeugen als auf Gelehrte“ hört (Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 41). Durch ihre Seinsart und die Treue zu ihren Versprechen werden sie den Weg des Glücks aufzeigen und als die wahren geistigen Führungspersönlichkeiten anerkannt werden, die das Volk braucht. Es wird ihnen ebenfalls ein Anliegen sein, den Jugendlichen eine persönliche Begleitung und die Teilnahme am Gruppenleben anzubieten Diese beiden miteinander verbundenen Aspekte der Pastoral werden der Jugend die nötigen Mittel zur Vereinheitlichung ihres Lebens zur Hand geben und ihnen helfen, ihre Berufung klar zu erkennen. 13. Das Zweite Vatikanische Ökumenische Konzil fand seinen Abschluß in einer Botschaft an die Jugend, in der die Jugendlichen aufgerufen wurden, „die Fackel aus den Händen der Älteren und das Beste vom Wort und Beispiel ihrer Eltern und Lehrer zu übernehmen“ (Botschaften des Konzils, 8. Dezember 1965). Die Kirche schaut immer voll Vertrauen und Liebe auf die Jugendlichen. Sie freut sich über ihren Enthusiasmus und über ihren Wunsch, sich ohne Gegenleistung zu schenken. Um ihnen zu helfen, den Sinn ihres Daseins zu finden, muß sie ihnen „den ewig jungen Christen“ zeigen, „den wahren Helden, demütig und weise, den Propheten der Wahrheit und der Liebe, den Gefährten und Freund der Jugendlichen“ (ebd.). Die Eltern und Erzieher dürfen nie aufgeben und müssen — gelegen und ungelegen - Rechenschaft ablegen für den Glauben, die Hoffnung und das Glück, die ihr Leben erfüllen und sie in ihren Entscheidungen leiten, auch wenn die Jugendlichen — 850 AD-LIMNA-BESUCHE jedenfalls dem Anschein nach - dem nicht sofort ihre Zustimmung geben. Wie können die jungen Menschen Zugang zu Gott finden und Jünger des Herrn sein wollen, wenn sie nie von ihm hören, wenn sie nie mit Leuten zu tun haben, die sich darüber freuen, Christen zu sein und sich für Gerechtigkeit, Solidarität und Nächstenliebe einzusetzen? Wenn sie Erwachsene sehen, die zu ihrem Glauben stehen und ihn leben, werden sie entdecken, daß allein die Liebe die Mitglieder der Kirche wirken läßt (vgl. hl. Therese von Lisieux, Manuscript B, f. 3). 14. Zum Abschluß eures Ad-limina-Besuchs möchte ich euch und alle lebendigen Kräfte eurer Diözese ermuntern, eure Bemühungen im Bereich der Jugendseelsorge, die eine eurer Prioritäten ist, fortzuführen. Mögen die christlichen Gemeinschaften den Jugendlichen immer mehr Vertrauen schenken, ihnen immer mehr Verantwortung übertragen und sie geduldig unterstützen. Überbringt die Grüße des Papstes den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien eurer Diözesen, und drückt vor allem den Kindern und Jugendlichen meine herzliche Zuneigung aus. Euch allen, den emeritierten Bischöfen und allen Diözesanen erteile ich aus ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Zur Priesterbildung in säkularisierter Umwelt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der französischen Bischöfe der Region Ostfrankreich am 22. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich freue mich, euch anläßlich eures Ad-limina-Besuchs hier zu empfangen. Für euch ist dies eine Gelegenheit, durch das Gebet bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus und durch eure Treffen mit den verschiedenen Einrichtungen der Römischen Kurie euch in dem Auftrag, den ihr erhalten habt, zu bestärken. Eure Anwesenheit in Rom bezeugt die brüderliche Gemeinschaft zwischen dem Nachfolger Petri und den Diözesanbischöfen, versammelt um Christus, der das Haupt der Kirche ist. „Wir befinden uns an verschiedenen Orten der Kirche, aber wir sind nicht von ihrem Leib getrennt, ,denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen (7 Tim 2,5)“ (hl. Paulinus v. Nola, Brief, 2,3). Unsere Unterredungen ermöglichen mir, all denen nahe zu sein, die sich zusammen mit euch für die Mission einsetzen und zur Tatkraft der Diözesangemein-schaft beitragen. Der Vorsitzende eurer Apostolischen Region des Ostens, Msgr. Marcel Herriot, hat mir einen Überblick über eure pastoralen Sorgen gegeben, und ich danke ihm dafür. Dieser Teil Frankreichs ist ziemlich kontrastreich und wird - manchmal sogar stärker als anderswo — mit den Schwierigkeiten konfrontiert, die die Gesellschaft des ganzen Landes betreffen. Dies darf die Gläubigen aber nicht entmutigen, sondern sollte sie im Gegenteil zu einer großzügigen Solidarität gegenüber 851 AD-LIMNA-BESUCHE den Bedürftigsten jeglicher Herkunft anregen. Andererseits veranlaßt euch die geographische Lage eurer Region, an einem der großen Kreuzungspunkte Europas gelegen, zum Austausch mit euren Nachbarn, der für alle nur vorteilhaft sein kann. Eure Erfahrung wird bei der Vorbereitung der kommenden Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa kostbar sein, denn die Kirche auf diesem Kontinent wird sich dadurch besser kennenlemen und ihre brüderliche Zusammenarbeit verbessern können. Außerdem stelle ich fest, daß in mehreren eurer Diözesen die Gegenwart wichtiger, aus der Reformation hervorgegangenen Kirchengemeinschaften zu einer aktiven Beteiligung am ökumenischen Dialog einlädt, der eine der Hauptaufgaben an der Schwelle zum dritten Jahrtausend darstellt. Trotz aller Schattenseiten eröffnet die starke christliche Tradition eurer Gegend hoffnungsvolle Aussichten für die Zukunft und für die Vitalität der Kirche, und - wie ihr selbst gesagt habt - es fehlt nicht an Zeichen der Hoffnung. 2. Ihr habt in euren Fünfjahresberichten klar hervorgehoben, daß die Frage der Berufungen einer der Aspekte der Pastoral ist, die euch Sorge bereiten. In einigen eurer Diözesen ist seit Jahren die Zahl der Jugendlichen, die den Weg des Priesteramts oder des geweihten Lebens einschlagen, sehr gering geblieben. Die Belastung der Priester nimmt immer weiter zu, und es ist keine Ablösung in Sicht. Aber dennoch sind sie weit davon entfernt, in ihrem missionarischen Eifer nachzulassen, und erfüllen auch weiterhin unermüdlich ihre Seelsorgsaufgaben. Es ist mir ein Anliegen, ihren Mut zu ehren und ihnen noch einmal zu sagen, daß sie nicht verzweifeln dürfen, denn der Herr verläßt seine Kirche nie. Die Krisenzeit, die eure Diözesen gegenwärtig durchmachen, darf eure Diözesangemeinschaften insgesamt nicht vergessen lassen, daß es not tut, die Bemühungen, um den Jugendlichen den Aufruf zum Priesteramt und zum geweihten Leben zu vermitteln, Weiterzufuhren und zu intensivieren, ohne deshalb die Berufung zum Eheleben geringzuachten. 3. Mehrere von euch haben hervorgehoben, daß die Jugendlichen heutzutage sich nur zögernd für etwas einsetzen aus Angst vor der Zukunft und weil es an Zeugen fehlt, die fähig sind, anziehende und überzeugende Vorbilder zu sein. Es ist wichtig, daß die Priester und das ganze Christenvolk daran glauben, daß Gott nicht aufhört, im Innersten ihrer Herzen und durch das Zeugnis der kirchlichen Gemeinschaft Männer und Frauen zu seinem Dienst zu rufen. Alle Gläubigen Christi müssen also ihren Beitrag leisten, um den Jugendlichen zu helfen, ohne übertriebene Angst in die Zukunft zu blicken, sie die Freude der Nachfolge Christi entdecken zu lassen und ihnen zu helfen, Vertrauen zu sich selbst zu entwickeln und geduldig auf die Stimme des Herrn zu hören, wie es der Prophet Eli mit dem jungen Samuel tat (vgl. 1 Sam 3,1-19). 4. In diesem Bereich spielt die Familie eine ganz besondere Rolle. Die Jugendlichen lernen die Grundzüge des Glaubens, den Weg des Gebets und die Praxis der Tugenden zuerst von ihren Eltern. In gleicher Weise kommt die Bereitschaft zu 852 AD-LIMNA-BESUCHE einer besonderen Berufung von der kindlichen Einstellung eines Herzens, das den Willen des Herrn tun will und weiß, daß Christus Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh 6,68). Gewisse Familien mögen vielleicht besorgt sein, wenn sie sehen, daß ihre Kinder sich auf die Nachfolge Christi einlassen wollen, vor allem in einer Welt, in der das christliche Leben keinen attraktiven sozialen Wert darstellt. Trotzdem fordere ich die Eltern auf, die Zukunft ihrer Kinder mit dem Blick des Glaubens zu sehen und ihnen zu helfen, ihrer Berufung in Freiheit zu entsprechen. Um diesen Preis werden sie in ihrem irdischen Dasein glücklich, denn der Herr schenkt denen, die er erwählt, die Kraft und die nötige geistliche Hilfe, um die Schwierigkeiten zu überwinden. Die volle Hingabe seiner selbst an den Herrn und die Kirche ist Grund zur Freude und „wesentlicher Gehalt der pastoralen Liebe“ (Pastores dabo vobis, Nr. 23). Ich fordere die gläubigen Laien auf, sich für die Pastoral der Berufungen einzusetzen und die Jugendlichen zu unterstützen, die die Neigung zeigen, sich dem Dienst an der Kirche zu widmen. Einige Laien beteiligen sich schon jetzt erfolgreich an der Tätigkeit der diözesanen Dienste für die Berufungen, aber das darf nicht nur auf wenige beschränkt bleiben. In dieser Hinsicht ist es auch wichtig, daß die Stellung des Priesters und der geweihten Personen innerhalb der christlichen Gemeinschaften richtig anerkannt werde. Insbesondere müssen sich alle daran erinnern, daß es kein kirchliches Leben geben kann ohne die Präsenz des Priesters, der im Namen Christi, des Hauptes der Kirche, tätig ist, in seinem Namen das Gottesvolk um den Tisch des Herrn versammelt und ihm die Vergebung der Sünden erteilt. Gleicherweise kann der Mangel an geweihten Personen des beschaulichen oder tätigen Lebens vergessen lassen, daß der Einsatz für das Himmelreich der grundlegende Aspekt des Lebens eines jeden Christen ist. Es ist klar, daß - wenn die Jugendlichen keinen persönlichen Kontakt zu Priestern und geweihten Menschen haben und wenn sie den spezifischen Auftrag eines jeden nicht erkennen — es für sie schwierig sein wird, sich selbst für eine solche Verpflichtung zu entscheiden. 5. Ihr bemerkt, daß die Jugendlichen, die ans Priesteramt denken, und die Seminaristen, die schon in der Ausbildung sind, schwierige Zeiten in ihrem Leben durchgemacht haben. Einige bleiben anfällig, manchmal aufgrund sozialer oder familiärer Verhältnisse, die schwer heilende Wunden hinterlassen haben, oder - wie es im Laufe der jüngsten Pastoralbesuche festgestellt wurde - aufgrund des ständigen Umherziehens der Familien, das eine Verwurzelung der Menschen erschwert, oder auch infolge des Sittenverfalls, der sich in der Gesellschaft breitmacht, oder schließlich weil einige Kandidaten erst vor kurzem konvertiert haben. Es ist also angebracht, ihnen beim Aufbau ihrer Persönlichkeit zu helfen, damit sie zu dem „geistigen Haus“ werden, von dem der hl. Petrus spricht (vgl. 1 Petr 2,5). Das erfordert eine besondere Aufmerksamkeit eurerseits und von seiten der Verantwortlichen der Berufungsdienste, damit die Etappe der Entscheidung und Vorbereitung fürsorglich und einfühlsam begleitet werden kann. Man muß insbesondere darauf achten, daß die Ausbildenden die dazu erforderlichen Eigenschaften besitzen und sich an die Hauptrichtlinien der Priesterbildung halten. 853 AD-L1MNA-BESUCHE Einige Bischöfe haben sich entschlossen, von den Kandidaten für diese Vorbereitungsphase ein propädeutisches Jahr zu verlangen, das verschiedene Formen annehmen kann. Diese Initiative scheint gute Ergebnisse zu zeigen. So müssen die Kandidaten am Ende dieser Phase „bestimmte Eigenschaften aufweisen: die rechte Absicht, einen genügenden Grad menschlicher Reife, eine möglichst umfassende Kenntnis der Glaubenslehre, eine gewisse Vertrautheit mit den Gebetsweisen und dem Brauchtum, das der christlichen Tradition entspricht“ (Pastores dabo vobis, Nr. 62). Damit sie später die verschiedenen Aufgaben ihres Amtes erfüllen können, müssen die Jugendlichen bereit sein, vorwärtszukommen, um die psychologische, menschliche und christliche Reife zu erlangen, die jeder Diener Christi und seiner Kirche nötig hat. Im Verlauf des vorbereitenden Jahrs lernen die Priesterkandidaten vor allem die Bedeutung der Theologie der Erwählung und des Bundes, den Gott mit den Menschen schließt, tiefer verstehen. So machen sie sich bereit, den Ruf Christi und der Kirche zu hören und gehorsam den vom Bischof vorgeschlagenen Ausbildungsweg zu gehen und danach die ihnen übertragenen Seelsorgeaufgaben zu erfüllen. 6. In eurer Eigenschaft als Verantwortliche für die Berufung der Kandidaten, die morgen eure Mitarbeiter im Priesteramt sein werden, seid ihr auch dafür zuständig, die Zweckmäßigkeit der Aufnahme von Kandidaten aus anderen Diözesen zu erwägen gemäß den Vorschriften des kanonischen Rechts (vgl. CIC cann. 214-242) und der pastoralen Richtlinien, in jüngster Zeit wieder dargelegt in der Anweisung über die Zulassung zum Priesterseminar von Kandidaten aus anderen Diözesen oder anderen Ordensfamilien, die die Kongregation für das katholische Bildungswesen an euch gerichtet hat. Eine unterschiedslose Aufnahme kann in der Tat für die jungen Leute selbst schädlich sein, die, anstatt ihren Weg in einem Verhältnis des Vertrauens und des Sohnesgehorsams gegenüber dem Bischof ihrer Diözese einzuschlagen, manchmal versucht sind, die Diözese ihrer Inkardination und ihren Ausbildungsort nach rein subjektiven Gesichtspunkten auszusuchen. Sie bestimmen gewissermaßen ihre Ausbildung nach eigenem Empfinden und nicht aufgrund objektiver Kriterien. Diese Haltung wird ihre Dienstbereitschaft, ihre Aufgeschlossenheit für die Diözesanpastoral und ihre Verfügbarkeit für die Mission der Kirche sicherlich einschränken. 7. Mit der gesamten Bischofskonferenz erörtert ihr die Grundlage der geistlichen, philosophischen, theologischen und pastoralen Ausbildung der zum Priestertum berufenen Jugendlichen. Ich freue mich über die gegenwärtig von euch geleistete Arbeit zur Ausarbeitung der neuen Ratio studiorum, die in Zukunft die Ausbildung in den französischen Priesterseminaren regeln soll. Es ist in der Tat eine Aufgabe der Bischöfe, in ständiger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Seminare die Studien der Priesteramtskandidaten zu organisieren, denn ihr ruft sie, und ihr nehmt sie durch die Handauflegung in die Diöze-sanpriesterschaft auf. 854 AD-LIMNA-BESUCHE Das Seminar stellt eine zentrale Einrichtung in der Diözese dar; es hat teil an der Sichtbarkeit des Leibes Christi und seiner pastoralen Dynamik; es trägt zur Einheit aller Bestandteile der christlichen Gemeinschaft bei, denn die Priesterausbildung geht über die einzelnen pastoralen Empfindungen hinaus. Wenn sie also dort ihren ganzen oder teilweisen Ausbildungsweg zurücklegen, haben die Seminaristen die Möglichkeit, ihrem Bischof, den Priestern und den verschiedenartigen menschlichen und kirchlichen Realitäten vor Ort nahe zu sein. Wenn es am Ort kein Seminar gibt, so ist es wichtig, daß der Bischof und seine Mitarbeiter, die sich um die Seminaristen kümmern, ständigen Kontakt mit den Seminaren halten, denen sie ihre Kandidaten zugewiesen haben. Trotz der geographischen Entfernung ist es auch zweckmäßig, Möglichkeiten zu finden, um die Mitglieder der Diözese, vor allem die Jugendlichen, mit diesen Einrichtungen in ihrer ganzen Vitalität bekanntzumachen: Wenn niemand sie kennt, ist die Chance, daß die vom Herrn Berufenen dort eintreten, viel geringer. 8. Das Seminar, in dem Personen aus unterschiedlichen sozialen Milieus leben, soll zu einer Familie werden. Nach deren Vorbild soll das Seminar jedem Jugendlichen erlauben, mit der ihm eigenen Empfindungsfähigkeit seine Berufung reifen zu lassen, sich der zukünftigen Verpflichtungen bewußt zu werden und sich für das gemeinschaftliche, geistliche und intellektuelle Leben zu formen unter der Leitung einer Gruppe von Priestern und Professoren, die speziell im Hinblick auf diese Aufgabe ausgebildet sind. So bereiten sich die jungen Leute darauf vor, aktive Mitglieder des um den Bischof gescharten Presbyteriums zu sein. Im Verlauf der aufeinanderfolgenden Studienabschnitte wird die Betonung besonders auf das einende Prinzip eines jeden christlichen Lebens gelegt: die Liebe zu Christus, zur Kirche und zu den Menschen, denn wenn man in der Liebe lebt, wird man Christus, dem Hirten und Hohenpriester, ähnlich, und durch die Liebe leitet man die Herde des Herrn. „Denn keiner ist ein Guter Hirt, wenn er nicht durch die Liebe eins mit Christus wird und Glied des wahren Hirten.“ Die Liebe ist die erste Pflicht des Guten Hirten (vgl. Thomas von Aquin, Auslegung zum Johannesevan-gelium, Kap. 10,3). Die Formung der Beziehung zu Christus ist also vorrangig, und zwar durch das Gebet und den Empfang der Sakramente, vor allem der Wiederversöhnung und der Eucharistie, die die Schule des priesterlichen Lebens ist; der Priester ist berufen, in seinem persönlichen Leben und in den verschiedenen Tätigkeiten seines Amtes das Abbild Christi zu sein (vgl. Lumen Gentium, Nr. 21; Pastores dabo vobis, Nm. 16, 49). Das geistliche Leben ist es auch, das der priesterlichen Mission wahre Fruchtbarkeit gibt. Darüber hinaus sollte bei den Kandidaten die Praxis der göttlichen und sittlichen Tugenden entwickelt werden durch eine Schulung zur Disziplin und Selbstbeherrschung. Ein zukünftiger Priester muß auch lernen, sein Leben in die Hände des Erlösers zu legen, sich als Glied der Diözesankirche - und dadurch der Universalkirche — zu fühlen und seine Tätigkeit im Hinblick auf die pastorale Liebe auszurichten (vgl. Optatam totius, Nm. 8-9). Die pastorale Ausbildung darf sich nicht 855 AD-LIMNA-BESUCHE auf die Theorie beschränken; zu Recht wird in den Seminaren der pastoralen Tätigkeit vor Ort ein wichtiger Platz eingeräumt, und dies fordert die Verwurzelung der jungen Menschen in der örtlichen Gemeinschaft. Trotzdem müßt ihr darüber wachen, daß die Priorität des Studiums erhalten bleibt, denn wenn es während der Seminarausbildung an ernsthafter intellektueller Vertiefung fehlt, ist dies später nicht mehr aufzuholen. 9. All das geht Hand in Hand mit einer soliden intellektuellen, philosophischen und theologischen Ausbildung, die wesentlich ist, damit die Jugendlichen zu Missionaren werden können, zu Verkündern der Frohbotschaft des Evangeliums und der christlichen Mysterien bei ihren Brüdern. Das Studium wird also einen wichtigen Platz einnehmen und die Priester auf ihre ständige Weiterbildung vorbereiten: diese ist während ihres ganzen Amtes unentbehrlich, denn ein Geistesleben, das nicht ständig von einer intellektuellen Arbeit unterstützt wird, läuft Gefahr zu verarmen. Dies erfordert eine große Leidenschaft für die Wahrheit. Das Konzilsdekret Optatam totius hat auf bemerkenswert ausgeglichene Weise die grundlegenden Richtlinien der kirchlichen Studien dargelegt; es ist angezeigt, sich immer daran zu halten (vgl. insbesondere Nm. 14-17). Die philosophischen Studien sollen nicht unterbewertet werden, denn sie veranschaulichen die verschiedenartige Suche des Menschen nach Gott. Sie entwickeln eine Bildung, die zu einem ständigen Dialog mit der Welt befähigt, damit man diese Welt amegen kann, sich zu Christus hinzuwenden. Sie liefern Elemente zur Entwicklung einer christlichen Anthropologie, um den Menschen zum sittlichen Tun zu bewegen und über das christliche Geheimnis Rechenschaft abzulegen. Ist es außerdem nötig, den vorrangigen Platz zu betonen, der dem Studium des Wortes Gottes gebührt, um seine immer lebendige Botschaft aufzunehmen und sein erleuchteter Zeuge zu sein? Natürlich ist eine solide Wissensbasis in den verschiedenen Bereichen der Theologie unerläßlich, damit die Priester den Erwartungen ihrer Zeitgenossen entsprechen und ihnen helfen können, oberflächliche Darstellungen der kirchlichen Lehre zu überholen, die sie nicht im Glauben stärken können. Besonders die Theologie der Liturgie ermöglicht es den Dienern der Eucharistie und der anderen Sakramente, die von ihnen verwalteten Geheimnisse würdig zu feiern und den Gläubigen deren ganzen Reichtum und Bedeutung zu zeigen. Alles, was man über die intellektuelle Ausbildung der zukünftigen Priester und auch über die wachsenden Anforderungen der Laienausbildung sagen kann, veranlaßt mich dazu, euch im Hinblick auf die kommenden Jahre aufzufordem, die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die akademische Ausbildung der jungen Priester anzuheben, die die geeigneten Anlagen dazu haben, damit sie sich in der Forschung engagieren und das Lehramt gewährleisten können. Andrerseits ist es auch wichtig, daß ihr eure Bemühungen fortsetzt, um Priester für das Erkennen und Unterscheiden der Berufungen, die geistliche Leitung und die Anregung des gemeinschaftlichen Lebens heranzubilden. 856 AD-LIMNA-BESUCHE 10. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich kenne eure Fürsorge für die Seminare. Der jüngste apostolische Besuch hat sie bewiesen. Auch kenne ich eure Schwierigkeiten und eure Sorge wegen der gegenwärtig so geringen Zahl der Seminaristen. Aus diesem Grund wollte ich mit euch auf gewisse Aspekte zurückkommen; allerdings ohne sie alle hier im einzelnen behandeln zu können. Es war mir aber ein Anliegen, euch zu ermutigen und noch einmal zu versichern, daß die Prüfung, die eure Diözesen momentan durchmachen, nur dann verstanden werden kann, wenn man gläubig auf das Kreuz Christi schaut. Und im österlichen Licht werden wir den Herrn hören, der zu uns, seinen Jüngern, spricht: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Hoffnungsvoll schließe ich mich eurem Gebet für die Berufungen, die Seminare, die Priester und die geweihten Personen an. Von ganzem Herzen spende ich ihnen wie auch euch und allen euren Diözesanen den Apostolischen Segen. Christus in den Mittelpunkt jeder Verkündigung stellen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Kirchenregion Ile-de-France am 5. April Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid herzlich willkommen, Bischöfe der Region Ile-de-France. Ich freue mich, euch in der Osterzeit während eurer Pilgerfahrt „Ad-limina Apostolorum“, zu den Gräbern der Apostelfiirsten, zu empfangen. Euer Kommen ist Ausdruck unserer Gemeinschaft in Christus, damit wir der Kirche dienen, die auf die Säulen in der Gestalt der Apostel gegründet ist, der Kirche, die sich tagtäglich darum bemüht, der Sendung, die dem Apostelkollegium unter der Führung des Petrus übertragen worden ist, noch treuer zu sein. Mein Dank gilt vor allem Herrn Kardinal Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris, für die Vorstellung eurer Apostolischen Region. Begrüßen möchte ich Msgr. Olivier de Berranger, der eben erst in Saint-Denis die Nachfolge des verstorbenen Msgr. Guy Deroubaix angetreten hat, und ihn meines Gebetes für sein neues Hirtenamt versichern. Mit Freude empfange ich zugleich mit den residierenden Bischöfen der Region Ile-de-France auch den französischen Militärbischof, Msgr. Michel Dubost, der für die Vorbereitung des Weltjugendtages verantwortlich ist. Vor mehr als dreißig Jahren erfolgte durch die Errichtung fünf neuer Diözesen, die inzwischen ihr eigenes Gesicht angenommen haben, die Neugliederung der früheren Diözesen Paris, Versailles und Meaux. Das ist aber kein Hindernis für eine organische Zusammenarbeit zwischen euch auf verschiedenen Ebenen, eine Zusammenarbeit, die für die Entwicklung der christlichen Gemeinden um so dringender ist, als die verschiedenen Bereiche in der Tat über sehr ungleiche Mittel 857 AD-LIMNA-BESUCHE verfügen, besonders was die Seelsorger betrifft. Ihr müßt, nach dem Beispiel anderer Metropolen in der Welt, zu einer möglichst harmonischen Koordinierung des kirchlichen Lebens gelangen, wie sie besonders eine Bevölkerung braucht, die häufig den Wohnort wechselt. Ich bin mir des Umfangs eurer Aufgaben in dieser wichtigen, aktiven und kontrastreichen Region bewußt, wo die positiven Beiträge der heutigen Gesellschaft ebenso in Erscheinung treten wie ihre Schwierigkeiten. 2. Im Hinblick auf das Große Jubiläumsjahr der Erlösung, das ein Ereignis der ganzen Kirche ist, möchte ich heute einige Gesichtspunkte herausgreifen, die nach verschiedenen, in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente vorgeschlagenen Orientierungen euren Dienst kennzeichnen sollen. Wir befinden uns zur Zeit im ersten der drei Vorbereitungsjahre. Höhepunkt dieses Jahres wird in Paris und in den anderen Diözesen der Weltjugendtag sein, für dessen Ausrichtung und begeisterte Vorbereitung ich euch danke. Gebt meinen Dank an die Priester, an die Ordensmänner und Ordensfrauen, an die Laien und ganz besonders an die Jugendlichen eures ganzen Landes weiter, die sich großzügig um den guten Verlauf dieses Welttreffens der Jugend bemühen; ich weiß um die Anstrengungen, die sie alle zur Zeit für das Gelingen dieses geistlich intensiven Ereignisses entfalten. Überbringt ihnen das Vertrauen des Papstes, der sich schon darauf freut, nach Paris zu kommen und diejenigen zu ermutigen, die berufen sind, die Kirche des nächsten Jahrtausends aufzubauen. Wie ich bereits in der Botschaft an die Jugend der Welt anläßlich des 12. Weltjugendtages gesagt habe, soll diese kommende Versammlung „eine lebendige Ikone der Kirche“ bilden. Unter dem Zeichen des Kreuzes des Heiligen Jahres, das von den Jugendlichen der Diözesen ganz Frankreichs in Empfang genommen werden wird, werden sich die Blicke auf Christus richten. Als Antwort auf die Fragen so vieler Jugendlicher, die auf ihre Weise die von den beiden ersten Jüngern gestellte Frage aufgreifen - „Meister, wo wohnst du?“ {Joh 1,38) -, wird der Herr eindringlich seine Einladung erneuern, ihm zu folgen und ihn zu sehen, bei ihm zu bleiben und ihn immer besser in seinem Leib, der Kirche, zu entdecken. Auf diesem Weg mit Christus werden die jungen Leute erkennen, daß nur er ihre Sehnsüchte zu erfüllen und ihnen das wahre Glück zu schenken vermag. Durch die Organisation des Weltjugendtages werdet ihr es den Geistlichen und den Gläubigen der Region Ile-de-France und eures ganzen Landes ermöglichen, durch die Mitglieder aus den jüngeren Generationen die Gemeinschaft der Kirche lebendig zu erfahren. Denn einer der Aufrufe des Großen Jubeljahres, auf das wir uns vorbereiten, ist ja eben die Aufforderung zum Dialog zwischen den Gläubigen verschiedener Nationen, verschiedener geistlicher Haltungen und verschiedener Kulturen. Müssen sich nicht in dieser Welt, wo so viele und immer neue Kommunikationsformen entstehen, die Mitglieder der Universalkirche besser kennenlernen und zu einem immer stärkeren Zusammenhalt finden, denn „alle Glieder des Leibes, obgleich es viele sind, bilden einen einzigen Leib“? Und der hl. Paulus fügt hinzu: „So ist es auch mit Christus“ (1 Kor 12,12). Und wir wissen, daß der 858 AD-LIMNA-BESUCHE Völkerapostel seine Ermahnung zur Einheit in der Vielfalt durch das Hohelied der Liebe, der größten aller Gottesgaben, untermauert (vgl. 1 Kor 13,13). 3. Das Jubeljahr „soll ein großes Lob- und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 32). Das erste Vorbereitungsjahr, das ganz auf Jesus Christus ausgerichtet ist, lädt zur Stärkung des Glaubens an den Erlöser ein (vgl. ebd., Nr. 42). Das ist ein providentieller Anlaß dazu, die Gläubigen einzuladen, das Gesicht Christi zu betrachten und die Sakramente und die Wege des Gebetes wiederzuentdecken. Die Verinnerlichung der persönlichen Bande zu Christus ist eine unerläßliche Voraussetzung für die Annahme des Lebensangebotes, das im Evangelium enthalten ist und dessen Darlegung Aufgabe der Kirche ist. Es geht darum, von Tag zu Tag die Gnadengaben, die die Taufe umfaßt, aufgeschlossener wahrzunehmen, in sein innerstes Sein die Gegenwart Christi aufzunehmen, der diejenigen heiligt, die „mit ihm begraben wurden durch die Taufe auf den Tod“ (vgl. Röm 6,4), um in das neue Leben einzugehen. In den Richtlinien für die Vorbereitung auf das Große Jubeljahr habe ich auf die Taufe als das erste Sakrament hingewiesen, das wiederentdeckt werden müsse, da es die „Grundlage der christlichen Existenz“ ist (Tertio millennio adveniente, Nr. 41). Es ist daher sehr erfreulich, daß während des Welttages Jugendliche die Taufe empfangen werden. Sie werden gewissermaßen ihre Brüder und Schwestern repräsentieren, die in der ganzen Welt dank der Hilfe von Pfarreien, Anstaltsseel-sorgem und Jugendbewegungen das Katechumenat für Erwachsene absolvieren. Ihre Anwesenheit und ihr Zeugnis wird der großen Zahl derer, die schon von Kindheit an zur Kirche gehören, eine bessere Einschätzung der Gaben, mit denen sie überhäuft sind, ihres Christseins, erlauben. 4. Scheut keine Anstrengungen, damit die Aufnahme des Gotteswortes ständig erneuert wird: Die Gläubigen müssen unbedingt besser in die Heilige Schrift eindringen, sich mit ihr vertraut machen und sich ihre Botschaft in der „lectio di-vina“ aneignen können. In diesem Sinne sind die Initiativen zu unterstützen, die auf verschiedenen Ebenen ergriffen wurden, um über eine zu bruchstückhafte oder zu oberflächliche Lektüre der Bibel hinauszukommen. Diese Initiativen erlauben den Getauften einen überlegten und durchdachten Einstieg in die Überlieferung der Kirche, die uns das Wort schenkt und uns mit der Gestalt Christi bekannt macht. Achtet in eurem Lehramt darauf, daß die Person Christi in der ganzen Fülle seines Geheimnisses bekannt wird: der Sohn, wesensgleich mit dem Vater, wird Mensch, um die Menschheit zu retten, sie mit Gott zu versöhnen (vgl. 2 Kor 5,20), sie zu sammeln (vgl. Joh 11,52). Wie zu anderen Zeiten, ist auch heute die Gestalt Christi Gegenstand verkürzter Darstellungen, welche auf Grund von Strömungen und Tendenzen verfaßt werden, die nur einen Teil der von der Kirche empfangenen und weitergegebenen authentischen Offenbarung berücksichtigen. Bisweilen 859 AD-LIMINA -BESUCHE wird die Göttlichkeit des fleischgewordenen Wortes geleugnet, was Hand in Hand geht mit dem Gefangensein des Menschen in sich selbst; in anderen Fällen wird die Tatsache der Menschwerdung, des Eintritts des Gottessohnes in die geschichtliche menschliche Situation, unterschlagen, was zur Aufhebung der Christologie und des eigentlichen Sinnes der Erlösung fuhrt. Diese Skizzierung in großen Zügen soll die Bedeutung der Katechese unterstreichen, wie ich das in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente (vgl. Nr. 42) getan habe. Und ich möchte neuerlich alle ermutigen, die sich mit großzügiger Disponibilität in der Planung und Umsetzung der Katechese für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene engagieren. Es muß, allgemeiner gesprochen, unbedingt eine ganze „Pastoral des Verstandes“, eine Pastoral der vom Glauben erleuchteten Kultur, entwickelt werden. Eure Berichte führen verschiedene Bildungsorganisationen an, wie die Domschule zu Paris oder die verschiedenen Diözesanzentren, die in eben diesen Bereichen tätig sind. Das bevorstehende Große Jubeljahr sollte diese Anstrengungen intensivieren, damit mehr Getaufte bereit sind, vom Reichtum des christlichen Geheimnisses Zeugnis zu geben. Aus diesem Geist heraus wird übrigens den Teilnehmern am Weltjugendtag vorgeschlagen, an einer Katechese teilzunehmen, die Bischöfen aus allen fünf Kontinenten anvertraut ist. Das soll ihnen den Antrieb dazu geben, ihr Suchen und Forschen zukünftig in ihren Diözesen fortzusetzen, um sich eine geistliche Bildung anzueignen, die den von ihren wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen aufgeworfenen Fragen angemessen ist (vgl. Gaudium et spes, Nm. 11,16). 5. Das Evangelium besäße aber nicht seine ganze Erlebniskraft, würde die Kirche nicht vom Heiligen Geist belebt werden, und deshalb bildet er das zentrale Thema für das zweite Vorbereitungsjahr auf das Jahr 2000. Der Geist der Wahrheit, der vom Vater kommt, legt Zeugnis ab für Christus; und das vierte Evangelium fügt sogleich hinzu: „Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen“ (vgl. Joh 15,26-27). Den Jugendlichen kommt es wie allen Gläubigen zu, sich der Weltmission anzunehmen, mit der Christus seine Jünger beauftragt hat: menschlich gesehen ein schwieriger Auftrag, der aber dank der im ganzen, solidarischen Leib der Kirche verbreiteten Gaben des Geistes möglich ist. Ihr erwähnt häufig die Tatsache, daß Jugendliche zu dem Zeitpunkt, wo sie um das Sakrament der Firmung bitten, ein wirkliches Engagement im Glauben und in der Sendung der Kirche an den Tag legen. Könnten sie doch von ihren Hirten und ihren Gemeinden die nötige Unterstützung erhalten, damit sie die empfangenen Gaben Früchte tragen lassen und bei ihrem Vorsatz bleiben! Der Weltjugendtag ebenso wie die Vorbereitung auf das Jubeljahr werden echte Meilensteine auf dem Weg der Jugendlichen sein können, die den kirchlichen Auftrag auf sich nehmen wollen. 6. Das Jubeljahr soll eine geradezu ideale Zeit der Umkehr sein. Wir werden unseren christlichen Brüdern und Schwestern wie allen unseren Zeitgenossen sorgfältiger begreiflich machen müssen, daß die christliche Botschaft eine Frohe Botschaft der Befreiung von der Sünde und dem Bösen und zugleich ein eindringli- 860 AD-LIMNA-BESUCHE eher Aufruf ist, sich wieder für das Gute zu entscheiden. Wir müssen für die barmherzige Liebe des Vaters danken, der immer zur Vergebung bereit ist. Der Büßgang scheint von vielen oft falsch verstanden zu werden, weil man ihn von dem positiven Doppelgesetz der Gottes- und der Nächstenliebe, das nicht auseinandergerissen werden darf, gewissermaßen isoliert, und auch, weil man sich zu sehr auf das menschliche Fortschrittsstreben verläßt und zudem nicht immer bereit ist, sich die tatsächliche Tragweite seiner Verantwortung für die vollzogenen Handlungen einzugestehen. Wahre Umkehr ist ungeschuldete Gottesgabe, die in Freude und Danksagung und mit dem festen Entschluß empfangen wird, unsere Existenz dem Stand von Kindern Gottes, den der Erlöser uns erworben hat, gleichzugestalten. Würde der christliche Sinn der Buße besser verstanden, dann würde das Sakrament der Versöhnung nicht soviel Abneigung erfahren, wie wir sie feststellen müssen, und unsere Zeitgenossen würden eine Stärkung in der Hoffnung erfahren. In seinem Innersten bewußt die gütige Liebe Gottes wiederzuentdecken, wird dann seinen vollen Sinn erhalten, wenn das Jubeljahr auch die Zeit der Liebe zu den Armen und Benachteiligsten, die Zeit einer tiefgreifenden Erneuerung sozialer Bande ist. Der überlieferte Sinn des Jubeljahres besagt eine Wiederherstellung der Beziehungen zwischen den Menschen in der ganzen Gesellschaft; es müßte allen begreiflich gemacht werden, daß dieser Abschnitt in unserer Geschichte eine vorzügliche Gelegenheit zur Versöhnung darstellt und uns auf eine Zukunft des Miteinander hinlenkt. Das gemeinsame Gedächtnis muß geklärt und gereinigt werden, das heißt, wenn wir mit aller Klarheit und frei von alten Keimen der Zwietracht und Verbitterung uns gegenseitig die Schwächen und Fehler eingestehen, werden wir besser auf die Herausforderungen unserer Zeit antworten können. Denn in der heutigen Welt gibt es sehr viel zu tun für die Errichtung des Friedens, für eine gerechtere Verteilung der Güter der Schöpfung, für die Gewährleistung der Achtung vor dem Leben und vor der Würde der menschlichen Person! Das sind die Aufgaben, die an der Schwelle des neuen Jahrtausends klar angegangen werden müßten. 7. Geistliche und Gläubige, von der Liebe zur Menschheit beseelt, müssen die Erwartungen der heutigen Welt mit ihren Zweifeln und ihren Leiden entschlüsseln. Man kann nicht die Frohe Botschaft verkündigen, ohne die tiefen Nöte der Menschen wahrzunehmen, ohne auf die Brüche, die die Gesellschaft zerreißen, zu reagieren. Kurz gesagt, auf eine in Krise befindliche Zivilisation, die sich durch die Säkularisierung von ihren geistlichen Wurzeln abgeschnitten sieht, gilt es mit der Zivilisation der Liebe zu antworten (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 52). Besonders dieses Ziel müssen wir den Jugendlichen anbieten, die ihren Platz in der Kirche und in der Gesellschaft haben; gestärkt in der Hoffnung, werden sie bereit sein, mit Christus an der Seite des heutigen Menschen zu gehen, und ihn durch ihr Zeugnis die Gegenwart Christi erkennen lassen. Diese wichtigen Intentionen setzen voraus, daß es einen offenen Dialog mit den verschiedenen Strömungen in der Gesellschaft gibt. In aufrichtigem Gedankenaustausch, fernab jeder Polemik, wird man die Hoffnungszeichen der Zeit ausmachen 861 AD-LIMNA-BESUCHE können. Und damit dieser Austausch reiche Früchte trägt, gilt es die Christen darauf vorzubereiten, daß sie den Dialog in aufgeschlossener Weise führen, fest in ihrem Glauben und zugleich voller Sympathie gegenüber denjenigen, die ihn nicht teilen oder ihn anfechten. Sie werden angesichts der verkürzten Darstellungen des Christentums, wie sie häufig anzutreffen sind, die notwendigen Erläuterungen liefern können. Sie werden ständig darauf bedacht sein, das christliche Verständnis vom Menschen in der Schöpfung, die Botschaft von der Hoffnung, die sittlichen Forderungen, die sich aus dem Glauben ergeben, auf positive Weise zum Ausdruck zu bringen; und sie werden darauf hinwirken, daß der Geist des Evangeliums die zeitliche Ordnung durchdringt (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 5). Geistliche und Laien müssen ihre Anstrengungen fortsetzen, um im Dialog mit den Menschen und auch mit der von den Medien beeinflußten Meinung den Problemen auf den Grund zu gehen. In diesem Zusammenhang wird das Schreiben der Bischöfe an die Katholiken Frankreichs Angebot des Glaubens in der heutigen Gesellschaft ein besonders nützlicher Ratgeber sein. 8. Wie ich im vergangenen Jahr vor dem Komitee für die Vorbereitung des Großen Jubeljahres gesagt habe, „fuhrt die apostolische Erneuerung, die die Kirche angesichts des Jubeljahres vollziehen will, über die echte Wiederentdeckung des II. Vatikanischen Konzils“ (4. Juni 1996, Nr. 5) in Treue und Offenheit, in einer beständigen Haltung des Hörens und Wahmehmens der Zeichen der Zeit. Denn das Konzil hat „einen gewichtigen Beitrag zur Vorbereitung jenes neuen Frühlings christlichen Lebens geleistet, der von dem Großen Jubeljahr offenbar gemacht werden muß“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 18). Es hat uns ein gutes Beispiel für ein demütiges und hellsichtiges Verhalten gegeben. Es hat auch die Größe des Erbes offenbar gemacht, das wir empfangen haben und das die Kirche, vor allem durch das Beispiel so vieler Heiliger und Märtyrer, die unsere Geschichte bis herauf in unsere Tage mitprägen, an uns weitergibt. Wir befinden uns in der Zeit des brüderlichen ökumenischen Dialogs mit den Christen, die sich nach der vollen Einheit sehnen. Der Wunsch nach neuen, entscheidenden Schritten auf dem Weg zur Einheit, wird mit Recht immer stärker; es wäre ein schönes Ergebnis des Jubeljahres, die Gesamtheit der Gläubigen für die ökumenische Bewegung zu interessieren. Was bei euch in diesem Sinne bereits getan wird, sollt ihr inspirieren und weiter voranbringen. Der Dialog mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften kann freilich nur dann zu einem Ergebnis fuhren, wenn die Gläubigen den Geist dieses Dialogs in den Diözesen, Pfarreien und Bewegungen teilen. Das Konzil hatte auch die Wege für den interreligiösen Dialog mit den Gläubigen anderer religiöser Traditionen eröffnet: in gegenseitiger Achtung und in Anerkennung dessen, was ein jeder an Wahrem und Gutem beiträgt, ohne vorschnelle Betroffenheiten und in einer anspruchsvollen Suche nach der Wahrheit werden vertrauensvolle interpersonale Beziehungen das Vorangehen in Richtung auf die von Gott gewollte Harmonie der Menschheitsfamilie gestatten. 862 AD-LIMNA-BESUCHE 9. Liebe Brüder im Bischofsamt, geleitet an der Schwelle des dritten Jahrtausends das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft durch die Welt, die in der Nachfolge Christi durch seinen Geist zum Vater führt. Einen besonderen Ehrenplatz werden wir dem Sakrament der Eucharistie einräumen, als authentisches Gedächtnis des Erlösungsopfers und tatsächliche Anwesenheit Christi in der Kirche bis ans Ende der Zeiten. Möge euer Dienst als Spender der Geheimnisse Gottes die Angehörigen eurer Diözesen dazu veranlassen, das Jubeljahr als große Lobpreisung der heiligen Dreifaltigkeit zu begehen, die an die Welt appelliert, sich von ihrer Liebe ergreifen zu lassen! Maria begleitet die Kirche auf ihrem Weg; sie ist für alle Vorbild des gelebten Glaubens, des Hörens auf den Geist in der Hoffnung, der vollkommenen Gottesund Nächstenliebe. „Ihre Mutterschaft, die in Nazaret begonnen hat und in höchstem Maße in Jerusalem unter dem Kreuz erlebt wurde, wird [...jvemehmbar sein als innige und dringende Einladung, die an alle Kinder Gottes gerichtet ist, zum Haus des Vaters zurückzukehren und auf ihre mütterliche Stimme zu hören: ,Was Christus euch sagt, das tut <16> <17> (vgl. Joh 2,5)“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 54). <16> Anläßlich Ihres Ad-limina-Besuchs freue ich mich, Sie im Hause des Nachfolgers Petri begrüßen zu können: für jeden Bischof ist dies eine einzigartige Gelegenheit für sein Amt Stärkung zu erfahren durch das Gebet an den Gräbern der hll. Apostel Petrus und Paulus und wichtige Augenblicke kirchlicher Gemeinschaft zu erleben dank der verschiedenen Treffen mit den Mitgliedern der Kurien-dikasterien. Mögen die Apostel für Sie erwirken, daß Sie Ihre pastorale Sendung in Freude fortführen - mit der Kraft und dem Licht, die der Heilige Geist schenkt! <17> In Ihrem Fünfjahresbericht haben Sie mich über die geistliche Vitalität der Erzdiözese Luxemburg informiert. Im Hinblick auf das Große Jubeljahr und die Neuevangelisierung, zu der die Kirche im dritten Jahrtausend aufgerufen ist, haben Sie mit der Diözesangemeinschaft einen synodalen Weg eingeschlagen unter dem Leitwort „Kirche 2005 - Unterwegs: mit Jesus Christus, miteinander, für die Menschen“. Zu Recht laden Sie so die Hirten und Gläubigen ein, Christus und das christliche Mysterium zu betrachten - durch Angebote der Bildung, eine unablässig erneuerte Aufnahme des Wortes Gottes, eine Vertiefung der Liturgie und ein In Erwartung unseres großen Zusammentreffens im August in Paris zum Weltjugendtag vertraue ich dem Herrn, Unserer Lieben Frau und den heiligen Schutzpatronen eurer Diözesen euer Amt und eure Gemeinden an. Von ganzem Herzen erteile ich euch sowie allen Angehörigen eurer Diözesen den Apostolischen Segen. Abgestimmte Zusammenarbeit von Klerus und Laien Ansprache beim Ad-limina-Besuch des Erzbischofs von Luxemburg, Msgr. Fernand Franck, am 19. Dezember 863 AD-LIMNA -BESUCHE intensiveres Gemeinschaftsleben. In der Tat können alle Mitglieder des Gottesvol-kes durch einen solchen spirituellen und intellektuellen Prozeß im Glauben wachsen und sich entschlossener für ihre Sendung einsetzen, ein jeder gemäß seinem Charisma und dem Dienst, zu dem er in der Kirche und in der Gesellschaft berufen ist. 3. Ich möchte meine Wertschätzung für die Arbeit der Priester aussprechen, die darum bemüht sind, das Evangelium und die Lehre der Kirche, vor allem die Botschaft des Konzils, treu zu vermitteln und das christliche Volk zu leiten und zu heiligen, damit alle Menschen zu Jüngern Christi werden. Ich kenne die Gewichtigkeit und Vielfalt der Aufgaben der Priester, besonders zu einer Zeit, da der Priestermangel deutlich spürbar zu werden beginnt. Sie ermahne ich, den Mut nicht zu verlieren und wachsam zu bleiben im Gebet und im geistlichen Leben. So werden sie die Gnade Gottes, die ihnen durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist, wiederentfachen (vgl. 2 Tim 1,6), um vollkommen das ihnen anvertraute Amt zu erfüllen. 4. Die Hirten sind aufgerufen, ihre Sendung in einer Verbindung mit den Laien in einer aufeinander abgestimmten Weise auszufiihren und ohne Verwechslung zwischen dem, was dem Weiheamt eigen ist, und dem, was zum universalen Priestertum der Getauften gehört. „Jeder stellt sich in seiner Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit mit seinem Sein und seinem Tun in den Dienst des Wachstums der ,communio‘ der Kirche. Zugleich nimmt er den gemeinsamen Reichtum der gesamten Kirche auf, um ihn sich zu eigen zu machen“ (Christifideles laici, Nr. 28). In dieser Perspektive von Reichtum und Verschiedenheit, die in den Dienst aller gestellt werden sollen, sind die Priester aufgefordert, „die Würde der Laien und die bestimmte Funktion, die den Laien für die Sendung der Kirche zukommt, wahrhaft anzuerkennen und zu fordern“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 9). In den kirchlichen Ämtern, die ihnen aufgrund ihrer Taufe und Firmung anvertraut werden können, oder in den Zusammenschlüssen von Laien, an denen sie sich beteiligen unter Berücksichtigung der Kriterien der Kirchlichkeit, auf die ich schon an anderer Stelle hingewiesen habe (vgl. Christifideles laici, Nr. 30), wissen die Laien, daß sie nicht an die Stelle des Priesters oder Diakons treten, sondern daß. sie an einem gemeinsamen Werk mitarbeiten, nämlich am Aufbau, des Leibes Christi, der Kirche, an der „Evangelisierung und Heiligung der Menschen“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 20). 5. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen diözesanen Diensten konnte die christliche Erwachsenenbildung ausgebaut werden. Ich freue mich über die Bemühungen auf diesem Gebiet. Ich bin sicher, daß sich schon Auswirkungen davon in Ihrer Ortskirche bemerkbar machen, besonders bei der Qualität der Liturgie und bei der Mitarbeit der Gläubigen an verschiedenen kirchlichen Aufgaben. Ich ermutige die Laien, die aktive Teilnahme in der Pfarrgemeinde, der sie angehören, fortzuführen: Denn gerade in der Pfarrei kommt ein berechtigter 864 AD-LIMNA-BESUCHE Pluralismus der Feinfühligkeiten und Aktionsweisen zum Ausdruck und kann nutzbringende Zusammenarbeit verwirklicht werden. In der Kirche sind uns Brüder und Schwestern geschenkt, damit alles zum Wohl des ganzen Leibes beitrage. Auch um sich den sittlichen Fragen unserer Zeit stellen und die zeitliche Ordnung erneuern zu können, haben die Laien es nötig, ständig die Botschaft des Evangeliums zu vertiefen. Sie werden so besser gerüstet sein, um Verpflichtungen und Verantwortungen im Dienst an ihren Brüdern und Schwestern im Rahmen der zivilen Gesellschaft zu übernehmen, denn diese Gesellschaft, wird auf der Gmndlage der objektiven Normen der Sittlichkeit aufgebaut (vgl. Gaudium et spes, Nr. 16). In der modernen Welt, die vom Materialismus und der Macht des Geldes geprägt ist, ist die Unterweisung in der Soziallehre der Kirche besonders nutzbringend, um daran zu erinnern, daß der Mensch der Mittelpunkt des Lebens der Gesellschaft ist und daß die Entwicklung von Solidarität und eines geschwisterlichen Lebens ein wacheres Bewußtsein für die Ungleichheit zwischen den Menschen sowie „eine allgemeine Umstellung der Gesinnung und der Verhaltensweise“ (Gaudium et spes, Nr. 63) voraussetzt. Unter diesem Gesichtspunkt spielt Ihre Erzdiözese auch auf der großen europäischen Ebene eine besondere Rolle. Ich begrüße die bedeutenden Anstrengungen auf karitativem Gebiet, die -in den letzten Jahren durch Ihre Diözesanangehörigen ermöglicht wurden, die ich ermutige, den Weg weiter zu gehen und ihre Unterstützung für die Menschen und Völker zu intensivieren, die ihrer Fähigkeiten und ihrer Hilfe bedürfen. Sie werden so greifbar den Sinn der Katholizität zum Ausdruck bringen: Offenheit für die Universalität nach dem von den ersten Christengemeinden gegebenen Beispiel (vgl. Rom 16,25-27). 6. Meinen herzlichen Dank möchte ich den Instituten geweihten Lebens aussprechen, deren Apostolat sehr hoch geschätzt wird. Insbesondere ist es angebracht, die Bedeutung ihrer Präsenz im Schulwesen zu unterstreichen, wo zahlreiche Jugendliche sich ihrer Berufung bewußt werden können, sowie im Gesundheitswesen. Die Einrichtungen zur Bildung der Jugend sollen die volle Aufmerksamkeit der christlichen Gemeinschaften erhalten und zahlreiche Erwachsene - Eltern, Lehrer, Erzieher, Priester und Ordensleute - für sich mobilisieren. Die Jugendlichen benötigen eine angemessene sittliche und geistliche Ausbildung; sie wollen begleitet werden bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit, der Vorbereitung ihrer Zukunft und der Verwirklichung ihrer speziellen Berufung, sei es in der Ehe, im Priestertum oder im geweihten Leben. In diesem Zusammenhang freue ich mich über die neue Vitalität der Jugendbewegungen, über die Sie mich unterrichtet haben. Diese Bewegungen haben im Apostolat für die Jugend Ihres Landes eine wesentliche Rolle zu spielen. 7. Durch Sie richte ich meinen liebevollen Gruß auch an die melkitische und die ukrainische katholische Gemeinschaft Ihrer Erzdiözese. Überbringen Sie bitte den Priestern, Diakonen, Ordensmännem, Ordensfrauen und der Gesamtheit der Gläubigen, die alle gerufen sind, in Gemeinschaft mit Ihnen an der Sendung der Kirche 865 AD-LIMNA-BESUCHE mitzuarbeiten, meine herzliche Ermutigung. Auf Ihre Person und Ihre Diözesange-meinschaft rufe ich die mütterliche Fürsprache Unserer Lieben Frau von Luxemburg, Trösterin der Betrübten, und die des hl. Willibrord herab und erteile Ihnen von ganzem Herzen den apostolischen Segen. Förderung des Glaubenslebens in der jungen Hierarchie Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Namibia am 14. Juni Liebe Brüder in Christus! 1. In der Liebe des Erlösers grüße ich von ganzem Herzen die Kirche Gottes in Namibia und heiße euch, die Hirten der Erzdiözese Windhoek, der Diözese Keet-manshoop und des Apostolischen Vikariats Rundu, herzlichst willkommen. Erstmalig kommt ihr heute als Bischofskonferenz zu eurem Ad-limina-Besuch nach Rom, um die Gräber der heiligen Märtyrer Petrus und Paulus zu ehren, deren Blut den einzigartigen Dienst dieser „größten und ältesten und allbekannten Kirche“ (Irenäus, Advers. Her. III, 3,2; BKV, Kempten/München 1912, S. 211) besiegelt hat, um Petrus in der Person seines Nachfolgers kennenzulemen (vgl. Gal 1,18) und Rechenschaft über eure Verwaltung abzulegen (vgl. Lk 16,2). Gemeinsam freuen wir uns über die reiche Ernte, die die gute Saat des Evangeliums in eurem so vielversprechenden Land voll jugendlicher Vitalität hervorgebracht hat. Die 1994 erfolgte Einsetzung der Hierarchie, die 1996 aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zwischen Namibia und dem Hl. Stuhl und die noch nicht weit zurückliegende Gründung der Bischofskonferenz von Namibia sind positive Zeichen, die uns zeigen, daß der Herr sein in euch begonnenes gutes Werk auch vollenden wird (vgl. Phil 1,6). Als Hirten der Kirche seid ihr die Hüter und Erbauer der kirchlichen Gemeinschaft, die zutiefst auf der Teilhabe der Gläubigen am innigen Leben der Dreifaltigkeit begründet ist. Ein tiefes Bewußtsein dieser kirchlichen Gemeinschaft wird euch ermöglichen, euer Hirtenamt im Geist liebevoller Zusammenarbeit mit Priestern, Ordensleuten und Laien zu verwalten. Als weise Hirten ist es eure Pflicht, die verschiedenen Gaben und Charismen, Berufungen und Verantwortungen zu fördern, die der Geist den Gliedern des Leibes Christi anvertraut. Gleichzeitig müßt ihr vom Gebet geleitet und klug die Echtheit dieses Geisteswirkens beurteilen (vgl. Christifideles laici, Nr. 24) und für die affektive und effektive Gemeinschaft und Zusammenarbeit aller sorgen. Euer Dienst zielt darauf hin, das Volk Gottes in einer brüderlichen Gemeinschaft zu vereinigen, liebe erfüllt und fest verankert in ihrem einzigartigen Fundament, der lebendigen Gegenwart Jesu Christi, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). 2. In dieser Hinsicht ist es besonders wichtig, unter allen Katholiken in Namibia ein starkes Verantwortungsbewußtsein aller für die Sendung und das Apostolat der 866 AD-LIMNA-BESUCHE Kirche zu fordern. Seid stets bereit, euren Priestern und eurem Volk zuzuhören, euren weisen Rat zu geben und im Hinblick auf die Laien sie in der ihnen eigenen Berufung zu unterstützen, damit sie „in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes suchen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Ich bin sicher, daß ihr für das Wohl der Kirche keine Mühe scheuen werdet, um „an eigens dazu bestimmten Zentren oder Schulen für bibelkundliche und pasto-rale Ausbildung“, wo „die solide Ausbildung in kirchlicher Soziallehre“ angemessene Beachtung findet (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 90), eine reife und verantwortungsbewußte Laienschaft vorzubereiten. Ermutigt die Christgläubigen zu dem Zeugnis, das sie für die Aufrichtigkeit im staatlichen Verwaltungswesen, die Achtung des Rechtsstaats, die Solidarität mit den Armen, die Förderung der gleichen Würde der Frau und die Verteidigung des menschlichen Lebens, von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, ablegen wollen. 3. Ihr baut die Gemeinschaft eurer Teilkirchen vor allem mit Hilfe deijenigen auf, die der hl. Paulus „Mitarbeiter Gottes“ (vgl. 1 Kor 3,9; vgl. 1 Thess 3,2) nennt, die Priester, mit denen euch die auf der Gnade der heiligen Weihe begründeten brüderlichen und apostolischen Bande vereinen. Obwohl sie zahlenmäßig nicht ausreichen, um all euren Anforderungen gerecht zu werden, dienen sie mit hochherzigem Eifer dem Werk Gottes und bemühen sich aufrichtig, transparentes Abbild des Hohenpriesters Christus zu sein (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 12). Fidei-Do-num-Priester machen weiterhin „in einzigartiger Weise das Band der Einheit zwischen den Kirchen offenbar“ (Redemptoris missio, Nr. 68), und ich bete, daß ihr Einsatz in Namibia in verstärktem Maße fortgesetzt wird. Zahlreicher vertreten sind Ordenspriester, deren Präsenz eine große Bereicherung ist. Die geistlichen und apostolischen Traditionen ihrer Institute sind ein unschätzbarer Beitrag für das kirchliche Leben eures Landes. In treuer Übereinstimmung mit ihren Gründungscharismen zeigen gottgeweihte Männer und Frauen ihre wahre Liebe für die Kirche, indem sie „im Bereich der Evangelisierung, der Katechese und des Lebens der Pfarrgemeinden in voller Gemeinschaft mit dem Bischof tätig sind“ (Vita consecrata, Nr. 49). Die unzulängliche Zahl von Priestern und Ordensleuten, was auch bedeutet, daß viele Gemeinschaften auf die regelmäßige Feier der Sonntagsmesse und anderer Sakramente verzichten müssen, sollte Familien, Pfarrgemeinden und Institute des geweihten Lebens veranlassen, inständig zum Herrn der Ernte (vgl. Mt 9,38) zu beten und ihn um die Zunahme von Berufungen zu bitten. Es ist ein klares Zeichen wachsender kirchlicher Reife, daß die Erzdiözese Wind-hoek mit dem Aufbau eines Priesterseminars begonnen hat. Ich bete mit der Kirche in Namibia, damit ihr bald auf eine größere Anzahl von Priestern zählen könnt, die als treue Diener Christus, dem Haupt, Hirten und Bräutigam der Kirche, nacheifem, um stets wirksamere Träger der Evangelisierung zu sein. Ebenso schließe ich mich euch an, wenn ihr den Herrn der Ernte um zahlreiche Ordensmänner und Ordensfrauen für den Dienst an den Brüdern bittet. 867 AD-LIMNA-BESUCHE 4. Ich weiß, daß ihr euch um die Förderung fruchtbarer ökumenischer Zusammenarbeit bemüht, und in dieser neuen Phase im Leben eures Landes bestärke ich euch, aufmerksam auf die Stimme des Geistes zu hören (vgl. Offb 2,7), der neue ökumenische Initiativen wachruft. Das gemeinsame Bemühen der Christen Namibias, Versöhnung zustandezubringen und starke familiäre Werte sowie gesunde ethische Grundsätze zu fördern, ist eine kraftvolle Form der Verkündigung, die das Wesen Christi in eurer Nation offenbart (vgl. Mt 25,40). Es hat „den transparenten Wert eines Zeugnisses, das gemeinsam im Namen des Herrn abgelegt wird“ (Ut unum sint, Nr. 75). Ich lade euch ein, euch der gesamten Kirche anzuschließen in der Vorbereitung auf den Übergang in das dritte christliche Jahrtausend. Ich fordere euch auf, „inständig zum Herrn zu beten, um die bei der Vorbereitung und Feier des nunmehr bevorstehenden Jubeljahres nötige Erleuchtung und Hilfe zu empfangen ... [Der Geist] wird es nicht unterlassen, die Herzen zu rühren, damit sie sich anschicken, das große Jubiläumsereignis mit erneuertem Glauben und offenherziger Beteiligung zu feiern“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 59). Ich danke euch für eure unermüdlichen Bemühungen im Namen des Evangeliums und bete, daß Gott euch und alle Priester, Ordensleute, Katecheten, Familien und Jugendliche wie auch alle Laien eurer Teilkirchen in Glaube, Hoffnung und Liebe (vgl. Lk 22,32) stärke. Ich vertraue euch Maria, der Mutter des Erlösers, an und bete, daß durch ihre Fürsprache der Heilige Geist „die Gnade Gottes wieder entfache, die euch zuteil geworden ist“ (vgl. 2 Tim 1,6) und euch mit Freude und Frieden erfülle. Mit meinem Apostolischen Segen. Auch in tragischen Situationen ein Zeugnis von Freundschaft und Toleranz Vorleben/ Ansprache anläßlich des Ad-limina-Besuchs der Regionalen Bischofskonferenz von Nordaffika (CERNA - Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen) am 30. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude nehme ich euch, die Hirten der Kirche Christi im nördlichen Teil Afrikas, in diesem Hause auf. Ihr seid hierher zu den Gräbern der Apostel gepilgert, um eure Hoffnung und eure apostolische Tatkraft zu stärken, damit ihr euer bischöfliches Amt inmitten der Völker eurer Gegend immer intensiver lebt. Ich danke Msgr. Teissier, dem Erzbischof von Algier und Präsidenten eurer Bischofskonferenz, für seine überzeugenden Worte, die die Nöte und Dramen eurer Bevölkerungen, aber auch die Freuden und Lichtblicke, die das Werk Gottes zum Ausdruck bringen, herausgestellt haben. Wenn ich euch heute empfange, gedenke ich zuallererst Herrn Kardinal Duval, der viele Jahre lang Vorsitzender eurer Bischofskonferenz gewesen ist und dessen bischöfliche Tätigkeit das Leben 868 AD-LIMINA-BESUCHE der Kirche in Nordafrika so stark geprägt hat. Als Nachfolger Petri möchte ich euch heute in eurem seelsorgerischen Dienst bestärken und euch bitten, meinen herzlichen Gruß auch den Gläubigen in jeder eurer Diözesen und durch sie allen Einwohnern der Maghreb-Länder auszurichten. 2. Eure Anwesenheit in Rom gibt mir die Gelegenheit, meinen Blick auf jede eurer Gemeinschaften zu richten. Vor ein paar Monaten hatte die Kirche in Libyen die Freude, einen neuen Hirten bei sich aufzunehmen, und zwar im Apostolischen Vikariat Benghazi. Ich freue mich, ihn heute zum empfangen und ihm einen fruchtbaren Bischofsdienst wünschen zu können. Außerdem hoffe ich, daß den Schwierigkeiten des libyschen Volkes, vemrsacht durch das Embargo, das dem Land seit mehreren Jahren auferlegt ist, so bald wie möglich eine Ende gesetzt wird. Gerne erinnere ich mich an meine letztjährige Reise nach Tunis und an die herzliche Aufnahme, die mir dort von seiten der katholischen Gläubigen und des tunesischen Volkes bereitet wurde. Im Laufe dieses denkwürdigen Tages auf den Spuren der Heiligen, welche die Geschichte des Landes markiert haben, konnte ich euch, die Bischöfe des Maghreb, zum ersten Mal alle zusammen in eurer eigenen Gegend treffen. Die katholische Gemeinschaft Marokkos bleibt in meiner Erinnerung gegenwärtig seit dem freudigen Tag meiner Begegnung mit ihr und mit den marokkanischen Jugendlichen in Casablanca, die den Beziehungen und dem Dialog zwischen Christen und Moslems neuen Schwung gegeben hat. Ich wünsche dieser Gemeinschaft, daß sie ihr Zeugnis der Brüderlichkeit im Geiste des Evangeliums inmitten der Einwohner dieses Landes mit großem Eifer fortsetzen möge. Mit besonderer Herzlichkeit möchte ich die Katholiken Algeriens grüßen und ihnen Mut zusprechen. Ihr kenne ihr Leid und das des algerischen Volkes im allgemeinen. Ich bin ihnen dafür dankbar, daß sie im Namen Christi mutig die Prüfungen dieser Nation teilen, die so tragisch in ihrem Leib und ihrer Seele verletzt worden ist. In den letzten Jahren haben neunzehn Ordensmänner und Ordensfrauen ihr Blut vergossen und sind den Weg der Selbsthingabe für ihre Brüder bis zum bitteren Ende gegangen. Unter ihnen möchte ich vor allem Msgr. Pierre Cla-verie, den Bischof von Oran, sowie die sieben Trappistenmönche von Unserer Lieben Frau vom Atlas erwähnen. Während auch weiterhin eine für jedes menschliche Gewissen inakzeptable Gewalt entfesselt wird, bitte ich Gott, der algerischen Erde endlich Frieden zu schenken und jeden Menschen auf den Weg der Achtung vor jedem Menschenleben zu führen im Hinblick auf eine wahrhafte Wiederversöhnung und auf die Gesundung der vielfältigen Verletzungen, die den Herzen einer großen Zahl von Personen zugefügt worden sind. Ich habe meinerseits oft an die Menschen guten Willens appelliert, sie mögen an der Wiedererrichtung des Friedens in Algerien mitarbeiten. Ich kenne den schmerzhaften Leidensweg, den dieses Land zu ertragen hat, und ich bin all denen nahe, die den Tod ihrer Angehörigen und Freunde beweinen. Ich möchte euch noch einmal versichern, daß der 869 AD-LIMINA -BESUCHE Hl. Stuhl keine Mühe scheuen wird, um zum Wiederaufbau des Friedens in Algerien beizutragen. 3. Die Kirche eurer Gegend bringt das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, und speziell das Geheimnis von Nazaret, auf ganz besondere Weise zum Ausdruck. In der Tat macht sie die diskrete und zugleich sehr lebhafte Gegenwart Christi offenbar, die sowohl die Einzelpersonen als auch die verschiedenen menschlichen und religiösen Gemeinschaften achtet, um allen die Fülle der Liebe des himmlischen Vaters mitzuteilen. Die Berufung eurer Gemeinschaften ist auch eine Berufung zur Hoffnung, die auf Christus gründet. Als kleine Herde, die im Sozialleben keine andere Macht und Anspruch hat als die der Liebe, werdet ihr dazu geführt, eure Zuversicht ganz auf Gott zu setzen, in der Sicherheit, daß er euch auf den Wegen der Begegnung mit euren Brüdern leitet. Die hl. Therese vom Kinde Jesus und vom heiligen Antlitz, deren hundertsten Geburtstag wir dieses Jahr feiern und die ich vor ein paar Tagen zur Kirchenlehrerin erklärt habe, hat geschrieben: „Seitdem ich verstanden habe, daß es mir unmöglich ist, irgend etwas durch mich selbst zu tun, ... habe ich gespürt, daß ich mich bloß immer mehr mit Jesus vereinen muß, und der ganze Rest würde mir dann dazugegeben. In der Tat ist meine Hoffnung noch nie enttäuscht worden“ (vgl. Manuskript C, 22 V.). Der Herr helfe euch, im Glauben und in der Hoffnung zu beharren, auch wenn die Ergebnisse eurer Werke auf sich warten lassen! Liebe Brüder im Bischofsamt! Ihr habt die schwere Aufgabe, das euch anvertraute Volk auf seinem Weg zum Reich Gottes und bei seinem Zeugnis inmitten der Menschen zu unterstützen. Ihr sollt innerhalb eurer Bischofskonferenz ein einziges Herz bilden, damit ihr die Einheit eurer Gemeinschaft - unter Anerkennung der gerechtfertigten Unterschiede - immer weiter stärken könnt! Seid aufmerksame Leiter, die jedem zuhören und ihn in seinem Leben als Christ bestärken, damit er im Glauben und in der Liebe wachsen kann. 4. Die Priester spielen in der Sendung der Kirche eine besondere Rolle. Als Männer der Gemeinschaft im Christenvolk stehen sie im Dienst der Existenz und des Wachstums dieses Volkes, indem sie das Wort Gottes verkünden und die Sakramente der Kirche spenden. Ich lade sie ein, der Eucharistie in ihrem eigenen Dasein einen besonderen Platz einzuräumen und sie in den Mittelpunkt ihres Amtes zu stellen, um darin immer tiefer das Ereignis zu entdecken, in dem Christus, der zur Begegnung mit der Menschheit gekommen ist, sich selbst ganz hingibt zum Heil der Welt. Der Priester ist auch dazu berufen, „zu allen Menschen Beziehungen der Brüderlichkeit, des Dienstes, der gemeinsamen Wahrheitssuche, der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden zu knüpfen“ (Pastores dabo vobis, Nr. 18). Großherzig und mutig legen die Priester in eurer Gegend - durch ihre rücksichtsvolle Präsenz gegenüber jedem - bei ihren Brüdern und Schwestern, oft bei den ärmsten unter ihnen, Zeugnis ab für die Universalität und Unentgeltlichkeit der Liebe Gottes. Ich ermutige sie, ihr Zeugnis zu festigen, indem sie zuversichtlich den Weg der Hei- 870 AD-LIMINA-BESUCHE ligkeit gehen. Sie sollen sicher sein, daß die Glaubwürdigkeit des Lebens, das von Gott kommt, ihren Ausdruck vor allem in der Qualität ihres geistlichen Daseins findet, die auf ihrer Aufgeschlossenheit für das Wirken des Heiligen Geistes in ihnen gründet. 5. Ganz besonders möchte ich die im Maghreb lebenden Ordensmänner und Ordensfrauen grüßen, die das Leben der Kirche durch ihre Charismen bereichern. Die Kirche ist ihnen für das Zeugnis dankbar, das sie bei ihren Brüdern und Schwestern für das Evangelium ablegen. In euren örtlichen Gegebenheiten, wo die Mitglieder der Institute geweihten Lebens oft einen wichtigen Kern ständiger Anwesenheit innerhalb eurer Gemeinschaften bilden, ist es notwendig, daß ein vertrauensvoller Dialog zwischen den Bischöfen und den Verantwortlichen dieser Institute zustande kommt, der es ermöglicht, die Bedürfnisse des seelsorgerischen Lebens, die mit der Anwesenheit ihrer Mitglieder Zusammenhängen, gemeinsam zu untersuchen. Ich wünsche von Herzen, daß die Oberen und Oberinnen der verschiedenen Kongregationen ihre Solidarität mit euren Ortskirchen großzügig unter Beweis stellen, vor allem indem sie Berufungen zum kirchlichen Zeugnis in eurer Gegend anregen. Die Entwicklungen der Lebensumstände des Menschen erfordern von den geweihten Personen einen starken Geist des Glaubens, um sich den neuen Umständen und den verschiedenen Bedürfnissen, die im Laufe der Zeit auftreten, anpassen zu können. Ich ermutige sie, ihrem Charisma treu zu bleiben und zugleich ihre Kreativität mutig zu entfalten. Die Welt braucht vor allen Dingen wahrhafte Zeugen der Liebe Gottes. Allen Ordensleuten möchte ich noch einmal eindringlich wiederholen: „Lebt ganz eure Hingabe an Gott, um es in dieser Welt an keinem Strahl der göttlichen Schönheit fehlen zu lassen, der den Weg des menschlichen Daseins erhellt“ (Vita consecrata, Nr. 109). 6. Die Rolle der gläubigen Laien, von denen einige ganz eng mit dem Schicksal des Volkes eures Landes verbunden sind, hat eine große Bedeutung wenn es darum geht, die tiefste Wirklichkeit der Kirche zum Ausdruck zu bringen. In der Tat: „Mehr noch als auf der Ebene des Wirkens sind die Christen schon auf der Ebene des Seins Reben des einzigen fruchtbaren Weinstocks, der Christus ist. Sie sind lebendige Glieder des einen Leibes des Herrn, der sich in der Kraft des Heiligen Geistes aufbaut“ (Christifideles laici, Nr. 55). Zusammen mit den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen bilden die Laien jene „Kirche als Familie“, die die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika hat unterstützen wollen. Ich fordere sie auf, immer aktiver am Leben und Zeugnis ihrer Gemeinden teilzunehmen, um eine Ortskirche mit großer Ausstrahlung aufzubauen, die allen gegenüber aufnahmebereit ist. Anläßlich des Weltjugendtages in Paris habe ich mich über die Anwesenheit von Jugendlichen aus eurer Gegend - vor allem Studenten - sehr gefreut. Sie nehmen in euren Gemeinden eine wichtige Stellung ein; sie legen darüber hinaus bei ihren Brüdern und Schwestern an den Universitäten und Schulen, oft auch unter widri- 871 AD-LIMNA-BESUCHE gen Umständen, ein hervorragendes Zeugnis ab für ein Leben nach dem Evangelium. Durch euch möchte ich ihnen erneut sagen: „Hört nicht auf, die Herrlichkeit Gottes, die Liebe Gottes zu betrachten; und ihr werdet erleuchtet werden, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen und dem Menschen zu helfen, die von der ewigen Weisheit und Liebe umgestaltete Welt zu sehen“ {Predigt in Longchamp, Nr. 6). Liebe Brüder im Bischofsamt! Erlaubt mir, euch zu bitten, einen herzlichen Gruß des Papstes auch den Jüngern des Evangeliums zu übermitteln, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden oder die harte Prüfungen durchmachen. Ich kenne ihren Mut und ihre Treue zu Christus und seiner Kirche. Sie sollen ihr ganzes Vertrauen in den Herrn legen, denn er verläßt sie nicht! 7. Im Laufe der synodalen Versammlungen, die in mehreren eurer Diözesen organisiert worden sind, haben die Gläubigen öfters den Wunsch nach einer soliden Ausbildung in der Spiritualität und im Lehramt der Kirche geäußert. Der Katechismus der Katholischen Kirche ist inzwischen zu einem gemeinsamen Bezugspunkt geworden, der besser bekannt gemacht werden sollte. Es ist wünschenswert, daß die Vertiefung des Glaubens zur Einheit des Lebens jedes Menschen beiträgt, um „ständig zu wachsen in der Intimität mit Jesus Christus, im Einvernehmen mit dem Willen des Vaters, in der Hingabe an die Brüder in der Liebe und der Gerechtigkeit“ (Christißdeles laici, Nr. 60). Eine bevorzugte Stellung muß man auch der Kenntnis der kulturellen Aspekte des Volkes einräumen, in dessen Mitte die Christen zu leben berufen sind, damit sie eine Haltung des Zuhörens und des Dialogs einnehmen und umso besser in der Lage sind, das Evangelium zu bezeugen angesichts der neuen Fragen und Probleme, die sich dem Menschen und der Gesellschaft von heute stellen. 8. Der Dienst an den Ärmsten ist ein prophetisches Zeichen für den Einsatz der Christen in der Nachfolge Jesu. Ich kenne und schätze die in euren Diözesen geleistete Arbeit, um die Unentgeltlichkeit der Liebe Gottes zu allen Menschen zu offenbaren. Erst kürzlich hatte ich bei der Seligsprechung von Friedrich Ozanam Gelegenheit, darauf hinzuweisen: „Der Nächste, das ist jeder Mensch, ohne Ausnahme. Es ist überflüssig, nach seiner Staatsangehörigkeit, nach seiner sozialen Schicht oder religiösen Zugehörigkeit zu fragen. Wenn er in Not ist, muß man ihm zu Hilfe kommen. Das fordert das erste und wichtigste göttliche Gesetz, das Gesetz der Gottesliebe und der Nächstenliebe“ {Predigt in Paris am 22. Oktober 1997, Nr. 1). Durch verschiedene diözesane Hilfsorganisationen, wie zum Beispiel der Caritas, oft in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und auch durch persönliche Beteiligung, tragt ihr nicht nur dazu bei, den Bedürftigen die lebensnotwendigen Ressourcen zu verschaffen, sondern ihr helft ihnen vor allem, ihre Würde als nach dem Abbild Gottes geschaffene Männer und Frauen wiederzufinden. Eure Tätigkeit im Bereich der Gesundheit, der Erziehung und der persönlichen Entfaltung der Menschen, die sich oft auf neue Situationen einstellen muß, ist und bleibt ein bevorzugtes Mittel, um die Liebe Christi zu offenbaren, und sie 872 AD-LIMNA-BESUCHE wird darüber hinaus zur Gelegenheit der Begegnung und des Teilens, wo die Herzen sich im gegenseitigen Vertrauen öffnen können. 9. Bei den Gläubigen des Islam stellen eure Gemeinschaften ein Zeichen der Wertschätzung dar, die die katholische Kirche ihnen entgegenbringt, und des Wunsches, die Suche nach einem Dialog in Wahrheit und gegenseitiger Achtung mit ihnen weiterzuführen. In einer Epoche, die leider allzuoft von Gefühlen des Mißtrauens und sogar der Feindseligkeit gestört wird, legen eure Gemeinden ein selbstloses Zeugnis der Freundschaft und des friedlichen Zusammenlebens ab, das in manchen tragischen Situationen, die einige von ihnen erleben mußten, sich sogar als heldenhaft erwiesen hat. Mit Freude stellen wir fest, daß die Verwicklung in dieselben Prüfungen einen neuen Ausblick des gegenseitigen Vertrauens und Verständnisses fördert. Ihr sollt auch weiterhin - trotz aller Schwierigkeiten - die Überzeugung hegen, daß der Dialog „ein Weg zum Reich Gottes ist und sicherlich Frucht bringen wird, auch wenn Zeiten und Fristen dem Vater Vorbehalten sind“ (.Redemptoris missio, Nr. 57). 10. Liebe Brüder im Bischofsamt! Wir bereiten uns auf das Große Jubeljahr 2000 vor; das kommende Jahr wird dem Heiligen Geist und der Wiederentdeckung seiner Gegenwart und seines Wirkens in der Kirche und in der Welt gewidmet sein. Für die Katholiken wird dies eine Gelegenheit zur Erneuerung ihrer Hoffnung sein, jener wesentlichen Tugend, die „einerseits den Christen dazu anspomt, das Endziel, das seinem ganzen Dasein Sinn und Wert gibt, nicht aus dem Auge zu verlieren, und ihm andererseits solide und tiefgehende Beweggründe bietet für den täglichen Einsatz bei der Umgestaltung der Wirklichkeit, die dem Plan Gottes entsprechen soll“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Im Hinblick auf die besonderen, manchmal sehr dramatischen Bedingungen, in denen ihr lebt, lade ich euch also ein, nach den Zeichen der Hoffnung, die uns das Werk des Heiligen Geistes im Herzen der Menschen offenbaren, zu suchen und sie auszuschöpfen. Ich bitte die Mutter Gottes, die selige Jungfrau, die sich ihr ganzes Leben lang vom Heiligen Geist leiten ließ, euer Schutz zu sein und euch auf den Wegen des Vertrauens und des Friedens zur Begegnung mit ihrem göttlichen Sohn zu fuhren. Von ganzem Herzen erteile ich jedem von euch, euren Priestern und Diakonen, den Ordensmännem und Ordensfrauen sowie allen gläubigen Laien eurer Diözesen den Apostolischen Segen. 873 AD-LIMNA-BESUCHE Evangelium vom Leben -positive Sicht menschlicher Existenz Ansprache beim Ad-limina-Besuch der dritten Gruppe philippinischer Bischöfe am 11. Februar Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In der Liebe unseres Erlösers Jesus Christus heiße ich euch als dritte Gruppe philippinischer Bischöfe in dieser Folge der Ad-limina-Besuche eurer Bischofskonferenz willkommen. Ich nehme die Anwesenheit von Kardinal Sin zum Anlaß, mich noch einmal mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit der außerordentlichen Ereignisse vom Januar 1995 zu erinnern. Die großartige Antwort so vieler junger Menschen auf dem Weltjugendtag und die Freude über die Vierhundert-Jahr-Feier der Erzdiözese Manila und der damaligen Suffraganbistümer Cebu, Caceres und Nueva Segovia stellen einen erhabenen Augenblick meines eigenen Pilgeramtes dar. Jene wunderbaren Tage in Manila bestätigten mich in meinen Hoffnungen, daß sich das Licht des Evangeliums im nächsten Jahrtausend auf dem asiatischen Kontinent ausbreiten werde. Durch die Fürsprache der Apostel Petrus und Paulus, deren Zeugnis diesen Römischen Stuhl heiligte, bete ich darum, daß die katholische Gemeinde der Philippinen sich stets voll der „missionarischen Berufung“ bewußt sein werde, die der Herr euch erteilt hat und auf die euch der Heilige Geist seit der Erstevangelisierung eurer Inseln vorbereitet. Diese Berufung verleiht euch eine große Verantwortung und eine besondere Würde. Sie stellt praktische Anforderungen an euer eigenes Bischofsamt, wozu auch eine großzügige Anwendung der Bestimmungen jener Richtlinien gehört, welche die Kleruskongregation für die Zusammenarbeit zwischen den Ortskirchen und für eine bessere Verteilung des Klerus in der Welt herausgegeben hat (vgl. Postquam Apostoli, 25. März 1980: AAS 72[1980]343-364; Redemptoris missio, Nr. 64). 2. Wie ich bereits bei meinen anderen Begegnungen mit den Mitgliedern eurer Bischofskonferenz erwähnte, steht die Kirche auf den Philippinen vor wirklich enormen Herausforderungen. Sie rufen euch zu absolutem Vertrauen zum Herrn auf und verlangen eine systematische Katechese auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens. Unter der Anleitung eurer „gesunden Lehre“ (vgl. 2 Tim 4,3) müssen philippinische Katholiken imstande sein, das „Wort des Glaubens“ (Röm 10,8) auf die realen Lebenssituationen anzuwenden, in denen sie die allgemeine Berufung zur Heiligkeit leben. In dem Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae drängte ich die Bischöfe, in ihren Diözesen „eine echte und tiefe Liebe zur Katechese zu wecken und zu pflegen, eine Liebe, die in einer angemessenen und wirksamen Organisation konkrete Gestalt annimmt und Menschen, Mittel und Werkzeuge, na- 874 AD-LIMNA-BESUCHE türlich auch das notwendige Geld, zur Verfügung stellt“ (Nr. 63). Ich erneuere diesen Aufruf insbesondere im Hinblick auf zwei entscheidende und eng miteinander zusammenhängende Bereiche des pastoralen Lebens: die Familie und die Förderung sozialer Gerechtigkeit. 3. Der Schutz und die Förderung der Familie, Herzstück jeder Gesellschaft, ist in der Tat eine vorrangige Aufgabe gegenüber allen jenen, die sich engagiert für soziales Wohl und Gerechtigkeit einsetzen. Mein ganzes Pontifikat hindurch war ich darum bemüht darzulegen, daß „durch die Familie der Hauptstrom der Zivilisation der Liebe hindurchgeht, der in ihr ihre sozialen Grundlagen sucht“ {Brief an die Familien, Nr. 15). An erster Stelle fällt es euch Bischöfen zu, das Gewissen der Gläubigen im Einklang mit den Lehren der Kirche so zu bilden, daß insbesondere die Laien auf wirksame Weise für die Einführung politischer Maßnahmen zur Stärkung des Familienlebens arbeiten. Eure Konferenz hat sich wiederholt zu diesem Thema geäußert und daran erinnert, daß eine angemessene Familienpolitik Grundlage und treibende Kraft jeder Sozialpolitik sein müsse. In diesem Sinne ist der Staat, der seiner Natur nach auf das Gemeinwohl hingeordnet ist, verpflichtet, die Familie durch Achtung ihrer natürlichen Struktur und ihrer unveräußerlichen Rechte zu schützen. Die gläubigen Laien sollen besonders durch Familienorganisationen und -verbände zur ständigen Förderung sozialer Einrichtungen, staatlicher Gesetze und nationaler Politik, die die Rechte und Verantwortung der Familie unterstützen, ermutigt werden (vgl. Familiaris consortio, Nr. 44). Der Wirtschaft fällt gleichfalls eine wichtige Rolle dabei zu, die Stärke der Familie zu sichern. Die wohl wichtigste Kritik der Bischöfe der Kirche bezüglich des herrschenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, das als Unterordnung nahezu sämtlicher Werte unter die Kräfte des Marktes verstanden wird, muß dem Umstand gelten, daß die familiengerechte Dimension des Arbeitsvertrages gewöhnlich unberücksichtigt bleibt. Ein solches System trifft nur geringe oder gar keine Vorkehrungen für familiengerechte Arbeitslöhne. Wie weit entfernt sind doch die meisten Gesellschaften von dem, was die Kirche dringend fordert: „Die gerechte Entlohnung für die Arbeit eines Erwachsenen, der Verantwortung für eine Familie trägt, muß dafür ausreichen, eine Familie zu gründen, angemessen zu unterhalten und ihre Zukunft zu sichern“ {Laborem exercens, Nr. 19)! Gesetzgeber, Leiter von Gewerbe- und Industriebetrieben, Arbeiterführer, Erzieher und die Mitarbeiter der Massenmedien, aber auch die Familien selber müssen alle dazu ermutigt werden, wieder eine familienorientierte Wirtschaft zu schaffen, die sich auf die Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität gründet. Echte soziale Gerechtigkeit geht über die Familie! Mit dieser Überzeugung werde ich auch bei der Feier des Internationalen Tages der Familie im kommenden Oktober in Rio de Janeiro zugegen sein. 4. Auf den Philippinen wie in vielen anderen Teilen der Welt ist die Familie gleichsam ein Fenster zu einer Gesellschaft, die unter den Spannungen des Übergangs von einer traditionelleren zu einer Lebensweise leidet, die von wachsendem 875 AD-L1M1NA-BESUCHE Individualismus und zunehmender Zersplitterung gekennzeichnet ist. Im Zuge dieses Überganges werden die sittlichen und religiösen Wahrheiten, die dem einzelnen und der Gesellschaft Halt und Richtung geben sollten, häufig vergessen oder abgelehnt, so daß gewisse Verhaltensweisen, die früher als ganz und gar unrecht galten, nun sowohl auf gesellschaftlicher wie auf gesetzlicher Ebene durchaus akzeptiert, ja sogar als „Rechte“ gefordert werden. Das wirksamste Gegenmittel werden hier die Anstrengungen kompetenter Pastoralarbeiter sein, die mit Ausdauer und Initiative durch Katechese, durch Gruppen zur Unterstützung von Familien und über die sozialen Kommunikationsmittel tätig sind. Wenn die wahre Bedeutung der menschlichen Sexualität von einer säkularisierten Gesinnung untergraben wird, muß die Kirche zunehmend Gottes weisen und liebevollen Plan bezüglich der ehelichen Liebe lehren und hochhalten. Wenn „das gesellschaftliche Leben Gefahr läuft, in einen vollkommenen Relativismus abzudriften“ (Evangelium vitae, Nr. 20), ist die moralische und geistliche Sorge für die Familie eine Herausforderung, die nicht übergangen werden darf: sie definiert praktisch die pastorale Sendung der Kirche. In dem Jahr, in dem man des hundertsten Geburtstages meines ehrwürdigen Vorgängers, Papst Pauls VI., gedenkt, möchte ich seine eindringliche Aufforderung an jeden Bischof wiederholen: „Arbeitet mit brennendem Eifer und unablässig für die Bewahrung und Heiligkeit der Ehe, damit sie immer mehr in ihrer ganzen menschlichen und christlichen Fülle gelebt werde. Betrachtet diese Sendung als eine der dringendsten Aufgaben, die euch die heutige Zeit ans Herz legt“ (Humanae vitae, Nr. 30). 5. Die pastoralen Anstrengungen richten sich an die Mehrheit der Glaubenden, die sich tagtäglich bemühen, den Forderungen ihrer christlichen Würde in Ehe und Familie zu entsprechen. Die heutige Tendenz, den Blick auf schwierige Fälle und Sondergruppen zu richten, sollte die Hirten der Kirche nicht davon ablenken, den Bedürfnissen und Nöten normaler Familien gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Sie erwarten von ihren geistlichen Führern den Halt der gesunden Lehre, die Gnade der Sakramente und das menschliche Einfühlungsvermögen, das sie bei der keineswegs leichten Sendung unterstützen wird, eine echte „Hauskirche“ zu sein, die erste Gemeinde, die evangelisiert wurde, auf daß sie ihrerseits der unmittelbarste Überbringer des Evangeliums an ihre Mitglieder sein kann. Jungen Paaren muß zum Verständnis verholfen werden, daß Ehe und Familie auf Verantwortungen beruhen, die frei vor Gott, vor dem Partner, vor den - bereits miteinbe-zogenen — Kindern, vor der Gesellschaft und vor der Kirche übernommen werden. Die zwischen denen, die „ein Fleisch“ (Gen 2,24) werden, geschlossenen Bande verlangen lebenslange Gemeinschaft und Treue. Glücklicherweise könnt ihr euch in euren Diözesen auf zahlreiche Gruppen und Verbände verlassen, die der Familie helfen, ihre Berufung als Liebesgemeinschaft, als Schule der Menschlichkeit und als Heiligtum des Lebens zu leben. Ebenso setzt sich die Kommission eurer Bischöfe für das Familienleben unermüdlich für die Lenkung und Koordinierung pastoraler Anstrengungen auf diesem Gebiet ein. 876 AD-LIMNA-BESUCHE Liebe Brüder, unsere prophetische Sendung als Verkünder der „Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2,14) verlangt, daß wir die Lehre der Kirche über die verantwortungsvolle Weitergabe menschlichen Lebens nachdrücklich und überzeugend verkünden. Das erfordert eine gemeinsame Anstrengung, um den Gläubigen zu einem klareren Verständnis dafür zu verhelfen, daß der Vollzug der Ehe an die Achtung für den eigentlichen Sinn und Zweck menschlicher Sexualität gebunden ist. Ich ermuntere euch herzlich, die bereits unternommenen Initiativen zur Verbesserung der Ehevorbereitung und zur Unterstützung der Vermittlung natürlicher Methoden zur Geburtenregelung weiterzuführen. Die kulturellen und religiösen Traditionen eures Volkes, das Leben und Freiheit in Ehren hält, sollten ihm helfen, sich Methoden, die gegen das Leben gerichtet sind, zu widersetzen: Abtreibung, Sterilisation und Empfängnisverhütung. Die Kirche verkündet das Evangelium vom Leben, eine ganz und gar positive Sicht der menschlichen Existenz, die zu dem Pessimismus und der Selbstsucht derer im Gegensatz steht, die sich gegen die strahlende Schönheit der menschlichen Sexualität und des menschlichen Leben verschwören (vgl. Zweite Plenarsynode der Philippinen - Seeon Plenary Council of the Philippines —, Conciliar Document, Nr. 585). 6. Eine tiefere Evangelisierung des Volkes Gottes erfordert, daß ihr über jede Situation und über jedes Vorkommnis, das das Wachstum des Reiches Christi, des Reiches der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens (vgl. Präfation vom Königtum Christi) behindert, das durchdringende Licht des Evangeliums verbreitet. Wir alle wissen um die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Verkündigung der sozialen Gerechtigkeit, ganz besonders, wenn die angesprochenen Fragen tief in althergebrachte Sozialstrukturen und kulturelle Sitten eingebettet sind. Die bevorzugte Option für die Armen wird oft falsch interpretiert und gibt dadurch manchmal Anlaß zu Spannungen zwischen der Kirche und gewissen Bereichen der Gesellschaft, die einen konstruktiven Dialog im Interesse des Gemeinwohls fordern. Ihr selbst erweist euch als Hirten nach dem Herzen des Herrn (vgl. Jer 3,15), wenn ihr euren Verstand, euer pastorales Geschick und eure Kreativität zur Förderung einer Auffassung vom Menschen - jedes einzelnen menschlichen Wesens - einsetzt, die voll und ganz der menschlichen Würde entspricht, wie sie von Christus geoffen-bart wurde. Eure Verpflichtung zur Soziallehre ist keine rein humanitäre Angelegenheit: Der Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit muß unablässig durch Gebet und Feier der Eucharistie genährt werden. Durch die Vereinigung mit Christus werden die Getauften aus Gnade für den Dienst der Liebe umgeformt; am Altar empfangen sie die Kraft, im Dienst der Gerechtigkeit auszuharren (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 48). Die Zweite Plenarsynode der Philippinen lenkte mit Recht die Aufmerksamkeit auf den engen Zusammenhang zwischen dem Leben des Glaubens und dem Tun der Gerechtigkeit: „Dem sozialen Apostolat muß ständig durch Katechese und organische Verbindung mit dem Gottesdienst solider religiöser Tief- 877 AD-LIMNA-BESUCHE gang zuteil werden“ (Decrees, Art. 20 § 3). Ich ermutige euch daher, weiterhin mit Weisheit und Mut die Gläubigen, ja die ganze Gesellschaft im Hinblick auf die moralischen und sittlichen Grundlagen eines gerechten und menschlichen Zusammenlebens zu leiten und zu erleuchten. 7. Liebe Brüder im Herrn: in dem Raum im Obergeschoß lud der Herr Jesus seine Jünger ein, seine Freunde zu sein, in liebender Gemeinschaft mit ihm zu bleiben (vgl. Joh 15,13-14), und er besiegelte diese innige Vertrautheit mit dem Geschenk der Eucharistie. Ihr feiert nun ein Eucharistisches Jahr, das ihr mit dem Fünften Nationalen Eucharistischen Kongreß zum Thema Eucharistie und Freiheit eröffnet habt. Derselbe Herr der Eucharistie begleitet euch, die Nachfolger der Apostel, in eurem täglichen Dienst. Während ich eurer täglichen Mühe um das Evangelium gedenke, erinnere ich euch an die Worte des hl. Ignatius von Antiochien: „Habt Nachsicht mit allen, wie der Herr Nachsicht mit euch hat. Habt Geduld, verbunden mit aller Liebe, wie ihr es ja tatsächlich tut. Seid unablässig zum Beten bereit; bittet für mehr Verständnis; seid aufmerksam, ohne euren Geist erlahmen zu lassen“ (Brief an Polykarp, 1:2). In diesem Geist schließe ich mich euch an, um unseren Bruder im Bischofsamt, Benjamin de Jesus, Apostolischer Vikar von Jolo, der ewigen Liebe unseres himmlischen Vaters zu empfehlen. Zusammen mit euch rufe ich den Frieden Gottes auf die gesamte Südregion eures Landes herab. Ich bete darum, daß - während sich die Kirche auf den Philippinen auf das Dritte Jahrtausend vorbereitet - die Fürsprache Mariens, Mutter des Erlösers, für euch und die Priester, für die Ordensleute und die gläubigen Laien einen Anteil an ihrem unbeirrbaren Glauben, ihrer beständigen Hoffnung und ihrer inbrünstigen Liebe erwerben möge. Dazu erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Die irdische Sendung Christi fortsetzen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der schottischen Bischöfe am 25. April Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Während die Kirche noch mit österlicher Freude „die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (1 Petr 1,3) feiert, begrüße ich euch, die Bischöfe Schottlands, in der Liebe unseres Herrn und Erlösers. „Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,4). Euer Ad-limina-Besuch ist die feierliche Bestätigung der tiefen, gnadenreichen Natur jener kollegialen Gemeinschaft, die uns im Dienst an Christus und seiner Kirche verbindet. An den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus bekräftigt ihr erneut eure eigene Treue und die des schottischen Volkes zum Nachfolger Petri, dem Felsen, auf dem der Herr auch heute noch seine Kirche baut (vgl. Mt 16,18). Seid versichert, daß ich Freude und Hoffnung, Kummer und Sorgen eures Amtes stets mit euch teile und „in meinen Gebeten an euch denke. Denn ich höre von eurem Glauben ... und von eurer Liebe“ (vgl. Phlm 4-5). 878 AD-LIMINA-BESUCHE An der Schwelle des dritten Jahrtausends drängt der Heilige Geist die Kirche zur Erfüllung ihrer heiligen Pflicht, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Das Große Jubiläum im Jahre 2000 ruft uns auf zur Intensivierung unserer Bemühungen, die irdische Sendung Christi fortzusetzen. Ihrerseits feiert auch die schottische Kirche zwei wichtige Anlässe, die diesem Aufruf ganz besonderen Nachdruck und Ausdruckskraft verleihen. Am 9. Juni begeht sie den 1400. Todestag des hl. Columban, dieses großen Apostels des schottischen Hochlands und seiner Inseln. Seine apostolische Arbeit gab der Verbreitung des Glaubens, den der hl. Ninian zwei Jahrhunderte zuvor nach Nordbritannien gebracht hatte, neuen Auftrieb. Ein glücklicher Zufall will, daß ihr im August dieses Jahres auch den 1600. Todestag dieses Heiligen feiert. Heroismus, Hingabe und Heiligkeit dieser unerschrockenen Verkünder des Evangeliums sind auch heute noch ein leuchtendes Beispiel vor allem für den Seelenhirten, der Jesus Christus, „denselben gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8), verkündet. 2. Glücklicherweise habt ihr als Mitarbeiter Priester an eurer Seite, wahre „Männer Gottes“, die mit großer Bereitschaft den immerwährenden und doch stets neuen Anforderungen ihres Amtes entgegentreten. Auch sie möchte ich herzlichst grüßen und euch in diesem Zusammenhang auffordem, die in den letzten Jahren geförderten Initiativen zur Festigung der Spiritualität des Diözesanklerus als „immer tiefere Verbundenheit mit der Hirtenliebe Jesu“ (Pastores dabo vobis, Nr. 57) zu unterstützen, zu entwickeln und zu vertiefen. Ihr solltet keine Mühe scheuen, einen starken und treuen Geist priesterlicher Identität zu fordern, denn das ist die unentbehrliche Grundlage für konstante Bemühungen zur Unterstützung und Mehrung von Berufungen zum priesterlichen Dienst am Volk Gottes. Wenn die Kirche Schottlands im kommenden dritten christlichen Jahrtausend erfolgreich auf die Herausforderung der Evangelisation antworten will, muß sie weiterhin dafür Sorge tragen, daß genügend fähige junge Männer dem Ruf Christi folgen. Eure Seminare haben die schwierige Aufgabe, diese Priesterkandidaten mit dem Geist des priesterlichen Dienstamtes zu inspirieren, damit - nach der spirituellen, intellektuellen und pastoralen Ausbildung, die die Kirche ihrer Weisheit entsprechend für die zukünftigen Geistlichen bestimmt hat - neue Priester durch ihr Predigen und die Feier der Sakramente weiterhin christliche Gemeinden aufbauen können, die auf der erlösenden Gegenwart des auferstandenen Herrn begründet sind. Als Diener der Kirche könnt ihr und eure Priester auf die Unterstützung der Ordensgemeinschaften eures Landes zählen, deren Mitglieder durch ihre Verpflichtung zu den evangelischen Räten treue Zeugen dieser ungeteilten Liebe für Christus und seine Kirche sind. Gemeinsam wollen wir dem Herrn der Ernte für die Ordensleute eurer Diözesen danken. Zeigt ihnen, daß sie als eure vertrauten Mitarbeiter in der Glaubensgemeinschaft geliebt und geschätzt sind. 3. Der Aspekt eures bischöflichen Amtes, über den ich in erster Linie mit euch nachdenken möchte, ist eure Rolle als Lehrer des Glaubens. Die Gläubigen sehen 879 AD-LIMINA-BESUCHE die Bischöfe als „authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer, die dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben verkündigen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Mit den Worten des Apostels Paulus möchte ich euch daher nachdrücklich auffordem: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2). Die erste Pflicht des Bischofs ist die Verkündigung Jesu Christi, „der Macht seiner Auferstehung und der Gemeinschaft mit seinen Leiden“ (vgl. Phil 3,10). Allein in ihm kann der Mensch den Sinn seiner Existenz hier auf Erden erkennen: Er ist Mittelpunkt der Schöpfung, und die gesamte Geschichte der Menschheit ist auf ihn, die einzige Erklärung, das einzige Ziel, ausgerichtet. Die Pflicht, das Evangelium mutig zu verkünden, wird umso dringlicher, wenn die Gesellschaft den Sinn und die Bedeutung Gottes aus den Augen verliert: Als Bischöfe müssen wir unsere Mitbrüder unermüdlich zur Erkenntnis und Liebe Jesu Christi zurückführen. Daher bestärke ich euch, auf konstante und wirksame Art und Weise „für die Wahrheit Zeugnis abzulegen“ (vgl. Joh 18,37) und dafür zu sorgen, daß euer Volk jene Wahrheit erkennt, die es befreit (vgl. Joh 8,32). Mutiges, freimütiges und überzeugendes Predigen, das die kirchliche Lehre auf konkrete Gegebenheiten anwendet, ist zur Förderung des geistlichen und sittlichen Lebens der Gläubigen von wesentlicher Bedeutung. Ferner ist es ein wirksames Mittel zur „Wieder-Evangelisierung“ derjenigen, die „den lebendigen Sinn des Glaubens verloren haben oder sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche erkennen, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben“ (Redemptoris mis-sio, Nr. 33). Das Erkennen der Verflechtungen des Evangeliums mit dem christlichen Leben in der Welt und seine Anwendung auf neue Situationen ist bei der Erfüllung eurer kirchlichen Führungsaufgabe von grundlegender Bedeutung, insbesondere durch individuelle oder gemeinschaftliche Pastoralbriefe über wesentliche Glaubens- und Moralfragen. Es ist Zeit, daß Katholiken - zusammen mit anderen Christen - die Frische des Evangeliums in den Kampf für die Verteidigung und Förderung jener grundlegenden Werte einbeziehen, auf denen eine der Würde des Menschen entsprechende Gesellschaft aufgebaut werden kann. 4. In euren Predigten habt ihr oft darauf aufmerksam gemacht, daß die Erneuerung der christlichen Gemeinde und Gesellschaft auf der Schwelle des dritten Jahrtausends über die Familie führt. Die Festigung der Personengemeinschaft in der Familie ist ein wirksames Gegenmittel für die heute so verbreitete Zügellosigkeit und das Gefühl der Isolierung. Für den pastoralen Dienst an den Familien müßt ihr „Interesse, Fürsorge und Zeit aufbringen sowie Personal und Sachmittel einsetzen. Insbesondere ist jedoch euer persönlicher Einsatz für die Familien gefordert sowie für alle jene, die euch in den verschiedenen Strukturen der Diözese beim pastoralen Dienst an den Familien helfen“ (vgl. Familiaris consortio, Nr. 73). Ihr sollt den Menschen erneut die Zuversicht geben, daß Christus, der Bräutigam, die Ehegatten begleitet, sie mit der Kraft seiner Gnade stärkt und befähigt, dem Leben und der Liebe, dem Plan Gottes entsprechend, „von Anfang an“ (vgl. Mt 19,6) zu die- 880 AD-LIMNA-BESUCHE nen. Die zuständigen Organe der Diözese, Pfarrgemeinschaften und Schulen sollten sich der dringenden Notwendigkeit bewußt sein, junge Menschen für Eheleben und Elternschaft vorzubereiten, und daß alles getan werden sollte, um bereits bestehende Ehen auf konkrete Weise zu unterstützen und Ehepaaren in Schwierigkeiten beizustehen. Eingedenk des Guten im einzelnen Menschen und in der Gesellschaft und dem Willen Gottes entsprechend, wird die Kirche unablässig verkünden, daß die Ehe ein unauflösbares Lebens- und Liebesbündnis ist. Aber, wie ihr sehr wohl wißt, stellt sich uns heute das besondere Problem der geschiedenen und wiederverheirateten Eheleute. Pastorale Liebe verlangt, daß sie nicht von der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen werden und ihnen jene Liebe zuteil wird, die der Hirt dem verlorenen Schaf entgegenbringt (vgl. Lk 15,3-7). „Ohne das geknickte Rohr zu zerbrechen und den glimmenden Docht auszulöschen“ (vgl. Jes 42,3) oder - das andere Extrem - ohne die kirchliche Lehre von der Unauflösbarkeit der Ehe ihrer Bedeutung zu berauben, sollte jede Pfarrgemeinde als Familie betrachtet werden, wo der Vater, „der voller Erbarmen ist“ (Eph 2,4), jeden aufnimmt und heilt, jedem verzeiht und seine Hand reicht. 5. Ferner möchte ich euch und den schottischen Gläubigen meine tiefe Anerkennung ausdrücken für eure mutigen Initiativen zum Schutz der unveräußerlichen Würde des menschlichen Lebens gegen alte und neue Gefahren, die oft als Liebesdienst getarnt sind und ungeborenes Leben, behinderte, schwerkranke und sterbende Menschen bedrohen. Einzelne, Familien, Gruppen und Gemeinschaften haben viele Möglichkeiten, aktiv zum Aufbau „einer Gesellschaft beizutragen, wo die Würde jedes Menschen anerkannt und geschützt und das Leben aller verteidigt und gefordert wird“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 90). Eure Bemühungen, Müttern bei der Entscheidung über die Annahme ihrer ungeborenen Kinder beizustehen, verdienten die Unterstützung der gesamten kirchlichen Gemeinschaft und aller Menschen guten Willens. Auch erwarten die Gläubigen von euch, daß ihr auf eindeutige und barmherzige Weise die Lehre der Kirche im Hinblick auf das Problem der Sterbehilfe noch besser bekannt macht, mit dem Familien und Pflegepersonal in zunehmendem Maße konfrontiert werden. In der Heiligen Schrift ist nichts klarer als die absolute Macht des Herrn über Leben und Tod. Das Wort Gottes lehrt uns, daß niemand „willkürlich über Leben oder Tod entscheiden darf; denn absoluter Herr über eine solche Entscheidung ist allein der Schöpfer“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 47). „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Diese Lehre sollte in dem breiten Kontext der gesamten christlichen Lebensweise gesehen werden, denn „der heilbringende Wert jedes angenommenen und Gott in Liebe aufgeopferten Leidens hat seinen Ursprung im Opfer Christi, der die Glieder seines mystischen Leibes aufruft, sich mit seinem Leiden zu vereinen“ (Redemptoris missio, Nr. 78). Der Weg zu einer Kultur des Lebens führt notwendigerweise über die Teilhabe am Mysterium von Golgota. 881 AD-LIMINA-BESUCHE Ich bestärke die Kirche von Schottland - insbesondere ihre Priester, Katecheten und katholischen Lehrer im Kampf für die Verteidigung der unveräußerlichen und heiligen Werte des täglichen Lebens nicht den Mut zu verlieren, sondern an der Schwelle zu wachen, die Schwachen und Verwundbaren zu schützen und eure Mitbürger davon zu überzeugen, daß die Erneuerung der Gesellschaft auf der Achtung objektiver und allgemein gültiger moralischer Wahrheiten und Werte begründet sein muß. 6. Zu den wesentlichen Anliegen eures Amtes zählen die katholischen Schulen, die ihr mit Recht als Mittelpunkt der kirchlichen Sendung in Schottland seht. Wir sind den Geistlichen, den Ordensleuten und Laien, die so hingebungsvoll im Apostolat der Aus- und Weiterbildung tätig sind, zu großem Dank verpflichtet. Ziel dieser Schulen ist, ein Bildungsmilieu zu schaffen, wo Kinder und Jugendliche umgeben von göttlicher und kirchlicher Liebe heranreifen können. Die spezielle Identität katholischer Schulen sollte im gesamten Lehrplan und in allen Bereichen des Schullebens zum Ausdruck kommen; sie sind als Gemeinschaften zu verstehen, die den Glauben nähren und die Schüler für ihre Aufgabe in der Kirche und der Gesellschaft vorbereiten. Mehr denn je sollen katholische Schulen heute der Evangelisierung und Katechese Beachtung schenken, denn in zahlreichen Fällen fehlt eine angemessene religiöse Erziehung durch das Elternhaus (vgl. Ca-techesi tradendae, Nm. 18-19). Das Lehrpersonal dieser Schulen sollte fähig und bereit sein, den katholischen Glauben in all seiner Fülle, Schönheit und Kraft weiterzugeben. Daher müssen sich die Erzieher in ihrem eigenen Leben vom „Wort der Wahrheit“, dem Evangelium der Erlösung, fuhren lassen (vgl. Eph 1,13). Ich bin mir bewußt, daß ihr nachdrücklich das Recht der Kirche bekräftigt habt, Schulen frei zu gründen und zu leiten im Einklang mit dem rechtmäßigen Anspruch katholischer Eltern, ihren Kindern eine glaubensorientierte Erziehung zu ermöglichen (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 8). Wann auch immer diese Rechte bedroht sind, muß mit Entschlossenheit geantwortet werden. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, das Thema der Jugenderziehung erinnert uns an den kommenden Weltjugendtag in Paris, ein Treffen junger Männer und Frauen -der Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung (vgl. Christifldeles laici, Nr. 46). Als Bischöfe sind wir dafür verantwortlich, junge Erwachsene - mit ihrem spirituellen Hunger, ihrem Idealismus und ihrer Vitalität -zur intensiveren Teilnahme am kirchlichen Leben aufzufordem und willkommen zu heißen. Sie suchen, manchmal auf verwirrte Art und Weise, die Fülle des Lebens, die allein in Jesus Christus gefunden werden kann, denn er ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Sie erwarten von der Kirche und ihren Leitern ein ernsthaftes, auf überzeugender katholischer Lehre begründetes Bildungsprogramm, Ermutigung zu persönlichem und liturgischem Gebet wie auch zum häufigen Empfang des Bußsakraments und der heiligen Eucharistie. Junge 882 AD-LIMNA-BESUCHE Menschen wollen von der Kirche herausgefordert werden und verstehen es, mit großer Hochherzigkeit zu antworten. Wenn wir sie in ihrem starken Verlangen nach Gerechtigkeit, ihrer Solidarität gegenüber den Ausgeschlossenen und ihrem Streben nach Frieden bestärken, dann wird ihr Eifer zu einem einzigartigen Beitrag „für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,12). Die „Jugendmission“ sollte sich auf die Pfarrgemeinde konzentrieren, damit die Jugendlichen nicht von der übrigen Glaubensgemeinschaft getrennt werden. Erfahrungsgemäß ist es auch oft nützlich, die Initiativen der Pfarrgemeinde durch die Mitgliedschaft in katholischen Jugendverbänden, Bewegungen und Gruppen zu ergänzen, die den besonderen Anforderungen der Jugend entsprechen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37). 8. An der Schwelle des Großen Jubeljahres geht die pilgernde Kirche ihren Weg und schaut und wartet auf ihren Herrn, das Alpha und das Omega, der „alles neu macht“ 21,5). Möge die schottische Kirche den „Vater des Erbarmens“ (2 Kor 1,3) inständig um die Gnade bitten, „an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben“ (Rom 8,29). Ich hoffe, daß der auferstandene Herr den Eifer der Geistlichen, Ordensleute und Laien eurer Diözesen stets steigern wird, damit das gute Werk, das er in ihnen begonnen hat, Früchte tragen kann (vgl. Phil 1,6). Mit großer Dankbarkeit für euren hingebungsvollen Einsatz vertraue ich euch dem liebevollen Schutz Marias, der Mutter der Kirche, und der Fürsprache eurer Schutzheiligen an und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zusammenarbeit von Orts- und Weltkirche stärken Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Schweizer Bischöfe am 4. September Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch im Laufe eures Ad-limina-Besuches am Sitz des Nachfolgers Petri. Zunächst danke ich eurem Vorsitzenden, Msgr. Henri Salina, der mir einige Aspekte des kirchlichen Lebens in euren Schweizer Diözesen vorgestellt hat wie auch einige Fragen, die sich euch als deren Hirten stellen. Ich bitte den Herrn, er möge euch begleiten, damit unsere Gespräche und eure Begegnungen mit meinen Mitarbeitern an der römischen Kurie und untereinander eine Gelegenheit bieten, den affectus collegialis zu vertiefen und zu bekräftigen; diese Begegnungen mögen euch außerdem dazu verhelfen, in vertrauensvoller Zusammenarbeit innerhalb eurer Bischofskonferenz euren apostolischen Dienst fortzuführen. Der Auftrag des Bischofs ist heutzutage besonders schwierig. Der Bischof muß sein Amt und die Autorität als einen Dienst an der Einheit und an der Gemeinschaft ausüben; und dies aus der Sorge, den Glauben in seiner Integrität zu bewahren, wie er uns von den Aposteln überliefert wurde, sowie die Lehre der Kirche, die im Lauf der Geschichte definiert wurde. Dies beinhaltet fundamentale As- 883 AD-LIMNA-BESUCHE pekte, die weder durch die öffentliche Meinung noch durch von bestimmten Sondergruppen eingenommene Positionen in Frage gestellt werden dürfen. Es gilt, den Gläubigen zu helfen, sich auf die über Jahrhunderte währende Kontinuität der Kirche einzulassen und dabei der positiven Aspekte der Moderne Rechnung zu tragen, ohne sich aber ebensowenig von den Modeerscheinungen einer Epoche leiten zu lassen. Eine Ortsgemeinde muß sich um die Katholizität sorgen, d. h. ihren Glauben innerhalb der Kirche und in Gemeinschaft mit ihr leben. Die Ortskirche ist Bestandteil der Universalkirche; sie muß also mit dem ganzen Leib eins sein. „Euch obliegt es, das Volk Gottes in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (vgl. 2 Tim 4,2) zu leiten, wobei ihr den Gläubigen und besonders den Priestern Gehör verleiht, denen ihr, wie das II. Vatikanische Konzil feststellt, „mit besonderer Liebe“ [...] zugetan sein sollt und „die ja für ihren Teil die Aufgaben und Sorgen der Bischöfe übernehmen und in täglicher Mühewaltung so eifrig verwirklichen“ (Christus Dominus, Nr. 16). Die Priester müssen oft eine schwere Arbeitslast bewältigen; in der Tat ist ihr Dienst mehr ein onus als ein honor. Der hl. Johannes Chrysostomus schrieb schon: „Er muß uns alle in der Kirche wie in einem gemeinsamen Haus beheimaten; wir müssen in gegenseitiger Zuneigung verbunden sein, als ob wir alle einen Körper bilden würden“ (Predigten zum 2. Korintherbrief, 18,3). Eure Quinquennalberichte beweisen eure Sorge, den Priestern nahe zu sein, die für euch „Söhne und Freunde“ (Christus Dominus, Nr. 16; vgl. Joh 15,15) sind. Nehmt euch auch weiterhin ihrer spirituellen Bedürfnisse an. Die Diözesanpriester nehmen in eurem Herzen einen besonderen Platz ein, denn kraft ihrer Inkardination in die Ortskirche, „um einen Teil der Herde des Herrn zu weiden [...], bilden sie ein einziges Presbyterium und eine einzige Familie, deren Vater der Bischof ist“ (ebd., Nr. 28). Euer Anliegen soll es auch sein, die harmonische Zusammenarbeit aller beim vielfältigen Wirken der Kirche zu fördern. Diese Zusammenarbeit unter allen Gliedern der Kirche, wenn sie wohl geordnet ist, kann ihr helfen, ihre besondere Dynamik zu stärken. Die schweizerischen Gemeinschaften müssen aber auch dem Rechnung tragen, was andere Gemeinschaften leben. Sie müssen bereit sein, im Geist des Glaubens die vom Nachfolger Petri, dem Hirten der universalen Kirche, festgelegten Normen anzunehmen. Das Leben der Ortsgemeinden muß sich in die Strukturen einfugen, die der Kirche eigen und anders geartet sind als die bürgerlichen Institutionen. 2. Laien, von denen einige im pastoralen Leben sehr aktiv sind, erfüllen ihre Sendung in Verbindung mit den Hirten der Kirche, den Bischöfen, Priestern und Diakonen, die als geweihte Amtsträger die Aufgabe haben, im Namen Christi, des Hauptes, das Volk Gottes zu lehren, zu heiligen und zu leiten (CIC, can. 1008-1009). Im Rahmen der einzigartigen Sendung der Kirche sind die jeweiligen Aufgaben voneinander unterschieden, und zugleich ergänzen sie sich. Insbesondere ist es sehr wichtig, daß sie für eine aktive Jugendpastoral Zusammenarbeiten, indem sie die Entwicklung der Bewegungen und Vereinigungen fördern, die sehr viel der 884 AD-LIMNA-BESUCHE Kirche helfen können, zu einer neuen Dynamik zu gelangen. Ich begrüße es also, daß Frauen und Männer tätig sind, um wichtige Aufgaben in der Katechese und in der Begleitung von Jugendgruppen zu erfüllen. Den jungen Menschen gegenüber haben sie die Verantwortung, ihnen die christlichen Werte und den katholischen Glauben zu vermitteln. Sie sollen mit den Eltern Zusammenarbeiten, die dafür die ersten Zeugen an der Seite ihrer Kinder sind. Ich ermutige diejenigen, die Verantwortung in der Eheberatung und bei der Unterstützung der Ehepaare und Familien tragen, zur Treue gegenüber dem, was die Kirche lehrt. Es wäre gut, darüber nachzudenken, was das Zweite Vatikanische Konzil im 4. Kapitel der Konstitution Lumen Gentium (Nm. 30-38) mit Nachdruck über die besonderen Aufgaben der Laien in der Kirche erklärt hat. Ihre Einheit mit Christus im Leib der Kirche verpflichtet sie, die ihnen eigenen Tätigkeiten auf die Verkündigung des Evangeliums und das Wachstum des Volkes Gottes auszurichten. Dies geschieht besonders dadurch, daß sie ihre Rolle erfüllen, die Gegebenheiten der zeitlichen Welt mit christlichem Geist zu erfüllen (vgl. ebd., Nr. 31; Apostolicam actuositatem, Nr. 7). Eine der Pflichten, die den Hirten diesbezüglich zukommt, besteht darin, den Laien eine seriöse Bildung im Hinblick auf ihre Tätigkeiten zu bieten. 3. Ich lade die Gläubigen dazu ein, die Lehre der Kirche im Glauben anzunehmen. Christsein setzt ständige innere Bekehrung voraus. Der Gehorsam gegenüber der Kirche ist imverzichtbar, um die Offenbarung anzunehmen, deren Treuhänderin die Kirche ist, um Gemeinschaft zu haben in der Wahrheit, die frei macht (vgl. Joh 8,32), und im Heiligen Geist, der die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgießt (vgl. Röm 5,5). Dieser Gehorsam der Kirche gegenüber beinhaltet auch die Annahme der aufgrund der geltenden Normen für die verschiedenen Ebenen ihrer Tätigkeit festgelegten Ordnung. Besonders auf liturgischem Gebiet ist eine solche Treue notwendiger denn je: in diesem Zusammenhang sei daran erinnert, was das II. Vatikanische Konzil sagt: „Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechtes beim Bischof. [...] Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“ (Konstitution über die Liturgie, Sacro-sanctum Concilium, Nr. 22). Im Hinblick darauf freue ich mich zu sehen, daß täglich mehr Gläubige sich darum bemühen, die katholische Lehre besser zu verstehen. Ich möchte die besondere Sendung der Theologen unterstreichen, die beauftragt sind, ihren Brüdern und Schwestern die Tiefen der göttlichen Geheimnisse zu entschlüsseln. Dies geschieht dadurch, daß ihre Lehre auf der Offenbarung gründet und von einem intensiven geistlichen Leben und Gebet getragen ist. Die theologische Lehre steht im Dienst der Wahrheit und der Gemeinschaft. Sie kann nicht einfache private Überlegung bleiben. Deshalb ist das natürliche Umfeld der theologischen Forschung die Kirche selbst. Die heilige Wissenschaft kann sich nicht vom Wort Gottes trennen, das lebendig ist und erhellt. Es wird von der Kirche empfangen und weiterge- 885 AD-LIMINA-BESUCHE geben, deren Lehramt im Namen Christi ausgeübt wird (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dei Verbum, Nr. 10; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen, 24. Mai 1990). Von der deutschen ging der Papst dann auf die italienische Sprache über: 4. Wie ihr in euren Fünfjahresberichten deutlich hervorhebt, macht euch das Problem der Berufungen Sorge. Es betrifft sämtliche christliche Gemeinschaften, wo vom Gebet aller unterstützt und von der gesamten Jugendpastoral begünstigt, die Berufungen entstehen können. Vor allem ist es Sache der Eltern und der Erzieher, Werkzeug für den Ruf des Herrn zu sein. In den letzten Jahren haben in einigen eurer Diözesen nur wenige Jugendliche sich für den Weg des Priestertums oder des geweihten Lebens bereit erklärt. Darum geht ihr mit Recht daran, der Beru-füngspastoral in den christlichen Gemeinden und in den Familien neuen Aufschwung zu geben, indem ihr die Größe und Schönheit der persönlichen Hingabe im frei gewählten, aus Liebe zum Herrn übernommenen Zölibat hervorhebt, ohne freilich das Leben im Laienstand und in der Ehe geringer einzuschätzen. Im nachsynodalen apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis habe ich, die Bitten der Synodenväter mir zu eigen machend, darauf aufmerksam gemacht: „Es ist auch notwendig, die gläubigen Laien über die dem Zölibat eigenen evangelischen, spirituellen und pastoralen Motivationen zu unterweisen, so daß sie den Priestern durch Freundschaft, Verständnis und Zusammenarbeit behilflich sein können“ (Nr. 50). Das ist um so mehr von Bedeutung, als es in einer Gesellschaft, in der das christliche Leben und der Zölibat oft als Hindernis für die Entfaltung der Persönlichkeit betrachtet zu werden scheinen, manchen Familien Sorge bereiten mag, wenn sie sehen, daß ihre Söhne oder Töchter alles verlassen, um Christus nachzufolgen. Die Frage betrifft die gesamte Erziehung. Allgemein gesagt ist es wünschenswert, daß die Eltern im Licht des Glaubens der Kirche mit Vertrauen und Mut die Jugendlichen begleiten, damit die jungen Menschen volles Verständnis gewinnen für ihre Rolle in der christlichen Gemeinschaft, aktiv am Leben der Pfarrei teilnehmen und sich in Verbänden und Bewegungen einsetzen. So wird echtes persönliches, soziales und spirituelles Reifen die vom Herrn berufenen Jugendlichen dazu führen, ihre Berufung frei zu verwirklichen. Nur unter dieser Bedingung werden sie in ihrem Leben glücklich sein. Wenn sie bereit sind, positiv auf den Ruf Christi zu antworten, ist es sodann wichtig, daß die christlichen Gemeinschaften die Rolle und die besondere Sendung der Priester und des geweihten Lebens anerkennen. Denn wie könnten die Jugendlichen die Größe solcher Berufungen erfassen, wenn es weiterhin Mißverständnisse gibt über die besondere Rolle derer, die von der Kirche diesen Auftrag empfangen haben? Dann sprach der Papst französisch: 5. Die Bischöfe sollten heute besondere Aufmerksamkeit der Ausbildung der Seminaristen widmen. Bleibt dabei, der Qualität der geistlichen Formung und den 886 AD-LIMNA-BESUCHE Plänen für die intellektuelle Ausbildung große Bedeutung beizumessen. Die Ausbildung muß in jeder Hinsicht ausgewogen sein, um zur Reife eurer zukünftigen Mitarbeiter beizutragen. In diesem Rahmen empfiehlt es sich, den Erfordernissen der heutigen Welt Rechnung zu tragen, um auf eine Ausübung des Dienstes vorzubereiten, die unserer Zeit gut angemessen ist. Es ist jedoch darüber zu wachen, daß die Ausbildung auf die Mitte, auf das Wesentliche des Glaubensgehaltes hin ausgerichtet wird, damit die jungen Priester auf die immer wieder neu gestellten Fragen, die in der öffentlichen Meinung diskutiert werden, zutreffend antworten können. Die in der Ratio institutionis sacerdotalis gegebenen weisen Richtlinien werden euch besonders nützlich sein. 6. Hier möchte ich euch bitten, den Priestern eurer Diözesen den vertrauensvollen Gruß des Nachfolgers Petri zu übermitteln. Wenn sie ihr Priestertum in vorbildlicher Weise leben, sind sie die ersten Zeugen für die Berufung zum priesterlichen Dienst. Ein solches Leben zu sehen, kann in den Jugendlichen den Wunsch wach werden lassen, diese Priester in ihrem priesterlichen Einsatz nachzuahmen. Möge die Priesterschaft eine geistliche Krone rings um den Bischof sein! Ich weiß um die immer schwerere Belastung der Priester in eurem Land, besonders derer, die ihren Dienst in den Pfarreien ausüben. Sagt ihnen, daß der Papst ihnen von Herzen Mut zuspricht, daß er sie auffordert, sich nicht entmutigen zu lassen und eifrige Hirten für das ihnen anvertraute Volk zu bleiben. Ihre Sendung muß in einem intensiven geistlichen und sakramentalen Leben verwurzelt sein, das ihrer Persönlichkeit Einheit gibt und sie bereit macht, die zu ihrem Dienst am Evangelium notwendigen Gnaden zu empfangen. In der Tat ist es der Herr, der durch seinen Geist Hilfe und Weggemeinschaft denen schenkt, die er berufen hat, ihm im Priestertum zu folgen. Die Priester sollen es sich angelegen sein lassen, frohe Zeugen Christi zu sein durch ihr aufrechtes Leben, das mit der Verpflichtung übereinstimmt, die sie am Tag ihrer Weihe übernommen haben. In der Schweiz weist das Ordensleben in seiner Geschichte eine bemerkenswerte Tradition auf. Ich betraue euch mit der Sorge, den Ordensleuten zu sagen, daß die Kirche immer noch besonders auf ihren Einsatz an wichtigen Punkten der Pastoral zählt: in der Erziehung, im Gesundheitsdienst, in der Hilfe für die betagten Menschen und für die Armen und ganz besonders auch in der Aufnahme, die zahlreiche Gläubige zur körperlich-geistigen Auffrischung und zu geistlichen Exerzitien in Ordenshäusem finden sowie auch als Hilfe im Rahmen von Wallfahrten. Ich freue mich über den Mut und die diskrete Verfügbarkeit der Ordensleute. In einer Zeit, in der die Zahl der Berufungen geringer wird, ist es wichtig, daß die ganze Kirche den Sinn und Wert des geweihten Lebens mehr anerkennt. 7. Die Diözesen der Schweiz haben eine fest verwurzelte missionarische Tradition. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit gegenüber den jungen Kirchen und für die großzügige Hilfe, die sie diesen für ihre Sendung selbst sowie als Entwicklungsbeitrag zukommen lassen. Ihr bringt in bemerkenswerter Weise eure Auf- 887 AD-LIMNA-BESUCHE merksamkeit gegenüber dem Leben der Universalkirche zum Ausdruck. Das beweist auch euer wacher Sinn für Gerechtigkeit und für Solidarität mit den Bedürftigsten. Konkret betrachtet, stehen so die Schweizer Katholiken in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche, für die in erster Linie die Bischöfe Sorge zu tragen haben, wie das II. Vatikanische Konzil eindeutig unterstrichen hat: „Als rechtmäßige Nachfolger der Apostel und Glieder des Bischofskollegiums sollen sich die Bischöfe immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen“ (Christus Dominus, Nr. 6). 8. In Kürze möchte ich auch noch auf die Bedeutung der ökumenischen Bewegung in eurem Land zu sprechen kommen. Fahrt gemeinsam mit euren Diözesanen fort im gemeinsamen Gebet und im Dialog mit allen unseren christlichen Brüdern, wobei ihr auf die noch nicht gelösten Fragen der Lehre und der Pastoral und die verschiedenen Auffassungen unzweideutig Rücksicht nehmt. Der zurückzulegende Weg kann noch lang sein. Nur dann, wenn die im Direktorium für den Ökumenis-mus entwickelten Grundsätze und Normen treu angewandt werden, wird man auf dem Weg zur vollen Einheit in Wahrheit vorankommen {Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, 25. März 1993). Ihr habt dem christlichen Volk sehr passend die Gestalt des hl. Petrus Canisius vorgestellt, der vor 400 Jahren in Freiburg gestorben ist. Seine Lehre, sein pädagogisches Empfinden und sein apostolischer Einsatz im Dienst des Evangeliums sind Aspekte seines Lebens, die auch heute den Hirten und den christlichen Gemeinschaften Anregung auf ihrem Weg geben können. Er ist auch ein Vorbild für den ökumenischen Dialog, voll Achtung für die Menschen, von einer herzlichen Liebe erfüllt und darauf bedacht, seinen Glauben an Christus und seine Liebe zu der um die Bischöfe und den Nachfolger des Petrus vereinten Kirche zu bezeugen. Die Seligsprechungen der letzten Zeit hatten auch eine positive Wirkung auf das geistliche und apostolische Leben des christlichen Volkes: Die Heiligen eines Volkes sind ihren Landsleuten nahe. Sie sind bevorzugte Zeugen und Vorbilder christlichen Lebens. Ich vertraue euch der Fürsprache der Heiligen eures Landes an, mit denen die Gläubigen tief verbunden sind, und erteile euch von ganzem Herzen meinen Segen, ebenso auch den Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien eurer Diözesen. 888 AD-LIMNA-BESUCHE Gemeinsame Wahrheitssuche und gemeinsames Gebetszeugnis in gelebter Ökumene Ansprache beim Ad-limina-Besuch der skandinavischen Bischöfe am 19. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch im „Haus des Petrus“ willkommen, euch, die ihr mit der Seelsorge des Volkes Gottes in Skandinavien betraut seid. Der Ad-limina-Besuch führt euch zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus, um das Bewußtsein eurer Verantwortung als Nachfolger der Apostel zu stärken und um eure Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom noch intensiver zu erfahren. In der Tat haben die Ad-limina-Besuche eine besondere Bedeutung im Leben der Kirche, „da sie in gewisser Weise den Gipfel der Beziehungen zwischen den Hirten einer jeden Ortskirche und dem römischen Pontifex darstellen“ {Pastor bonus, Nr. 29). Von Herzen danke ich dem Bischof von Helsinki und Präsidenten eurer Bischofskonferenz, Msgr. Paul Verschuren, für die bewegenden Worte, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Sie waren nicht nur informativ, sondern brachten auch die Einheit und Treue zum Ausdruck, die den „hohen Norden“ mit Rom verbindet. Die verschiedenen Begegnungen, die uns und mich mit den euch anvertrauten Gläubigen zusammenführten, sind mir noch in lebendiger Erinnerung: Ich denke an meinen Pastoralbesuch bei euch im Jahre 1989 ebenso wie an die 600-Jahr-Feier der Heiligsprechung von Birgitta von Schweden, die ihr zwei Jahre später zum Anlaß genommen habt, um zum „centrum unitatis“ (Cyprian, De unitate, 7), der Mitte der Einheit, nach Rom zu pilgern. Bei eurem letzten Ad-limina-Besuch vor fünf Jahren haben wir gemeinsam die Sendung und die Aufgaben bedacht, die mit eurem bischöflichen Amt verbunden sind. Heute lade ich euch dazu ein, an die Überlegungen von damals anzuknüpfen und sie unter dem Blickwinkel des Begriffs und der Wirklichkeit von Kirche fortzuführen, wie ihr sie in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden antrefft, als „Knechte Christi“ (vgl. Röm 1,1) auf bauen helft und als „Vorbilder für die Herde“ {1 Petr 5,3) leitet. Denn die Tage, die ihr in Rom verbringt, dienen nicht nur der Beratung, sie sind auch Wallfahrt und Bekenntnis: Bekenntnis zur Kirche, gegründet von Jesus Christus auf Petras, den Fels, „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielfalt“ {Lumen Gentium, Nr. 23). 2. Ich glaube die Kirche. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir uns zur Kirche, sagen aber nicht, daß wir an die Kirche glauben, damit wir nicht Gott und seine Kirche verwechseln, sondern alle Gaben, die er in seine Kirche gelegt hat, klar der Güte Gottes zuschreiben (vgl. Catechismus romanus 1,10,22). Deshalb hängt unser Bekenntnis zur Kirche ganz am Glaubensartikel vom Heiligen Geist. Wie die Väter es ausdrücken, ist die Kirche der Ort, „wo der Geist blüht“ 889 AD-LIMNA-BESUCHE (Hippolyt, Traditio apostolica, 35). Ähnlich äußert sich das Zweite Vatikanische Konzil: „Da Christus das Licht der Völker ist“, wünscht die Versammlung, „alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Die Kirche hat also die Erleuchtung nicht aus sich selbst. Sie hat kein anderes Licht als Christus. Deshalb kann man sie mit dem Mond vergleichen, dessen ganzes Licht Widerschein der Sonne ist. Liebe Mitbrüder! Ich danke euch, daß ihr bereit seid, ausgestattet mit den Gaben des Heiligen Geistes das „Licht Christi“ in Länder zu tragen, in denen die Natur mit ihrem Spiel von Hell und Dunkel, von Sonne und Mond die Bildrede des Konzils in eindrucksvoller und oft dramatischer Weise deutet. Auch wenn euch manchmal das Herz schwer darüber werden sollte, daß das Licht Christi trotz aller Mühe nur zaghaft zum Durchbruch kommt, ermutige ich euch, in eurem Eifer nicht nachzulassen: Denn Christi Licht ist stärker als die noch so große Dunkelheit. Aus eigenem Erleben während meines Pastoralbesuches wie auch aus dem Studium eurer Fünfjahresberichte weiß ich um die vielen Lichter, die ihr zusammen mit euren Priestern, den Diakonen und Ordensleuten sowie zahlreichen engagierten Frauen und Männern in den vergangenen Jahren angezündet habt. So spiegeln sich die Eigenschaften, die das Apostolische Glaubensbekenntnis der Kirche zuweist, in euren Teilkirchen wider, „auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben“ (Lumen Gentium, Nr. 26). 3. Ich glaube die eine Kirche. Ökumene und kirchliches Leben gehören für euch zusammen wie die Fische und das Wasser. Vom privaten Bereich bis in die Ebene der Kirchenleitungen reicht die Bandbreite des interkonfessionellen Dialogs. Aber es bleibt nicht beim Austausch der Worte. Ich empfinde es als große Freude, daß in Schweden die hl. Birgitta von Lutheranern und Katholiken gleichermaßen verehrt wird. Ihr dürft euch wegen dieser „ökumenischen heiligen Frau“ wirklich glücklich schätzen! Ihr Leben und Wirken bilden ein gemeinsames Erbe. „Herr, zeige mir den Weg, und mache mich bereit, ihm zu folgen.“ Die Bitte stammt aus einem ihrer Gebete, die noch heute in Schweden lebendig sind. Was diese „Prophetin der Neuzeit“ einst vorgebetet hat, kann zum Programm der ökumenischen Bewegung werden. Laßt mich deshalb wiederholen, was ich euch schon am 5. Oktober 1991 beim ökumenischen Gebetstreffen am Grab des hl. Petrus ans Herz legte: „Der Ökumenismus ist ein Weg, den man gemeinsam einschlägt; doch wir können unmöglich seinen Verlauf und seine Dauer im voraus festlegen. Wir wissen nicht, ob dieser Weg leicht oder schwer sein wird. Wir wissen nur um unsere Pflicht, diesen Weg gemeinsam fortzusetzen.“ Ich freue mich über die vielfältigen ökumenischen Initiativen, die ihr in euren Teilkirchen auf theologischer, spiritueller und liturgischer Ebene unermüdlich unternehmt. Dadurch seid ihr zu kompetenten und vertrauenswürdigen Gesprächspartnern für die Vertreter anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften geworden. Setzt mutig und aufrichtig diesen Weg des gegenseitigen Kennenlemens und der Annäherung fort „in Treue zur Wahrheit, die wir von den Aposteln und den 890 AD-LIMNA-BESUCHE Vätern empfangen haben“ (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Denn der gemeinsame Blick auf Christus ist stärker als alles Trennende der Geschichte, das mit Gottes Hilfe geduldig abgetragen werden muß. Wie ich am 9. Juni 1989 bei der ökumenischen Feier in Uppsala erklärt habe, „kann nicht alles sofort geschehen. Doch wir müssen heute das tun, was uns möglich ist, und auf das hoffen, was wir morgen tun können“. In dieser Richtung arbeitet heute die gemischte Kommission für den katholisch-lutherischen Dialog und verbindet dabei mit mir die Hoffnung, morgen ,jene Fülle zu erreichen, die sein Leib nach dem Willen des Herrn im Ablauf der Zeiten erreichen soll“ (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 24). An der Schwelle zum Jahr 2000 liegen mir zwei Anliegen besonders am Herzen: „Man muß den Dialog über die Lehre fortsetzen, sich aber vor allem stärker dem ökumenischen Gebet widmen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Die gemeinsame Suche nach der Wahrheit ist ebenso wichtig wie das gemeinsame Zeugnis, am wichtigsten aber ist die gemeinsame Anbetung dessen, der „das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9). Aus dem Geist der Anbetung erwächst eine Ökumene des Zeugnisses, die heute dringlicher ist denn je (vgl. Redemptoris missio, Nr. 50). Denn das Glaubensbekenntnis sagt: 4. Ich glaube die heilige Kirche. Die Kirche wird durch Christus geheiligt, weil sie mit ihm vereint ist. Trotzdem besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Christus und seiner Kirche. Während Christus insofern heilig ist, als er die Sünde nicht kannte, leben im Schoß der Kirche auch Sünder. So bedarf sie der steten Reinigung. Doch „die Kirche ist heilig, auch wenn sich in ihrer Mitte Sünder befinden; denn sie lebt kein anderes Zeichen als das der Gnade“ (Paul VI., Credo des Gottesvolkes, 19). In euren Berichten habt ihr ausführlich dargelegt, welche Widerstände sich der Kirche und ihren Gliedern in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche entgegenstellen, um der Heiligkeit gerecht zu werden. Ihr habt die heilige Kirche in den pluralistischen Gesellschaften zu bezeugen, in denen ihr lebt. Wenn diese auch mehr und mehr zum Schauplatz des Widerstreits verschiedener Lebensentwürfe werden, sind sie gleichzeitig „Areopage“ des Dialogs zwischen Staat und Kirche (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37). Denn nicht nur in den religiös geprägten Kulturen, sondern auch in den säkularisierten Gesellschaften suchen viele Menschen die geistliche Dimension des Lebens als Heilmittel gegen eine Entmenschlichung, die sie täglich erfahren. Dieses sogenannte Phänomen der „Rückkehr zur Religion“ ist nicht ohne Zweideutigkeit, enthält aber auch eine Einladung. Denn die Kirche besitzt unschätzbare geistliche Güter, die sie den Menschen anbieten will. Um ihrer Sendung nachkommen zu können und um eine ständige Verbesserung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu fordern, braucht diese die volle Anerkennung und den Schutz der bürgerlichen Rechte, die ihr als Gemeinschaft zustehen. Nur so kann die heilige Kirche, „das Volk des Lebens“, für das Leben eintreten und „zur Erneuerung der Gesellschaft durch den Aufbau des Gemeinwohls beitragen“ (Evangelium vitae, Nr. 101). 891 AD-LIMNA-BESUCHE Die Heiligkeit der Glieder der Kirche erfährt zum Beispiel auch dort ihre Bewährungsprobe, wo es um die Ehrfurcht vor dem Leben geht. Was ihr schon jetzt in euren Fünfjahresberichten andeutet, das wird in Zukunft als große Herausforderung vor euch stehen: der Schutz der Heiligkeit des Lebens. Wo das christliche Fundament nach und nach weggezogen wird, da sägt die Gesellschaft am eigenen Ast. Wir sehen es heute in der allmählichen Auflösung der Ehe als Grundform menschlichen Zusammenlebens, der die Herabstufung des Sexuellen zu einer Art Ware folgt, die nicht mehr in ihrer personalen Würde, sondern als Mittel zur Befriedigung der Lust oder eigenen „Bedürfnisse“ gesehen wird. Der Kampf der Geschlechter und der Kampf der Generationen gegeneinander folgen zwangsläufig daraus. Den gleichen Auflösungsprozeß beobachten wir im Verhältnis zum ungeborenen Leben. Wenn Einverständnis darüber erzielt ist, daß man vermutlich behinderte Kinder abtreiben kann, um ihnen und anderen die Last ihrer Existenz zu ersparen, welche Verhöhnung aller Behinderten ist ein solches Ansinnen! Was für den Anfang gilt, das trifft auch und vor allem für das Ende des menschlichen Lebens zu. Keine Person ist so krank, alt oder behindert, daß der Mensch das Recht hat, über ihr Leben zu verfugen. Deshalb rufe ich euch, liebe Mitbrüder, zum ökumenischen Zeugnis für die Heiligkeit des Lebens auf: das heißt einander in der Trennung nicht nur achten, sondern lieben in der Überzeugung, daß wir einander brauchen, voneinander empfangen, füreinander leben und miteinander Christen sind, um gemeinsam „die kulturelle Wende“ in einer Gesellschaft herbeizuführen, die vom „dramatischen Kampf zwischen der ,Kultur des Lebens1 und der ,Kultur des Todes1 gekennzeichnet ist“ {Evangelium vitae, Nr. 95). Ich wiederhole meinen „leidenschaftlichen Appell im Namen Gottes an alle und jeden einzelnen: Achte, verteidige, liebe das Leben, jedes menschliche Leben, und diene ihm!“ (ebd., Nr. 5). Um im Großen wirken zu können, ist gleichzeitig eine „Erneuerung der Kultur des Lebens innerhalb der christlichen Gemeinden“ dringend erforderlich (vgl. ebd., Nr. 95). Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Gewissensbildung zu. Denn der christliche Glaube erweckt das Gewissen und begründet das Ethos. Es ist sehr erfreulich, daß ein besonderes Augenmerk eurer Hirtensorge der Bildungsarbeit gilt. In den vergangenen Jahren konntet ihr den Katechismus der Katholischen Kirche in norwegischer und schwedischer Übersetzung veröffentlichen. Dänische und finnische Textfassungen werden folgen. Trotz knapper finanzieller Mittel wollt ihr auf die Trägerschaft einiger katholischer Schulen auch in Zukunft nicht verzichten. Als besonders verdienstvoll erachte ich eure Bereitschaft, daß ihr euch in die Reihe eurer priesterlichen Mitbrüder und Katecheten stellt, wenn ihr Glaubensunterricht erteilt und Einladungen zu Schulstunden annehmt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang den aufopferungsvollen Einsatz vieler Frauen und Männer, die in Pfarrheimen und, wenn diese nicht vorhanden sind, in ihren eigenen Wohnungen „Hauskatechesen anbieten, um den jungen Menschen das Samenkorn des Glaubens ins Herz zu pflanzen und das nachzuholen, 892 AD-LIMNA-BESUCHE was die staatlichen Schulen der heran wachs enden Generation vorenthalten. Eine Familie, die das Wort Gottes weitergibt, wird zu einer „gläubigen und verkündenden Gemeinschaft“ mit einem „prophetischen Auftrag“ (Familiaris consortio, Nr. 51). Ihr Haus ist eine „Kirche im Kleinen“, eine „Ecclesia domestica“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). 5. Doch nicht nur im Sinnfälligen zeigt sich die Kraft unseres Glaubens, sondern auch im Stillen. In euren Teilkirchen arbeiten zahlreiche Ordensgemeinschaften und Institute unermüdlich für den Aufbau des Reiches Gottes. Während die weiblichen Zweige in der Regel dem allgemeinen Trend entsprechen und über Nachwuchssorgen klagen, gibt es auch zarte Pflanzen, die Anlaß zu berechtigter Hoffnung geben. Neben dem Neubau der zwei Benediktinerinnenklöster in Schweden greife ich den „nördlichsten Karmel der Welt“ heraus, der am 8. September 1990 in Tromso gegründet wurde. Waren es damals zwölf Schwestern, die von Island nach Nord-Norwegen aufbrachen, so ist die Gemeinschaft mittlerweile auf zwanzig angewachsen. Mit dem Karmel ist eine wesentliche Seite christlicher Existenz ganz neu in den Blick gekommen: das kontemplative Leben, das dem Gebet den ersten Platz einräumt. Verankert in seiner Mitte, die Jesus Christus ist, strahlt das Kloster auf die Pfarrgemeinde aus, die sich darum gebildet hat. Es sind nicht nur die lauten Töne der Schlagzeilen, es ist das unauffällige, aber selbstverständliche Dasein der Schwestern, das auf Außenstehende anziehend wirkt: ein ganz anderer, aber nicht weniger missionarischer Aspekt der „heiligen Kirche“. Denn „die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit“ (Christifideles laici, Nr. 17). Manches, was klein ist wie ein Senfkorn, birgt Wachstumskräfte für einen großen Baum. Darauf dürfen wir hoffen, wenn wir den Faden des Glaubensbekenntnisses weiterführen: 6. Ich glaube die katholische Kirche. Angesichts der im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zum Teil verschwindend kleinen Anzahl der Glieder eurer Teilkirchen könntet ihr manchmal versucht sein, die bange Frage zu stellen: Wir sind nur ein unbedeutendes, „armes Würmchen“ (vgl. Jes 41,14). Sind wir überhaupt „katholisch“ im allumfassenden Sinn? Ich kann solche Gedanken und Gefühle nachempfinden und rufe euch, liebe Mitbrüder, ein Wort zu, mit dem Jesus seine entmutigten Jünger aufgerichtet hat: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (Lk 12,32). Damit wollte er sie nicht nur auf das Jenseits vertrösten, sondern ihren Blick auf die Gegenwart lenken: „Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch“ (Lk 17,21). Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Wenn auch äußerlich weit zerstreut und zahlenmäßig klein, ist in den Teilkirchen durch euren bischöflichen Dienst Jesus Christus zugegen. „Wo Christus Jesus ist, da ist die katholische Kirche“ (Ignatius von Antiochien, Ad Smyrn., 8,2). Sie hat die von ihm geschenkte „Fülle der Mittel zum Heil“ {Adgentes, Nr. 6): das richtige und ganze Glaubensbekenntnis, das vollständig ausgeprägte sakramentale 893 AD-LIMNA-BESUCHE Leben und das geweihte Dienstamt in der apostolischen Sukzession. In diesem grundlegenden Sinn war die Kirche schon am Pfingsttag katholisch und wird es bleiben bis zu dem Tag, an dem Christus als Haupt den Leib der Kirche ganz vollenden wird (vgl. Eph 1,22-23). Mit Anerkennung und Dank weiß ich euren Einsatz für die katholische Kirche in Skandinavien zu schätzen, besonders eure Mühen im Dienst der Verkündigung und in der Spendung der Sakramente. Auch ist euer Eifer ungebrochen, zusammen mit den Seelsorgern die bisweilen über weite Entfernungen hinweg verstreuten Pfarrgemeinden zu besuchen. Ihr bemüht euch, euren Gläubigen die Katholizität durch Treffen und Veranstaltungen, die über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinausgehen, erfahrbar zu machen. Mit großer Freude habe ich davon Kenntnis erlangt, daß ihr zum Jahr 2000 einen Katholikentag für ganz Skandinavien plant. Damit wollt ihr dem Norden Europas „einen großen christlichen Frühling bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann“ (Redemptoris missio, Nr. 86). Schließlich zeigt ihr zusammen mit großzügigen Frauen und Männern, daß euer Herz einen wahrhaft katholischen Takt schlägt, wenn ihr von dem wenigen, was euch für pastorale und karitative Zwecke zur Verfügung steht, solidarisch abgebt, um damit Missionsprojekte fördern zu helfen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich euer Engagement in der Nächstenliebe im Kleinen wie im Großen, was sich nicht zuletzt darin niederschlägt, daß unser Mitbruder Msgr. Kenney schon seit Jahren das Amt des Präsidenten der Europäischen Caritas bekleidet. 7. Laßt mich noch auf ein Problem hinweisen, das mich sehr bewegt: Ihr berichtet, daß in manchen eurer Kathedralen am Sonntag die Eucharistie in bis zu sieben verschiedenen Sprachen gefeiert wird. So trefft ihr, bedingt durch die Einwanderungsbewegungen und die multikulturelle Gesellschaft, auf eine Katholizität, die an das erste Pfingstfest erinnert. Diese Intemationalität bedeutet einerseits Bereicherung, andererseits aber auch Gefährdung der Einheit und Identität. Vorurteile und Ablehnung, die Menschen aus anderen Ländern erfahren, schüren Rassenhaß und bauen Mauern auf. Besonders schwer haben es dabei die Flüchtlinge aus Asien und Südamerika. „Bei euch aber soll es nicht so sein“ (vgl. Mt 20,26). Zeigt den euch anvertrauten Priestern und Gläubigen, woher sie auch immer kommen, durch euer Einfühlungsvermögen und durch euer Beispiel, wie bereichernd eine Vielfalt von Gnadengaben sein kann, „damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7): „Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören“ {Röm 12,4-5). Nicht die Quantität der Gläubigen macht die Katholizität der Kirche aus, sondern die Kraft, die von oben kommt und ausstrahlt. Das kleine Senfkorn hat es in sich. Fürchte dich also nicht, du kleine Herde! Sei aber immer auch bedacht, daß keine Diebe und Räuber in deinen Schafstall eindringen (vgl. Joh 10,7-10). Deshalb ermahne ich euch zur Vorsicht „in dieser Zeit, in der christliche und außerchristliche Sekten Verwirrung stiften“ {Redemptoris missio, Nr. 50) und eine Bedrohung für die katholische Kir- 894 AD-LIMNA-BESUCHE che und für alle kirchlichen Gemeinschaften darstellen, mit denen sie im Dialog steht. „Wo immer es möglich ist und gemäß den Umständen, wird die Antwort selbst eine ökumenische sein können“ (ebd.). Dabei seid besonders ihr gefragt, denen das apostolische Amt anvertraut ist. 8. Ich glaube die apostolische Kirche. Durch euch, liebe Mitbrüder, setzt Christus seine Sendung fort: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Das apostolische Amt hat aber nur dann ,Autorität, wenn es zusammen mit dem Römischen Bischof als seinem Haupt verstanden wird“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Es freut mich, daß die Bande unserer apostolischen Gemeinschaft so fest sind, und ich versichere euch auch weiterhin der innigen Anteilnahme des Nachfolgers Petrus. Ich betone dieses Versprechen gerade deshalb, weil ich euren Berichten entnehme, wie das apostolische Amt in euren Kirchen als eine Art Fels in der Brandung gefordert ist. Die zivilen Ehescheidungen haben auch in euren Ländern steigende Tendenz. Das pastorale Problem der wiederverheirateten Geschiedenen stellt sich deshalb immer dringender. Ich wiederhole das, was ich am 24. Januar dieses Jahres bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie gesagt habe: Zwar können sie weder zur eucharistischen Kommunion noch zum Sakrament der Versöhnung zugelassen werden, doch „diese Frauen und Männer sollen wissen, daß die Kirche sie liebt, daß sie ihnen nicht fern ist, daß sie an ihrer Situation leidet. Die wiederverheirateten Geschiedenen sind und bleiben ihre Mitglieder, weil sie die Taufe empfangen haben und den christlichen Glauben bewahren“ (vgl. Familiaris con-sortio, Nr. 84). Die Seelsorger sind aufgerufen, ihnen „in fürsorgender Liebe beizustehen“, damit sie ausdauernd bleiben im Gebet und auf die väterliche Fürsorge Gottes vertrauen (vgl. ebd.). Die lutherischen Kirchen haben in jüngster Vergangenheit wiederholt Frauen in Führungsaufgaben, darunter auch ins Bischofsamt, gewählt. Ausdrücklich betone ich, „daß die Kirche keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4). 9. Bei allen diesen Themen würdet ihr „einsame Rufer in der Wüste“ (vgl. Mk 1,3) sein, wenn es nicht hochherzige Frauen und Männer gäbe, die euch dabei unterstützen, für die christlichen Werte in einer säkularisierten Gesellschaft einzutreten. Schon das Konzil hatte erkannt, daß das Wirken der Laien so notwendig ist, „daß ohne dieses auch das Apostolat der Hirten meist nicht zu seiner vollen Wirkung kommen kann“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Es darf aber nicht bei einem Appell wohlklingender Worte bleiben. Eine besonders gehaltvolle Passage des Apostolischen Schreibens Evangelii nuntiandi meines Vorgängers Paul VI. verdient es, hier in Erinnerung gerufen zu werden: „Es gilt - und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln - die Kultur und die Kulturen des 895 AD-LIM1NA-BESUCHE Menschen im vollen und umfassenden Sinn zu evangelisieren. Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist. Man muß somit alle Anstrengungen machen, um die Kultur, genauer die Kulturen, auf mutige Weise zu evangelisieren“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 19). Ich bitte euch, fähige Frauen und Männer zu fördern und zu ermutigen, das Evangelium „auf allen Straßen der Welt“ zu verkündigen (vgl. Christißdeles laici, Nr. 44). Eine wichtige Straße der heutigen modernen Welt sind die Medien, in denen die Stimme der Kirche nicht fehlen sollte. Auch wenn es in allen Ländern, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, Kirchenzeitungen gibt, die auf dem Weg über das gedruckte Wort die Katholiken über Ereignisse im Bistum und in der Weltkirche informieren, ermutige ich dazu, euch noch mehr als Salz, Sauerteig und Licht in die Medienlandschaft einzumischen. Denn die Welt braucht kein diffuses religiöses Gefühl, sondern die Klarheit jener Botschaft von einem „Leben in Fülle“ (vgl. Joh 10,10), die zwar an den einzelnen hohe Ansprüche stellt, aber seine Existenz auch sinnerfüllt und eines Menschen erst würdig macht. Gebt den Menschen also nicht nur, was sie sich wünschen. Gebt ihnen, was sie brauchen! Sich dieser Aufgabe zu widmen ist apostolischer Dienst. Liebe Mitbrüder! 10. Ich glaube die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Was dieses Bekenntnis für euch und eure Teilkirchen bedeutet, darüber haben wir miteinander nachgedacht. Was wäre diese Kirche ohne ihre Priester? Es herrscht bei euch zwar kein akuter Priestermangel, aber es fehlt an einheimischen Kräften. Deshalb lege ich euch die Sorge um den Priestemachwuchs besonders ans Herz, wobei ich eure Bemühungen der vergangenen Jahre nicht verkenne, den Strukturen und Ausbildungsgängen konkrete Gestalt zu verleihen. Gerade das Schwedische Kolleg in Rom, das Studenten aus ganz Skandinavien beherbergt, sowie die fachliche Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung, die euch mit der deutschen Kirche verbindet, sind ein Fundament, auf dem sich aufbauen läßt. Mehr als die äußeren Voraussetzungen müssen aber die inneren Grundlagen stimmen. Wir können Berufungen nicht machen, aber wir können sie erbeten. Mehr als drei Jahrhunderte trennen uns von dem aus Kopenhagen stammenden Naturforscher, Arzt und Bischof Niels Stensen, der in seiner Zeit als Apostolischer Vikar für die Nordischen Missionen gewirkt hat. Philosophie, Medizin und Theologie haben sich seither weiterentwickelt. Geblieben ist unser aller Verantwortung, das Leben aus christlichem Glauben und Ethos zu gestalten. Was der sei. Niels Stensen damals an die Propagandakongregation über den Erfolg seiner Bemühungen schrieb, das gilt auch uns: „Je weniger die menschliche Voraussicht sich oft von den Dingen Gottes verspricht, desto klarer tritt nach und nach die göttliche Vorsehung ans Tageslicht. In apostolischen Dingen muß man apostolisch Vorgehen und den Gelegenheiten folgen, wie sie sich 896 AD-LIMNA-BESUCHE bieten, indem man den Erfolg der göttlichen Barmherzigkeit überläßt“ (Episto-laell, 809). So lege ich euer vielfältiges seelsorgerliches Wirken sowie die Leiden und Freuden, die eure Priester, Diakone, Ordensleute und Laien in ihrem Glaubensleben erfahren, gelassen in Gottes Hände. Auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria, die wir auch als Mutter der Kirche verehren, und der Heiligen eurer Länder erteile ich euch und allen, die euch anvertraut sind, von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 19. April 1997 Berufungspastoral und Priesterbildung - zentrale Aufgaben der Bischöfe Ansprache beim Ad-limina-Besuch spanischer Bischöfe am 30. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, euch Hirten der Kirche Gottes in Spanien heute und hier zu empfangen. Ihr seid von euren Metropolitansitzen Santiago, Burgos, Zaragoza und Pamplona sowie aus den dazugehörigen Sufffagandiözesen hierher gekommen. Es sind dies altehrwürdige Kirchen mit einer reichen spirituellen und missionarischen Tradition, die durch das Blut vieler Märtyrer geheiligt sind. Auch sind sie durch ihre zahlreichen christlichen Familien mit reichen und grundlegenden Tugenden gesegnet, und aus ihnen gingen Priester- und Ordensberufungen in Fülle hervor. Ihr kommt nun hier nach Rom, um euren Ad-limina-Besuch abzustatten. Dies ist eine ehrwürdige Einrichtung, die dazu beiträgt, die engen Bande der Gemeinschaft zu erhalten, die jeden Bischof mit dem Nachfolger Petri vereint. Eure Anwesenheit hier läßt mich auch die Nähe zu euren Priestern und Ordensleuten und auch zu den Gläubigen der Teilkirchen fühlen, denen ihr vorsteht. Einige von ihnen durfte ich sogar während meiner Pastoraireisen in eurem Land besuchen. Ich danke dem Erzbischof von Zaragoza und Präsidenten der spanischen Bischofskonferenz, Msgr. Elias Yanes Alvarez, für seine liebenswürdigen Worte, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat, um so den Ausdruck von Ergebenheit und Achtung zu erneuern und mich auf diese Weise gleichzeitig an euren Sorgen und seelsorglichen Projekten teilnehmen zu lassen. Darauf möchte ich antworten, indem ich den Herrn bitte, daß er Glauben, Hoffnung und Liebe sowie das mutige Zeugnis aller Christen in euren Diözesen und in ganz Spanien im Einklang mit dem seit Apostelzeiten empfangenen Erbe immerzu wachsen und gedeihen lasse. 2. Ermutigt durch das Versprechen des Herrn und die Kraft, die von seinem Geist kommt, seid ihr als Nachfolger der Apostel berufen, die Ersten zu sein, die die 897 AD-LIMNA-BESUCHE Mission durchfuhren, die Er seiner Kirche anvertraut hat, auch wenn man dafür die Last des Kreuzes annehmen und auf sich nehmen muß, das sich in einer Gesellschaft, wie wir sie heute vorfinden, in vielfacher Weise bestätigt. Ihr nehmt sowohl jeder einzeln als auch in kollegialer Weise durch die Bischofskonferenz oder andere kirchlichen Einrichtungen an der Bestandsaufnahme der Erwartungen und Errungenschaften der spanischen Gesellschaft von heute teil, indem ihr versucht, diese im Lichte des Evangeliums zu interpretieren und dieser Gesellschaft Orientierung vom Glauben her zu geben. So versucht ihr in eurem Hirtenamt angesichts der stattfindenden sozialen und kulturellen Veränderungen, angesichts des Paradoxons einer Welt, die die Notwendigkeit der Solidarität verspürt, aber gleichzeitig Pressionen und Spaltungen politischer, wirtschaftlicher, rassistischer und ideologischer Art erdulden muß (vgl. Gaudium et spes, Nr. 4), eine neue soziale Ordnung zu fördern, die immer mehr auf den ethischen Werten gründet und ihre Lebenskraft durch die christliche Botschaft erfährt. Ihr hört, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7), und verspürt so die Pflicht, gelassen eine Unterscheidung vorzunehmen, die jedoch stets offen ist und für die verschiedenen Umstände und Ereignisse, Initiativen und Projekte Verständnis aufbringt, ohne daß ihr etwa die schwerwiegenden Probleme und die tiefsten Bestrebungen der gesamten Gesellschaft vernachlässigen würdet. Euer Hirtenamt wendet sich an die Menschen von heute, und zwar sowohl an die Gläubigen, die aktiv am Leben der diözesanen Gemeinschaft teilnehmen als auch an jene, die sich selbst als nicht praktizierend oder gleichgültig bezeichnen, sowie überhaupt an alle, die sich zwar Katholiken nennen, aber in ihrem moralischen Verhalten nicht unbedingt konsequent sind. Daher möchte ich euch anspomen, unermüdlich und ohne den Mut sinken zu lassen in eurer Aufgabe des Lehrens und der Verkündigung des Evangeliums Christi an die Menschen fortzufahren (vgl. Christus Dominus, Nr. 11). Wenn ein Bischof die christliche Lehre zur Erleuchtung des Gewissens der Gläubigen vorträgt, muß er das in einer verständlichen Sprache und mit angemessenen Mitteln tun (vgl. Christus Dominus, Nr. 13), damit der Sinn der Schriften verstanden wird, wie es auch der Herr mit den Jüngern von Emmaus tat, und damit das Lehramt nicht steril wird oder gar in der heutigen Gesellschaft mit ihren so sichtbaren Anzeichen von Säkularismus nicht zu einer Stimme wird, die schlicht überhört wird. Deshalb darf man nicht etwa der Mutlosigkeit verfallen noch darf man gar aufhören, zweckmäßige Seelsorgeprojekte auszuarbeiten und sie in die Tat umzusetzen. Wenn eure Verantwortung auch ungeheuer groß ist, so müßt ihr euch doch immer vergegenwärtigen, daß der Geist des Herrn euch die notwendige Kraft verleiht. Ihr seid zu Leitern der Teilkirchen bestellt und seid so die Väter und Hirten für einen jeden Einzelnen eurer Gläubigen. Daher sollt ihr dafür sorgen, daß ihr besonders den Ärmsten und den am meisten an den Rand Gedrängten zur Seite steht. Der durch die kirchliche Disziplin vorgeschriebene Ad-limina-Besuch (vgl. CIC, cann. 396-398) soll euch dabei helfen, unter euren Gläubigen gegenwärtig zu sein, 898 AD-LIMNA-BESUCHE ihnen nahe zu sein und sich ihrer anzunehmen, um so immerzu und überall die Wahrheit zu verkünden, die frei macht (vgl. Joh 8,32), und auch um dem Wachstum des christlichen Lebens zu dienen. Diese Volksnahe muß sich auf sichtbare und konkrete Weise zeigen, d. h. ihr sollt für alle jene erreichbar sein, die euch mit Vertrauen und Liebe aufsuchen, weil sie ja vielleicht die Notwendigkeit einer Orientierungshilfe oder von Hilfe und Trost überhaupt verspüren. Lind darin sollt ihr die Anweisungen des hl. Paulus an Titus befolgen, der vom Bischof sagt, daß er „gastfreundlich sein soll, besonnen, gerecht, fromm und beherrscht“ (vgl. Tit 1,8). 3. Die Priester und Diakone sind die jeweiligen engen Mitarbeiter in eurer Sendung, damit das Wort überall in der eigenen Diözese verkündet und die heilige Liturgie in den Kirchen und Kapellen gefeiert werde, damit die Einheit unter allen Gliedern des Gottesvolkes sichtbar sei und damit Liebe wirksam sei und über alles wache. Denn sie nehmen an eurer überaus wichtigen Mission sowie an der Feier aller Sakramente teil und sind mit euch auf verschiedene Weise hierarchisch verbunden. So vergegenwärtigen sie euch im gewissen Sinne in jeder Gläubigengemeinschaft (vgl. Presbyterorum Ordinis, Nr. 5). Das Zweite Vatikanische Konzil hat, der Tradition der Kirche folgend, auf besondere Weise die Beziehungen der Bischöfe zu ihrer Priesterschaft vertieft. Den Priestern sollt ihr all eure Fürsorge und Energien widmen. Daher ermutige ich euch, einem jeden von ihnen stets nahezustehen und mit ihnen ein Verhältnis wahrer priesterlicher Freundschaft nach dem Stil des Guten Hirten zu pflegen. Helft ihnen, damit sie Männer des eifrigen Gebetes seien, damit sie der kontemplativen Stille etwas Gutes abzugewinnen vermögen angesichts des Lärms, der Zerstreuung in vielerlei Aktivitäten. Das gilt auch für die ehrfürchtige, tägliche Feier der Eucharistie und das Stundengebet, das die Kirche ihnen zum Wohle des gesamten Leibes Christi anvertraut hat. Das Gebet des Priesters ist eine Notwendigkeit in seinem pastoralen Amt, so daß die christlichen Gemeinschaften sich durch das Zeugnis des betenden Priesters bereichern können, der durch sein Wort und durch sein Leben das Mysterium Gottes verkündet. Ein Anliegen soll euch auch die persönliche Situation eines jeden Priesters sein, damit ihr ihnen helfen könnt, mit Freude und Hoffnung auf dem Weg der priesterlichen Heiligkeit fortzufahren, und damit ihr ihnen die nötigen Mittel bieten könnt, in schwierigen Situationen, in denen sie sich vielleicht einmal befinden könnten. Keinem von ihnen soll es am Notwendigsten fehlen, um gemäß ihrer sublimen Berufung und ihrem Amt würdig leben zu können! Ich hatte ja bereits im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis die Gelegenheit wahrgenommen, auszudrücken, daß die ständige Aus- und Weiterbildung des Klerus von immenser Bedeutung sei. Es ist mir nun eine Freude feststellen zu dürfen, daß mein diesbezüglicher Aufruf Anklang gefunden hat, und daß daraufhin in verschiedenen Diözesen solche Aktivitäten organisiert und ins Programm mitauf-genommen wurden, die darauf ausgerichtet sind, daß der Priester durch seine pastorale Vorbereitung auf die Anforderungen antwortet, die die momentanen 899 AD-LIMNA-BESUCHE Umstände fordern. Diese Weiterbildung ist also ein „Erfordernis, die dem Geschenk des sakramentalen Amtes selbst innewohnt“ (Pastores dabo vobis, Nr. 70); denn mit der Weihe „beginnt von diesem Moment an die Antwort, die sich als Lebensentscheidung mit den Jahren im Priestertum in zahllosen anderen Antworten je neu ausdrücken und behaupten muß, die alle grundgelegt und belebt sind vom „Ja“ der heiligen Weihe“ (ebd.). Der Aufruf des Apostels Petrus, „Deshalb, meine Brüder, bemüht euch noch mehr darum, daß eure Berufung und Erwählung Bestand hat“ {2 Petr 1,10), ist eine eindringliche Einladung dazu, diesen Aspekt nicht zu vernachlässigen. In diesem Sinne wird ohne Zweifel das Dokument Sacerdotes dia a dia (Priester, Tag für Tag), das von eurer bischöflichen Kommission gerade vorbereitet wird und dem Klerus und seiner ständigen und umfassenden Aus- und Weiterbildung gewidmet ist, dazu beitragen, dieselbe in eurem Land wesentlich zu stärken; denn es handelt sich ja dabei um eine Aktivität, die der Presbyter, um sich selbst gegenüber konsequent zu bleiben, annehmen muß, und die in der pastoralen Liebe verwurzelt ist, welche sein ganzes Leben zu begleiten hat. Es ist die Verantwortung eines jeden Priesters, seines Bischofs und seiner jeweiligen kirchlichen Gemeinschaft, der er dient, die notwendigen Mittel aufzubringen, um im Laufe seines Lebens einen Teil der Zeit der Weiterbildung in den verschiedenen Bereichen zu widmen, und zwar ohne daß diese wichtige Pflicht durch die verschiedenen, zahllosen Seelsorgeaktivitäten und Verpflichtungen eingeschränkt wird, die nun mal das Leben eines Priesters und seine Sendung mit sich bringen. 4. Andererseits muß aber auch das Seminar, in dem ja die zukünftigen Priester herangebildet werden, seitens des Bischofs ein privilegiertes Zentrum sein, in dem ihnen die nötige Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Es scheint, daß die Berufungskrise, die in den letzten Jahren die Zahl der Seminaristen spürbar hat sinken lassen, im Begriff ist, überwunden zu werden, zumindest gibt es aber doch diesbezüglich einige Hoffnungszeichen und dafür danken wir dem Herrn. Aber man muß weiterhin den Herrn des Weinberges eindringlich bitten, er möge Arbeiter in seine Kirche senden. Unlängst hat ja die eben erwähnte Krise dazu geführt, das in einigen Diözesen die Kollegien, d. h. die sog. „kleinen Seminare“ entweder aufgelöst sind oder aber gehörigen Veränderungen unterzogen wurden. Wo es möglich ist, sollte man doch versuchen dieselben wieder ins Leben zu rufen; sind sie doch auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil so eindringlich empfohlen worden (vgl. Optatam totius, Nr. 3). Sie helfen dabei, sich über die Berufung der Heranwachsenden und Jugendlichen klar zu werden, indem sie ihnen eine Ausbildung zusichert, die umfassend und konsequent zugleich ist, und die auf das Eins-Sein mit Christus aufbaut. Auf diese Weise stellen sich die Berufenen zur Verfügung, um so mit Freude und großzügig auf das Geschenk der Berufung zu antworten. Die Verantwortung für das Seminar obliegt in letzter Instanz dem Bischof, und eines Tages wird er zusammen mit seiner diözesanen Priesterschaft denen die Hände auflegen, die dort ausgebildet wurden. Sollte es in einer Stadt etwa kein 900 AD-LIMNA-BESUCHE Seminar geben, so ist es wichtig, daß der Bischof und seine Mitarbeiter häufige Kontakte mit dem Zentrum pflegen, in welches er seine Kandidaten schickt, und daß er seine Gläubigen, vor allem aber die Jugendlichen, über diese für die Diözese so lebenswichtige Einrichtung in Kenntnis setzt. Man muß in den Seminarien einen echten Familiengeist prägen; denn dies ist die Präambel der priesterlichen Brüderlichkeit in einer Diözese, wo ja jeder Alumne mit seiner je eigenen Sensibilität in seiner Berufung heranreifen kann, wo er seine Aufgaben wahmimmt und sich in das gemeinschaftliche spirituelle und intellektu-relle Leben einübt, welches ja einem Priester in besonderer Weise eigen ist, und zwar unter der weisen und umsichtigen Leitung derer, die zu dieser Ausbildungsmission bestellt sind. Es ist für die Seminaristen grundlegend wichtig, daß sie beginnen, mit Christus in eine innere Gemeinschaft treten, denn er ist das Modell des Hirten. Dies geschieht durch das Gebet und den häufigen Empfang der Sakramente. Es ist aber auch ebenso wichtig, daß den Alumnen in einem Kontext ganzheitlicher Ausbildung schrittweise beigebracht wird, für ihr tägliches Leben selbst verantwortlich zu sein und sich eine gewisse Selbstbeherrschung anzueignen; denn das sind wesentliche Aspekte, um sowohl die Tugenden von Glaube, Hoffnung und Liebe als auch die anderen Kardinaltugenden in die Tat umzusetzten, welche sie ja dann einmal in Zukunft durch ihr eigenes Beispiel dem gläubigen Volk vorzuleben haben. Dennoch sollte die Ausbildung im Seminar nicht rein theoretisch sein. Daher sind die Seminaristen auch in der Pfarrpastoral und den apostolischen Bewegungen tätig, was ihrer Verwurzelung in der diözesanen Gemeinschaft zugute kommt. Der Hauptakzent kommt aber in dieser Ausbildungsphase den Studien zu; denn sie sollen sich eine solide intellektuelle, philosophische und theologische Grundlage aneignen. Das ist wesentlich, um als Missionare ihren Brüdern die Frohbotschaft des Evangeliums zu verkünden. Wenn diese Grundlage allerdings nicht in den Jahren im Seminar angeeignet wird, so zeigt die Erfahrung, daß es sehr schwierig, ja eigentlich unmöglich, ist, diese dann später zu vervollständigen. Andererseits ist es auch von Nöten, den jungen Priestern, die eine entsprechende Eignung aufweisen, eine angemessene akademische Ausbildung zukommen zu lassen, damit sie sich der Forschung widmen können und so die Fortdauer der Lehrtätigkeit im Seminar und in anderen kirchlichen Einrichtungen sichergestellt wird. Es ist ebenfalls angebracht, einige Priester so auszubilden, daß sie Berufungen erkennen können und zur spirituellen Leitung befähigt sind. Das ist nämlich für die Aufgabe, die Ausbildung in einem Seminar zu vervollkommnen, sehr wichtig. 5. Die Zahl der Berufungen wurde durch viele Faktoren negativ beeinflußt. Hervorgehoben werden muß hier vor allem der herrschende Relativismus und der Mythos vom materialistischen Fortschritt, die als Werte erster Klasse galten, wie ihr es ja auch im vieljährigen Seelsorgeplan 1997-2000 der Spanischen Bischofskonferenz (vgl. Plan de Acciön pastoral de la Conferencia Episcopal Espanola para el cuatrienio 1997-2000, Nr. 45) beschrieben habt. Ebenfalls hervorgehoben 901 AD-LIMNA-BESUCHE werden muß die Furcht der Jugendlichen, definitive Verpflichtungen zu übernehmen. Angesichts dieser Situation sollte man vor allem auf den Herrn vertrauen, sich aber auch gleichzeitig ernsthaft engagieren, daß in jeder kirchlichen Gemeinschaft eine geistige und pastorale Atmosphäre herrscht, die positiv auf die Manifestation des Rufes des Herrn zum priesterlichen oder klösterlichen Leben in seiner Formenvielfalt, wie sie die Kirche kennt, einwirkt, und zwar indem man die Jugendlichen dazu animiert, ihr Leben ganz für den Dienst des Evangeliums hinzugeben. Das geistliche Leben und das tägliche Beispiel der eigenen Priester sowie eine gesunde christliche Familienatmosphäre übt dabei einen sehr großen Einfluß aus, und das kann dazu beitragen, daß in euren Teilkirchen Berufungen in reichem Maße vorhanden sind, die auch in spiritueller Hinsicht reich und fruchtbringend sind, wie es ja bis vor wenigen Jahren der Fall war. 6. In einigen eurer Diözesen tritt seit einigen Jahren das Leid wiederholter terroristischer Attentate auf das Leben und die Freiheit der Person offen zutage. Mit großem Schmerz verfolge ich diese tragischen Ereignisse, und ich möchte mit euch zusammen diesen ungerechtfertigten und niemals zu rechtfertigenden Aggressionen gegenüber erneut meine absolute und uneingeschränkte Ablehnung zum Ausdruck bringen. So müßt ihr also angesichts dieser Tatsache den Weg des Verzeihens, des brüderlichen und solidarischen Zusammenlebens und der Gerechtigkeit weisen, denn nur das sind die wahren Grundlagen für Frieden und Wohlstand der Völker! Ich möchte euch dazu ermutigen, gemeinsam mit euren Gläubigen auf die bestmögliche Weise bei der totalen und radikalen Ausrottung dieser Gewaltakte zusammenzuarbeiten. Jene aber, die sie sogar im Namen Gottes ausüben, bitte ich, daß sie sie als Vorwand für politische Aktionen und Ansprüche aufgeben mögen. 7. „Das Jubeljahr von Santiago de Compostela ist die Vorhalle des Heiligen Jahres 2000“. Mit diesem Leitwort lädt die spanische Kirche dazu ein, an diesem kirchlichen Ereignis teilzunehmen, das so tief in der Geschichte verwurzelt ist und im Jahre 1999 stattfinden wird. Es soll eine gute Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Dritten Christlichen Jahrtausends sein. Das Jubeljahr von Santiago de Compostela hat in erster Linie ein religiöses Ziel, welches sich in der Wallfahrt des sogenannten „Jakobusweges“ erweist. Die geistlichen Früchte dieser Gedenkjahre des hl. Jakobus sind ja bekannt, in denen so viele Pilger aus Spanien, Europa und anderen Teilen der Welt kommen, um ,Ablaß“ zu gewinnen. Ich ermutige euch daher, dieses Ereignis gut vorzubereiten, damit es ein wahres „Jahr der Gnade“ werde, in dem durch ständige Umkehr und eifrige Verkündigung des Wortes Gottes der Glaube und das christliche Zeugnis auflebe, damit Gebet und Nächstenliebe die Heiligkeit der Gläubigen fordern und damit die Hoffnung auf die zukünftigen Güter die ständige Evangelisierung der Gesellschaft belebe, was ja die große spirituelle und apostolische Frucht dieses Jubeljahres sein kann, und zwar immer vor dem Hintergrund der reichen Tradition der Vorfahren. 902 AD-LIMNA-BESUCHE 8. Liebe Brüder, nochmals versichere ich euch meiner tiefen Gebetsgemeinschaft mit euch. Bezüglich der Zukunft eurer Diözesen bin ich guter Hoffnung, denn dort zeigt sich trotz der Proben, auf die ihr gestellt werdet, große Lebendigkeit. Möge der Herr Jesus Christus es euch gewähren, daß ihr ihm mit Frohmut dient, indem ihr in seinem Namen die Teilkirchen leitet, die euch anvertraut wurden. Möge die allerheiligste Jungfrau und eure heiligen Ortspatrone euch stets begleiten und beschützen. So erteile ich nun euch, geliebte Brüder, sowie den Gläubigen eurer Diözesen von ganzen Herzen den Apostolischen Segen. Glaubensbekenntnis und Lebenszeugnis miteinander verbinden Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe von spanischen Bischöfen am 15. November Geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir heute eine Freude, euch, die Erzbischöfe und Bischöfe aus den Kirchenprovinzen Valladolid, Toledo, Merida-Badajoz, Madrid und aus dem Militärordinariat hier zu empfangen. Ihr seid hierhergekommen, um an den Gräbern der Apostel euren Glauben zu erneuern. Dies ist das erste Mal, daß das vor fünf Jahren errichtete Erzbistum Merida-Badajoz seinen Ad-limina-Besuch abstattet, durch den alle Bischöfe die Einheitsbande mit dem Nachfolger Petri erneut bestärken. Von Herzen danke ich Msgr. Jose Delicado Baeza, dem Erzbischof von Valladolid, für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Euch allen danke ich für die Gelegenheit, in Einzelgesprächen etwas darüber zu erfahren, was die Menschen fühlen und denken, denen ihr als Hirten dient. So teile ich mit euch das Verlangen, daß eure Herde „in allem wachse, bis wir ihn erreicht haben, Christus, der das Haupt ist“ (vgl. Eph 4,15). Ich möchte nun mit euch gemeinsam einige Überlegungen anstellen, die der konkreten Situation entnommen sind, in der ihr euer Amt ausübt, „das Geheimnis Christi zu predigen“ (vgl. Kol 4,3) und bekannt zu machen, um euch so für euer seelsorgliches Engagement zu ermutigen. 2. Mit Zufriedenheit stelle ich fest, daß ihr euch sowohl im gemeinsamen Wirken als auch in den einzelnen Diözesen große Mühe gebt, eine kirchliche Gemeinschaft heranzubilden, die voll Vitalität und Verkündungsgeist ihre tiefen christlichen Dimensionen erfahrt, genährt durch das Wort Gottes, das Gebet und die Sakramente und in ihrer personalen, familiären und sozialen Existenz übereinstimmend mit den Werten des Evangeliums. Eine Gemeinschaft, die es auch versteht, ihren Glauben vor der Welt zu bekennen angesichts der Versuchung, die transzen- 903 AD-LIMNA-BESUCHE dente, ethische und religiöse Dimension des Menschen lediglich auf den Privatbereich zu beschränken. Dem habt ihr in verschiedenen Dokumenten der Bischofskonferenz, besonders aber in den Pastoralplänen, eure Aufmerksamkeit gewidmet. Diese Pläne wurden in den letzten Jahren regulär und streng methodisch durchgeführt. Weiterhin konzentriert ihr eure Sorge auf die Auswirkungen, die die tiefen und schnellen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der globalen Einstellung zum Leben hatten, besonders im ethischen und religiösen Bereich. Auch wenn es sich hierbei um eine gewaltige Aufgabe handelt, die praktisch alle Bereiche des kirchlichen Lebens umfaßt, so ist es mir doch ein Anliegen, daß ihr in eurem Vorhaben fortfahrt, in kreativer Treue zum Evangelium einen christlichen Lebensstil zu fördern, der eurem reichen Erbe gerecht wird und im Einklang mit den Erfordernissen der neuen Zeiten steht. Seid in schwierigen Momenten und in Ungewißheit des Ausrufes Petri eingedenk: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Nur die unerschütterliche Treue zu Christus läßt euch die Hoffnung auf Ihn, „den einzigen Retter der Welt“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 40), festhalten und Ihn mit Freude an der Schwelle des dritten Jahrtausends verkünden. 3. In der Mission, das Evangelium den heutigen Menschen zu bringen, vertraut ihr auf den Rückhalt einer uralten und tief verwurzelten christlichen Tradition. Euer Land war fruchtbar an Vorbildern der Heiligkeit und herausragenden Persönlichkeiten der Theologie, an wagemutigen Missionaren und zahlreichen Formen des geweihten Lebens und apostolischer Bewegungen wie auch an ausdrucksvollen Formen der Frömmigkeit. All das bereichert die Geschichte eures Landes. Ihr vertraut auch auf das Zeugnis der Kunst, die ein herrliches religiöses und kulturelles Erbe darstellt. Mit Freude sehe ich darin eine Bestätigung, daß Spanien diese Verbundenheit mit der Geschichte zu schätzen weiß. Zu Recht wird diese Kunst von vielen bewundert. Sie stellt in greifbarer Weise unter Beweis, wie der Glaube an Christus den Menschen veredelt, indem er seinen Genius inspiriert und ihn befähigt, der Reflexion der unerschöpflichen Schönheit Gottes in Werken von unvergleichlichem künstlerischem Wert Gestalt zu verleihen. Diesbezüglich ist es wichtig, daß das kulturelle und künstlerische Gut der Kirche -besonders heilige Orte und Gegenstände - nicht einfach nur als Reliquie der Vergangenheit fortdauert, die man passiv betrachtet. Man muß an ihre ursprüngliche Bestimmung erinnern, und diese, soweit es möglich ist, erhalten, um ihren kulturellen Wert nicht herabzusetzen. Gemeint sind hier Sakralgebäude, die als Gebetsstätten und für den religiösen Kult errichtet wurden; gemeint ist das religiöse und musikalische Schrifttum, das geschaffen wurde, um den Herrn zu loben und das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft zu begleiten; gemeint sind Bilder, die den Gläubigen Vorbilder der Heiligkeit zeigen, Darstellungen des Heilsmysteriums, die ihren Glauben und ihre Hoffnung nähren. 904 AD-LIMNA-BESUCHE Auch dient dieses reiche Erbe der Kirche als wertvolles Instrumentarium für Katechese und Evangelisierung, und es stellt heute wie gestern ein gültiges Angebot für alle dar, die in aufrichtiger Weise Gott suchen oder ihn wiederfmden möchten. Daher ist es nicht genug, diese Kulturgüter zu erhalten und zu schützen, sondern es ist auch notwendig, sie „in die vitalen Kreisläufe der kulturellen und pastoralen Aktion der Kirche zu integrieren“ {Ansprache an die Kommission für kulturelle Güter am 12.10.95). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, welchen Anklang der in den letzten Jahren veranstaltete Ausstellungszyklus mit dem Titel „Die Zeitalter des Menschen“ {Las edades del hombre) gefunden hat. Er hat zweifelsohne dazu beigetragen, daß das erwähnte Erbe die Evangelisierung der Menschen von heute gefordert hat. 4. Euer Erbe umfaßt auch die vielen, vielen Formen der Volksffömmigkeit, die ganz besonders bei der spanischen Landbevölkerung so sehr verwurzelt sind. Angesichts des in unserer jüngsten Geschichte gelegentlich herrschenden Rationalismus spiegelt diese Frömmigkeit einen „Hunger nach Gott“ wider, „wie ihn nur die Einfachen und Armen kennen“ (Paul VI., Enzyklika Evangelii nuntiandi, Nr. 48). Sie zeigt, daß Gott unmittelbar zum Herzen des Menschen spricht und daß der Mensch das Recht hat, ihm die geschuldete Verehrung auf die ihm am meisten entsprechende Weise entgegenzubringen. So hat es das Zweite Vatikanische Konzil verstanden, als es empfahl, daß „die Andachtsübungen des christlichen Volkes so sehr empfohlen werden, sofern sie den Vorschriften und Regeln der Kirche entsprechen“ (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 13). Es ist wahr, daß in einigen Fällen die Gewohnheiten Elemente vermitteln können, die einer authentischen christlichen Interpretation fremd sind. Aber die Kirche richtet ihre Aufmerksamkeit mehr auf die tief in der Seele liegenden Veranlagungen als auf einen Ritenformalismus und zeigt sich verständig und geduldig, entsprechend dem Wort des hl. Augustinus, daß „es eine Sache ist, was wir lehren, eine andere das, was wir zulassen können“ (vgl. Contra Faustum, 20,21). Daher „wägt sie wohlwollend ab, was im Brauchtum der Völker nicht unlöslich mit Aberglauben und Irrtum verflochten ist, und wenn sie kann, sucht sie es voll und ganz zu erhalten“ (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 37). Deshalb möchte ich euch ermuntern, mit väterlicher Liebe und pastoraler Umsicht jene Andachtsformen zu erhalten und zu fordern, in denen die eucharistische Anbetung, die Marienfrömmigkeit oder die Heiligenverehrung auf innige Weise zum Ausdruck kommen, und unangemessene Abweichungen und verfehlte Übertreibungen mittels einer angemessenen Katechese zu vermeiden. Vor allem sollte diese Frömmigkeit verbunden werden mit der aktiven Teilnahme am Sakra-mentenempfang und den liturgischen Feiern, deren Mitte das Ostermysterium Christi ist. 5. Nun möchte ich gerne die Aufmerksamkeit auch auf einen Aspekt lenken, der viele eurer Diözesen betrifft. Sicherlich hattet ihr selbst bereits Gelegenheit, ihn 905 AD-LIMNA-BESUCHE bei euren Pastoralbesuchen in den Dörfern und Ortschaften festzustellen, wo nur noch die Eltern oder Großeltern derer leben, die mittlerweile in die Städte abgewandert sind. Tatsächlich ist in kürzester Zeit aus einer vorwiegend ländlichen und bäuerlichen Gesellschaft eine solche der städtischen Ballungszentren entstanden. Vor allem diese Situation verlangt eine besondere Anstrengung, damit alle, die sich bereits in die neue Gesellschaftsform eingebunden fühlen, möglichst noch intensiver die Nähe der Kirche und der Liebe Gottes, der keines seiner Kinder je vergißt, erfahren können. In vielen Fällen wird es angebracht sein, den Priestern eine besondere Hilfe zu leisten, die, wenn auch unter Schwierigkeiten, in den kleinen Landpfarreien bleiben, das Los ihrer Pfarrangehörigen teilen und christliche Hoffnung säen. Wo aber die ständige Anwesenheit eines Priesters nicht möglich ist, muß die pastorale Planung die nötige religiöse Fürsorge und die würdige Feier der Sakramente zusichem. Mit Jesus müssen wir sagen können: „Ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ging verloren“ (Joh 17,12). Außerdem besitzen viele dieser heute verarmten Dörfer einen großen spirituellen Reichtum, der sich in der Kunst, in den Traditionen und vor allem im rechten Glauben der Einwohner zeigt. Man sollte ihre Existenz durchaus nicht als überflüssig betrachten. Sie ermöglichen es denen, die, wenn auch nur vorübergehend, dorthin zurückkehren, dem Glauben und den religiösen Bräuchen der Vorfahren wiederzubegegnen, nach denen sie sich manchmal noch zurücksehnen. 6. Ihr seid in eurer Mission, den Menschen von heute das Evangelium zu bringen, nicht allein. Jeder Priester eurer Diözesen arbeitet eng mit euch zusammen. In der Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente sind die Priester mit ihrem Bischof vereint und „machen ihn so in den einzelnen Gemeinschaften der Gläubigen gewissermaßen gegenwärtig“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 5). In verschiedenen spanischen Diözesen gibt es eine beträchtliche Anzahl an Seminaristen. In einigen Diözesen ist sogar ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Das ist wirklich ein besonderer Grund zur Freude; denn es ist ein Zeichen christlicher Lebendigkeit und Hoffnung für die Zukunft, ganz besonders in den jüngst errichteten Diözesen. Ein anderer großer Reichtum der euch unterstellten Diözesen besteht in den zahlreichen religiösen Gemeinschaften kontemplativer sowie aktiver seelsorglicher Ausrichtung. Jede dieser Gemeinschaften ist ein Geschenk für die Diözese und trägt zu deren Aufbau bei, indem sie die eigenen, ihrem Charisma entsprechenden geistlichen Erfahrungen und die ihrer Sendung gemäße Evangelisierungstätigkeit mit einbringt. Eben weil sie ein unschätzbares Geschenk für die ganze Kirche sind, obliegt es dem Bischof, „den Personen des geweihten Lebens beizustehen und ihnen zu helfen, sich in Gemeinschaft mit der Kirche den spirituellen und pastoralen Perspektiven, die den Erfordernissen unserer Zeit entsprechen, in Treue zur Gründungsinspiration zu öffnen“ (Vita consecrata, Nr. 49). Bei dieser wichtigen Aufgabe wird der respektvolle und brüderliche Dialog der bevorzugte Weg 906 AD-LIMNA-BESUCHE sein, die Kräfte zu vereinen und den unverzichtbaren Zusammenhalt in der Pasto-raltätigkeit einer jeden Diözese unter der Leitung ihres Oberhirten sicherzustellen. 7. Bei all dem darf aber auch der entschiedene Beitrag von seiten der Laien nicht fehlen. Sie müssen unterwiesen werden, ihre spezifische Sendung zu erfüllen, sollen ermuntert werden, mit Eifer an der Liturgie teilzunehmen, bei der Katechese mitzuarbeiten und innerhalb der verschiedenen kirchlichen Bewegungen und Vereinigungen verantwortungsvolle Verpflichtungen zu übernehmen, in vollkommener Einheit mit ihrem Bischof. In der Tat ist es wichtig, daß das Lebenszeugnis der Gläubigen im Einklang steht mit dem Glauben, den sie bekennen, damit das Evangelium das Leben der Menschen erleuchte. Ebenfalls wichtig ist eine hinreichende Ausbildung, um eine „christliche Seele“ in die Welt der Erziehung, der Arbeit, der Kultur, der Information, der Wirtschaft und der Politik hineinzutragen. Das verlangt eine solide Ausbildung, die vor allem eine feste, auf der Taufweihe fußende Spiritualität und eine systematische, gut fundierte Kenntnis der kirchlichen Lehre umfaßt, welche sie befähigt, vor der Welt und ihren schweren und komplexen Problemen „die Hoffnung, die ihnen zu eigen ist, zu bezeugen“ (Christifideles laici, Nr. 60). Eine solide Ausbildung läßt sich nur durch eine erneuerte, einprägsame und ständige katechetische Tätigkeit erreichen, sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen. Dazu sind vor allem die Oberhirten verpflichtet, da sie berufen sind, „als authentische [...] Lehrer“ ihre Lehrfünktion sorgfältig auszuüben; denn „sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben (Lumen Gentium, Nr. 25). Diesbezüglich wird euch dev Katechismus der Katholischen Kirche eine große Hilfe sein, dessen Wert ich hier nochmals betonen und daran erinnern will, daß er „das beste Werkzeug für die katechetische Pastoral ist“ (Ansprache an die Vorsitzenden der nationalen Kommissionen für die Katechese, 29.4.1993, Nr. 4). Sein dogmatischer, liturgischer, moralischer und spiritueller Reichtum muß alle, besonders aber die Kinder und Jugendlichen, erreichen, und zwar mittels einer katechetischen Unterweisung, die sich je nach pfarrlichen, familiären und schulischen Anforderungen oder hinsichtlich der Ausbildung innerhalb verschiedener Bewegungen und Vereinigungen von Gläubigen unterscheidet. Geliebte Brüder, es fehlt weder euch noch euren Priestern an leuchtenden Beispielen von Verkündern, die sich durch Gebet und fleißiges Studium vorbereitet haben und imstande waren, durch ihr Wort die Herzen der Menschen zu bewegen, und sie so in ihrer Glaubensreinheit bewahrt und in ihren christlichen Aufgaben geführt haben. 8. Am Ende dieses Zusammentreffens ist es mir ein aufrichtiges Anliegen, daß ihr euren Diözesanen, den Priestern, religiösen Gemeinschaften und gläubigen Laien meine aufrichtigsten Grüße übermitteln mögt. Ganz besonders denke ich an die kirchlichen Gemeinschaften der Region Extremadura, die in den vergangenen Tagen durch Naturkatastrophen, welche viele Opfer verursacht und unzähligen 907 AD-LIMINA-BESUCHE Schaden angerichtet haben, auf eine harte Probe gestellt wurden. Laßt sie an den Erfahrungen teilhaben, die euch in diesen Tagen selbst zuteil wurden, und ermutigt sie, mit Freuden ihren Glauben an Christus, unseren Retter, zu leben. Euer Streben und eure pastoralen Projekte vertraue ich der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria an, die in eurem geliebten Land so sehr verehrt und angerufen wird. So erteile ich euch mit Freuden den Apostolischen Segen, der auch allen zuteil werden soll, die gemeinsam mit euch in eurem bischöflichen Dienst Zusammenarbeiten. Glaubensbildung in säkularisierter Umwelt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Bischofskonferenz des Südlichen Afrika: Botswana, Südafrika und Swaziland am 19. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit herzlicher Zuneigung im Herrn begrüße ich euch, die Mitglieder der Katholischen Bischofskonferenz des Südlichen Afrika, die ihr die Kirche in Botswana, Südafrika und Swaziland vertretet, und ich danke Gott für „die Freude und den Trost eurer Liebe“ (vgl. Phlm, 7). Euer Ad-limina-Besuch ist wieder eine Gelegenheit für uns, unsere kollegiale Gemeinschaft zu bekräftigen und die Bande der Liebe und des Friedens zu stärken, die uns Hilfe und Ermutigung schenken im Dienst der einen Kirche Christi. Ich bete, daß in dieser Zeit der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 die ganze katholische Gemeinschaft des Südlichen Afrika tief erfüllt sei von einer „echten Sehnsucht nach Heiligkeit“ und einem „starken Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Als Nachfolger der Apostel habt ihr in dieser Vorbereitung eine besondere Rolle zu spielen. Ihr müßt „Vorbilder für die Herde“ (1 Petr 5,3) sein und Lehrer für ein Leben „nach dem, was dem Geist entspricht“ (Rom 8,5). Der hl. Augustinus erinnert uns an den Emst unserer Verantwortung, wenn er schreibt: „Wir sind nicht nur Christen ... wir sind auch Vorsteher und müssen Gott Rechenschaft ablegen über unsere Verwaltung“ (Predigt 46, Über die Hirten, 2). Laßt uns beten, daß der Herr Jesus Christus uns in unserer Aufgabe als Lehrer, Priester und Hirten seiner Herde nicht nachlässig finde! 2. Seit eurem letzten Ad-limina-Besuch mußte euer Dienst sich von Gmnd auf neuen sozialen und politischen Verhältnissen anpassen. Während meines kurzen Besuches in Südafrika im September 1995 hatte ich Gelegenheit, aus erster Hand etwas von dem neuen Geist zu spüren, der die Bevölkerung des Landes und ihre Führer erfüllt. Während noch ungeheure Probleme zu lösen bleiben, herrscht neue Begeisterung für den Aufbau einer Nation, in der alle in Freiheit und Gerechtigkeit leben. Gewiß, es wird lange Zeit brauchen, bis die Wunden der Vergangenheit ausgeheilt sind, und es wird viel Anstrengung kosten, um eine wirkliche und um- 908 AD-LIMNA-BESUCHE gestaltende Versöhnung zustandezubringen. Ein bedeutender Anfang wurde gemacht. In diesem Prozeß hat die Kirche einen lebenswichtigen Beitrag anzubieten, vor allem durch die Gewissensbildung hinsichtlich der sittlichen und religiösen Wahrheiten und Werte. Sie sind ja die notwendige Grundlage für eine Gesellschaft, die des Menschen und seiner transzendenten Bestimmung würdig sein will. In der Zeit der „Apartheid“ wart ihr und waren eure Mitarbeiter oft aufgefordert, zu zeigen, daß „das Wort Gottes nicht gefesselt“ (2 Tim 2,9) ist. Jetzt müßt ihr „die Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2,5) mutig weiter verkünden an alle Männer und Frauen guten Willens. Wie ihr in der Vergangenheit gelehrt habt, daß jede Art von Rassismus eine unerträgliche Beleidigung gegen die unveräußerliche Würde des Menschen ist, so erklärt ihr jetzt, daß Friede und Gerechtigkeit nur dann wirklich hergestellt werden können, wenn an die Stelle des todbringenden Kreislaufs von Gewalt und Rachsucht die Gnade der Vergebung tritt (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1997, Nr. 3). Das nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa fordert die Bischöfe des Kontinents auf, sich zwei grundlegende Fragen zu stellen (vgl. Nr. 46): Wie soll die Kirche ihren Evangelisierungsauftrag beim Näherrücken des Jahres 2000 voranbringen? Wie werden afrikanische Christen zu immer treueren Zeugen des Herrn Jesus werden können? Wenn ihr, einzeln in eurem persönlichen Gebet und gemeinsam in den Überlegungen und Untersuchungen eurer Bischofskonferenz, immer wieder auf diese Fragen zurückkommt, werdet ihr gewiß mit der Synode zu dem Schluß kommen, daß die Anforderung wesentlich in der geeigneten Ausbildung der Träger der Evangelisierung besteht. „Das Volk Gottes - verstanden im theologischen Sinn von Lumen Gentium, dieses Volk, das die Glieder des Leibes Christi in seiner Ganzheit umfaßt - hat den Auftrag erhalten ... die Botschaft des Evangeliums zu verkündigen ... Die ganze Gemeinschaft muß für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder nach seiner spezifischen Rolle in der Kirche“ (Ecclesia in Africa, Nr. 53). Nichts ist wichtiger für die Zukunft der Kirche und für den Dienst an der Gesellschaft als die solide Heranbildung von Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien. 3. Die Laien spielen mehr und mehr eine aktive, verantwortliche und unersetzliche Rolle in euren Teilkirchen. Als priesterliches Volk setzen sie Christi Erlösungswerk fort, indem sie ihr Leben darbringen in Gebet und Gottesdienst und in hingebender Liebe zu Gott und zum Nächsten (vgl. Röm 12,1-2). Als prophetisches Volk nehmen sie das Evangelium im Glauben an und verkünden es in Wort und Tat unter den jeweiligen Verhältnissen des täglichen Lebens. Und als königliches Volk dienen sie ihren Brüdern und Schwestern in Gerechtigkeit und Liebe. Je besser sie begreifen, welches die Folgerungen aus ihrer Taufe sind, um so mehr werden sie ihre familiären und beruflichen Pflichten, ihre staatsbürgerlichen Verantwortlichkeiten und ihre sozio-politischen Tätigkeiten als einen Ruf ansehen, der sie zu einer auf Umwandlung der Denkweisen und der Gesellschaftsstrukturen 909 AD-LIMNA-BESUCHE hinzielenden Einflußnahme auffordert, damit darin besser Gottes Plan für die Menschheitsfamilie sichtbar wird (vgl. ebd., Nr. 54). Fahrt fort, den Laien Anregung zum Aufbau einer von Wahrheit, Ehrlichkeit, Solidarität und Versöhnung gekennzeichneten Gesellschaft zu geben. Fahrt fort, die jungen Leute zum Glauben an ihre Zukunft zu ermutigen und diese Zukunft in engagiertem Dienst am Gemeinwohl und in Beteiligung im öffentlichen Bereich aufzubauen unter gänzlicher Zurückweisung von Selbstsucht, Korruption und Machtstreben. 4. In einer immer mehr von Verstädterung und Säkularisierung gekennzeichneten Gesellschaft brauchen die gläubigen Laien besondere pastorale Hilfe, um die vielen positiven Elemente afrikanischer Familientraditionen zu schützen. Wo die afrikanische Familie intakt geblieben ist, da ist sie jene „Gemeinschaft von Generationen“, in der wesentliche menschliche und spirituelle Werte weitergegeben werden, die sie zu einer grundlegenden Zelle, einer Aufbaugruppe der Gesellschaft und zur ersten Schule christlichen Lebens machen. Jede Diözese und jede Pfarre braucht ein Programm für das Familienapostolat und die Ehevorbereitung, worin die volle Wahrheit von Gottes Plan hinsichtlich der Liebe und des Lebens unzweideutig dargelegt wird. Als Hirten müßt ihr wachsam sein, daß die Lehre der Kirche über die eheliche Liebe wahrheitsgetreu von Priestern, Theologen und Pastoralhelfem dargeboten wird. Dringend empfehle ich eurer Aufmerksamkeit die in letzter Zeit über diese lebenswichtigen Fragen erschienenen Dokumente des Hl. Stuhls. Es sind Fragen, in denen die staatliche Gesetzgebung und öffentliche Aktionen immer wieder mit christlichen Moralprinzipien zusammenstoßen und sogar einzelne Menschen und Ehepaare einem wirtschaftlichen oder sozialen Druck unterworfen werden, der ihre Würde und ihre Freiheit untergräbt. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Abtreibung. Diese schreckliche Wirklichkeit ist ebenso ein Verbrechen gegen das unschuldige ungeborene Kind, wie sie auch äußerst schädliche Auswirkungen auf die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Menschen und auf die Gesellschaft selbst hat, die nun nicht mehr das Leben als einen der höchsten menschlichen Werte mit absoluter Achtung umgibt, sondern es geringeren Gütern oder praktischen Vorteilen unterwirft. In einer Zeit erneuter Angriffe auf die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens habt ihr mit Recht wiederum die universalen und unveränderlichen moralischen Wahrheiten dargelegt und eure Bemühungen verstärkt, um Familien und junge Menschen zu veranlassen, daß sie ihre entscheidende Verantwortung zur Erhaltung, Pflege und Hochschätzung des Geschenks eines jeden menschlichen Lebens übernehmen. Ich kann euch nur dafür loben, daß ihr mit pastoraler Besorgnis auf den Schaden reagiert habt, den ihrer Natur nach ungerechte Gesetze verursacht haben, und ich fordere euch auf, weiterhin den Gläubigen behilflich zu sein bei der Förderung von sozialen Einrichtungen, von zivilrechtlicher Gesetzgebung und staatlichen Maßnahmen, die die Werte und Rechte der Familie unterstützen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 44). 910 AD-LIMNA-BESUCHE 5. Die Anwesenheit der Kirche im Bereich der Erziehung ist ein äußerst wichtiger Teil ihrer Bemühungen um die Ausbildung der Laien. Selbst während der dunklen Jahre der „Apartheid“ haben katholische Schulen einen unermeßlichen Beitrag zur menschlichen und religiösen Bildung von Kindern und Jugendlichen aller Rassen und sozialen Schichten geleistet. Da es Taktiken gibt, die als Gefährdung für die Identität katholischer Schulen angesehen werden könnten, ist es gut, daran zu erinnern, daß das unveräußerliche Recht der Kirche auf freie Errichtung von Schulen dem Recht der Eltern entspricht, ihren Kindern eine Erziehung zukommen zu lassen, die mit ihrer Überzeugung übereinstimmt (vgl. Gravissimum educaiionis, Nr. 8). Es ist wichtig, daß die Kirche alles tut, was sie kann, um Schulen aller Grade bereitzustellen und zu unterhalten, aber es ist ebenso gerechtfertigt, zu hoffen, daß der Staat, der die höchsten Interessen seiner Bürger fordern will, solche Schulen unterstützt und sie ermächtigt, ihre Identität zu erhalten, und daß er den Eltern die Möglichkeit gibt, ihr Recht auf die Wahl der Erziehung, die sie für ihre Kinder wünschen, wirklich auszuüben. 6. Liebe Brüder, ihr seid in erster Linie die Verantwortlichen für die Ausbildung eurer Priester. Die Heranbildung christlicher Laien und ihr Leben als Christen hängt in außerordentlichem Maß von dem Dienst ab, den nur die geweihten Diener des Evangeliums versehen können. Eure Fünfjahresberichte zeigen, daß es aufgrund des Priestermangels in manchen Gegenden schwer ist, jede örtliche Gemeinde zur sonntäglichen Eucharistiefeier zu versammeln, die Quelle und Höhepunkt im Leben der Kirche ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). Wo kein Priester zur Verfügung steht, leiten andere, vor allem Katechisten, die Gemeinde in Gebet, Gesang und Besinnung. Solche Versammlungen werden immer gehalten „in Erwartung eines Priesters“ (Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium Sonntäglicher Gemeindegottesdienst ohne Priester, Nr. 27), und sie sind Gelegenheiten, darum zu beten, daß der Herr mehr Arbeiter in seine Ernte senden möge (vgl. Mt 9,38). Große Sorgfalt muß darauf verwendet werden, sicherzustellen, daß diese vorübergehenden Maßnahmen nicht zu einem falschen Verständnis der Natur der Priesterweihe und der Eucharistie führen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 48). 7. Das sakramentale und eucharistische Leben eurer Gemeinden wird ja sichergestellt durch die Verleihung der Gabe des Heiligen Geistes in der Priesterweihe. Dadurch werden Priester, sowohl Diözesan- wie Ordenspriester, eurem eigenen apostolischen Dienst beigesellt. Die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika betonte die Notwendigkeit, bei der Auswahl von Priesterkandidaten Sorgfalt walten zu lassen (vgl. Nm. 94-95). Der Bischof sollte es sich angelegen sein lassen, die Priesteramtskandidaten „häufig zu besuchen und auf bestimmte Weise ,bei ihnen zu sei“1, wodurch er zu erkennen gibt, daß er das im Hinblick auf ihre Ausbildung für sehr bedeutend hält“ (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 65). Durch Wort und Beispiel sollte der Bischof diesen jungen Männern helfen, das Priestertum als Gleichgestaltung mit Christus zu verstehen, der der Bräutigam und das Haupt der Kirche, aber auch Opfer und 911 AD-LIMNA-BESUCHE demütiger Diener ist. Ein Seminar und eine Priesterschaft, die aus dem Gebet und aus gegenseitiger Hilfe und Freundschaft Kraft schöpfen, begünstigen den Geist bereitwilligen Gehorsams, der jeden Priester fähig macht, die ihm von seinem Bischof übertragenen pastoralen Aufgaben zu erfüllen. Das Geheimnis der Kirche als Gemeinschaft wird gestärkt, wenn die bischöfliche Autorität als amoris officium (vgl. Joh 13,14) ausgeübt wird und wenn der prie-sterliche Gehorsam sich nach dem Vorbild Christi gestaltet (vgl. Phil 2,7-8). Ferner sollte weder das Seminar noch das Priesteramt zu einem privilegierten Lebensstil führen. Vielmehr sollten Einfachheit und Selbstverzicht diejenigen kennzeichnen, die dem Herrn folgen, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mk 10,45). Wir sollten die treffenden Worte aus dem von der Kongregation für den Klerus herausgegebenen Direktorium für das Leben und den Dienst der Priester (1994) zur Kenntnis nehmen: Ein Priester wird „schwerlich zum wahren Knecht und Diener seiner Brüder werden, wenn er sich allzusehr um seine Annehmlichkeiten und um sein exzessives Wohlergehen kümmert“ (Nr. 67). Die Synode bestand auch darauf, daß zukünftige Priester den Wert des Zölibats für das geistliche Amt begreifen müssen (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 95). Seminaristen brauchen eine menschliche Reife und eine geistliche Formung, die sie befähigt, „klare Vorstellungen zu haben und zutiefst davon überzeugt zu sein, daß Zölibat und Keuschheit des Priesters untrennbar zusammengehören“ (ebd.). Weise Hirten werden besonders darum besorgt sein, Priestern und Seminaristen einzuprägen, daß eine herzlich vertrauensvolle Verehrung der Allerseligsten Jungfrau sowie Askese, selbstlose Hingabe, Großmut gegen andere und priesterliche Brüderlichkeit wesentlich sind, wenn ein Priester sich Gott und dem Werk Gottes mit Freude und ungeteilten Herzens widmen soll. Wie die Erfahrung zeigt, trägt die Gelegenheit zu fortdauernder Weiterbildung dazu bei, daß Priester ihre priesterliche Identität bewahren, sich geistlich, intellektuell und im pastoralen Dienst weiter entfalten und besser dazu ausgerüstet sind, die ihnen anvertrauten Gemeinden aufzubauen. 8. Die Kirche im Südlichen Afrika würde zugleich auch nicht das sein, was sie ist, ohne die außerordentliche Gabe des geweihten Lebens. Eifrige Mitglieder von Missionskongregationen vollbrachten die Einpflanzung der Kirche in euren Ländern, und viele neue Institute des kontemplativen und des aktiven Leben kamen hinzu. In euren Diözesen bedürfen die Männer und Frauen des geweihten Lebens eurer Führung in ihren pastoralen Tätigkeiten und eurer Unterstützung in ihrem Leben nach den evangelischen Räten. Harmonie zwischen den Bischöfen und den Menschen des geweihten Lebens ist wichtig für das gemeinsame Wohl der Familie Gottes. Ordensinstitute, vertreten durch ihre Obern, sollten in ihren Beziehungen zu den Bischöfen, in deren Diözesen sie arbeiten, stets einen „Geist der Gemeinschaft und Zusammenarbeit“ bekunden (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 94). Bischöfe sollten ihrerseits „die Charismen des geweihten Lebens annehmen und achten“ 912 AD-LIMNA-BESUCHE (vgl. Vita consecrata, Nr. 48) und ihnen in den Entwürfen der diözesanen Pastoral gebührend Raum geben. Vor allem ist es für Bischöfe wichtig, den Ausbildungsplänen in Instituten diözesanen Rechtes eingehend Aufmerksamkeit zu widmen. Mit Klugheit und Unterscheidungsgabe (vgl. 1 Thess 5,21) solltet ihr darauf achten, daß die Kandidaten sorgfältig ausgewählt werden und daß sie die vollständige menschliche, spirituelle, theologische und pastorale Ausbildung erhalten, die sie auf ihre Aufgabe in der Kirche entsprechend vorbereitet. 9. In euren Diözesen seid ihr die Hohenpriester des heiligen Dienstes vor Gott und „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor 4,1). Ich weiß um die Bemühungen eurer Konferenzen, eine echte Inkulturation des Gottesdienstes zu vermitteln, „damit das gläubige Volk die liturgischen Feiern besser verstehen und miterleben kann“ (Ecclesia in Africa, Nr. 64). Grundsatz ist, von örtlichen Kulturen diejenigen Ausdrucksformen zu übernehmen, „die mit den Erfordernissen des wahren und authentischen Geistes der Liturgie in Einklang gebracht werden können unter Beachtung der wesentlichen Einheit des römischen Ritus“ (Vicesimus qnintus annus, 16). Die Aufgabe ist aber schwierig und heikel. Sie kann erfolgreich nur durchgefuhrt werden als ein Prozeß, bei dem jede Anpassung aus einer vertieften Assimilation des Erbes der Kirche entspringt in vollkommener Treue gegenüber dem „heiligen Schatz des Wortes Gottes“ (Dei Verbum, Nr. 10), dessen maßgebende Auslegung dem ganzen Bischofskollegium, mit dem Nachfolger des Petrus als der Grundlage der Einheit dieses Kollegiums, anvertraut ist. Wie Ecclesia in Africa anerkennt, ist das eine der größten Herausforderungen für die Kirche auf eurem Kontinent angesichts des nahenden dritten Jahrtausends (vgl. Nr. 59). Sie erfordert von seiten der Bischöfe beispielhafte Weisheit und Treue. 10. Liebe Brüder im Bischofsamt, das sind einige von den Gedanken, die euer Besuch wachruft. Das Pfingstfest, das wir gerade gefeiert haben, legt uns eindringlich nahe, in Gemeinschaft mit Maria um eine erneute Ausgießung des Heiligen Geistes über die eurer Hirtensorge anvertrauten Kirchen zu beten. Gemeinsam bitten wir diesen Geist, unseren Geist zu erleuchten, unser Herz mit Hoffnung zu erfüllen und uns bei unseren Unternehmungen im Dienst des Evangeliums Kühnheit zu schenken. Im Vertrauen darauf, daß der Herr weiterhin den Eifer der Priester, Ordensleute und Laien von Botswana, Südafrika und Swaziland mehren und daß das gute Werk, das er in ihnen begonnen hat, weiter aufblühen wird (vgl. Phil 1,6), erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 913 AD-LIMNA-BESUCHE Beitrag der Kirche des Sudan zum interreligiösen Dialog Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe des Sudan am 18. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich heiße euch, die Bischöfe aus dem Sudan, anläßlich eures Besuches „ad limina apostolorum“ herzlich willkommen. Eure Anwesenheit hier erinnert mich an meinen eigenen Besuch in eurem Land vor einigen Jahren. Wenn es auch damals nicht möglich war, andere Gegenden zu besuchen, so bin ich doch mit großer Freude und Zufriedenheit nach Khartoum gegangen, denn es war mir wichtig, die Botschaft der Versöhnung und Hoffnung, die das Herzstück des Evangeliums ist, allen Menschen im Sudan zu bringen, ungeachtet der Religionsunterschiede und der völkischen Herkunft. Besonders froh war ich damals, daß ich den Einwohnern eures Landes, die Söhne und Töchter der Kirche sind, Mut zusprechen konnte. Es ist ja deren tiefstes Verlangen, in Frieden zu leben und Seite an Seite mit ihren Mitbürgern zu wirken, um eine bessere Gesellschaft für alle zu schaffen. Ich danke Gott, daß er mir diesen Besuch ermöglicht hat, und ebenso danke ich ihm „euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde ... Er wird euch auch festigen bis ans Ende“ (1 Kor 1,4.8). 2. Es ist traurig, daß sich der Sudan immer noch mitten in großem Aufruhr befindet. Die Drangsal des Bürgerkrieges, die unaussprechbares Elend, Leid und Tod mit sich brachte, vor allem im Süden, sucht dieses Land weiterhin heim und zehrt an Leben und Energie eures Volkes. Eure Gemeinschaften sind zutiefst betroffen durch den Zusammenbruch der guten Beziehungen, die zwischen Christen und Muslimen bestehen sollten. Wenn auch die Menschen arm und infolgedessen nach irdischem Maßstab schwach sind: Der Herr wird euch nicht verlassen. Durch den Propheten Jesaja ruft er euch auch weiterhin zu: „Ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,15). Der Herr erhört die Stimme der unschuldigen Opfer, der Schwachen und Schutzlosen, die zu ihm aufschreien um Hilfe, um Gerechtigkeit, um Achtung ihrer von Gott gegebenen Menschenwürde, um ihre grundlegenden Menschenrechte und um die Freiheit, zu glauben und die eigene Religion ohne Furcht und Diskriminierung auszuüben. Der christliche Glaube lehrt uns, daß unsere Gebete und Leiden mit den Gebeten und Leiden Christi selbst vereinigt werden, der als Hoherpriester des heiligen Volkes Gottes das Heiligtum betrat, um Fürsprache für uns einzulegen (vgl. Hebr 9,11-12). Und genau so, wie er es einst auf Erden getan hat, so spricht er jetzt vom Haus des Vaters aus zu uns: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ {Mt 11,28). Und während uns die Worte dieser Einladung noch in den Ohren klingen, sagt er weiter: „Nehmt mein Joch auf euch, und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“ {Mt 11,29). 914 AD-LIMNA-BESUCHE Das sind die Worte Christi. Er allein kennt den Vater, und der Vater allein kennt ihn, seinen einzig geliebten Sohn. Heute wiederhole ich euch, den Bischöfen des Sudan, diese Worte, und durch euch allen Gläubigen, die eurer Obhut anvertraut sind. Letztes Jahr schrieb ich an die Diözesen des Sudan: „Der Nachfolger Petri ist euch nahe und fleht zu Gott für euch, daß ihr die Kraft haben mögt weiterzugehen, in Christus verwurzelt und auf ihn gegründet“ (vgl. Kol 2,7) {Botschaft an die Katholiken des Südsudan, 24. Oktober 1996, in: O.R.dt., 13.12.96). Diesen Zuspruch erneuere ich nun und ermutige euch, standhaft zu sein und Mut zu fassen. Der Herr ist auf eurer Seite. Er wird euch niemals verlassen. Die Gebete der gesamten Kirche sind mit euch! 3. Trotz der ernsten Schwierigkeiten und Leiden, die die christliche Gemeinschaft auf sich zu nehmen hat, entwickelt sich die Kirche im Sudan weiter, und es gibt viele Zeichen ihrer Vitalität. Mit dem Psalmisten rufen wir aus: „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118,23). In Wahrheit ist es so, wie der Herr gesagt hat: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12,9). Aus diesem Grund seid ihr mit dem hl. Paulus fähig, Schwachheit, Schmähungen, Bedrängnis, Verfolgung und Elend anzunehmen; denn wenn wir schwach sind, dann sind wir stark (vgl. 2 Kor 12,10). In der gegenwärtigen politischen und sozialen Situation könnt ihr leicht voneinander isoliert werden. Aus diesem Grund müßt ihr den Vorteil aus jeder euch sich bietenden Gelegenheit ziehen, um der kollegialen Verantwortung und Gemeinschaft Ausdruck zu verleihen, die euch im Dienst der „Hausgenossen Gottes“ {Eph 2,19) vereinigen. Ich bitte euch eindringlich, alles euch mögliche zu tun, um unter euch selbst einen echten Geist gegenseitigen Vertrauens und der Zusammenarbeit zu pflegen, so daß ihr - soweit es die schwierigen Umstände gestatten - einen gemeinsamen Plan pastoraler Initiativen erarbeiten könnt, um mit den gegenwärtigen gravierenden Herausforderungen fertig zu werden. Solche Pastoralinitia-tiven beinhalten auch, für seelsorgliche Hilfe in priesterarmen Gegenden zu sorgen, zu evangelisieren, angemessene Katechese und christliche Bildung anzubieten, die Feier des Ehesakramentes unter den Gläubigen zu fördern und das Familienleben zu stärken. Eure einzelnen Dienste als Hirten und Seelenführer werden weitaus wirkungsvoller, je mehr ihr fähig seid, gemeinsame Bedürfnisse in euren Diözesen ausfindig zu machen und aufeinander abgestimmte Programme zu koordinieren, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Es bleibt auch weiterhin ein Imperativ für die Bischofskonferenz, eine verantwortungsbewußte Verwaltung der Hilfsmittel - und zwar sowohl eurer eigenen als auch derer, die von fremden Spendern und Wohltätern kommen - sicherzustellen. Ich kann nicht umhin, meiner Wertschätzung Ausdruck zu verleihen für all das, was ihr zur Verteidigung und Stärkung des Glaubens eurer katholischen Brüder und Schwestern tut, und ganz besonders möchte ich die verschiedenen Anstrengungen und Programme ermutigen, die darauf abzielen, die Bedürfnisse so vieler Flüchtlinge und Verschleppter in den Griff zu bekommen. „Sudanaid“ ist ein von 915 AD-LIMNA-BESUCHE eurer Bischofskonferenz verwalteter Hilfsfonds, der zur Hilfe und Unterstützung der Notleidenden eingerichtet wurde und bereits weit verbreitete Anerkennung gewonnen hat. Somit ist also - ungeachtet ernsthaft aufgetretener Einschränkungen - die Kirche im Stande, mutig in ihrer Mission des Dienstes voranzuschreiten. 4. Eure unmittelbaren Mitarbeiter beim Aufbau des Leibes Christi sind eure Priester, sowohl die diözesanen als auch Ordenspriester, sowohl die sudanesischen als auch die Missionspriester. Sie wurden zu diesem Dienst geweiht und sind euch von Gott gegeben. Alle Priester haben einen Ruf erhalten, der während der Jahre der Vorbereitung auf die Priesterweihe gewissen Prüfungen und Beurteilungen unterzogen wurde. Mit Hilfe des Gebetes und vertrauend auf Gottes unerschöpfliche Gnade stimmten sie zu, auf die Möglichkeit von Heim, Frau, Kinder, soziale Positionen und Wohlstand zu verzichten (vgl. Mt 19,29). Dies taten sie nicht widerwillig, sondern gerne, um so dem Gottesreich zu dienen und sich ihren Brüdern und Schwestern in Christus zu widmen. Ich vereinige mich mit euch in der Bitte an Jesus, den Hohenpriester, daß er euren Priestern die Gnade und die Beharrlichkeit und die tiefe, aus der Treue zu den Forderungen ihrer Berufung kommende Freude gewähre. Da die sakramentale Gleichgestaltung mit Christus, dem Hirten und Haupt der Kirche, nicht von der täglichen Nachfolge seines Beispieles selbstloser Liebe getrennt werden kann, sind alle Priester dazu berufen, echte Askese zu üben. Um dem Geschenk des Zölibats in vollkommener Enthaltsamkeit treu zu bleiben, ist es von wesentlicher Bedeutung - wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt daß sie demütig beten, ständigen Gebrauch aller für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Hilfsmittel machen und die klugen Normen der Selbstdisziplin beachten, die die Kirche aufgrund ihrer langen Erfahrung empfiehlt (vgl. Presbyterorum Ordi-nis, Nr. 16). Was die Einsamkeit anbelangt, die mitunter das priesterliche Amt begleiten kann, so sollten eure Priester ermutigt werden, soweit es die lokale Situation erlaubt, gemeinsam zu leben und ihre Mühen vollständig auf das priesterliche Amt auszurichten. Sie sollten so oft wie möglich zu einem brüderlichen Austausch von Ideen, Ratschlägen und Erfahrungen Zusammenkommen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 74). Auch den Seminaristen ist vomehmliche Priorität einzuräumen. Es ist von vitaler Bedeutung, daß die zukünftigen Diener des Evangeliums nicht nur akademisch gut ausgebildet werden, sondern ebenso auf der geistlichen Ebene, daß sie sich vollkommen der Sorge für die Seelen widmen und mit Eifer ihre Brüder und Schwestern auf den Wegen des Heiles leiten. Diejenigen, die mit der Ausbildung betraut sind, müssen imstande sein, den Kandidaten beizustehen in ihrem Wachstum in Richtung auf die neue „Identität“ hin, die ihnen bei der Weihe verliehen wird. Sie selbst sollten beispielhafte Modelle priesterlicher Lebensführung sein. Auch müssen sie sich klar sein in bezug auf das Verhalten, das von den Kandidaten auf das Priesteramt erwartet wird; denn es wäre ungerecht, die Seminaristen sich weiterhin auf ihre Weihe vorbereiten zu lassen, wenn sie nicht innerlich und bewußt die ob- 916 AD-LIMNA -BES UCHE jektiven Forderungen angenommen haben, die das Amt stellt, das sie im Begriff sind zu übernehmen. 5. In der Arbeit für das Kommen des Gottesreiches spielen Ordensmänner und -liauen eine lebenswichtige Rolle in euren Ortskirchen. Ebenso sind die Missionspriester, die Schwestern und Brüder, die mit euch die pastoralen Bürden eurer Diözesen teilen, mutige Diener der Frohbotschaft. Ihre Anwesenheit und großzügige Hingabe ist eine große Quelle der Ermutigung für die Gläubigen. In ihnen kann man effektiv die Universalität der Kirche und ihre Solidarität sehen, welche die Gemeinschaft der Teilkirchen untereinander charakterisiert. Wo es im Sudan einfach nicht genügend Priester gibt, die das Evangelium predigen und den pastoralen Dienst versehen, spielen Katechisten eine wesentliche Rolle, um den geistlichen Bedürfnissen eurer Gemeinden nachzukommen. Daher müssen sie sich zutiefst ihrer Rolle bewußt sein, und es muß ihnen in jeder Beziehung geholfen werden, ihrer Verantwortung und ihren Verpflichtungen gegenüber der eigenen Familie gerecht zu werden. 6. Trotz aller Schwierigkeiten, die euch begegnen, ist die Kirche im Sudan aktiv an der Erziehung beteiligt. Katholische Schulen stehen in gutem Ruf und bieten einen hohen Standard an Bildung, so daß viele Leute versuchen, ihre Kinder dort unterzubringen. Was die moralische und zivile Unterweisung der Jugendlichen und Erwachsenen in den Abendschulen anbelangt, die in vielen Pfarreien angebo-ten wird, so stellt diese einen überaus wichtigen Beitrag zur Zukunft der christlichen Gemeinschaft und Gesellschaft als Ganzes dar. Solche Erziehungstätigkeit kann eine große Hilfe zur Überwindung ethnischer Spannungen sein, da sie Menschen unterschiedlicher Rassen und sozialer Herkunft zusammenbringt. Da das Landesgesetz die religiöse Unterweisung in den Schulen zur Pflicht macht, muß die Kirche im Sudan sicherstellen, daß katholische Schüler sich dieser Gelegenheit auch bedienen können. Daher muß für gut ausgebildete katholische Lehrer gesorgt werden, die den christlichen Schülern den Glauben darstellen. Eure Priester und Angehörigen von Ordensgemeinschaften sind besonders gut für diese Aufgabe gerüstet und sollten daher auch alle Ermutigung und nötige Vorbereitung erfahren, um dieses wichtige Apostolat zu übernehmen. Während meines Besuches in Khartoum im Jahre 1993 gab ich meiner Hoffnung Ausdruck, es würde eine neue Ära des konstruktiven Dialogs und guten Willens zwischen Christen und Muslimen eingeleitet. Selbst in den besten Zeiten ist der interreligiöse Dialog keine leichte Aufgabe. In eurem Land ist dies ein mutiger Akt der Hoffnung auf einen besseren Sudan und eine bessere Zukunft für seine Menschen. Ich bemerkte bereits in meinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa, daß ein wesentliches Thema des christlich-muslimischen Dialogs das Prinzip der Religionsfreiheit sein sollte, und zwar mit all dem, was der Begriff Freiheit beinhaltet, wie z. B. die äußeren und öffentlichen Glaubenskundgebungen (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 66). 917 AD-LIMNA-BESUCHE Ich lege euch dringend ans Herz, nicht in euren Bemühungen nachzulassen, einen solchen Dialog herzustellen und auf jeder Ebene zu fördern. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, es gibt keinen Zweifel, daß die Umstände, unter denen ihr euer pastorales Amt auszuüben habt, euch auf eine harte Probe stellen. Die Gedanken, die ich heute mit euch teile, wollen eine Quelle der Ermutigung sein, wenn ihr bemüht seid, „vielen im Glauben beizustehen, die Wankelmütigen zu stärken und jene zurückzurufen, die sich verirrt haben“ (Pastoralschreiben der sudanesischen Bischöfe He Should Be Supreme in Every Way, Oktober 1995). Jeden Tag schließe ich die Christen des Sudan in meine Gedanken und Gebete ein. Die ganze Kirche fühlt sich zutiefst solidarisch mit den Opfern der Ungerechtigkeit, der Konflikte und Hungersnot, mit dem Elend der Flüchtlinge und Verschleppten, mit den Leiden der Kranken und Verletzten. Jeder von uns Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien ist dazu berufen, eins zu sein mit dem Ostermysterium des Todes und der Auferstehung unseres Herrn, vom Tode zum Leben zu gelangen, die Prüfungen anzunehmen, die uns reinigen und uns helfen, das zu leben, was wahrhaft wesentlich ist: die Frohbotschaft Jesu Christi, der uns versichert: „Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Ich vertraue euch und die Kirche im Sudan der Fürsprache der sei. Josephine Bak-hita und des sei. Daniel Comboni an, sind sie doch eure himmlischen Patrone, deren Leben und Zeugnis so eng mit eurem Land verbunden sind. So rufe ich denn auf euch alle die göttlichen Gaben der Hoffnung und des Vertrauens herab. Als Unterpfand des Friedens und der Stärke in Gott erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die HAUSKIRCHE als Grundzelle kirchlichen Lebens fördern Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Uganda am 13. Oktober Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! l.Mit brüderlicher Zuneigung heiße ich euch, die Bischöfe Ugandas, herzlich willkommen in der Hoffnung, daß „der Herr des Friedens euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise schenken möge“ (vgl. 2 Thess 3,16). Gemeinsam mit euch grüße ich heute auch die Priester, die Ordensleute und gläubigen Laien eurer Diözesen. Vor vier Jahren hatte ich die große Freude, euer Land besuchen zu können, und dieses Ereignis habe ich noch lebhaft in Erinnerung, insbesondere euren herzlichen Empfang, euer eifriges Gebet und eure feste Entschlossenheit, treue Söhne und Töchter der Kirche zu sein. Bitte versichert eure Gläubigen meiner Nähe und Unterstützung bei ihren Bestrebungen, in Christus zu wachsen und jenen „neuen Menschen anzuziehen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (vgl. Eph 4,24). 918 AD-LIMNA-BESUCHE Seit eurem letzten Ad-limina-Besuch ist die katholische Gemeinde in Uganda, trotz ständiger Prüfungen und Herausforderungen, reich gesegnet worden. Ein weiteres Geschenk der göttlichen Liebe war die Einrichtung von drei neuen kirchlichen Verwaltungsbezirken: die Diözese Kasana-Luweero, die Diözese Lugazi und die Diözese Nebbi — ein willkommenes Zeichen der großen Vitalität eurer Kirche. Gemeinsam wollen wir dem Herrn danken, der wachsen läßt (vgl. 1 Kor 3,7). 2. Christus wird nie aufhören, fromme Hirten für sein Volk zu berufen, und ihr seid als Nachfolger der Apostel für das schwere Amt bestimmt worden, den euch anvertrauten Teil der Kirche zu lehren, zu führen und zu heiligen. Euch ist der „Dienst der Versöhnung“ {2 Kor 5,18) aufgetragen worden, ein wesentliches Element jenes pastoralen Dienstes, den ihr in euren Teilkirchen leistet. „Die Kirche in Afrika empfindet das Bedürfnis, durch das Zeugnis ihrer Söhne und Töchter für alle zum Ort einer echten Versöhnung zu werden. Wenn sie sich gegenseitig verziehen und miteinander versöhnt haben, werden sie der Welt die Vergebung und die Versöhnung bringen können, die Christus, unser Friede (vgl. Eph 2,14), der Menschheit durch seine Kirche anbietet“ (Ecclesia inAfrica, Nr. 79). Aus euren Fünfjahresberichten geht deutlich hervor, daß ihr euch dieser Notwendigkeit der Versöhnung durchaus bewußt seid. Einerseits weist ihr berechtigterweise auf die großen Fortschritte zur allgemeinen Förderung von Frieden und Sicherheit in eurem Land hin, anderseits ignoriert ihr aber auch durchaus nicht die tragische Tatsache, daß es in gewissen Teilen des Landes immer wieder zu neuen Ausbrüchen von Gewalttätigkeit kommt. Daraus geht eindeutig hervor, daß Uganda zwar die Schattenseiten einer von Kämpfen, Spannungen und Blutvergießen gekennzeichneten Vergangenheit hinter sich zu lassen versucht, daß aber bei weitem noch nicht alle den Frieden bedrohende Gefahren beseitigt worden sind und die Versuchung, frühere Auseinandersetzungen aufrechtzuerhalten und zu schüren, noch immer stark ist. Aus diesem Grund ist es heute Aufgabe der Kirche in Uganda, dem Befehl Gottes, eine Gemeinschaft der Versöhnung aufzubauen, mit stets größerer Entschlossenheit zu folgen. 3. Die katholischen Laien haben eine ganz besondere Rolle auf diesem Gebiet, denn vor allem ihnen sind weltliche Belange, wie Politik, Wirtschaft und leitende Positionen in der Gesellschaft anvertraut (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31; Christifi-deles laici, Nr. 15). ln diesen Bereichen sind sie aufgerufen, „sich unmittelbar um den Dialog oder um die Förderung des Dialogs für den Frieden zu bemühen“ (Re-conciliatio et paenitentia, Nr. 25). Daher ist es ganz besonders wichtig, daß ihr -als Hirten und Führer des Gottesvolkes - sowohl auf diözesaner Ebene als auch im Bereich der Pfarrgemeinde für Programme sorgt, die eine angemessene Ausbildung der Laien ermöglichen. Nun, nach der Veröffentlichung der überarbeiteten Ausgabe des Allgemeinen Katechismus, wäre eine nationale Version zur weiteren Vertiefung der kirchlichen Lehre für eure Bevölkerung von großem Nutzen. 919 AD-LIMNA-BESUCHE Die Katechese ist ein wesentlicher Teil der kirchlichen Sendung, und der unablässige, gemeinschaftliche Einsatz eurer Bischofskonferenz ist für die Erziehung und Ausbildung der Gläubigen, insbesondere für Jugendliche und Kinder, die keine schulmäßige Erziehung erhalten, von großer Notwendigkeit. Eure ganz besondere pastorale Sorge sollte den Katechisten gelten; aufgrund ihrer tiefen Gläubigkeit und Hingabe war ihre Rolle seit den Anfängen der Kirche in Uganda von wesentlicher Bedeutung, und auch heute noch sind sie aufgerufen, durch ihr Beispiel und ihre Selbstlosigkeit zur religiösen Unterweisung ihrer Gemeinschaften beizutragen. Die verschiedenen Trainingszentren für die Katechese sollten bei der Verbreitung und Vertiefung ihrer Programme unterstützt werden, damit Katechisten in zunehmendem Maße die notwendigen Fähigkeiten erlangen, um auf wirksame Art und Weise den an sie gestellten Anforderungen zu entsprechen. 4. Im allgemeinen nehmen die gläubigen Laien Ugandas eine zunehmend aktivere und verantwortungsbewußtere Rolle im Leben ihrer Ortskirchen ein. In kleinen christlichen Gemeinschaften, in Vereinigungen und Bewegungen wachsen sie im Glauben und in christlicher Heiligkeit. Durch ihren Einsatz in Pfarrgemeinde- und Diözesanräten und anderen Gremien innerhalb der Gemeinde tragen sie zum Aufbau der Kirche als Gemeinschaft all ihrer Glieder bei. Dieser Reichtum an Eifer und Begeisterung ist eurer pastoralen Führung gleichsam als Gnade und Pflicht anvertraut. Er ist die Grundlage, auf der ihr das gesamte Gottesvolk in Uganda vorbereiten könnt, das bevorstehende Große Jubeljahr 2000 als freudige Erneuerung des Glaubens an Jesus Christus, „den einzigen Erlöser der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8) zu feiern. Bei all dem bleibt die Pfarrei natürlich Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft und jeder pastoralen Tätigkeit, denn es ist die Pfarrgemeinde, „die für die unmittelbare persönliche Erziehung und Ausbildung der Laien eine besondere Verantwortung trägt“ und ihr erlaubt, „die immensen außerordentlichen Reichtü-mer und Verantwortungen der Taufe zu verstehen und zu verwirklichen“ (Christi-fideles laici, Nr. 61). Daher sollte man sich bemühen, neue Pfarreien zu gründen, insbesondere dort, wo die bereits existierenden aufgrund einer übermäßig großen Bevölkerung oder territorialen Ausweitung überfordert sind. Eine größere Anzahl von Pfarreien und die zahlen- und flächenmäßige Reduzierung ausgedehnterer Pfarrgemeinden wird eine verstärkte Aufmerksamkeit für die pastoralen Belange von Einzelpersonen und Familien ermöglichen und den wirksamen Dienst der für die Pfarrgemeinde verantwortlichen Priester erleichtern. 5. Aufgrund eurer individuellen und gemeinschaftlichen Bemühungen trägt die Kirche in Uganda auf überaus aktive Art und Weise zur Einrichtung und Förderung von Strukturen und Institutionen bei, die der Gesellschaft ermöglichen, auf Anforderungen und Erwartungen der Bevölkerung einzugehen. Im Bereich der Erziehung, des Gesundheits- und Sozialwesens ist eine starke katholische Präsenz erkennbar, und eure Führung hilft vielen Gläubigen bei der Bewältigung gewisser 920 AD-LIMNA-BESUCHE schwerer Probleme, wie die Aids-Plage, die euer Land ganz besonders hart getroffen hat. In eurem Pastoralbrief Möge euer Licht leuchten betont ihr, daß diese tragische Situation „viel Solidarität, große Liebe und Sorge für die Opfer der Krankheit, Hochherzigkeit gegenüber den Waisen und die Verpflichtung zu einer neuen sittlichen christlichen Lebensweise erfordert“ (vgl. Pastoralbrief Let Your Light Shine, 28). Damit habt ihr zum Nachdenken über die tieferen moralischen und gesellschaftlichen Fragen in Verbindung mit dieser Krankheit angeregt und jedermann aufgefordert, sich entschlossen gegen eine gefährliche Zerstörung von Werten zu stemmen, die bereits in vielen Menschen Kleinmut und Gleichgültigkeit gegenüber Tugendhaftigkeit und den wahren Fortschritt der menschlichen Gesellschaft verursacht. Eine angemessene Antwort auf diese Herausforderung verlangt die wirksame Inkulturation der christlichen Botschaft, eine heikle und schwierige Aufgabe, „denn sie stellt die Treue der Kirche zum Evangelium und zur apostolischen Überlieferung in der ständigen Entwicklung der Kulturen in Frage“ {Ecclesia in Africa, Nr. 62). Diese Inkulturation steht in Uganda einer Reihe von Herausforderungen gegenüber, insbesondere im Bereich des ehelichen und familiären Lebens. Eure unermüdlichen Bemühungen, Eheleute bei der Entdeckung der Wahrheit und Schönheit der Anforderungen ihres neuen gemeinsamen Lebens in Christus zu helfen, sind ein unerläßlicher Aspekt eures Amtes. Die als „Hauskirche“ bezeichnet Grundzelle kirchlichen Lebens muß stets einen besonderen Platz unter den pastoralen Anliegen der Kirche einnehmen. Das Apostolische Schreiben Familia-ris consortio bietet einen grundlegenden Rahmen für eine wirksame Katechese, vor allem auf dem wichtigen Sektor der Ehevorbereitung. Den Gläubigen soll geholfen werden, die Bedeutung und sakramentale Würde der Ehe zu verstehen, und die gesamte katholische Gemeinde sollte sie bei der vollen Erfüllung ihres Versprechens nach besten Kräften unterstützen. Bei dem durch die Gnade und das Licht des Evangeliums bewirkten Emeuerungs-prozeß des Familienlebens erfordert das Konzept der verantwortlichen Elternschaft ganz besondere Aufmerksamkeit (vgl. Familiaris consortio, Nr. 28 ff). Eltemsein bedeutet am Werk Gottes als Urheber des Lebens teilhaben. Der richtige Kontext für die Entstehung und Entwicklung neuen menschlichen Lebens ist die auf dem absoluten und unwiderruflichen gegenseitigen Sich-Schenken begründete unauflösliche und ausschließliche Einheit der Eheleute. Das beharrliche Eintreten der Kirche für die monogamische Ehe ist kein Aufzwingen eines fremden Ideals zur Verdrängung einheimischer Traditionen. Vielmehr verkündet die Kirche in treuer Liebe zu ihrem Herrn, daß Christus „den Plan [erneuert], den der Schöpfer am Anfang in das Herz von Mann und Frau eingeschrieben hat, [...] so sind die christlichen Ehegatten bemfen, wirklich teilzuhaben an der unwiderruflichen Unauflöslichkeit, welche Christus an seine Braut, die Kirche, bindet, die er geliebt hat bis zur Vollendung“ {Familiaris consortio, Nr. 20). Das gleiche Dokument fordert jeden Bischof auf, dafür zu sorgen, „daß seine Diözese immer mehr zu ei- 921 AD-LIMNA-BESUCHE ner ,Diözesanfamilie‘ wird, Vorbild und Quelle der Hoffnung für die vielen Familien im Bistum“ (Familiaris consortio, Nr. 73). 6. Eine wertvolle Hilfe für die Christgläubigen, die sich bemühen, ihre eheliche Liebe Gottes Willen entsprechend zu leben, ist die Treue, mit der Priester und Ordensleute an ihrem Versprechen der Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit festhalten. „Ehe und Jungfräulichkeit sind die beiden Weisen, das eine Geheimnis des Bundes zwischen Gott und seinem Volk darzustellen und zu leben“ (Familiaris consortio, Nr. 16.) Treue ist die Grundlage für jedes Bündnis. In unserer heutigen Zeit, die dringend einen tiefen Sinneswandel im Hinblick auf sexuelle Sittlichkeit und eheliche Liebe braucht, müssen wir darauf vertrauen, daß der Herr noch immer viele seiner Jünger „um des Himmelreichs willen“ (vgl. Mt 19,22) zur Ehelosigkeit auffordert. Gleichzeitig wollen wir überzeugt sein, daß er den Auserwählten um so größere Kraft schenken wird, wenn sie versuchen, diesem Aufruf zu folgen und bereitwillig all jene Opfer bringen, die eine aufrichtige Antwort auf die Berufung zu Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit erfordern. Das Beispiel von Priestern und Ordensleuten, die ihrer Berufung wahrhaft entsprechen, wird den Laien helfen, zu jener Selbstverleugnung fähig zu sein, die die Treue zum Plan des Schöpfergottes im Hinblick auf die menschliche Sexualität verlangt. Auf diese Weise wird das gesamte heilige Volk Gottes ein wahrhaft fruchtbringendes Leben führen und immerwährendes Glück finden (vgl. Familiaris consortio, Nr. 16). Die Priesterausbildung soll stets eines unserer vorrangigen Anliegen sein. Ich ermutige euch, auch weiterhin für ein hohes akademisches Niveau eurer Seminare Sorge zu tragen und gleiche Ansprüche auch für die geistliche und pastorale Formung eurer Seminaristen zu erheben. Es ist wichtig, daß sich durch die Ausbildung ein Verhältnis tiefer Verbundenheit und Freundschaft zwischen Jesus, dem guten Hirten, und den Priesterkandidaten herausbildet (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 42). Priester und Ordensleute brauchen eure väterliche Unterstützung und Führung und können aus jenen Weiterbildungsprogrammen, die auf wirksame Art und Weise „die Gnade Gottes entfachen, die in ihnen ist“ (vgl. 2 Tim 1,6) großen Nutzen ziehen. Ganz besonders wichtig ist, daß den Ordensfrauen genügend kompetente geistige Begleiter und Beichtväter zur Verfügung stehen, Priester, die mit dem geweihten Leben vertraut sind und die Fähigkeit haben, sie in ihrem Gelöbnis zu stärken. 7. In Christus erneuert sich alles, in der Taufe haben die Gläubigen ihren alten Menschen abgelegt, der zu ihrem früheren Leben gehörte (vgl. Eph 4,22), damit es nicht Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau mehr gibt, sondern alle ,einer4 in Christus Jesus sind“ (vgl. Gal 3,28). Stammesrivalitäten und ethnische Feindseligkeiten haben keinen Platz in der Kirche Gottes oder in seinem heiligen Volk. Die katholische Gemeinschaft in Uganda hat vielmehr die wichtige Aufgabe, euer Land beim Aufbau einer besseren Zukunft zu unterstützen, wo die bürgerliche Gesellschaft in einem von Achtung und Eintracht gekenn- 922 AD-LIMNA-BESUCHE zeichneten Klima heranreifen kann. Das ist eure Botschaft, wenn ihr das Reich Gottes verkündet und Männer und Frauen zur Teilhabe am Glanz jener Wahrheit auffordert, die „in den Werken des Schöpfers erstrahlt und ... den Verstand erleuchtet und die Freiheit des Menschen formt, der auf diese Weise angeleitet wird, den Herrn zu erkennen und zu lieben“ (vgl. Veritatis splendor, Einleitung). Liebe Brüder im Bischofsamt, ich hoffe, daß diese durch euren Besuch angeregten Gedanken euch in eurem Dienstamt an den euch Anvertrauten stärken werden. In Erinnerung an das heroische Zeugnis des hl. Charles Lwanga und seiner Gefährten bitte ich den Herrn, daß die heiligen Märtyrer Ugandas stets eine Quelle der Inspiration und Erneuerung sein mögen und euch und euer Volk auf dem Weg zur Heiligkeit, Wahrheit, Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (vgl. Rom 8,21) begleiten werden. Ich vertraue die Kirche Ugandas dem Schutz Marias, der Mutter aller Gläubigen und Königin Afrikas, an und erteile von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Kirche Weißrußlands — Zeichen der Hoffnung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Weißrußlands am 7. April Verehrter Herr Kardinal, lieber Bischof von Grodno! 1. „Friede sei mit euch“ (vgl. Mt 28,9 u. par.). Voll Freude verwende ich bei unserer Begegnung den Gruß des auferstandenen Christus. Durch euch richte ich seinen Gruß an die Kirchengemeinden eures geliebten Landes, die einen von der Vorsehung gewollten Frühling erleben, nachdem sich der Winter der heftigen Verfolgung über lange Jahrzehnte hingezogen hatte. Sie zeigte sich in der systematischen Hinführung der Bevölkerung und insbesondere der Jugendlichen zum Atheismus, in der fast völligen Zerstörung der kirchlichen Strukturen sowie in der Zwangsschließung der Stätten christlicher Bildung. Wie sollte man angesichts der gegenwärtigen geistigen Wiedergeburt nicht vor allem dem Herrn danken, der die Türen der Kultfreiheit - auch wenn es noch eine bedingte ist - für euch geöffnet und die Herzen dazu bewegt hat, den Einlaß junger Kräfte von Priestern und Ordensleuten in euer Land gleichzeitig mit dem Aufbau oder der Restaurierung zahlreicher Kirchen und Kapellen zu gestatten? Dies alles wurde auch dank der solidarischen Hilfe vieler in der Welt verstreuter Brüder und Schwestern durchgefuhrt, denen mein dankbares Gedenken gilt. Gott, dem gütigen Vater, der schließlich dem Schrei seines unterdrückten Volkes Gehör geschenkt hat, und nicht wenigen Männern und Frauen guten Willens, die sich zu Werkzeugen seiner Fürsorge gemacht haben, gebührt also unsere Dankbarkeit für den, wenngleich unter sehr großen Schwierigkeiten fortschreitenden Wiederaufbau des kirchlichen Gemeinschaftsgefiiges in Weißrußland. 2. Es sind nun drei Jahre her, daß auf dieses Werk der „gegenständlichen“ und spirituellen Wiederherstellung eures Vaterlandes von staatlicher Seite die Anerken- 923 AD-LIMNA-BESUCHE nung der Erzdiözese Minsk-Mohilev und der Diözese Pinsk als juristische Personen gefolgt ist, während die Verbindung mit dem Apostolischen Stuhl nach und nach sichtbar wurde durch die Berufung und die Präsenz eines päpstlichen Vertreters „vor Ort“ als Zeichen meiner besonderen Achtsamkeit und meiner Liebe für eure Ortskirche und für ganz Weißrußland. Ich bin zuversichtlich, daß man auf dem eingeschlagenen Weg - gemäß dem, was in den bilateralen Vereinbarungen festgelegt und zugesagt wurde — mit den rechtlichen Anerkennungen und den administrativen Bestimmungen zugunsten sowohl deijenigen fortschreiten wird, die keine weißrussischen Staatsbürger sind und derzeit großherzig ihre Kräfte im apostolischen Dienst dem Land zur Verfügung stellen, als auch zugunsten von Einrichtungen von Ordensleuten, die Häuser auf dem Staatsgebiet eröffnen wollen. Die katholische Kirche will auch in Weißrußland ein Zeichen der Hoffnung für die sein, die ihre Arbeitskraft im Hinblick auf eine bessere Zukunft des Friedens und der Wiederaussöhnung für alle aufwenden. Die Bemühung um die pastorale Strukturierung der Diözese Grodno und das Engagement der Diözesansynode von Minsk-Mohilev und Pinsk verdienen Ermutigung und Unterstützung. 3. Verehrte Brüder im Bischofsamt, betrachte ich euren Eifer und den der Geistlichen, der Ordensleute und der Laien, dann kann ich nicht umhin, mit verantwortungsvollem Vertrauen in die Zukunft zu blicken. Es stütze euch das Bewußtsein der Liebe Gottes, der die Geschicke der Menschen lenkt und die Fügung der Geschichte in seinen Händen hat. Die Jungfrau Maria, die von eurem Volk geliebt und besonders im Heiligtum von Budslav verehrt wird, leite euch. In der Seele getröstet von diesen Gewißheiten, möchte ich nun zusammen mit euch einige schwerwiegende Probleme gesellschaftlicher und religiöser Natur bedenken, die ihr dem Bischof von Rom in euren Fünijahresberichten bei diesem Besuch „ad limina Apostolorum“ unterbreiten wolltet. Die kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Situation eures Landes, die schwierig und unbeständig erscheint, beunruhigt euch; ebenfalls belastet euch die fortschreitende Verarmung breiter Gesellschaftsschichten, die bei einigen eine gefährliche Sehnsucht nach der Vergangenheit erzeugt. Diesen Problemen widmet ihr stete Aufmerksamkeit und seid bereit, jeden für ihre Lösung nützlichen Beitrag zu leisten. Eure Fürsorge richtet sich jedoch hauptsächlich auf die religiösen „Notstände“, die in den Unterredungen dieser Tage herausgestrichen wurden. Es liegen euch vor allem die Sorge für die Priester und die Ausbildung der Priester am Herzen, die den Laien und den christlichen Gemeinschaften in deren geistlichem Wiederaufleben beistehen. An sie denke ich voll Dankbarkeit, denn ihr Amt ist besonders hart, und ich bin mir dessen wohl bewußt. Denn nach so vielen Jahren der Verwahrlosung ist die Umgebung, in der sie wirken, oft feindselig, das urbar zu machende Feld voller Gestrüpp und Domen. Die Gläubigen sind meistens über sehr ausgedehnte Gebiete verstreut und noch ver- 924 AD-LIMNA-BESUCHE ängstigt. Die Einsamkeit der Priester ist bisweilen schwer zu ertragen, da diese nicht selten aufgrund der pastoralen Anforderungen weit voneinander entfernt leben. Auch gibt es unter ihnen, was Herkunft, Ausbildung, Lebenserfahrung und Mentalität anbelangt, wenig Gemeinsamkeiten. Liebe Priester, dieser eurer Schwierigkeiten wohl bewußt, wende ich mich an euch in Liebe, umarme euch und wiederhole euch den Zuspruch, den ich zu Anfang meines römischen Pontifikats an die gesamte Kirche gerichtet habe: „Habt keine Angst!“, „Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II., B. I, S. 38; O.R.dt., 27.10.1978, S. 2). Der Herr Jesus hat die Welt besiegt (vgl. Joh 16,33), und mit ihm habt ihr bereits den Sieg davongetragen. Es ist nicht nötig, euch, geliebten Brüdern im Bischofsamt, ans Herz zu legen, eure Priester zu lieben, sie durch euer Gebet und eure Nähe, durch Worte und auch durch materielle Hilfe zu unterstützen, da ihr dies bereits mit großherziger Hingabe tut. Meine Sache ist nur, euch zu bestärken, darin beharrlich zu sein. Fahrt auch fort mit der guten Tradition der monatlichen Klerusversammlungen. Die Begegnung von Bischof und Priestern ist immer eine günstige Gelegenheit zur Brüderlichkeit und zu geistlichem Wachstum. Fahrt fort, den Geistlichen in ihrem persönlichen asketischen Bemühen und ihrer ständigen Weiterbildung nachzugehen, und laßt euch dabei für das nötige „Aggiornamento“ von den Anweisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils anregen. Kein Hindernis soll euch entmutigen oder eure apostolische Begeisterung bremsen. 4. Was die Bildung betrifft, denke ich sowohl an die ständige Weiterbildung für die Priester als auch an die Vorbereitung der Priesteramtskandidaten. Ist nicht vielleicht dies das dringendste Problem? Die Berufenen herauszuflnden, ihre Berufung zu pflegen und ihrem Bildungsweg zu folgen, das ist eine Verpflichtung, von der die Zukunft der Kirche im Land abhängt. Es ist erforderlich, Priester vorzubereiten, die allmählich die Stelle deijenigen einnehmen können, die aus anderen Gegenden gekommen sind und sich in diesen Jahren mit so großer Selbstlosigkeit unter euch aufopfem. Eine entsprechende Anstrengung wird man für das nun erneuerte interdiözesane Seminar von Grodno unternehmen müssen, das auf diese Weise nach und nach von Oberen und Lehrern geleitet werden kann, die aus dem Land selbst stammen. Gewiß ist augenblicklich die Ausbildung der Priester, die berufen sind, „homines Dei et hominum“ zu sein, nicht leicht, wenn noch stark die Auswirkungen des „homo sovieticus“ zu spüren sind, der in Jahrzehnten atheistischen Regimes geformt worden war. Laßt euch in diesem Zusammenhang nicht entmutigen. Zählt vielmehr auf die heilende Gnade Christi, auf die Hochherzigkeit, die aus einer Berufung alles umfassender und hingabebereiter Liebe kommt, und auf das geistige und fächerübergreifende Wirken der Erzieher. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ (Mt 9,37), gibt uns Jesus im Evangelium zu bedenken. In Erwartung, daß der jetzige Einsatz bei der Priesterausbildung Frucht bringe, seht euch um, und klopft beharrlich bei anderen lokalen Kirchen an, um Priester und Ordensmänner und Ordensfrauen unterschiedlicher 925 AD-LIMNA-BESUCHE Herkunft zu bekommen, auch in Anbetracht der Haltung der Regierung in diesem Zusammenhang. Im Bereich des Ordenslebens sodann diene euch das Apostolische Schreiben Vita consecrata als Licht auf dem Weg und Trost bei Schwierigkeiten. Hier wird auf sehr präzise Weise die Achtung der Kirche für das geweihte Leben geäußert, für das, was es in sich ist, und für den kirchlichen Sinn, den die besitzen müssen, die Christus aus der Nähe folgen. 5. Eine andere Seite der Pastoralarbeit, die ich hervorheben möchte, ist das Apostolat gegenüber der „Intelligentia“, d. h. gegenüber denjenigen, die in den verschiedenen Bereichen der Kultur tätig sind. Das ist eine Verpflichtung, die nicht vernachlässigt werden sollte, auch wenn ich wohl weiß, daß die Sorge um die Jugend und die Familie eine von euch selbst festgesetzte Priorität hat. In der Tat scheint alles vorrangig zu sein, wenn man auf der einen Seite den ethischen Zusammenbruch der Gesellschaft bedenkt und auf der anderen die beim Durchschnittsbürger noch gegenwärtige „sowjetische“ Mentalität. Eine neue und mutige Evangelisierungstätigkeit muß geplant werden, die sich der veränderten geschichtlichen und gesellschaftlichen Lage des Augenblicks anpaßt. Widmet euch ohne Unterbrechung dieser Evangelisierungstätigkeit, und berücksichtigt dabei namentlich das große geschichtliche Ereignis des Jubiläumsjahres 2000. Die neue Evangelisierung kann nicht von einer mutigen Arbeit der menschlichen Förderung absehen, vorausgesetzt, daß sich diese nach dem Dienst an jedem Menschen und am ganzen Menschen ausrichtet. In diesem Zusammenhang kann die von der „Karitas“ ausgeübte Tätigkeit einen bedeutsamen Beitrag bieten. Ich gratuliere euch dazu, daß diese, zumindest als zentrale Struktur, in allen drei weißrussischen Diözesen entstanden ist, und wünsche ihr die Möglichkeit zur Entwicklung in Aufbau und Wirken. Hierzu soll sie sich vor allem die Hilfe aufrichtiger und mit Leidenschaft arbeitender Laien zunutze machen, die fachkundig sind und ein Empfinden haben für die Bedürfnisse von Kindern, Kranken, Armen, Alten und denjenigen, die auf der Suche nach einer entsprechenden Vorbereitung auf das Leben sind. 6. Ich kann diese Begegnung nicht abschließen, ohne zu erwähnen, daß der Dialog mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern in Weißrußland von der Tatsache erleichtert werden muß, daß auch die Katholiken mit ihnen sagen können: „Auch wir sind von hier!“ Es ist offensichtlich, daß die Gegenwart und das Apostolat der Kirche nichts mit „Proselytenmacherei“ zu tun haben noch „missionarisch“ in dem negativen Sinn sind, der diesem Wort in orthodoxen Kreisen zuweilen gegeben wird. Die Priester sind als Hirten der Herde anwesend, um auf den Bedarf nach geistlichem Beistand zu antworten, auf den jeder Gläubige Anrecht hat. Sucht also eurerseits vor allem den Dialog der Nächstenliebe mit denen anzuknüpfen, die andere Religionen oder gar keine haben. Achtet zunächst darauf, brüderli- 926 AD-LIMNA-BESUCHE che Beziehungen zu denen zu unterhalten, mit denen uns — auch wenn in einer noch unvollkommenen Gemeinschaft - die Werte des Evangeliums, die Seligpreisungen, das Vaterunser, die marianische Frömmigkeit, dieselben Sakramente, die apostolische Sukzession und die Liebe zur Kirche verbinden, welche ihr Bild im Geheimnis der Heiligen Dreieinigkeit findet. Die Zusammenarbeit mit ihnen und ihren Seelsorgern in menschlichen, kulturellen, karitativen und religiösen Initiativen ist bis zu dem Punkt berechtigt, an dem Treuegründe zum „depositum fidei“ dagegen sprechen, wobei euer Vorgehen ständig Besonnenheit und Mut vereinigen soll. Und da es für die Gläubigen des griechisch-katholischen Ritus auf weißrussischem Territorium derzeit keine feststehende Hierarchie gibt, möchte ich diese Gelegenheit wahmehmen, auch sie zu grüßen und zu segnen und ihnen zu versichern, daß ihre Freuden und Betrübnisse, ihre Ängste und Hoffnungen - zusammen mit denen der lieben Gläubigen des lateinischen Ritus - auch die meinen wie die der gesamten Menschheit sind (vgl. Gaudium etspes, Nr. 1). Euch und den eurer pastoralen Fürsorge anvertrauten Völkern gilt mein liebevoller Segen. Der Beitrag der Kirche zu Versöhnung und Frieden in Zaire Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe der Bischöfe aus Zaire am 3. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist eine Freude für mich, euch bei eurem Ad-limina-Besuch hier im Vatikan zu empfangen. Ihr Hirten der Kirche in Zaire aus den Kirchenprovinzen von Bu-kavu, Kisangani und Lubumbashi seid gekommen, um durch eure Pilgerreise zum Grab der Apostel euer Engagement im Dienst an der Mission Christi und seiner Kirche zu erneuern und um eure gemeinschaftlichen Beziehungen zum Nachfolger Petri zu stärken. Ihr kommt aus einem Land, das momentan eine allgemeine und tiefe Krise erlebt, zu der eure Bischofskonferenz schon mehrmals Stellung genommen hat. Diese Krise findet ihren Ausdruck in Korruption und Unsicherheit, in sozialer Ungerechtigkeit und ethnischer Feindschaft, in dem Zustand vollkommener Verwahrlosung, in dem sich das Erziehungs- und Gesundheitswesen befinden, in Hunger und Seuchen ... Dazu kommt jetzt noch ein Krieg, der mit all seinen tragischen Konsequenzen besonders eure Diözesen trifft. Welches Leid für die Menschen in Zaire! Ich wünsche, daß ihr in dieser schrecklichen Zeit hier bei uns Trost und Kraft finden könnt, um mit Zuversicht eure bischöfliche Mission innerhalb des euch anvertrauten Volkes weiterzuführen. Von Herzen danke ich Msgr. Faustin Ngabu, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Zaire, für seine erleuchtenden Worte über das Leben der Kirche in eurem Land; sie offenbaren die Hoffnung eu- 927 AD-LIMINA-BESUCHE rer Gemeinschaften inmitten ihrer schweren Prüfungen. Mit besonderer Zuneigung grüße ich die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Katechisten und alle Gläubigen eurer Region, und ich ermutige sie dazu, in diesen widrigen Umständen immer wahrhafte Zeugen Christi zu sein. Im Innersten bewegt, möchte ich auch das Andenken an jene wachrufen, die unter euch die Liebe Christi heldenhaft und bis zum Äußersten bezeugt haben: Msgr. Christophe Munzihirwa, Erzbischof von Bukavu, mehrere eurer Diözesanpriester, geweihte Menschen und Laien, die ihr eigenes Leben hingegeben haben, um ihre Brüder zu retten. Wie ihr selbst es ausgedrückt habt, scheint es so, als sei die Kirche „von den kriegerischen Ereignissen und den gegenwärtigen Gewalttaten in Zaire besonders betroffen“ (Botschaft der Bischöfe von Zaire, 31. Januar 1997). Mögen diese Opfer ein Ansporn für das Werk der Kirche in eurer Region sein und dem ganzen Volk von Gott die Wohltaten des Friedens und der Versöhnung erlangen! 2. Es liegt euch besonders am Herzen, den Priestern, euren nächsten Mitarbeitern, nah zu bleiben. Ich kenne die schwierigen Umstände, in denen sie oft leben müssen, und möchte ihnen von Herzen Mut zusprechen für ihren großzügigen Dienst an Christus und an ihren Brüdern. Die Kirche ist ihnen für ihre Arbeit, die das Volk Gottes in eurem Land entstehen und wachsen läßt, tief dankbar. Ich ermahne sie, „in totaler Selbsthingabe an die Sendung und in voller Gemeinschaft mit ihrem Bischof die Treue zu ihrer Berufung“ zu wahren (Ecclesia in Africa, Nr. 97). Seid für jeden von ihnen ein Vater und ein Führer im Priesteramt, aufmerksam gegenüber ihrem Leben und ihrem Dienst! Inmitten der christlichen Gemeinschaft müssen die Priester Beispiele für ein Leben nach dem Evangelium sein und eine tatsächliche Folgerichtigkeit an den Tag legen zwischen dem, was sie verkünden, und dem, was sie leben. Bei ihrem Pasto-raldienst werden sie vor allem darauf bedacht sein, daß Jeder Ethnozentrismus und jeder übertriebene Partikularismus ausgeschlossen und statt dessen versucht wird, auf die Aussöhnung und eine echte Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Völkerschaften hinzuarbeiten“ {Ecclesia in Africa, Nr. 63). Sie werden die Quelle ihres apostolischen Muts und ihrer Treue zu den Verpflichtungen ihrer Weihe - besonders zum Zölibat — in einer tiefen Liebe zu Christus finden, die zum Ausdruck kommt im regelmäßigen Empfang der Sakramente und im Gebet, das ihr Leben zusammenhält. Außerdem fordere ich sie auf, die Würde und die Pflichten der priesterlichen Berufung immer tiefer zu entdecken. Sie schließen aus dem Leben des Priesters all jene Tätigkeiten aus, die damit nicht in Einklang stehen. Um den Anforderungen des priesterlichen Dienstes immer besser zu entsprechen, ist die Weiterbildung eine zwingende Notwendigkeit, die das ganze Leben begleiten muß, um „dem Priester zu helfen, Diener im Geist Jesu und nach der Art Jesu, des Guten Hirten, zu sein und so zu wirken“ (Pastores dabo vobis, Nr. 73). 3. Es ist eine wesentliche Verantwortung eines jeden Bischofs, seine ganz besondere Fürsorge hinsichtlich der Ausbildung der zukünftigen Priester und für die 928 AD-LIMNA-BESUCHE Priesterseminare zu zeigen. In der Tat „ist der erste Repräsentant Christi in der Priesterausbildung der Bischof1 (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 65). Damit die Seminare wirkliche Gemeinschaften der Schulung für das Priesteramt seien, ist es unentbehrlich, daß man die Kandidaten gut kennenlemt, um so vor ihrer Aufnahme ein ernsthaftes Urteil über ihre Motivation zu ermöglichen, wobei man auch bedenken muß, daß „der innere Ruf des Geistes der Anerkennung seiner Authentizität durch den Bischof1 bedarf (ebd.). Eine menschliche, intellektuelle und sittliche Bildung auf gutem Niveau wird den zukünftigen Priester eine ausreichende Reife erlangen lassen, die ihn befähigt, sein Priesteramt in einer zuverlässigen persönlichen Ausgeglichenheit zu leben und die Begegnung zwischen Christus und den Menschen, zu denen er gesandt wird, zu fördern. Ich lade euch ein, über die Qualität der in den Seminaren vermittelten spirituellen Formung zu wachen. „Die geistliche Formung stellt für jeden Priester die Mitte dar, die sein Priestersein und sein Wirken als Priester zusammenhält und belebt“ (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 45). Die zukünftigen Verkünder des Evangeliums müssen entschlossen einen Weg der Heiligkeit einschlagen, um Hirten nach dem Herzen Gottes zu werden. Gruppen von Professoren und geistlichen Begleitern zusammenzustellen ist oft schwierig. Ich wünsche sehr, daß trotz der Einschränkungen, die dadurch anderen Bereichen der Pastoral auferlegt werden, ihr damit die würdigsten und für diese Aufgabe geeignetsten Priester betrauen könnt, denn dieser Auftrag ist für das Leben und für die Zukunft der Kirche sehr wichtig. Es ist notwendig, daß fähige Priester, denen die wirklichen Bedürfnisse der Kirche bewußt sind, auf diese Arbeit vorbereitet werden. Zusammenarbeit zwischen den Diözesen der gleichen Region kann helfen, dieses Thema mit größerer Leistungsfähigkeit zu behandeln. 4. Wie ihr es in euren Berichten hervorgehoben habt, ist das Ordensleben in eurem Land gut verwurzelt, und immer mehr Jugendliche folgen dem Ruf Gottes. Ich freue mich mit euch über diese Gnade, die Gott der Kirche in Zaire zuteil werden läßt. In der schwierigen Zeit, die eure Nation gegenwärtig durchmacht, muß das Zeugnis der gottgeweihten Menschen besonders herausgestellt werden: „Besondere Aufgabe des geweihten Lebens ist es, in den Getauften das Bewußtsein für die wesentlichen Werte des Evangeliums lebendig zu halten, indem sie ,ein deutliches und hervorragendes Zeugnis dafür geben, daß die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargebracht werden kann1“ (Vita consec-rata, Nr. 33). Mit besonderer Herzlichkeit grüße ich die Ordensmänner und Ordensfrauen, die sich mit großer Selbstlosigkeit dem Dienst an ihren armen, kranken, verschleppten und verbannten Brüdern widmen oder die sich auf verschiedene Art und Weise und in schwierigen Situationen - manchmal sogar unter Einsatz des Lebens — für mehr Gerechtigkeit und Brüderlichkeit einsetzen. Ich ermutige sie von ganzem Herzen, ihr Engagement in vollkommener Hingabe ihrer selbst fortzusetzen: „Blickt in die Zukunft, in die der Geist euch sendet, um durch euch noch große 929 AD-LIMNA-BESUCHE Dinge zu vollbringen“ (Vita consecrata, Nr. 110). Die heutige Welt braucht ihr prophetisches Zeugnis des Dienstes für Gott und der Liebe zu den Menschen, worin sich die Gegenwart des Herrn mitten unter den leidgeprüften Menschen offenbart. Dieses prophetische Zeugnis, das sich durch das gemeinschaftliche Leben als Zeichen der kirchlichen Einheit ausdrückt, muß auf den Klerus der Diözese ausgedehnt werden durch eine wahrhafte Brüderlichkeit zwischen den Ordens-priestem und den Mitgliedern des Weltklerus. In eurem Land sind in den letzten Jahren mehrere Institute des diözesanen Rechts entstanden und haben so die Vitalität eurer Ortskirchen gezeigt. Ich wünsche, daß sie mit großer Aufmerksamkeit begleitet werden, vor allem im Hinblick auf eine angemessene Ausbildung ihrer Mitglieder, damit sich diese Gemeinschaften gemäß den von der Kirche für das geweihte Leben festgelegten Regeln entwickeln. Das Apostolische Schreiben Vita consecrata wird eine kostbare Hilfe sein, um über die Bedeutung und den Auftrag des Ordenslebens in der heutigen Welt nachzudenken. 5. Die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten wirken sich auf viele junge Leute negativ aus. In euren Berichten habt ihr oft die Wunden aufgezeigt, von denen sie gezeichnet sind, und die daraus folgenden schmerzlichen Konsequenzen für ihre Zukunft. Die Jugendpastoral ist eine eurer vorrangigen Sorgen. Die schulischen und akademischen Einrichtungen der katholischen Kirche leisten einen wichtigen Beitrag zur menschlichen und geistigen Bildung der jungen Generation angesichts der großen Notlage, in der euer Land sich befindet. Außerdem möchtet ihr denen gegenüber aufmerksam sein, die keinen Zugang zur Schulausbildung haben oder abgewiesen werden, und denen, die ohne Arbeit sind, sich selbst ausgeliefert und ohne Hoffnung auf morgen. So viele Hindernisse müssen zu ihrer Entfaltung noch überwunden werden! Indem ich euch ermuntere, ihnen immer näher zu sein und ihre Fragen anzuhören, möchte ich - zusammen mit den Vätern der Synode für Afrika - erneut und mit Nachdruck zu ihren Gunsten plädieren: „Es ist notwendig und dringend geboten, eine Lösung für ihr ungeduldiges Verlangen zu finden, am Leben der Nation und der Kirche teilzunehmen“ (.Ecclesia in Africa,Vk. 115). Und ich richte an die Jugendlichen Zaires erneut den Aufruf, den diese Synode an alle jungen Menschen Afrikas richtete: Setzt euch für die Entwicklung eurer Nation ein, liebt die Kultur eures Volkes, und verwendet euch für sein Wiedererstarken in Treue zu eurem kulturellen Erbe, indem ihr euren wissenschaftlichen und technischen Geist vervollkommnet und vor allem für euren christlichen Glauben Zeugnis gebt! (vgl. ebd.). Ich fordere sie auf, den Mut nicht zu verlieren, sondern die Herausforderungen ihres Daseins mit der Kraft aufzunehmen, die Christus ihnen schenkt, und zu versuchen, eine wahre Solidarität zwischen den Menschen zu begründen, um ihre Zukunft aufzubauen. In dieser Welt sind sie aufgerufen, Ge-schwisterlichkeit zu leben, nicht als Utopie, sondern als reale Möglichkeit. Sie sind berufen, als echte Missionare Christi in dieser Gesellschaft die Kultur der Liebe zu errichten (vgl. Botschaft zum 12. Weltjugendtag, Nr. 8). 930 AD-LIMNA-BESUCHE 6. In euren Diözesen werden die Gläubigen dazu veranlaßt, mit ihren Brüdern anderer christlicher Konfessionen zusammenzuleben und zusammenzuarbeiten. „In ihrem Zeugnis in Afrika mit Christus verbunden, sind die Katholiken eingeladen, einen ökumenischen Dialog mit allen getauften Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Konfessionen in Gang zu bringen, damit die Einheit, für die Christus gebetet hat, Wirklichkeit werde und auf diese Weise ihr Dienst an den Völkern des Kontinents das Evangelium in den Augen aller Männer und Frauen, die Gott suchen, glaubwürdiger mache“ {Ecclesia in Africa, Nr. 65). Damit sie aber die Gläubigen Christi in Wahrheit auf die Wege der Einheit fuhren können, müssen diese brüderlichen Beziehungen zu den anderen Christen auf einer aufrichtigen, gegenseitigen Kenntnis gründen in Respektierung dessen, was die Grundlage der Gemeinschaft bildet, der man selbst angehört. 7. Die Sekten und die neuen religiösen Bewegungen sind heute eine Herausforderung, der sich die Kirche in eurer Region beharrlich stellen muß. Um den Katholiken die notwendigen Unterscheidungen zu ermöglichen und Antworten auf die von der Tätigkeit dieser Gruppierungen aufgeworfenen Fragen zu finden, ist es von wesentlicher Bedeutung, den Gläubigen erneut ihre Identität als Christen bewußt zu machen durch die Vertiefung ihres Glaubens an Christus als einzigen Retter der Menschen. Wenn man ihnen die Botschaft des Evangeliums - zentriert auf die Gestalt des Herrn Jesus, der in seiner Kirche lebt und wirkt - auf einfache und klare Weise näherbringt, wird man ihnen zu einer wirklichen Bekehrung des Herzens verhelfen. Eine gute Kenntnis des Wortes Gottes, in der Tradition verwurzelt, wird sie zu einer echten Spiritualität leiten und zur Entdeckung des Reichtums des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebetes, so in die eigene Kultur eingefugt, daß jeder sich ganz als Teilhabender fühlen kann. Der Katechismus der Katholischen Kirche bietet eine Hilfestellung erster Güte für diesen Ausbildungsauftrag. Man wird schließlich auch auf die Stärkung der Einheit des Gottesvolkes in den Kirchengemeinden hinarbeiten, wo „auf die Sorge um den anderen, die Solidarität, die Herzlichkeit der Beziehungen, die Annahme, den Dialog und das Vertrauen“ besonderen Wert gelegt werden soll {Ecclesia in Africa, Nr. 63). 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! In dieser Zeit schwerer Prüfungen für euer Land, das sich an einem für seine Zukunft entscheidenen Wendepunkt befindet, fordere ich die Katholiken Zaires mit Nachdruck auf, zusammen mit ihren Landsleuten zum Aufbau einer aufhahmebereiten Gesellschaft beizutragen, wo alle Bürger gleiche Anerkennung erfahren und in ihrer Würde geachtet werden. Ich habe den Wunsch, die für die kommenden Monate geplanten Wahlen mögen auch tatsächlich stattfinden können und es eurem Land erlauben, einen echten Rechtsstaat zu errichten. Die christlichen Gemeinschaften müssen besonders auf ihre Verantwortung hinsichtlich der Förderung der Gerechtigkeit und der Verteidigung der grundlegenden Menschenrechte hingewiesen werden. Seit vielen Jahren - und auch in jüngster Zeit — habt ihr euch an alle Einwohner Zaires gewandt und denen 931 AD-LIMNA-BESUCHE ohne Stimme eure Stimme geliehen, um an die Bedürfnisse der Gerechtigkeit und des Friedens zu erinnern und um das Volk, das euch anvertraut ist, zu ermutigen und zu formen. Ich kenne die mutige Rolle, die von den Katholiken im langwierigen Prozeß der Demokratisierung eures Landes und bei der Suche nach dem Dialog für eine bessere Gesellschaft gespielt wird. Durch dieses Engagement will die Kirche in keiner Weise irgendeiner Parteipolitik dienen. Sie möchte einzig die Suche nach dem wahren Wohl des Menschen und seines Lebens in der Gesellschaft fördern. Ich lade euch also ein, in der Verkündung der Hoffnungsbotschaft des Evangeliums zu beharren, indem ihr die Gläubigen zum Kennenlemen der Soziallehre der Kirche anregt, damit sie wirksam für den Aufbau der Gerechtigkeit und der Solidarität arbeiten können. Die christlichen Gemeinschaften müssen sich immer entschlossener für die Versöhnung unter allen Menschen einsetzen und alle Formen der Diskriminierung und der Gewalt ablehnen, denn diese zerstören den Menschen und seine Gemeinschaft. „Eigentlich muß sich jeder Getaufte als ,Diener der Versöhnung1 fühlen, weil er, wenn er sich mit Gott und den Brüdern versöhnt hat, aufgerufen ist, mit der Kraft der Wahrheit und der Gerechtigkeit den Frieden aufzubauen“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1997, Nr. 7). Die Zeit der Vorbereitung auf Ostern, in der wir uns befinden, erinnert uns an die dringende Notwendigkeit der Rückkehr zu Gott und der Bekehrung des Herzens als Weg zum Frieden. 9. In Gedanken und im Gebet bin ich bei den Opfern des Krieges, der sich im Osten eures Landes ausdehnt, und eindringlich erneuere ich meinen Aufruf zur Beendigung der Kampfhandlungen. Ich wünsche sehr, daß die von der Krise in der Region der Großen Seen betroffenen Parteien sehr bald den Weg des Dialogs und der Verhandlungen einschlagen, um einen friedlichen Ausweg aus den gegenwärtigen Problemen zu finden unter Achtung der Grundsätze der Unantastbarkeit der international anerkannten Grenzen, der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit eines jeden Staates. Wie ihr es erst jüngst formuliert habt, „muß die nationale Einheit erhalten, unterstützt und gefestigt werden“ (Botschaft der Bischöfe von Zaire, 31. Januar 1997). Zu diesem Zweck muß die internationale Gemeinschaft - die regionalen Organisationen Afrikas eingeschlossen - „ihre politische Aktion erweitern“ (vgl. Ansprache an das diplomatische Corps, 13. Januar 1997, Nr. 3) und gleichzeitig rasche Lösungen zum tragischen menschlichen und sozialen Problem der sehr zahlreichen Flüchtlinge aus Ruanda finden, die immer noch in den Lagern und in den Wäldern in Zaire verstreut sind, sowie für das Problem der vielen verschleppten Zairer. Kein Mensch guten Willens kann das Schicksal dieser Menschen ignorieren: In den Gegenden, die von den Gewalttätigkeiten betroffen sind, leben sie in Verhältnissen, die eine Beleidigung der Menschenwürde sind, und ihr Leben ist ständig in Gefahr. Niemand darf dem gegenüber gleichgültig bleiben! Nachdrücklich beklage ich die Angriffe auf die Bevölkerung sowie die Plünderungen und Zerstörungen, denen die Einrichtungen und die Güter der Kirche in 932 AD-LIMINA-BESUCHE mehreren eurer Diözesen zum Opfer gefallen sind, obwohl es sich in vielen Fällen um die einzigen sozialen Strukturen handelte, die noch funktionierten. Ich fordere euch auf, mutig die Wiedereinrichtung der Werke in Gang zu setzen, die es der Kirche ermöglichen, ihrem Auftrag effektiv nachzukommen und ein Ausdruck der Barmherzigkeit Christi zugunsten der Ärmsten und Verlassensten zu sein. Für eine wirkliche gegenseitige Hilfeleistung, wie dies schon in mehreren Fällen getan worden ist, wünsche ich, daß die Ortskirchen Zaires und die Universalkirche ein großzügiges Teilen ihrer Ressourcen aus Solidarität mit euren Gemeinschaften zuwege bringen. 10. Zum Abschluß unseres Treffens, liebe Brüder im Bischofsamt, fordere ich euch auf, euren Kampf für den Frieden und euer Engagement für die Suche nach der Brüderlichkeit zuversichtlich fortzuführen. Nun, da wir uns auf die Feier des Großen Jubeljahres 2000 vorbereiten, indem wir dieses Jahr über die Gestalt Jesu Christi als einzigen Retter der Welt meditieren, sollt ihr - zusammen mit der ganzen Kirche in Zaire - die leidenschaftlichen Zeugen jener Hoffnung sein, die er unserer Menschheit bringt: „Die Hoffnung ... läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5)! Ich wende mich in Gedanken an die Selige Jungfrau und all jene, die - wie die sei. Anwarite und der sei. Isidor Bakanja - Vorbilder an Glaubensmut und Nächstenliebe für die Kirche in eurem Land sind, und spende jedem von euch und allen Mitgliedern eurer Diözesen von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Ich bete zum Herrn des Friedens, daß er das ganze Volk Zaires mit der Fülle seiner Gaben überhäufen möge. 933 Erklärungen der Kongregationen und der Räte KONGREGATIONEN UND RÄTE Drogenliberalisierung? Eine pastorale Stellungnahme des Päpstlichen Rates für die Familie vom 21. Januar Unlängst wurde die Öffentlichkeit mit verschiedenen, in mehreren Ländern präsentierten Gesetzesentwürfen konfrontiert, durch die einerseits der Drogenkonsum kontrolliert, andererseits aber der Zugang zu den sog. „leichten“ Drogen vereinfacht werden soll. Zahlreiche Familien, Erzieher und Einrichtungen zur Betreuung von Jugendlichen haben sich diesbezüglich an den Päpstlichen Rat für die Familie gewandt. Nach Beratungen mit Experten aus verschiedenen Ländern und den Verantwortlichen vieler therapeutischer Gemeinschaften legte dieses Dikasterium am 21. Januar die folgende Stellungnahme vor. 1. Drogenabhängigkeit ist ein Phänomen ständig wachsenden Ausmaßes, das schwere psychologische, soziale, geistige und moralische Probleme verursacht. In der vorliegenden Erklärung möchten wir in erster Linie auf die Sichtweise des einzelnen Menschen und seiner Familie eingehen, denn wir dürfen nicht vergessen: „Im Zentrum der Drogenabhängigkeit steht der Mensch, einzigartig und unwiederholbar, mit seiner ihm eigenen Persönlichkeit“ (Päpstlicher Rat für die Familie: Von der Hoffnungslosigkeit zur Hoffnung — Familie und Drogenabhängigkeit, Libreria Editrice Vaticana 1992, S. 6). 2. In wenigen Jahrzehnten hat sich die Drogenabhängigkeit vom relativ geringen Konsum einer wohlhabenden und zügellosen Gesellschaftsschicht zu einem in erster Linie die Jugend betreffenden Massenphänomen entwickelt, das Leben zerstört, viele Hoffnungen zunichte macht - ein Phänomen, das bisher kein Land mindern oder auch nur eindämmen konnte. „Eine große Zahl derjenigen, die Drogen konsumieren, sind Jugendliche, die Altersgrenze sinkt dabei ständig“ (ebd.). Kinder und Jugendliche „banalisieren“ den Drogenkonsum sogar in den Schulen, und die Erzieher sind machtlos. Die Zukunft unserer Gesellschaft selbst ist durch Rauschmittel gefährdet. Daher gilt unsere Sorge vor allem den jungen Menschen, Jugendlichen und Erwachsenen, denn sie sind heute die ersten, die dem Mißbrauch von Drogen zum Opfer fallen. 3. Bei der Befürwortung oder Ablehnung von Gesetzesentwürfen zur Legalisierung „leichter“ Drogen sollte jede Vereinfachung, jede Verallgemeinerung und vor allem die Politisierung einer zutiefst humanen und ethischen Frage vermieden werden. Verschiedentlich wird die Meinung vertreten, daß ein mäßiger Konsum von als „Drogen“ klassifizierten Substanzen weder biochemische Abhängigkeit verursache noch negative Auswirkungen auf den Organismus habe. Andere wiederum sind der Ansicht, daß es besser wäre, die Süchtigen zu kennen und sie zu betreuen, anstatt sie der Illegalität zu überlassen: sowohl um ihnen zu helfen als auch um die Gesellschaft zu schützen. Aufgrund dieser Argumente befürwortet man die Legalisierung des Drogenkonsums. 4. Wissenschaft und Technik haben stets versucht, aus chemischen Substanzen Nutzen zu ziehen für die Behandlung von Krankheiten, für eine Besserung der Lebensbedingungen und für eine angenehmere Gestaltung des Zusammenlebens. Die 937 KONGREGATIONEN UND RÄTE Konsumenten solcher Substanzen konnten die angenehme euphorische, anxiolyti-sche, sedative, stimulierende oder halluzinogene Wirkung verschiedener Stoffe konstatieren. Gleichzeitig führen solche „Drogen“ jedoch zu verringerter Aufmerksamkeit und einem verfälschten Realitätsempfinden. Der Gebrauch dieser Substanzen bewirkt zunächst Isolierung und dann Abhängigkeit und Übergang zu stets stärkeren Drogen. In einigen Fällen kommt es zu einer derart starken Abhängigkeit, daß der Süchtige nur noch für die Beschaffung seiner Drogen lebt. 5. Die Wirkung ist von Droge zu Droge unterschiedlich, und auf pharmakologischer Ebene kann nicht eindeutig zwischen „weichen Drogen“ und „harten Drogen“ unterschieden werden. Ausschlaggebende Faktoren sind die eingenommene Menge, die Art und Weise der Absorption und eventuelle Verbindungen (vgl. Comite consultatif national d’ethique pour les Sciences de la vie et de la sante [Paris]: Avis n. 43 [23.11.1994] „Rapport sur les toxicomanies“, S. 13). Außerdem werden jeden Tag neue Drogen mit neuer Wirkung und einer neuen Problematik auf den Markt gebracht. Schließlich müßte man den Bereich der Drogenabhängigkeit berechtigterweise auf viele Substanzen ausdehnen (anxiolytische, sedative, antidepressive und stimulierende), die nicht als „Drogen“ gelten, einschließlich Tabakwaren und Alkohol. Papst Johannes Paul II. verdeutlichte den Unterschied zwischen Toxikomanie und Alkoholsucht mit folgenden Worten: „Es besteht selbstverständlich ein klarer Unterschied zwischen Drogen- und Alkoholkonsum: während nämlich der letztere, sofern er in Grenzen gehalten wird, nicht gegen die sittlichen Verbote verstößt und nur der Mißbrauch zu verurteilen ist, ist der Drogenkonsum in jedem Fall verboten, weil er einen unberechtigten und unvernünftigen Verzicht auf das Denken, Wollen und Handeln als freie Menschen mit sich bringt“ {Ansprache vom 23.11.1991 an die Teilnehmer der 6. Internationalen Studientagung über Drogen und Alkoholismus, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, Nr. 4; in: Der Apostolische Stuhl [1991], S. 1348). In der Tat kann das Problem nicht lediglich in biochemischer Hinsicht betrachtet werden. 6. Das Problem sind nicht die Drogen, sondern vielmehr psychologische und existentielle Fragen des Menschen, die solchen Verhaltensweisen zugrunde liegen. Allzu oft werden diese Fragen ignoriert, und man vergißt, daß nicht die Substanz Toxikomanie auslöst, sondern die Person, die von ihr abhängig ist. Zwar mögen die Substanzen unterschiedlicher Art sein, aber die Beweggründe bleiben immer dieselben. Aus diesem Grund kann die Trennung zwischen „harten“ und „weichen“ Drogen nur in eine Sackgasse führen. 7. Drogenmißbrauch zeugt von tiefem Unbehagen. Der Päpstliche Rat für die Familie betonte bereits: „Die Droge schlägt im Leben eines Menschen nicht wie ein plötzlicher Blitzschlag aus heiterem Himmel ein, sondern ist wie ein Samen, der aufkeimt, nachdem er über lange Zeit in der Erde geruht hat“ (Päpstlicher Rat für die Familie: a.a.O., S. 7). Hinter diesem Phänomen steckt der Hilferuf des Men- 938 KONGREGATIONEN UND RÄTE sehen, der mit seinem Leben allein geblieben ist, sein Bedürfnis nicht nur nach Anerkennung und Geltung, sondern auch nach Liebe. Daher muß vor allem die Ursache des Phänomens ergründet werden, wenn man auf wirksame Art die persönlichen und sozialen Konsequenzen des Drogenmißbrauchs bekämpfen will. 8. Das Problem liegt nicht bei den Drogen an sich, sondern vielmehr in jenem krankhaften Geisteszustand, der zu ihnen Zuflucht nehmen läßt, wie auch Papst Johannes Paul II. schon betonte: „Wir müssen eingestehen, daß eine Verbindung besteht zwischen der durch Drogenmißbrauch hervorgerufenen tödlichen Pathologie und jenem krankhaften Geisteszustand, der den Menschen veranlaßt, vor sich selbst zu fliehen und trügerische Erfüllung in der Flucht vor der Realität zu suchen, bis jeder Sinn seiner Existenz vollkommen zerstört ist“ (vgl. Botschaft an Dr. Giorgio Giacomella, Generaluntersekretär und Leiter des internationalen Drogen-kontrollprogramms der Vereinten Nationen:, anläßlich des Internationalen Tags der Bekämpfung von Drogenmißbrauch und illegalem Rauschgifthandel [26. Juni 1996]; in: O.R. ital., 16.6.96, S. 4). 9. Diese menschlichen Probleme stehen insbesondere bei jugendlichen Drogenabhängigen im Vordergrund. Der von Drogen verleitete Jugendliche hat eine labile, unreife, wenig strukturierte Persönlichkeit, was in direkter Verbindung mit einer nicht erhaltenen Erziehung steht. Die Mehrheit der Humanwissenschaftler betont seit Jahren immer wieder, daß die Gesellschaft die Jugend im Stich läßt, daß sie ihr keine Aufmerksamkeit und Achtung entgegenbringt und daß die Umgebung keineswegs alle notwendigen sozialen, kulturellen und religiösen Elemente für die Persönlichkeitsentfaltung des Jugendlichen bietet. 10. Wir leben in einer Welt, in der Kinder zu früh sich selbst überlassen werden. Man hofft so, ihr Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit zu fördern, während sie auf die Dauer aber zerbrechlich werden, denn es wird ihnen nicht die Möglichkeit gegeben, sich während des Reifeprozesses auf die Erwachsenen oder die Gesellschaft zu stützen. Fehlt eine solche grundlegende Unterstützung, erreichen viele das Jugendalter ohne wirkliche innere Formung oder Struktur. Als Reaktion auf die scheinbar inhaltslose Welt angesichts einer aussichtslosen Zukunft für sie selbst versuchen einige, sich allem zum Trotz lebendig zu fühlen. Sie suchen nach Anhaltspunkten und unterhalten verschiedene Verhältnisse der Abhängigkeit mit anderen, mit verschiedenen Produkten oder mit gefährlichen Verhaltensweisen. 11. Die Eltern dieser Jugendlichen sind berechtigterweise besorgt und bemühen sich oft um Hilfe, wenn sie mit dem konfrontiert werden, was sie für ein schweres Problem halten, das zumindest die psychische, ethische und geistige Reife ihrer Kinder beeinträchtigt. Kinder wie auch Jugendliche wissen nicht, wo ihre Grenzen liegen, insbesondere in einer Welt, in der die Meinung herrscht, daß alles möglich ist, und in der jeder macht, was er will. Die Eltern versuchen, ihre Kinder zu lehren, was annehmbar ist und was nicht, was gut ist und was schlecht. Oft haben sie den Eindruck, daß ihre Erziehung von den in der Gesellschaft kursierenden Überzeugungen und Vorstellungen geschwächt oder gar abgewertet wird. 939 KONGREGATIONEN UND RÄTE 12. Folglich empfinden die Eltern sich oft als Verlierer gegenüber ihren Kindern, besiegt von dem, was leider stärker zu sein scheint als sie im Chor der Einflüsse. Sie sind verwirrt, weil sie sich von der Gesellschaft nicht unterstützt fühlen. Sie wollen nicht, daß ihre Kinder von Drogen Gebrauch machen, während zugleich andere sich dafür einsetzen, den Flandel und Gebrauch von Substanzen zu legalisieren, die Drogenabhängigkeit fordern. 13. Angesichts einer stets intensiveren Befürwortung der Legalisierung ist es notwendig, auf die eigentlichen Fragen einzugehen. Zahlreiche leider fehlgeschlagene Versuche sind diesbezüglich unternommen worden. Weiß man wirklich, warum der Drogenhandel legalisiert werden sollte? Haben wir tatsächlich noch die Absicht, Rauschgiftkonsum ernsthaft zu bekämpfen, oder haben wir bereits das Handtuch geworfen? Bequemen wir uns mit einfachen Lösungen und ergeben wir uns der Demagogie, oder versuchen wir wirklich vorzubeugen? Ist es vertretbar, eine Untergattung von Lebewesen auf subhumaner Ebene zu schaffen, wie es leider in jenen Städten zu beobachten ist, in denen Drogen frei verkauft werden? Hat man dem ausreichend Beachtung geschenkt, was Experten seit Jahren unermüdlich betonen, nämlich daß die Süchtigkeit nicht von den Drogen abhängt, sondern vielmehr von den Beweggründen, die den Menschen zum Rauschgiftkonsum veranlassen? Haben wir vergessen, daß, um zu leben, jeder in der Lage sein muß, einige wesentliche existentielle Fragen zu beantworten? Wird die Legalisierung der Drogen nicht lediglich dazu beitragen, dieses Versäumnis zu verfestigen? 14. Da die Drogenabhängigkeit unter Jugendlichen auf die Unzulänglichkeit unseres Erziehungssystems zurückzuführen ist, ist nicht zu sehen, auf welche Weise die Legalisierung solcher Substanzen die Jugendlichen zu einer verantwortungsvolleren Einstellung veranlassen und ihnen vor allem helfen könnte, zu erkennen, was sie mit Hilfe dieser Substanzen erlangen wollen. 15. Durch die Legalisierung der Drogen laufen wir Gefahr, das Gegenteil von dem zu erreichen, was wir anstreben. Was legal ist, wird leicht als normal und schließlich auch als moralisch vertretbar betrachtet. Durch die Freigabe von Drogen werden nicht die Substanzen als solche legitimiert, sondern vielmehr die Ursachen des Rauschgiftkonsums. Nun wird niemand bestreiten wollen, daß der Gebrauch von Drogen ein Übel ist. Es spielt keine Rolle, ob sie auf illegale Weise erworben oder vom Staat verteilt werden: Sie sind in jedem Fall zerstörend für den Menschen. 16. Im übrigen würde man sich von dem Augenblick an, wo das Gesetz dieses Verhalten als normal anerkennt, fragen, wie der Staat angesichts der Risiken einer solchen Legalisierung seiner Erziehungs- und Fürsorgepflicht gegenüber süchtigen Personen nachkommen will. Hierin besteht ein weiterer Widerspruch der heutigen Welt, die ein Phänomen banalisiert und dann versucht, dessen negative Auswirkungen zu behandeln. 17. Auch die sozialen Auswirkungen der Drogenfreigabe müssen berücksichtigt werden. Wird man die Zunahme der Kriminalität, der mit Drogenabhängigkeit ver- 940 KONGREGATIONEN UND RATE bundenen Krankheiten und der Verkehrsunfälle objektiv prüfen, deren Ursache auf den problemlosen Zugang zu Rauschmitteln zurückzuführen ist? Sind wir bereit, uns auf beruflicher Ebene süchtigen Personen anzuvertrauen? Soll man ihnen einen sicheren Arbeitsplatz bieten? Verfugt der Staat außerdem wirklich über die finanziellen Mittel und das notwendige Personal, um das wachsende Gesundheitsproblem bewältigen zu können, das unweigerlich mit der Liberalisierung von Drogen verbunden wäre? 18. In Anbetracht dieser Fragen hat der Staat vor allem die Pflicht, das Gemeinwohl zu fördern. Das setzt voraus, daß er die Rechte, die Stabilität und die Einheit der Familie schützt. Mit der Jugend zerstören die Drogen auch die Familie: die heutige wie auch die zukünftige. Wenn diese grundlegende Urzelle der menschlichen Gesellschaft bedroht wird, ist zugleich die gesamte Gesellschaft betroffen. Wie der Päpstliche Rat für die Familie unterstreicht, ist Drogenabhängigkeit teilweise für die Schwächung der Familie, die Zerstörung des Heims verantwortlich: „Der Drogenabhängige kommt häufig aus einer Familie, die nicht auf den Streß zu reagieren versteht, da sie instabil, unvollkommen oder geteilt ist“ (Päpstlicher Rat für die Familie: a.a.O., S. 9); „die Erfahrung der Drogenexperten [zeigt] einhellig, daß das [...] Modell der Familie“, gegründet auf „der wahren Liebe, die zwischen den Verheirateten einzigartig, treu und unauflöslich ist, [...] der Punkt ist, auf den jede Art von Vorbeugung und Wiedereingliederung des betroffenen Individuums in die Gesellschaft sich beziehen muß“ (a.a.O., S. 25). 19. So gewährleistet der Staat einerseits das Gemeinwohl, andererseits hat er aber auch die Aufgabe, über das Wohl der einzelnen Bürger zu wachen. Die staatliche Unterstützung der Bürger muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Subsidiarität entsprechen, d. h. sie muß vor allem die Schwächsten und Ärmsten der Gesellschaft verteidigen — auch gegen den Staat selbst. Der Staat hat demnach nicht das Recht, von seiner Pflicht zurückzutreten, diejenigen zu schützen, die noch keine innere Reife erlangt haben und somit potentielle Opfer der Drogen sind. Wenn der Staat ferner eine konsequente und mutige Einstellung dem Drogenproblem gegenüber einnimmt oder beibehält und gegen den Gebrauch von Suchtmitteln, jede Art von Suchtmitteln, vorgeht, dann wird diese Haltung gleichzeitig auch dem Kampf gegen Alkohol- und Tabakwarenmißbrauch förderlich sein. 20. Die Kirche möchte auf die Kehrseite dieses Phänomens hinweisen und die Tatsache betonen, daß es bei der Legalisierung des Handels und Konsums von Suchtmitteln um das Schicksal von Menschen geht. Das Leben von einigen wird angeschlagen, verletzt sein, während andere - vielleicht ohne wirklich süchtig zu werden - ihre Jugendzeit zerstören und nicht in der Lage sind, ihre eigentlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Man kann nicht auf Kosten der Menschen Erfahrungen machen. Das zur Drogenabhängigkeit führende Verhalten kann sich nicht bessern, wenn die Substanzen, die eben dieses Verhalten fördern, frei zur Verfügung stehen. 941 cnMno vn. arrnmvm t r\rn d j rg KONGREGATIONEN UND RÄTE Wir freuen uns, den Priestern dieses Dokument überreichen zu können. Es wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Heiligen Vaters und unter kompetenter Mitarbeit von Theologieprofessoren und Bischöfen verfaßt. Wir danken allen, die durch ihren Beitrag die Verwirklichung des Dokuments ermöglicht haben. Unser besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang der Kongregation für die Glaubenslehre und der Apostolischen Pönitentiarie. EINLEITUNG 1. Ziel des Dokuments Der Familie, die das II. Vatikanische Konzil als das häusliche Heiligtum der Kirche sowie als die „Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft“1 definiert hat, schenkt die Kirche in ihrer pastoralen Tätigkeit besondere Beachtung. „In einem geschichtlichen Augenblick, in dem die Familie Ziel von zahlreichen Kräften ist, die sie zu zerstören oder jedenfalls zu entstellen trachten, ist sich die Kirche bewußt, daß das Wohl der Gesellschaft und ihr eigenes mit dem der Familie eng verbunden ist, und fühlt umso stärker und drängender ihre Sendung, allen den Plan Gottes für Ehe und Familie zu verkünden.“2 In den letzten Jahren hat die Kirche - sowohl in der Verkündigung des Heiligen Vaters als auch durch eine umfangreiche seelsorgerische Initiative von Priestern und Laien - ihre Bemühungen verstärkt, alle Gläubigen zur dankbaren und glaubenserfüllten Betrachtung all jener Gaben anzuleiten, die Gott den Gatten im Sakrament der Ehe zuteil werden läßt. Es ist ihr ein Anliegen, daß die Eheleute in der Lage sind, auf dem Weg wahrer Heiligkeit voranzuschreiten und so in den konkreten Situationen ihres Lebens das Evangelium in authentischer Weise zu bezeugen. Auf dem Weg zur Heiligkeit in Ehe und Familie sind die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung von grundlegender Bedeutung. Das erste festigt die Verbindung mit Christus, dem Ursprung aller Gnaden und des Lebens, das zweite richtet die eheliche und familiäre Gemeinschaft wieder auf, wenn diese zerstört war, bzw. fordert und vervollkommnet sie,3 allen Bedrohungen und Verletzungen durch die Sünde zum Trotz. Ein eingehendes Verständnis ihres Weges zur Heiligkeit und die Erfüllung ihrer Sendung seitens der Eheleute baut auf der Bildung ihres Gewissens sowie der tätigen Annahme des Willens Gottes im spezifischen Umfeld ihres Ehelebens auf, d. h. in ihrer ehelichen Gemeinschaft und in ihrem Dienst am Leben. Das Licht des Evangeliums und die sakramentale Gnade bilden die beiden unverzichtbaren Grundlagen für die erhabene Vollkommenheit ehelicher Liebe, welche ihren Ursprung in Gott dem Schöpfer hat: „Diese Liebe hat der Herr durch eine besondere Gabe seiner Gnade und Liebe geheilt, vollendet und erhöht.“4 II. Vat. Konzil, Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, 18. November 1965, Nr. 11. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 3. Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 58. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 49. 944 KONGREGATIONEN UND RÄTE Für das Annehmen sowohl der Forderungen authentischer Liebe als auch des Planes Gottes im täglichen Leben der Eheleute stellt der Moment, in dem diese das Sakrament der Versöhnung erbitten und empfangen, ein heilbringendes Ereignis von größter Bedeutung dar; es bietet Gelegenheit zur erhellenden Vertiefung des Glaubens und hilft in konkreter Weise, Gottes Plan im eigenen Leben zu verwirklichen. „Das Sakrament der Buße oder Versöhnung ebnet den Weg zu jedem Menschen selbst dann, wenn er mit schwerer Schuld beladen ist. In diesem Sakrament kann jeder Mensch auf einzigartige Weise das Erbarmen erfahren, das heißt die Liebe, die mächtiger ist als die Sünde.“ <18> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30. November 1980, Nr. 13. Da das Sakrament der Versöhnung den Priestern zur Spendung anvertraut ist, richtet sich dieses Dokument in besonderer Weise an alle Beichtväter. Es will einige praktische Anweisungen geben, welche die Beichte und Absolution der Gläubigen hinsichtlich der ehelichen Keuschheit zum Gegenstand haben. Zugleich soll dieses vademecum ad praxim confessariorum als konkreter Anhaltspunkt in der Beichtpraxis der Eheleute dienen, damit diese immer größeren Nutzen aus dem Sakrament der Versöhnung ziehen und so ihre Berufung zu einer verantwortlichen Vater- bzw. Mutterschaft in Einklang mit den göttlichen Gesetzen leben können, wie sie die Kirche kraft ihrer Autorität lehrt. Nicht zuletzt soll es all jenen förderlich sein, die sich auf den Empfang des Ehesakraments vorbereiten. Die Problematik der verantwortlichen Zeugung von Nachkommenschaft stellt innerhalb der katholischen Morallehre über das Eheleben einen Themenbereich dar, dessen Behandlung einer besonderen Feinfühligkeit bedarf; dies umso mehr im Zusammenhang mit der Spendung des Sakraments der Versöhnung, in dem die kirchliche Lehre den konkreten Umständen und dem geistlichen Wachstum der einzelnen Gläubigen gegenübergestellt wird. Es ergibt sich folglich die Notwendigkeit, einige unverzichtbare Lehraussagen in Erinnerung zu rufen, die es ermöglichen, sich auf eine den pastoralen Anforderungen entsprechende Weise mit den neuen Arten der Empfängnisverhütung und der zunehmenden Bedrohung durch dieses Phänomen auseinanderzusetzen. <19> Das vorliegende Dokument will nicht die vollständige Lehre der Enzyklika Humanae vitae, des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio und der anderen Aussagen des päpstlichen Lehramtes wiedergeben, sondern lediglich einige Anregungen und Orientierungshilfen bieten; diese sollen einerseits dem geistlichen Wohl der Beichtenden dienen, andererseits sollen sie dazu beitragen, mögliche Unstimmigkeiten und Unsicherheiten in der Praxis der Beichtväter zu überwinden. Man bedenke die abtreibende Wirkung einiger neuer pharmakologischer Präparate. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 13. 2. Die eheliche Keuschheit in der Lehre der Kirche Die christliche Tradition hat stets entgegen zahlreichen Häresien, die bereits in der Frühzeit der Kirche auftraten, den Wert der ehelichen Vereinigung und der Familie 945 KONGREGATIONEN UND RÄTE verteidigt. Von Gott in der Schöpfung selbst gewollt, von Christus zu ihrem eigentlichen Ursprung zurückgefuhrt und zur Würde eines Sakraments erhoben, ist die Ehe eine innige Gemeinschaft der Liebe und des Lebens zwischen den Eheleuten, welche von Natur aus auf das Ehegut der Kinder ausgerichtet ist, die Gott ihnen anvertrauen will. Ihrer Natur entsprechend, ist die einmal eingegangene Bindung, sowohl wegen des Wohls der Gatten und Kinder als auch wegen des Wohls der Gesellschaft, nicht mehr von menschlichem Gutdünken abhängig. <20> Die Tugend der ehelichen Keuschheit „wahrt zugleich die Unversehrtheit der Person und die Ganzheit der Hingabe“, <21> und in ihr wird die Geschlechtlichkeit „persönlich und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist“. <22> Insofern diese Tugend die intimen Beziehungen der Ehegatten betrifft, verlangt sie, daß diese „sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren“. <23> Es ist daher angezeigt, in Erinnerung zu rufen, daß eines der sittlichen Grundprinzipien des Ehelebens „in der von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte - liebende Vereinigung und Fortpflanzung die beide dem ehelichen Akt innewohnen und welche der Mensch nicht eigenmächtig auflösen darf1, <24> besteht. Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezem- ber 1965, Nr. 48. Katechismus der Katholischen Kirche, 11. Oktober 1992, Nr. 2337. Ibid. <24> Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 51. Die Päpste dieses Jahrhunderts haben zahlreiche Dokumente veröffentlicht, in denen sie die Grundwahrheiten der Morallehre über die eheliche Keuschheit in Erinnerung rufen. Unter diesen verdienen die Enzyklika Casti connubii (1930) von Pius XI. <25>, zahlreiche Ansprachen von Pius XII. <26> , die Enzyklika Humanae vitae (1968) von Paul VI. <27> <28> sowie das Apostolische Schreiben Familiaris consortiols (1981), der Brief an die Familien Gratissimam sane <29> (1994) und die Enzyklika Evangelium vitae (1995) von JohannesPaul II. besondere Erwähnung. Weiterhin sind die Pastoralkonstitution Gaudium et spes <30> (1965) und der Katechismus der Katholischen Kirche <31> (1992) anzufuhren. Hinzu kommen die in Einklang mit den Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 12. Pius XI., Enzyklika Casti connubii, 31. Dezember 1930. Pius XII., Ansprache vor dem Kongreß der Union Katholischer Hebammen Italiens, 2. Oktober 1951; Ansprache vor der Front der Familie und den Vereinigungen kinderreicher Familien, 27. November 1951. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981. Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane, 2. Februar 1994. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965. Katechismus der Katholischen Kirche, 11. Oktober 1992. 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 946 KONGREGATIONEN UND RÄTE genannten Lehraussagen stehenden Schreiben der Bischofskonferenzen sowie jene von Hirten und Theologen, welche zu einem eingehenderen Verständnis der Thematik beitragen. Nicht zuletzt sei auch das Beispiel zahlreicher Ehepaare genannt, deren Bestreben, in christlicher Weise ihre menschliche Liebe zu leben, einen Beitrag von höchster Wirksamkeit zur Neuevangelisierung der Familien darstellt. 3. Die Ehegüter und die Selbsthingabe der Gatten Im Sakrament der Ehe empfangen die Eheleute von Christus dem Erlöser das Geschenk jener Gnade, welche die Gemeinschaft treuer und fruchtbarer Liebe festigt und veredelt. Die Heiligkeit, zu der sie berufen sind, ist vor allem ein Gnadengeschenk. All jene Personen, welche zum Eheleben bemfen sind, verwirklichen ihre Berufung zur Liebe in der vollständigen Hingabe ihrer selbst, welche in der Sprache des Körpers ihren entsprechenden Ausdruck findet. Die spezifische Frucht der gegenseitigen Hingabe der Gatten ist die Weitergabe des Lebens an die Kinder, die Zeichen und Krönung der ehelichen Liebe sind. Da die Empfängnisverhütung in direktem Gegensatz zur Weitergabe des Lebens steht, verrät und verfälscht sie die hingebende Liebe, die der ehelichen Vereinigung zu eigen ist: „Sie manipuliert den Charakter der Ganzhingabe“ und widerspricht dem Plan der Liebe Gottes, an dem die Ehegatten teilhaben. VADEMEKUM FÜR DIE BEICHTVÄTER Das vorliegende Vademekum besteht aus einer Reihe von Aussagen, derer sich die Beichtväter bei der Spendung der Sakraments der Versöhnung bewußt sein müssen, um in verstärktem Maße die Eheleute in deren Bemühen unterstützen zu können, auf christliche Weise ihre Berufung zur Vater- bzw. Mutterschaft zu leben, entsprechend ihren persönlichen und sozialen Umständen. 1. Die Heiligkeit in der Ehe 1. Alle Christen müssen in geeigneter Weise über ihre Berufung zur Heiligkeit unterrichtet werden. Die Einladung zur Nachfolge Christi schließt niemanden aus; alle Gläubigen sind angehalten, nach der Fülle des christlichen Lebens und der Vollkommenheit der Liebe in ihrem eigenen Stand zu streben. Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 24. Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 32. Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2378; vgl. Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissi-mam sane, 2. Februar 1994, Nr. 11. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 32. „In den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens wird die eine Heiligkeit von allen entfaltet, die sich vom Geist Gottes leiten lassen und, der Stimme des Vaters gehorsam, Gott den Vater im Geist und in 947 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. Die Liebe ist die Seele der Heiligkeit. Aufgrund der ihr eigenen Natur - als in die Herzen der Menschen eingegossene Gabe des Heiligen Geistes - umfaßt die göttliche Liebe die menschliche und erhebt sie, so daß diese zur vollkommenen Selbsthingabe befähigt wird. Die Liebe hilft bei der Annahme von Verzicht, erleichtert das Voranschreiten im geistlichen Kampf und vermehrt die Freude an der Selbsthingabe. <32> der Wahrheit anbeten und dem armen, demütigen, das Kreuz tragenden Christus folgen und so der Teilnahme an seiner Herrlichkeit würdig werden. Jeder aber muß nach seinen eigenen Gaben und Gnaden auf dem Weg eines lebendigen Glaubens, der die Hoffnung weckt und durch Liebe wirksam ist, entschlossen vorangehen“ (II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21. November 1964, Nr. 41). „Die Liebe ist die Seele der Heiligkeit, zu der alle berufen sind“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 826). „Die Liebe sorgt dafür, daß sich der Mensch durch die aufrichtige Selbsthingabe verwirklicht: lieben heißt, alles geben und empfangen, was man weder kaufen noch verkaufen, sondern sich nur aus freien Stücken gegenseitig schenken kann“ (Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane, 2. Februar 1994, Nr. 11). 3. Es ist dem Menschen nicht möglich, allein aus eigener Kraft die vollkommene Hingabe seiner selbst zu verwirklichen. Die Befähigung dazu erhält er kraft der Gnade des Heiligen Geistes. Es ist Christus, der die Ehe in ihrer ursprünglichen Wahrheit offenbart und den Menschen, indem er ihn von seinem verhärteten Herzen befreit, dazu befähigt, sie in vollkommener Weise zu leben. <33> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 13. „Die Befolgung des Gesetzes Gottes kann in bestimmten Situationen schwer, sehr schwer sein: niemals jedoch ist sie unmöglich. Dies ist eine beständige Lehre der Tradition der Kirche“ (Johannes Paul II., Enzyklika Veri-tatis splendor, 6. August 1993, Nr. 102). 4. Auf dem Weg zur Heiligkeit macht der Christ sowohl die Erfahrung menschlicher Schwäche als auch die der Güte und Barmherzigkeit des Herrn. Das ausschlaggebende Moment in der Übung der christlichen Tugenden - und folglich auch der ehelichen Keuschheit - liegt daher im gläubigen Gewahrwerden der Barmherzigkeit Gottes und in der demütigen Reue, welche die Vergebung Gottes annimmt. <34> „Es wäre ein sehr schwerwiegender Irrtum, anzunehmen,... daß die von der Kirche gelehrte Norm an sich nur ein ,Ideal‘ sei, welches in einem zweiten Schritt angepaßt und in entsprechender Weise auf die - wie man sagt - konkreten Möglichkeiten des Menschen abgestimmt werden muß, und zwar gemäß einer ,Abwägung der verschiedenen betroffenen Güter4. Aber worin bestehen die »konkreten Möglichkeiten des Menschen4? Und von welchem Menschen ist die Rede? Vom Menschen, der von der Begehrlichkeit beherrscht wird, oder vom Menschen, der von Christus erlöst worden ist? Denn darum geht es letztlich: um die Wirklichkeit der Erlösung in Christus. Christus hat uns erlöst! Das heißt: er hat uns die Möglichkeit geschenkt, die vollständige Wahrheit unseres Seins zu verwirklichen; er hat unsere Freiheit von der Beherrschung durch die Begehrlichkeit befreit. Und wenn auch der erlöste Mensch noch sündigt, so nicht, weil die Erlösung durch Christus unvollständig wäre, sondern weil der Wille des Menschen sich jener Gnade entzieht, die aus dieser Erlösungstat hervorgeht. Das Gebot Gottes ist ohne jeden Zweifel der Fähigkeit des Menschen angemessen: jedoch der Fähigkeit jenes Menschen, dem der Heilige Geist geschenkt ist; jenes Menschen, der auch nach dem Fall in die Sünde stets Vergebung erlangen und sich der Gegenwart des Heiligen Geistes erfreuen kann“ (Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer eines Kurses über verantwortliche Elternschaft, 1. März 1984). ,f)ie eigene Sünde anerkennen, ja - wenn man bei der Betrachtung der eigenen Person noch tiefer vordringt -sich selbst als Sünder bekennen, zur Sünde fähig und zur Sünde neigend, das ist der unerläßliche Anfang einer Rückkehr zu Gott. (...) Versöhnung mit Gott setzt in der Tat voraus und schließt ein, sich klar und eindeutig von der Sünde zu trennen, die man begangen hat. Sie setzt also voraus und umfaßt das Bußetun im 948 KONGREGATIONEN UND RÄTE 5. Die Ehegatten verwirklichen die vollkommene Hingabe ihrer selbst im ehelichen Zusammenleben und in der ehelichen Vereinigung, welche im Fall von Christen aus der Gnade des Sakraments ihr eigentliches Leben schöpfen. Die ihnen eigentümliche Vereinigung und die Weitergabe der Lebens gehören zu den wesenhaften Aufgaben ihrer Heiligung in der Ehe. <35> vollen Sinn des Wortes: bereuen, die Reue sichtbar machen, das konkrete Verhalten eines Büßers annehmen, der sich auf den Rückweg zum Vater begibt. (...) In der konkreten Verfaßtheit des Sünders, in der es keine Umkehr ohne die Erkenntnis der eigenen Sünde geben kann, stellt der kirchliche Dienst der Versöhnung immer wieder eine Hilfe zur Verfügung, die deutlich auf Buße ausgerichtet ist, das heißt den Menschen zur ,Selbsterkenntnis4 bringen will“ (Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, 2. Dezember 1984, Nr. 13). „Wenn wir erkennen, daß die Liebe, die Gott zu uns hat, vor unserer Sünde nicht haltmacht, vor unseren Beleidigungen nicht zurückweicht, sondern an Sorge und hochherziger Zuwendung noch wächst; wenn wir uns bewußt werden, daß diese Liebe sogar das Leiden und den Tod des menschgewordenen Wortes bewirkt hat, das bereit war, uns um den Preis seines Blutes zu erlösen, dann rufen wir voll Dankbarkeit aus: ,Ja, der Herr ist reich an Erbarmen4 und sagen sogar: ,Der Herr ist Barmherzigkeit444 (ebd., Nr. 22). „Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit gilt auch den christlichen Gatten und Eltern. Sie bekommt für sie eine eigene Prägung durch das empfangene Sakrament und verwirklicht sich im besonderen Rahmen ehelichen und familiären Lebens. Hieraus ergeben sich die Gnade und die Verpflichtung zu einer echten und tiefen Spiritualität der Ehe und Familie mit den Themen von Schöpfung, Bund, Kreuz, Auferstehung und Zeichen“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 56). „Echte eheliche Liebe wird in die göttliche Liebe aufgenommen und durch die erlösende Kraft Christi und die Heilsvermittlung der Kirche gelenkt und bereichert, damit die Ehegatten wirksam zu Gott hingeführt werden und in ihrer hohen Aufgabe als Vater und Mutter unterstützt und gefestigt werden. So werden die christlichen Gatten in den Pflichten und der Würde ihres Standes durch ein eigenes Sakrament gestärkt und gleichsam geweiht. In der Kraft dieses Sakraments erfüllen sie ihre Aufgabe in Ehe und Familie. Im Geist Christi, durch den ihr ganzes Leben mit Glaube, Hoffnung und Liebe durchdrungen wird, gelangen sie mehr und mehr zu ihrer eigenen Vervollkommnung, zur gegenseitigen Heiligung und so gemeinsam zur Verherrlichung Gottes“ (II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 48). „Die Kirche ist fest überzeugt, daß das menschliche Leben, auch das schwache und leidende, immer ein herrliches Geschenk der göttlichen Güte ist. Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens; in jedem menschlichen Leben weiß sie den Glanz jenes ,Ja4, jenes ,Amen4 zu entdecken, das Christus selbst ist. Dem ,Nein4, das in die Welt einbricht und einwirkt, setzt sie dieses lebendige ,Ja4 entgegen und verteidigt so den Menschen und die Welt vor denen, die das Leben bekämpfen und ersticken“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 30). 2. Die Lehre der Kirche über die verantwortliche Elternschaft 1. Die Eheleute sind über den unschätzbaren Wert des menschlichen Lebens zu unterrichten, und es gilt, sie in dem Bestreben zu fordern, die eigene Familie zu einem Heiligtum des Lebens zu machen: <36> ,Jn der menschlichen Elternschaft ist Gott selber in einer anderen Weise gegenwärtig als bei jeder anderen Zeugung ,auf Erden1.“29 „Die Familie muß wieder als das Heiligtum des Lebens angesehen werden. Sie ist in der Tat heilig: Sie ist der Ort, an dem das Leben, Gabe Gottes, in angemessener Weise angenommen und gegen die vielfältigen Angriffe, denen es ausgesetzt ist, geschützt wird, und wo es sich entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums entfalten kann. Gegenüber der sogenannten Kultur des Todes stellt die Familie den Sitz der Kultur des Lebens dar“ (Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, 1. Mai 1991, Nr. 39). Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane, 2. Februar 1994, Nr. 9. 949 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. Die Eltern mögen ihre Berufung als Ehre und verantwortungsvolle Aufgabe betrachten, da sie zu Mitarbeitern Gottes werden, welcher einen neuen Menschen ins Leben ruft, der nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, in Christus erlöst und zu einem Leben in der ewigen Seligkeit bestimmt ist. <37> „Derselbe Gott, der gesagt hat: ,Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei* (Gen 2,28), und der ,den Menschen von Anfang an als Mann und Frau schuf {Mt 19,14), wollte ihm eine besondere Teilnahme an seinem schöpferischen Wirken verleihen, segnete darum Mann und Frau und sprach: ,Wachset und mehret euch4. {Gen 1,28). Ohne Hintansetzung der übrigen Eheziele sind deshalb die echte Gestaltung der ehelichen Liebe und die ganze sich daraus ergebende Natur des Familienlebens dahin ausgerichtet, daß die Gatten von sich aus entschlossen bereit sind zur Mitwirkung mit der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie seine eigene Familie immer vergrößert und bereichert“ (II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 50). „Die christliche Familie ist eine Gemeinschaft von Personen, ein Zeichen und Abbild der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist. In der Zeugung und Erziehung von Kindern spiegelt sich das Schöpftmgswerk des Vaters wider“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2205). „Auf dieser ihrer Rolle von Mitarbeitern Gottes, der sein Bild auf das neue Geschöpf überträgt, beruht gerade die Größe der Eheleute, die bereit sind ,zur Mitwirkung der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie seine eigene Familie immer mehr vergrößert und bereichert'.“ <38> „Mit Gott Zusammenarbeiten, um neue Menschen ins Leben zu rufen, heißt mitwirken an der Übertragung jenes göttlichen Abbildes, das jedes ,von einer Frau geborene< Wesen in sich trägt“ (Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane, 2. Februar 1994, Nr. 8). Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 43; vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 50. 3. Auf diesen Tatsachen gründen sich die Freude und die Ehrfurcht, welche die Christen vor der Vater- bzw. Mutterschaft empfinden. Wenn diese Elternschaft in den jüngsten kirchlichen Dokumenten als „ verantwortliche “ bezeichnet wird, so dient dies dem Zweck, das Bewußtsein und die Hochherzigkeit der Eheleute hinsichtlich ihres Auftrags zur Weitergabe des Lebens, das in sich einen ewigen Wert birgt, hervorzuheben und ihre Rolle als Erzieher zu betonen. Zweifelsohne fallt es unter die Verantwortung der Ehegatten - welche sich freilich entsprechend beraten lassen mögen -, in besonnener Weise und im Geiste des Glaubens die Größe ihrer Familie zu erwägen und unter Berücksichtigung der moralischen Richtlinien für das Eheleben entsprechende konkrete Entscheidungen zu treffen. <39> „In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes, des Schöpfers, und gleichsam als Interpreten dieser Liebe. Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit ihre Aufgaben erfüllen und in einer auf Gott hinhörenden Ehrfurcht durch gemeinsame Überlegung versuchen, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder - der schon geborenen oder der zu erwartenden — achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fallen. In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Gatten bewußt, daß sie nicht nach eigener Willkür vorgehen können; sie müssen sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz; sie müssen hören auf das Lehramt der Kirche, das dieses göttliche Gesetz im Licht des Evangeliums authentisch auslegt. Dieses göttliche Gesetz zeigt die ganze Bedeutung der ehelichen Liebe, schützt sie und drängt sie zu ihrer wahrhaft menschlichen Vollendung“ (II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 50). 950 KONGREGATIONEN UND RÄTE 4. Die Kirche hat stets gelehrt, daß die Empfängnisverhütung, das heißt jeder vorsätzlich unfruchtbar gemachte Akt, eine in sich sündhafte Handlung ist. Diese Lehre ist als definitiv und unabänderlich anzusehen. Die Empfängnisverhütung stellt einen schwerwiegenden Widerspruch zur ehelichen Keuschheit dar; sie ist sowohl der Weitergabe des Lebens (Aspekt der ehelichen Fortpflanzung) als auch der gegenseitigen Hingabe der Gatten (Aspekt der ehelichen Vereinigung) entgegengesetzt; sie verletzt die wahre Liebe und verneint die Souveränität Gottes über die Weitergabe des menschlichen Lebens. <40> „Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft“ (II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, Nr. 51). „Im Hinblick schließlich auf die gesundheitliche, wirtschaftliche, seelische und soziale Situation bedeutet verantwortungsbewußte Elternschaft, daß man entweder, nach klug abwägender Überlegung, sich hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum entschließt, oder bei ernsten Gründen und unter Beobachtung des Sittengesetzes zur Entscheidung kommt, zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten. Endlich und vor allem hat verantwortungsbewußte Elternschaft einen inneren Bezug zur sogenannten objektiven sittlichen Ordnung, die auf Gott zurückzuführen ist und deren Deuterin das rechte Gewissen ist. Die Aufgabe verantwortungsbewußter Elternschaft verlangt von den Gatten, daß sie in Wahrung der rechten Güter und Wertordnung ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen. Daraus folgt, daß sie bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, keineswegs ihrer Willkür folgen dürfen, gleichsam als hinge die Bestimmung der sittlich gangbaren Wege von ihrem eigenen und freien Ermessen ab. Sie sind vielmehr verpflichtet, ihr Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan auszurichten, der einerseits im Wesen der Ehe selbst und ihrer Akte zum Ausdruck kommt, den andererseits die beständige Lehre der Kirche kundtut“ (Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 10). Die Enzyklika Humanae vitae erklärt jede Handlung für verwerflich, „die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern“. Weiter heißt es: „Man darf, um diese absichtlich unfruchtbar gemachten ehelichen Akte zu rechtfertigen, nicht als Argument geltend machen, man müsse das Übel wählen, das als das weniger schwere erscheine; auch nicht, daß solche Akte eine gewisse Einheit darstellen mit früheren oder nachfolgenden fruchtbaren Akten und deshalb an ihrer einen und gleichen Gutheit teilhaben. Wenn es auch zuweilen erlaubt ist, das kleinere sittliche Übel zu dulden, um ein größeres zu verhindern oder um etwas sittlich Höherwertiges zu fördern, so ist es dennoch niemals erlaubt — auch aus noch so ernsten Gründen nicht -, Böses zu tun, um eines guten Zweckes willen: das heißt etwas zu wollen, was seiner Natur nach die sittliche Ordnung verletzt und deshalb als des Menschen unwürdig gelten muß; das gilt auch, wenn dies mit der Absicht geschieht, das Wohl des einzelnen, der Familie oder der menschlichen Gesellschaft zu schützen oder zu fördern. Völlig irrig ist deshalb die Meinung, ein absichtlich unfruchtbar gemachter und damit in sich unsittlicher ehelicher Akt könne durch die fruchtbaren ehelichen Akte des gesamtehelichen Lebens seine Rechtfertigung erhalten“ (Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 14). „Wenn die Ehegatten durch Empfängnisverhütung diese beiden Sinngehalte, die der Schöpfergott dem Wesen von Mann und Frau und der Dynamik ihrer sexuellen Vereinigung eingeschrieben hat, auseinanderreißen, liefern sie den Plan Gottes ihrer Willkür aus; sie ,manipulieren4 und erniedrigen die menschliche Sexualität -und damit sich und den Ehepartner -, weil sie ihr den Charakter der Ganzhingabe nehmen. Während die geschlechtliche Vereinigung ihrer ganzen Natur nach ein vorbehaltloses gegenseitiges Sichschenken der Gatten zum Ausdruck bringt, wird sie durch die Empfängnisverhütung zu einer objektiv widersprüchlichen Gebärde, zu einem Sich-nicht-ganz-Schenken. So kommt zur aktiven Zurückweisung der Offenheit für das Leben auch eine Verfälschung der inneren Wahrheit ehelicher Liebe, die ja zur Hingabe in personaler Ganzheit berufen ist“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 32). 951 KONGREGATIONEN UND RÄTE 5. Eine spezifische und moralisch schwerwiegendere Sünde besteht bei Verwendung von Mitteln mit abtreibender Wirkung, sei es daß diese die Einpflanzung des neu gezeugten Embryos verhindern, sei es daß sie dessen frühzeitige Abstoßung bewirken. <41> „Das menschliche Geschöpf muß geachtet und von seiner Empfängnis an als Person behandelt werden, und folglich müssen ihm von eben diesem Moment an die Rechte einer Person zuerkannt werden, vor allem das unantastbare Recht jedes unschuldigen menschlichen Wesens auf Leben“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum vitae, 22. Februar 1987, Nr. 1). „Die auf mentaler Ebene enge Verknüpfung zwischen den Praktiken von Empfängnisverhütung und Abtreibung wird immer deutlicher; das beweist auch in alarmierender Weise die große Anzahl von chemischen Präparaten, intrauterinären Instrumenten und Impfstoffen, die - wiewohl sie mit derselben Leichtfertigkeit wie Kontrazeptiva verteilt werden - in Wirklichkeit eine abtreibende Wirkung in den allerersten Entwicklungsstadien des Lebens des neuen menschlichen Wesens zeitigen“ (Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 13). „Wenn also gerechte Gründe dafür sprechen, Abstände einzuhalten in der Reihenfolge der Geburten -Gründe, die sich aus den körperlichen oder seelischen Situationen der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben -, ist es nach kirchlicher Lehre den Gatten erlaubt, dem natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktionen zu folgen, dabei den ehelichen Verkehr auf die empfängnisffeien Zeiten zu beschränken und die Kinderzahl so zu planen, daß die oben dargelegten sittlichen Grundsätze nicht verletzt werden. Die Kirche bleibt sich und ihrer Lehre treu, wenn sie einerseits die Berücksichtigung der empfängnisfreien Zeiten durch die Gatten für erlaubt hält, andererseits den Gebrauch direkt empfängnisverhütender Mittel als immer unerlaubt verwirft - auch wenn für diese andere Praxis immer wieder ehrbare und schwerwiegende Gründe angeführt werden. Tatsächlich handelt es sich um zwei ganz unterschiedliche Verhaltensweisen: Bei der ersten machen die Eheleute von einer naturgegebenen Möglichkeit rechtmäßig Gebrauch; bei der anderen hingegen hindern sie den Zeugungsvorgang bei seinem natürlichen Ablauf. Zweifellos sind in beiden Fällen die Gatten sich einig, daß sie aus guten Gründen Kinder vermeiden wollen, und dabei möchten sie auch sicher sein. Jedoch ist zu bemerken, daß nur im ersten Fall die Gatten es verstehen, sich in fruchtbaren Zeiten des ehelichen Verkehrs zu enthalten, wenn aus berechtigten Gründen keine weiteren Kinder mehr wünschenswert sind. In den empfängnisfreien Zeiten aber vollziehen sie dann den ehelichen Verkehr zur Bezeugung der gegenseitigen Liebe und zur Wahrung der versprochenen Treue. Wenn die Eheleute sich so verhalten, geben sie wirklich ein Zeugnis der rechten Liebe“ (Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 16). „Wenn dagegen die Ehegatten durch die Zeitwahl den untrennbaren Zusammenhang von Begegnung und Zeugung in der menschlichen Sexualität respektieren, stellen sie sich unter Gottes Plan und vollziehen die Sexualität in ihrer ursprünglichen Dynamik der Ganzhingabe, ohne Manipulationen und Verfälschungen“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 32). 6. Dagegen unterscheidet sich dem Wesen nach von allen empfängnisverhütenden Praktiken - sowohl aus anthropologischer als auch aus moralischer Sicht, da es auf einer anderen Auffassung von Person und Sexualität beruht — das Verhalten jener Ehegatten, die vor dem Hintergrund einer fundamentalen und ständigen Offenheit für das Geschenk des Lebens nur während der unfruchtbaren Perioden miteinander verkehren, wenn sie aus gewichtigen Gründen der verantwortlichen Elternschaft dazu veranlaßt werden. <42> „Das Werk der Erziehung zum Leben schließt die Formung der Eheleute im Hinblick auf die verantwortliche Zeugung der Nachkommenschaft ein. Diese erfordert in ihrer wahren Bedeutung, daß sich die Ehegatten dem Ruf des Herrn fügen und als treue Interpreten seines Planes handeln: das ist der Fall, wenn die Familie sich großherzig neuem Leben öffnet und auch dann in einer Haltung der Offenheit für das Leben und des Dienstes an ihm bleibt, wenn die Ehepartner aus emstzunehmenden Gründen und unter Achtung des Moralgesetzes entscheiden, vorläufig oder für unbestimmte Zeit eine neue Geburt zu vermeiden. Das Moralgesetz verpflichtet sie in jedem Fall, die Neigungen des Instinkts und der Leidenschaft zu beherrschen und die ihrer Person eingeschriebenen biologischen Gesetze zu beachten. Im Dienst der Verantwortlichkeit bei der Zeugung erlaubt gerade diese Betrachtung die Anwendung der natürlichen Methoden der Fruchtbarkeitsregelung“' (Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 97). 952 KONGREGATIONEN UND RÄTE Das Zeugnis all jener Ehepaare, die seit vielen Jahren in Einklang mit der schöpferischen Absicht Gottes leben und in legitimer Weise im Falle des Vorliegens entsprechend gewichtiger Gründe die sogenannten „natürlichen“ Methoden anwenden, bestätigt, daß Eheleute vollständig, in gegenseitiger Übereinstimmung und mit ganzer Hingabe den Anforderungen des Ehelebens und der ehelichen Keuschheit gemäß leben können. 3. Pastorale Orientierungshilfen der Beichtväter 1. Was das Verhalten gegenüber Pönitenten bezüglich der verantwortlichen Elternschaft anlangt, so hat der Beichtvater vier Aspekte zu berücksichtigen: a) das Vorbild des Herrn, der fähig ist, „sich über jeden verlorenen Sohn zu beugen, über jedes menschliche Elend, vor allem über das moralische Elend: die Sünde“; <43> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30. November 1980, Nr. 6. „Wie bei der Feier der Eucharistie am Altar und bei jedem anderen Sakrament handelt der Priester auch als Verwalter des Bußsakraments in der Person Christi. Christus, der durch den Priester gegenwärtig gesetzt wird und durch ihn das Geheimnis der Sündenvergebung wirkt, erscheint als Bruder des Menschen, als barmherziger, treuer und mitfühlender Hoherpriester, als Hirt, der entschlossen ist, das verlorene Schaf zu suchen, als Arzt, der heilt und stärkt, als einziger Meister, der die Wahrheit lehrt und die Wege Gottes aufzeigt, als Richter der Lebenden und der Toten, der nach der Wahrheit und nicht nach dem Augenschein richtet“ (Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio etpaenitentia, 2. Dezember 1984, Nr. 29). b) Umsicht und Klugheit beim Stellen von Fragen, die derartige Sünden betreffen; c) Hilfe und Ermutigung dem Beichtenden gegenüber, damit dieser zu hinlänglicher Reue gelangt und seine schweren Sünden vollständig bekennt; d) die geeigneten Ratschläge, welche alle Menschen schrittweise auf dem Weg der Heiligkeit vorankommen lassen. 2. Der Spender des Sakraments der Vergebung sei sich stets bewußt, daß die Beichte für Männer und Frauen eingesetzt wurde, die Sünder sind. Sofern kein offensichtlicher Beweis für das Gegenteil vorliegt, wird er daher die Sünder, die den Beichtstuhl betreten, in der Annahme empfangen, daß sie guten Willens sind, sich mit dem barmherzigen Gott auszusöhnen. Dieser gute Wille geht, wenn auch in unterschiedlichen Graden, aus einem reuigen und demütigen Herzen (Ps 51 [50], 19) hervor. <44> „Wenn der Priester das Bußsakrament spendet, versieht er den Dienst des Guten Hirten, der nach dem verlorenen Schaf sucht; den des guten Samariters, der die Wunden verbindet; den des Vaters, der auf den verlorenen Sohn wartet und ihn bei dessen Rückkehr liebevoll aufhimmt; den des gerechten Richters, der ohne Ansehen der Person ein zugleich gerechtes und barmherziges Urteil fallt. Kurz, der Priester ist Zeichen und Werkzeug der barmherzigen Liebe Gottes zum Sünder“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1465). 3. Wenn ein Pönitent das Sakrament empfangen will, der seit langer Zeit nicht mehr gebeichtet hat und eine generell schwerwiegende Situation erkennen läßt, ist es angezeigt, bevor man direkte und konkrete Fragen bezüglich der verantwortlichen Zeugung von Nachkommenschaft sowie der Keuschheit im allgemeinen 953 KONGREGATIONEN UND RÄTE stellt, ihm dahingehend zu helfen, daß er diese Gebote aus der Sicht des Glaubens verstehen kann. Es wird daher nötig sein, falls das Bekenntnis der Sünden zu knapp oder mechanisch gewesen ist, den Beichtenden dabei zu unterstützen, sein ganzes Leben im Angesicht Gottes neu zu sehen; es wird weiterhin nötig sein, mittels allgemeiner Fragen über die verschiedenen Tugenden und Verpflichtungen entsprechend den persönlichen Umständen des Betroffenen <45> ausdrücklich die Berufung zur Heiligkeit der Liebe und die Bedeutung der Pflichten hinsichtlich der Zeugung und der Erziehung von Kindern zu erwähnen. Vgl. Kongregation des HL Offiziums, Normae quaedam de agendi ratione confessariorum circa sextum Deca-logi praeceptum, 16. Mai 1943. 4. Wenn seinerseits der Pönitent Fragen stellt oder nach Klärung konkreter Punkte - sei es auch nur implizit - verlangt, muß der Beichtvater in entsprechender Weise antworten, jedoch stets mit Klugheit und Diskretion, <46> und ohne falsche Meinungen gutzuheißen. „Der Priester hat, sofern Fragen zu stellen sind, mit Klugheit und Behutsamkeit vorzugehen; dabei sind Verfassung und Alter des Pönitenten zu berücksichtigen; nach dem Namen eines Mitschuldigen darf er nicht fragen“ (Codex des Kanonischen Rechtes, Can. 979). 5. Hinsichtlich der objektiv schweren Sünden ist der Beichtvater gehalten, die Beichtenden zu ermahnen und darauf hinzuwirken, daß sie beim Verlangen nach Lossprechung und Vergebung seitens des Herrn den Vorsatz fassen, ihr Verhalten zu überdenken und zu korrigieren. Die Rückfälligkeit in die Sünden der Empfängnisverhütung ist an sich kein Grund, die Absolution zu verweigern; diese kann jedoch nicht erteilt werden, wenn es an ausreichender Reue oder am Vorsatz, nicht erneut zu sündigen, fehlt. <47> „Die konkrete pastorale Führung der Kirche muß stets mit ihrer Lehre verbunden sein und darf niemals von ihr getrennt werden. Ich wiederhole deshalb mit derselben Überzeugung die Worte meines Vorgängers: ,In keinem Punkte Abstriche von der Heilslehre Christi zu machen ist hohe Form seelsorglicher Liebe4“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 33). Vgl. Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum, Nr. 3187. 6. Ein Pönitent, der regelmäßig bei demselben Priester beichtet, erwartet oft mehr als die bloße Lossprechung. In diesem Fall soll sich der Beichtvater darum bemühen, dem Pönitenten Orientierungshilfen zu geben, um ihn in seinem Bemühen zu unterstützen, in allen christlichen Tugenden und folglich auch in der Heiligung des Ehelebens voranzuschreiten. Diese Aufgabe wird dort umso leichter gelingen, wo ein Verhältnis echter geistlicher Leitung besteht, wenn sie auch nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wird. <48> „Das Geständnis vor dem Priester bildet einen wesentlichen Teil des Bußsakramentes: ,Von den Büßenden müssen alle Todsünden, derer sie sich nach gewissenhafter Selbsterforschung bewußt sind, im Bekenntnis aufgeführt werden ..., auch wenn sie ganz im Verborgenen und nur gegen die zwei letzten Vorschriften der Zehn Gebote begangen wurden; manchmal verwunden diese die Seele schwerer und sind gefährlicher als die, welche ganz offen begangen werden“4 {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1456). 7. Das Sakrament der Vergebung verlangt seitens des Pönitenten aufrichtige Reue, das formal vollständige Bekenntnis aller Todsünden und den Vorsatz, mit der Hilfe 954 KONGREGATIONEN UND RÄTE Gottes nicht mehr in die Sünde zurückzufallen. Im allgemeinen besteht keine Notwendigkeit, daß der Beichtvater eingehendere Fragen bezüglich all jener Sünden stellt, die aufgrund von unüberwindlicher Unkenntnis ihrer moralischen Sündhaftigkeit oder aufgrund eines schuldfreien Fehlurteils begangen worden sind. Obwohl allerdings derartige Sünden moralisch nicht anrechenbar sind, so stellen sie doch ein Übel und eine Unordnung dar. Das gilt auch für die objektive moralische Sündhaftigkeit der Empfängnisverhütung: diese fuhrt in das Eheleben der Gatten eine schlechte Gewohnheit ein. Es ist daher nötig, sich auf möglichst geeignete Weise dafür einzusetzen, das moralische Gewissen von diesen Irrtümem <49> zu befreien, die im Widerspruch zur Natur der Ganzhingabe des Ehelebens stehen. Wiewohl man sich der Tatsache bewußt sein muß, daß die Gewissensbildung vor allem in der Katechese - sei es in der allgemeinen, sei es in der speziell für Eheleute bestimmten - ihren Platz hat, so besteht doch immer die Notwendigkeit, die Eheleute auch im Sakrament der Versöhnung anzuleiten, sich in bezug auf die spezifischen Pflichten des Ehelebens zu prüfen. Falls sich der Beichtvater verpflichtet sieht, den Pönitenten zu befragen, so möge er dies mit Diskretion und Respekt tun. „Wenn hingegen die Unkenntnis unüberwindlich oder der Betreffende für das Fehlurteil nicht verantwortlich ist, kann ihm seine böse Tat nicht zur Last gelegt werden. Trotzdem bleibt sie etwas Böses, ein Mangel, eine Unordnung. Aus diesem Grund müssen wir uns bemühen, Irrtümer des Gewissens zu beheben“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1793). „Das aufgrund einer unüberwindbaren Unwissenheit oder eines nicht schuldhaften Fehlurteils begangene Übel kann zwar der Person, die es begeht, nicht als Schuld anzurechnen sein; doch auch in diesem Falle bleibt es ein Übel, eine Unordnung in bezug auf die Wahrheit des Guten“ (Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, 8. August 1993, Nr. 63). 8. Zweifelsohne ist auch in bezug auf die eheliche Keuschheit jenes Prinzip immer als gültig anzusehen, demzufolge es vorzuziehen ist, den Pönitenten in gutem Glauben zu belassen, falls ein auf subjektiv unüberwindliche Unwissenheit zurückzuführender Irrtum vorliegt und es abzusehen ist, daß der Pönitent, wenngleich unterwiesen, ein Leben des Glaubens zu führen, sein Verhalten nicht ändern würde, sondern vielmehr auch in formaler Hinsicht sündigen würde. Jedoch hat auch in solchen Fällen der Beichtvater sich darum zu bemühen, die Beichtenden immer mehr dahingehend zu fördern, daß sie in ihrem Leben den Plan Gottes annehmen, auch was die Forderungen der ehelichen Keuschheit angeht. Zu diesem Zweck kann der Beichtvater dem Pönitenten das Gebet empfehlen, ihn zur Gewissensbildung auffordem oder ihm eine gründlichere Kenntnis der kirchlichen Lehre anraten. 9. Das „Gesetz der Gradualität“ darf in der pastoralen Tätigkeit nicht mit einer „Gradualität des Gesetzes“ verwechselt werden, welche darauf aus ist, dessen Anforderungen zu mindern. Es besteht vielmehr in der Forderung nach einer entschiedenen Abwendung von der Sünde und einem stetigen Voranschreiten in Richtung 955 KONGREGATIONEN UND RÄTE auf die vollständige Vereinigung mit dem Willen Gottes und dessen liebenswerten Geboten. <50> „Auch die Eheleute sind im Bereich ihres sittlichen Lebens auf einen solchen Weg gerufen, getragen vom aufrichtig suchenden Verlangen, die Werte, die das göttliche Gesetz schützt und fordert, immer besser zu erkennen, sowie vom ehrlichen und bereiten Willen, diese in ihren konkreten Entscheidungen zu verwirklichen. Jedoch können sie das Gesetz nicht als reines Ideal auffassen, das es in Zukunft einmal zu erreichen gelte, sondern sie müssen es betrachten als ein Gebot Christi, die Schwierigkeiten mit all ihrer Kraft zu überwinden. ,Daher kann das sogenannte Gesetz der Gradualität oder des stufenweisen Weges nicht mit einer Gradualität des Gesetzes selbst gleichgesetzt werden, als ob es verschiedene Grade und Arten von Geboten im göttlichen Gesetz gäbe, je nach Menschen und Situation verschieden. Alle Eheleute sind nach dem göttlichen Plan zur Heiligkeit in der Ehe berufen, und diese hehre Berufung verwirklicht sich in dem Maße, wie die menschliche Person fähig ist, auf das göttliche Gebot ruhigen Sinns im Vertrauen auf die Gnade Gottes und auf den eigenen Willen zu antworten.' Dementsprechend gehört es zur pastoralen Führung der Kirche, daß die Eheleute vor allem die Lehre der Enzyklika Hnmanae vitae als normativ für die Ausübung ihrer Geschlechtlichkeit klar anerkennen und sich aufrichtig darum bemühen, die für die Beobachtung dieser Norm notwendigen Voraussetzungen zu schaffen“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 34). 10. Dagegen ist es unzulässig, die eigene Schwäche zum Kriterium für die sittliche Wahrheit zu machen. Seit der ersten Verkündigung des Wortes Jesu ist sich der Christ des „Mißverhältnisses“ zwischen dem Moralgesetz - dem natürlichen wie dem des Evangeliums - und der menschlichen Fähigkeit bewußt. Zugleich begreift er, daß der notwendige und sichere Weg, die Pforten der göttlichen Barmherzigkeit zu Öffnen, über die Erkenntnis der eigenen Schwäche führt. <51> „Hier öffnet sich dem Erbarmen Gottes mit der Sünde des sich bekehrenden Menschen und dem Verständnis ßr die menschliche Schwäche der angemessene Raum. Dieses Verständnis bedeutet niemals, den Maßstob von Gut und Böse aufs Spiel zu setzen und zu verfälschen, um ihn an die Umstände anzupassen. Während es menschlich ist, daß der Mensch, nachdem er gesündigt hat, seine Schwäche erkennt und wegen seiner Schuld um Erbarmen bittet, ist hingegen die Haltung eines Menschen, der seine Schwäche zum Kriterium vom Guten macht, um sich von allein gerechtfertigt zu fühlen, ohne es nötig zu haben, sich an Gott und seine Barmherzigkeit zu wenden, unannehmbar. Eine solche Haltung verdirbt die Sittlichkeit der gesamten Gesellschaft, weil sie lehrt, an der Objektivität des Sittengesetzes im allgemeinen könne gezweifelt werden und die Absolutheit der sittlichen Verbote hinsichtlich bestimmter menschlicher Handlungen könne geleugnet werden, was schließlich dazu fuhrt, daß man sämtliche Werturteile durcheinanderbringt“ (Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, 6. August 1993, Nr. 104). 11. Dem Büßer, der nach einem schweren Verstoß gegen die eheliche Keuschheit Reue zeigt und ungeachtet der Rückfalle gewillt ist, in Zukunft gegen die Sünde zu kämpfen, werde die sakramentale Lossprechung nicht verweigert. Der Beichtvater soll es vermeiden, mangelndes Vertrauen in die Gnade Gottes oder in die Bereitwilligkeit des Pönitenten zu bekunden, und wird es daher unterlassen, absolute Garantien über das zukünftige untadelige Verhalten <52> zu fordern, zumal diese nicht menschenmöglich sind; dies entspricht der anerkannten Lehre und der von den heiligen Kirchenlehrern und Beichtvätern gepflogenen Praxis bei habituellen Sündern. „Wenn der Beichtvater keinen Zweifel an der Disposition des Pönitenten hat und dieser um die Absolution bittet, darf diese weder verweigert noch aufgeschoben werden“ (Codex des Kanonischen Rechtes, Can. 980). 12. Läßt der Pönitent die Bereitschaft erkennen, die Sittenlehre der Kirche anzunehmen - besonders dann, wenn er regelmäßig das Bußsakrament empfangt und Vertrauen in dessen geistliche Hilfe zeigt -, so ist es von Nutzen, in ihm das Ver- 956 KONGREGATIONEN UND RÄTE trauen in die Vorsehung zu wecken und ihm dabei zu helfen, sich in ehrlicher Weise vor Gottes Angesicht zu prüfen. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, sowohl die Gründe für das Einschränken der Vater- bzw. Mutterschaft als auch die Zulässigkeit der zur Familienplanung verwendeten Mittel zu überprüfen. 13. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich bei Fällen von Beihilfe zur Sünde des Ehegatten, wenn jener willentlich die Unfruchtbarkeit der ehelichen Vereinigung herbeiführt. Flier gilt es zunächst, zwischen Beihilfe im eigentlichen Sinn und Gewaltanwendung bzw. imgerechter Nötigung zu unterscheiden, denen sich der andere Ehepartner faktisch nicht widersetzen kann. <53> <54> „Zudem weiß die Heilige Kirche sehr wohl, daß nicht selten einer der beiden Gatten die Sünde mehr erleidet als verursacht, wenn er aus wirklich schwerwiegenden Gründen die Verzerrung der notwendigen Ordnung zuläßt, welcher er freilich nicht zustimmt und an der ihn folglich keine Schuld trifft; zugleich ruft sie auch in solch einem Fall die Gebote der Liebe in Erinnerung und ermahnt, es nicht zu vernachlässigen, dem Gatten von der Sünde abzuraten und diesen von ihr abzubringen“ (Pius XI., Enzyklika Casti connubii, AAS 22[1930]561). Vgl. Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum, Nr. 2795; 3634. Eine derartige Beihilfe kann zulässig sein, wenn die drei folgenden Bedingungen zugleich gegeben sind: 1. Das Tun des Beihilfe leistenden Gatten darf nicht an sich moralisch unerlaubt • 47 sein. 2. Es müssen entsprechend schwerwiegende Gründe für die Beihilfe zur Sünde des Gatten vorliegen. 3. Es muß das Bestreben vorhanden sein, dem Gatten dahingehend zu helfen, daß er von seinem Verhalten abläßt (auf geduldige Weise, mittels des Gebets, der Liebe und des Gesprächs; nicht notwendigerweise im Moment der Tat selbst und auch nicht bei jedem Anlaß). 14. Eine derartige Beihilfe ist nicht gestattet, wenn Mittel mit abtreibender Wirkung zur Anwendung gelangen. Darüber hinaus ist die Mitwirkung zum Bösen entsprechend zu beurteilen, wenn Mittel verwendet werden, die eine mögliche abtreibende Wirkung haben. <55> „Denn unter sittlichem Gesichtspunkt ist es niemals erlaubt, formell am Bösen mitzuwirken. Solcher Art ist die Mitwirkung dann, wenn die durchgeführte Handlung entweder aufgrund ihres Wesens oder wegen der Form, die sie in einem konkreten Rahmen annimmt, als direkte Beteiligung an einer gegen das unschuldige Menschenleben gerichteten Tat oder als Billigung der unmoralischen Absicht des Haupttäters bezeichnet werden muß“ (Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 74). 15. Die christlichen Eheleute sind Zeugen der Liebe Gottes in der Welt. Sie müssen daher Dank des Glaubens auch entgegen der Erfahrung menschlicher Schwäche davon überzeugt sein, daß es mit Hilfe der Gnade Gottes möglich ist, den Willen des Herrn im Eheleben zu befolgen. Die häufige und beständige Zuflucht zum Gebet, zur Eucharistie und zur Beichte sind für das Erlangen der Selbstbeherrschung imabdingbar. <56> „Solche Selbstzucht, Ausdruck ehelicher Keuschheit, braucht keineswegs der Gattenliebe zu schaden; sie erfüllt sie vielmehr mit einem höheren Sinn für die Menschlichkeit. Solche Selbstzucht verlangt zwar be- 957 KONGREGATIONEN UND RÄTE 16. Von den Priestern wird erwartet, daß sie - in vollständiger Treue zum Lehramt der Kirche - in der Katechese und in der Ehevorbereitung sowohl bei der Unterweisung als auch bei der Spendung des Sakraments der Versöhnung einheitliche Kriterien über die moralische Sündhaftigkeit der Empfängnisverhütung zur Anwendung bringen. Die Bischöfe mögen diesbezüglich besondere Sorge walten lassen; nicht selten erregt ein derartiger Mangel an Einheit in der Katechese und bei der Spendung des Sakraments der Versöhnung bei den Gläubigen Anstoß. <57> ständiges Sich-Mühen; ihre heilsame Kraft aber fuhrt die Gatten zu einer volleren Entfaltung ihrer selbst und macht sie reich an geistlichen Gütern. Sie schenkt der Familie wahren Frieden und hilft, auch sonstige Schwierigkeiten zu meistern. Sie fordert bei den Gatten gegenseitige Achtung und Besorgtsein füreinander; sie hilft den Eheleuten, ungezügelte Selbstsucht, die der wahren Liebe widerspricht, zu überwinden, sie hebt bei ihnen das Verantwortungsbewußtsein bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie verleiht den Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder eine innerlich begründete, wirkungsvollere Autorität: dementsprechend werden dann Kinder und junge Menschen mit fortschreitendem Alter zu den wahren menschlichen Werten die rechte Einstellung bekommen und die Kräfte des Geistes und ihrer Sinne in glücklicher Harmonie entfalten“ (Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 21). 17. Eine solche Pastoral der Beichte ist dann umso wirkungsvoller, wenn sie mit einer beständigen und flächendeckenden Katechese einhergeht, welche die christliche Berufung zur ehelichen Liebe und deren Dimensionen von Freude und Anforderung, Gnade und persönlicher Verpflichtung zum Thema hat; <58> und wenn geeig- Für die Priester „ist es Pflicht - unser Wort gilt besonders den Lehrern der Moraltheologie -, die kirchliche Ehelehre unverfälscht und offen vorzulegen. An erster Stelle gebt ihr bei der Ausübung eures Amtes das Beispiel aufrichtigen Gehorsams, der innerlich und nach außen dem kirchlichen Lehramt zu leisten ist. Wie ihr wohl wißt, verpflichtet euch dieser Gehorsam nicht so sehr wegen der beigebrachten Beweisgründe als wegen des Lichtes des Heiligen Geistes, mit dem besonders die Hirten der Kirche bei der Darlegung der Wahrheit ausgestattet sind. Ihr wißt auch, daß es zur Wahrnehmung des inneren Friedens der einzelnen und der Einheit des christlichen Volkes von großer Bedeutung ist, daß in Sitten- wie Glaubensfragen alle dem kirchlichen Lehramt gehorchen und die gleiche Sprache sprechen. Deshalb machen wir uns die eindringlichen Worte des Apostels Paulus zu eigen und appellieren erneut an euch aus ganzem Herzen: ,Ich ermahne euch, Brüder,... daß ihr alle in Eintracht redet; keine Parteiungen soll es unter euch geben, vielmehr sollt ihr im gleichen Sinn und in gleicher Überzeugung zusamrnenstehen. ‘ Ferner, wenn nichts von der Heilslehre Christi zu unterschlagen eine hervorragende Ausdrucksform der Liebe ist, so muß dies immer mit Duldsamkeit und Liebe verbunden sein; dafür hat der Herr selbst durch sein Wort und sein Werk den Menschen ein Beispiel gegeben. Denn obwohl er gekommen war, nicht um die Welt zu richten, sondern zu retten, war er zwar unerbittlich streng gegen die Sünde, aber geduldig und barmherzig gegenüber den Sünder“ (Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, Nr. 28-29). „Im Hinblick auf das Problem einer sittlich richtigen Geburtenregelung muß die kirchliche Gemeinschaft zur gegenwärtigen Zeit die Aufgabe übernehmen, Überzeugungen zu wecken und denen konkrete Hilfe anzubieten, die ihre Vater- und Mutterschaft in einer wirklich verantwortlichen Weise leben wollen. Während die Kirche die Ergebnisse der wissen-schaftlichen Forschung für eine genauere Kenntnis der Zyklen der weiblichen Fruchtbarkeit begrüßt und eine entschlossene Ausweitung dieser Studien anregt, kann sie nicht umhin, erneut mit Nachdruck an die Verantwortung all derer zu appellieren — Ärzte, Experten, Eheberater, Erzieher, Ehepaare -, die den Eheleuten wirksam helfen können, ihre Liebe in der Beachtung der Struktur und der Ziele des ehelichen Aktes zu verwirklichen, der diese Liebe zum Ausdruck bringt. Das bedeutet einen umfassenderen, entschlosseneren und systematischeren Einsatz dafür, daß die natürlichen Methoden der Geburtenregelung bekannt, geschätzt und angewandt werden. Ein wertvolles Zeugnis kann und muß von jenen Eheleuten gegeben werden, die durch ihr gemeinsames Bemühen um die periodische Enthaltsamkeit eine reifere persönliche Verantwortlichkeit gegenüber der Liebe und dem Leben gewonnen haben. Wie Paul VI. schreibt,,übergibt ihnen der Herr die Aufgabe, die Heiligkeit und Milde jenes Gesetzes den Menschen sichtbar zu machen, das die gegenseitige Liebe der Eheleute und ihr 958 KONGREGATIONEN UND RÄTE nete Berater und Zentren zur Verfügung stehen, die der Beichtvater dem Pönitenten zur korrekten Information über die natürlichen Methoden empfehlen kann. 18. Um die praktische Anwendung der sittlichen Gebote hinsichtlich der verantwortlichen Elternschaft zu ermöglichen, muß die unschätzbare Tätigkeit der Beichtväter durch die Katechese vervollständigt werden. Dazu gehört eine gründliche Aufklärung über die Schwere der Sünde der Abtreibung. <59> Zusammenwirken mit der Liebe Gottes, des Urhebers des menschlichen Lebens, vereint1“ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 35). „Seit dem ersten Jahrhundert hat die Kirche es für moralisch verwerflich erklärt, eine Abtreibung herbeizuführen. Diese Lehre hat sich nicht geändert und ist unabänderlich. Eine direkte, das heißt eine als Ziel oder Mittel gewollte, Abtreibung stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2271; siehe auch Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung, 18. November 1974). „Die sittliche Schwere der Abtreibung wird in ihrer ganzen Wahrheit deutlich, wenn man erkennt, daß es sich um einen Mord handelt, und insbesondere, wenn man die spezifischen Umstände bedenkt, die ihn kennzeichnen. Getötet wird hier ein menschliches Geschöpf, das gerade erst dem Leben entgegengeht, das heißt das absolut unschuldigste Wesen, das man sich vorstellen kann“ (Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, 25. März 1995, Nr. 58). 19. Was die Lossprechung von der Sünde der Abtreibung betrifft, so besteht immer die Verpflichtung zur Berücksichtigung der kanonischen Richtlinien. Im Falle aufrichtiger Reue und wenn es schwierig sein sollte, den Pönitenten an die zuständige Autorität zu verweisen, der die Aufhebung der Zensur Vorbehalten ist, kann jeder Beichtvater gemäß Can. 1357 die Absolution erteilen, eine entsprechende Buße auferlegen und den Pönitenten auf die Rekurspflicht hinweisen, eventuell verbunden mit dem Angebot, dieser selbst nachzukommen bzw. den Rekurs weiterzuleiten. <60> Man beachte, daß „ipso iure“ die Vollmacht, in dieser Materie im „forum intemum“ loszusprechen - wie bei allen Zensuren, die nicht dem Heiligen Stuhl Vorbehalten und nicht deklariert sind —, jedem Bischof, einschließlich dem Titularbischof, zusteht sowie dem Bußkanoniker der Kathedral- oder Kollegiatskirche (Can. 508); weiterhin den Kaplänen der Spitäler, der Gefängnisse und der Nicht-Seßhaften (Can. 566, Par. 2). Was spezifisch die Zensur bezüglich der Abtreibung angeht, besitzen aufgrund eines Privilegs all jene Beichtväter die Vollmacht zur Lossprechung, welche einem Bettelorden oder bestimmten modernen religiösen Kongregationen angehören. SCHLUSSBEMERKUNG Die Kirche sieht es gerade in der Welt von heute als eine ihrer vorrangigen Aufgaben an, das Geheimnis der Barmherzigkeit, welches sich am deutlichsten in der Person Jesu Christi offenbart hat, zu verkünden und in das Leben des einzelnen zu integrieren. <61> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30. November 1980, Nr. 14. Der Ort schlechthin für diese Verkündigung und die Erfüllung der Barmherzigkeit ist die Feier des Sakraments der Vergebung. Gerade dieses erste Jahr des Trienni-ums zur Vorbereitung auf das Dritte Jahrtausend, das Jesus Christus, dem alleinigen Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8), gewidmet ist, kann eine großartige Gelegenheit für die pastorale Eingliederung dieser Lehre in 959 KONGREGATIONEN UND RÄTE die heutige Zeit und deren katechetische Vertiefung in den Diözesen sowie speziell an den Wallfahrtsorten bieten, wo sich viele Pilger versammeln und wo das Sakrament der Versöhnung wegen der zahlreich vorhandenen Beichtväter in besonders reichem Maße gespendet wird. Die Priester seien stets vollständig für diesen Dienst verfügbar, von dem sowohl die ewige Seligkeit der Ehegatten als auch zum großen Teil ihr Glück im jetzigen Leben abhängt; mögen die Priester ihnen wahrhaft lebendige Zeugen der Barmherzigkeit des Vaters sein! Vatikanstadt, den 12. Februar 1997 Alfonso Kardinal Lopez Trujillo Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie Francisco Gil Hellfn Sekretär 960 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ethik in der Werbung Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel vom 22. Februar I. Einführung 1. Die Bedeutung der Werbung „wächst in der modernen Gesellschaft von Tag zu Tag“. <62> Dieser Feststellung, die der Päpstliche Rat vor einem Vierteljahrhundert im Rahmen eines Überblicks über den Stand der sozialen Kommunikationsmittel ausgesprochen hat, kommt heutzutage noch größere Gültigkeit zu. Päpstl. Kommission für die Instrumente der Sozialen Kommunikation, Pastoralinstruktion Communio et Progressio (23. Mai 1971), Nr. 59, in: AAS 63(1971)615-617. Genauso wie die Massenmedien selbst überall einen enormen Einfluß ausüben, ebenso wohnt der Werbung, die die Medien als Werkzeug benützt, eine mächtige, alles durchdringende Kraft inne, die Einstellungen und Verhalten in der heutigen Welt zu prägen vermag. Besonders seit dem II. Vatikanischen Konzil hat die Kirche häufig das Thema Medien, ihre Rolle und Verantwortung aufgegriffen. <63> Sie bemühte sich, das auf eine grundsätzlich positive Weise zu tun, wenn sie die Medien als „Geschenke Gottes“ ansieht, die gemäß dem Ratschluß seiner göttlichen Vorsehung die Menschen verbinden und „ihnen helfen, im Heilswerk Gottes mitzuwirken“. <64> Hiermit betont die Kirche die Verantwortung der Medien, zur echten, ganzheitlichen Entwicklung der Menschen beizutragen und das Wohl der Gesellschaft zu fördern. „Die Information durch Medien steht im Dienst des Gemeinwohls. Die Gesellschaft hat das Recht auf eine Information, die auf Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gründet.“ <65> Z. B.: II. Vat. Konzil, Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica; die Botschaften Papst Pauls VI. und Papst Johannes Pauls II. anläßlich des jährlichen Welttages der sozialen Kommunikationsmit-tel; Päpstl. Kommission für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pastoralinstruktion Communio et Progressio, in: AAS 63(1971)593-656; Päpstl. Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pornographie und Gewalt in den Kommunikationsmedien: eine pastorale Antwort, Vatikanstadt 1989; Päpstl. Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pastoralinstruktion Aetatis novae, Vatikanstadt 1992. Communio et Progressio, Nr. 2, in: AAS 63(1971)593-594. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2494, darin Zitat aus II. Vat. Konzil, Inter mirifica, Nr. 11. In diesem Geist tritt die Kirche mit Personen in Dialog, die in der Medienarbeit tätig sind. Gleichzeitig lenkt sie die Aufmerksamkeit auf moralische Prinzipien und Normen, die für die sozialen Kommunikationsmedien genauso gelten wie für andere menschliche Verhaltensformen, während sie politische Vorgehens weisen und Praktiken, die diese Normen verletzen, kritisiert. In dieser zunehmenden Zahl von Veröffentlichungen, die auf das kirchliche Medieninteresse zurückzuführen sind, wurde da und dort auch das Thema Werbung behandelt. <66> Durch die wachsende Bedeutung der Werbung und durch die Nach- Vgl. Paul VI., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1977, in: L’Osservatore Romano, 13. Mai 1977, S. 1-2; Communio et Progressio, Nm. 59-62, in: AAS 63(1971)615-617. 961 KONGREGATIONEN UND RÄTE frage nach einer ausführlicheren diesbezüglichen Untersuchung sehen wir uns nun dazu veranlaßt, auf dieses Thema zurückzukommen. Unsere Absicht ist es, die Aufmerksamkeit auf die positiven Beiträge zu lenken, die die Werbung leisten kann und tatsächlich leistet; ethische und moralische Probleme herauszustellen, welche die Werbung aufwerfen kann und tatsächlich aufwirft; auf in diesem Bereich geltende Moralprinzipien hinzuweisen; und schließlich gewisse Maßnahmen vorzuschlagen, die von den beruflich in der Werbung Tätigen ebenso zu berücksichtigen wären, wie auch sonst in der Privatwirtschaft; das gilt auch für die Kirchen und den staatlichen Bereich. Der Grund dafür, daß wir diese Fragen angehen, ist einfach. Die Werbung hat in der heutigen Gesellschaft einen tiefgreifenden Einfluß darauf, wie die Menschen das Leben, die Welt und sich selbst verstehen, insbesondere in bezug auf ihre Werte und die Art und Weise ihrer Entscheidungen und ihres Verhaltens. Das sind Fragen, an welchen die Kirche zutiefst und aufrichtig interessiert ist und sein muß. 2. Bei der Werbung handelt es sich um ein äußerst breites und buntes Feld. Allgemein gesprochen ist ein Werbeangebot natürlich einfach eine öffentliche Anzeige, die Information vermitteln und Kundschaft gewinnen bzw. zu irgendeiner anderen Reaktion auffordem soll. Damit ist klar, daß Werbung grundsätzlich ein zweifaches Ziel hat: Sie will informieren und überzeugen, und sehr oft sind diese Zielsetzungen - obwohl unterscheidbar - beide gleichzeitig vorhanden. Werbung ist nicht dasselbe wie Marketing (Gesamtkomplex der unternehmerischen Tätigkeiten, mit denen die Güter von den Produzenten an die Verbraucher herangeführt werden sollen) oder Öffentlichkeitsarbeit im Sinne von Public Rela-tions (das systematische Bemühen, einen günstigen öffentlichen Eindruck oder ,Image von einer bestimmten Person oder Gruppe herzustellen). Sie wird aber in vielen Fällen von diesen beiden als Technik bzw. Werkzeug eingesetzt. Werbung kann sehr einfach - ein lokales, geradezu ,nachbarschaftliches Phänomen - sein, oder sie kann sehr komplex sein durch die Einbeziehung hochentwickelter Forschung und weltumspannender multimedialer Kampagnen. Sie unterscheidet sich je nach der Zielgruppe, die erreicht werden soll: So wirft z. B. Werbung, die auf Kinder abzielt, technische und moralische Fragen auf, die sich auf signifikante Weise von jenen unterscheiden, welche sich bei der auf sachkundige Erwachsene abzielenden Werbung stellen. Die Werbung bedient sich nicht nur vieler verschiedener Medien und Techniken; man muß bei der Werbung selbst mehrere verschiedene Typen unterscheiden: die kommerzielle Werbung für Produkte und Dienstleistungen; die Werbung des öffentlichen Dienstes für verschiedene Einrichtungen, Programme und Anliegen; und - ein Phänomen, das heute zunehmend an Bedeutung gewinnt - die politische Werbung zugunsten von Parteien und Kandidaten. Unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten und Methoden von Werbung wollen wir das Folgende auf sie alle angewandt wissen. 3. Wir stimmen nicht mit der Behauptung überein, Werbung spiegele einfach die Haltungen und Werte der umgebenden Kultur wider. Zweifellos fungiert Werbung ebenso wie die sozialen Kommunikationsmittel im allgemeinen als ein Spiegel. 962 KONGREGATIONEN UND RÄTE Doch genauso wie die Medien überhaupt, ist sie auch ein Spiegel, der hilft, die von ihm reflektierte Wirklichkeit zu prägen, und bisweilen zeigt er ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Werbemanager sind selektiv, was die Werte und Haltungen betrifft, die unterstützt und angeregt werden sollen, indem sie manche fördern, während sie andere ignorieren. Diese Selektivität straft die Behauptung Lügen, Werbung reflektiere lediglich die umgebende Kultur. So kann z. B. das Fehlen bestimmter rassischer und ethnischer Gruppen in der Werbung in manchen multi-rassischen und multi-ethnischen Gesellschaften zum Entstehen von Image- und Identitätsproblemen besonders unter den Vernachlässigten und Mißachteten beitragen, und der von der Wirtschaftswerbung beinahe unvermeidlich vermittelte Eindruck, ein Überfluß an Gütern führe zu Glück und Erfüllung, kann irreführend und frustrierend sein. Die Werbung übt durch ihren Einfluß auf die Massenmedien auch einen indirekten, aber mächtigen Einfluß auf die Kultur aus. Viele Publikationen und Rundfunk- und Femsehbetriebe sind für ihr Überleben auf Werbeeinnahmen angewiesen. Das trifft auf religiöse Medien ebenso zu wie auf die kommerziellen. Die Werbemanager ihrerseits bemühen sich natürlich dämm, das Publikum zu erreichen; und die Medien, die sich bemühen, den Werbemanagem ein Publikum zu liefern, müssen ihr Angebot so gestalten, daß es ein Publikum in dem angestrebten Umfang und der gewünschten demographischen Zusammensetzung anzieht. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit der Medien und die Macht, die sie Werbemanagem in die Hand gibt, bringt für beide ernste Verantwortlichkeiten mit sich. II. Der Nutzen der Werbung 4. Enorme menschliche und materielle Ressourcen werden für die Werbung verwendet. Werbung gibt es überall in der heutigen Welt, wie Papst Paul VI. bemerkte: „Niemand vermag sich heute dem Einfluß der Werbung zu entziehen.“ <67> Auch Personen, die selber nicht besonderen Formen der Werbung ausgesetzt sind, stehen einer Gesellschaft, einer Kultur - anderen Leuten — gegenüber, die positiv oder negativ von Werbebotschaften und -techniken jeglicher Art betroffen sind. Manche Kritiken beurteilen diese Lage unversöhnlich negativ. Sie verurteilen Werbung als eine Verschwendung von Zeit, Talenten und Geld - als eine im Grunde parasitäre Tätigkeit. Aus dieser Sicht besitzt die Werbung nicht nur keinen Eigenwert, sondern ihr Einfluß ist absolut schädlich und zersetzend für den einzelnen und die Gesellschaft. Paul VI., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1977, in: L’Osservatore Romano, 13. Mai 1977, S. 1. Diese Ansicht teilen wir nicht. Sicher ist etwas Wahres an dieser Kritik, und wir werden unsererseits auch Kritik üben. Doch die Werbung besitzt auch ein wichtiges positives Potential, und manchmal wird dieses Potential in die Tat umgesetzt. Im Folgenden einige Beispiele, wie das geschehen kann. 963 KONGREGATIONEN UND RÄTE a) Wirtschaftlicher Nutzen der Werbung 5. Werbung kann eine wichtige Rolle in dem Prozeß spielen, durch den ein Wirtschaftssystem, das sich von moralischen Normen leiten läßt und das Gemeinwohl im Auge hat, zur menschlichen Entwicklung beiträgt. Sie gehört notwendig zum Funktionieren der modernen Marktwirtschaft, die heute in vielen Teilen der Welt entweder besteht oder im Entstehen begriffen ist und die - vorausgesetzt, daß sie den moralischen Maßstäben in bezug auf die Gesamtentwicklung des Menschen und auf das Gemeinwohl entspricht - gegenwärtig „das wirksamste (sozio-öko-nomische) Instrument für die Anlage der Ressourcen und für die beste Befriedigung der Bedürfnisse zu sein“ scheint. <68> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 34, in: AAS 83(1991)835-836. In einem solchen System kann die Werbung ein nützliches Werkzeug sein, um den redlichen und sittlich verantwortungsvollen Wettbewerb zu erhalten, der zu wirtschaftlichem Wachstum im Dienst echter menschlicher Entwicklung führt. „Mit Wohlwollen sieht die Kirche nicht nur die weitere Entfaltung der Produktionskraft des Menschen, sondern auch die immer reichere Vielfalt in den Beziehungen und im Austausch“ zwischen den Menschen und den gesellschaftlichen Gruppen [...] Unter dieser Rücksicht ermutigt sie die Werbung, die ein gutes und wirksames Mittel für die gegenseitige Hilfe der Menschen werden kann.“ <69> Die Werbung tut dies unter anderem dadurch, daß sie die Menschen über das Vorhandensein neuer, mit Recht attraktiver Produkte und Dienste und über die Verbesserung bereits bestehender informiert, ihnen hilft, wohlüberlegte, kluge Entscheidungen als Konsumenten zu treffen, und so zur Leistungsfähigkeit und zur Preissenkung beiträgt und durch die Ausweitung von Geschäft und Handel den wirtschaftlichen Fortschritt ankurbelt. Das alles kann zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, zu höheren Einkommen und zu einem annehmbareren und menschlicheren Lebensstil für alle beitragen. Es hilft auch, Publikationen, Rundfunk- und Fernsehprogramme und -Produktionen - einschließlich jene der Kirche - zu finanzieren, die Menschen überall auf der Welt mit Informationen, Unterhaltung und Inspiration versorgen. Paul VI., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1977, in: L’Osservatore Romano, 13. Mai 1977, S. 1. b) Nutzen der politischen Werbung 6. „Die Kirche weiß das System der Demokratie zu schätzen, insoweit es die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen sicherstellt und den Regierten die Möglichkeit garantiert, sowohl ihre Regierungen zu wählen und zu kontrollieren als auch dort, wo es sich als notwendig erweist, sie auf friedliche Weise zu ersetzen.“ <70> Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 46, in: AAS 83(1991)850. Analog ihrem Beitrag zu wirtschaftlichem Wohlstand in einem von moralischen Normen geleiteten Marktsystem kann die politische Werbung auch einen Beitrag 964 KONGREGATIONEN UND RÄTE zur Demokratie leisten. So wie in einem demokratischen System freie und verantwortungsvolle Medien dabei helfen, von Oligarchien und Privatinteressen ausgehenden Tendenzen zur Machtmonopolisierung entgegenzuwirken, kann die politische Werbung ihren Beitrag leisten, indem sie die Menschen über die Ideen und politischen Angebote von Parteien und Kandidaten, einschließlich neuer, dem Publikum bislang unbekannter Kandidaten, informiert. c) Kultureller Nutzen der Werbung 7. Wegen ihres Einflusses auf die Medien, die für die Einnahmen von ihr abhängig sind, haben die Werbemanager Gelegenheit, positiven Einfluß auf Entscheidungen bezüglich des Inhalts der Medien auszuüben. Das tun sie dann, wenn sie ein unter Rücksichtnahme auf das öffentliche Interesse präsentiertes Material von herausragender intellektueller, ästhetischer und sittlicher Qualität unterstützen, und ganz besonders, wenn sie Medienangebote fordern und ermöglichen, die auf Minderheiten ausgerichtet sind, deren Bedürfnisse sonst unberücksichtigt bleiben. Zudem kann die Werbung selbst zur Verbesserung der Gesellschaft dadurch beitragen, daß sie die Menschen aufrichtet und inspiriert und sie motiviert, in einer Weise zu handeln, die ihnen selbst und anderen zugute kommt. Die Werbung kann einfach dadurch Licht in manches Leben bringen, daß sie geistreich, geschmackvoll und unterhaltsam ist. Manche Werbeanzeigen sind Beispiele der Volkskunst, die eine ihnen eigene Lebendigkeit und Schwung besitzen. d) Moralischer und religiöser Nutzen der Werbung 8. In vielen Fällen machen auch soziale Wohlfahrtseinrichtungen, einschließlich jener religiösen Charakters, von der Werbung Gebrauch, um ihre Botschaften zu vermitteln - Botschaften, die Glauben, Patriotismus, Toleranz, Mitleid und Dienst am Nächsten und die Liebe zu den Notleidenden zum Inhalt haben, Botschaften, die Gesundheit und Erziehung betreffen, konstruktive und hilfreiche Botschaften, die auf vielerlei Weise und nutzbringend Menschen erziehen und motivieren. Für die Kirche gehört zu einer umfassenden Pastoralplanung heute unbedingt die Beteiligung an medienbezogenen Aktivitäten, einschließlich der Werbung. <71> Das schließt die kircheneigenen Medien — katholisches Presse- und Verlagswesen, Fernsehen und Rundfunk, Film und audiovisuelle Produktion usw. - ebenso ein wie die Mitwirkung der Kirche in den weltlichen Medien. Die Medien „können und müssen Werkzeuge sein im Dienst des Planes der Kirche zur Re-Evangelisie-rung bzw. Neu-Evangelisierung in der heutigen Welt“. <72> Während noch viel zu tun bleibt, sind bereits viele positive Bemühungen dieser Art im Gange. Mit Bezug auf die Werbung selbst bezeichnete es Papst Paul VI. einmal als wünschenswert, daß die katholischen Einrichtungen „die Entwicklung der modernen Werbetechniken Vgl. Päpstl. Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pastoralinstruktion Aetatis novae, Nm. 20-21, Vatikanstadt 1992. Ebd, Nr. 11. 965 KONGREGATIONEN UND RÄTE stets aufmerksam verfolgen und sich ihrer mit Erfolg zu bedienen wissen bei der Ausbreitung der Botschaft des Evangeliums als Antwort auf die Erwartungen des Menschen von heute“. <73> Paul VI., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1977, in: L’Osservatore Romano, 13. Mai 1977, S. 2. III. Der von der Werbung angerichtete Schaden 9. Die Werbung ist nicht an sich gut oder an sich schlecht. Sie ist ein Werkzeug, ein Instrument, das zu etwas Gutem oder zu etwas Schlechtem benützt werden kann. Wenn sie manchmal nutzbringende Ergebnisse wie die eben erwähnten haben kann, so kann sie auch - und das ist nicht selten der Fall - negative, schädliche Auswirkungen auf den einzelnen und die Gesellschaft haben. „Communio et Progressio“ enthält eine zusammenfassende Aussage zu diesem Problem: “Wenn aber in der breiten Öffentlichkeit für schädliche oder gänzlich unnütze Dinge geworben wird, wenn falsche Vorstellungen über die Ware geweckt werden, wenn lediglich Instinkte angesprochen werden, entsteht der Gesellschaft Schaden, und die Werbewirtschaft verliert Vertrauen und Ansehen. Einzelne und ganze Familien werden geschädigt, wenn die Werbung unsinnige Wünsche weckt oder unablässig zum Kauf überflüssiger und nur dem Genuß dienender Waren anreizt; dadurch werden die Käufer vielleicht sogar blind für das, was sie wirklich brauchen. Völlig unzulässig ist eine Werbung, die in schamloser Weise den Geschlechtstrieb für alles mißbraucht und um des Geldes willen ausbeutet. Unzulässig ist sie auch dann, wenn sie derart in das Unterbewußtsein eingreift, daß die freie Entscheidung der Käufer gefährdet ist.“ <74> Communio et Progressio, Nr. 60, in: AAS 63(1971)616. a) Wirtschaftliche Schäden der Werbung 10. Durch falsche Darstellung oder Vorenthaltung wichtiger Tatsachen kann die Werbung ihre Rolle als Informationsquelle mißbrauchen. Mitunter kann die Infor-mationsfünktion der Medien auch dadurch imterminiert werden, daß auf Publikationen oder Produktionen von Sendungen und Filmen von Werbemanagem Druck ausgeübt wird, keine Fragen zu behandeln, die sich als peinlich oder unbequem herausstellen könnten. Öfter jedoch wird die Werbung nicht nur dazu verwendet, um zu informieren, sondern auch, um zu überreden und zu motivieren - Menschen zu überzeugen, in einer bestimmten Weise zu handeln: bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu kaufen, bestimmte Einrichtungen zu unterstützen usw. Hier kann es zu besonderem Mißbrauch kommen. Ernste Probleme kann die Werbepraxis für sogenannte „Marken“-Waren schaffen. Oft bestehen nur unerhebliche Unterschiede zwischen ähnlichen Waren verschiedener Markenzeichen, und die Werbung muß versuchen, die Leute zu 966 KONGREGATIONEN UND RÄTE überreden, sich von irrationalen Motiven („Markentreue“, Prestige, Mode, „Sex appeal“ usw.) leiten zu lassen, statt die Qualitäts- und Preisunterschiede als Grundlage für eine vernünftige Entscheidung vorzulegen. Werbung kann auch sein und ist oft tatsächlich ein Werkzeug des „Phänomens des Konsumismus“, wie Papst Johannes Paul II. sich ausdrückte, als er ausführte: „Nicht das Verlangen nach einem besseren Leben ist schlecht, sondern falsch ist ein Lebensstil, der vorgibt, dann besser zu sein, wenn er auf das Haben und nicht auf das Sein ausgerichtet ist. Man will mehr haben, nicht um mehr zu sein, sondern um das Leben in Selbstgefälligkeit zu konsumieren.“ <75> Werbemanager bezeichnen es mitunter als zu ihrer Aufgabe gehörend, Bedürfnisse nach Produkten und Dienstleistungen „hervorzurufen“ - das heißt, Menschen zu veranlassen, daß sie ein Verlangen nach Waren und Diensten verspüren, die sie gar nicht brauchen, und diesem Verlangen folgen. „Überläßt man sich ... direkt seinen Trieben unter Verkennung der Werte des persönlichen Gewissens und der Freiheit, können Konsumgewohnheiten und Lebensweisen entstehen, die objektiv unzulässig sind und nicht selten der körperlichen und geistigen Gesundheit schaden.“ <76> Das ist ein emstzunehmender Mißbrauch, ein Affront gegen die Menschenwürde und das Gemeinwohl, wenn es in Überflußgesellschaften vorkommt. Doch noch ernster ist ein solcher Mißbrauch, wenn konsumorientierte Verhaltensweisen und Werte von den Massenmedien und der Werbung an Entwicklungsländer vermittelt werden, wo sie die sozialen und wirtschaftlichen Probleme verschlimmern und die Armen schädigen. „Ein wohlüberlegter Einsatz der Werbung kann den Entwicklungsländern helfen, einen höheren Lebensstandard zu erreichen. Allerdings wäre der Schaden groß, wenn eine unablässige, verantwortungslose Werbung diese Völker bei ihrem Aufstieg aus der Armut zu einem erträglichen Lebensstandard dazu verfuhren würde, den Fortschritt in der Befriedigung von Wünschen zu suchen, die künstlich erzeugt wurden. Das Ergebnis wäre, daß diese Völker ihre Mittel verschleudern, ihre wirklichen Bedürfnisse vernachlässigen und ihre genuine Entwicklung verfehlen.“ <77> Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 36, in: AAS 83(1991)839. Ebd, S. 838-839. Commumo et Progressio, Nr. 61, in: AAS 63(1971)616. Ähnlich wird Ländern, die Formen der Marktwirtschaft zu entwickeln versuchen, welche - nach Jahrzehnten in zentralistischen, staatlich kontrollierten Systemen -den Bedürfnissen und Interessen der Menschen dienen sollen, ihre Aufgabe durch eine Werbung erschwert, die ein Konsumverhalten und Werte fordert, welche die menschliche Würde und das Gemeinwohl verletzen. Besonders akut ist das Problem, wenn - wie es oft geschieht - die Würde und das Wohlergehen der ärmeren und schwächeren Glieder der Gesellschaft auf dem Spiel stehen. Es darf nie vergessen werden, daß es „Güter gibt, die auf Grand ihrer Natur nicht verkauft und gekauft werden können und dürfen“, und es gilt „eine ,Vergötzung1 des Marktes“ zu vermeiden, der unter Beihilfe der Werbung diese entscheidende Tatsache ignoriert. <78> Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 40, in: AAS 83(1991)843. 967 KONGREGATIONEN UND RATE b) Schäden der politischen Werbung 11. Politische Werbung kann die demokratische Arbeits- und Vorgehensweise unterstützen und voranbringen, sie kann sie aber auch blockieren. Das geschieht zum Beispiel dann, wenn die Werbekosten den politischen Wettbewerb auf wohlhabende Kandidaten oder Gruppen beschränken oder von denen, die sich um Ämter bewerben, verlangen, daß sie durch extreme Abhängigkeit von speziellen Finanzinteressen ihre Integrität und Unabhängigkeit aufs Spiel setzen. Zu einer derartigen Blockierung des demokratischen Prozesses kommt es auch dann, wenn politische Werbung, statt Werkzeug für die korrekte Darstellung der Meinungen und des bisherigen Lebens der Kandidaten zu sein, Ansichten und Vergangenheit der Gegner zu verunglimpfen versucht und deren Ruf zu Unrecht attak-kiert. Das geschieht, wenn die Werbung mehr die Emotionen und niedrigen Instinkte der Menschen - wie Selbstsucht, Voreingenommenheit und Feindseligkeit gegen andere, rassische und ethnische Vorurteile usw. - anspricht als ein fundiertes Gerechtigkeitsgefühl und den Sinn für das Wohl aller. c) Schäden der Werbung für die Kultur 12. Einen schädlichen Einfluß kann die Werbung auch auf die Kultur und kulturelle Werte haben. Wir haben von dem wirtschaftlichen Schaden gesprochen, der Entwicklungsländern von einer Werbung zugefügt werden kann, die den Konsumismus und destruktive Verhaltensweisen des Verbrauchers fordert. Denken wir auch an das kulturelle Unrecht, das diesen Nationen und ihrer Bevölkerung von der Werbung zugefügt wird, deren Inhalte und Methoden die in der Ersten Welt vorherrschenden Konsumhaltungen widerspiegeln und gesunden herkömmlichen Werten in einheimischen Kulturen widersprechen. Solcherart von den Medien „beherrscht und manipuliert zu werden“, ist heute eine begründete „Furcht der Entwicklungsländer gegenüber den entwickelten Ländern“ sowie eine „Sorge von Minderheiten innerhalb mancher Nationen“. Der indirekte, aber mächtige Einfluß der Werbung auf die Massenmedien, die von Einnahmen aus dieser Quelle abhängig sind, weist noch auf eine andere kulturelle Sorge hin. In dem Konkurrenzkampf, ein immer zahlreicheres Publikum anzuziehen und es an die Werbemanager auszuliefem, können sich die Medienleute - die ja tatsächlich unter mehr oder weniger starkem Druck stehen - versucht sehen, hohe künstlerische und moralische Maßstäbe aufzugeben und in Oberflächlichkeit, Geschmacklosigkeit und moralische Entartung abzugleiten. Medienleute können auch versucht sein, die erzieherischen und sozialen Bedürfnisse bestimmter Publikumsgruppen - die ganz Jungen, die ganz Alten, die Armen - zu ignorieren, die nicht in das demographische Schema (Alter, Erziehung, Einkommen, Kauf- und Konsumgewohnheiten usw.) der Zielgruppe passen, welche die Werbemanager erreichen wollen. Auf diese Weise wird tatsächlich der Grad und das Niveau moralischer Verantwortung der Massenmedien allgemein gesenkt. Päpstl. Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pastoralinstruktion Aetatis novae, Nr. 16, Vatikanstadt 18 KONGREGATIONEN UND RÄTE Allzuoft trägt die Werbung dazu bei, daß einzelne Gruppen in ein unzulässiges Klischee gezwängt werden, das sie im Verhältnis zu anderen benachteiligt. Das trifft häufig auf die Art und Weise zu, wie die Werbung mit Frauen umgeht; und die Ausbeutung von Frauen in der und durch die Werbung ist ein häufig anzutreffender beklagenswerter Mißbrauch. „Wie oft werden sie nicht als Personen mit einer unverletzbaren Würde behandelt, sondern als Objekte, deren Zweck darin besteht, die Vergnügungslust und Machtgier anderer zu befriedigen? Wie oft wird die Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter unterbewertet oder sogar dem Spott ausgesetzt? Wie oft wird die Rolle der Frau im Geschäfts- oder Berufsleben als eine Karikatur des Mannes gezeichnet, wobei die spezifischen Gaben weiblicher Einsicht, ihres Mitleids und Verständnisses, die so sehr zur Zivilisation der Liebe‘ beitragen, geleugnet werden?“ <79> Johannes Paul II., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1996, in: L’Osservatore Ro- d) Schäden der Werbung für Moral und Religion 13. Werbung kann geschmackvoll sein und hohen moralischen Maßstäben entsprechen, ja gelegentlich sogar moralisch erhebend sein, sie kann aber auch vulgär und moralisch erniedrigend sein. Oft spricht sie gezielt Motivationen an wie Neid, Statusstreben und Sinnenlust. Heutzutage versuchen manche Werbemanager auch, mit Hilfe makabrer, perverser, pornographischer Inhalte absichtlich zu schockieren und Erregung auszulösen. Was dieser Päpstliche Rat vor einigen Jahren über Pornographie und Gewalt in den Medien sagte, gilt genauso für manche Formen der Werbung: „Als Äußerungen der dunklen Seite der durch die Sünde verdorbenen menschlichen Natur sind die Pornographie und das Rühmen von Gewaltanwendung jahrhundertealte Wirklichkeiten des menschlichen Daseins. In den letzten fünfundzwanzig Jahren aber haben sie neue Dimensionen erreicht und sind zu ernsthaften sozialen Problemen geworden. In einer Zeit weitverbreiteter und unglückselicer Verwirrung bei den moralischen Normen haben die Kommunikationsmedien Pornographie und Gewalt einer weit größeren Hörerschaft zugänglich gemacht, auch Jugendlichen und sogar Kindern, und was früher hauptsächlich auf die wohlhabenden Länder beschränkt war, ist nun dabei, durch die Kommunikationsmedien auch die moralischen Werte in Entwicklungsländern zu zersetzen.“ <80> Wir beobachten auch manche Probleme besonderer Art im Zusammenhang mit der Werbung, die von Religion handelt oder mit bestimmten Fragen verbunden ist, die eine moralische Dimension aufweisen. mano, 25. Januar 1996, S. 1 u. 6. Im ersten Fall bauen Manager für Wirtschaftswerbung mitunter religiöse Themen ein oder verwenden religiöse Bilder oder Persönlichkeiten, um Produkte abzusetzen. Das ist zulässig, wenn es auf geschmackvolle, annehmbare Weise geschieht; 969 Päpstl. Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pornographie und Gewalt in den Kommunikationsme- dien: einepastorale Antwort, Nr. 6, Vatikanstadt 1989. KONGREGATIONEN UND RÄTE diese Vorgehensweise wird jedoch widerlich und verletzend, wenn sie die Ausbeutung der Religion bzw. ihre respektlose Behandlung beinhaltet. Im zweiten Fall wird die Werbung mitunter dazu verwendet, Produkte zu fördern und Haltungen und Verhaltensweisen zu prägen, die den sittlichen Normen widersprechen. Das trifft zum Beispiel zu auf die Werbung für empfängnisverhütende und Abtreibung auslösende Mittel und für gesundheitsschädliche Produkte und auf staatlich geförderte Werbekampagnen für nicht-naturgemäße Geburtenkontrolle, die sogenannte „Safer-Sex“-Methode und ähnliche Praktiken. IV. Einige ethische und moralische Prinzipien 14. Das II. Vatikanische Konzil hat erklärt: „Die rechte Benutzung der sozialen Kommunikationsmittel setzt bei allen, die mit ihnen umgehen, die Kenntnis der Grundsätze sittlicher Wertordnung voraus und die Bereitschaft, sie auch hier zu verwirklichen.“ <81> Die sittliche Ordnung, auf die sich das bezieht, ist die Ordnung des Gesetzes vom Wesen des Menschen, das für alle verbindlich ist, weil es „in ihre Herzen eingeschrieben ist“ (vgl. Röm 2,15) und die Forderungen nach authentischer Erfüllung des Menschen enthält. Dekret Inter mirißca, Nr. 4, in: AAS 56( 1964) 146. Für Christen hat das Gesetz von der Natur des Menschen freilich noch eine tiefere Dimension, eine reichere Bedeutung. „Christus ist der ,Anfang1, der, nachdem er die menschliche Natur angenommen hat, sie in ihren Grundelementen und in ihrem Dynamismus der Gottes- und der Nächstenliebe endgültig erleuchtet.“ <82> Hier begreifen wir die tiefste Bedeutung der menschlichen Freiheit: sie ermöglicht eine im Lichte Jesu Christi echte moralische Antwort auf den Aufruf, „das Gewissen zu bilden, es zum Gegenstand ständiger Bekehrung zum Wahren und Guten zu machen“. <83> Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, Nr. 53, in: AAS 85(1993)1176. Ebd., Nr. 64, a.a.O., S. 1183. In diesem Zusammenhang haben die sozialen Kommunikationsmittel zwei, und nur zwei, Optionen. Entweder sie helfen den Menschen zu verstehen und zu tun, was wahr und gut ist, oder sie erweisen sich als destruktive Kräfte, die gegen das Wohl des Menschen gerichtet sind. Das gilt voll und ganz für die Werbung. Vor diesem Hintergrund weisen wir auf das Grundprinzip für alle hin, die in der Werbebranche tätig sind: Werbemanager — also diejenigen, die Werbung in Auftrag geben, vorbereiten oder verbreiten - sind für das, wozu sie die Menschen zu veranlassen versuchen, verantwortlich; und diese Verantwortung tragen auch Verleger, Sendeleiter in Rundfunk und Fernsehen und andere, die in der Medienwelt tätig sind, ebenso wie jene, die wirtschaftliche oder politische Unterstützung gewähren und dadurch in den Werbeprozeß involviert sind. Wenn eine Werbung die Menschen dazu zu bringen versucht, mit moralisch zulässigen und für sie selbst und für andere nutzbringenden Mitteln ihre Wahl zu treffen 21 22 23 970 KONGREGATIONEN UND RÄTE und vernünftig zu handeln, dann handeln die an dieser Werbung Beteiligten moralisch gut; wenn sie versucht, Menschen zu schlechten Taten zu verleiten, die diese selbst und die Gemeinschaft zerstören, dann ist ihr Tun von Übel. Das gilt auch für die Mittel und Techniken der Werbung: die Anwendung manipulativer, ausbeuterischer, korrupter und korrumpierender Überredungs- und Motivierungsmethoden ist moralisch schlecht. In dieser Hinsicht beobachten wir spezielle Probleme im Zusammenhang mit der sogenannten indirekten Werbung, die versucht, Menschen zu einem bestimmten Handeln zu verleiten - zum Beispiel besondere Produkte zu kaufen -, ohne sich voll bewußt zu sein, daß sie beeinflußt werden. Zu den hier angewandten Techniken gehört es, daß bestimmte Waren oder Verhaltensweisen in einem oberflächlich-glitzemden Rahmen in Verbindung mit oberflächlichen Menschen gezeigt werden; in Extremfallen kann sogar die Verwendung unterschwelliger Botschaften einbezogen werden. In diesem ganz allgemeinen Rahmen können wir mehrere moralische Grundsätze ausmachen, die in besonderer Weise für die Werbung gelten. Wir wollen kurz über drei dieser Grundsätze sprechen: die Wahrheit, die Würde der menschlichen Person und die soziale Verantwortung. a) Die Wahrheit in der Werbung 15. Gerade heute ist manche Werbung schlichtweg und bewußt unwahr. Allgemein gesprochen ist das Problem der Wahrheit in der Werbung aber etwas subtiler: Nicht daß die Werbung unverhohlen falsche Dinge erzählen würde, aber sie kann die Wahrheit dadurch verzerren, daß sie Dinge unterstellt, die tatsächlich nicht so sind, oder wichtige Fakten verschweigt. Wie Papst Johannes Paul II. unterstreicht, sind sowohl auf der Ebene des einzelnen wie der Gesellschaft Freiheit und Wahrheit nicht zu trennen; ohne Wahrheit als Grundlage, Ausgangspunkt und Kriterium für Wahrnehmung, Urteil, Wahl und Handeln kann es keinen glaubwürdigen Umgang mit der Freiheit geben. <84> Der Katechismus der Katholischen Kirche fordert unter Hinweis auf das Zweite Vatikanische Konzil, daß der Inhalt der Mitteilung „stets der Wahrheit entspricht und bei Beachtung der durch Recht und menschliche Rücksichtnahme gezogenen Grenzen vollständig ist“; darüber hinaus sollte der Inhalt von Kommunikationen „die Rechte und Würde des Menschen“ beachten. <85> Wir sind uns natürlich dessen bewußt, daß die Werbung genauso wie andere Ausdrucksformen ihre eigenen Gepflogenheiten und Stilisierungsformen besitzt, und diese müssen bei der Diskussion über die Wahrheit berücksichtigt werden. Die Menschen nehmen gewisse rhetorische oder symbolische Übertreibungen in der Werbung für selbstverständlich; das kann innerhalb der Grenzen der anerkannten und akzeptierten Praxis zulässig sein. Vgl. ebd., Nr. 31, a.a.O., S. 1158-1159, und passim. Katechtismus der Katholischen Kirche, Nr. 2494, mit Zitat aus II. Vat. Konzil, Dekret Inter mirißca, Nr. 5. Aber es gilt als ein Grundprinzip, daß Werbung nicht absichtlich zu täuschen versuchen darf, sei es durch das, was sie sagt, oder durch das, was sie andeutend 971 KONGREGATIONEN UND RÄTE impliziert bzw. verschweigt. „Der richtige Umgang mit dem Recht auf Information verlangt, daß der Inhalt der Mitteilung wahr und, innerhalb der von der Gerechtigkeit und der Liebe gesetzten Grenzen, vollständig ist [...] Dazu gehört auch die Verpflichtung, jede Manipulation der Wahrheit, aus welchen Gründen auch immer, zu vermeiden.“ <86> Johannes Paul II., Ansprache an Medien-Experten, Los Angeles, 15. September 1987, in: L’Osservatore Romano, 17. September 1987, S. 5. b) Die Würde der menschlichen Person 16. Es gibt eine „verpflichtende Forderung“ für die Werbung, „die menschliche Person zu achten, ihr Recht und ihre Verpflichtung zu einer verantwortlichen Wahl und ihre innere Freiheit zu wahren. Alle diese Güter würden verletzt, wenn man die instinktiven Bestrebungen des Menschen auszubeuten versuchte oder seine Fähigkeit zum Überlegen und zur Entscheidung beeinträchtigte“. <87> Diese Mißbräuche sind nicht bloß hypothetische Möglichkeiten, sondern sehr wohl Realitäten in einem Großteil des Werbealltags. Werbung kann die Würde der menschlichen Person sowohl durch ihren Inhalt - wofür geworben wird und auf welche Art dafür geworben wird - wie durch die Wirkung verletzen, die sie auf ihr Publikum zu erzielen sucht. Davon haben wir bereits im Zusammenhang mit Fällen gesprochen, wo sich die Werbung an die Sinnenlust, die Eitelkeit, den Neid und die Gier wendet, und von Techniken Gebrauch macht, die die menschliche Schwäche manipulieren und ausbeuten. Unter solchen Umständen werden Werbeanzeigen leicht „zu Werkzeugen einer entstellten Sicht des Lebens, der Familie, Religion und Moral - eine Sicht, die die wahre Würde und Bestimmung der menschlichen Person nicht achtet“. <88> Paul VI., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1977, in: L’Osservatore Romano, 13. Mai 1977, S. 1-2. In besonderer Weise akut ist dieses Problem dort, wo speziell verwundbare Personengrappen oder -Massen betroffen sind: Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Arme und kulturell Benachteiligte. Ein Großteil der für Kinder bestimmten Werbung versucht offensichtlich deren Leichtgläubigkeit und Beeinflußbarkeit auszubeuten, in der Hoffnung, sie würden ihre Eltern dazu bringen, ihnen für sie völlig nutzlose Waren zu kaufen. Werbung dieser Art verstößt in gleicher Weise gegen die Würde und Rechte der Kinder und ihrer Eltern; sie mischt sich in die Eltem-Kind-Beziehung ein und trachtet, sie für ihre eigenen Zwecke zu manipulieren. Auch manche im Vergleich Meine Werbung, die sich insbesondere an ältere oder kulturell benachteiligte Menschen wendet, soll allem Anschein nach mit ihren Ängsten spielen, um sie zu überreden, ihre knappen Geldmittel für Güter oder Dienste von zweifelhaftem Wert auszugeben. Päpstl. Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pornographie und Gewalt in den Kommunikationsme- dien: einepastorale Antwort, Nr. 7, Vatikanstadt 1989. 972 KONGREGATIONEN UND RÄTE c) Werbung und soziale Verantwortung 17. Soziale Verantwortung ist ein so weitreichender Begriff, daß wir hier nur auf einige wenige Fragen und Sorgen hinweisen können, die unter diesem Stichwort mit der Werbung zu tun haben. Eine dieser Fragen betrifft das Umweltproblem. Eine Werbung, die einen üppigen, die Ressourcen verschwendenden und die Umwelt verschmutzenden Lebensstil fördert, verstößt gegen wichtige ökologische Überlegungen. „Der Mensch, der mehr von dem Verlangen nach Besitz und Genuß als dem nach Sein und Entfaltung ergriffen ist, konsumiert auf maßlose und undisziplinierte Weise die Ressourcen der Erde und selbst ihre Existenz [...] Der Mensch meint, willkürlich über die Erde verfügen zu können, indem er sie ohne Vorbehalte seinem Willen unterwirft, als hätte sie nicht eine eigene Gestalt und eine ihr vorher von Gott verliehene Bestimmung, die der Mensch entfalten kann, aber nicht verraten darf.“ <89> Wie man daraus schließen kann, geht es hier um etwas Grundlegenderes: um die echte und umfassende menschliche Entwicklung. Werbung, die den menschlichen Fortschritt auf den Erwerb materieller Güter und auf die Pflege eines üppigen Lebensstils reduziert, ist Ausdruck einer falschen, destruktiven Sicht des Menschen, die für den einzelnen ebenso schädlich ist wie für die Gesellschaft. <89> Johannes Paul II., Centesimus annus, Nr. 37, in: AAS 83(1991)840. Wenn Menschen „nicht die moralischen, kulturellen und geistigen Erfordernisse gewissenhaft respektiert sehen, die auf der Würde der Person und auf der eigenen Identität einer jeden Gemeinschaft, angefangen bei der Familie und den religiösen Gesellschaften, gründen“, dann werden sich auch der materielle Überfluß und die Annehmlichkeiten, die die Technologie zur Verfügung stellt, „als unbefriedigend und langfristig als verachtenswert erweisen“. <90> Werbemanager haben ebenso wie Leute, die in anderen Bereichen der sozialen Kommunikation tätig sind, die emstzunehmende Pflicht, eine glaubwürdige Sicht der menschlichen Entwicklung in ihren materiellen, kulturellen und geistigen Dimensionen zum Ausdruck zu bringen und zu fördern. <91> Kommunikation, die diesem Maßstab entspricht, ist unter anderem ein echter Ausdruck von Solidarität. Kommunikation und Solidarität sind in der Tat untrennbar miteinander verbunden, denn „Solidarität ergibt sich - wie der Katechismus der Katholischen Kirche betont - aus einer wahren und rechten Kommunikation und dem Fluß von Ideen, die Kenntnis und Achtung anderer Menschen fördern“. <92> <90> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 33, in: AAS 80(1988)557. Vgl. ebd., Nm. 27-34, a.a.O., S. 547-560. <92> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2495. V. Schluß: Einige Schritte, die gemacht werden sollen 18. Der unentbehrliche Garant für ein sittlich korrektes Verhalten seitens der Werbeindustrie ist das richtig ausgebildete und verantwortliche Gewissen der Werbe- 973 KONGREGATIONEN UND RÄTE manager selber: ein Gewissen, das empfänglich ist für ihre Verpflichtung, nicht nur den Interessen derer zu dienen, die Arbeit für sie in Auftrag geben und finanzieren, sondern auch die Rechte und Interessen ihres Publikums zu achten und zu schützen und dem Gemeinwohl zu dienen. Viele in der Werbung beschäftigte Frauen und Männer haben ein sensibles Gewissen, hohe ethische Maßstäbe und ein starkes Verantwortungsgefühl. Aber selbst für sie können Drucksituationen von außen - die ebenso von den Auftraggebern ihrer Arbeit wie von der inneren Dynamik des Wettbewerbscharakters ihres Berufes ausgehen - oft mächtige Anreize zu unmoralischem Verhalten erzeugen. Diese Tatsache unterstreicht die dringende Notwendigkeit von äußeren Strukturen und Systemen, die ein verantwortungsvolles Vorgehen in der Werbung unterstützen und fördern und von verantwortungslosem Handeln abschrecken. 19. Freiwillige sittliche Verhaltensnormen sind eine Quelle für derartige Hilfe. Sie bestehen bereits an einer Reihe von Orten. So begrüßenswert sie sind, sind sie doch nur so weit wirksam, als die Werbemanager bereit sind, sich strikt an sie zu halten. „Es ist Sache der Werbeagenturen, der Werbetreibenden sowie der Leiter und verantwortlichen Mitarbeiter der Medien, welche sich als Werbeträger anbieten, die bereits erarbeiteten nützlichen Zusammenstellungen berufsethischer Forderungen bekanntzumachen, ihnen zu folgen und sie in die Tat umzusetzen, um so für deren weitere Vervollkommnung und bessere Verwirklichung auch bei einer breiten Öffentlichkeit Unterstützung zu finden.“ <93> Paul VI., Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1977, in: L’Osservatore Romano, 13. Mai 1977, S. 2. Wir unterstreichen die Bedeutung der Einbeziehung der Öffentlichkeit. Deren Vertreter sollten an der Formulierung, Anwendung und regelmäßigen Überprüfung berufsethischer Forderungen für die Werbung beteiligt werden. Zu diesen Vertretern der Öffentlichkeit sollten Ethiker und Kirchenleute ebenso gehören wie Vertreter von Konsumentengruppen. Einzelne tun gut daran, sich in solchen Gruppen zu organisieren, um ihre Interessen gegenüber den kommerziellen Interessen zu schützen. 20. Auch staatliche Behörden müssen dabei eine Rolle spielen. Einerseits sollte die Regierung nicht versuchen, die Werbung mehr als andere Medienbereiche zu kontrollieren und ihr Verfahrensweisen vorzuschreiben. Andererseits kann und sollte die manchenorts bereits bestehende gesetzliche Regelung des Inhalts und der Ausführung der Werbung über das bloße Verbot der genau definierten lügenhaften Werbung hinausgehen. „Indem die Behörden entsprechende Gesetze erlassen und darauf achten, daß diese auch eingehalten werden, sollen sie dafür sorgen, daß der schlechte Gebrauch der Massenmedien ,nicht schwere Schäden für die öffentliche Sitte und den Fortschritt der Gesellschaft1 verursacht.“ <94> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2498, Zitat aus II. Vat. Konzil, Inter mirifica, Nr. 12. 974 KONGREGATIONEN UND RATE So sollten gesetzliche Regelungen zum Beispiel Fragen aufgreifen wie den Umfang von Werbung, insbesondere im Rundfunk, oder den Inhalt der an bestimmte Gruppen gerichteten Werbung, die für Ausbeutung besonders anfällig sind, wie Kinder und alte Menschen. Auch für die politische Werbung erscheinen Regelungen angebracht: Wieviel darf finanziell aufgewendet werden, wie und von wem darf Geld für Werbung beschafft werden usw.? 21. Die Nachrichten- und Informationsmedien sollten Wert darauf legen, das Publikum über die Welt der Werbung informiert zu halten. Angesichts des großen gesellschaftlichen Einflusses der Werbung ist es angebracht, daß die Medien die Arbeit der Werbemanager regelmäßig prüfen und kritisieren, genauso wie sie es bei anderen Gruppen machen, deren Aktivitäten einen bedeutenden Einfluß auf die Gesellschaft haben. 22. Außer die Medien für die Verbreitung des Evangeliums zu benutzen, muß die Kirche darüber hinaus die Aussagen voll aufgreifen, die die Beobachtung Papst Johannes Pauls II. enthält: daß nämlich die Welt der Kommunikation einen zentralen Bereich jenes großen modernen „Areopags“ darstellt, wo Ideen mitgeteilt und Haltungen und Werte geformt werden. Das ist eine weitaus „tiefere Angelegenheit“, als die Medien nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft zu benutzen, so wichtig das ist. „Die Botschaft selbst muß in diese, von der modernen Kommunikation geschaffene ,neue Kultur integriert werden“, eine Kultur mit „neuen Arten der Mitteilung in Verbindung mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen“. Angesichts dieser Einsicht ist es wichtig, daß die Medienerziehung zur Pastoralpla-nung und zu den verschiedenen pastoralen und Erziehungsprogrammen gehört, die von der Kirche, katholische Schulen eingeschlossen, vorangetrieben werden. Das schließt Erziehung in bezug auf die Rolle der Werbung in der heutigen Welt und ihre Relevanz für die Arbeit der Kirche ein. Eine solche Erziehung sollte die Menschen darauf vorbereiten, informiert und wachsam zu sein beim Gebrauch der Werbung und anderer Kommunikationsformen. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche ausführt, können „die Kommunikationsmittel, vor allem die Massenmedien, bei den Benützem eine gewisse Passivität erzeugen, indem sie diese zu wenig aufmerksamen Konsumenten von Worten und Bildern machen. Die Benüt-zer sollen die Massenmedien maß- und zuchtvoll gebrauchen.“ 23. Letzten Endes hängt es jedoch dort, wo Rede- und Kommunikationsfreiheit besteht, weitgehend von den Werbefachleuten selbst ab, ethisch verantwortbare Praktiken in ihrem Beruf zu garantieren. Außer Mißbräuche vermeiden, sollten sich Werbefachleute auch dazu verpflichten, den mitunter durch Werbung angerichteten Schaden wiedergutzumachen, insoweit das möglich ist: zum Beispiel durch Veröffentlichung von Richtigstellungen, durch Schadensersatzleistungen an verletzte 35 36 Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 37 (c), in: AAS 83(1991)284-285. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2496. 975 KONGREGATIONEN UND RÄTE Parteien, durch Ausweitung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Bereich u. ä. Diese Frage der Wiedergutmachung1 ist ein berechtigtes Anliegen, das nicht nur durch die Selbstkontrolle der Werbeindustrie und der Kontrolle der Konsumenten-Organisationen ausgeübt werden müssen, sondern auch durch staatliche Stellen. Wo unsittliche Praktiken bereits weitverbreitet und fest eingewurzelt sind, kann das den gewissenhaften Werbemanagem beachtliche persönliche Opfer abverlangen. Aber Leute, die moralisch richtig handeln wollen, müssen eher bereit sein, Nachteile, Schaden und persönliche Verletzungen zu erleiden, als moralisch falsch zu handeln. Das ist ohne Zweifel eine Pflicht für Christen als Nachfolger Christi; aber nicht nur für sie. „In diesem Zeugnis für die Unbedingtheit des sittlich Guten stehen die Christen nicht allein: Sie finden Bestätigung im sittlichen Bewußtsein der Völker und in den großen Traditionen der Religions- und Geistesgeschichte des Abendlandes und des Orients.“ <95> Johannes Paul II., Veritatis splendor, Nr. 94, in: AAS 85(1993)1207. Wir wollen nicht und erwarten natürlich auch nicht, daß die Werbung aus der modernen Welt eliminiert werde. Die Werbung ist ein wichtiges Element in der heutigen Gesellschaft, insbesondere beim Funktionieren einer freien Marktwirtschaft, die immer weitere Verbreitung gewinnt. Außerdem glauben wir aus den hier skizzierten Gründen, daß die Werbung beim Wirtschaftswachstum, beim Austausch von Informationen und Ideen und bei der Förderung der Solidarität unter einzelnen und Gruppen eine konstruktive Rolle spielen kann und tatsächlich oft spielt. Sie kann jedoch auch - und tut dies oft -einzelnen und dem Gemeinwohl Schaden zufugen. Angesichts dieser Überlegungen appellieren wir daher an die Werbemanager und an alle, die an dem Prozeß, Werbung in Auftrag zu geben und zu verbreiten, mit-wirken, in der praktischen Ausübung ihres Berufes die sozial schädlichen Aspekte zu beseitigen und hohe ethische Maßstäbe in bezug auf Wahrheit, Menschenwürde und soziale Verantwortlichkeit einzuhalten. Auf diese Weise werden sie einen besonderen und bedeutsamen Beitrag zum menschlichen Fortschritt und zum Gemeinwohl leisten. Vatikanstadt, 22. Februar 1997, am Fest Petri Stuhlfeier. + John P. Foley + Pierfranco Pastore Präsident Sekretär 976 KONGREGATIONEN UND RÄTE Pastoral der wiederverheirateten Geschiedenen Empfehlungen der 13. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie vom 22.-25. Januar, veröffentlicht am 26. Februar Der Päpstliche Rat für die Familie hielt vom 22. bis 25. Januar im Vatikan seine 13. Vollversammlung ab über das Thema: „Pastoral der wiederverheirateten Geschiedenen.“ Die Teilnehmer erörterten dieses ernste Problem, das der Kirche große Sorge bereitet angesichts der steten Zunahme des traurigen Phänomens der Ehescheidungen, die zu einer wahren sozialen „Plage“ geworden sind. Zum Abschluß der Arbeiten wurden die folgenden Empfehlungen herausgegeben, die den Standpunkt der Kirche zu dieser Frage kurz zusammenfassen. Wir legen Wart darauf, unseren Glauben an das Sakrament der Ehe zum Ausdruck zu bringen als endgültige Verbindung eines Mannes und einer Frau, die in Christus getauft sind; als eine auf die Aufnahme und die Erziehung der Nachkommenschaft hingeordnete Vereinigung (vgl. Gaudium etspes, Nr. 48). Wir stellen fest, daß das Sakrament der Ehe ein Reichtum für das Paar selbst, für die Gesellschaft und für die Kirche ist. Es führt zur Reifung unter dem Zeichen der Hoffnung für jene, die ihre Liebe in Stabilität und Treue festigen möchten mit der Hilfe Gottes, der ihre Verbindung segnet. Diese Tatsache wirkt sich auch zum Wohl aller anderen Paare aus. In vielen Ländern sind die Ehescheidungen zu einer wahren sozialen „Plage“ geworden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 47). Die Statistik belegt eine stete Zunahme der gescheiterten Ehen, auch bei denen, die im Ehesakrament miteinander verbunden sind. Dieses besorgniserregende Phänomen veranlaßt zur Betrachtung seiner vielfältigen Ursachen, darunter: das faktische Desinteresse des Staates an der Stabilität der Ehe und der Familie, eine permissive Scheidungsgesetzgebung, der negative Einfluß der Massenmedien und der internationalen Organisationen sowie die unzureichende christliche Bildung der Gläubigen. Diese „Niederlagen“ sind ein Quell des Leidens sowohl für die Menschen von heute als auch vor allem für jene, die das Projekt ihrer ehelichen Liebe schwinden sehen. Die Kirche ist dem Schmerz ihrer Mitglieder gegenüber aufmerksamer denn je: So wie sie sich mit den Fröhlichen freut, so weint sie mit den Weinenden (vgl. Röm 12,15). Der Heilige Vater hat dies in der Ansprache, die er im Laufe der Arbeiten der Vollversammlung an uns richtete, sehr gut unterstrichen: „Diese Männer und Frauen sollen wissen, daß die Kirche sie liebt, daß sie ihnen nicht fern ist, daß sie an ihrer Situation leidet. Die wiederverheirateten Geschiedenen sind und bleiben ihre Mitglieder, weil sie die Taufe empfangen haben und den christlichen Glauben bewahren“ (Johannes Paul II.: Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie [24.1.1997], Nr. 2; in: O.R. dt, 7.2.1997, S. 10). Die Hirten sollen sich also derer annehmen, die die Folgen der Scheidung ertragen müssen, vor allem der Kinder; sie sollen sich um alle kümmern und versuchen - 977 KONGREGATIONEN UND RÄTE immer im Einklang mit der Wahrheit über die Ehe und die Familie - die Wunde zu heilen, die dem Zeichen des Bundes Christi mit der Kirche zugefügt wurde. Zugleich darf die katholische Kirche der Vermehrung solcher Situationen gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Auch kann sie nicht die Waffen strecken angesichts einer Sitte, die das Ergebnis einer Mentalität ist, bei der die Ehe als einzigartige und unwiederholbare Verpflichtung entwertet wird. Noch darf sie all das billigen, was die Natur der Ehe selbst gefährdet. Im übrigen beschränkt sich die Kirche nicht darauf, die Fehler anzuprangem. Im Gegenteil, gemäß der beständigen Richtlinien ihres Lehramts - die insbesondere im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio (vgl. Nr. 83 und Nr. 84) bestätigt worden sind - will sie alles tun, damit die örtlichen Gemeinschaften all jene Menschen unterstützen können, die in solchen Situationen leben. Aus diesem Grund stellen wir in der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für die Familie den Bischöfen - in ihrer Eigenschaft als Moderatoren der Ehepastoral -und mit ihnen den verschiedenen Gemeinschaften die folgenden Empfehlungen vor. Sie können von Nutzen sein, um die Ausrichtung der Pastoral zu konkretisieren und sie an die jeweiligen Umstände anzupassen. Des weiteren fordern wir alle Verantwortungsträger in der Kirche zu einem besonderen Einsatz zugunsten jener auf, die an den Folgen einer Ehescheidung leiden; dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: - die Solidarität in der ganzen Gemeinschaft; - die Bedeutung der Tugend der Barmherzigkeit, die die Wahrheit der Ehe achtet; - das Vertrauen in das Gesetz Gottes und in die Weisungen der Kirche, die die Ehe und die Familie liebevoll beschützen; - ein von der Hoffnung beseelter Geist. Dieser besondere Einsatz setzt eine angemessene Ausbildung der in der Familien-pastoral engagierten Priester und Laien voraus. Das erste Zeichen der Liebe der Kirche ist, daß sie eine solch besorgniserregende Situation nicht mit Stillschweigen übergeht (vgl. Familiaris consortio, Nr. 84). Um zur Wiederentdeckung des Wertes und der Bedeutung der christlichen Ehe und des Ehelebens beizutragen, schlagen wir drei Zielsetzungen und die jeweiligen pa-storalen Hilfsmittel vor. Erstes Ziel: Treue Von seiten der ganzen christlichen Gemeinschaft sollen die Mittel zur Unterstützung der Treue zum Ehesakrament entwickelt werden durch ein beständiges Engagement für: - eine sorgfältige Vorbereitung und Feier des Ehesakraments; - eine Betonung der Katechese über Wert und Bedeutung der ehelichen und der familiären Liebe; - eine Begleitung der Familien im täglichen Leben (Familienpastoral, Hinwendung zu den Sakramenten, christliche Erziehung der Kinder, Bewegungen für die Familien usw.); 978 KONGREGATIONEN UND RÄTE - die Ermutigung und Unterstützung getrennt lebender oder geschiedener Ehepartner, die allein geblieben sind, den Pflichten ihrer Ehe treu zu bleiben; -Erarbeitung eines Leitfadens der Bischöfe für Familienpastoral (vgl. Familiaris consortio, Nr. 66), falls dies noch nicht geschehen sein sollte; - die Ausbildung des Klerus und insbesondere der Beichtväter, damit sie die Gewissen formen gemäß den Gesetzen Gottes und der Kirche über das Ehe- und Familienleben; - die Fortbildung der in der Pastoral Tätigen auf dem Gebiet der kirchlichen Lehre; - Anregung zur Fürbitte im liturgischen Gebet für diejenigen, deren Ehe sich in einer schwierigen Situation befindet; -Verbreitung dieser pastoralen Hinweise auch mittels Broschüren über die Lage der Geschiedenen und Wiederverheirateten. Zweites Ziel: Unterstützung für Familien in Schwierigkeiten Die Hirten müssen vor allem die Eltern dazu auffordem, aufgrund des von ihnen selbst empfangenen Ehesakraments ihre verheirateten Kinder zu unterstützen; die Brüder und Schwestern, damit sie die Ehepaare geschwisterlich umgeben; die Freunde, damit sie ihren Freunden helfen. Die Kinder der getrennt lebenden und geschiedenen Menschen benötigen eine besondere Aufmerksamkeit, vor allem im Kontext der Katechese. Außerdem muß man seelsorgliche Hilfe für jene vorsehen, die sich an die kirchlichen Ehegerichte wenden oder wenden könnten. Es empfiehlt sich, ihnen dabei zu helfen, eine mögliche Nichtigkeit ihrer Ehe in Betracht zu ziehen. Man darf nicht vergessen, daß die Schwierigkeiten in der Ehe oft in Tragödien ausarten können, wenn die Eheleute nicht den Willen oder die Möglichkeit haben, sich so bald wie möglich mit jemandem auszusprechen (einem Priester oder einem kompetenten Laien), damit ihnen geholfen werden kann, diese Schwierigkeiten zu überwinden. In jedem Fall muß alles getan werden, um zu einer Versöhnung zu gelangen. Drittes Ziel: geistliche Begleitung Wenn die geschiedenen Christen eine standesamtliche Ehe eingehen, darf die Kirche, getreu der Lehre unseres Herrn (Mk 10,2-9) kein öffentliches oder privates Zeichen zum Ausdruck bringen, das als Legitimierung dieser neuen Verbindung aufgefaßt werden könnte. Oft ist festzustellen, daß die Erfahrung der gescheiterten Ehe das Bedürfnis nach einer Bitte um die Barmherzigkeit Gottes und seiner Rettung hervorrufen kann. Es ist nötig, daß die Wiederverheirateten der Regelung ihrer Situation in der sichtbaren kirchlichen Gemeinschaft den Vorrang geben und daß sie - getrieben von dem Wunsch, auf die Liebe Gottes zu antworten - sich auf einen Weg einstellen, durch den alle Unordnung überwunden werden kann. Die Bekehrung kann und muß aber unverzüglich beginnen, und zwar schon in dem Zustand, in dem ein jeder sich befindet. 979 KONGREGATIONEN UND RÄTE Seelsorgliche Anregungen Als Zeuge und Hüter des Ehesakramentes wird der Bischof- zusammen mit seinen Mitarbeitern, den Priestern - in dem Bemühen, sein Volk zum Heil und zum wahren Glück zu fuhren, bestrebt sein: a) den Glauben der Kirche an das Ehesakrament zum Ausdruck zu bringen und an die Richtlinien für eine fruchtbare Vorbereitung und Feier dieses Sakraments zu erinnern; b) das Mitleiden der Kirche angesichts des Scheitems von Ehen und vor allem der Folgen für die Kinder deutlich zu bekunden; c) die Geschiedenen, die allein geblieben sind, aufzufordem und ihnen zu helfen, dem Sakrament ihrer Ehe treu zu bleiben (vgl. Familiaris consortio, Nr. 83); d) die Geschiedenen, die eine neue Verbindung eingegangen sind, aufzufordem: - ihre irreguläre Situation, die einen Zustand der Sünde nach sich zieht, anzuerkennen und Gott um die Gnade einer wahren Bekehrung zu bitten; - die elementaren Anforderungen der Gerechtigkeit gegenüber dem Partner im Ehesakrament und gegenüber den Kindern zu beachten; - sich der eigenen Verantwortung in diesen Verbindungen bewußt zu werden; - sofort den Weg zu Christus einzuschlagen, der allein in der Lage ist, diesem Zustand ein Ende zu bereiten: durch einen Dialog des Glaubens mit dem neuen Partner mit dem Ziel des gemeinsamen Fortschreitens zu der von der Taufe geforderten Umkehr und vor allem durch das Gebet und die Teilnahme an den liturgischen Feiern, wobei sie jedoch nicht vergessen sollten, daß sie als wiederverheiratete Geschiedene nicht die Sakramente der Buße und der Eucharistie empfangen können; e) die Gemeinschaft der Christen zu einem tieferen Verständnis der Bedeutung der eucharistischen Frömmigkeit zu führen, z. B.: Besuch des allerheiligsten Sakramentes, geistige Kommunion, Anbetung des Allerheiligsten; f) über die Bedeutung der Sünde nachdenken zu lassen und die Gläubigen zu einem besseren Verständnis des Sakramentes der Wiederversöhnung zu führen; g) zu einem angemessenen Verständnis der Reue und der geistigen Heilung anzuregen, die auch Vergebung der anderen, die Wiedergutmachung und tatsächlichen Einsatz im Dienst am Nächsten voraussetzt. 980 KONGREGATIONEN UND RATE Instruktion über die Diözesansynoden Kongregation für die Bischöfe und Kongregation für die Evangelisierung der Völker vom 19. März 1997 VORWORT In der Apostolischen Konstitution Sacrae disciplinae leges, durch die der gegenwärtige Kodex des Kanonischen Rechtes promulgiert wurde, hat der Heilige Vater Johannes Paul II. unter die Hauptelemente, die nach dem II. Vatikanischen Konzil das wahre und eigentliche Bild der Kirche ausmachen, die Lehre eingereiht, „nach der die Kirche als Volk Gottes und die hierarchische Autorität als Dienst dargestellt werden; außerdem die Lehre, die die Kirche als ,communio‘ ausweist und daher die gegenseitigen Beziehungen bestimmt, die zwischen Teilkirche und Gesamtkirche sowie zwischen Kollegialität und Primat bestehen müssen; ebenso die Lehre, nach der alle Glieder des Volkes Gottes, jedes auf seine Weise, an dem dreifachen - dem priesterlichen, prophetischen und königlichen - Amt Christi teilhaben“. In dem Bemühen um eine getreue Wiedergabe der Lehre des Konzils hat der Kodex des Kanonischen Rechtes unter anderem der althergebrachten Einrichtung der Diözesansynode, in welcher in verschiedener Hinsicht die oben erwähnten ekkle-siologischen Züge Zusammentreffen, ein neues Gesicht gegeben. In den Kanones 460-468 finden sich die rechtlichen Festlegungen, welche bei der Abhaltung dieser Kirchenversammlung zu beachten sind. Neuerdings, in besonderer Weise nach der Promulgation des Kodex des Kanonischen Rechtes, ist die Zahl der Teilkirchen angestiegen, die eine Diözesansynode, welche als ein wichtiges Mittel zur Verwirklichung der durch das Konzil geforderten Erneuerung anzusehen ist, durchgeführt haben oder eine solche abzuhalten beabsichtigen. Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die II. Pastoralsynode der Diözese Rom, die Pfingsten 1993 abgeschlossen wurde und deren Durchführung Papst Johannes Paul II. Gelegenheit zu wertvollen Unterweisungen geboten hat. In den vergangenen Jahrzehnten gab es auch andere, zuweilen mit dem Begriff „Diözesanversammlungen“ bezeichnete Initiativen, die die „com-munio dioecesana“ zum Ausdruck bringen sollten. Obwohl sie durchaus Gemeinsamkeiten mit den Synoden aufweisen, fehlt ihnen jedoch durchwegs eine genaue rechtliche Gestalt. In diesem Zusammenhang erscheint es nun höchst angebracht, die kirchenrechtlichen Vorschriften über die Diözesansynode zu verdeutlichen und die bei ihrer Ausführung zu beachtenden Vorgehensweisen zu entfalten und zu bestimmen, natürlich stets unbeschadet der vollen Geltung dessen, was der Kodex des Kanonischen i 2 Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges (25. Januar 1983), AAS 75(1983), Bd. II, VII-XIV. Vgl. can. 34 § 1. 981 KONGREGATIONEN UND RÄTE Rechtes bestimmt. Es ist überaus wünschenswert, daß auch die „Diözesanver-sammlungen“ oder andere Zusammenkünfte, insofern sie hinsichtlich ihrer Ausrichtung und ihrer Zusammensetzung einer Synode ähneln, mit Hilfe der Vorschriften des kanonischen Rechts und der hier vorgelegten Instruktion ihren Platz in der kanonischen Disziplin finden, um sie auf diese Weise zu einem wirksamen Instrument im Dienste der Leitung einer Teilkirche zu machen. Im Rahmen der Vorbereitung einer Diözesansynode mag der der vorliegenden Instruktion beigefügte Anhang von Interesse sein. Er hat lediglich hinweisenden Charakter und listet die wichtigsten Materien auf, die vom Kodex des Kanonischen Rechtes einer diözesanen Regelung überlassen werden. Die Kongregation für die Bischöfe und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker, in deren Zuständigkeit alle die Ausübung des Bischofsamtes in der lateinischen Kirche betreffenden Aspekte fallen, legen den Bischöfen der lateinischen Kirche diese Instruktion vor. Damit soll sowohl auf den Wunsch vieler Bischöfe nach einem Leitfaden für die Abhaltung der Diözesansynode geantwortet werden als auch dazu beigetragen werden, einigen hier und da aufgetretenen Mängeln und Ungereimtheiten entgegenzutreten. I. EINFÜHRUNG IN WESEN UND ZWECK DER DIÖZESANSYNODE Kanon 460 beschreibt die Diözesansynode als „eine Versammlung (,coetus‘) von ausgewählten Priestern und anderen Gläubigen der Teilkirche, die zum Wohl der ganzen Diözesangemeinschaft dem Diözesanbischof Unterstützung gewähren“. 1. Sinn und Zweck der Synode ist, dem Bischof bei der Ausübung des ihm eigenen Dienstes der Leitung der christlichen Gemeinschaft Hilfe zu leisten. Aus dieser Ausrichtung ergibt sich die besondere Rolle, welche bei der Synode den Priestern zukommt, die „als sorgsame Mitarbeiter, als Hilfe und Organ der Ordnung der Bischöfe [, ...] zum Dienst am Volke Gottes gerufen sind“. Aber die Synode eröffnet dem Bischof auch die Möglichkeit, zusammen mit den Priestern einige ausgewählte Laien und Mitglieder der Institute des geweihten Lebens zur Mitarbeit zu berufen, um so in besonderer Weise die allen Gläubigen zukommende Verantwortung für den Aufbau des Leibes Christi zum Ausdruck zu bringen. Vgl. Apostolische Konstitution Pastor Bonus (28. Juni 1988), Art. 75, 79 und 89: AAS 80(1988)841-912. „coetus delectorum sacerdotum aliorumque christifidelium Ecclesiae particularis, qui in bonum totius com-munitatis dioecesanae Episcopo dioecesano adiutricem operam praestant“. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 28; vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester, Presbyterorum Ordinis, Nm. 2 und 7. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nm. 7 und 32; vgl. can. 463 §§ 1 und 2. 982 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Bischof übt auch bei der Abhaltung der Synode das Amt der Leitung der ihm anvertrauten Kirche aus: er beschließt die Einberufung, er legt die von der Synode zu diskutierenden Fragen vor, er leitet die Sitzungen der Synode; schließlich unterschreibt er als einziger Gesetzgeber die Erklärungen und Dekrete und ordnet ihre Veröffentlichung an. Auf diese Weise ist die Synode „unmittelbar und untrennbar Ausdruck des bischöflichen Leitungsamtes und ein sich Ereignen von Gemeinschaft und bringt so jenen Aspekt der hierarchischen Gemeinschaft zum Ausdruck, der zutiefst zum Wesen der Kirche gehört.“ <96> <96> Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 12, mit der Zitation Das Volk Gottes ist in der Tat keine formlose Vereinigung der Jünger Christi sondern, dem Willen ihres Gründers entsprechend, eine von Anfang an organisch verfaßte priesterliche Gemeinschaft <97>, welcher in jeder Diözese der Bischof als sichtbares Prinzip der Einheit und als ihr einziger Repräsentant vorsteht <98>. Jeder Versuch also, die Synode auf der Basis einer für sie in Anspruch genommenen Sichtweise als „Vertretung des Volkes Gottes“ dem Bischof entgegenzusetzen, steht im Kontrast zur eigentlichen Grundlage des kirchlichen Beziehungsgefüges. von 1 Thess 5,12 u. 19-21 Vgl. ebd., Nr. 27. 2. Die Synodalen sind aufgerufen, „dem Diözesanbischof hilfreiche Unterstützung zu gewähren“ <99>, indem sie ihre Meinung oder ihre „Stimme“ zu den vom Bischof vorgelegten Fragen abgeben; dieses Stimmrecht wird „beratend“ genannt, <100> um zum Ausdruck zu bringen, daß der Bischof frei ist, die von den Synodalen geäußerten Meinungen anzunehmen oder nicht. Dies schmälert gewiß nicht die Bedeutung dieses Prozesses, so als ob es sich hier bloß um eine gleichsam „von außen kommende“ Beratung handeln würde, die von jemandem erteilt wird, der keine Verantwortung für den letztendlichen Ausgang der Synode hat. Im Gegenteil, durch das Einbringen ihrer Erfahrungen und Ratschläge arbeiten die Synodalen aktiv an der Erstellung der Erklärungen und Dekrete mit, die zu Recht „Erklärungen und Dekrete der Synode“ <101> genannt werden und der bischöflichen Leitung der Diözese Anregungen für künftige Initiativen bieten. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche, Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 4: AAS 85(1993)838-850. Vgl. ebd., Nr. 13 Der Bischof soll selbst die Diskussionen während der Synodensitzungen leiten und, als wirklicher Lehrer der Kirche, unterweisen und korrigieren, wenn es erforderlich ist. Nachdem er die Mitglieder gehört hat, kommt ihm hinsichtlich der ver- Vgl. cann. 461 § 1 und 462 § 1. Vgl. can. 465. Vgl. can. 462 § 2. Vgl. can. 466. Johannes Paul II., Ansprache vom 3. Oktober 1992, Übersetzung aus: L’Osservatore Romano, italienische Ausgabe (4. Oktober 1992), 4-5. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 11. Vgl. ebd., Nm. 23. Can. 460. Vgl. can. 466. Vgl. cann. 466 und 467. 983 KON GREGA TIONEN UND RÄTE schiedenen Meinungen die „Aufgabe der Unterscheidung“ zu, d. h. „alles zu prüfen und das Gute zu behalten“. Indem der Bischof nach Beendigung der Synode die Erklärungen und Dekrete unterschreibt, verleiht er allem, was in ihnen gelehrt oder angeordnet wird, seine Autorität. Die bischöfliche Vollmacht wird auf diese Weise ihrem ursprünglichen Sinn gemäß ins Werk gesetzt, nicht als Auferlegung willkürlicher Entscheidungen, sondern als wirklicher Dienst, der darin besteht, „die Untergebenen zu hören“ und „sie zu eifriger Mitarbeit zu mahnen“, in der gemeinsamen Suche dessen, was der Geist Gottes im gegenwärtigen Moment von der Teilkirche verlangt. 3. Gemeinschaft und Sendung, als voneinander untrennbare Aspekte des einzigen Zwecks der seelsorglichen Tätigkeit der Kirche, konstituieren das „Wohl der ganzen Diözesangemeinschaft“ welches can. 460 als letztendliches Ziel der Synode ins Feld führt. Die Arbeiten der Synode sollen darauf hinzielen, das gemeinsame Anhängen an die Heilslehre zu fördern und alle Gläubigen zur Nachfolge Christi anzuregen. Weil die Kirche in die Welt gesandt ist, „um das Geheimnis der Gemeinschaft, das sie konstituiert, zu verkünden und zu bezeugen, zu vergegenwärtigen und zu verbreiten“, ist der Synode auch die Sorge um die Förderung des apostolischen Eifers aller kirchlichen Kräfte unter der Leitung der rechtmäßigen Hirten zu eigen. In der Überzeugung, daß jede gemeinschaftliche und missionarische Erneuerung die Heiligkeit derjenigen, die einen Dienst in der Kirche ausüben, zur unabdingbaren Voraussetzung hat, wird bei der Synode keinesfalls ein lebendiges Interesse für die Verbesserung der Lebensumstände und der Ausbildung des Klerus sowie für die Förderung der geistlichen Berufe fehlen dürfen. Die Synode stellt schließlich die diözesane Gemeinschaft nicht nur dar und verwirklicht sie, sondern ist auch gerufen, sie durch ihre Erklärungen und Dekrete „aufzubauen“. Von daher ist es nötig, daß in die Dokumente der Synode auch das Lehramt der Universalkirche in angemessener Weise Eingang findet und die kanonische Disziplin auf die besondere Situation dieser konkreten christlichen Gemeinschaft angewendet wird. Der Dienst des Nachfolgers Petri und das Bischofskollegium sind nämlich nicht eine Instanz außerhalb der Teilkirche, sondern ein Element, das „von innen her“ zu ihrem Wesen selbst gehört und von daher Fundament der diözesanen Gemeinschaft. Auf diese Weise trägt die Synode, indem sie der besonderen liturgischen, geistlichen und kanonistischen Tradition einer Teilkirche Kontinuität verleiht, auch dazu bei, die pastorale Physiognomie derselben auszubilden. Das örtliche rechtliche <102> <103> <104> <105> <106> <107> <102> Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 12, mit der Zitation von 1 Thess 5,12 u. 19-21 Vgl. ebd., Nr. 27. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche, Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 4: AAS 85(1993)838-850. Vgl. ebd., Nr. 13 984 KONGREGATIONEN UND RÄTE Erbe und die Leitfäden, die bislang den seelsorglichen Dienst bestimmt haben, sollen in ihrem Verlauf einem sorgfältigen Studium unterzogen werden, mit dem Ziel, sie den heutigen Umständen anzupassen, sie erneut mit Leben zu füllen, eventuelle Gesetzeslücken zu schließen, das Erreichen der in der Vergangenheit formulierten pastoralen Zielsetzungen zu verifizieren und, mit Gottes Beistand, neue Ausrichtungen vorzuschlagen. II. ZUSAMMENSETZUNG DER SYNODE 1. „Die Diözesansynode leitet der Diözesanbischof, der gleichwohl einen Generalvikar oder einen Bischofsvikar für die einzelnen Sitzungen der Synode mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betrauen kann“ <108>. Er wird dabei diejenigen bevorzugen, die die Bischofsweihe empfangen haben (Koadjutor und Auxiliarbischöfe). Can. 462 § 2. 2. Von Rechts wegen sind Mitglieder der Synode aufgrund des Amtes, das sie bekleiden: - der Bischofskoadjutor und die Auxiliarbischöfe; - die Generalvikare, die Bischofsvikare sowie der Gerichtsvikar; - die Kanoniker des Kathedralkapitels; - die Mitglieder des Priesterrates; - der Rektor des Priesterseminars; - die Dechanten <109>. Vgl. can. 463 § 1,1°, 2°, 3°, 4°, 6° u. 7°. 3. Gewählte Mitglieder sind: 3.1 „die Laien, auch Mitglieder der Institute des geweihten Lebens, die vom Pasto-ralrat zu wählen sind, wobei die Art der Wahl und die Anzahl der zu Wählenden vom Diözesanbischof bestimmt werden oder, wo kein Pastoralrat besteht, nach der vom Diözesanbischof bestimmten Weise“ <110>. Can. 463 § 1, 5°. Bei der Auswahl dieser Laien (Männer und Frauen), sind, soweit möglich, die Anordnungen des can. 512 Par. 2 <111> zu befolgen, wobei darauf zu achten ist, daß diese Gläubigen sich „durch festen Glauben, gute Sitten und Klugheit auszeichnen“ <112>. Unter diesen Voraussetzungen vermag ihr Beitrag im Hinblick auf das Wohl der Kirche denn auch von wirklicher Bedeutung zu sein. Eine unter kanonischem Aspekt reguläre Lebenssituation dieser Laien ist unabdingbare Voraussetzung für eine Teilnahme an der Versammlung. Can. 512 § 2: „Die Gläubigen, die in den Pastoralrat berufen werden, sind so auszuwählen, daß sich in ihnen der ganze Teil des Gottesvolkes, der die Diözese ausmacht, widerspiegelt; dabei sind die verschiedenen Regionen der Diözese, die sozialen Verhältnisse und die Berufe sowie der Anteil, den die Mitglieder für sich oder mit anderen zusammen am Apostolat haben, zu berücksichtigen“. Can. 512 §3. 985 KONGREGATIONEN UND RÄTE 3.2 „wenigstens ein Priester aus jedem Dekanat, der von allen zu wählen ist, die im Dekanat eine Seelsorgsaufgabe haben; ebenso ist für den Fall seiner Verhinderung ein anderer Priester zu wählen, der dann dessen Stelle einnimmt“ <113>. Can. 463 § 1, 8°. Wie dem Wortlaut des Kanons zu entnehmen ist, sind in diese Kategorie nur Priester wählbar, nicht jedoch Diakone oder Laien. Der Bischof muß die Zahl der pro Dekanat zu wählenden Priester festlegen. Wenn es sich um eine kleinere Teilkirche handelt, steht nichts der Berufung aller Priester entgegen. 3.3 „einige Obere von Ordensinstituten und von Gesellschaften des Apostolischen Lebens, die eine Niederlassung in der Diözese haben, wobei die Art der Wahl und die Anzahl der zu Wählenden vom Diözesanbischof festgelegt werden“ <114>. Can. 463 § 1, 9°. 4. Vom Bischof frei ernannte Synodenmitglieder: „Zur Diözesansynode kann der Diözesanbischof auch andere als Synodenmitglieder einladen, seien es Kleriker, Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens oder Laien“ <115>. Can. 463 § 2. Bei der Auswahl dieser Synodalen wird man darauf achten, die kirchlichen Berufungen oder verschiedenen apostolischen Aufgaben, die durch die Wahlen in nicht genügendem Maße berücksichtigt wurden, präsent zu machen, so daß die Synode in geeigneter Weise die besondere Physiognomie der Teilkirche widerspiegelt; von daher wird man z. B. für eine entsprechende Präsenz ständiger Diakone unter den Klerikern Sorge tragen. Man wird es ebenfalls nicht vernachlässigen, auch Gläubige, die sich „durch Wissen, Kompetenz und hervorragende Stellung“ <116> auszeichnen, zu berufen. Ihr besonnenes Urteil dürfte zweifelsohne eine Bereicherung der Synodendiskussionen darstellen. Can. 212 § 3. 5. Die rechtmäßig designierten Synodenmitglieder haben das Recht und die Pflicht, an den Sitzungen teilzunehmen <117>. „Wenn ein Mitglied der Synode rechtmäßig verhindert ist, kann es nicht einen Vertreter schicken, der in seinem Namen an ihr teilnimmt; es hat aber den Diözesanbischof über diese Verhinderung in Kenntnis zu setzen“ <118>. Vgl. can. 463 § 1. Can. 464. Der Bischof hat das Recht und die Pflicht, mittels Dekret einen jeden Synodalen, dessen Auffassungen von der Lehre der Kirche abweichen oder der sich gegen die bischöfliche Autorität stellt, zu entlassen, unbeschadet der Möglichkeit eines rechtsgemäßen Rekurses gegen das Dekret. 6. „Wenn er es für angebracht hält, kann der Diözesanbischof einige Amtsträger oder Mitglieder von Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in der vol- 986 KONGREGATIONEN UND RÄTE len Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, als Beobachter zur Diö-zesansynode einladen“ <119>. Can. 463 § 3. Die Präsenz von Beobachtern soll beitragen, „die Sorge um die Ökumene in stärkerem Maße in die alltägliche Pastoral einzubringen, indem sie das einander Kennen-lemen, die gegenseitige Hilfsbereitschaft und möglicherweise die brüderliche Zusammenarbeit fordern hilft“ <120>. Johannes Paul II., Audienz vom 27. Juni 1992, Übersetzung aus: L'Osservatore Romano, italienische Ausgabe (28. Juni 1992), 4-5. Die Auswahl der Beobachter wird man für gewöhnlich mit den Oberen dieser Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften abstimmen, welche die für eine solche Aufgabe geeignetsten Personen zu benennen vermögen. III. EINBERUFUNG UND VORBEREITUNG DER SYNODE A. Einberufung 1. Eine Diözesansynode kann abgehalten werden, „wenn nach dem Urteil des Di-özesanbischofs und nach Anhörung des Priesterrates die Umstände dies anraten“ <121>. Es liegt also im klugen Ermessen des Bischofs unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Teilkirche bzw. die Leitung der Diözese betreffender Aspekte über die Umstände einer Einberufüng zu entscheiden. Can. 461 § 1. Die Umstände, die die Einberufüng einer Synode nahelegen, können verschiedenartig sein: das Fehlen gemeinsamer pastoraler Leitlinien, die Notwendigkeit, auf höherer Ebene ergangene Normen und Anweisungen örtlich anzupassen, das Bestehen von einer Lösung zuzuführenden Problemen auf diözesaner Ebene, die allgemein empfundene Notwendigkeit eines intensiveren und wirksameren Miteinanders in der Kirche usw. Bei der Entscheidung über eine Einberufüng sind die bei den Pastoralbesuchen erhaltenen Informationen von besonderer Bedeutung. Diese Besuche erlauben es dem Bischof in der Tat, mehr als jede Untersuchung oder Umfrage, die Wünsche und Bedürfnisse der Gläubigen auszumachen und die zu ihrer Behebung geeignetsten seelsorglichen Maßnahmen herauszufinden. Sobald also der Bischof die Einberufung einer Diözesansynode für opportun hält, wird er den Priesterrat, der als Repräsentant des Presbyteriums den Bischof bei der Leitung der Diözese unterstützt <122>, bitten, seine Meinung über die Abhaltung einer Synode sowie über das Thema oder die auf ihr zu behandelnden Themen zu äußern. Nach Festlegung des Themas der Synode wird der Bischof das Einberu-füngsdekret ausstellen und es, in der Regel gelegentlich eines liturgischen Festes von besonderer Bedeutung, seiner Diözese kundgeben. Vgl. can. 495 § 1. 987 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. „Nur der Diözesanbischof beruft eine Diözesansynode ein, nicht aber derjenige, der einer Diözese vorübergehend vorsteht“ <123>. Can. 462 § 1. „Wenn ein Bischof die Sorge für mehrere Diözesen oder für eine Diözese als eigener Bischof, für andere aber als Administrator hat, kann er eine einzige Diözesansynode aus allen ihm anvertrauten Diözesen einberufen“ <124>. Can. 461 § 2. B. Vorbereitungskommission und Synodenordnung 1. Zuerst soll der Bischof eine Vorbereitungskommission ins Leben rufen. Die Mitglieder dieser Vorbereitungskommission soll der Bischof aus den Priestern und den anderen Gläubigen auswählen, die sich durch pastorale Klugheit und berufliche Kompetenz auszeichnen. Hierbei soll er darauf achten, daß, soweit möglich, die Verschiedenheit der Charismen und Dienste des Volkes Gottes widergespiegelt wird. Keinesfalls darf der eine oder andere Experte in Kirchenrecht und Liturgiewissenschaft fehlen. Hauptaufgabe der Vorbereitungskommission ist es, dem Bischof bei der Organisation und der Beschaffung von Hilfsmitteln für die Vorbereitung der Synode, bei der Ausarbeitung der Synodenordnung, bei der Bestimmung der zur Beratung vorzulegenden Fragen sowie bei der Designation der Synodalen Hilfe zu leisten. Ihre Zusammenkünfte werden vom Bischof selbst oder im Falle seiner Verhinderung von einem von ihm Beauftragten geleitet. Der Bischof kann die Einrichtung eines Sekretariates verfügen, das von einem Mitglied der Vorbereitungskommission geleitet wird. Es hat die Aufgabe, die Synode unter organisatorischem Aspekt zu unterstützen: Übersendung und Archivierung der Dokumentation, Erstellung der Protokolle, Bereitstellung technischorganisatorischer Hilfen, Finanzierung und Abrechnungen. Es dürfte ebenfalls von Nutzen sein, eine Pressestelle einzurichten, welche eine adäquate Information der Massenmedien gewährleistet und die Arbeit der Synode betreffende eventuelle Fehlinterpretationen vermeiden hilft. 2. Mit Hilfe der Vorbereitungskommission soll der Bischof die Erarbeitung und Veröffentlichung der Synodenordnung besorgen <125>. Zum Begriff „Ordnung“, vgl. can. 95. Die Ordnung hat unter anderem festzulegen: 2.1 die Zusammensetzung der Synode. Die Ordnung soll eine genaue Anzahl für jede Kategorie von Synodalen bestimmen und die Kriterien für die Wahl der Laien, der Mitglieder der Institute des geweihten Lebens <126> sowie der Oberen von Ordensinstituten und von Gesellschaften des Apostolischen Lebens <127> festlegen. Hierbei ist Vgl. can. 463 § 1, 5°. Vgl. can. 463 § 1, 9°. 988 KONGREGATIONEN UND RÄTE darauf zu achten, daß nicht eine zu hohe Anzahl von Synodalen die tatsächliche Möglichkeit der einzelnen, sich zu Wort zu melden, verhindert. 2.2 Nonnen über die Art und Weise der Durchführung der Wahlen der Synodalen und, unter Umständen, der Inhaber der bei der Synode auszuübenden Ämter. Diesbezüglich sind die Vorschriften der Kanones 119, 1° und 164-179 in entsprechend angepaßter Weise zu berücksichtigen <128>. Es ist zu berücksichtigen, daß der Wortlaut einiger dieser Kanones die Freiheit läßt, hinsichtlich der Synodenordnung anders zu bestimmen. 2.3 Die verschiedenen bei der Synodenversammlung auszuübenden Ämter (Präsidium, Moderator, Sekretär), die verschiedenen Kommissionen und ihre Zusammensetzung. 2.4 Die Vorgehensweise bei den Sitzungen, mit Angabe der Dauer und Form der Wortmeldungen (mündlich oder schriftlich) und der Abstimmungen („placet“, „non placet“, „placet iuxta modum“). Der Nutzen, den die Synodenordnung für die Organisation der Vorbereitungsphase haben kann, rät es, sie zu Beginn des „synodalen Weges“ zu erarbeiten, selbstverständlich ohne eventuelle Veränderungen oder Beifügungen auszuschließen, die sich in der Folge durch die bei der Vorbereitung gemachten Erfahrungen nahelegen könnten. Im folgenden sollten dann die Synodalen designiert werden, um sich bei der Vorbereitung der Synode auf ihre Hilfe stützen zu können. C. Vorbereitungsphasen der Synode Die vorbereitenden Arbeiten der Synode zielen vor allem daraufhin, dem Bischof die Festlegung der Fragen, die den Synodalen zur Beratung vorgelegt werden sollen, zu erleichtern. Es dürfte von daher angemessen sein, diese Phase so zu organisieren, daß, den Umständen gemäß, auf unterschiedliche Weise die verschiedenen in der Teilkirche vorhandenen diözesanen Instanzen und apostolischen Initiativen erreicht und einbezogen werden. So vermag die Arbeit der Synode „zu einem geeigneten Lemfeld der ,Communio‘-ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils“ <129> zu werden; darüber hinaus werden die Gläubigen am Ende der Synode das bereitwillig aufnehmen, „was die geweihten Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer und Leiter in der Kirche festsetzen“ <130>. Johannes Paul II., Ansprache vom 29. Mai 1993, Übersetzung aus: L 'Osservatore Romano, italienische Ausgabe (31. Mai/1. Juni 1993), 6-7. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 37. Im folgenden sollen nun einige allgemeine, die konkrete Vorgehensweise betreffende Leitfaden geboten werden, welche jeder Oberhirte in bestmöglicher Weise der konkreten Situation seiner Teilkirche und den Eigenheiten der projektierten Synode anzupassen bzw. zu vervollständigen wissen wird. 989 KONGREGATIONEN UND RÄTE 1. Geistliche, katechetische und informative Vorbereitung Von der Überzeugung getragen, daß „das Geheimnis des Gelingens der Synode, wie auch aller anderen kirchlichen Ereignisse und Initiativen, das Gebet ist“ <131>, wird der Bischof alle Gläubigen, Kleriker, Ordensleute und Laien, und in besonderer Weise die Klöster, die sich dem beschaulichen Leben widmen, zu einer „steten gemeinsamen Gebetsintention für die Synode und ihre Früchte“ <132> einladen, auf daß diese wahrhaft zu einem Gnadenereignis für die Teilkirche werde. Er wird es nicht unterlassen, die Seelsorger zu diesem Dienst des Gebetes zu ermuntern und ihnen im Verlauf der Synode immer wieder entsprechende Hilfsmittel zur Gestaltung der festtäglichen wie auch der alltäglichen Gottesdienste zur Verfügung stellen. Johannes Paul II,, Homilie vom 3. Oktober 1992, zitiert in Fußnote LL Johannes Paul II., Audienz vom 27. Juni 1992, zitiert in Fußnote 33. Die Durchführung der Synode bietet dem Bischof eine ausgezeichnete Möglichkeit zur Unterweisung der Gläubigen. Von daher sollte, gestützt auf das Lehramt, insbesondere das des Konzils, eine klare und deutliche Katechese der Gläubigen über das Geheimnis der Kirche und über die Teilnahme aller an ihrer Sendung stattfinden. Zu diesem Zweck könnten den Priestern konkrete Hinweise für die Predigt an die Hand gegeben werden. Zudem sollten alle über Wesen und Zweck der Synode und über die ihr zur Beratung vorliegenden Themen informiert werden. Dazu könnte die Veröffentlichung einer Informationsbroschüre dienen. Auch an eine Indienstnahme der Massenmedien sollte gedacht werden. 2. Befragung der Diözese Den Gläubigen sollte die Möglichkeit geboten werden, ihre Anliegen, Wünsche und Meinungen hinsichtlich des Themas der Synode zur Sprache zu bringen <133>. Darüber hinaus ist der Klerus der Diözese getrennt davon aufzufordem, Vorschläge zu unterbreiten wie den seelsorglichen Herausforderungen begegnet werden kann. Vgl. ccm. 212 §§ 2 u. 3. Der Bischof hat die genauen Modalitäten dieser Befragung zu bestimmen und dafür Sorge zu tragen, daß alle lebendigen Zellen des Volkes Gottes, die in der Teilkirche leben und arbeiten, erreicht werden <134>: Pfarreien, Institute des Geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens, kirchliche Verbände und bedeutende Gruppierungen, Bildungsanstalten (Seminare, Universitäten oder kirchliche Fakultäten, katholische Universitäten und Schulen). Vgl. Johannes Paul II., Audienz vom 27. Juni 1992, zitiert in Fußnote 33. Der Bischof sollte sich bei der Erteilung entsprechender Anweisungen für die Befragung die - hier und da leider allzu reale - Gefahr des Entstehens von „pressure groups“ vor Augen halten und es vermeiden, in den Befragten ungerechtfertigte Erwartungen hinsichtlich einer tatsächlichen Annahme ihrer Vorschläge zu wecken. 990 KONGREGATIONEN UND RÄTE 3. Festlegung der Themen Sodann legt der Bischof die Sachverhalte fest, über die beraten werden soll. Hier dürfte die Erarbeitung von Fragebögen für die verschiedenen Themen dienlich sein, welche jeweils von einer Abhandlung eingeleitet werden, die ihre Bedeutung im Licht der Lehre und der Disziplin der Kirche sowie der Ergebnisse der vorausgegangenen Konsultationen darlegt <135>. Diese Aufgabe soll, unter der Leitung der Vorbereitungskommission, Gruppen von Fachleuten verschiedener Disziplinen und pastoraler Bereiche anvertraut werden, die dann die Texte dem Bischof zur Approbation vorlegen. Man kann auch in anderer Weise Vorgehen, z. B. indem man bereits in dieser Phase die Entwürfe für die Synodendokumente erarbeitet. Dieser Weg hat unzweifelhafte Vorteile, aber es gilt auch das Risiko zu beachten, daß faktisch die Freiheit der Synodenmitglieder in der Weise verringert wird, daß sie sich über einen praktisch fertigen Text äußern sollen. Schließlich wird die vorbereitete Dokumentation den Synodalen zugesandt, um ein entsprechendes Studium vor Beginn der Sitzungen zu gewährleisten. IV. ABLAUF DER SYNODE 1. Die eigentliche Synode besteht in den Synodensitzungen. Von daher gilt es, ein Gleichgewicht zwischen der Dauer der eigentlichen Synode und der Dauer der Vorbereitungsphase zu finden, sowie die Sitzungen in einer Zeitspanne anzuordnen, die es dem einzelnen ermöglicht, die in der Aula aufgeworfenen Fragen zu studieren und sich in die Diskussion einzubringen. 2. Da „quibus communis est cura, communis etiam debet esse oratio“ <136>, soll die Abhaltung der Synode vom Gebet getragen sein. In den feierlichen Eucharistiefei-em zur Eröffnung und zum Abschluß der Synode sowie in den anderen, die die Sitzungen der Synode begleiten, sollen die Vorschriften des Caeremoniale Epis-coporum beachtet werden, welches die Liturgischen Feiern anläßlich einer Synode enthält <137>. Diese Gottesdienste sollen nicht nur den Mitgliedern der Synode, sondern allen Gläubigen offen stehen. Caeremoniale Episcoporum, 1169. Vgl. Caeremoniale Episcoporum, Pars VIII, Caput I „De Conciliis Plenariis vel Provincialibus et de Synodo Dioecesana“, 1169-1176. Es ist sinnvoll, daß zumindest die wichtigeren Sitzungen der Synode in der Kathedrale abgehalten werden. Sie ist der Ort, an dem sich die Kathedra des Bischofs befindet, und ein sichtbares Bild der Kirche Christi <138>. Vgl. Apostolische Konstitution Mirißcus eventus (7. Dezember 1965): AAS 57(1965)945-951. 3. Vor Beginn der Beratungen legen die Synodenmitglieder das Glaubensbekenntnis, gemäß can. 833,1° <139> ab. Der Bischof soll es nicht unterlassen, die Bedeutung dieses Aktes darzulegen, um so den „sensus fidei“ der Synodalen anzuregen und in ihnen die Liebe zum lehrmäßigen und geistlichen Erbe der Kirche zu entfachen. Vgl. AAS 81(1989)104-105, wo sich der Text des bei der Synode zu benutzenden Glaubensbekenntnisses findet. 991 KONGREGATIONEN UND RÄTE 4. Die Behandlung der verschiedenen nach und nach zu erörternden Themen soll durch kurze erläuternde Referate, die sie genau umreißen, eingefuhrt werden. „Alle vorgelegten Fragen sind in den Sitzungen der Synode der freien Erörterung der Synodalen zu überlassen“ <140>. Der Bischof soll dafür sorgen, daß den Synodalen effektiv die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre Meinungen über die vorgelegten Fragen frei zu äußern, freilich innerhalb des von der Synodenordnung bestimmten Zeitlimits <141>. Can. 465. Vgl. oben III, B, 2. Die zwischen der Teilkirche und ihrem Oberhirten und der Gesamtkirche und dem Papst herrschende tiefe Verbundenheit fordert, daß der Bischof von der Synodendiskussion Thesen oder Positionen ausschließt, die von der fortwährenden Lehre der Kirche oder dem Päpstlichen Lehramt abweichen bzw. disziplinäre Fragen betreffen, die der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität Vorbehalten sind und die unter Umständen mit dem Anspruch eingebracht wurden, dem Hl. Stuhl entsprechende „Voten“ zu übersenden <142>. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtensorge der Bischöfe, Christus Dominus, Nr. 8; vgl. auch can. 381. Zum Schluß der Wortmeldungen gilt es die verschiedenen Beiträge der Synodalen wohlgeordnet zusammenzufassen um so das nachfolgende Studium derselben zu erleichtern. 5. Während der Synodensitzungen werden die Synodalen mehrere Male ihre Meinung durch Stimmabgabe zu äußern haben. Da die Synode kein Kollegium mit Entscheidungsgewalt ist, haben solche Abstimmungen nicht den Zweck zu einem bindenden Mehrheitsbeschluß zu gelangen, sondern den Grad der Übereinstimmung der Synodalen in bezug auf die formulierten Vorschläge zu ermitteln. So sollte es ihnen auch erklärt werden <143>. Diesbezüglich dürfte es von Nutzen sein, daß die in can. 119, 3° ausgedrückte Regel: „was aber alle als einzelne betrifft, muß von allen gebilligt werden“, nicht die Synode betrifft, sondern die gemeinsame Entscheidungsfindung eines wirklichen Kollegiums mit Entscheidungsfähigkeit. Der Bischof bleibt frei, zu bestimmen, ob er sich das Abstimmungsergebnis zu eigen macht. Gewiß wird er bestrebt sein, der von den Synodalen allgemein geteilten Meinung stattzugeben, es sei denn, daß dem ein schwerer Grund entgegensteht. Diesen „coram Domino“ zu beurteilen, steht ihm allein zu. 6. Der Bischof wird schließlich, mit entsprechender Anweisung, verschiedenen aus den Mitgliedern gebildeten Kommissionen die Ausarbeitung der Entwürfe der Synodentexte anvertrauen. Bei der Abfassung gilt es präzise Formulierungen zu finden, die als pastoraler Leitfaden für die Zukunft zu dienen vermögen. Allgemeinplätze oder bloße Ermahnungen sollten vermieden werden, da ein solcher Stil die Wirkkraft der Synodentexte verringern würde. 992 KONGREGATIONEN UND RÄTE 7. „Der Diözesanbischof kann nach seinem klugen Ermessen die Diözesansynode unterbrechen und auch auflösen“ <144>, sobald schwere Hindernisse ihrer Fortführung entgegenstehen und eine solche Entscheidung angemessen oder sogar notwendig erscheinen lassen: z. B. eine Ausrichtung, welche in unbehebbarer Weise der Lehre der Kirche entgegensteht oder soziale Umstände, die einen ruhigen Verlauf der Synodenarbeit beeinträchtigen. Can. 468 § 1. Wenn keine besonderen Gründe entgegenstehen, sollte der Bischof vor dem Erlassen des Dekretes der Unterbrechung oder der Auflösung der Synode die Meinung des Priesterrates erfragen, der vom Bischof bei Angelegenheiten von größerer Bedeutung anzuhören ist <145>, wobei der Bischof in seiner letztendlichen Entscheidung selbstverständlich frei bleibt. Vgl. can. 500 § 2. „Bei Vakanz oder Behinderung des bischöflichen Stuhles ist die Diözesansynode von Rechts wegen unterbrochen, bis der nachfolgende Diözesanbischof ihre Fortsetzung anordnet oder ihre Beendigung erklärt hat“ <146> <147>. Can. 468 § 2. Vgl. can. 466. V. DIE ERKLÄRUNGEN UND DEKRETE DER SYNODE 1. Nach Abschluß der Synodensitzungen nimmt der Bischof die Endredaktion der Dekrete und Erklärungen vor, unterschreibt sie und ordnet ihre Veröffentlichung 60 an . 2. Durch die Verwendung der Ausdrücke „Dekrete“ und „Erklärungen“ weist der Kodex auf die Möglichkeit hin, daß die Synodentexte einerseits aus wirklichen Rechtsnormen, die „Konstitutionen“ oder auch anders genannt werden können, oder auch aus programmatischen Weisungen für die Zukunft zu bestehen vermögen und andererseits aus der überzeugten Wiedergabe von Wahrheiten des Glaubens oder der katholischen Moral, insbesondere hinsichtlich der Bereiche, die von größerer Bedeutung für das Leben der Teilkirche sind. 3. „Allein er (der Diözesanbischof) unterschreibt die Erklärungen und Dekrete der Synode, die nur kraft seiner Autorität veröffentlicht werden dürfen“ <148>. Von daher dürfen die Erklärungen und die Dekrete der Synode nur die Unterschrift des Db özesanbischofs tragen und die Formulierung der Dokumente muß deutlich machen, daß er auch ihr Autor ist. Aufgrund der wesenhaften Verbindung zwischen Synode und bischöflichem Dienst können nur vom Bischof unterschriebene Akten veröffentlicht werden. Nicht von ihm Unterzeichnete Dokumente wären nicht im eigentlichen Sinne „Erklärungen der Synode“. Ebd. 57 58 59 60 61 993 KONGREGATIONEN UND RÄTE 4. Durch die Synodendekrete fordert und urgiert der Diözesanbischof die Einhaltung der kirchlichen Gesetze, deren Beobachtung aufgrund der realen Gegebenheiten des diözesanen Lebens am notwendigsten scheint <149>, regelt die Materien, die das Recht seiner Kompetenz anvertraut, <150> und paßt die allgemeine Disziplin der konkreten Situation der Teilkirche an. Vgl. can. 392. Vgl. den Anhang zu dieser Instruktion. Ein Synodendekret, welches höherem Recht widerspricht, ist rechtlich ungültig <151>. Unter höherem Recht sind hier zu verstehen: die für die Gesamtkirche erlassene Rechtsordnung, die Allgemeinen Dekrete der Partikularkonzilien und der Bischofskonferenz <152>, sowie jene der Bischofsversammlung einer Kirchenprovinz, jeweils in den Grenzen ihrer Kompetenz <153>. Vgl. can. 135 § 2. Damit die Entscheidungen der Partikularkonzilien und der Bischofskonferenzen rechtlich verbindliche Normen sein können, d. h. wirkliche Allgemeine Dekrete, ist eine Überprüfung („recognitio“) durch den Hl. Stuhl erforderlich: vgl. cann. 446 und 455. Bezüglich der normativen Kompetenzen der Bischofsversammlung einer Kirchenprovinz, vgl. cann. 952 § 1 und 1264. 5. „Der Diözesanbischof soll die Texte der Erklärungen und Dekrete der Synode dem Metropoliten und der Bischofskonferenz zukommen lassen“, <154> um auf diese Weise das Miteinander im bischöflichen Dienst und den Einklang der Gesetze in den Teilkirchen derselben geografischen und ethnischen Zone zu fördern. Can. 467. Zum guten Schluß wird der Bischof durch den Gesandten des Papstes der Kongregation für die Bischöfe bzw. der Kongregation für die Evangelisierung der Völker eine Kopie der Synodenunterlagen zu baldmöglicher Kenntnisnahme zukommen lassen. 6. Für den Fall, daß die Synodendokumente, vor allem diejenigen, welche normativen Charakter haben, keine Aussage hinsichtlich ihrer Ausführung treffen, hat der Diözesanbischof, nach Abschluß der Synode, die Art und Weise des Vollzugs festzulegen. Unter Umständen kann er sie bestimmten diözesanen Stellen anvertrauen. Die Kongregation für die Bischöfe und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker hoffen, durch dieses Dokument einen Beitrag zu einer angemessenen Durchführung der Diözesansynode geleistet zu haben, welche eine im Lauf der Jahrhunderte stets in hoher Wertschätzung gehaltene Einrichtung darstellt und die sich heute, unter dem Beistand des Heiligen Geistes, als wirksames Instrument im Dienst der „communio“ und der „missio“ der Teilkirchen erneuten Interesses erfreut. 62 63 64 65 66 67 994 KONGREGATIONEN UND RATE Die vorliegende Instruktion hat Geltung für alle Diözesansynoden, die nach Ablauf von drei Monaten vom Datum der Veröffentlichung in Acta Apostolica Sedis an beginnen. Vatikanstadt, 19. März 1997 Bemardin Kardinal Gantin Präfekt der Kongregation für die Bischöfe Jözef Kardinal Tomko Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker Erzbischof Jorge Maria Mejia Sekretär der Kongregation für die Bischöfe Erzbischof Giuseppe Uhac Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker Anhang zur „Instruktion über die Diözesansynoden“ Vom CIC der rechtlichen Regelung durch den Diözesanbischof überlassene pastorale Materien Der vorliegende Anhang bietet eine Auflistung der Materien, deren Ordnung auf diözesaner Ebene, gemäß den Kanones des Kodex, für notwendig oder allgemein angemessen gehalten wird. Nicht behandelt werden die Vorschriften des kirchlichen Gesetzbuches, welche Maßnahmen für Einzelfälle1 fordern, wie z. B. Approbationen, besondere Konzessionen, Erlaubniserteilungen usw. In jedem Fall gilt es vorauszuschicken, daß „dem Diözesanbischof in der ihm anvertrauten Diözese die ganze, ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt zukommt, die zur Ausübung des Hirtendienstes erforderlich ist; ausgenommen ist, was von Rechts wegen oder aufgrund einer Anordnung des Papstes der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität Vorbehalten ist“2. Folglich kann der Diözesanbischof die ihm zukommende gesetzgebende Gewalt nicht nur ausüben, um die von einer höheren Autorität erlassenen Rechtssätze, insofern diese es ausdrücklich auferlegen oder erlauben, zu vervollständigen oder näher zu bestimmen, sondern auch, um - je nach den Bedürfnissen der Ortskirche und der Gläubigen - jede pastorale Materie von diözesanem Rang, mit Ausnahme derer, die der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität Vorbehalten sind, zu ordnen. 2 Vgl. can. 35. Can. 381 § 1. 995 KONGREGATIONEN UND RÄTE Natürlich ist der Bischof gehalten, bei der Ausübung dieser Gewalt höheres Recht zu beobachten und zu respektieren3. Bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt, ist nichtsdestoweniger die Regel guter Leitung zu beachten, die nahelegt, dieselbe mit Zurückhaltung und Umsicht auszuüben, auf daß nicht zwanghaft auferlegt wird, was man auch durch Rat und Überzeugung erreichen kann. Nicht selten wird der Bischof sich eher um die Förderung der allgemeinen Ordnung der Kirche und, gegebenenfalls, um die Einhaltung der kirchlichen Gesetze zu kümmern haben als um die Promulgation neuer Normen. Es handelt sich hier um eine ihm als Wahrer der Einheit der Gesamtkirche zukommende wirkliche Pflicht, die in besonderer Weise den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente und der Sakramentalien, die Verehrung Gottes und der Heiligen, sowie die Verwaltung der Güter betrifft4. An dieser Stelle gilt es auch darauf hinzuweisen, daß der Diözesanbischof selbstverständlich frei ist, Normen ohne eine voraufgehende Diözesansynode bzw. außerhalb einer solchen zu erlassen, da die dem Bischof im Bereich der Diözese zukommende gesetzgebende Gewalt eine eigenberechtigte und ausschließliche ist. Deshalb muß er diesselbe, da es ihm nicht erlaubt ist, zusammen mit anderen Personen, Organismen oder Diözesanversammlungen Gesetze zu erlassen, auch persönlich ausüben5. Von den im folgenden aufgelisteten Materien sind nicht alle zu einer Diskussion auf der Diözesansynode geeignet. So wäre es z. B. nicht ratsam, den Synodalen einfachhin Fragen bezüglich Leben und Dienst des Klerus zur Beratung vorzulegen. In anderen spezifischen Bereichen der Pastoral wird es sinnvoll sein, daß der Diözesanbischof die Synode über allgemeine diesselben betreffenden Kriterien oder Prinzipien befragt und den Erlaß konkreter Normen auf einen späteren Zeitpunkt nach Abschluß der Synode verschiebt. Wie in der Instruktion ausgeführt6, liegt es im klugen Ermessen des Bischofs zu entscheiden, welche Themen während der Synode diskutiert werden sollen. I. Hinsichtlich der Ausübung des „munus docendi“ Die Bischöfe sind in den ihnen anvertrauten Bistümern „Leiter des gesamten Dienstes am Wort Gottes“7. Sie sind gehalten Vorsorge zu treffen, daß in der Diözese die Vorschriften des kanonischen Rechtes über den Dienst am Wort Gottes genau eingehalten werden und der christliche Glaube in rechter und vollständiger Weise weitergegeben wird8. Der Kodex des Kanonischen Rechtes entfaltet diesen Auftrag 3 4 5 6 7 8 Vgl. can. 135 § 2; vgl. auch Instruktion über die Diözesansynoden, V, 4. Vgl. can. 392. Vgl. can. 391 § 2. Vgl. Instruktion über die Diözesansynoden, III, A, 1; III, C, 3. Can. 756 § 2. Vgl. can. 386. 996 KONGREGATIONEN UND RÄTE und überträgt näherhin dem Diözesanbischof weitgehende Vollmachten in den folgenden Bereichen: 1. Ökumene: Es kommt dem einzelnen Bischof oder den Bischofskonferenzen zu, unter Beachtung der Vorschriften der höchsten Autorität praktische Normen über die Ökumene betreffende Sachverhalte zu erlassen (vgl. can. 755 § 2). 2. Predigt: Es kommt dem Diözesanbischof zu hinsichtlich der Ausübung des Predigtamtes Normen zu erlassen, welche von denen, die dieses Amt in der Diözese ausführen, zu beachten sind (vgl. can. 772 § 1). Diese Aufgabe des Bischofs wird in den folgenden Bereichen in besonderer Weise deutlich: - eventuelle Einschränkung der Ausübung der Predigttätigkeit (vgl. can. 764); - Anordnungen, die sich auf, den Erfordernissen der Gläubigen entsprechende, besondere Formen von Predigten beziehen, z. B. geistliche Exerzitien, Volksmissionen, usw. (vgl. can. 770); - Sorge um die Verkündigung des Wortes Gottes an jene, die durch die ordentliche Seelsorge nicht in hinreichendem Maße erreicht werden und an die Nichtglaubenden (vgl. can. 771). 3. Katechese: Es kommt dem Diözesanbischof zu, unter Wahrung der Vorschriften des Apostolischen Stuhls, den Lebensumständen der Gläubigen angepaßt (vgl. cann. 777 und 1064), Normen in Fragen der Katechese zu erlassen (vgl. can. 775 § 1). Er hat ebenfalls Anordnungen hinsichtlich der rechten Ausbildung der Katechisten zu treffen (vgl. can. 780). 4. Einsatz für die Mission: Der Diözesanbischof hat in der Diözese für die Förderung der Missionsarbeit Sorge zu tragen (vgl. can. 782 § 2) und, wenn die Diözese sich in einem Missionsgebiet befindet, für die Leitung und Koordination der Missionarbeit (vgl. can. 790). 5. Katholische Erziehung: Dem Diözesanbischof steht es zu, unter Beachtung in diesem Bereich eventuell von der Bischofskonferenz erlassener Anordnungen, alles zu regeln, was den Religionsunterricht und die katholische Erziehung, die in den Schulen jeglicher Art erteilt bzw. von den verschiedenen sozialen Kommuni-kationsmitteln vermittelt werden, betrifft (vgl. can. 804 § l)9. Ferner hat er für die allgemeine Ordnung der in seiner Diözese befindlichen katholischen Schulen sowie die Erhaltung der ihnen eigenen Prägung Sorge zu tragen (can. 806). 6. Soziale Kommunikationsmittel: Es gehört zu den Pflichten der Bischöfe, Veröffentlichungen und den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel zu beaufsichtigen (vgl. can. 823). Obwohl in der dem Brief des Kardinalstaatssekretärs an die Präsidenten der Bischofskonferenzen vom 8. November 1983 beigelegten Auflistung der Kanones des CIC, Kanon 804 unter den Fällen erscheint, in welchen die Konferenzen keine Partikulamorm erlassen müssen sondern es können, erscheint eine solche Normierung höchst angemessen. Die genannte Auflistung, die das Ziel verfolgt, den Bischofskonferenzen bei der Bestimmung der in ihre Regelungskompetenz fallenden Materien zu helfen, hat rein hinweisenden Charakter. 997 KONGREGATIONEN UND RÄTE II. Hinsichtlich der Ausübung des „munus sanctificandi“ Die Bischöfe sind „die Leiter, Förderer und Wächter des gesamten liturgischen Lebens in der ihnen anvertrauten Kirche“10. Dem Diözesanbischof kommt es zu, für sein Bistum, unter Beachtung der Vorschriften der höchsten Autorität der Kirche, im liturgischen Bereich Normen zu erlassen, an die alle gebunden sind11. Der Kodex des Kanonischen Rechtes überläßt der gesetzlichen Regelung durch den Bischof folgende besondere Bereiche: - unter Beobachtung der Bestimmungen des übergeordneten Rechts alles zu ordnen, was den Einsatz von Laien bei liturgischen Handlungen betrifft (vgl. can. 230 §§ 2 und 3)12; - sofern die Bischofskonferenz keine Anordnungen getroffen hat, festzulegen, wann eine „schwere Notlage“ vorliegt, welche die Spendung bestimmter Sakramente an nichtkatholische Christen rechtfertigt (vgl. can. 844 §§ 4 und 5); - die Bedingungen festzulegen, unter denen das Allerheiligste Sakrament in einem Privathaus aufbewahrt oder auf Reisen mitgeführt werden darf (vgl. can. 935); - dort wo die Zahl der Geistlichen unzureichend ist, Anordnungen für die Aussetzung des Allerheiligsten durch Laien zu treffen (vgl. can. 943); - Ordnungen für die Prozessionen zu erlassen (vgl. can. 944 § 2); - unter Berücksichtigung der mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz abgestimmten Kriterien festzulegen, wann die zur Erlaubnis der Generalabsolution erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (vgl. can. 961 § 2); - Vorschriften für die gemeinsame Feier des Sakramentes der Krankensalbung für mehrere Kranke zugleich zu erlassen (vgl. can. 1002); - unter Beobachtung der von der allgemeinen Gesetzgebung der Kirche gegebenen Vorschriften Normen für priesterlose Sonntagsgottesdienste zu erlassen (vgl. can. 1248 § 2). III. Hinsichtlich der Ausübung des „munus pascendi“ 1. Hinsichtlich der Organisation der Diözese. Über die Vielzahl der verschiedenen zu einer angemessenen seelsorglichen Organisation der Diözese erforderlichen Maßnahmen hinaus, ist dem Diözesanbischof in besonderer Weise übertragen: - die partikulare Gesetzgebung hinsichtlich der Kanonikerkapitel (vgl. cann. 503, 505 und 510 §3); Can. 835 § 1. Vgl. can. 838 §§ 1 und 4; vgl. auch can. 841. Hinsichtlich der Entscheidungsvollmacht des Diözesanbischofs in Bezug auf den Dienst von Frauen am Altar, vgl. das Responsum des Päpstlichen Rates für die Interpretation der Gesetzestexte vom 11. Juli 1992, mit angefügter Note der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, veröffentlicht in AAS 86(1994)541-542. 998 KONGREGATIONEN UND RÄTE - die Bildung eines Diözesanpastoralrates, sowie der Erlaß seiner Statuten (vgl. cann. 511 und 513 § 1); - der Erlaß von Normen, welche die Seelsorge in den Pfarreien bei Abwesenheit des Pfarrers gewährleisten (vgl. can. 533 § 3); - der Erlaß von Vorschriften über die Pfarrbücher (vgl. can. 535 § 1; vgl. auch cann. 895, 1121 § 1 und 1182); - die Entscheidung über die Einrichtung von Pastoralräten auf Pfarreiebene und der Erlaß sie betreffender Normen (vgl. can. 536); - die Festlegung von Normen, denen die pfarrlichen Vermögensverwaltungsräte unterliegen (vgl. can. 537); - die nähere Bestimmung der Rechte und Pflichten der Pfarrvikare (vgl. can. 548); - die nähere Bestimmung der Befugnisse der Dechanten (vgl. can. 555; vgl. auch can. 553). 2. Hinsichtlich der Lebensordnung des Klerus. Kanon 384 unterstreicht, daß der Diözesanbischof dafür „Sorge zu tragen hat, daß die Priester die ihrem Stand eigenen Verpflichtungen richtig erfüllen und daß ihnen die Mittel und Einrichtungen zur Verfügung stehen, deren sie zur Förderung des geistlichen und geistigen Lebens bedürfen; ebenso hat er für ihren angemessenen Lebensunterhalt und für die soziale Hilfe nach Maßgabe des Rechts zu sorgen“. Andere Kanones bestimmen näher verschiedene Aspekte dieser der bischöflichen Sorge anvertrauten Bereiche: - In Bezug auf die Erfüllung der dem klerikalen Stand eigenen Pflichten siehe: can. 277 § 3 (Einhaltung des Zölibatspflicht); can. 283 § 1 (Dauer der Abwesenheit von der Diözese); can. 285 (Fernbleiben von allem was sich für den klerikalen Stand nicht geziemt). - Hinsichtlich der Mittel zur Förderung des geistlichen und geistigen Lebens, siehe: can. 276 § 2, 4° (Teilnahme an geistlichen Einkehrtagen); can. 279 § 2 (wissenschaftliche Weiterbildung); can. 283 § 2 (Urlaub). - Hinsichtlich Lebensunterhalt und sozialer Hilfe, siehe can. 281. Schließlich, steht dem Bischof die Regelung der gegenseitigen Beziehungen sowie die der Zusammenarbeit aller im Bistum tätigen Kleriker zu (can. 275 § 1). 3. Hinsichtlich der diözesanen Vermögensverwaltung. Der Bischof ist innerhalb der Grenzen des allgemeinen und partikularen Rechtes für die Regelung der gesamten, seiner Vollmacht unterstellten kirchlichen Vermögensverwaltung verantwortlich (vgl. can. 1276 § 2). Im Bereich der Vermögensverwaltung fallt es auch in seine Kompetenz: - unter Beachtung der durch das kanonische Recht festgelegten Bedingungen im Bereich der Diözese maßvolle Steuern aufzuerlegen (vgl. can. 1263); - insofern die Bischofskonferenz keine Normen über erbetene Unterstützungen erlassen hat, solche für die Diözese festzulegen (vgl. can. 1262); 999 KONGREGATIONEN UND RÄTE -je nach Notwendigkeit, besondere Spendensammlungen für kirchliche Zwecke anzuordnen (vgl. cann. 1265 und 1266); - Normen hinsichtlich der Verwendung der von den Gläubigen bei den sogenannten „pfarrlichen“ Amtshandlungen gespendeten Gaben und hinsichtlich der Vergütung der Kleriker, die derartige Aufgaben wahmehmen, zu erlassen (vgl. can. 531); - nähere Bedingungen für die Errichtung und Annahme von Stiftungen festzulegen (vgl. can. 1304 § 2). 1000 KONGREGATIONEN UND RÄTE Erklärung des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten vom 19. Mai 1997 In Anbetracht der Tatsache, daß in manchen Ländern eine Gruppe von Gläubigen - unter Berufung auf die Vorschrift des can. 1335, zweiter Absatz, des Codex Iuris Canonici - die Feier der hl. Messe erbaten von Priestern, die eine Eheschließung versucht haben, ist an diesen Päpstlichen Rat die Frage gerichtet worden, ob es einem Gläubigen oder einer Gemeinschaft von Gläubigen erlaubt sei, aus gerechtem Grunde die Spendung der Sakramente oder der Sakramentalien von einem Kleriker zu erbitten, der eine Eheschließung versucht hat und sich deswegen die Tatstrafe der Suspension (vgl. can. 1394, Par. 1 CIC) zugezogen hat, die aber noch nicht festgestellt worden ist. Dieser Päpstliche Rat erklärt nach einer sorgfältigen und ausgewogenen Untersuchung dieser Frage, daß diese Handlungsweise ganz widerrechtlich ist, und weist in diesem Zusammenhang auf folgendes hin: 1) Die versuchte Eheschließung von seiten einer Person, die die heiligen Weihen empfangen hat, stellt eine schwere Verletzung einer dem Klerikerstand eigenen Verpflichtung dar (vgl. can. 1087 des Codex Iuris Canonici [CIC] und can. 804 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium [CCEO]) und verursacht auf diese Weise eine Situation objektiver Ungeeignetheit für die Erfüllung des seelsorgerischen Dienstes nach den disziplinarischen Anforderungen der kirchlichen Gemeinschaft. Diese Handlung stellt nicht nur eine kirchenrechtliche Straftat dar, die die in can. 1394, § 1 CIC und can. 1453, § 2 CCEO vorgesehenen Strafen nach sich zieht, sondern sie führt automatisch zur Irregularität für die Ausübung empfangener Weihen gemäß can. 1044, § 1, 3° CIC und can. 763, 2° CCEO. Diese Irregularität ist dauerhafter Natur und daher auch unabhängig von einem etwaigen Straferlaß. Daraus folgt, daß - außer der Spendung des Bußsakraments an einen Gläubigen, der sich in Todesgefahr befindet (vgl. can. 976 CIC und can. 725 CCEO) — es einem Kleriker, der eine Eheschließung versucht hat, in keiner Weise erlaubt ist, die heiligen Weihen auszuüben und namentlich die Eucharistie zu feiern, und daß die Gläubigen aus keinem Grunde - es sei denn, sie befinden sich in Todesgefahr - ihn rechtmäßig um die Ausübung des Dienstes bitten. 2) Außerdem, auch wenn die Strafe noch nicht festgestellt wurde - was allerdings in einem solchen Fall für das Wohl der Seelen ratsam ist, eventuell sogar durch ein abgekürztes Verfahren, wie es für sicher feststehende Straftaten vorgesehen ist (vgl. can. 1720, 3° CIC) -, gibt es im vorliegenden Fall keinen gerechten und vernünftigen Grund, der den Gläubigen dazu legitimiert, den priesterlichen Dienst zu erbitten. In Anbetracht der Natur dieser Straftat, die - unabhängig von ihren strafrechtlichen Konsequenzen - eine objektive Ungeeignetheit für die Ausübung des seelsorgerischen Dienstes nach sich zieht, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die unrechtmäßige und strafbare Situation des Klerikers wohlbekannt ist, fehlen die Bedingungen zur Einräumung des gerechten Grundes gemäß can. 1001 KONGREGATIONEN UND RÄTE 1335CIC. Das Recht der Gläubigen auf die geistlichen Güter der Kirche (vgl. can. 213 CIC und can. 16 CCEO) darf nicht im Sinne der Rechtfertigung eines solchen Ansuchens verstanden werden, da diese Rechte innerhalb der Grenzen und unter Achtung der kanonischen Vorschriften ausgeübt werden müssen. 3) Was die Kleriker betrifft, die gemäß can. 290 CIC und can. 394 CCEO den klerikalen Stand verloren haben, so ist bekannt, daß ihnen die Ausübung der Weihegewalt verboten ist (vgl. can. 292 CIC und can. 395 CCEO), unabhängig davon, ob sie infolge einer vom Papst gewährten Dispens von der Zölibatsverpflichtung eine Ehe geschlossen haben oder nicht. Demzufolge - allerdings immer von der Ausnahme des Bußsakraments bei Todesgefahr abgesehen - kann kein Gläubiger diese rechtmäßigerweise um ein Sakrament ersuchen. Der Heilige Vater hat die vorliegende Erklärung am 15. Mai 1997 gebilligt und ihre Veröffentlichung angeordnet. Aus dem Vatikan, 19. Mai 1997 Julian Herranz Titularerzbischof von Vertara, Präsident Bruno Bertagna Titularerzbischof von Drivasto, Sekretär 1002 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ordnung für die Lehrüberprüfung der Kongregation für die Glaubenslehre vom 29. Juni 1997 Art. 1. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat die Aufgabe, die Glaubensund Sittenlehre in der ganzen katholischen Kirche zu fordern und zu schützen1. In der Erfüllung dieser Aufgabe leistet sie einen Dienst an der Wahrheit und schützt sie das Recht des Volkes Gottes auf die getreue und vollständige Verkündigung des Evangeliums. Damit Glaube und Sitten durch verbreitete Irrtümer keinen Schaden leiden, hat sie auch die Pflicht, Schriften und Meinungen zu überprüfen, die dem rechten Glauben entgegengesetzt oder gefährlich scheinen2. Art. 2. Dieser pastorale Grundauftrag kommt ferner allen Hirten der Kirche zu. Sie haben die Pflicht und das Recht, sowohl als einzelne wie auch in Partikularkonzilien oder Bischofskonferenzen versammelt, darüber zu wachen, daß Glaube und Sitten bei den ihnen anvertrauten Gläubigen keinen Schaden nehmen3. Zu diesem Zweck können sie sich auch der Glaubenskommissionen bedienen, die institutionalisierte Beratungsorgane für die Bischofskonferenzen und die einzelnen Bischöfe in ihrer Sorge um die Glaubenslehre darstellen4. Dabei bleibt aber das Prinzip unangetastet, daß der Hl. Stuhl zu jeder Zeit intervenieren kann; dies tut er normalerweise dann, wenn der Einfluß einer Veröffentlichung über die Grenzen einer Bischofskonferenz hin ausgeht oder der Glaube einer besonders schweren Gefahr ausgesetzt ist5. In diesem Fall hält sich die Glaubenskongregation an die im folgenden beschriebene Verfahrensweise. I. Vorprüfung Art. 3. Die angezeigten, wie auch immer verbreiteten Schriften und Lehrmeinungen werden vom zuständigen Ujficio einer aufmerksamen Lektüre unterzogen, deren Ergebnis dem Congresso* zur Prüfung vorgelegt wird. Nach einer ersten Bewertung der Gewichtigkeit der Frage entscheidet der Congresso, ob ein Studium durch das Ujficio vorzunehmen ist oder nicht. Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 48: AAS 80(1988)873. Vgl. ebd., Art. 51, Nr. 2 und Regolamento proprio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Art. 4b. Vgl. CIC, can. 823 §§ 1,2; CCEO, can. 652 §2. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben über die Glaubenskommissionen, 23. November 1990, Nr. 3. Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 48: AAS 80(1988)873. Ufficio: sachlich zuständige Abteilung der Kongregation Congresso: wöchentliche Versammlung der Superiori und Mitarbeiter der Kongregation. 1003 KONGREGATIONEN UND RÄTE II. Studium durch das Ufßcio Art. 4. Nach Feststellung seiner Authentizität wird die Schrift unter Mitarbeit eines oder mehrerer Konsultoren oder anderer Fachleute einar sorgfältigen Prüfung unterzogen <155>. Vgl. Regolamento proprio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Art. 74. Art. 5. Das Ergebnis dieser Prüfung wird dem Congresso vorgetragen, der darüber entscheidet, ob es ausreichend ist, um bei den örtlichen Autoritäten zu intervenieren, oder ob eine ausführlichere Prüfung gemäß den beiden vorgesehenen Verfahrensweisen, dem ordentlichen oder dringlichen Lehrprüfungsverfahren <156>, erforderlich ist. <156> Vgl. ebd., Art. 66 § 2. Art. 6. Die Kriterien für diese Entscheidung ergeben sich von den möglichen vorhandenen Irrtümem, wobei deren Offensichtlichkeit, Schwere, Verbreitung, Einfluß und Gefahr für die Gläubigen zu berücksichtigen sind. Art. 7. Hält der Congresso die durchgeführte Prüfung für ausreichend, kann er den Fall direkt dem Ordinarius übergeben und durch dessen Vermittlung dem Autor die in der Schrift enthaltenen lehrmäßigen Probleme zur Kenntnis bringen. In diesem Fall wird der Ordinarius <157> aufgefordert, die Frage zu vertiefen und den Autor zu ersuchen, daß er die notwendigen Klarstellungen vornehme, die anschließend dem Urteil der Kongregation zu unterbreiten sind. <157> Vgl. CIC, cann. 134 §§ 1,2; 295 § 1; CCEO, can. 984 §§ 1-3. III. Ordentliches Lehrpmfimgsverfahren Art. 8. Das ordentliche Prüfungsverfahren wird angewandt, wenn eine Schrift schwere lehrmäßige Irrtümer zu enthalten scheint, deren Aufdeckung ein sorgfältiges Unterscheidungsvermögen erfordert und deren möglicher negativer Einfluß auf die Gläubigen nicht zu besonderer Eile anzutreiben scheint. Dieses Verfahren hat zwei Phasen: die interne Phase, die aus der am Sitz der Kongregation vorgenommenen Voruntersuchung besteht <158>, und die externe Phase, welche die Beanstandung und den Dialog mit dem Autor vorsieht <159>. Vgl. Nm. 8-15. <159> Vgl. Nm. 16-22. Art. 9. Der Congresso bestimmt zwei oder mehrere Fachleute, welche die entsprechenden Schriften einer Prüfung unterziehen, in einem eigenen Gutachten dazu Stellung nehmen und beurteilen, ob der Text mit der kirchlichen Lehre übereinstimmt. Art. 10. Der Congresso bestimmt auch den „relator pro auctore“, dessen Aufgabe es ist, die positiven Aspekte der Lehre und die Vorzüge des Autors wahrheitsge- 1004 KONGREGATIONEN UND RÄTE mäß aufzuzeigen, zur richtigen Interpretation seines Denkens im allgemeinen theologischen Kontext beizutragen und ein Urteil über den Einfluß der Ansichten des Autors abzugeben. Zu diesem Zweck hat er das Recht auf Einsicht in alle den Fall betreffenden Akten. Art. 11. Der Bericht des Ufficio, der alle zur Prüfung des Falles nützlichen Unterlagen, die Gutachten der Fachleute und die Darstellung des „relator pro auctore“ enthält, wird der Consulta zugeleitet. Art. 12. Zur Consulta können neben den Konsultoren, dem „relator pro auctore“, dem Ordinarius des Autors, der sich nicht vertreten lassen kann und an die Schweigepflicht gebunden ist, auch die Fachleute eingeladen werden, welche die Gutachten vorbereitet haben. Der „relator pro auctore“ stellt zu Beginn der Diskussion den Sachverhalt in einer umfassenden Stellungnahme dar. Danach geben der Ordinarius des Autors, die Fachleute und alle Konsultoren mündlich und schriftlich ihr Gutachten zum Inhalt der untersuchten Veröffentlichung ab. Der „relator pro auctore“ und die Fachleute können auf mögliche Einwände antworten und Klarstellungen vorschlagen. Art. 13. Nach Abschluß der Diskussion bleiben zur allgemeinen Abstimmung über den Ausgang der Prüfung allein die Konsultoren im Sitzungszimmer, um festzustellen, ob die Schrift lehrmäßige Irrtümer oder gefährliche Auffassungen enthält. Diese sind im Licht der in der Professio fidei <160> <161> enthaltenen unterschiedlichen Kategorien der WahrheitsVerkündigung konkret anzugeben. Consulta: regelmäßig stattfmdende Versammlung der Konsultoren unter Vorsitz des Sekretärs der Kongregation. Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 12: AAS 80(1988)855. Vgl. AAS 81(1989)104 f. Sessione ordinaria: regelmäßig stattfindende Ordentliche Versammlung der Mitglieder der Kongregation unter Vorsitz des Kardinalpräfekten. Art. 14. Das gesamte Dossier mit dem Protokoll über die Diskussion, dem Abstimmungsergebnis und den Gutachten der Konsultoren wird der Prüfung der Sessione ordinaria"** der Kongregation vorgelegt; diese entscheidet, ob eine Beanstandung des Autors erfolgen soll, und wenn ja, welche Punkte zu beanstanden sind. Art. 15. Die Entscheidungen der Sessione ordinaria werden dem Papst vorgelegt <162>. Vgl. Regolamento proprio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Art. 16 § 2 und Art. 77. Art. 16. Falls in der vorausgehenden Phase entschieden worden ist, eine Beanstandung vorzunehmen, sind der Ordinarius des Autors oder die betreffenden Ordinarien zu informieren, ebenso die zuständigen Dikasterien des Hl. Stuhls Art. 17. Die Zusammenstellung der zu beanstandenden irrigen oder gefährlichen Ansichten wird, versehen mit einer entsprechenden Begründung und der zur Ver- 1005 KONGREGA TIONEN UND RÄTE teidigung erforderlichen Dokumentation „reticito nomine“, durch den Ordinarius dem Autor und seinem Ratgeber zugestellt. Der Autor hat das Recht, diesen zu seiner Unterstützung zu benennen; dazu ist das Einverständnis des Ordinarius erforderlich. Der Autor muß innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftlich seine Antwort vorlegen. Es ist angebracht, daß der Ordinarius zusammen mit der schriftlichen Antwort des Autors der Kongregation ein eigenes Gutachten zukommen läßt. Art. 18. Vorgesehen ist auch die Möglichkeit einer persönlichen Begegnung des Autors mit Vertretern der Kongregation. Dabei ist auch dessen Ratgeber anwesend, der an dem Gespräch aktiv teilnimmt. In diesem Fall haben die Vertreter der Kongregation, die vom Congresso bestimmt werden, ein Gesprächsprotokoll abzufassen und dieses zusammen mit dem Autor und seinem Ratgeber zu unterschreiben. Art. 19. Falls der Autor die geforderte schriftliche Antwort nicht übermittelt, trifft die Sessione ordinaria die entsprechenden Entscheidungen. Art. 20. Der Congresso prüft die schriftliche Antwort des Autors sowie das Protokoll des eventuell erfolgten Gesprächs. Falls diese wirklich neue lehrmäßige Elemente enthalten, die eine eingehendere Bewertung erfordern, entscheidet er, ob die Frage erneut der Consulta vorzulegen ist, die durch andere Fachleute erweitert werden körnte, auch durch den gemäß Art. 17 bestimmten Ratgeber des Autors. Im gegenteiligen Fall werden die schriftliche Antwort und das Gesprächsprotokoll direkt der Sessione ordinaria zur Beurteilung unterbreitet. Art. 21. Sollte die Sessione ordinaria die Frage als gelöst und die Antwort für ausreichend erachten, wird die Angelegenheit nicht weiter verfolgt. Im gegenteiligen Fall sind, auch zum Wohl der Gläubigen, die angemessenen Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus entscheidet die Sessione ordinaria, ob und wie das Ergebnis der Lehrprüfung zu veröffentlichten ist. Art. 22. Die Entscheidungen der Sessione ordinaria werden dem Papst zur Approbation vorgelegt und danach dem Ordinarius des Autors, der Bischofskonferenz und den zuständigen Dikasterien mitgeteilt. IV. Dringliches Lehrprüfimgsverfahren Art. 23. Das dringliche Lehrprüfimgsverfahren wird angewandt, wenn eine Schrift offensichtlich und sicher Irrtümer enthält und wenn durch deren Verbreitung ein schwerer Schaden für die Gläubigen entstehen könnte oder bereits entstanden ist. In diesem Fall werden sofort der Ordinarius oder die betreffenden Ordinarien sowie die zuständigen römischen Dikasterien benachrichtigt. Art. 24. Der Congresso bestimmt eine Kommission mit dem besonderen Auftrag, die irrigen und gefährlichen Ansichten so schnell wie möglich näher zu bezeichnen. 1006 KONGREGATIONEN UND RÄTE Art. 25. Die von dieser Kommission ausfindig gemachten Ansichten werden zusammen mit der entsprechenden Dokumentation der Sessione ordinaria unterbreitet, die der Prüfung der Frage Vorrang einräumt. Art. 26. Falls die Sessione ordinaria die genannten Ansichten tatsächlich als irrig oder gefährlich beurteilt, werden sie nach der Approbation des Papstes durch den Ordinarius dem Autor übermittelt mit der Aufforderung, diese innerhalb einer Frist von zwei Monaten richtigzustellen. Art. 27. Flält es der Ordinarius nach Anhörung des Autors für notwendig, diesen auch um eine schriftliche Erklärung zu bitten, muß diese zusammen mit der Stellungnahme des Ordinarius der Kongregation zugesandt werden. Diese Erklärung wird daraufhin der Sessione ordinaria zur Entscheidung vorgelegt. V. Maßnahmen Art. 28. Sollte der Autor die angezeigten Irrtümer nicht in befriedigender Weise und in angemessener öffentlicher Form richtigstellen und die Sessione ordinaria zur Schlußfolgerung kommen, daß er sich die Straftat der Häresie, der Apostasie oder des Schismas zugezogen hat <163>, schreitet die Kongregation zur Erklärung der latae sententiae zugezogenen Strafen <164>; gegen diese Erklärung ist eine Beschwerde nicht zugelassen. Vgl. CIC, can. 751. Vgl. CIC, can. 1364 §1; CCEO, cann. 1436 § 1 und 1437. Art. 29. Wenn die Sessione ordinaria das Vorhandensein von lehrmäßigen Irrtü-mem feststellt, die keine Strafen latae sententiae vorsehen <165>, handelt die Kongregation nach Maßgabe des universalen <166> bzw. Eigenrechts <167>. Vgl. CIC, can. 752; CCEO, can. 599. Vgl. CIC, can. 1371, 1 o ; CCEO, can. 1436 § 2. Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 52: AAS 80(1988)874. Papst Johannes Paul II. hat in der dem Unterzeichneten Kardinalpräfekten am 30. Mai 1997 gewährten Audienz die vorliegende Ordnung, die in der Sessione plenaria dieser Kongregation beschlossen worden war, gebilligt und die Art. 28-29 in forma specifica approbiert und deren Veröffentlichung angeordnet contrariis quibuslibet non obstantibus. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, dem 29. Juni 1997, am Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt Tarcisio Bertone SDB Erzbischof em. von Vercelli Sekretär 1007 KONGREGATIONEN UND RÄTE INSTRUKTION zu einigen Fragen über die Mitarbeit von Laien am Dienst der Priester vom 15. August Vorwort Dem Geheimnis der Kirche entspringt der an alle Glieder des mystischen Leibes gerichtete Ruf, gemäß den verschiedenen Ämtern und Charismen an der Sendung und am Aufbau des Volkes Gottes in einer organischen Gemeinschaft aktiv mitzuwirken. Ein Echo dieses Rufes ist besonders seit dem II. Vatikanischen Konzil <168> wiederholt in den Dokumenten des Lehramtes zu vernehmen. Vor allem in den drei letzten ordentlichen Vollversammlungen der Bischofssynode wurde die Identität, die den Laien, den Priestern und den Gottgeweihten eigen ist, in ihrer gemeinsamen Würde und in der Verschiedenheit ihrer Aufgaben neu bekräftigt. Alle Gläubigen wurden ermutigt, am Aufbau der Kirche für das Heil der Welt gemeinschaftlich mitzuarbeiten. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 33; Dekr. Apostolicam actuositatem, Nr. 24 Es ist zu betonen, daß die apostolische Tätigkeit der Laien bei der Evangelisierung in Gegenwart und Zukunft wichtig und dringlich ist. Die Kirche kann von diesem Wirken nicht absehen, weil es zu ihrer Natur als Gottesvolk gehört und weil sie es braucht, um ihren eigenen Evangelisierungsauftrag zu erfüllen. Der Ruf zur aktiven Mitarbeit aller Gläubigen an der Sendung der Kirche ist nicht ungehört geblieben. Die Bischofssynode 1987 hat festgestellt, „daß der Geist die Kirche weiterhin erneuert, indem er in zahlreichen Laien neue Impulse der Heiligkeit und der Teilnahme weckt. Zeugnis davon gibt unter anderem der neue Stil der Zusammenarbeit zwischen Priestern, Ordensleuten und Laien; die Mitwirkung in der Liturgie, in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Katechese; die vielen Dienste, die Laien anvertraut und von diesen übernommen werden; das vielfältige Entstehen von Gruppen, Vereinigungen und geistlichen Gemeinschaften sowie von gemeinsamen Initiativen der Laien; die umfassendere und bedeutsamere Teilnahme der Frauen am Leben der Kirche und an den Entwicklungen in der Gesellschaft“. <169> Ebenso ist man bei der Vorbereitung der Bischofssynode 1994 über das geweihte Leben „überall der ehrlichen Sehnsucht“ begegnet, „zwischen Bischöfen, Instituten des geweihten Lebens, Weltklerus und Laien authentische Beziehungen der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit aufzubauen“. <170> In dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben bestätigt der Papst dann den spezifischen Beitrag des geweihten Lebens an der Sendung und Auferbauung der Kirche. <171> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 2: AAS 81(1989)396. Bischofssynode, IX. Ordentliche Vollversammlung über das geweihte Leben, Instrumentum laboris, Nr. 73. Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Vita consecrata, 25. März 1996, Nr. 47: AAS 88(1996)420. 1008 KONGREGATIONEN UND RÄTE Es gibt ein Zusammenwirken aller Gläubigen in beiden Ordnungen der Sendung der Kirche, in der geistlichen, um die Botschaft Christi und seine Gnade zu den Menschen zu bringen, wie auch in der weltlichen Ordnung, um die säkulare Wirklichkeit mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen und zu vervollkommnen.3 Besonders in der ersteren - bei der Evangelisierung und beim Heiligungsdienst -„ergänzen einander das Apostolat der Laien und der Dienst der Hirten“.6 Dabei haben Laien beiderlei Geschlechts unzählige Gelegenheiten, aktiv zu werden, und zwar durch das kohärente Zeugnis im persönlichen Leben, in Familie und Gesellschaft, durch die Verkündigung und Weitergabe des Evangeliums Christi in jedem Umfeld und durch das Bemühen, die christlichen Prinzipien bei den aktuellen Problemen herauszuarbeiten, zu verteidigen und richtig anzuwenden.7 Besonders die Hirten sind aufgerufen, „die Dienste („ministeria“), Ämter („officia“) und Funktionen („functiones“) der Laien anzuerkennen und zu fördern. Diese haben ihre sakramentale Grundlage in Taufe und Firmung und vielfach auch in der Ehe“.8 In der Tat sind im Leben der Kirche auf diesem Gebiet erstaunliche pastorale Initiativen aufgeblüht, vor allem nach dem wichtigen Impuls, der vom II. Vatikanischen Konzil und vom päpstlichen Lehramt ausgegangen ist. Heute erfordert besonders die vorrangige Aufgabe der Neuevangelisierung, die das gesamte Volk Gottes gemeinsam mit den Priestern als „Protagonisten“ angeht, die neuerliche und volle Bewußtwerdung des Weltcharakters der Sendung der Laien.9 Dieses Vorhaben öffnet den Laien immense, manche noch zu erforschende Horizonte des Engagements in der Welt, im Bereich der Kultur, der Kunst und des Theaters, in der wissenschaftlichen Forschung, in der Arbeitswelt, in den Massenmedien, in der Politik, in der Wirtschaft usw. Ihr ganzer Unternehmungsgeist ist gefordert, um immer wirksamere Formen zu schaffen, damit diese Tätigkeitsfelder in Jesus Christus die Fülle ihrer Bedeutung finden.10 Innerhalb dieses weiten Feldes der gemeinsamen Tätigkeit, sei es in der spezifisch geistlichen bzw. religiösen Ordnung, sei es in der „consecratio mundi“, gibt es ein besonderes Gebiet, das den geistlichen Dienst („sacrum ministerium“) des Klerus betrifft. Bei der Ausübung dieses Dienstes können Laien, Männer und Frauen, natürlich auch Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, die nicht das Weihesakrament empfangen haben, zur Mitarbeit beauftragt werden. Auf dieses besondere Gebiet bezieht sich das II. Vatikanische Konzil, wo es lehrt: „Schließlich vertraut die Hierarchie den Laien auch gewisse Aufgaben an, die enger mit den Ämtern der Hirten verbunden sind, Vgl. II. Vat. Konzil, Dekr. Apostolicam actuositatem, Nr. 5. Ebd, Nr. 6. Vgl. ebd. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 23: AAS 81(1989)429. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 31; Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 15: AAS 81(1989)413-416. Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonst. Gaudium etspes, Nr. 43. 1009 KONGREGATIONEN UND RÄTE etwa bei der Unterweisung in der christlichen Lehre, bei gewissen liturgischen Handlungen und in der Seelsorge“. Da es sich eben um Aufgaben handelt, die enger mit den Verpflichtungen der Hirten - die, um Hirten zu sein, das Weihesakrament empfangen haben müssen - verbunden sind, ist es erforderlich, daß alle, die in irgendeiner Weise davon betroffen sind, eine besondere Sorgfalt walten lassen, damit sowohl das Wesen und die Sendung des geistlichen Dienstes als auch die Berufung und der Weltcharakter der Laien gewahrt bleiben. Mitarbeiten bedeutet nämlich nicht ersetzen. Mit großer Zufriedenheit können wir feststellen, daß sich die Mitarbeit der Laien am pastoralen Dienst des Klerus in vielen Teilkirchen auf sehr positive Weise darstellt und unter Beachtung der vom Wesen der Sakramente gesetzten Grenzen sowie der Verschiedenheit der Charismen und kirchlichen Funktionen reiche Früchte an Gutem hervorbringt; mit großherzigen und sinnvollen Lösungen wird Situationen begegnet, wo keine oder zu wenige geistliche Amtsträger („sacri ministri“) vorhanden sind. <172> <173> Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, daß im Sinn der Gemeinschaft einige Glieder der Kirche, soweit es ihnen, ohne mit dem Weihesakrament ausgestattet zu sein, möglich ist, an der Abhilfe von Notsituationen und chronischen Erfordernissen mancher Gemeinden eifrig mitarbeiten. <174> Diese Gläubigen sind gerufen und beauftragt, bestimmte sehr wichtige und delikate Aufgaben zu übernehmen. Sie werden von der Gnade des Herrn gestärkt, von den geistlichen Amtsträgem begleitet und von den Gemeinden, zu deren Wohl sie ihren Dienst anbieten, gut aufgenommen. Die geistlichen Hirten anerkennen voll den Großmut, mit dem sich viele Gottgeweihte und Laien für diesen spezifischen Dienst zur Verfügung stellen, den sie mit treuem „sensus Ecclesiae“ und aufrichtiger Hingabe leisten. Besondere Dankbarkeit und Ermutigung gebührt jenen, die diese Aufgaben in Situationen der Verfolgung der christlichen Gemeinschaft ausüben, in den territorialen oder kulturellen Missionsgebieten, dort, wo die Kirche noch wenig verwurzelt ist, oder wo die Präsenz des Priesters nur selten gegeben ist. <175> Hier ist nicht der Ort, den ganzen theologischen und pastoralen Reichtum der Rolle der Laien in der Kirche zu vertiefen. Er wurde bereits durch das Apostolische Schreiben Christifideles laici ausführlich dargestellt. <172> Vat. Konzil, Dekr. Apostolicam actuositatem, Nr. 24. Vgl. Johannes Paul II., Ansprache beim Symposion über „Die Mitarbeit der Laien am pastoralen Dienst der Priester“, 22. April 1994, Nr. 2, in: L'Osservatore Romano, 23. April 1994. Vgl. cann. 230, §3; 517, §2; 861, §2; 910, §2; 943; 1112; Johannes Pani II., Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 23 und Anm. 72: AAS 81(1989)430. Vgl. Johannes Paul II., Enzykl. Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 37: AAS 83(1991)282-286. Das Ziel dieses Dokuments besteht einfach darin, eine klare und verbindliche Antwort zu geben auf drängende und zahlreich bei unseren Dikasterien eingelangte Anfragen von Bischöfen, Priestern und Laien, die gebeten haben, hinsichtlich neuer Formen „pastoraler“ Tätigkeiten von Laien im Bereich der Pfarreien und Diözesen aufgeklärt zu werden. 1010 KONGREGA TIONEN UND RÄTE Oft handelt es sich nämlich um Praktiken, die in Notsituationen entstanden sind und sich häufig in der Absicht, eine großzügige Hilfe in der Pastoral zu leisten, entfaltet haben, aber schwerwiegende negative Folgen für das rechte Verständnis wahrer kirchlicher Gemeinschaft haben können. Solche Praktiken gibt es vor allem in einigen Gebieten; manchmal sind sie auch innerhalb desselben Gebietes sehr unterschiedlich. Jedenfalls erinnern sie an die schwerwiegende pastorale Verantwortung derer, vor allem der Bischöfe, <176> die gerufen sind, die allgemeine Ordnung der Kirche auf der Basis einiger lehrmäßiger Prinzipien, die schon vom II. Vatikanischen Konzil <177> und vom nachfolgenden päpstlichen Lehramt <178> deutlich dargelegt worden sind, zu fördern und zu bewahren. Vgl. C.I.C., can. 392. Vgl. besonders II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Konst. Sacrosanctum Concilium, Dekr. Pres-byterorum Ordinis und Dekr. Apostolicam actuositatem. Vgl. besonders die Apost. Schreiben Christifideles laici und Pastores dabo vobis. Innerhalb unserer Dikasterien wurden Überlegungen angestellt, und es wurde ein Symposion veranstaltet, an dem Vertreter der mit dem Problem hauptsächlich befaßten Episkopate teilgenommen haben. Schließlich wurde eine umfangreiche Befragung vieler Vorsitzender von Bischofskonferenzen und anderer Bischöfe und Experten verschiedener kirchlicher Fachbereiche und geographischer Herkunft durchgefuhrt. Das Ergebnis zeigte eine klare Übereinstimmung im Sinn der vorliegenden Instruktion. Diese beansprucht allerdings nicht, die Thematik erschöpfend zu behandeln, weil man sich auf die derzeit bekanntesten Probleme beschränken möchte und weil die besonderen Umstände, bei denen sich solche Probleme zeigen, extrem verschieden sind. Der Text, der auf der sicheren Basis des außerordentlichen und des ordentlichen Lehramtes der Kirche verfaßt ist, wird zur treuen Anwendung den betroffenen Bischöfen anvertraut; aber er wird auch den Bischöfen jener Gebiete zur Kenntnis gebracht, in denen es zwar zur Zeit keine mißbräuchlichen Praktiken gibt, die aber wegen der raschen Ausbreitung der Phänomene bald ebenfalls betroffen sein könnten. Bevor auf die konkreten an uns herangetragenen Probleme eingegangen wird, scheint es notwendig, einige kurze und grundlegende theologische Elemente hinsichtlich der Bedeutung des Weihesakramentes in der Verfassung der Kirche vorauszuschicken. Dabei geht es um ein fundiertes Verständnis der kirchlichen Ordnung, die mit Respekt für die Wahrheit und für die kirchliche Gemeinschaft die Rechte und Pflichten aller fördern will, weil „das Heil der Seelen in der Kirche das oberste Gesetz sein muß“. <179> C.I.C., can. 1752. 1011 KONGREGATIONEN UND RÄTE Theologische Prinzipien 1. Gemeinsames Priestertum und Priestertum des Dienstes Der ewige Hohepriester Jesus Christus wollte, daß seine Kirche an seinem einzigen und unteilbaren Priestertum teilhabe. Sie ist das Volk des Neuen Bundes, in dem „die Getauften durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist... zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht werden, damit sie in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat (vgl. 1 Petr 2,4-10)“. <180> „Eines ist also das auserwählte Volk Gottes: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5); gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Beratung zur Vollkommenheit“. <181> Während unter allen „eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ waltet, sind einige nach Christi Willen als „Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen“ <182> bestellt. Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen wie auch das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, „unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil“. <183> Zwischen beiden gibt es eine echte Einheit, weil der Heilige Geist die Kirche in der Gemeinschaft und in der Dienstleistung eint und ihr verschiedene hierarchische und charismatische Gaben schenkt. <184> II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 10. Ebd, 32. Ebd. Ebd., Nr. 10. Vgl. ebd., Nr. 4. Der wesensmäßige Unterschied zwischen dem gemeinsamen Priestertum und dem Priestertum des Dienstes findet sich also nicht im Priestertum Christi, das immer einzig und unteilbar bleibt, und auch nicht in der Heiligkeit, zu der alle Gläubigen berufen sind: „Das Amtspriestertum bedeutet nämlich nicht an sich einen höheren Grad an Heiligkeit im Vergleich zum gemeinsamen Priestertum der Gläubigen; aber durch das Weihepriestertum wird den Priestern von Christus im Geist eine besondere Gabe verliehen, damit sie dem Volk Gottes helfen können, das ihm verliehene gemeinsame Priestertum getreu und vollständig auszuüben“. <185> Im Aufbau der Kirche, des Leibes Christi, gibt es eine Verschiedenheit der Glieder und Funktionen, aber einer ist der Geist, der zum Nutzen der Kirche seine vielfältigen Gaben entsprechend seinem Reichtum und gemäß den Erfordernissen der Dienste austeilt (vgl. 1 Kor 12,1-12). <186> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, 25. März 1992, Nr. 17: AAS 84(1992)684. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 7. 19 20 21 22 23 24 25 1012 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Verschiedenheit betrifft die „Art“ der Teilhabe am Priestertum Christi und berührt das Wesen in diesem Sinn: „Während das gemeinsame Priestertum der Gläubigen sich in der Entfaltung der Taufgnade, im Leben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, im Leben gemäß dem Heiligen Geist vollzieht, steht das Amtspriestertum im Dienst dieses gemeinsamen Priestertums. Es bezieht sich auf die Entfaltung der Taufgnade aller Christen“. <187> Demzufolge ist das Amtspriestertum „vom gemeinsamen Priestertum dem Wesen nach verschieden, denn es verleiht eine heilige Vollmacht zum Dienst an den Gläubigen“. <188> Deswegen ist der Priester gerufen zu „wachsen im Bewußtsein der tiefen Gemeinschaft, die ihn an das Gottesvolk bindet“, um „die Mitverantwortung für die eine gemeinsame Heilssendung anzuregen und zu entfalten, mit lebhafter und herzlicher Anerkennung aller Charismen und Aufgaben, die der Geist den Gläubigen für die Auferbauung der Kirche schenkt“. <189> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1547. Ebd, 1592. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 74: AAS 84(1992)788. Die Merkmale, die das Priestertum des Dienstes der Bischöfe und Priester vom gemeinsamen Priestertum der Gläubigen unterscheiden und in der Folge auch die Grenzen der Mitwirkung der Laien am geistlichen Dienst angeben, können folgendermaßen zusammengefaßt werden: a) Das Priestertum des Dienstes hat seine Wurzel in der apostolischen Sukzession und ist mit einer heiligen Vollmacht <190> ausgestattet, die in der Befähigung und in der Verantwortung besteht, in der Person Christi, des Hauptes und Hirten, zu handeln. <191> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nm. 10, 18, 27, 28; Dekr. Presbyterorum Ordinis, Nm. 2, 6; Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1538,1576. Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 15: AAS 84(1992)680; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 875. b) Das Priestertum des Dienstes macht die geistlichen Amtsträger zu Dienern Christi und der Kirche, und zwar durch die bevollmächtigte Verkündigung des Wortes Gottes, die Feier der Sakramente und die pastorale Leitung der Gläubigen. <192> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16: AAS 84(1992)681-684; Katechismus Ein Wesenszug der katholischen Lehre über die Kirche besteht darin, die Grundlagen des Weiheamtes in der apostolischen Sukzession zu verankern, insofern dieses Amt die Sendung weiterfuhrt, welche die Apostel von Christus erhalten haben. <193> Daher ist das Weiheamt auf dem Fundament der Apostel zur Auferbauung der Kirche konstituiert: <194> „Der Dienst des Priesters ist ganz für die Kirche da“. <195> „Mit der der Katholischen Kirche, Nr. 1592. Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 14-16: AAS 84(1992)678-684; Kongrega- tion für die Glaubenslehre, Schreiben Sacerdotium ministeriale, 6. August 1983, III, Nr. 23: AAS 75(1983)1004-1005. 1013 KONGREGATIONEN UND RÄTE sakramentalen Natur des kirchlichen Amtes hängt innerlich sein Dienstcharakter zusammen. Weil die Amtsträger ganz von Christus abhängig sind, der Sendung und Vollmacht gibt, sind sie wahrhaft „Knecht Christi“ (Rom 1,1) nach dem Vorbild Christi, der für uns freiwillig „Knechtsgestalt“ angenommen hat (Phil 2,1). Weil das Wort und die Gnade, deren Diener sie sind, nicht von ihnen, sondern von Christus stammen, der sie ihnen für die anderen anvertraut hat, sollen sie sich freiwillig zu Sklaven aller machen“. <196> Vgl. Eph 2,20; Apg 21,14. 2. Einheit und Verschiedenheit der amtlichen Aufgaben Die Funktionen des Weiheamtes bilden in ihrer Gesamtheit aufgrund ihres einzigen Fundamentes <197> eine untrennbare Einheit. Wie in Christus <198> gibt es nämlich nur eine einzige Wurzel des Heilshandelns, vom Amtsträger bezeichnet und verwirklicht in der Ausübung der Funktionen des Lehrens, des Heiligens und des Leitens der anderen Gläubigen. Diese Einheit bestimmt wesentlich die Ausübung der Funktionen des geistlichen Dienstes, welche immer in verschiedener Hinsicht Ausübung der Rolle Christi, des Hauptes der Kirche, sind. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16: AAS 84(1992)681. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 876. Vgl. ebd„ Nr. 1581. Wenn daher die Ausübung des „munus docendi, sanctiflcandi et regendi“ durch den geweihten Amtsträger das Wesen des pastoralen Dienstes ausmacht, können die verschiedenen Funktionen der geistlichen Amtsträger, die eine untrennbare Einheit bilden, nicht getrennt voneinander verstanden werden, vielmehr müssen sie in ihrer gegenseitigen Verbundenheit und Komplementarität betrachtet werden. Nur bei einigen dieser Funktionen können bis zu einem gewissen Grad auch nicht mit dem Weihesakrament ausgestattete Gläubige mit den Hirten Zusammenwirken, wenn sie zur Ausübung dieser Mitarbeit von der rechtmäßigen Autorität und in der vorgesehenen Weise berufen sind. Jesus Christus „verfügt in seinem Leib, der Kirche, die Dienstgaben immerfort, vermöge deren wir durch seine Kraft uns gegenseitig Dienste leisten zum Heil“. <199> „Die Erfüllung einer solchen Aufgabe macht den Laien aber nicht zum Hirten: Nicht eine Aufgabe konstituiert das Amt, sondern das Sakrament der Weihe. Nur das Weihesakrament gewährt dem geweihten Amtsträger eine besondere Teilhabe am Amt Christi, des Hauptes und Hirten, und an seinem ewigen Priestertum. Die in Vertretung erfüllte Aufgabe leitet ihre Legitimation formell und unmittelbar von der offiziellen Beauftragung durch die Hirten ab. Ihre konkrete Erfüllung untersteht der Leitung der kirchlichen Autorität“. <200> Man muß diese Lehre bekräftigen, weil einige Praktiken, die dem Mangel an geweihten Amtsträgem in der Gemeinde abhelfen möchten, in manchen Fällen ein Vgl. Johannes Paul II., Schreiben Novo incipiente, 8. April 1979, Nr. 3: AAS 17(1979)397. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 7. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 23: AAS 81(1989)430. 1014 KONGREGATIONEN UND RÄTE Verständnis vom gemeinsamen Priestertum der Gläubigen aufkommen ließen, das seinen eigentlichen Sinn und seine spezifische Bedeutung verwischt. Dies führt unter anderem zu einem Rückgang der Kandidaten für das Priestertum und verdunkelt die besondere Stellung des Seminars als typischen Ort für die Ausbildung des geistlichen Amtsträgers. Es handelt sich um eng verflochtene Phänomene, über deren gegenseitige Zusammenhänge noch nachzudenken sein wird, um überlegte Schlußfolgerungen für die Praxis zu ziehen. 3. Unersetzbarkeit des Weiheamtes Eine Gemeinschaft von Gläubigen kann ihre Leitung nicht von organisatorischen Kriterien aus dem Vereinswesen oder aus der Politik ableiten, wenn sie Kirche genannt werden und wahrhaft sein will. Jede Teilkirche verdankt ihre Leitung Christus, weil er selber der Kirche das apostolische Amt gewährt hat. Deshalb hat keine Gemeinde die Vollmacht, es sich selbst zu verleihen <201> oder es im eigenen Auftrag einzusetzen. Die Ausübung des Lehr- und Leitungsdienstes bedarf der kanonischen und rechtlichen Bestimmung durch die hierarchische Autorität. <202> Das Priestertum des Dienstes ist also notwendig für die Existenz der Gemeinde als Kirche: „Man darf das Weihepriestertum nicht später als die kirchliche Gemeinschaft ansetzen, so als könnte deren Gründung ohne das Priestertum verstanden werden“. <203> Wenn nämlich in der Gemeinde kein Priester vorhanden ist, dann fehlt der Dienst und die sakramentale Funktion Christi, des Hauptes und Hirten, was für das Leben der kirchlichen Gemeinschaft unabdingbar ist. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Sacerdoiium ministeriale, III, Nr. 2: AAS 75(1983)1004. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nota explicativa praevia, 2. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16: AAS 84(1992)682. Das Priestertum des Dienstes ist deshalb absolut unersetzbar. Von daher ergibt sich unmittelbar die Notwendigkeit einer Berufungspastoral, die eifrig, gut geordnet und andauernd darum bemüht ist, der Kirche die nötigen Amtsträger zu geben, sowie auch die Notwendigkeit einer sorgfältigen Ausbildung derer, die sich in den Seminaren auf das Priestertum vorbereiten. Jede andere Lösung für die Probleme, die sich aus dem Mangel an geistlichen Amtsträgem ergeben, kann nur bedenklich sein. „Berufe zu fördern ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde. Sie erfüllt sie vor allem durch ein wirklich christliches Leben“. <204> Alle Gläubigen tragen Verantwortung, daß durch eine immer treuere Nachfolge Jesu Christi der Ruf zum Priestertum positiv angenommen und die Gleichgültigkeit der Umgebung, vor allem in den stark materialistisch geprägten Gesellschaften, überwunden wird. II. Vat. Konzil, Dekr. Optatam totius, Nr. 2. 1015 KONGREGATIONEN UND RÄTE 4. Mitarbeit der Laien am pastoralen Dienst* In den Konzilsdokumenten wird unter den verschiedenen Aspekten der Mitwirkung der nicht mit dem Weihecharakter ausgestatteten Gläubigen an der Sendung der Kirche auch die direkte Mitarbeit an den spezifischen Aufgaben der Hirten behandelt. <205> „Wenn es zum Wohl der Kirche nützlich oder notwendig ist, können die Hirten entsprechend den Normen des Universalrechts den Laien bestimmte Aufgaben anvertrauen, die zwar mit ihrem eigenen Hirtenamt verbunden sind, aber den Charakter der Weihe nicht voraussetzen“. <206> Diese Zusammenarbeit ist von der nachkonziliaren Gesetzgebung und besonders vom neuen Codex des kanonischen Rechtes geregelt worden. Überall dort, wo in diesem Abschnitt und in den folgenden der Ausdruck „Laien“ gebraucht wird, sind damit die Gläubigen gemeint, die das Weihesakrament nicht empfangen haben; das heißt also einschließlich deije-nigen Gläubigen, die einem Institut des geweihten Lebens angehören, sofern sie nicht das Weihesakrament empfangen haben. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekr. Apostolicam actuositatem, Nr. 24. Der Codex behandelt nach den Aussagen über die Pflichten und Rechte aller Gläubigen <207> im darauf folgenden Abschnitt nicht nur die Pflichten und Rechte, die den Laien wegen ihres Weltcharakters eigen sind, <208> sondern auch weitere Aufgaben und Funktionen, die nicht ausschließlich ihnen zukommen. Einige davon betreffen alle Gläubigen, seien sie mit dem Weihesakrament ausgestattet oder nicht, <209> andere sind näher mit dem geistlichen Dienst der geweihten Amtsträger verbunden. <210> Im Hinblick auf diese letzteren Aufgaben und Funktionen haben die Laien kein Recht, sie auszuüben. Aber sie „können von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen“. <211> Wenn nämlich „für diese Dienste Beauftragte nicht zur Verfügung stehen ..., können auch Laien ... nach Maßgabe der Rechtsvorschriften bestimmte Aufgaben derselben erfüllen“. <212> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 23: AAS 81(1989)429. Vgl. C.I.C., cann. 208-223. Vgl., ebd, cann. 225, § 2; 226; 227; 231, § 2. Vgl. ebd, cann. 225, § I; 228, § 2; 229; 231, § 1. Vgl. ebd., can. 230, §§2-3, was den liturgischen Bereich betrifft; can. 228, § 1, was andere Bereiche des geistlichen Dienstes anbelangt; letzterer Paragraph bezieht sich auch auf Bereiche außerhalb des Amtes der Kleriker. Ebd, can. 228, § 1. Ebd., can. 230, § 3; vgl. cann. 517, § 2; 776; 861, § 2; 910, § 2; 943; 1112. Damit sich diese Zusammenarbeit harmonisch in den pastoralen Dienst einfügt, ist es zur Vermeidung pastoraler Abweichungen und disziplinärer Mißbräuche notwendig, daß die lehrmäßigen Prinzipien klar sind und die geltenden Vorschriften mit Entschiedenheit in der ganzen Kirche sorgfältig und loyal angewandt werden, ohne den Begriff der Ausnahme mißbräuchlich auf solche Fälle auszudehnen, die nicht als „Ausnahme“ betrachtet werden können. 44 45 46 47 48 49 50 51 1016 KONGREGATIONEN UND RÄTE Falls irgendwo Mißbräuche und die Grenzen mißachtende Praktiken Vorkommen, sollen die Hirten die notwendigen und angebrachten Mittel einsetzen, um deren Ausbreitung rechtzeitig zu verhindern und um zu vermeiden, daß das richtige Verständnis des Wesens der Kirche Schaden leidet. Insbesondere sollen sie die schon festgelegten disziplinären Vorschriften anwenden. Diese helfen, um den Unterschied und die Komplementarität der Funktionen, die für die kirchliche Gemeinschaft lebenswichtig sind, zu kennen und auch wirklich zu respektieren. Wo aber solche die Grenzen mißachtende Praktiken sich schon ausgebreitet haben, darf ein verantwortungsbewußtes Einschreiten der zuständigen Autorität absolut nicht aufgeschoben werden. So wird wahre Gemeinschaft gestiftet, denn diese kann nur auf der Wahrheit aufgebaut sein. Gemeinschaft, Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden und Liebe sind voneinander abhängige Begriffe. Im Licht der soeben erwähnten Prinzipien werden nun die entsprechenden Mittel genannt, die den unseren Dikasterien gemeldeten Mißbräuchen abhelfen sollen. Die folgenden Verfügungen sind den Rechtsvorschriften der Kirche entnommen. Praktische Verfügungen Artikel 1. Notwendigkeit einer angemessenen Terminologie Der Papst hat in seiner Ansprache an die Teilnehmer des Symposions über die „Mitarbeit der Laien am pastoralen Dienst der Priester“ die Notwendigkeit unterstrichen, die verschiedenen Bedeutungen zu klären und zu unterscheiden, die der Begriff „Dienst“ in der theologischen und kanonistischen Sprache angenommen hat. <213> Vgl. Kongregation fiir den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Instr. Inaestimabile donum, 3. April 1980, proemio: AAS 72(1980)331-333. § 1. „Seit einiger Zeit ist es üblich geworden, „Dienste“ nicht nur jene „officia“ (Ämter) und „munera“ (Aufgaben) zu nennen, die von den Hirten kraft des Weihesakraments ausgeübt werden, sondern auch solche, die von Laien kraft des in der Taufe gründenden Priestertums ausgeübt werden. Die terminologische Frage wird noch komplexer und heikler, wenn man die Möglichkeit anerkennt, daß alle Gläubigen - ersatzweise und von den Hirten amtlich beauftragt - manche Aufgaben ausüben können, die passender Klerikern zustehen, die aber nicht den Weihecharakter erfordern. Es ist festzustellen, daß der Sprachgebrauch jedesmal unsicher, konfus und daher zum Ausdruck der Glaubenslehre nicht nützlich erscheint, wenn man den Unterschied „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“, den es zwischen dem gemeinsamen Priestertum der Getauften und dem Weihepriestertum gibt, irgendwie verwischt“. <214> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache beim Symposion über die „Mitarbeit der Laien am pastoralen Dienst der Priester“, Nr. 3. 1017 KONGREGATIONEN UND RÄTE § 2. „Was erlaubt, in einigen Fällen den Begriff „Dienst“ auf die „munera“ auszudehnen, die den Laien eigen sind, ist das Faktum, daß auch diese in einem gewissen Maß Teilhabe am einzigen Priestertum Christi sind. Die ihnen zeitweilig anvertrauten „officia“ sind hingegen ausschließlich Frucht der Beauftragung durch die Kirche. Nur die beständige Bezugnahme auf den einen grundlegenden „Dienst Christi“ ... erlaubt es in einem begrenzten Umfang, den Ausdruck „Dienst“ unmißverständlich auch auf Laien anzuwenden, d. h., ohne daß dies verstanden und erfahren wird als ein ungehöriges Streben nach dem „geistlichen Dienst“ oder als fortschreitende Aushöhlung seiner Besonderheit. In diesem ursprünglichen Sinn drückt der Begriff „Dienst“ (servitium) nur ein Wirken aus, wodurch Glieder der Kirche in ihrem Innern und für die Welt die Sendung und den Dienst Christi fortsetzen. Wenn hingegen der Ausdruck differenziert wird hinsichtlich der Bezogenheit und Gegenüberstellung der verschiedenen „munera“ und „officia“ untereinander, dann muß man deutlich darauf verweisen, daß er nur kraft der Weihe jene Fülle und Eindeutigkeit in der Bedeutung erhält, die ihm die Tradition immer zugedacht hat“. <215> Ebd. § 3. Der nicht mit dem Weihesakrament ausgestattete Gläubige erhält die allgemeine Bezeichnung „außerordentlicher Beauftragter“ nur dann, wenn er von der zuständigen Autorität dazu beauftragt wurde, vertretungsweise die in can. 230, § 3 <216> bzw. in den cann. 943 und 1112 angeführten Aufgaben zu übernehmen. Natürlich kann die konkrete Bezeichnung verwendet werden, mit der die anvertraute Aufgabe kirchenamtlich bestimmt wird, wie zum Beispiel Katechet, Akolyth, Lektor usw. Vgl. Päpstliche Kommission für die Authentische Interpretation des Codex des Kanonischen Rechtes, Re-sponsio adpropositum dubium, 1. Juni 1988: AAS 80(1988)1373. Die zeitlich begrenzte Beauftragung bei liturgischen Handlungen gemäß can. 230, § 3 verleiht den Laien keinerlei besondere Titel. <217> Vgl. Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Responsio ad propositum dubium, 11. Juli 1992: AAS 86(1994)541-542. Wenn Pastoralassistenten im Rahmen einer Feier zur Mitarbeit am pastoralen Dienst der Priester beauftragt werden, soll diese Feier zeitlich nicht mit der Spendung des Weihesakramentes zusammenfallen. Auch ein Ritus, der jenem für die Beauftragung zum Akolythat und Lektorat ähnlich ist, muß vermieden werden. Daher ist es nicht zulässig, daß Laien mit Bezeichnungen versehen werden wie etwa „Pastor“, „Kaplan“, „Koordinator“, „Moderator“ oder anderen Titeln, die zu Verwechslungen ihrer Rolle mit der des Hirten fuhren könnten, die einzig dem Bischof und dem Priester zukommt. <218> In diese Aufzählung von Beispielen muß man alle sprachlichen Ausdrücke einbeziehen, die entsprechend dem Sprachgebrauch der verschiedenen Ländern analog oder äquivalent sind und eine Leitungs- oder Stellvertretungsrolle bezeichnen. 55 56 57 58 1018 KONGREGATIONEN UND RATE Artikel 2. Der Dienst am Wort <219> Bezüglich der verschiedenen Predigtformen vgl. C.I.C., can. 761; Missale Romanum, Ordo lectionum Missae, Praenotanda. Editio typica altera, Vatikan 1981. § 1. Der Inhalt dieses Dienstes besteht „in der seelsorglichen Verkündigung, in der Katechese und in der gesamten christlichen Unterweisung, in der die liturgische Homilie einen hervorragenden Platz haben muß“. <220> II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Dei Verbum, Nr. 24. Die eigentliche Ausübung dieser Aufgaben steht dem Diözesanbischof als Leiter des gesamten Verkündigungsdienstes in seiner Kirche zu, <221> und sie steht auch den Priestern als seinen Mitarbeitern zu. <222> Diesen Dienst versehen auch die Diakone in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium. <223> Vgl. C.J.C., can. 756, § 2. Vgl. ebd., can. 757. Ebd. § 2. Laien haben gemäß ihrer Eigenart an dem prophetischen Dienst Christi teil. Sie sind zu seinen Zeugen bestellt und ausgestattet mit dem Glaubenssinn und der Gnade des Wortes. Alle sind bemfen, immer mehr „wirksame Boten des Glaubens an die zu erhoffenden Dinge“ (vgl. Hebr 11,1) <224> zu werden. Heute hängt besonders das katechetische Wirken sehr von ihrem Einsatz und von ihrer Großherzigkeit im Dienst der Kirche ab. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 35. Daher können die Gläubigen und besonders die Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens berufen werden, in angemessener Weise bei der Ausübung des Dienstes am Wort mitzuwirken. <225> Vgl. C.I.C., cann. 758-759; 785, § 1. § 3. Damit die Zusammenarbeit gemäß § 2 wirksam sei, ist es notwendig, an einige Bedingungen bezüglich der Formen solchen Zusammenwirkens zu erinnern. Can. 766 C.I.C. legt die Bedingungen fest, nach denen die zuständige Autorität Laien zur Predigt „in ecclesia vel oratorio“ zulassen kann. Schon die Ausdrucksweise „admitti possunt“ weist darauf hin, daß es sich keinesfalls um ein eigenes Recht wie jenes spezifische der Bischöfe <226> handelt, oder um eine Befugnis wie jener der Priester und Diakone. <227> II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 25; C.I.C., can. 763. Vgl. C.I.C., can. 764. Die Nennung solcher Bedingungen - „wenn dies unter bestimmten Umständen notwendig oder in Einzelfällen als nützlich angeraten ist“ - weist auf den Ausnahmefall hin, bei dem überdies gemäß can. 766 immer „iuxta Episcoporum conferen-tiae praescripta“ zu handeln ist. In dieser letztgenannten Klausel bestimmt der zitierte Kanon die primäre Quelle, um in konkreten Fällen bezüglich „Notwendigkeit“ und „Nutzen“ entsprechend zu entscheiden. Denn in den Vorschriften der 59 60 61 62 63 64 65 66 67 1019 KONGREGATIONEN UND RÄTE Bischofskonferenz, die der „recognitio“ des Apostolischen Stuhls bedürfen, müssen die Kriterien genannt werden, die dem Diözesanbischof helfen, geeignete pastorale Entscheidungen zu treffen, die zu seinem bischöflichen Amt gehören. § 4. In bestimmten Gebieten können, bedingt durch den Mangel an geistlichen Amtsträgem, andauernde objektive Situationen der Notwendigkeit und des Nutzens gegeben sein, die die Zulassung von Laien zum Predigtdienst nahelegen. Die Predigt in Kirchen und Oratorien kann Laien als „Ersatz“ für geistliche Amtsträger oder wegen besonderer nützlicher Gründe, die vom allgemeinen kirchlichen Recht oder der Bischofskonferenz in besonderen Fällen vorgesehen sind, gestattet werden. Sie kann daher kein einfach übliches Faktum und auch nicht als authentische Förderang der Laien verstanden werden. § 5. Insbesondere bei der Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente, sollen die Katecheten auf die Rolle und Gestalt des Priesters als alleinigen Ausspender der göttlichen Geheimnisse, auf die man sich vorbereitet, aufmerksam machen. Artikel 3. Die Homilie § 1. Die Homilie ist als herausragende Form der Predigt, „qua per anni liturgici cursum ex textu sacro fidei mysteria et normae vitae christianae exponuntur“, <228> Teil der Liturgie selbst. II. Vat. Konzil, Konst. Sacrosanctum Concilium, Nr. 52; C.I.C., can. 767, § 1. Daher muß die Homilie während der Eucharistiefeier dem geistlichen Amtsträger, Priester oder Diakon, <229> Vorbehalten sein. Ausgeschlossen sind Laien, auch wenn sie in irgendwelchen Gemeinschaften oder Vereinigungen Aufgaben als „Pastoral-assistenten“ oder Katecheten erfüllen. Es geht nämlich nicht um eine eventuell bessere Gabe der Darstellung oder ein größeres theologisches Wissen, sondern vielmehr um eine demjenigen vorbehaltene Aufgabe, der mit dem Weihesakrament ausgestattet wurde. Deshalb ist nicht einmal der Diözesanbischof bevollmächtigt, von der Norm des Kanons <230> zu dispensieren. Es handelt sich nämlich nicht um eine bloß disziplinäre Verfügung, sondern um ein Gesetz, das die Aufgaben des Leh-rens und Heiligens betrifft, die untereinander eng verbunden sind. Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Catechesi tradendae, 16. Oktober 1979, Nr. 48: AAS 71(1979)1277-1340; Päpstliche Kommission für die Interpretation der Dekrete des II. Vat. Konzils, Responsum, 11. Januar 1971; Kongregation für den Gottesdienst, Instr. Actio pastoralis, 15. Mai 1969, 6d: /MS 61(1969)809; Kongregation für den Gottesdienst, Institutio Generalis Missalis Romani, 26. März 1970, Nr. 41, 42, 165; Kongregation für den Gottesdienst, Instr. Liturgicae instaurationes, 15. September 1970, Nr. 2a: AAS 62(1970)696; Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst, Instr. Inaestimabile donum: AAS 72(1980)331. Vgl. Päpstliche Kommission für die Authentische Interpretation des Codex des Kanonischen Rechtes, Re-sponsio adpropositum dubium, 20. Juni 1987: AAS 79(1987)1249. Man kann daher die gelegentlich geübte Praxis nicht gestatten, wonach die Homilie Seminaristen anvertraut wird, die als Theologiestudenten noch nicht das Wei- 1020 KONGREGATIONEN UND RÄTE hesakrament empfangen haben. <231> Die Homilie kann nicht als Übung für den künftigen Dienst betrachtet werden. Vgl. C.I.C., can. 266, § 1. Jegliche frühere Norm, die Laien die Homilie innerhalb der Meßfeier gestattet hatte, ist durch can. 767, § 1 als aufgehoben anzusehen. <232> Vgl. ebd, can. 6, § 1,2°. § 2. Erlaubt sind eine kurze Einführung, um ein besseres Verständnis der Liturgie zu fördern, und ausnahmsweise auch ein etwaiges Zeugnis, das, immer in Einklang mit den liturgischen Vorschriften, an besonderen Tagen (Tag des Seminars, Tag der Kranken usw.) in Eucharistiefeiem vorgetragen wird, wenn dies zur Veranschaulichung der vom zelebrierenden Priester regulär gehaltenen Homilie objektiv angebracht erscheint. Diese Einführungen und Zeugnisse dürfen keine Merkmale aufweisen, die zu Verwechslungen mit der Homilie führen könnten. § 3. Die Möglichkeit eines „Dialogs“ in der Homilie <233> kann manchmal vom zelebrierenden Amtsträger in kluger Weise zur Erläuterung eingesetzt werden, ohne dadurch die Predigtpflicht an andere zu delegieren. Vgl. Kongregation für den Gottesdienst, Directorium de Missis cum pueris Pueros baptizatos, 1. November 1973, Nr. 48: AAS 66(1974)44. § 4. Die Homilie außerhalb der Meßfeier kann von Laien in Einklang mit dem Recht und unter Beachtung der liturgischen Normen vorgetragen werden. § 5. Die Homilie kann keinesfalls Priestern oder Diakonen anvertraut werden, die den geistlichen Stand verloren oder die Ausübung des „geistlichen Dienstes“ aufgegeben haben. <234> Was die Priester angeht, die eine Dispens vom Zölibat erhalten haben, vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Normae de dispensatione a sacerdotali coelibatu ad instantiam partis, 14. Oktober 1980, „Normae substantiales“, art. 5. Artikel 4. Der Pfarrer und die Pfarrei Laien können, wie es lobenswerterweise in zahlreichen Fällen geschieht, in den Pfarreien, im Bereich der Kranken-, Pflege-, Erziehungs- und Strafanstalten oder der Militärordinariate usw. Aufgaben übernehmen und somit in fruchtbarer Weise am pastoralen Dienst der Kleriker mitarbeiten. Eine außerordentliche Form der Mitarbeit ist unter den vorgesehenen Bedingungen jene gemäß can. 517, § 2. § 1. Das richtige Verständnis und die Anwendung dieses Kanons, „si ob sacerdo-tum penuriam Episcopus dioecesanus aestimaverit participationem in exercitio cu-rae pastoralis paroeciae concredendam esse diacono aliive personae sacerdotali charactere non insignitae aut personarum communitati, sacerdotem constituat ali-quem qui, potestatibus et facultatibus parochi instructus, curam pastoralem mode-retur“, verlangt, daß diese außergewöhnliche Maßnahme unter genauer Beachtung der darin enthaltenen Bedingungen durchgeführt wird: 1021 KONGREGATIONEN UND RÄTE a) „ob sacerdotum penuriam“ und nicht aus Gründen der Bequemlichkeit oder einer mißverständlichen „Förderung der Laien“ usw.; b) vorausgesetzt, es handelt sich um „participatio in exercitio curae pastoralis“ und nicht darum, die Pfarrei zu leiten, zu koordinieren, zu moderieren oder zu verwalten; dies steht gemäß dem Text des Kanons nur einem Priester zu. Eben weil es sich um Ausnahmefälle handelt, muß man vor allem die Möglichkeit in Betracht ziehen, zum Beispiel sich eines älteren noch rüstigen Priesters zu bedienen oder mehrere Pfarreien nur einem Priester oder einem „coetus sacerdotum“ <235> anzuvertrauen. Vgl. C.I.C., can. 517, § 1. Jedenfalls soll auch die Präferenz nicht übersehen werden, die derselbe Kanon für den Diakon festlegt. Schließlich ist in denselben kanonischen Bestimmungen festgehalten, daß diese Formen der Teilhabe an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben in den Pfarreien in keiner Weise das Amt des Pfarrers ersetzen können. Die Vorschrift bekräftigt nämlich, daß in jenen Ausnahmefällen „Episcopus dioecesanus ... sacerdotem con-stituat aliquem qui, potestatibus et facultatibus parochi instructus, curam pastoralis moderetur“. Das Amt des Pfarrers kann nur einem Priester gültig anvertraut werden (vgl. can. 521, § 1), auch in Fällen objektiven Priestermangels. <236> Man vermeide daher den Titel „Gemeindeleiter“ oder andere Ausdrücke mit derselben Bedeutung als Bezeichnung für Laiej, wenn sie an der Wahrnehmung der Seelsorgstätigkeit beteiligt sind. § 2. Diesbezüglich muß man auch bedenken, daß der Pfarrer der eigene Hirte <237> der ihm übertragenen Pfarrei ist und solange bleibt, bis er aus dem Amt scheidet. <238> Die Erklärung des Amtsverzichts bei Vollendung des 75. Lebensjahres läßt den Pfarrer nicht „ipso iure“ aus dem Amt scheiden. Dies geschieht erst, wenn der Di-özesanbischof - nach reiflicher Überlegung sämtlicher Umstände - gemäß can. 538, § 3 definitiv seinen Amtsverzicht angenommen und es ihm schriftlich mitgeteilt hat. <239> Jedenfalls bedarf es im Licht des Priestermangels, der mancherorts existiert, besonderer Klugheit in dieser Hinsicht. Vgl. C.I.C., can. 519. Vgl. ebd., can. 538, §§ 1-2. Vgl. ebd., can. 186. In Anbetracht des Rechts eines jeden Priesters, die mit dem Empfang der Weihe verbundenen Funktionen auch auszuüben, außer es gibt schwerwiegende gesundheitliche oder disziplinäre Gründe, wird daran erinnert, daß die Vollendung des 75. Lebensjahres keinen verpflichtenden Grund für die Annahme des Amtsver-zichts durch den Diözesanbischof darstellt. Dies gilt auch, um eine funktionalisti-sche Sicht des geistlichen Dienstes zu vermeiden. <240> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester Tota Ecclesia, 31. Januar 1994, Nr. 44. 1022 KONGREGATIONEN UND RÄTE Artikel 5. Organe der Mitarbeit in der Teilkirche Diese Organe, die im Zuge der Erneuerung der Kirche gemäß dem II. Vatikanischen Konzil und entsprechend der kanonischen Gesetzgebung gefordert und positiv erprobt wurden, stellen eine Form der aktiven Teilnahme am Leben und an der Sendung der Kirche als Gemeinschaft dar. § 1. Die Bestimmungen des Codex über den „Priesterrat“ legen fest, welche Priester Mitglieder sein können. <241> Er ist Priestern Vorbehalten, weil er seine Grundlage in der gemeinsamen Teilhabe des Bischofs und der Priester an demselben Priestertum und Amt findet. <242> Vgl. C.I.C., cann. 497-498. Vgl. II. Vat. Konzil, Dekr. Presbyterorum Ordinis, Nr. 7. Weder Diakone noch Laien können sich daher des aktiven und passiven Wahlrechts erfreuen, auch wenn sie Mitarbeiter der geistlichen Amtsträger sind, ebensowenig wie Priester, die aus dem Klerikerstand entlassen wurden oder die Ausübung des geistlichen Dienstes aufgegeben haben. § 2. Der diözesane und der pfarrliche „Pastoralrat“ <243> sowie der pfarrliche „Vermögensverwaltungsrat“, <244> denen auch Laien angehören, haben nur beratendes Stimmrecht; sie können in keiner Weise zu Entscheidungsorganen werden. Für solche Aufgaben können nur jene Gläubigen gewählt werden, die den von den kanonischen Nonnen bestimmten Erfordernissen entsprechen. <245> Vgl. C.I.C., cann. 514 und 536. Vgl. ebd., can. 537. Vgl. ebd., can. 512, §§ 1 und 3; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1650. § 3. Der Vorsitz der pfarrlichen Räte steht dem Pfarrer zu. Daher sind Entscheidungen, die von einem nicht unter dem Vorsitz des Pfarrers oder gegen ihn versammelten Rat gefallt wurden, ungültig und deshalb als nichtig zu betrachten. <246> Vgl. C.I.C., can. 536. § 4. Alle diözesanen Räte können die eigene Zustimmung zu einer Handlung des Bischofs gültig nur ausdrücken, wenn diese Zustimmung vom Recht ausdrücklich gefordert ist. § 5. Den örtlichen Verhältnissen entsprechend können die Ordinarien sich eigener Studien- oder Expertengruppen für besondere Fragen bedienen. Diese stellen jedoch keine Parallelorgane dar, die den diözesanen Priester- und Pastoralräten oder auch den Räten auf pfarrlicher Ebene die ihnen eigene Verantwortung entziehen, die vom allgemeinen kirchlichen Recht in den cann. 536, § 1 und 537 geregelt sind. <247> Wenn solche Organe in der Vergangenheit auf der Basis örtlicher Gewohnheiten oder besonderer Umstände entstanden sind, sind die nötigen Mittel anzuwenden, um sie mit dem geltenden Recht der Kirche in Einklang zu bringen. Vgl. ebd., can. 135, § 2. 1023 KONGREGATIONEN UND RÄTE § 6. Der „Dechant“, der auch Dekan oder Erzpriester oder anders genannt wird und sein Vertreter, „Pro-Vikar“, „Pro-Dekan“ usw. müssen immer Priester sein. <248> Daher können Nicht-Priester für diese Aufgaben gültig nicht ernannt werden. C.I.C., can. 553, § 1. Artikel 6. Die liturgischen Feiern § 1. Liturgische Handlungen müssen klar die geordnete Einheit des Gottesvolkes als organische Gemeinschaft darstellen <249> und dementsprechend die innige Verflochtenheit, die zwischen der liturgischen Handlung und dem organisch strukturierten Wesen der Kirche vorhanden ist. <249> Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Sacrosanctum Concilium, Nr. 26-28; C.I.C., can. 837. Dies geschieht, wenn alle Beteiligten treu und mit Hingabe die Rolle ausfuhren, die ihnen jeweils zukommt. § 2. Um auch auf diesem Gebiet die kirchliche Identität jedes einzelnen zu wahren, sind Mißbräuche verschiedener Art abzuschaffen, die der Bestimmung des can. 907 entgegenstehen, demgemäß es den Diakonen und Laien in der Eucharistiefeier nicht erlaubt ist, Gebete oder Gebetsteile - insbesondere das eucharistische Hochgebet und die Doxologie - vorzutragen oder Handlungen und Gesten zu verrichten, die dem zelebrierenden Priester Vorbehalten sind. Ein schwerer Mißbrauch ist es überdies, wenn Laien gleichsam den „Vorsitz“ bei der Eucharistiefeier übernehmen und dem Priester nur das Minimum belassen, um deren Gültigkeit zu garantieren. Auf derselben Linie liegt der offensichtliche Verstoß, falls jemand, der das Weihesakrament nicht empfangen hat, bei liturgischen Feiern Paramente verwendet, die Priestern und Diakonen Vorbehalten sind (Stola, Meßgewand oder Kasel, Dalma-tik). Schon der bloße Anschein von Verwirrung, die durch abweichendes liturgisches Verhalten entstehen kann, ist zu vermeiden. Wie die geistlichen Amtsträger an ihre Pflicht zu erinnern sind, alle vorgeschriebenen sakralen Paramente anzuziehen, so können Laien nicht tragen, was ihnen nicht zusteht. Um Verwirrung zu vermeiden zwischen sakramentalen Feiern unter dem Vorsitz eines Priesters oder Diakons und anderen von Laien geleiteten liturgischen Handlungen, ist es notwendig, daß dafür klar unterschiedene Formulierungen verwendet werden. Artikel 7. Sonntagsgottesdienste bei Abwesenheit des Priesters § 1. Weil Priester oder Diakone fehlen, finden mancherorts Sonntagsgottesdienste <250> unter der Leitung von Laien statt. Dieser wertvolle und delikate Dienst <250> Vgl. C.I.C., can. 1248, §2. 1024 KONGREGATIONEN UND RÄTE wird gemäß dem Geist und den besonderen Vorschriften erfüllt, die dazu von der zuständigen kirchlichen Autorität erlassen wurden. <251> Um die genannten Gottesdienste zu leiten, müssen Laien eine spezielle Beauftragung des Bischofs haben, der dafür sorgen wird, die entsprechenden Anweisungen bezüglich Dauer, Ort, Bedingungen und verantwortlichem Priester zu geben. Vgl. C.I.C., can. 1248, §2; Ritenkongregation, Instr. Inter oecumenici, 26. September 1964, Nr. 37: AAS 66(1964)885; Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium für die Feier von Sonntagsgottesdiensten ohne Priester Christi Ecclesia, 10. Juni 1988: Notitiae 263(1988). § 2. Solche Gottesdienste, deren Texte von der zuständigen kirchlichen Autorität approbiert sein müssen, stellen immer nur vorläufige Lösungen dar. <252> Es ist verboten, in ihrer Struktur Elemente aus der Opferliturgie, vor allem das „eucharistische Hochgebet“, einzufügen, auch nicht in narrativer Form, um bei den Gläubigen keine Irrtümer aufkommen zu lassen. <253> Zu diesem Zweck muß den Teilnehmern an solchen Gottesdiensten immer erklärt werden, daß sie das eucharistische Opfer nicht ersetzen und daß man das Sonntagsgebot nur durch die Mitfeier der heiligen Messe erfüllt. <254> In jenen Fällen, wo es die Entfernungen und physischen Umstände gestatten, müssen die Gläubigen angeregt und unterstützt werden, das Gebot möglichst zu erfüllen. Vgl. Johannes Paul II., Ansprache beim Ad-Limina-Besuch der nordamerikanischen Bischöfe, 5. Juni 1993: AAS 86(1994)340. Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium für die Feier von Sonntagsgottesdiensten ohne Priester Christi Ecclesia, Nr. 35; vgl. auch C.I.C., can. 1378, § 2, l°und § 3; can. 1384. Vgl. C.I.C., can. 1248. Artikel 8. Außerordentliche Kommunionspender Schon seit geraumer Zeit arbeiten Laien auf verschiedenen Gebieten der Pastoral mit den geistlichen Amtsträgem zusammen, damit „das unschätzbare Geschenk der Eucharistie immer tiefer erkannt werde und damit man an seiner heilbringenden Wirkung mit immer größerer Intensität teilnimmt“. <255> Hl. Kongregation für die Sakramentenordnung, Instr. Immensae caritatis, 29. Januar 1973, proemio: AAS 65(1973)264. Es handelt sich um einen liturgischen Dienst, der objektiven Erfordernissen der Gläubigen entspricht und der vor allem für die Kranken bestimmt ist und für liturgische Versammlungen, wo Gläubige besonders zahlreich sind, die die heilige Kommunion empfangen möchten. § 1. Die kanonische Ordnung hinsichtlich des „außerordentlichen Kommunionspenders“ muß richtig angewandt werden, um keinerlei Verwirrung zu stiften. Sie legt fest, daß ordentlicher Kommunionspender der Bischof, der Priester und der Diakon ist, <256> während außerordentlicher Kommunionspender sowohl der Akolyth ist als auch ein anderer dazu gemäß can. 230, § 3 beauftragter Gläubiger. <257> Vgl. C.I.C., can. 910, § 1; vgl. auch Johannes Paul II., Schreiben Dominicae coenae, 24. Februar 1980, Nr. 11: AAS 72(1980)142. Vgl. C.I.C., can. 910, § 2. 1025 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wenn Gründe echter Notwendigkeit es nahelegen, können Laien vom Bischof beauftragt werden, als außerordentliche Kommunionspender auch außerhalb der Eucharistiefeier die heilige Kommunion auszuteilen, „ad actum vel ad tempus“ oder auf Dauer; dazu ist der dafür vorgesehene liturgische Ritus anzuwenden. In Ausnahme- und unvorhergesehenen Fällen kann die Bevollmächtigung „ad actum“ vom Priester gewährt werden, der der Eucharistiefeier vorsteht. <258> Vgl. Kongregation für die Sakramentenordnung, Instr. Immensae caritatis, Nr. 1: AAS 65(1973)264; Missale Romanum, Appendix: Ritus ad deputandum ministrum S. Communionis ad actum distribuendae; Pontißcale Romanum: De institutione lectorum et acolytorum. § 2. Damit der außerordentliche Kommunionspender während der Eucharistiefeier die heilige Kommunion austeilen kann, ist es notwendig, daß entweder keine ordentlichen Kommunionspender anwesend sind oder daß diese, obzwar anwesend, wirklich verhindert sind. <259> Er kann dieselbe Aufgabe auch ausüben, wenn wegen der besonders zahlreichen Teilnahme von Gläubigen, die die heilige Kommunion empfangen möchten, die Eucharistiefeier sich allzusehr in die Länge ziehen würde, weil zu wenige ordentliche Kommunionspender verfügbar sind. <260> Diese Aufgabe ist ersatzweise und außerordentlich <261> und sie muß gemäß den Rechtsvorschriften ausgeübt werden. Dazu ist es angebracht, daß der Diözesanbi-schof in Übereinstimmung mit dem allgemeinen kirchlichen Recht Partikulamor-men erläßt, die die Ausübung dieser Beauftragung regeln. Man muß unter anderem vorsehen, daß ein zu diesem Dienst beauftragter Gläubiger gebührend unterrichtet wird über die eucharistische Lehre, über den Charakter seines Dienstes, über die zu beachtenden Rubriken hinsichtlich der dem so hohen Sakrament geschuldeten Verehrung und über die Ordnung bezüglich der Zulassung zur Kommunion. Vgl. Päpstliche Kommission ftir die Authentische Interpretation des Codex des Kanonischen Rechtes, Re-sponsio, 1. Juni 1988: AAS 80(1988)1373. Vgl. Kongregation für die Sakramentenordnung, Instr. Immensae caritatis, Nr. 1: AAS 65(1973)264; Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Inaestimäbile donum, 3. April 1980, Nr. 10: AAS 72(1980)336. C.I.C., can. 230, §§ 2 und 3 legen fest, daß die dort beschriebenen liturgischen Dienste von Laien nur „ex temporanea deputatione“ oder aushilfsweise geleistet werden können. Um keine Verwirrung zu stiften, sind einige Praktiken zu vermeiden und abzuschaffen, die seit einiger Zeit in manchen Teilkirchen aufgekommen sind, wie etwa: - der Kommunionempfang der Kommunionspender, als ob sie Konzelebranten wären; - bei der Erneuerung der Bereitschaftserklärung zum priesterlichen Dienst in der Chrisam-Messe am Gründonnerstag auch solche Gläubige einbeziehen, die ihre Ordensgelübde erneuern oder die Beauftragung als außerordentliche Kommunionspender erhalten; - der gewohnheitsmäßige Einsatz von außerordentlichen Kommunionspendem in der heiligen Messe unter willkürlicher Ausweitung des Begriffs der „zahlreichen Teilnahme“. 1026 KONGREGATIONEN UND RÄTE Artikel 9. Das Apostolat für die Kranken § 1. Auf diesem Gebiet können Laien eine wertvolle Mitarbeit leisten. <262> Unzählig sind die Zeugnisse von karitativen Werken und Gesten, die von Laien, sei es einzeln oder in Formen gemeinschaftlichen Apostolats an den Kranken vollbracht werden. Dies bildet eine vorrangige christliche Präsenz in der Welt des Leidens und der Krankheit. Wo Laien die Kranken in den schwersten Momenten begleiten, ist es ihre hauptsächliche Aufgabe, das Verlangen nach den Sakramenten der Buße und der Krankensalbung zu wecken und die Bereitschaft dazu zu fördern sowie bei der Vorbereitung auf eine gute sakramentale Einzelbeichte und auch auf den Empfang der Krankensalbung zu helfen. Hinsichtlich der vielfältigen Formen der Sakramentalien haben die Laien darauf zu achten, daß deren Feier nicht zur Meinung verfuhrt, es würde sich um jene Sakramente handeln, deren Spendung ausschließlich dem Bischof und Priester zusteht. Keinesfalls können Nicht-Priester Salbungen vornehmen, weder mit dem für die Krankensalbung geweihten noch mit dem nicht geweihten Öl. Vgl. Rituale Romanum- Ordo Unctionis Infirmorum, Praenotanda, Nr. 17. Editio typica, Vatikan 1972. § 2. Bezüglich der Spendung dieses Sakraments greift die kanonische Rechtsordnung auf die theologisch sichere Lehre und auf die jahrhundertealte Praxis der Kirche zurück, <263> wonach die Krankensalbung gültig nur der Priester spendet. <264> Diese Bestimmung steht in völliger Übereinstimmung mit dem Glaubensgeheimnis, das durch die Ausübung des priesterlichen Dienstes bezeichnet und verwirklicht wird. Es ist zu betonen, daß der ausschließlich dem Priester vorbehaltene Dienst der Krankensalbung in enger Verbindung dieses Sakramentes mit der Sündenvergebung und mit dem würdigen Empfang der Eucharistie zu sehen ist. Niemand sonst kann als ordentlicher oder außerordentlicher Spender des Sakraments fungieren; jedwede derartige Handlung stellt eine Simulation des Sakraments dar. <265> Vgl. Jak 5,14-15; Thomas von Aquin, In IV Sent. d. 4 q. un.; Konzil von Florenz, Bulle Exultate Deo (DS 1325); Konzil von Trient, Doctrina de sacramento extremae unctionis, cap. 3 (DS 1697; 1700) und can. 4 de extrema unctione (DS 1719); Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1516. Vgl. C./.C., can. 1003, § 1. Vgl. ebd., cann. 1379 und 392, § 2. Artikel 10. Assistenz bei der Trauung § 1. Die Möglichkeit, Laien zur Eheschließungsassistenz zu delegieren, kann sich unter ganz besonderen Umständen bei schwerwiegendem Mangel an geweihten Amtsträgem als notwendig erweisen. Sie ist jedoch von drei Voraussetzungen abhängig. Der Diözesanbischof kann eine solche Delegation einzig in den Fällen erteilen, in denen Priester oder Diakone fehlen, und nur, nachdem er für die eigene Diözese eine empfehlende Stellungnahme 1027 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Bischofskonferenz und die erforderliche Erlaubnis des Heiligen Stuhls erhalten hat. <266> Vgl. ebd., can. 1112. § 2. Auch in diesen Fällen ist die kanonische Bestimmung über die Gültigkeit der Delegation <267> sowie über die Eignung, Fähigkeit und Haltung der Laien zu beachten. <268> Vgl. ebd., can. 1111, § 2. Vgl. ebd., can. 1112, §2. § 3. Abgesehen von dem außerordentlichen Fall, der in can. 1112 C.I.C. bei Fehlen von Priestern oder Diakonen, die der Trauung assistieren könnten, vorgesehen ist, kann kein geistlicher Amtsträger einen Laien zu dieser Assistenz und zur Entgegennahme des Ehekonsenses gemäß can. 1108, § 2 bevollmächtigen. Artikel 11. Der Spender der Taufe Angesichts der Abwesenheit von geistlichen Amtsträgem ist die Glaubenstreue besonders lobenswert, mit der nicht wenige Christen in schmerzlichen Situationen der Verfolgung, aber auch in Missionsgebieten und in anderen Fällen besonderer Not, das Sakrament der Taufe den neuen Generationen bewahrt haben und immer noch bewahren. Außer im Notfall kann gemäß der kanonischen Bestimmung, falls der ordentliche Spender fehlen oder verhindert sein sollte, <269> ein Laie zum außerordentlichen Spender der Taufe bestimmt werden. <270> Auf eine allzu großzügige Auslegung ist zu achten und eine gewohnheitsmäßige Erteilung dieser Befugnis zu vermeiden. Vgl. C.I.C., can. 861, § 2; Ordo baptismiparvulorum, Praenotanda generalia, 16-17. Vgl. C.I.C., can. 230. So können zum Beispiel für die Abwesenheit oder die Verhindemng, die die Beauftragung von Laien mit der Taufspendung gestatten würden, nicht die Überlastung des geistlichen Amtsträgers oder seine außerhalb des Pfarrgebiets liegende Wohnung angeführt werden, wie auch nicht seine fehlende Verfügbarkeit für den von der Familie vorgesehenen Tag der Taufe. Solche Begründungen sind nicht hinreichend. Artikel 12. Die Leitung kirchlicher Begräbnisfeiern Unter den gegenwärtigen Bedingungen wachsender Entchristlichung und religiöser Entfremdung kann der Moment des Todes und des Begräbnisses manchmal eine sehr günstige pastorale Gelegenheit für eine direkte Begegnung der geistlichen Amtsträger mit jenen Gläubigen bieten, die die religiöse Praxis aufgegeben haben. 1028 KONGREGATIONEN UND RÄTE Daher ist es wünschenswert, daß die Priester und Diakone auch unter Opfern persönlich den Begräbnisfeiern gemäß den örtlichen Bräuchen vorstehen, um für die Verstorbenen zu beten und sich auch den Familien zu nähern und die sich bietende Gelegenheit für eine angemessene Evangelisierung zu nutzen. Laien können kirchliche Begräbnisse nur im Fall tatsächlichen Fehlens von geweihten Amtsträgem und unter Beachtung der diesbezüglichen liturgischen Normen leiten. <271> Für diese Aufgabe müssen sie lehrmäßig und liturgisch gut vorbereitet werden. Vgl. Ordo Exsequiarum, Praenotanda, 19. Artikel 13. Notwendige Auswahl und angemessene Ausbildung Es ist Pflicht der zuständigen Autorität, falls die in den vorhergehenden Artikeln angeführten Fälle objektiver Notwendigkeit eines „Supplierens“ eintreten sollte, Gläubige auszuwählen, die sich durch gesunde Lehre und vorbildlichen Lebenswandel auszeichnen. Daher können zur Ausübung dieser Aufgaben Katholiken nicht zugelassen werden, die keinen würdigen Lebenswandel führen, sich keines guten Rufes erfreuen oder sich in einer nicht mit der kirchlichen Morallehre übereinstimmenden familiären Situation befinden. Außerdem müssen sie eine für die angemessene Erfüllung der ihnen anvertrauten Aufgaben erforderliche Ausbildung haben. Gemäß dem Partikularrecht sollen sie ihre Kenntnisse vervollkommnen und möglichst die Ausbildungskurse besuchen, die die zuständige Autorität im Bereich der Teilkirche abhalten wird <272> - allerdings nicht in den Seminaren, die ausschließlich den Kandidaten für das Priesteramt Vorbehalten sein müssen. <273> Es ist dafür Sorge zu tragen, daß die dargebotene Lehre vollständig mit dem kirchlichen Lehramt übereinstimmt und sich in einem wirklich geistlichen Klima abwickelt. Vgl. C.I.C., can. 231, § 1. „Integrierte“ Seminare sind nicht zulässig. Schlußwort Der Heilige Stuhl empfiehlt das vorliegende Dokument dem pastoralen Eifer der Diözesanbischöfe der verschiedenen Teilkirchen und der anderen Ordinarien im Vertrauen darauf, daß seine Umsetzung reiche Frucht trage für das Wachstum der Gemeinschaft zwischen den geistlichen Amtsträgem und den Laien. Wie der Heilige Vater angemerkt hat, „muß die besondere Gabe eines jeden Glieds der Kirche mit Klugheit und Bestimmtheit anerkannt, verteidigt, gefordert, hervorgehoben und koordiniert werden ohne Vertauschung der Rollen, der Aufgaben oder der theologischen und kanonischen Bedingungen“. <274> Johannes Paul II., Ansprache beim Symposion über die „Mitarbeit der Laien am pastoralen Dienst der Priester“, Nr. 3. 1029 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wenn einerseits der Priestermangel in manchen Zonen besonders zu spüren ist, so zeigt sich in anderen ein vielversprechendes Aufblühen von Berufungen, das positive Aussichten für die Zukunft erkennen läßt. Daher können die vorgelegten Lösungen für den Mangel an geistlichen Amtsträgem nur vorübergehend sein. Zugleich ist der Fördemng der Priesterberufungen in der Pastoral Vorrang einzuräumen. <275> Vgl. ebd., Nr. 6. Diesbezüglich erinnert der Heilige Vater daran, daß „in einigen örtlichen Situationen großzügige und sinnvolle Lösungen geschaffen wurden. Die Bestimmungen des Codex des kanonischen Rechtes haben neue Möglichkeiten eröffnet, die jedoch richtig anzuwenden sind, um nicht dem Mißverständnis zu unterliegen, normative Lösungen, die wegen Fehlens oder mangels geistlicher Amtsträger für außerordentliche Situationen vorgesehen wurden, als gewöhnlich und normal zu betrachten“. <276> Ebd, Nr. 2. Dieses Dokument beabsichtigt, genaue Richtlinien zu erteilen, um eine wirksame Mitarbeit der Laien in solchen Umständen und unter Beachtung der Integrität des Pastoralen Dienstes der Priester zu sichern. „Man muß verständlich machen, daß diese Präzisierungen und Klärungen nicht aus dem Bemühen erwachsen, klerikale Privilegien zu verteidigen, sondern aus der Notwendigkeit, dem Willen Christi gehorsam zu sein und die von ihm seiner Kirche unauslöschlich eingeprägte Grundgestalt zu respektieren“. <277> Ebd., Nr. 5. Deren rechte Anwendung wird im Rahmen der lebendigen hierarchischen „com-munio“ den Laien von Nutzen sein. Sie sind ja gerufen, all die reichen Möglichkeiten ihrer eigenen Begabungen zu entfalten und sie mit „immer größerer Verfügbarkeit in der Erfüllung der eigenen Sendung zu leben“. <278> Die leidenschaftliche Empfehlung des Völkerapostels an Timotheus: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus...: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne..., sei in allem nüchtern ... erfülle treu deinen Dienst“ (2 Tim 4,1-5) möge besonders die geistlichen Hirten angehen, die gerufen sind, die ihnen eigene Aufgabe zu erfüllen, „die allgemeine Ordnung der ganzen Kirche zu fordern ... und auf die Einhaltung aller kirchlichen Gesetze zu drängen“. <279> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 58: AAS 81(1989)507. C.I.C., can. 392. Diese schwerwiegende Pflicht bildet das nötige Instrument, damit die reichen Energien, die jedem Stand des kirchlichen Lebens eignen, gemäß den wunderbaren Fügungen des Geistes richtig gelenkt werden und die „communio“ auf dem täglichen Weg der ganzen Gemeinschaft zur wirksamen Realität werde. Die Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, deren Fürbitte wir dieses Dokument anvertrauen, möge allen helfen, dessen Absichten zu verstehen und für die treue Anwen- 115 116 117 118 119 1030 KONGREGATIONEN UND RÄTE düng, die auf eine größere apostolische Fruchtbarkeit hinzielt, alle Kräfte aufzubringen. Partikulargesetze und geltendes Gewohnheitsrecht, die diesen Normen entgegenstehen, sowie etwaige Befugnisse, die der Heilige Stuhl oder irgendeine andere ihm untergebene Autorität „ad experimentum“ gewährt hat, sind widerrufen. Der Papst hat die vorliegende Instruktion am 13. August 1997 „in forma specifica“ approbiert und deren Promulgation angeordnet. Aus dem Vatikan, am 15. August 1997, am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Kongregation fiir den Klerus +Crescenzio Sepe Sekretär + Stanislaw Rylko Sekretär + Tarcisio Bertone SDB Sekretär + Dario Castrillön Hoyos Pro-Präfekt Päpstlicher Rat fiir die Laien + James Francis Stafford Präsident Kongregation fiir die Glaubenslehre + Joseph Card. Ratzinger Präfekt Kongregation fiir den Gottesdienst und die Sakramentenordnung + Jorge Arturo Medina Estevez + Geraldo Majella Agnelo Pro-Präfekt Sekretär Kongregation fiir die Bischöfe + Bemardin Card. Gantin + Jorge Maria Mejia Präfekt Sekretär Kongregation fiir die Evangelisierung der Völker + Jozef Card. Tomko + Giuseppe Uhac Präfekt Sekretär Kongregation für die Institute des geweihten Lebens undfür die Gesellschaften des apostolischen Lebens + Eduardo Card. Martinez Somalo + Piergiorgio Silvano Nesti CP Präfekt Sekretär Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten + Julian Herranz + Bruno Bertagna Präsident Sekretär 1031 KONGREGATIONEN UND RÄTE Christen und Hindus: Gemeinschaften der Vergebung und des Mitgefühls Botschaft des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog zum Diwali 1997 am 1. November 1. Als Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog ist es für mich eine große Freude, Ihnen erneut meine herzlichsten Glückwünsche zu Deepawali zu senden, dem Fest, das Gott durch das Symbol des Lichts verherrlicht und feiert. 2. Dieses Fest gibt den Christen Gelegenheit, ihre hinduistischen Nachbarn und Freunde zu besuchen, um Segenswünsche auszutauschen, und das hilft, die schon bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu stärken und neue zu schaffen. Diese alljährliche Botschaft wird also zu einer Art Brücke zwischen Hindus und Christen, die es ständig weiterzubauen und zu festigen gilt. Darum danke ich Gott und bete meinerseits dafür, daß die Beziehungen zwischen Christen und Hindus stets weiter wachsen und enger werden können. 3. In drei Jahren werden die Menschen in aller Welt den Anbruch des neuen Jahrtausends feiern. Die Christen werden im Großen Jubeljahr 2000 die Feier der Geburt Jesu Christi begehen. Wie Papst Johannes Paul II. gesagt hat, wird für uns „die Erwartung zur Betrachtung, um eine Art Bilanz des Weges vorzuschlagen, den die Menschheit unter dem Blick Gottes, des Herrn der Geschichte, zurückgelegt hat“. In Anlehnung an diese Aufforderung Seiner Heiligkeit möchte ich Hindus und Christen gleichermaßen einladen, gemeinsam einen wahren Pilgerweg des Friedens zu gehen. Laßt uns also den Frieden auf dem Pfad der Vergebung suchen, angefangen bei den konkreten Lebenslagen, in denen wir uns befinden, indem wir uns auf das wahre Erbe unserer religiösen Traditionen stützen. 4. Der Weda hört nicht auf, uns daran zu erinnern, daß die Worte des antiken Ris-his von einer Einstellung der Gewaltlosigkeit, des Mitgefühls und der Liebe inspiriert sind. Der Atharwaweda ermahnt uns: „Der Bruder soll nie den Bruder hassen, und die Schwester soll nie die Schwester verletzen“ (HL III, 30, 3). An anderer Stelle wird in den Versen gefleht: „Wenn wir die Mutter oder den Vater beleidigt haben, dann möge (Gott) uns davon lossprechen“ (HF VI, 120, 1). Und der Rig-weda lehrt: „Vereint eure Entscheidungen, vereint eure Herzen, und mögen eure Geister eins sein, damit ihr zusammen in Einheit und Eintracht kämpfen könnt!“ (RVX, 191,4). 5. Da unsere Welt von einem Geist der Rache, von gewalttätigem Haß und zerstörerischen Kriegen gezeichnet ist, müssen wir die Menschen dazu ermutigen, zu vergeben und um Vergebung zu bitten, denn dies ist von Natur aus befreiend. „Die Vergebung ist in ihrer wahrsten und höchsten Form ein Akt ungeschuldeter Liebe. Aber gerade als Akt der Liebe birgt sie auch Forderungen in sich. Die erste ist die Achtung der Wahrheit... Wo Lüge und Falschheit gesät werden, blühen Verdächti- 1032 KONGREGATIONEN UND RÄTE gung und Spaltung ... Eine andere wesentliche Voraussetzung für Vergebung und Versöhnung ist die Gerechtigkeit ... Die Vergebung beseitigt noch verringert sie die Forderung nach Wiedergutmachung, die wesentlich zur Gerechtigkeit gehört. Statt dessen strebt sie die Wiedereingliederung sowohl der Einzelpersonen und der Gruppen in die Gesellschaft als auch der Staaten in die Gemeinschaft der Nationen an“ (Johannes Paul II. Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1.1.1997, Nr. 5). Sollten sich diejenigen, die den Gemeinschaften der Hindus und Christen angehören, nicht öfters treffen, um ihre jeweiligen Mitglieder an den wichtigen Beitrag zu erinnern, den alle zu leisten aufgerufen sind, indem sie zu Männern und Frauen der Vergebung und des Mitleids werden, um der Welt Frieden zu bringen? 6. Im Namen der Katholiken auf der ganzen Welt sende ich Ihnen meine herzlichsten Friedens- und Glückwünsche und erneuere die Bezeugung meiner Freundschaft. Francis Kardinal Arinze Präsident 1033 KONGKEGA TIONEN UND RÄTE Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen) vom 28. Dezember Einführung 1. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend sehen sich die Erziehung und die Katholische Schule bedingt durch den gesellschaftspolitischen und kulturellen Kontext vor neue Herausforderungen gestellt. Insbesondere handelt es sich um eine Wertekrise, die vor allem in den reichen und entwickelten Gesellschaften oft noch durch die sozialen Kommunikationsmittel angeheizte Formen eines verbreiteten Subjektivismus, eines moralischen Relativismus und eines Nihilismus annimmt. Der tiefgreifende Pluralismus, der das gesellschaftliche Bewußtsein durchzieht, läßt verschiedene Haltungen entstehen, die in einigen Fällen derart gegensätzlich sind, daß sie eine Bedrohung für jegliche gemeinschaftliche Identität darstellen. Die rapiden strukturellen Veränderungen, die tiefgehenden technischen Innovationen und die Globalisierung der Wirtschaft greifen immer stärker in das Leben der Menschen in jedem Teil dieser Erde ein. Gegenläufig zu den Entwicklungsperspektiven für alle erleben wir aber auch ein Anwachsen der Kluft zwischen den reichen und den armen Völkern und massive Wanderungsbewegungen von den unterentwickelten hin zu den entwickelten Ländern. Das Phänomen der kulturellen Vermischung und einer Gesellschaft, die sich zunehmend aus Menschen verschiedener Rasse zusammensetzt und multiethnischer und multireligiöser wird, bringt neben einer Bereicherung auch viele neue Probleme mit sich. Hinzu kommt in den Ländern der frühen Evangelisierung eine zunehmende Verdrängung des christlichen Glaubens als Bezugspunkt und Lichtquelle für die effektive und überzeugende Deutung der Existenz. 2. Näherhin auf dem Gebiet der Erziehung haben sich die erzieherischen Funktionen ausgeweitet, sie sind komplizierter und spezialisierter geworden. Die Erziehungswissenschaften, die sich früher auf das Studium des Kindes und auf die Vorbereitung des Lehrers konzentrierten, wurden dazu gedrängt, sich den verschiedenen Lebensaltern und unterschiedlichen Umgebungen und Gegebenheiten über die der Schule hinaus zu öffnen. Neue Erfordernisse haben die Nachfrage nach neuen Inhalten, neuen fachlichen Kompetenzen und neuen erzieherischen Personen und Institutionen über jene traditionellen hinaus hervorgerufen. Erziehen und Schule-Halten erweist sich so im heutigen Kontext als äußerst schwierig. 3. Angesichts dieses Horizonts ist die Katholische Schule zu einer mutigen Erneuerung aufgerufen. Denn das wertvolle Erbe einer jahrhundertelangen Erfahrung macht die eigene Lebendigkeit vor allem in der Fähigkeit zu kluger Erneuerung deutlich. So ist es notwendig, daß die Katholische Schule auch in der Gegenwart 1034 KONGREGATIONEN UND RÄTE sich in wirksamer, überzeugender und aktueller Weise darzustellen weiß. Es geht nicht um eine einfache Anpassung, sondern um einen sendungsbewußten Elan: Es geht um die fundamentale Pflicht der Evangelisierung, des Dorthin-Gehens, wo der Mensch steht, damit er das Geschenk des Heiles annehme. 4. Darum möchte die Kongregation für das Katholische Bildungswesen in diesen Jahren der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 und anläßlich des freudigen Gedenkens an die Errichtung des Büros „Schulen“ vor dreißig Jahren1 und der Herausgabe des Dokuments Die Katholische Schule vor zwanzig Jahren, das am 19. März 1977 mit der Absicht veröffentlicht wurde, „besondere Aufmerksamkeit dem Wesen und den unterschiedlichen Merkmalen einer Schule zuzuwenden, die sich als katholisch bezeichnet und empfiehlt“,2 sich mit dem vorliegenden Rundschreiben an alle an der schulischen Erziehung Beteiligten wenden in dem Wunsch, ihnen ein Wort der Ermutigung und der Hoffnung zukommen zu lassen. Insbesondere hat dieses Schreiben die Absicht, die Freuden über die positiven Früchte der Katholischen Schule, aber auch die Besorgnisse wegen der Schwierigkeiten, auf die sie stößt, zu teilen. Getragen von der Lehre des II. Vatikanischen Konzils, von zahllosen Aussagen des Heiligen Vaters, der ordentlichen und besonderen Versammlungen der Bischofssynoden und der Bischofskonferenzen, von der pastoralen Sorge der Diözesanordinarien sowie von internationalen katholischen Organisationen für den Bereich der Erziehung und der Schulen, scheint es uns ferner angebracht, die Aufmerksamkeit auf einige grundlegende Charakteristiken der Katholischen Schule zu richten, die wir als wichtig für die Wirksamkeit ihrer erzieherischen Arbeit in Kirche und Gesellschaft betrachten: die Katholische Schule als ein Ort ganzheitlicher Erziehung der menschlichen Person mittels eines klaren Erziehungsplanes, der seinen Grundstein in Christus hat;3 ihre kirchliche und kulturelle Identität; ihre Sendung zu erzieherischer Liebe; ihr sozialer Dienst, der erzieherische Stil, der ihre Erziehungsgemeinschaft: kennzeichnen muß. Freuden und Mühen 5. Mit großer Genugtuung möchten wir nochmals den positiven Weg durchlaufen, den die Katholische Schule in diesen letzten Jahrzehnten gegangen ist. Insbesondere gilt es ihren Beitrag beim Evangelisierungsauftrag der Kirche in der ganzen Die „Hl- Kongregation für das Katholische Bildungswesen“, eine neue Bezeichnung der „Hl. Kongregation für die Seminare und Universitäten“, wurde durch die Apostolische Konstitution, Regimini ecclesiae universae, die unter dem Datum vom 15. August 1967 promulgiert wurde und am 1. März 1968 in Kraft trat (AAS 59[1967]885-928), in drei Büros strukturiert. Bei dieser Neuordnung wurde das Büro für die Katholischen Schulen eingerichtet mit dem Zweck, die grundlegenden Prinzipien der Erziehung, vor allem in den Schulen, „weiter zu entwickeln“ (vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Qravissimum educationis, Einleitung). KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die Katholische Schule, Nr. 2. Vgl. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die Katholische Schule, Nr. 34. 1035 KONGREGA TIONEN UND RÄTE Welt zu betrachten, eingeschlossen jene Gegenden, in denen keinerlei andere pa-storale Tätigkeit möglich ist. Ferner wollte die Katholische Schule trotz Schwierigkeiten auch weiterhin mitverantwortlich sein für die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung der verschiedenen Gemeinschaften und Völker, deren Teil sie ist, und hat deren Freuden und Hoffnungen, die Leiden und Schwierigkeiten sowie das Engagement für einen echten Fortschritt des Menschen und der Gemeinschaft geteilt. In dieser Hinsicht ist der wertvolle Beitrag zu erwähnen, den sie, indem sie sich in den Dienst der weniger vom Glück begünstigten Völker stellt, für deren geistige und materielle Entwicklung anbietet. Wir fühlen uns auch verpflichtet, den Beitrag der Katholischen Schule für die pädagogische und didaktische Erneuerung sowie den großen Einsatz so vieler Gläubiger zu erwähnen, vor allem jener, die als Ordensleute und Laien ihren Lehrberuf als eine Berufüng und als echtes Apostolat leben.4 Schließlich dürfen wir nicht den Beitrag der Katholischen Schule in der Gesamtpastoral und besonders in der Familienpastoral vergessen und müssen diesbezüglich die Arbeit zurückhaltenden Eingreifens in die erzieherische Dynamik zwischen Eltern und Kindern unterstreichen sowie in ganz spezieller Weise die einfache und tiefgehende Unterstützung, die so reich an Sensibilität und Einfühlungsvermögen den „schwachen“ oder „entwurzelten“ Familien angeboten wird, die vor allem in den entwickelten Ländern immer zahlreicher werden. 6. Die Schule ist zweifellos ein sensibler Kreuzungspunkt der Problematiken, die diesen unruhigen Zeitabschnitt am Ende eines Jahrtausends bewegen. Die Katholische Schule muß sich mit Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, die die Schwierigkeiten der Gegenwart erleben. Sie sieht sich hier Schülern gegenüber, die jeglicher Mühe ausweichen, unfähig sind zu Opfern und zu Beständigkeit und die, meist schon von der Familie her, keine gültigen Leitbilder haben. In zunehmendem Maße sind sie nicht nur gleichgültig oder nicht praktizierend, sondern lassen jegliche religiöse oder moralische Formung vermissen. Hinzu kommt bei vielen Schülern und in den Familien das Gefühl einer tiefgreifenden Apathie bezüglich der ethischen und religiösen Bildung, weswegen letztlich das einzige Interesse und Verlangen gegenüber der Katholischen Schule das ist, ein Zeugnis oder höchstens noch eine qualifizierte Ausbildung und berufliche Befähigung zu erhalten. Das eben beschriebene Klima ruft eine gewisse pädagogische Müdigkeit hervor, die mit der wachsenden Schwierigkeit im gegenwärtigen Kontext in eins geht, das Lehrer-Sein mit dem Erzieher-Sein zu verbinden. 7. Unter den Schwierigkeiten gibt es auch Situationen politischer, gesellschaftlicher und kultureller Art, die den Besuch der Katholischen Schule verhindern oder behindern. Das Drama der verbreiteten Armut und des Hungers in der Welt, Konflikte und Bürgerkriege, der Verfall der Städte, die Ausbreitung der Kriminalität in den großen Ballungszentren so vieler Städte lassen keine volle Verwirklichung von Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 8. 1036 KONGREGATIONEN UND RÄTE Bildungs- und Erziehungsplänen zu. In anderen Teilen der Welt wiederum sind es die Regierungen, welche Hindernisse in den Weg legen, wenn sie nicht überhaupt die Tätigkeit der Katholischen Schule verunmöglichen, und dies trotz des Fortschritts demokratischer Gesinnung und Praxis und der angewachsenen Sensibilität für die Menschenrechte. Weitere Schwierigkeiten entstehen aufgrund wirtschaftlicher Probleme. Diese Situation ist für die Katholische Schule um so mehr in jenen Staaten spürbar, in denen keinerlei Beitrag der Regierung für die nichtstaatlichen Schulen vorgesehen ist. Dies macht die finanzielle Belastung für Familien; die nicht die staatliche Schule wählen, nahezu unerträglich und bedeutet eine ernsthafte Hypothek für die Überlebensfähigkeit der Schulen. Darüber hinaus können die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, abgesehen von ihren Auswirkungen auf die Gewinnung und den Unterhalt des Lehrkörpers, dazu führen, daß von den Katholischen Schulen jene ausgeschlossen werden, denen ausreichende finanzielle Mittel fehlen, wobei so auch eine Auswahl der Schüler erfolgen würde, die für die Katholische Schule den Verlust eines für sie grundlegenden Charakteristikums mit sich bringt, nämlich das, Schule für alle zu sein. Mit dem Blick nach vorne 8. Der Blick auf die Freuden und Mühen der Katholischen Schule, ohne sich einzubilden, daß deren gesamte Fülle und Tiefe ausgeschöpft worden wäre, fordert uns auf, nun an den Beitrag zu denken, den sie bei der Bildung der neuen Generationen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend leisten könnte, wobei wir uns bewußt sind, daß, wie Johannes Paul II. schreibt, „die Zukunft der Welt und der Kirche den jungen Generationen gehört, die, noch in diesem Jahrhundert geboren, erst im nächsten, dem ersten Jahrhundert des neuen Jahrtausends, reife Menschen sein werden“. <280> So muß die Katholische Schule in der Lage sein, die jungen Menschen mit den Werkzeugen der Erkenntnis auszustatten, damit diese ihren Platz in einer Gesellschaft finden können, die stark geprägt ist von technischen und wissenschaftlichen Kennmissen; doch gleichzeitig, ja wir möchten sogar sagen: vorrangig, muß sie ihnen eine solide, christlich orientierte Bildung vermitteln. Darum sind wir überzeugt, daß einige grundlegende Merkmale der Katholischen Schule verstärkt werden müssen, um sie zu einem Werkzeug der Erziehung in der Welt von heute zu machen. JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 58. Die Person und ihre Erziehung 9. Die Katholische Schule stellt sich als Schule für die Person und Schule der Personen dar. „Die Person eines jeden in ihren materiellen und geistigen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt der Lehrtätigkeit Jesu: Aus diesem Grunde bedeutet die För- 1037 KONGREGATIONEN UND RÄTE derung der menschlichen Person das Ziel der Katholischen Schule.“ <281> Diese Aussage erinnert, indem sie die lebendige Beziehung des Menschen mit Christus beleuchtet, daran, daß sich in Seiner Person die volle Wahrheit über den Menschen findet. Deshalb handelt die Katholische Schule, wenn sie sich um die Förderung des Menschen in seiner Ganzheit bemüht, im Gehorsam gegenüber der Sorge der Kirche und im Bewußtsein, daß alle menschlichen Werte ihre volle Verwirklichung und folglich ihre Einheit in Christus finden. <282> Dieses Bewußtsein bringt die zentrale Stellung der Person im Erziehungskonzept der Katholischen Schule zum Ausdruck, es stärkt deren erzieherisches Engagement und befähigt sie, Menschen zu starken Persönlichkeiten zu erziehen. Vgl. JOHANNES PAUL II., Ansprache vor dem 1. Nationalen Kongreß der Katholischen Schule in Italien, in: L’Osservatore Romano vom 24. November 1991, 4. 10. Der heutige sozio-kulturelle Kontext birgt die Gefahr, „den erzieherischen Wert der Katholischen Schule, der letztlich ihre Existenzberechtigung bildet und sie zum Ort authentischen Apostolats macht“, <283> zu verdunkeln. Denn auch wenn es wahr ist, daß es in den letzten Jahren eine starke Aufmerksamkeit und eine erhöhte Sensibilität seitens der öffentlichen Meinung, der internationalen Organisationen und der Regierungen für die Fragen der Schule und der Erziehung gab, so muß zugleich eine verbreitete Reduzierung der Erziehung auf die rein technischen und funktionalen Aspekte festgestellt werden. Die pädagogischen Wissenschaften und die Erziehungswissenschaften selbst waren mehr mit der Frage der phänomenologischen Erkundung und der praktischen Didaktik beschäftigt, als daß sie sich um die Fragen des eigentlichen erzieherischen Wertes gekümmert hätten, der die wahren Werte und sinnträchtige Horizonte in den Mittelpunkt setzt. Die Aufsplitterung der Erziehung, die Unbestimmtheit der Wertvorstellungen, auf die man sich häufig beruft und wofür man auch noch leicht breite Zustimmung erfahrt, allerdings auf Kosten einer gefährlichen Verdunklung der Inhalte, neigen dazu, die Schule auf ihre angebliche Neutralität zurückzuverweisen, die das erzieherische Potential schwächt und sich negativ auf die Bildung der Schüler auswirkt. Man möchte vergessen, daß Erziehung immer eine bestimmte Konzeption von Mensch und Leben voraussetzt und einschließt. Der vorgegebenen schulischen Neutralität entspricht in den meisten Fällen die praktische Verdrängung der religiösen Bezüge aus dem Gebiet der Kultur und der Erziehung. Ein korrekter pädagogischer Ansatz hingegen muß den entscheidendsten Raum der Ziele durchmessen, muß sich nicht nur mit dem „Wie“, sondern auch mit dem „Warum“ der Erziehung befassen, muß das Mißverständnis der Möglichkeit einer keimfreien Erziehung überwinden und muß dem erzieherischen Prozeß jene Einheitlichkeit zurückgeben, die die Zersplitterung in die Rinnsale verschiedener Kennmisse und Fertigkeiten verhindert und die Person in ihrer umfassenden, transzendentalen und geschichtlichen Identität im Mittelpunkt hält. Die Katholische Schule mit ihrem am Evangelium ausgerichteten Vgl. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die Katholische Schule, Nr. 35. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die Katholische Schule, Nr. 3. 1038 KONGREGATIONEN UND RÄTE erzieherischen Konzept ist aufgerufen, diese Herausforderung anzunehmen und darauf zu antworten in der Überzeugung, daß „sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt“. Die Katholische Schule im Herzen der Kirche 11. Die Komplexität der gegenwärtigen Welt bringt uns zur Überzeugung, wie notwendig es ist, dem Bewußtsein von der kirchlichen Identität der Katholischen Schule wieder mehr Raum zu geben. Denn aus der katholischen Identität ergeben sich die ureigenen Kennzeichen der Katholischen Schule, die sich als Handlungsträger in der Kirche „strukturiert“, als Ort authentischen und spezifischen pastora-len Handelns. Sie hat teil am Evangelisierungsauftrag der Kirche und ist der privilegierte Ort, an dem christliche Erziehung Wirklichkeit wird. In dieser Hinsicht „sind die Katholischen Schulen zugleich Orte der Evangelisierung, der ganzheitlichen Erziehung, der Inkulturation und des Erlemens eines wichtigen Dialogs zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Religionen und sozialer Schichten“. Der kirchliche Charakter der Katholischen Schule ist also direkt ins Herz ihrer Identität als schulische Institution geschrieben. Sie ist wirklicher und eigentlicher Handlungsträger in der Kirche aufgmnd ihres Handelns als Schule, „indem Glaube, Kultur und Leben eine lebendige Verbindung eingehen“. <284> So gilt es mit aller Kraft zu betonen, daß die kirchliche Dimension kein zusätzliches Kennzeichen darstellt, sondern ureigenes und spezifisches Qualitätsmerkmal ist, ein unterscheidendes Charakterkennzeichen, das jeden Augenblick ihres erzieherischen Handelns durchdringt und formt, Bestandteil, der ihre eigene Identität begründet, und Brennpunkt ihrer Sendung. <285> Die Förderung dieser Dimension ist das Ziel eines jeden Mitglieds der Erziehungsgemeinschaft. <284> VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 22. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben, Ecclesia in Africa, Nr. 102. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die religiöse Dimension der Erziehung in der Katholischen Schule, Nr. 34. Vgl. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die religiöse Dimension der Erziehung in der Katholischen Schule, Nr. 33. 12. Kraft ihrer Identität also ist die Katholische Schule ein Ort der Erfahrung von Kirche, und die christliche Gemeinde ist ihre Grundlage. In diesem Zusammenhang gilt es, daran zu erinnern, daß sie ihre ureigene Berufung, ein Ort zu sein, an dem Kirche wahrhaft erfahrbar wird, nur dann verwirklichen kann, wenn sie sich organisch einfugt in die Pastoral der christlichen Gemeinde. In einer ganz besonderen Weise ermöglicht die Katholische Schule es, den jungen Menschen in einem der christlichen Bildung günstigen Umfeld zu begegnen. Leider muß man allerdings zur Kenntnis nehmen, daß in einigen Fällen die Katholische Schule nicht als integrierender Bestandteil der tatsächlichen Seelsorge empfunden wird und daß sie 1039 KONGREGATIONEN UND RÄTE manchmal als etwas der Gemeinde Fremdes oder zumindest fast Fremdes angesehen wird. Es ist deshalb dringlich, eine neue Sensibilität der Pfarrgemeinden und der diözesanen Gemeinschaften zu fördern, damit diese sich als die allerersten fühlen, die berufen sind, Sorge für die Erziehung und die Schule zu tragen. 13. Im kirchlichen Leben ist die Katholische Schule vor allem als Betätigungsfeld von Ordensfamilien bekannt, die aufgrund ihres Ordenscharismas oder aufgrund besonderer Aufmerksamkeit sich ihr in großherziger Weise gewidmet haben. In der gegenwärtigen Zeit freilich fehlt es nicht an Schwierigkeiten, die durch den besorgniserregenden zahlenmäßigen Rückgang, aber auch durch schleichende ernsthafte Mißverständnisse bedingt sind, welche dazu zu verleiten drohen, die Sendung im Erziehungsbereich aufzugeben. Einerseits wird nämlich das schulische Engagement von der Seelsorge getrennt, anderseits stößt die konkrete Aktivität auf Schwierigkeiten, wenn es darum geht, mit den spezifischen Erfordernissen des Ordenslebens übereinzukommen. Das so fruchtbringende_Gespür der heiligen Ordensgründers besser und radikaler als jede andere Argumentation, wie unbegründet und bedenklich derartige Auffassungen sind. Ferner erscheint es uns angebracht, in Erinnerung zu rufen, daß die Präsenz der Ordensleute in der Erziehungsgemeinschaft unerläßlich ist, insofern „die Personen des geweihten Lebens in der Lage sind, eine besonders wirksame Erziehungstätigkeit zu entfalten“, und Beispiel dafür sind, wie man sich vorbehaltlos und kostenlos in den Dienst am Nächsten im Geiste des Ordensgelübdes „hingeben“ kann. Die Gegenwart der Ordensfrauen und Ordensmänner bietet zusammen mit den Priestern und Laien den Schülern „ein lebendiges Bild der Kirche und erleichtert die Erkenntnis ihrer Reichtümer“. Die kulturelle Identität der Katholischen Schule 14. Aus dem Wesen der Katholischen Schule ergibt sich auch eines der ausdrucksvollsten Elemente der Originalität ihres Erziehungskonzeptes: die Synthese zwischen Kultur und Glaube. Denn das Wissen wird, wenn es in den Horizont des Glaubens gestellt wird, zur Weisheit und zur Lebensvision. Die einzelnen Fächer bieten nicht nur Kenntnisse, die es zu erwerben gilt, sondern Werte, die man sich aneignen, und Wahrheiten, die man entdecken soll. All dies erfordert ein Umfeld, das gekennzeichnet ist von der Suche nach der Wahrheit, in dem die Erzieher, wenn sie kompetent, überzeugt, konsequent und Lehrmeister des Wissens und des Lebens sind, sicherlich unvollkommene, aber dennoch nicht farblose Abbilder des einzigen Meisters sein sollten. In dieser Hinsicht arbeiten beim christlichen Erziehungskonzept alle Lehrfächer mit ihren spezifischen, ureigenen Wissensinhalten zusammen, um reife Persönlichkeiten heranzubilden. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben, Vita consecrata, Nr. 96. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben, Christifideles laici, Nr. 62. Vgl. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die Katholische Schule, Nr. 39. 1040 KONGREGATIONEN UND RÄTE „Das eifrige Bemühen um Bildung ist Liebe“ (vgl. Weish 6,17) 15. In der kirchlichen Dimension ist auch das Unterscheidungsmerkmal der Katholischen Schule als einer Schule für alle mit besonderer Aufmerksamkeit für die Schwächsten verwurzelt. Die Geschichte zeigt, daß der Großteil der katholischen schulischen Erziehungseinrichtungen als eine Antwort auf die Erfordernisse jener Schichten entstand, die in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht weniger begünstigt waren. Es ist nichts Neues, wenn man behauptet, daß die Katholischen Schulen aus einer tiefen Liebe zur Erziehung gegenüber Jugendlichen und Kindern entstanden sind, die sich selbst überlassen und in keinerlei Form erzogen waren. In vielen Weltgegenden ist es noch heute die materielle Armut, die verhindert, daß viele Jugendliche und Kinder Zugang zu einer Ausbildung und zu einer angemessenen menschlichen und christlichen Erziehung erhalten. In wieder anderen Gegenden sind es neue Formen der Armut, die eine Anfrage an die Katholische Schule darstellen, die sich wie in der Vergangenheit Situationen des Unverständnisses, des Mißtrauens und des Mangels an Mitteln gegenübersehen kann. Die armen Mädchen, die im 15. Jahrhundert von den Ursulinen unterrichtet wurden, die Jungen, die Calasanzio in den Straßen Roms herumlaufen und lärmen hörte, jene, denen De la Salle in den armen Dörfern Frankreichs begegnete, oder jene, die Don Bosco um sich scharte, sie können wir heute unter denen antreffen, die den wahren Sinn des Lebens verloren haben und denen jeder Elan für Ideale fehlt, denen keine Werte vor Augen gestellt werden und die nicht mehr die Schönheit des Glaubens kennen, hinter denen nur entwurzelte, zur Liebe unfähige Familien stehen, die oft Situationen materiellen und geistlichen Mangels erleben und Sklaven der neuen Idole einer Gesellschaft sind, welche ihnen nicht selten nur eine Zukunft in Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung in Aussicht stellt. An eben diese neuen Armen richtet sich die Katholische Schule im Geiste der Liebe. Sie, die doch aus dem Wunsch entstand, allen, besonders aber den Ärmsten und am meisten an den Rand Gedrängten, die Möglichkeit einer Ausbildung, des Erhalts eines Arbeitsplatzes und einer menschlichen und christlichen Erziehung zu bieten, kann und muß in diesem Sinne im Kontext der alten und neuen Formen der Armut jene ursprüngliche Synthese der Leidenschaft und der Liebe zur Erziehung finden, welche Ausdruck der Liebe Christi zu den Armen, Kleinen und zu den vielen ist, die auf der Suche nach der Wahrheit sind. Die Katholische Schule im Dienst der Gesellschaft 16. Die Katholische Schule kann man nicht getrennt von den übrigen Erziehungseinrichtungen betrachten und sie als davon unabhängige Institution führen, sondern sie muß mit der Welt der Politik, der Wirtschaft, der Kultur und der Gesellschaft in ihrem Gesamt in Beziehung stehen. Es ist darum Aufgabe der Katholischen Schule, sich mit Entschiedenheit mit der neuen kulturellen Situation zu befassen, sich als kritische Instanz gegenüber partialen Erziehungskonzepten und als Bei- 1041 KONGREGATIONEN UND RÄTE spiel und Anreiz für andere Erziehungseinrichtungen zu erweisen und sich zum vorgeschobenen Posten in der Sorge der kirchlichen Gemeinschaft um die Erziehung zu machen. In dieser Weise wird die öffentliche Rolle der Katholischen Schule klargestellt, die nicht als eine Privatinitiative, sondern als Ausdruck der Wirklichkeit der Kirche entsteht und von ihrem Wesen her einen öffentlichen Charakter trägt. Sie leistet einen Dienst zum öffentlichen Nutzen und ist, auch wenn sie klar und erklärtermaßen in der Perspektive des katholischen Glaubens gestaltet ist, nicht nur für Katholiken reserviert, sondern steht allen offen, die ein qualifiziertes Erziehungskonzept zu würdigen und zu teilen wissen. Diese Dimension des Offenseins erweist sich besonders deutlich in den Ländern mit nichtchristlicher Mehrheit und in solchen, die noch in der Phase der Entwicklung sind, wo die Katholischen Schulen seit jeher ohne irgendeine Diskriminierung den Fortschritt der Bürger und die Förderung der Person unterstützten. Die Katholischen Schuleinrichtungen haben ferner gleich den staatlichen Schulen eine öffentliche Funktion und garantieren durch ihre Präsenz den kulturellen und erzieherischen Pluralismus, vor allem aber die Freiheit und das Recht der Familie, die das für die Erziehung der eigenen Kinder beabsichtigte Erziehungsziel auch verwirklicht sehen möchte. 17. In dieser Hinsicht ist die Katholische Schule in einen ehrlichen und konstruktiven Dialog mit den Staaten und den bürgerlichen Gemeinden eingetreten. Der Dialog und die Zusammenarbeit müssen auf wechselseitige Achtung, auf die gegenseitige Anerkennung der je eigenen Rolle und auf den gemeinsamen Dienst am Menschen gegründet sein. Um dies zu verwirklichen, fügt die Katholische Schule sich weitgehend in die Schulsysteme der verschiedenen Nationen und in die Gesetzgebung der einzelnen Staaten ein, soweit diese die Grundrechte der Person, angefangen von der Achtung vor dem Leben und vor der Religionsfreiheit, beachten. Die ordnungsgemäße Beziehung zwischen Staat und Schule, und zwar nicht nur der Katholischen, hat nicht so sehr von den institutioneilen Beziehungen auszugehen als vielmehr vom Recht der Person, eine angemessene Erziehung nach freier Wahl zu erhalten. Dies ist ein Recht, dem gemäß dem Subsidiaritätsprinzip zu entsprechen ist. Denn „die Staatsgewalt, deren Aufgabe es ist, die bürgerlichen Freiheiten zu schützen und zu verteidigen, muß zur Wahrung der,austeilenden Gerechtigkeit’ darauf sehen, daß die öffentlichen Mittel so ausgegeben werden, daß die Eltern für ihre Kinder die Schulen nach ihrem Gewissen wirklich frei wählen können“. Im Rahmen nicht nur der formalen Proklamation, sondern der effektiven Ausübung dieses Grundrechts des Menschen stellt sich in einigen Ländern das entscheidende Problem der rechtlichen und finanziellen Anerkennung der nicht- Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 9. Vgl. Hl. STUHL, Charta der Familienrechte, Art. 5. Vgl. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben, Familiaris consortio, Nr. 40; vgl. auch KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Instruktion Libertatis conscientia, Nr. 94. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 6. 1042 KONGREGATIONEN UND RÄTE staatlichen Schule. Wir machen uns den kürzlich noch einmal von Johannes Paul II. ausgesprochenen Wunsch zu eigen, daß in allen demokratischen Ländern „endlich in konkreter Weise die wirkliche Gleichstellung der nichtstaatlichen Schulen umgesetzt werde, welche gleichzeitig auch deren Erziehungskonzept achte“. Der erzieherische Stil der Erziehungsgemeinschaft 18. Bevor wir zum Schluß kommen, möchten wir uns noch kurz über den Stil und die Rolle der Erziehungsgemeinschaft unterhalten, die sich aus der Begegnung und der Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten konstituiert: aus Schülern, Eltern, Lehrern, Schulträger und nicht-lehrendem Personal. Diesbezüglich wird mit Recht die Bedeutung des Klimas untereinander und der Weise des Umgangs miteinander betont. Im Laufe des Entwicklungsalters sind personale Beziehungen mit beispielgebenden Erziehern notwendig, und sogar die Kenntnisse selbst haben einen größeren Einfluß auf die Bildung des Schülers, wenn sie in einen Kontext persönlicher Anteilnahme, echten Austausches, konsequenter Haltungen, konsequenten Stils und konsequenter tagtäglicher Verhaltensweisen gestellt werden. Vor diesem Horizont muß bei aller notwendigen Bewahrung der jeweiligen Rollen die Gestalt der Schule als Gemeinschaft gefordert werden, was einen der Reichtümer der gegenwärtigen Institution Schule darstellt. Ferner ist es von Nutzen, im Einklang mit dem II. Vatikanischen Konzil daran zu erinnern, daß die Dimension der Gemeinschaft in der Katholischen Schule nicht einfach eine soziologische Kategorie ist, sondern auch ein theologisches Fundament hat. Die Erziehungsgemeinschaft als Ganzes genommen ist darum herausgefordert, das Ziel einer Schule als eines Ortes ganzheitlicher Erziehung mittels der interpersonalen Beziehungen zu fördern. 19. In der Katholischen Schule liegt „die erste Verantwortung dafür, daß in der Schule ein eigener christlicher Stil herrscht, bei den Lehrern, und zwar als Einzelpersonen wie als Kollegium“. Die Lehrtätigkeit ist eine Handlung von außerordentlichem moralischen Gewicht, sie ist eine der höchsten und schöpferischsten Tätigkeiten des Menschen, denn der Lehrer prägt nicht etwas in eine tote Materie ein, sondern in den Geist der Menschen selbst. Von daher bekommt die personale Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, die sich nicht auf ein einfaches Geben <286> <287> JOHANNES PAUL II., Schreiben an den Generaloberen der Scolopiner, in: L'Osservatore Romano vom <287> Juni 1997, 5. Vgl. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Der katholische Lehrer - Zeuge des Glaubens in der Schule, Nr. 22. Vgl. ebd. Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 8. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die religiöse Dimension der Erziehung in der Katholischen Schule, Nr. 26. 1043 KONGREGATIONEN UND RÄTE und Nehmen beschränkt, einen Wert höchsten Ranges. Darüber hinaus muß man sich immer mehr bewußt sein, daß die Lehrer und Erzieher eine spezifische christliche Berufung und eine ebenso spezifische Teilhabe an der Sendung der Kirche leben und „daß es wesentlich von ihnen abhängt, wieweit die Katholische Schule ihre Absichten und Initiativen verwirklichen kann“. 20. In der Erziehungsgemeinschaft haben die Eltern als von Natur aus Erstverantwortliche für die Erziehung ihrer Kinder eine Rolle von besonderer Bedeutung. Leider erlebt man heute die verbreitete Tendenz, daß sie diese ureigene Aufgabe delegieren. Deshalb wird es notwendig, nicht nur Initiativen anzuregen, die zur Übernahme dieser Verpflichtung mahnen, die dabei aber auch konkrete und richtige Hilfe dafür anbieten und die Familien in das Erziehungskonzept der Katholischen Schule einbeziehen. Beständiges Ziel der schulischen Erziehung muß dämm die Begegnung und der Dialog mit den Eltern und den Familien sein, was auch durch die Förderang der Eltemvereinigungen begünstigt werden muß, um durch ihren unersetzlichen Beitrag jene Personalisierang zu bestimmen, die jegliches geplantes Erziehungsziel erst wirksam werden läßt. Schluß 21. Der Heilige Vater hat mit einem sehr beeindruckenden Wort daraufhingewiesen, daß der Weg des Menschen der Weg Christi und der Kirche ist. Dieser Weg darf kein anderer sein als der, auf dem die Verkünder des Evangeliums voranschreiten, die dabei der Dringlichkeit der erzieherischen Herausforderung begegnen. Der Einsatz in der Schule erweist sich so als unersetzliche Aufgabe, ja, die in der Katholischen Schule erbrachte Investition in Menschen und Mittel wird sogar zu einer prophetischen Entscheidung. Auch an der Schwelle zum dritten Jahrtausend spüren wir noch stark den Auftrag, den die Kirche an jenem „Pfingsten“, das das II. Vatikanische Konzil bedeutete, der Katholischen Schule zugewiesen hat: weil diese „dem Volk Gottes in der Erfüllung seines Auftrages so forderlich und dem Gespräch zwischen Kirche und menschlicher Gemeinschaft zu deren beiderseitigem Vorteil nützlich sein kann, behält sie auch in unserer heutigen Welt eine entscheidende Bedeutung“. <288> <288> Juni 1997, 5. Vgl. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Der katholische Lehrer - Zeuge des Glaubens in der Schule, Nr. 22. Vgl. ebd. Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 8. KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Die religiöse Dimension der Erziehung in der Katholischen Schule, Nr. 26. Rom, den 28. Dezember 1997, am Fest der Heiligen Familie Pio Kardinal Laghi Jose Saraiva Martins Präfekt Titularerzbischof von Tubumica Sekretär II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 8. Vgl. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben, Familiaris consortio, Nr. 40. Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 14. II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über die Christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 8. 1044 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die ökumenische Dimension in der Ausbildung/Bildung derer, die in der Pastoral tätig sind Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, veröffentlicht 1997 Vorwort Am 25. März 1993 billigte Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. das revidierte Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, bestätigte es kraft seiner Autorität und ordnete seine Veröffentlichung an. Eines der Hauptanliegen des Direktoriums ist eine ökumenische Ausbildung/Bildung in Seminaren und theologischen Fakultäten. Daher wurde entschieden, daß die Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen im Jahr 1995 mit den Prinzipien und Empfehlungen, die im Direktorium dargelegt sind, studieren und entfalten sollte. Zur Vorbereitung der Diskussion in der Plenaria wurden auf einer Konsultation von Fachleuten, die verschiedene Disziplinen in Seminarien und Fakultäten lehren, zwei Dokumente entworfen, bei denen zuvor Dozenten mehrerer theologischer Fachrichtungen konsultiert wurden: Das eine beschäftigte sich mit einer ökumenischen Ausrichtung der Ausbildung/Bildung derer, die in der Pastoral tätig sind, und das andere skizzierte den Inhalt eines gesonderten Ökumene-Kurses. Die Plenaria von 1995 widmete sich hauptsächlich der Diskussion dieser Vorschläge und Empfehlungen, um sie zu vervollständigen. Die Bischöfe rieten insbesondere dazu, einen einzigen Test zu erstellen, der den Inhalt beider Vorbereitungsdokumente aufnimmt. Diese Aufgabe wurde während der Vollversammlung durchgefiihrt und das Ergebnis, das im wesentlichen dem vorliegenden Text entspricht, geprüft und gebilligt. Danach oblag es dem Mitarbeiterstab des Päpstlichen Rates, diesen Text zur Veröffentlichung vorzubereiten. Die Kongregationen für die Glaubenslehre und für das Katholische Erziehungswesen waren an der Erstellung dieses Dokumentes beteiligt. Während der besonderen Audienz, die am Ende der Vollversammlung stand, unterstrich der Heilige Vater die Bedeutung der Arbeiten für dieses Studiendokument: „Sie haben sich besonders mit dem Problem der ökumenischen Ausbildung/Bildung in Seminaren und theologischen Fakultäten beschäftigt, was als eines der Hauptanliegen des Direktoriums zu gelten hat. Sie wollten sich damit auf eine moderne und praktische Weise gemäß den Anforderungen der Erziehungswissenschaften befassen. Diese können nicht auf eine bloße Aneinanderreihung von Informationen über die ökumenische Bewegung reduziert werden. Ich hoffe, daß die praktischen Direktiven, die Sie erwähnten, es ermöglichen, daß die ökumenische Dimension durch die Verwendung der interdisziplinären Methode und durch konfessionsübergreifende Zusammenarbeit, wie es vom Ökumenischen Direktorium vorgesehen ist, zu einem integralen Bestandteil in der Lehre der unterschiedlichen Fachrichtungen wird.“ 1045 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Heilige Vater fugte hinzu, daß eine solche Ausbildung/Bildung „eine wichtige Herausforderung für die Entwicklung der ökumenischen Forschung und ihrer Förderung in (Aus-)Bildungsinstituten und im pastoralen Leben darstellt“. Der folgende Text ist deshalb ein Studiendokument, das die Inhalte des Direktoriums aufgreift und sie weiter konkretisiert. Es ist für all jene bestimmt, die die Verantwortung für die theologische und pastorale Ausbildung/Bildung innehaben. Es soll ihnen dabei helfen, sicherzustellen, daß jenen, die zukünftig in der Pastoral tätig sind, und auch denen, die Theologie-Professoren werden, eine angemessene ökumenische Ausbildung zuteil wird. Auf diese Weise werden sie besser den Anforderungen, die das Leben der Kirche von heute stellt, gewachsen sein. EDWARD IDRIS Kardinal CASSIDY Präsident + PIERRE DUPREY Titular-Bischof von Thibar Sekretär Einführung [1] Das Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Öku-menismus besteht darauf, daß eine ökumenische Dimension den Ausbildungs-/Bildungsprozeß umfassend prägt.1 Das vorliegende Dokument des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen richtet sich an jeden einzelnen Bischof, die Synoden der Orientalischen Katholischen Kirchen und die Bischofskonferenzen sowie an jene, denen die besondere Verantwortung der pastoralen (Aus-)Bildung obliegt. Sein Zweck besteht darin, sie in dieser Verantwortung auf der lokalen, nationalen und regionalen Ebene2 zu unterstützen. Dies hat in Übereinstimmung mit den allgemeinen Prinzipien zu stehen, die im Dekret Unita-tis redintegratio (1964) des II. Vatikanischen Konzils, dem Direktorium (1993) und in der Enzyklika Ut unum sint (1995) dargelegt sind. Die Richtlinien, die es enthält, betonen die Notwendigkeit einer ökumenischen Bildung aller Christgläubigen. Sie zielen insbesondere auf eine gründliche ökumenische Ausbildung/Bildung derer, die für eine zukünftige pastorale Arbeit vorbereitet werden, seien sie ordinierte Amtsträger oder nicht. Sie geben insbesondere Empfehlungen, die eine erforderliche ökumenische Dimension in ihren theologischen Studien gewährleisten wollen. Dieses Dokument beabsichtigt, die Forderungen des Direktoriums zu entfalten, insbesondere in Kapitel III. Es ist daher zusammen mit den entsprechenden Passagen aus dem Direktorium, auf die in den Fußnoten hingewiesen wird, zu lesen. Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, Bonn 1993 [Hg, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz; Reihe „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles“, Nr. 110; zitiert als Direktorium], Kapitel III. Cf. Direktorium, §§55 und 72. 1046 KONGREGATIONEN UND RÄTE [2] „Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht einen jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen.“3 Das II. Vatikanische Konzil lehrt, daß die Wiederherstellung der vollen sichtbaren Gemeinschaft aller Christen der Wille Christi ist und wesentlich für das Leben der Katholischen Kirche. Dies ist die Aufgabe aller, Laien wie Ordinierter: „... alle Gläubigen [sind] dazu aufgerufen, sich zu bemühen, die wachsende Gemeinschaft mit den anderen Christen zu fordern“.4 „Die Katholische Kirche nimmt hoffnungsvoll die ökumenische Verpflichtung an als eine Forderung des vom Glauben erleuchteten und von der Liebe geleiteten christlichen Gewissens.“5 Dies erfordert von jedem eine innere Umkehr und Teilnahme an der Erneuerung der Kirche. Daher ist eine ökumenische (Aus-)Bildung entscheidend, um alle zu ihrem spezifischen Beitrag für die Einheit zu befähigen. „Die ökumenische Bildung zielt darauf ab, daß alle Christen vom ökumenischen Geist beseelt werden, was immer ihre besondere Sendung und Aufgabe in der Welt und Gesellschaft auch sein mögen.“6 Deshalb sind notwendigerweise eine Erneuerung der Einstellungen und Flexibilität in den Methoden notwendig, um diesen ökumenischen Geist formen zu helfen. A. Ökumenische Bildung ist für alle Gläubigen notwendig [3] Weil christliche Bildung auf jeder Ebene und für jede Phase des christlichen Lebens notwendig ist, bedarf es einer Reflexion darüber, auf welche Weise die ökumenische Dimension in diesen verschiedenen Arten der Bildung gewährleistet werden kann. Deshalb ist es entscheidend, daß diejenigen, die eine wesentliche Rolle in der Formung solch einer Bildung spielen, selbst eine gründliche ökumenische (Aus-)Bildung erfahren haben sollten - vor allem die Geistlichkeit, Mitglieder des Ordenswesens und Gesellschaften apostolischen Lebens, Katechisten und andere in der religiösen Erziehung offiziell Tätige sowie Leiter geistlicher Bewegungen und kirchlicher Gemeinschaften. [4] Das Direktorium zählt zu den vorrangigen Mitteln einer ökumenischen (Ausbildung: das Hören und Bedenken des Wortes Gottes, die Predigt, die Katechese, die Liturgie und das geistliche Leben. Jedes von ihnen wird erst dann vollständig sein, wenn es seinen Beitrag zur Formung eines ökumenischen Geistes liefert. Dazu wird Näheres dort ausgefiihrt.7 Zweites Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio Nr. 5. Direktorium, § 55. Enzyklika Ut nimm sint von Papst Johannes Paul II. über den Einsatz für die Ökumene, Bonn 1995 [Hg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz; Reihe „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles“, Nr. 121], § 8; auch §§ 6-9 und §§ 15-16. Direktorium, § 58. Cf. ibid., §§ 59-64. 1047 KONGREGATIONEN UND RÄTE [5] Auf ähnliche Weise sind die Anforderungen zu bedenken, die das Direktorium hinsichtlich der Orte, an denen solch ein Bildungsprozeß stattfindet, erwähnt, insbesondere die Familie, die Gemeinde, die Schule sowie verschiedene Bewegungen, Verbindungen und Gruppen.8 Zum Beispiel empfiehlt es, daß die religiöse Erziehung in Schulen aller Arten eine ökumenische Dimension haben und darauf ausgerichtet sein soll, die Herzen und den Verstand junger Menschen in den notwendigen menschlichen und religiösen Grundlagen zu erziehen, die die Suche nach der Einheit der Christen begünstigen.9 B. Die ökumenische Ausbildung/Bildung von Theologiestudenten, Seminaristen und zukünftigen Mitarbeitem/-innen in der Pastoral [6] Die folgenden Vorschläge sind in erster Linie dazu gedacht, Anwärter auf das ordinierte geistliche Amt und Theologiestudenten zu einer gründlicheren ökumenischen Bildung während der Zeit des Priesterseminars oder der theologischen Ausbildung zu ermutigen. Das Direktorium stellt klar, daß diese Grundsätze in angemessener Weise an die (Aus-)Bildung anderer in der Pastoral Tätiger angepaßt werden sollten.10 [7] „Die ökumenischen Beziehungen sind eine komplexe und heikle Wirklichkeit, welche Studien, theologischen Dialog, brüderliche Beziehungen, Kontakte, Gebete und praktische Zusammenarbeit erfordern. Wir sind dazu aufgerufen, umfassend in allen Gebieten zu arbeiten. Es kann niemals ein Ergebnis erlangt werden, wenn man sich auf eines der Gebiete beschränkt, während man die anderen vernachlässigt. Diese umfassende Sicht der ökumenischen Tätigkeit sollte bei der Darstellung oder Erklärung unseres Anliegens nicht vergessen werden.“11 Es ist daher sinnvoll, einige wichtige allgemeine Überlegungen herauszustellen, die die (Aus-)Bildung, die für eine solche Aufgabe nötig ist, betreffen: a) Seit die ökumenische (Aus-)Bildung auf mehreren Ebenen stattfindet, um auf die Arbeit in den eben erwähnten Gebieten vorzubereiten, sollte sie nicht nur darauf abzielen, kognitive Informationen weiterzugeben, sondern auch darauf, die ökumenische Umkehr und Verpflichtung der Teilnehmer zu motivieren und zu beleben. Sie sollte einen Geist des Vertrauens stärken, der erkennt, daß Ökumene „die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt“.12 Cf. ibid., §§ 65-69. Cf. ibid., § 68. Cf. ibid., § 83. JOHN PAUL II, Address to the Plenary Assembly of the Pontifical Council for Promoting Christian Unity [February 1, 1991], § 2, Information Service [IS] 78, 1991/III-IV, 140. Unitatis redintegratio, Nr. 24. 1048 KONGREGATIONEN UND RÄTE b) Das Direktorium spricht von der Notwendigkeit einer Pädagogik, die „den konkreten Situationen des Lebens der Menschen und der Gruppen entspricht“.13 Folglich sollten alle angemessenen induktiven und deduktiven Methoden angewandt werden. c) Die lehrmäßige (Aus-)Bildung nimmt einen wichtigen Stellenwert in der ökumenischen (Aus-)Bildung ein, aber auch geistliche, seelsorgerliche und ethische Fragen sollten behandelt werden. d) Die dogmatische (Aus-)Bildung über die Ökumene sollte den Zusammenhang, in welchem sie steht, mitbeachten. Besondere Aufmerksamkeit sollte daher den einzelnen ökumenischen Gegebenheiten und pastoralen Anliegen der betroffenen Region oder des betroffenen Landes zukommen.14 [8] Muster, Aufbau und Dauer der theologischen Kurse für Studenten unterscheiden sich von Land zu Land erheblich. Auch theologische Fakultäten, Seminare, Studienzentren für eine Anfangs-Ausbildung/-Bildung in religiösen Orden und andere pastorale, theologische oder katechetische Institute werden auf jeweils ihre Weise unterschiedliche Lösungen finden und dabei auf unterschiedliche Schwierigkeiten treffen. Es ist daher nicht möglich oder wünschenswert, einen Entwurf zu erstellen, der auf jedes (Aus-)Bildungsprogramm anzuwenden wäre. Jedoch geben die folgenden zwei Kapitel wichtige Richtlinien, um die Forderungen des Direktoriums nach einer ökumenischen Dimension in der Lehre jeder theologischen Disziplin und der speziellen Lehre über den Ökumenismus vorzustellen. I. Notwendige Voraussetzungen zur Einführung einer ökumenischen Dimension auf jedem Gebiet der theologischen Ausbildung/Bildung [9] Der Ökumenismus sollte vollends in die theologische Ausbildung/Bildung derjenigen, die sich mit pastoraler Arbeit beschäftigen werden, integriert sein, um ihnen die Aneignung einer „echten ökumenischen Einstellung“15 zu erleichtern. Das Direktorium hält einen besonderen Einführungskurs in die Ökumenik für erstrebenswert.16 Zusätzlich und in sogar noch erheblicherem Maße stellt es eine neue Forderung auf: Reflexion und Planung sollten in jeder Fachrichtung so vorgenommen werden, daß eine ökumenische Dimension alle Unterrichtsfächer durchdringt.17 Das Direktorium erwähnt einige wesentliche Elemente, die jenes Direktorium, § 56. Cf. ibid., § 82. Ibid., § 70. Cf. ibid., §§ 79-81, siehe unten, Kapitel II dieses Dokuments. Cf ibid., §§ 72-78, 83-84. 1049 KONGREGATIONEN UND RÄTE ermöglichen, und gibt Hinweise auf eine ökumenische Fundamentalmethodologie. Dieses Kapitel befaßt sich mit dieser Forderung. A. Wesentliche Elemente für die ökumenische Ausrichtung jeder theologischen Fachrichtung [10] Das Direktorium bittet die Synoden der Orientalischen Katholischen Kirchen und der Bischofskonferenzen zu gewährleisten, daß die Studienpläne eine ökumenische Ausrichtung in allen theologischen Sachgebieten erhalten.18 Das Glaubensleben und die Glaubensgebete - in der Erleuchtung durch den Heiligen Geist - weisen auf die Haltung hin, mit welcher jedes Fach angegangen werden sollte: mit der Liebe zur Wahrheit, gepaart mit dem Geist der Nächstenliebe und Menschlichkeit.19 Ausgehend von solch einer Haltung, die der Methode eines wahrhaften Dialogs unterliegt, sollten die vom Direktorium vorgeschlagenen wesentlichen Elemente reflektiert und in jedes Fach eingebunden werden, um die notwendige ökumenische Ausrichtung zu gewährleisten. Diese wesentlichen Elemente sind:20 1. Hermeneutik; 2. Die „Hierarchie der Wahrheiten”; 3. Die Früchte der ökumenischen Dialoge. [11] 1. Die HERMENEUTIK ist ein nützliches Werkzeug der ökumenischen Reflexion, wenn Studenten lernen sollen, wie zwischen dem „depositum fidei“ und den Formulierungsweisen dieser Wahrheiten zu unterscheiden ist.21 Die Hermeneutik wird hier als die Kunst der richtigen Interpretation und richtigen Kommunikation der Wahrheiten der Heiligen Schrift und der Dokumente der Kirche verstanden: der liturgischen Texte, konziliaren Entscheidungen, der Schriften der Kirchenväter und -lehrer und anderer Dokumente der Lehrautorität der Kirche, ebenso der ökumenischen Texte. Fernerhin vermag der ökumenische Dialog, welcher die beteiligten Seiten veranlaßt, sich gegenseitig zu befragen und zu verstehen sowie einander die jeweils eigenen Standpunkte zu erklären, in der Frage zu helfen, ob unterschiedliche theologische Formulierungen eher ergänzend als widersprüchlich sind und so ein beidseitig annehmbarer, offenkundiger Ausdmck des Glaubens entwickelt werden kann.22 Auf diese Weise bahnt sich bereits eine gemeinsame ökumenische Sprache an. [12] 2. DIE HIERARCHIE DER WAHRHEITEN wird im Dekret Unitatis redin-tegratio als ein Kriterium beschrieben, dem Folge zu leisten ist, wenn Katholiken Cf. ibid., § 72. Cf. Unitatis redintegratio, Nm. 11, 24, Utunum sint, Nr. 36 und Direktorium, § 180. Cf. Direktorium, §§ 74, 75, 78, 181-182. Cf. ibid., § 181; siehe auch §§ 74, 76a und Utunum sint, Nrn. 38.81. Cf. Ut unum sint, Nr. 38; Direktorium, § 74; Unitatis redintegratio, Nr. 17. 1050 KONGREGATIONEN UND RÄTE Lehren darlegen oder vergleichen.23 Das katholische Verständnis der Hierarchie der Wahrheiten ist in einigen nachkonziliaren Dokumenten entfaltet worden.24 Es wurde außerdem in einigen ökumenischen Dialogen thematisiert.25 Es kann ebenfalls als ein Kriterium für die lehrmäßige (Aus-)Bildung in der Kirche dienen und auf Gebieten wie dem geistlichen Leben und der Volksfrömmigkeit angewendet werden. [13] 3. DIE FRÜCHTE DER ÖKUMENISCHEN DIALOGE26 sollten auf allgemein verständliche Weise dargestellt werden. Die Lehrverantwortlichen sollten achtsam alle Ergebnisse abwägen, die mit dem Stoff, den sie lehren, in Verbindung stehen. Es sollte genau auf Unterscheidungen geachtet werden, die in gemeinsamen Erklärungen gemacht werden, so wie Divergenz und Konvergenz, partielle Zustimmung, Konsens und völlige Übereinstimmung. Solch eine Würdigung kann durch die Förderung neuer Einsichten den Prozeß der Rezeption unterstützen, der vom offiziellen Lehramt der Kirche geleitet wird. Dieses hat die Verantwortung, die endgültige Entscheidung über ökumenische Aussagen zu treffen. Neue Einsichten, die dabei akzeptiert werden „gehen in das Leben der Kirche ein und erneuern in gewissem Sinne das, was zur Versöhnung zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften beiträgt“.27 Es wird der „ernsthaften Untersuchung“ helfen, die Gesamtheit des Gottesvolkes miteinzubeziehen, wie es die Enzyklika Ut unum sint verlangt. Nach dieser Enzyklika sollen die unterschiedlichen Dialoge und Aussagen nicht nur „Aussagen der bilateralen Kommissionen bleiben, sondern müssen Gemeingut werden“.28 [14] In der Lehre jeder Fachrichtung sollte die Aufmerksamkeit auch anderen Faktoren gelten, die, wenn auch im engeren Sinn nicht theologisch, dennoch wichtige ökumenische Konsequenzen haben, zum Beispiel solche, die sich aus der Geschichte und der Kultur ergeben. [15] Das Direktorium bietet einige Hinweise, wie diese ökumenische Dimension auf verschiedene Stoffgebiete ausgedehnt werden kann.29 Konkretere Beispiele werden der Reflexion derer überlassen, die direkt an der Lehre der Fächer beteiligt Cf. Unitatis redintegratio, Nr. 11. SEKRETARIAT ZUR FÖRDERUNG DER EINHEIT DER CHRISTEN, Reflections and Suggestions concerning Ecumenical Dialogue. A Working Instrument at the Disposal of Ecclesiastical Authorities for Concrete Application of the Decree on Ecumenism, IS 12, 1970/IV, 5-11; cf auch KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Mysterium ecclesiae zur katholischen Lehre über die Kirche und ihre Verteidigung gegen einige Irrtümer von heute (15.2.1975), hg. v. K. Lehmann, Trier 1975, Nr. 4; cf auch Direktorium, § 75 und Ut unum sint, Nr. 37. Z.B. GEMEINSAME ARBEITSGRUPPE DER RÖMISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE UND DES ÖKUMENISCHEN RATES DER KIRCHEN [ÖRK], Der Sechste Bericht und Appendix B: Der Begriff der „Hierarchie der Wahrheiten “ — Eine ökumenische Interpretation, 1990, in: DwÜ2, 751-760. Cf. Direktorium, §§ 178-182. Ibid., § 182. Ut unum sint, Nr. 80; siehe auch Nm. 36-39, 80-81 und Kapitel II Passim. Cf Direktorium, §§ 77-78. 1051 KONGREGATIONEN UND RÄTE sind. Sie werden in der Lage sein, die Erfordernisse in ihrem Fachgebiet mit den Bedürfnissen ihres jeweiligen Landes oder der jeweiligen Region und den entsprechenden christlichen Gemeinschaften in Beziehung zu setzen. Jedoch enthält Paragraph 20 dieses Dokuments wichtige Empfehlungen, wie die hierfür nötige Reflexion gefördert werden kann. B. Eine ökumenische Methodologie in jeder theologischen Fachrichtung [16] Im Direktorium werden wichtige Hinweise auf eine fundamentale ökumenische Methode gegeben, die in der Lehre jeder einzelnen Fachrichtung angewendet werden sollte.30 Sie umfaßt eine analytische Darstellung: 1. jener Elemente, die Christen gemeinsam haben; 2. der Punkte, über die keine Einigkeit besteht; 3. die Ergebnisse der ökumenischen Dialoge. [17] 1. ELEMENTE, DIE CHRISTEN GEMEINSAM HABEN. Die Aufinerksam-keit sollte darauf gelenkt werden, daß es unter Christen bereits eine wirkliche Gemeinschaft gibt. Dieses ist zu erkennen in der Verehrung des lebendigen Wortes Gottes und dem gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens an den dreieinigen Gott und die erlösende Tat Christi, den menschgewordenen Sohn Gottes. Es findet seinen Ausdruck in den verschiedenen Glaubensbekenntnissen, die die Christen teilen. Es wird deutlich in dem einen Sakrament der Taufe, das das grundsätzliche Band zwischen ihnen knüpft, und es leitet sie alle zu einer völlig sichtbaren Einheit und einer gemeinsamen Bestimmung im Reich Gottes.31 Jede Gemeinschaft bewahrt auf ihre eigene Weise die „Reichtümer der Liturgie, der Spiritualität und der Lehre“32, die diesen gemeinsamen Glauben ausdrückt. All dies kann in einem vorgegebenen Bereich der Lehre hervorgehoben werden und wird das Verständnis des Mysteriums der Kirche vertiefen, besonders daß ihre Einheit „im Rahmen einer reichen Vielfalt verwirklicht“ wird und daß die legitime Vielfalt eine Dimension der Katholizität der Kirche ist.33 [18] 2. PUNKTE DER UNEINIGKEIT. Auf diesem Hintergrund ist es möglich, klar auszumachen, wo noch wirkliche Punkte der Uneinigkeit bestehen. Diese sollten in einem eigenen Lehrfach untersucht werden.34 [19] 3. DIE ERGEBNISSE DER ÖKUMENISCHEN DIALOGE. Die oben beschriebene Methode liegt der Arbeit der aktuellen verschiedenen ökumenischen Dialoge zugrunde.35 Die Ergebnisse, die aus ihnen hervorgehen, müssen deshalb Cf. ibid., §§ 76-78, 179-182. Cf. Unitatis redintegratio, Nm. 14,22-23; cf ebenso Direktorium, § 76a und Ut unum sint, Nm. 47-49. Direktorium, § 76b. Cf ibid., §§ 16 und 76b. Cf. ibid., § 76c und Ut unum sind, Nm. 36-39. Cf Direktorium, §§ 172 und 178-182. 1052 KONGREGATIONEN UND RÄTE genau erklärt werden und in alle Lehrstoffe mit einfließen. Die in der Enzyklika Ut unum sint enthaltenen Hinweise unterstützen diese Auffassung.36 C. Praktische Empfehlungen [20] Um die Vorschläge aus den vorangegangenen Abschnitten A und B umzusetzen, wird der kirchlichen Hierarchie und den Leitern der akademischen Einrichtungen dringend empfohlen, diejenigen zu ermutigen, die einzelne Fachrichtungen lehren (es könnten reguläre Zusammenkünfte ihrer beruflichen Verbände, z. B. von Bibelgelehrten, Dogmatikern, Moraltheologen, Liturgen, Kirchenhistorikem usw. genutzt werden), folgendes zu tun: a) Gemeinsam entdecken, was für eine wirksame ökumenische Lehre in verschiedenen akademischen Kursen wichtig ist. Ermutigung zu einer angemessenen Integration der ökumenischen Dimension in alle Stufen des Studiums; b) Programme entwickeln, die den Stand der vorangegangenen Ausbildung/Bildung der Studenten und das, was nötig für ihre fruchtbare Mitarbeit in den ökumenischen Studien ist, berücksichtigen; c) Zur Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Professoren der unterschiedlichen Fachrichtungen und Institutionen ermutigen, um eine fachübergei-fende ökumenische Lehre zu gewährleisten, wie sie vom Direktorium vorgesehen ist;37 d) Die Kooperation mit Professoren anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften fordern, wenn diese angemessen ist. Diese können z. B. eingeladen werden, um ihre kirchliche Tradition des christlichen Glaubens und der Weise, ihn zu leben, vorzustellen;38 e) Lokale Direktorien oder Richtlinien, die die allgemeinen Grundsätze und Normen auf besondere Situationen anwenden, für die kirchlichen und akademischen Autoritäten vorbereiten.39 [21] Die, die verantwortlich sind für die Berufungen an theologischen Fakultäten und Seminaren, müssen sicherstellen, daß die Lehrer und Forscher bereit sind, eine integrative ökumenische Methode in ihren jeweiligen Fachrichtungen anzuwenden. II. Spezifische Lehre über den Ökumenismus [22] Zusätzlich zur Einführung der bereits erwähnten ökumenischen Dimension und einer ökumenischen Methodologie in der Lehre besonderer akademischer Cf. Ut unum sint, Nr. 81. Cf. Direktorium. § 76. Cf. ibid., §§ 81,191-195; siehe auch § 91a. Cf. ibid., § 72. 1053 KONGREGA TIONEN UND RÄTE Fachgebiete verlangt das Direktorium einen spezifischen ökumenischen Studien- 7 40 kurs: - Er sollte verpflichtend sein.41 - In Übereinstimmung mit den akademischen Statuten sollte es eine Prüfung oder Bewertung des Wissens der Studenten über den Lehrinhalt dieses Kurses geben. - Er sollte mit praktischer ökumenischer Erfahrung einhergehen.42 [23] Gemäß dem Direktorium könnte dieser Studienkurs in zwei Stufen organisiert sein: - Zu Beginn stünde eine allgemeine Einführung in die ökumenische Ausrichtung ihrer Studien. - Zu einem späteren Zeitpunkt würde ein breites ökumenisches Wissen vermittelt. Dies wäre so angelegt, daß es in eine Synthese zu den anderen Bereichen ihrer theologischen (Aus-)Bildung tritt.43 Das Direktorium gibt Hinweise auf den zu erwägenden Inhalt.44 [24] Die folgenden Abschnitte enthalten Vorschläge über: a) den Inhalt der Allgemeinen Einführung in den Ökumenismus; und b) Gebiete, die später möglicherweise einer vertieften Behandlung bedürfen. Ihr Zweck ist es, zu einer notwendigen Reflexion zu verhelfen und zu ermutigen, um den geforderten ökumenischen Studienkurs zu etablieren und über seinen Aufbau zu entscheiden. Die Vorschläge müssen allerdings an die besonderen Umstände und Bedürfnisse angepaßt werden. A. Allgemeine Einführung in den Ökumenismus45 [25] Dieser allgemeine Einführungskurs hat zum Zweck, daß die Studenten klar das Ziel des Ökumenismus als die Wiederherstellung der vollen sichtbaren Einheit unter allen Christen erkennen.46 Die folgenden Themen haben als notwendiges Minimum zu gelten. Ihr Inhalt mag ergänzt oder erweitert werden, indem die besonderen Themengebiete, die Abschnitt B skizziert, zu Hilfe herangezogen werden können. a) Die Verpflichtung der Katholischen Kirche zum Ökumenismus - Biblische Grundlegungen des Ökumenismus, unter Einbeziehung von Lumen Gentium 1-4, Unitatis redintegratio 2, Ut unum sint 5-9; 40 41 42 43 44 45 46 Cf. ibid., §§ 72, 79-80, 83-84. Cf. ibid., § 79. Cf. ibid., §§ 82, 85-86. Cf. ibid., § 80. Cf. ibid., § 79. Cf. ibid., § 80a. Cf. Unitatis redintegratio, Nr. 1 und Ut unum sint, Kapitel 1, bes. Nm. 1-14. 1054 KONGREGATIONEN UND RÄTE - Katholische Prinzipien des Ökumenismus, wie sie in Lumen Gentium (besonders 8, 14-15), Unitatis redintegratio, Kapitel 1, Asm Direktorium, Kapitel 1, und Ut unum sint, Kapitel 1, dargestellt werden; - die Bedeutung von communio (koinonia), die Notwendigkeit von Erneuerung und Umkehr, die Bedeutung und der Stellenwert der kirchlichen Lehre, der Primat des Gebets; - entscheidende theologische und nichttheologische Faktoren, die zur Trennung beitragen (z. B. historische und kulturelle Faktoren); - historische Bemühungen, um Trennungen aufzuheben. b) Die grundlegende Rolle ökumenischer Dialoge — Ut unum sint - (Aus-)Bildung für den Dialog und Beteiligung an ökumenischen Beziehungen; die Bedeutung und Methode des Dialoges, unter Berücksichtigung von Ut unum sint 28-39 und dem Direktorium §§ 172-182; - Lehre sowie Kirchengeschichte, Kultur, liturgisches Gebet und Spiritualität als Themengebiete des Dialogs; - entscheidende Begriffe und Unterscheidungen: oikumene, gemeinsames Zeugnis, Hierarchie der Wahrheiten, legitime Verschiedenheit, Pluralität und Komplementarität von Lehrformulierungen, die Unterscheidung zwischen Ökumenismus und interreligiösem Dialog; - Ziele, Methoden und Ergebnisse ausgewählter Dialoge; - grundsätzliche Fragen für den weiteren Dialog, unter Einbeziehung von Ut unum sint 79. c) Einige aktuelle ökumenische Fragestellungen - Geistlicher Ökumenismus und die Bedeutung des ökumenischen Gebets; - Katholische Prinzipien, die Teilnahme am geistlichen und sakramentalen Leben bestimmen; - die Suche nach Einheit und der Auftrag der Mission; - gemeinsames Zeugnis; - ethische Probleme. B. Themenbereiche, die einer vertieften Behandlung bedürfen [26] Einige der folgenden Themen bedürfen möglicherweise einer eingehenderen Untersuchung auf einer späteren Stufe der (Aus-)Bildung:47 a) Biblische Grundlegungen des Ökumenismus48 Gottes Plan für die Einheit seines Volkes und die der ganzen Menschheit: - die trinitarische Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist; Cf. Direktorium, §§ 80b und 79. Cf. die Schriftbelege, die das Zweite Vatikanische Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nm. 1-4, Unitatis redintegratio, Nr. 2 und Ut unum sint, Nm. 5-9 geben; vgl. auch Standard-Bibellexika. 1055 KONGREGATIONEN UND RÄTE - die gottgewollte Einheit der Schöpfung und ihre Verwundung durch die Sünde -Einheit mit Gott, mit anderen Menschen und mit der Schöpfung; - der Bund, die Erwählung und die Rolle des Volkes Gottes; - das Leben, der Tod und die Auferstehung Jesu zur Sammlung der verstreuten Kinder Gottes in Einheit; - das Gebet Jesu, daß alle eins seien, damit die Welt glaube; - der verheißene Geist, der in alle Wahrheit fuhrt und zur Auferbauung des Leibes Christi mit geistlichen Gaben und Ämtern ausrüstet; - die Sendung der Apostel in der Gemeinschaft mit Petrus im Dienst an der Einheit; - die Einheit der Glaubenden durch die Taufe auf den Namen der Trinität und die Idee von koinonia. b) Katholizität in Zeit und Raum49 Wir bekennen im Glaubensbekenntnis die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. In diesem ekklesiologischen Zusammenhang können die folgenden Themen entfaltet werden: - das Konzept der oikumene im Neuen Testament und der frühen Kirche; - die volle sichtbare Gemeinschaft als Ziel der ökumenischen Bewegung;50 - Gemeinschaft zwischen lokaler und universaler Kirche: legitime Verschiedenheit als eine Dimension der Katholizität;51 - bischöfliche Kollegialität und Synodalität; - die Einheit der Kirche und die Einheit der Menschheit sowie damit verbundene Fragestellungen, wie z. B. Rassismus, die Gleichberechtigung der Frau, Randgruppen. c) Lehrgrundlage des Ökumenismus52 Es sollte einer Theologie der Gemeinschaft und den bereits existierenden Banden der Gemeinschaft53 Aufmerksamkeit gewidmet werden, insbesondere: - dem apostolischen Glauben; - der Heiligen Schrift; - den Glaubensbekenntnissen; - der Taufe; - dem sakramentalen Leben; - den liturgischen Liedern und Gebeten. Cf. Direktorium, § 79a. Cf. Unitatis redintegratio, Nm. 1.4 sowie Ut unum sind, Nm. 1-14. Cf. Direktorium, §§ 13-16 und Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio, Bonn 1992 [Hg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz; Reihe „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles“, Nr. 107]. Cf. Direktorium, § 79b; s. auch §§ 9-25 und 76. Cf. Lumen Gentium, Nr. 15 und Unitatis redintegratio, Nm. 13-23; auch Ut unum sind, Nm. 10-14. 1056 KONGREGATIONEN UND RATE d) Geschichte des Ökumenismus54 Eine Darstellung der Geschichte des Ökumenismus hat sowohl Fortschritte als auch Versagen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang können die folgenden Themen bedacht werden: - Einheit und Verschiedenheit in der frühen Kirche, zum Beispiel: Apostelgeschichte 15 und Galater 2 sowie die Lösung des Konfliktes zwischen Petrus und Paulus; die Schriften der Apostolischen Väter wie Klemens von Rom und Ignatius von Antiochien; - Trennungen, die bis heute von Bedeutung sind: - vom 5. Jahrhundert an (Ephesus, Chalcedon), - vom 11. Jahrhundert an (Trennung zwischen Konstantinopel und Rom), - vom 16. Jahrhundert an (die Reformation), - von relativ jungen Entwicklungen (z. B. Ursprung des Methodismus, Altkatholiken); - Versuche zur Wiederherstellung der Einheit, wie z. B.: das Konzil von Florenz (1439); das Augsburger Bekenntnis (1530); die „Mechelner Gespräche“ (1921— 1926); - die Entwicklung der gegenwärtigen ökumenischen Bewegung und die erneuerte Suche nach der Einheit der Christen: - die Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und vorausgegangene Ereignisse, - das Zweite Vatikanische Konzil (insbesondere Lumen gentium und Unitatis redintegratio) und bereits vorher verlaufene Entwicklungen in der katholischen Ökumene, - die bilateralen und multilateralen theologischen Dialoge und ihre Ergebnisse, - gemeinsame christologische Erklärungen mit den altorientalischen Kirchen, - Lebensverläufe entscheidender Personen in der Geschichte der Ökumene. e) Ziel und Methode des Ökumenismus55 Das katholische Verständnis der Einheit versteht diese als eine Gabe, durch die Gott die Christen zu Teilhabern an seiner eigenen Gemeinschaft macht. Wesentliche Bestandteile dieser Einheit sind: - Einheit im Glauben; - Einheit im sakramentalen Leben; - Einheit im Amt. Unitatis redintegratio, Kapitel 1, sollte als Ausgangspunkt gelten.56 Ähnliche Vorstellungen können zunehmend auch in anderen ökumenischen Dokumenten gefunden werden.57 Cf. Direktorium, § 79c. Cf Direktorium, § 79d. Cf Unitatis redintegratio, Nm. 2-4 und Lumen Gentium, Nr. 14; cf. auch Der Katechismus der Katholischen Kirche, § 815 und Ut unum sind, Nm. 9, 77. 1057 KONGREGATIONEN UND RÄTE Unterschiedliche Einheitsmodelle, die in der ökumenischen Bewegung diskutiert werden, können vorgestellt und im Licht der katholischen Lehre bewertet werden, zum Beispiel: - Konföderation; - Einheit in Tat und Zeugnis; - Versöhnte Verschiedenheit; - Konziliare Gemeinschaft; - Leuenberger Konkordie; - das Modell des Konzils von Florenz; - Organische Einheit; - Eucharistische koinonia. Die Hoffnung auf die Erfüllung des Gebetes Christi um die Einheit beseelt die ökumenische Verpflichtung der Katholischen Kirche und ihr Engagement im Dialog, was seinen Ausdruck in vielen offiziellen Kirchendokumenten findet, vor allem im/in: - Katechismus der Katholischen Kirche (1992); - Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Okumenismus (1993); - Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (1994); - Enzyklika Ut unum sint (1995); - Apostolisches Schreiben Orientale lumen (1995). f) Geistlicher Okumenismus Der „Geistliche Okumenismus“ sollte als „die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung“ angesehen werden.58 Sie ist daher ein wesentlicher Bestandteil in der ökumenischen (Aus-)Bildung. Entsprechende Themen schließen folgendes ein: - die Notwendigkeit von Umkehr und Heiligkeit des Lebens;59 - der Stellenwert und die Bedeutung gemeinsamen Gebets für den Ökumenis-mus;60 - die „Weltgebetswoche für die Einheit der Christen“; - die Verschiedenartigkeit von Spiritualität, Frömmigkeit und Formen des Gebets in den unterschiedlichen konfessionellen Traditionen; - das Aufkommen einer ökumenischen Spiritualität, die u.a. mit folgendem in Verbindung gebracht wird: gemeinsames Studium und Bedenken der Heiligen Schrift, gemeinsame Bibelübersetzungen;61 gemeinsame liturgische Texte und Gesangbücher;62 ge- Z. B. Siebte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in seiner Canberra-Erklärung § 2.1 (cf. Signs of the Spirit, Official Report, Seventh Assembly, Genf: WCC, 1991). Unitatis redintegratio, Nr. 8; cf. Direktorium, § 79g und auch Ut unum sind, Nm. 21-27.44.45 sowie 82-85. Cf. Unitatis redintegratio, Nm. 6-7 und Ut unum sind, Nm. 15.82-83. Cf. Ut unum sind, Nm. 21-27 und Direktorium, Kapitel III, Abschnitt B, besonders §§ 102-121. Cf. Direktorium, §§ 183-186 und Ut unum sind, Nr. 45. 1058 KONGREGATIONEN UND RÄTE meinsame Gebetszusammenkünfte, wie zum Beispiel der Weltgebetstag der Frauen und die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen; ökumenische Zusammenarbeit in der Katechese;63 - die Idee eines gemeinsamen Martyrologiums.64 Das Ordenswesen und Gesellschaften des apostolischen Lebens können einen bedeutsamen ökumenischen Beitrag liefern, indem sie das Bewußtsein des Rufs nach Umkehr und Heiligkeit des Lebens unter allen Christen fordern.65 g) Andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften66 Allgemeine Informationen sollten über die größeren christlichen Gemeinschaften gegeben werden. Zugleich ist die Aufmerksamkeit auf diejenigen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu richten, die in einen Dialog mit der Römisch-Katholischen Kirche getreten oder die von besonderer Bedeutung für ein bestimmtes Land oder eine Region sind. Zum Beispiel: - die Orthodoxe Kirche; - die Orientalisch-Orthodoxen Kirchen des Ostens (koptisch, äthiopisch, syrisch, armenisch) und die Assyrische Kirche des Ostens; - die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften aus der Reformationszeit (z. B. Anglikaner, Lutheraner, Reformierte); - die Freikirchen (z. B. Methodisten, Baptisten, Disciples of Christ, klassische Pfingstler). Es sollte eine Darstellung ihrer speziellen Bekenntnisse und Bekenntnisschriften geben, z. B.: - Die 39 Religionsartikel (anglikanisch); - Das Augsburger Bekenntnis (lutherisch); - Der Heidelberger Katechismus und die Westminster Confession (reformiert). Es sollten zudem bestimmte theologische Grundrichtungen und Schwerpunkte, liturgische Traditionen, Kirchenverfassungen und kirchliche Ordnungen, Autoritätsstrukturen und Formen des kirchlichen Amtes in den Ost- und Westkirchen berücksichtigt werden. h) Grundlegende Felder des weiteren Dialogs <289> Cf. Direktorium, § 187 und Ut unum sint, Nr. 46. Cf Direktorium, §§ 188-190. Cf Ut unum sind, Nm. 83-85. Cf Direktorium, § 50. Cf ibid., § 79e. Cf Ut unum sind, Nr.79. - Das Verhältnis zwischen der Heiligen Schrift als der höchsten Autorität in Glaubensdingen und der Heiligen Tradition als einer unverzichtbaren Größe für die Interpretation des Wortes Gottes; 1059 KONGREGATIONEN UND RÄTE - die Eucharistie als das Sakrament des Leibes und Blutes Christi, ein Opfer zum Lobe des Vaters, das Gedächtnisopfer und die Realpräsenz Christi sowie die heiligende Ausgießung des Heiligen Geistes; - die Ordination zum dreifachen Amt des Episkopats, Presbyterats und Diakonats als ein Sakrament; - das Lehramt der Kirche, das dem Papst und den mit ihm in Gemeinschaft stehenden Bischöfen übertragen ist, verstanden als eine in Christi Namen ausgeübte Verantwortung und Autorität zur Lehre und Wahrung des Glaubens; - die Jungfrau Maria als Mutter Gottes und Ikone der Kirche, die geistliche Mutter, die für die Jünger Christi und die ganze Menschheit Fürbitte einlegt; - das Verständnis der Kirche; - das Wesen und die Ausübung des Primats des Bischofs von Rom. <290> Zu diesem Thema, cf. ibid., 95-96. i) Besondere ökumenische Fragestellungen <291> Cf. Direktorium, § 79f; s. auch Kapitel IV. Die Bedeutung dieser Fragestellungen und daher auch ihre Behandlung werden von Ort zu Ort variieren. Dabei sollten die Prinzipien und Normen der Römisch- Katholischen Kirche als auch die Frage, wie sie sich von denen anderer Kirchen unterscheiden, berücksichtigt werden, z. B. im Blick auf folgende Bereiche: - die gegenseitige Anerkennung der Taufe; <292> Cf ibid., §§ 92-100. - gemeinsamer Gottesdienst; <293> Cf. ibid., §§ 102-121. - Gemeinschaft im sakramentalen Leben; <294> Cf ibid., §§ 104, 122-136. - konfessionsverschiedene Ehen; <295> Cf ibid., §§ 143-160. - das Amt und die Rolle der Frau in der Kirche; <296> Cf., z. B., ibid., §§ 43, 46; Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem von Papst Johannes Paul II. über die - die Rolle der Laien. <297> <298> Würde und Berufung der Frau aus Anlaß des Marianischen Jahres, 1988; Apostolisches Schreiben Ordinatio sacerdotalis von Papst Johannes Paul II. über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe, 1994. Cf. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat, Apostolicam actuositatem; cf auch das Nachsynodale Apostolische Mahnschreiben Christifideles laici von Papst Johannes Paul II. über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt, 1988. j) Ökumenismus und Mission16 Die enge Beziehung zwischen dem Ökumenismus und der Missionstätigkeit der Kirche sollte bedacht werden: - die Einheit der Christen und das missionarische Wesen der Kirche: „daß sie eins seien,... damit die Welt glaube“; <299> Cf Direktorium, §§ 205-209 und Ut unum sind, Nm. 98-99. 68 69 70 71 72 73 74 75 76 1060 KONGREGATIONEN UND RÄTE - die Trennungen der Christen als schwerwiegendes Hindernis für die Verkündigung des Evangeliums; <300> Joh 17,21. Cf. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nrn.2.6; Enzyklika Redemptoris missio von Papst Johannes Paul II. über die bleibende Gültigkeit des missionarischen Auftrags der Kirche, 1990, Nr. 1, und Ut unum sind, Nr. 98. Cf. Unitatis redintegratio, Nr. 1 und Ad gentes, Nr. 6; cf. auch das Apostolische Mahnschreiben Evangelii nuntiandi von Papst Paul VI. über die Evangelisation in der Welt von heute, 1975, Nr. 77; Retemptoris missio, Nr. 50; Direktorium, § 205; Ut unum sind, Nr. 99. Cf. Ad gentes, Nr. 15, Evangelii nuntianti, Nr. 77, Direktorium, §§ 206-209 und Ut unum sind, Nr. 99. - die Taufe und der gemeinsame Glaube als Grundlage ökumenischer Zusammenarbeit in der Mission; <301> Cf. Ad gentes, Nr. 13 und Unitatio redintegratio, Nr. 4; cf. auch die Literaturangaben zum Thema „Proselytismus“ in Anmerkung 82. - die Missionstätigkeit ist nicht auf Mitchristen gerichtet. <302> Cf. JWG, The Ecumenical Dialogue on Moral Issues: Potential Sources of Common Witness or of Divisions, IS 91, 1996/I-II, 83-90. Erklärungen über den Proselytismus können in den folgenden Dokumenten gefunden werden: Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, Nr. 4; Papst Paul VI. und Patriarch Shenouda III., Common Declaration [10. Mai, 1973], Neudr. in IS 76, 1991/1, 8-9; und Principles for Guiding the Search for Unity between the Catholic Church and the Coptic Orthodox Church und das dazugehörende Protokoll [23. Juni, 1979], ibid., 1991/1, 30-32; Johannes Paul II., Letter to the Bishops of Europe on Relations between Catholics and Orthodox in the New Situation of Central and Eastern Europe, IS k) Aktuelle Herausforderungen für den Okumenismus - Die ökumenische Dimension ethischer Fragen und neue wissenschaftliche Entwicklungen; <303> <303> 1992/III-IV, 101-103; Päpstliche Kommission ,Pro Russia', General Principles and Practical Norms for - die Inkulturation des Glaubens; - der Proselytismus; <304> Coordinating the Evangelizing Activity and Ecumenical Commitment of the Catholic Church in Russia and Other Countries of the C.I.S., ibid., 104-108; s. auch: The Baptist-Roman Catholic International Conversations, 1984-1988, Summons to Witness to Christ in Today's World: A Report on the Baptist-Roman Catholic International Conversations, IS 72, 1990/1, 5-14, bes. 9-10; The Evangelical-Roman Catholic Dialogue on Mission, 1977-1984, A Report, IS 60, 1986/I-II, 70-97, bes. 95-96; Joint International Commission between the Roman Catholic Church and the Orthodox Church, Uniatism, Method of Union of the Fast, and the Present Search for Full Communion, IS 83, 1993/11, 95-99; JWG, Common Witness and Proselytism. A Study Document (Anhang zum Third Report), IS 14, 1971/11, 18-23; JWG, Common Witness, IS 44, 1980/HI-IV, 142-162; JWG, The Challenge of Proselytism and the Calling to Common Witness, IS 91, 1996/I-II, 77-83; cf. auch Direktorium, § 23. - theologische und pastorale Herausforderung durch Sekten, Kulte und neue religiöse Bewegungen; <305> Die Bischofskonferenzen und die Synoden der östlichen Katholischen Kirchen sollten für eine klare Lehre in dieser Frage sorgen, besonders dort, wo Sekten und neue religiöse Bewegungen größere theologische und pastorale Herausforderungen darstellen. Weil die Katholische Kirche sie von den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften unterscheidet, werden sie nicht direkt vom Direktorium behandelt (cf. §§ 35-36). Cf. Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen, Sekretariat für Nichtchristen, Sekretariat für Nichtgläubige, Päpstlicher Rat für Kultur, Sects or New Religious Movements: Pastoral Challenge, IS 61, (1986/m) 144-154; und The Working Group on New Religious Movements, Vatican City, Sects and Religious Movements. An Anthology of Texts from the Catholic Church 1986-1994, Washington: United States Catholic Conference, 1995 (auch in anderen Sprachen erhältlich). 77 78 79 80 81 82 83 1061 KONGREGATIONEN UND RÄTE - die Verbindung von Religion und Politik durch Nationalismus und Chauvinismus; - Säkularismus innerhalb der Kirchen. C. Anmerkungen zu ökumenischen Materialien und Lehrbüchern [27] In der Lehre des Ökumenismus sollten die bereits vorgestellten grandlegenden Dokumente des katholischen Ökumenismus Verwendung finden. Ebenso sollten Schriften und Texte anderer Kirchen vorgestellt werden, die die Lehre der jeweiligen Kirche getreu darstellen. Dies bedeutet, „eine ehrliche und objektive Begegnung zu ermöglichen und eine weitere Vertiefung der katholischen Lehre anzuregen“. <306> Die Auswahl der verwendeten Werke wird diejenigen Kirchen wider-zuspiegeln haben, mit denen sich ein Kurs besonders intensiv beschäftigt. Die folgenden Materialquellen sind grundlegend: Direktorium, § 80c. - Ökumenische Lexika, Konkordanzen und vergleichende Sachstudien, zum Beispiel: - ökumenische Lexika, Konkordanzen und vergleichende thematische Studien; - historische und zeitgenössische Bekenntnistexte; - Dokumente, Berichte und gemeinsame Erklärungen als Ergebnisse von bilateralen und multilateralen ökumenischen Dialogen; - historische Darstellungen der ökumenischen Bewegung. Einige Beispiele für diese Materialquellen s. Fußnote. <307> Y. Congar (ed.), Vocabulaire oecumenique, Paris: Cerf (coli. Theologie sans frontieres), 1970; H. Krüger u. a. (Hg.), Ökumene-Lexikon, Frankfurt Lembeck/Knecht, 1987; 2nd Ed; N. Lossky u. a., Dictionary of the Ecumenical Movement, Geneva/Grand Rapids/London: WCC/Wm. Eerdmans/CCBI, 1991. -Historische und zeitgenössische Bekenntnistexte, wie z. B. The Book of Common Prayer und die 39 Religionsartikel', die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche; der Heidelberger Katechismus', die Confessio Helvetica', Evangelischer Erwachsenenkatechismus (EKD); Bekenntnisschriften und Katechismen der Orthodoxen Kirchen. - Dokumente, Berichte und gemeinsame Erklärungen als Ergebnisse bilateraler und multilateraler ökumenischer Dialoge. Bibliographische Hinweise auf bilaterale Dialoge, an denen die Katholische Kirche beteiligt ist, erscheinen von Zeit zu Zeit in dem bereits erwähnten Bulletin des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, z. B. in IS 82, 1993/1, 39-46; IS 89, 1995/II-III, 97-99. Sammlungen der Dokumente und Erklärungen wurden bereits in mehreren Sprachen veröffentlicht [dt. in: DwÜ, 2 Bde, Paderborn u.a. 1983-1992]. - Geschichtliche Darstellungen der ökumenischen Bewegung, so z. B. R. Rouse & S.C. Neill (eds.), History of the Ecumenical Movement 1517-1948, Geneva: WCC, 1986, 3rd ed.; H.E. Fey (ed.), The Ecumencial Advance. A History of the Ecumenical Movement 1948-1968, Geneva: WCC, 1986, 2nd ed.; HÖ 2, Paderborn 1986. D. Weitere Empfehlungen [28] Authentische ökumenische Bildung darf nicht ausschließlich akademisch bleiben; sie sollte ökumenische Erfahrung einschließen. <308> Zum Beispiel: Cf. ibid., §§ 82, 85-86. - es sollten Besuche anderer Kirchen und ihrer Gottesdienste organisiert werden; 1062 KONGREGATIONEN UND RÄTE - es können Treffen und Austausche mit denjenigen in anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften arrangiert werden, die sich ebenfalls auf den pasto-ralen Dienst vorbereiten; - es sollten Gelegenheiten gefunden werden, gemeinsam mit anderen Christen zu beten, im besonderen, aber nicht ausschließlich, während der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen; - gemeinsame Studientage und Diskussionen werden es ermöglichen, Erfahrungen mit der Lehre und dem Leben anderer Christen zu sammeln; - unter gewissen Umständen kann erwogen werden, Dozenten und Experten aus anderen christlichen Traditionen einzuladen. <309> Cf. ibid., §§ 81, 191-203. Was davon durchführbar ist, hängt selbstverständlich von der genauen Situation, den Möglichkeiten der verschiedenen Kirchen und von der Frage ab, ob entsprechend qualifizierte Personen vorhanden sind. [29] Es gibt wichtige pastorale und praktische Fragen, die aus dem Zusammenhang einer ökumenischen (Aus-)Bildung, insbesondere von Seminaristen, nicht ausgeklammert werden sollten. Falls es nicht möglich erscheint, diese Fragen in angemessener Weise in den speziellen Ökumene-Kurs zu integrieren, sollten entsprechende Vorkehrungen - für diejenigen, die ordiniert werden - zum Beispiel für die Zeit ihrer Vorbereitung auf den Diakonat getroffen werden. Die dann zu behandelnden Themen schließen folgendes ein: - praktische Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Taufe, für ökumenische Gottesdienste, für eine Gemeinschaft im sakramentalen Leben, für die Vorbereitung, Trauung und pastorale Begleitung konfessionsverschiedener Ehen, für die Leitung von Beerdigungen sowie hinsichtlich von Problemen, die durch Sekten und neue religiöse Bewegungen entstehen; - Kenntnis der ökumenischen Direktiven und Richtlinien: die relevanten Kanones aus den Codices Iuris Canonici, die Direktiven des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, insbesondere das 1993 erschienene Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Okumenismus, und die Direktiven der Bischofskonferenz oder Synode der Orientalisch Katholischen Kirche sowie diejenige(n) des Diözesanbischofs; - Informationen über lokale, regionale und nationale ökumenische Organisationen, z. B. diözesane Ökumene-Kommissionen, Räte von Kirchen (Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen) und ökumenische Dialoge auf regionaler und nationaler Ebene. [30] Diese Richtlinien haben sich hauptsächlich mit der ökumenischen (Aus-)Bildung jener beschäftigt, die sich auf den pastoralen Dienst vorbereiten. Das Direktorium hat des weiteren wichtige Vorschläge zur ständigen Weiter- und Fortbildung ordinierter Amtsträger und pastoraler Mitarbeiter/-innen gemacht, was unbedingt notwendig für eine kontinuierliche Entwicklung der ökumenischen Bewegung ist. <310> Cf. ibid., § 91. 1063 VI. Anhang ANHANG Gelebter Glaube fördert Menschenrechte Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und des Katholikos Aram I. vom 25. Januar Zum Abschluß ihres offiziellen Treffens möchten Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. und Seine Heiligkeit Aram I., Katholikos von Kilikien, Gott danken, der es ihnen erlaubt hat, ihre geistige Brüderlichkeit in Jesus Christus und ihre Berufung zum pastoralen Dienst und zur Verkündigung des Evangeliums in der Welt zu vertiefen. Es war eine vorzügliche Gelegenheit, miteinander zu beten und nachzudenken, um ihr Engagement und ihre gemeinsamen Bemühungen für die Einheit der Christen zu erneuern. Die Begegnung zwischen dem Katholikos des „Großen Hauses Kilikien“ (wie sich das Katholikat von Sis auch nennt; Anm. d. Red.) und dem Papst der katholischen Kirche bezeichnet eine wichtige Etappe in ihren Beziehungen. Diese Beziehungen, die in die Anfänge des Christentums in Armenien zurückreichen, erlangten zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert in Kilikien eine besondere Bedeutung und wurden auch aufrechterhalten, nachdem das Katholikat von seinem Sitz in Sis vertrieben und 1930 in Anthelias im Libanon eingerichtet worden war. Papst Johannes Paul II. und Katholikos Aram I. freuen sich über ihre Begegnung im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen, die an die Dringlichkeit der vollen Gemeinschaft zwischen den Christen hinsichtlich der Erfüllung ihres wesentlichen Auftrags erinnert, welcher in erster Linie darin besteht, Zeugnis abzulegen für Christus, der für die Rettung der Menschheit gestorben und auferstanden ist. Zwei Jahrtausende lang wurde trotz christologischer und ekklesiologischer Kontroversen, die ihren Ursprung oft in geschichtlichen, politischen oder sozio-kulturellen Faktoren hatten, die Einheit des Glaubens an Jesus Christus, eine Gottesgabe, als das Wesentliche bewahrt. Diese Gemeinschaft im Glauben, die schon während der vergangenen Jahrzehnte von ihren Vorgängern anläßlich deren Treffen bekräftigt worden ist, wurde in jüngster Zeit während der Begegnung zwischen Seiner Heiligkeit Johannes Paul II. und Seiner Heiligkeit dem Katholikos Karekin I. noch einmal feierlich bestätigt. Auch heute beten der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und der Katholikos von Kilikien dafür, daß dank dem Blut der Märtyrer und dank der Treue der Väter zum Evangelium und zur apostolischen Tradition die Gemeinschaft im Glauben an Jesus Christus Fortschritte machen möge, indem sie in der reichen Vielfalt der jeweiligen kirchlichen Traditionen zutage tritt. Eine solche Gemeinsamkeit des Glaubens muß im Leben der Gläubigen konkreten Ausdruck finden und soll uns zur vollen Gemeinschaft führen. Die zwei geistlichen Oberhäupter unterstreichen deshalb die lebensnotwendige Bedeutung des aufrichtigen Dialogs, der die Bereiche der Theologie und der Pa-storal sowie weitere Aspekte des Lebens und des Zeugnisses der Gläubigen zum Inhalt hat. Die schon bestehenden Beziehungen stellen eine Erfahrung dar, die die direkte und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen ihnen fordert. Ihre Heiligkeiten 1067 ANHANG sind fest davon überzeugt, daß in diesem Jahrhundert, wo sich die christlichen Gemeinschaften intensiver für den ökumenischen Dialog eingesetzt haben, eine ernsthafte Annäherung - unterstützt durch gegenseitige Achtung und Verständnis - der einzig solide und begehbare Weg ist, um zur vollen Gemeinschaft zu gelangen. Die katholische Kirche und das Katholikat von Kilikien haben außerdem ein weites Feld konstruktiver Zusammenarbeit vor sich. Infolge von Ideologien, die in materialistischen Werten ihren Ausdruck finden, und aufgrund der verheerenden, von Ungerechtigkeit und Gewalt angerichteten Schäden, stellt die gegenwärtige Welt eine echte Gefährdung für die Unversehrtheit und Identität des christlichen Glaubens dar. Die Kirche Christi ist mehr denn je dazu verpflichtet, durch ihre Treue zum Evangelium der Welt eine Botschaft der Hoffnung und der Liebe zu vermitteln und zu einer eifrigen Verkünderin der Werte des Evangeliums zu werden. Eine aktive Zusammenarbeit muß außerdem in den Bereichen des Studiums und der Lehre der Theologie, der religiösen Erziehung, der Einschätzung pastora-ler Situationen, wo ein gemeinsames Handeln möglich ist, und der Förderung der ethischen Werte ins Auge gefaßt werden. Und überdies muß man verschiedene Probleme, die die Sendung und das pastorale und geistliche Engagement für eine Erneuerung des christlichen Lebens und für die Umgestaltung der Gesellschaft betreffen, gemeinsam zu meistern versuchen. Der Papst und der Katholikos fordern ihre Priester und ihre Gläubigen auf, sich aktiv an diesen Bemühungen zu beteiligen, die auf allen Ebenen konkretisiert und organisiert werden müssen, vor allem auf lokaler Ebene, wo die Gläubigen gemeinsam mit schwierigen Situationen konfrontiert sind. Der christliche Glaube ist auch Ansporn zu einer wirksameren Zusammenarbeit im Hinblick auf die Förderung der Würde und der Rechte eines jeden Menschen sowie des Rechtes aller Völker, ihre legitimen Bestrebungen und ihre kulturelle Identität anerkannt zu sehen. Die armenische Kirche sieht sich heute Lebensumständen und Herausforderungen gegenüber, die sie dazu auf-fordem, ihr Zeugnis in Armenien, in Nagomij-Karabach sowie in der Diaspora zugkräftiger zu gestalten. Die über die ganze Welt zerstreuten Gläubigen dieser Kirche leben unter Rahmenbedingungen, wo für ihr Leben und ihr Zeugnis der Dialog unerläßlich ist. In den von Austausch gekennzeichneten pluralistischen Gesellschaften unserer Zeit, wo verschiedene Kulturen, Religionen und Zivilisationen ständig in wechselseitiger Beziehung und Aktion stehen, sind die Kirchen dazu berufen, Vorkämpfer des Dialogs zu sein. Die Welt des Nahen und Mittleren Ostens stellt eine Quelle der gegenseitigen Bereicherung und des gemeinsamen Zeugnisses für die Christen dar, die mit ihren muslimischen Landsleuten weitgehend die gleiche Geschichte, die gleichen sozialen und wirtschaftlichen Probleme und das gleiche politische Schicksal teilen. Im übrigen sind die Kirchen von der Wichtigkeit eines Dialogs mit den Muslimen überzeugt; und das ist eine der Aufgaben, über die sie sich gegebenenfalls miteinander verständigen sollten. Überdies bleibt der Dialog in einem solchen Rahmen nicht einfach intellektuell und theoretisch, sondern er befaßt sich konkret mit Aspekten des täglichen Daseins. 1068 ANHANG Im Mittleren Osten kommt der aktiven Präsenz und dem tatkräftigen Zeugnis der Christen eine besondere Bedeutung zu, denn sie sind ge meinsam in dem Kampf für Gerechtigkeit und Frieden engagiert. Es ist also unbedingt notwendig, der geistlichen und sozialen Mission der Kirchen in den Ländern des Vorderen Orients, wo die Errichtung eines gerechten, umfassenden und dauerhaften Friedens sowie die angemessene und befriedigende Lösung des Problems um die heilige Stadt Jerusalem als vorrangig erscheinen, neuen Schwung zu geben. Der Libanon, wo die katholische Kirche und das Katholikat von Kilikien Jahrhunderte hindurch greifbar präsent waren und es noch heute sind, bildet einen besonderen Rahmen, in dem sie ihre Sendung erfüllen. Die Anstrengungen der Libanesen für die Versöhnung und den Wiederaufbau ihres Landes dürfen die sittlichen und religiösen Werte, die die wahre Identität der großen Familie des Libanon darstellen, nicht an den Rand drängen. Mögen sie auch dahingehend wirken, daß dieses Land seine volle, aus Freiheit und Pluralismus bestehende Identität, seine Einheit, seine Souveränität und seine besondere Berufung in dieser Region und in der Welt wiederfindet! Am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends und unmittelbar vor dem Jubiläum des 1700jährigen Bestehens der armenischen Kirche danken und preisen Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. und Seine Heiligkeit Aram I. die Heiligste Dreifaltigkeit, die die geistige Kraft für ein treues Festhalten an den Geboten des apostolischen Glaubens und der pastoralen Sendung schenkt. Sie fordern ihre Priester und ihre Gläubigen auf, sich eifrig um die Liebe, die Versöhnung, die Gerechtigkeit und den Frieden zu bemühen, wie es das Evangelium fordert - in Erwartung des Kommens des Reiches Gottes. Rom, 25. Januar 1997 1069 ANHANG Die Organe der Römischen Kurie Stand: 29. Juli 1997 Johannes Paul II., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Allgemeinen Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Staatssekretariat - Kardinalstaatssekretär: Kardinal Angelo Sodano Erste Sektion: Allgemeine Angelegenheiten: - Substitut: Erzbischof Giovanni Battista Re - Assessor: Msgr. James M. Harvey - Vize-Assessor N.N. Zweite Sektion: Beziehungen mit den Staaten: - Sekretär: Erzbischof Jean-Louis Tauran - Untersekretär: Msgr. Celestino Migliore Angegliedert ist das Zentralamt für kirchliche Statistik: - Leiter: Msgr. Vittorio Formend Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre: - Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Tarcisio Bertone - Untersekretär: P. Gianfranco Girotti OFMConv Kongregation für die Orientalischen Kirchen: - Präfekt: Kardinal Achille Silvestrini - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn -Untersekretär: P. Marco Brogi OFM Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: - Pro-Präfekt: Erzbischof Jorge Arturo Medina Estevez - Sekretär: Erzbischof Geraldo Majella Agnelo - Untersekretär: N.N. Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse: - Pro-Präfekt: Erzbischof Alberto Bovone - Sekretär: Erzbischof Edward Nowak - Untersekretär: Msgr. Michele Di Ruberto 1070 Kongregation für die Bischöfe: - Präfekt: Kardinal Bemardin Gantin - Sekretär: Erzbischof Jorge Maria Mejia - Untersekretär Msgr. Giovanni Maria Rossi Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen ist die Päpstliche Kommission für Lateinamerika: - Präsident: Kardinal Bemardin Gantin - Vizepräsident: Bischof Cipriano Calderön Polo Kongregation für die Evangelisierung der Völker: - Präfekt: Kardinal JozefTomko - Sekretär: Erzbischof Giuseppe Uhac - Beigeordneter Sekretär: Erzbischof Charles A. Schleck CSC - Untersekretär: Msgr. Luigi Chidoni Kongregation für den Klerus: - Pro-Präfekt: Erzbischof Dario Castrillön Hoyos - Sekretär: Erzbischof Crescenzio Sepe - Untersekretär: Msgr. Antonio Silvestrelli Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens: - Präfekt: Kardinal Eduardo Martinez Somalo - Sekretär: Erzbischof Piergiorgio Silvano Nesti CP - Untersekretäre: P. Jesus Torres Llorente CMF Msgr. Juan Jose Dorronsoro Allo Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen): - Präfekt: Kardinal Pio Laghi - Sekretär: Erzbischof Jose Saraiva Martins CMF - Untersekretär: Msgr. Giuseppe Baldanza Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie: - Großpönitentiar: Kardinal William Wakefield Baum Oberster Gerichtshof der Apostolischen Signatur: - Präfekt: Kardinal Gilberto Agustoni Gericht der Römischen Rota: - Dekan: Msgr. Mario Francesco Pompedda ANHANG Päpstliche Räte: Päpstlicher Rat für die Laien: - Präsident: Erzbischof James Francis Stafford - Sekretär: Bischof Stanislaw Rylko - Untersekretär: Prof. Guzmän Carriquiry Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen: - Präsident: Kardinal Edward Idris Cassidy - Sekretär: Bischof Pierre DupreyMafr - Beigeordnete Sekretär: Bischof Jean-Clode Perisset - Untersekretär: Msgr. Eleuterio Francesco Fortino Päpstlicher Rat für die Familie: - Präsident: Kardinal Alfonso Lopez Trujillo - Sekretär: Bischof Francisco Gil Hellin - Untersekretär: Msgr. Francesco Di Felice Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden: - Präsident: Kardinal Roger Etchegaray - Vizepräsident: Erzbischof Franpois Xavier Nguen Van Thuän - Sekretär Msgr. Diarmuid Martin - Untersekretär: Msgr. Giampaolo Crepaldi Päpstlicher Rat „Cor Unum“: - Präsident: Erzbischof Paul Josef Cordes - Sekretär: N.N. - Untersekretär: Msgr. Karel Kasteei Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs: - Präsident: Erzbischof Giovanni Cheli - Sekretär: Erzbischof Francesco Gioia OFMcap - Untersekretär: Msgr. Giuseppe De Andrea Päpstlicher Rat für die Pastoral im Krankendienst: - Präsident: Erzbischof Javier Lozano Garragän - Sekretär: P. Jose Luis Redrado Marchite OH - Untersekretär: P. Felice Ruffini MI Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten: - Präsident: Erzbischof Julian Herranz - Sekretär: Bischof Bruno Bertagna - Untersekretär: P. Marino Maccarelli OSM 1072 Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog: - Präsident: Kardinal Francis Arinze - Sekretär: Bischof Michael Louis Fitzgerald MAfr - Untersekretär: Rev. John B. Masayuki Shirieda SDB Päpstlicher Rat für die Kultur: - Präsident: Kardinal Paul Poupard - Sekretär: P. Bemard Ardura O.Praem - Untersekretär: P. Fabio Duque Jaramillo OFM Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel: -Präsident: Erzbischof John P. Foley - Sekretär: Bischof Pierfranco Pastore - Untersekretär: Hans-Peter Röthlin Päpstliche Kommissionen: Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche: - Präsident: Erzbischof Francesco Marchisano - Sekretär: Rev. Carlo Chenis SDB Päpstliche Kommission für die sakrale Archäologie: - Präsident: Erzbischof Francesco Marchisano - Sekretär: Prof. Fabrizio Bisconti Päpstliche Bibelkommission: - Präsident: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: P. Albert Vanhoye SJ Päpstliche Kommission „Ecclesia Dei“: - Präsident: Kardinal Angelo Felici - Aktuar: Msgr. Camille Perl Besondere Einrichtungen: Apostolische Kammer: - Camerlengo der Hl. Römischen Kirche: Kardinal Eduardo Martinez Somalo - Vize-Camerlengo: Erzbischof Ettore Cunial Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls: - Pro-Präsident: Erzbischof Lozenzo Antonetti - Sekretär: Erzbischof Claudio Maria Celli ANHANG Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls: - Präsident: Kardinal Edmund Casimir Szoka - Sekretär: Msgr. Francesco Saverio Salerno Präfektur des Päpstlichen Hauses: - Präfekt: Bischof Dino Monduzzi Amt für die liturgischen Feiern des Papstes: - Zeremonienmeister: Msgr. Piero Marini Schweizergarde: - Kommandant: Oberst Roland Buchs - Kaplan: Alois Jehle Vatikanisches Geheimarchiv: - Archivar der Hl. Römischen Kurie: Kardinal Luigi Poggi - Präfekt: P. Sergio Pagano B - Vizepräfekt: N.N. Vatikanische Apostolische Bibliothek: - Bibliothekar der Hl. Römischen Kurie: Kardinal Luigi Poggi - Präfekt: Rev. Raffaele Farina SDB - Vizepräfekt: Msgr. Paul Canart Vatikanische Museen: - Generaldirektor: Dr. Francesco Buranelli Päpstliche Akademie der Wissenschaften: - Präsident: Prof. Nicola Cabibbo Institut für kirchliche Einrichtungen (IOR): - Generaldirektor: Lelio Scaletti Dombauhütte von St. Peter: - Präsident: Kardinal Virgilio Noe - Delegat: N.N. Päpstlicher Wohltätigkeitsdienst: - Almosenpfleger: Erzbischof Oscar Rizzato 1074 ANHANG Osservatore Romano: - Direktor - Sekretär der Redaktion: Prof. Mario Agnes Dr. Carlo De Lucia - Wochenausgaben: in Deutsch: in Englisch: in Französisch: in Portugiesisch: in Spanisch: - Monatsausgabe Dr. Hans-Joachim Kracht Msgr. Robert Dempsey Dr. Jean-Michel Coulet Msgr. Antonio Expedito de Barros Marcondes P. Arturo Gutierrez Gomez LC in Polnisch: P. Czeslaw Drazek SJ Vatikanische Polyglott-Druckerei: - Generaldirektor: Rev. Elio Torrigiani SDB - Verwaltungsdirektor: Giacomo Bonassoli SDB - Technischer Direktor: Giuseppe Canesso SDB - Kaufmann. Direktor: Antonio Maggiotto SDB Vatikanische Verlagsbuchhandlung: - Direktor: Rev. Nicolö Suffi SDB Radio Vatikan: - Präsident: - Generaldirektor: - Leiterder P. Roberto Tucci SJ P. Pasquale Borgomeo SJ deutschen Sektion: P. Eberhard von Gemmingen SJ Vatikanisches Fernsehzentrum: - Generaldirektor: Rev. Ugo Moretto — Präsident des Verwaltungsrats: Dr. Emilio Rossi Pressesaal des Hl. Stuhls: - Direktor: — Vizedirektor: Dr. JoaqulnNavarro-Valls P. Ciro Benedettini CP 1075 ANHANG Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus: Weg der Umkehr, der Gemeinschaft und der Solidarität in Amerika Botschaft der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika vom 9. Dezember Der Text wurde in der 23. Generalkongregation am 9. Dezember gebilligt Einführung 1. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend der Christenheit verkünden die Mitglieder der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika allen ihren Brüdern und Schwestern in Amerika und auf der ganzen Welt das vom hl. Paulus zu Beginn des ersten Jahrtausends überlieferte Bekenntnis: „Jesus Christus ist der Herr“ (Phil 2,11). Dies glauben und predigen wir mit ganzem Herzen. Das ist der Mittelpunkt unseres Glaubens und der Eckstein unseres Lebens. Wir glauben, daß die Rettung nur durch den lebendigen Jesus Christus zu jedem Mann und jeder Frau gelangt. Durch die Begegnung mit Jesus, dem Erlöser der Welt, erreichen wir die Bekehrung von unseren Sünden, treten wir in Gemeinschaft mit seiner Gnade und deshalb auch in eine solidarische Beziehung zu unserem Nächsten. 2. Wir verkünden einen lebendigen und gegenwärtigen Gott, voller Liebe zu uns. Seine Präsenz in dieser Welt offenbart sich auf vollkommene Weise in der Eucharistie, durch die Er uns mit dem Brot des Lebens nährt, damit wir mit Ihm in der heutigen Welt leben können, damit wir Seine Wahrheit, die Er uns durch die Schrift und die Kirche mitteilt, zu hören vermögen und damit wir von Seinem Vorbild und Seiner Gnade herausgefordert werden, nicht für uns selbst, sondern für die anderen zu leben (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 7). Wir verkünden Euch, liebe Brüder und Schwestern, daß wir nur in Jesus Christus, der unter uns lebt, die Kraft finden können, um als Kinder Gottes in seiner einzigen Menschheitsfamilie zu leben, und daß wir nur durch unsere Begegnung mit dem lebendigen Christus in das Reich Gottes eingehen können. 3. Wir sind aus allen Nationen Amerikas hierher berufen worden, um uns zu dieser Sonderversammlung der Synode mit dem Nachfolger Petri zusammenzufinden. Wir danken unserem Heiligen Vater Papst Johannes Paul II. für diese Möglichkeit des Gebets, des Studiums und der Betrachtung. Wir haben nämlich zusammen gebetet und gemeinsam die Berichte über die Schönheiten und die Nöte der Kirche in dieser Neuen Welt gehört. Es ist für uns eine besondere Gnade, daß der Heilige Vater diese Synode als Sonderversammlung für Amerika einberufen hat zum Thema: „Begegnung mit dem lebendigen Christus: Weg zur Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität in Amerika.“ 1076 ANHANG 4. Wir sind davon überzeugt, daß wir eine einzige Gemeinschaft sind; und obwohl Amerika zahlreiche Nationen, Kulturen und viele Sprachen umfaßt, gibt es doch viele Dinge, die uns verbinden, und viele Umstände, in denen ein jeder Einfluß auf das Leben seines Nächsten hat. Diese historische Begegnung der Kirche Amerikas auf Einladung des Heiligen Vaters hat uns veranlaßt, nach Lösungen zu den Problemen und Sorgen unseres Erdteils zu suchen, nicht um einem bestimmten Teil Amerikas dienlich zu sein oder den Bedürfnissen des anderen Teils zu entsprechen, sondern weil wir uns so der Notwendigkeiten eines jeden Teils besser bewußt werden, indem wir auf die Ressourcen beider Teile zurückgreifen. Das haben wir während der Wochen dieser Synode getan, als wir uns die Sorgen und Hoffnungen unserer Nachbarn auf diesem großen Kontinent angehört haben. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Wir senden Euch diese Botschaft der Hoffnung in Jesus Christus voll der Freude, die aus dem gemeinsamen Gebet, dem Dialog und der Einheit in gemeinsamen Grußworten hervorgeht. Wir können Euch nicht alle Ergebnisse unserer Diskussionen mitteilen, aber wir schöpfen aus ihrem Reichtum, um diese Botschaft an Euch zu richten. 6. Zuerst grüßen wir Euch, Brüder und Schwestern im Glauben, Millionen von katholischen Männern und Frauen in ganz Amerika, deren treue Befolgung des christlichen Lebens, verbunden mit ihrer Verehrung des Herrn, seiner allerheiligsten Mutter und seiner Kirche, für uns sowohl eine Anregung als auch eine Herausforderung zu einem noch größeren Dienst darstellen. 7. Wir grüßen Euch, Familien Amerikas, die Ihr die Grundlage unserer Gesellschaft bildet. Wir sind stolz auf Euer christliches Engagement zur Verteidigung des Lebens, vom Zeitpunkt der Zeugung bis zum natürlichen Tod, und sind Euch dafür dankbar. Besonders schätzen wir alle Familien, die ihrer christlichen Beru-füng treu bleiben und ihre Kinder im Geist des Evangeliums erziehen. 8. Wir grüßen Euch, Laien der Kirche, die Ihr durch den großzügigen Einsatz Eurer Gaben den Leib Christi in der Welt aufbaut. Wir wissen wohl, daß sich viele von Euch - vor allem die Alten und Kranken - besonders dem Gebet widmen. Ihr seid in der Tat eine verborgene Kraft zum größeren Wohl unserer Gesellschaft, und wir grüßen Euch in tiefer Dankbarkeit. 9. In ganz besonderer Weise grüßen wir Euch, Frauen des Kontinents, wohl wissend um die außerordentliche Rolle, die Ihr schon in der Vergangenheit in unserer Geschichte und bei der Weitergabe des Glaubens gespielt habt Wir sind zuversichtlich, daß Eure vielfältigen Gaben auch in Zukunft das Reich Gottes auf amerikanischem Boden in Liebe, Wahrheit und Freude aufbauen werden. 10. Mit besonderer Liebe und Zuneigung grüßen wir Euch, Ihr Kinder. Wir beten dafür, daß Ihr Eure Kindheit mit den Menschen verbringen könnt, die Euch lieben und Euch vor den Gefahren unserer Gesellschaft schützen, damit Ihr in der Weis- 1077 ANHANG heit, der Gnade und der Kraft vor Gott und dem Nächsten wachsen könnt (vgl. Lk 2,52). 11. Wir grüßen Euch, Jugendliche unserer Ortskirchen. Wir brauchen Euch. Wir sind stolz auf Euren Idealismus und auf Euer Verlangen, eine bessere Welt aufzubauen. Ihr seid ein lebenswichtiger Teil der Kirche von heute. Eure besondere Liebe zum Heiligen Vater ist eine Gnade, über die wir uns alle freuen. Wir beten dafür, daß Eure Liebe zu Jesus der größte Schatz Eures Lebens sei. Wir zählen auf Euren großherzigen Dienst für Gerechtigkeit und Frieden. 12. Wir grüßen Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, die Ihr mit soviel Hingabe über das Volk Gottes wacht; wir grüßen Euch Priester, unsere hingabebereiten Brüder und Mitarbeiter, die ihr die Seelsorge mit uns teilt; Euch Ständige Dia-kone, deren Mitarbeit bei der Pastoral in unserem Erdteil ein wirklich großes Geschenk ist; Euch geweihte Männer und Frauen, deren gnadenerfülltes Leben so bedeutsam in der Arbeit der Kirche ist, und zwar nicht nur wegen der Dinge, die Ihr tut, sondern auch deswegen, was Ihr in Eurem Zeugnis für das Gottesreich seid. 13. Mit Zuneigung und Ermutigung grüßen wir unsere Seminaristen. Wir möchten Euch versichern, daß unser inniges Gebet Euch auf Eurem Weg zum Altar Christi begleitet. Mit derselben Dankbarkeit grüßen wir die immer größere Zahl von Männern und Frauen, die mit Aufopferung, und Hingabe viele Aufgaben innerhalb der Kirche erfüllen, vor allem in den Bereichen der Erziehung, der Katechese, der Caritas, der sozialen Dienste, der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden und in anderen Bereichen des Apostolates. 14. Die Kirche in unserem Erdteil ist mit Tausenden von Pfarreien gesegnet, wo der Herr angebetet und sein Wort verkündet wird und wo viele Menschen Liebesdienste für ihre Nächsten tun. Die Kirche ist auch mit den vielen kleinen Gemeinschaften christlichen Glaubens gesegnet, die sich in unseren Ländern vermehren und sich in den Dienst der Pfarreien und Diözesen stellen. 15. Wir ehren das Andenken der bekannten und unbekannten Märtyrer dieses Kontinents, die ihr Blut für Jesus Christus und für das Evangelium vergossen haben. Ihr Vorbild ermutigt uns zu einem erneuten Einsatz, damit das Reich Gottes unter uns vollkommen verwirklicht wird. 16. Im Laufe dieser Tage haben wir von den Leiden der Kirche in Amerika gehört und sie uns zu eigen gemacht. Wir haben von den Prüfungen der Familien sowohl in Nord- als auch in Südamerika gehört. Wir sind uns des schweren Jochs der armen Familien bewußt, die nirgendwo eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Lebensumstände geboten bekommen. Wir wissen um den Druck, den das moderne Leben auch auf die besser gestellten Familien ausübt. Dieser Druck behindert die besten Vorsätze für ein christliches Leben. Wir erkennen, daß das große Ideal der Familie als „Hauskirche“, wo die Kinder von Vater und Mutter erzogen werden, 1078 ANHANG oft nicht realisiert wird. Wir sind vom Zerfall so vieler Familien aus allen sozialen Schichten schmerzlich berührt, und wir bieten ihnen die Hilfe unseres Gebets an. Den alleinerziehenden Eltern, die im Vertrauen auf Gott mutig die Verantwortung übernehmen, ihre Kinder im christlichen Leben und ohne die Gemeinschaft und Hilfe des Partners großzuziehen, bieten wir die Unterstützung unserer Glaubensfamilie. 17. Wir wenden uns an Euch, junge, Männer und Frauen, die Ihr Gott in der Welt von heute sucht; an Euch Jugendliche, die Ihr wegen Eurer Armut nicht die Möglichkeit habt, Euren Lebensunterhalt zu verdienen und eine Familie zu gründen; an Euch Jugendliche, deren Ideale in einem übermäßigen Konsumismus erstickt sind, und an Euch alle, Ihr jungen Leute, die Ihr nach der Bedeutung der liebevollen Gegenwart Gottes in Eurem Leben sucht. Wir kennen die zahlreichen Schwierigkeiten, die auf Euch Jungen und Mädchen zukommen, wenn Ihr Euer Zuhause in den ländlichen Gegenden verlaßt für eine unsichere und anonyme Zukunft in der Stadt oder wenn Ihr aus Eurem Heimatland auswandert, um ein neues Leben in einem fremden Land zu beginnen, wo Ihr oft nicht verstanden und schlecht behandelt werdet. Euch allen bieten wir das erneuerte Versprechen der Liebe Gottes in der Gemeinschaft der Kirche und zusammen mit uns, damit wir uns gemeinsam für die Errichtung des Gottesreiches einsetzen. Wir laden Euch ein, mit Jesus Christus den Weg zum neuen Jahrtausend nach seiner Geburt zu gehen. 18. Mit sorgenschwerem Herzen wenden wir uns an Euch Straßenkinder und denken an die harten Prüfungen, die Ihr durchmacht. Was Ihr Kinder Gottes ertragt, sollte niemandem widerfahren. Manchmal seid Ihr Euch nicht bewußt, daß Ihr alleingelassen, schlecht behandelt, ausgebeutet und zu einem kriminellen Leben gedrängt werdet. Das Leben mancher von Euch wird gerade von den Menschen bedroht, die Euch vor jeder Gefahr schützen sollten. Wir appellieren an die Menschen guten Willens, sie mögen Euch dabei helfen, Euch von diesen Gefahren zu befreien, damit Ihr Euch eines sicheren und normalen Lebens erfreuen und die Gegenwart der Liebe Gottes entdecken könnt. Wir erinnern an die Worte Jesu: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf1 (Mk 9,37). 19. Euch Einwanderern, die Ihr in Euren Aufnahmeländem keine gute Unterkunft gefunden habt, möchten wir unsere Ermutigung aussprechen. Die Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte viele Generationen von Emigranten auf ihrem Weg zu einem besseren Leben begleitet, und sie wird nie aufhören, sich an ihre Seite zu stellen und jeden Dienst für sie zu leisten. Wir sind solidarisch mit Euch Saisonarbeitern verbunden, die Ihr mit gebeugtem Rücken unter der Sonne arbeitet, um Eure Familien auf der Suche nach gerechten Arbeitsbedingungen zu unterhalten. Wenn viele Länder ihre Türen schließen und viele Nationen Euren rechtmäßigen Erwartungen als Migranten Hindernisse in den Weg stellen, möchten wir auf diese Belehrung aus dem Buch Levitikus hinweisen: „Der Fremde, der sich bei euch auf- 1079 ANHANG hält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst“ (19,34). 20. Euch Minderheiten, den Opfern von Vorurteilen, sprechen wir unsere Solidarität aus für die von Diskriminierung verursachten Frustrationen, für das von der Feindseligkeit der anderen verursachte Leid und für die Mißbräuche, die oft sogar von sozialen Einrichtungen geübt werden. Ihr seid nach dem Abbild Gottes geschaffen und habt dieselbe Würde wie alle anderen Menschen. Hier und jetzt habt Ihr das Recht auf Anerkennung der Würde, die Euch in den Augen Gottes zusteht. 21. Wir denken an Euch, eingeborene Völker Amerikas, die Ihr im Laufe der vergangenen fünf Jahrhunderte soviel gelitten habt wegen habgierigen und gewalttätigen Menschen und auch heute noch so wenig vom Reichtum Eurer Erde profitiert. Während wir das Evangelium Jesu Christi verkünden, verpflichten wir uns, Eure Kultur zu achten und Euch beim Erhalt Eurer eigenen Traditionen zu unterstützen. 22. Wir wollen auch zu Euch, unseren Brüdern und Schwestern afrikanischer Herkunft, sprechen: Eure Vorfahren sind in Ketten und als Sklaven in Amerika angekommen. Die Wunden dieser schrecklichen, jahrhundertelangen Sklaverei tun in der Seele immer noch weh. Wir verpflichten uns, auch in Zukunft mit Euch zu arbeiten, damit Ihr Euch über Eure Würde als Kinder Gottes vollkommen freuen könnt und in unseren Kirchen und Glaubensgemeinschaften immer Aufnahme findet. Wir bitten alle um ihren Einsatz zum Aufbau einer Gesellschaft, die nach dem Festmahl des Herrn ausgerichtet ist und bei der alle Rassen an der Güte der Schöpfung teilhaben können, als sei es eine einzige Familie unter dem Auge Gottes (vgl. Jes 25,6). 23. Wir denken auch an Euch, die Ihr Euch isoliert und einsam fühlt, und vor allem an die alten Menschen, die Behinderten, die Kranken und die Verlassenen. Die Kirche ist Euer Zuhause, und in der Kirche sind wir Eure Brüder und Schwestern. Inmitten all Eurer Leiden, die Euch mit den Leiden des Herrn verbinden, sei der Trost des Heiligen Geistes mit Euch. 24. Wir richten unseren Blick auf all jene, die Gott suchen, auf Euch, Männer und Frauen, die Ihr Euch die Kraft des Lebens wünscht, und auf Euch, die Ihr den Sinn dieses Lebens zu erkennen sucht. Aus eigener Erfahrung kennen wir das tiefe Streben der Herzen, die Gott suchen, „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?“ {Ps 42,3). Mögen sie Jesus begegnen, der seinen Geist mit uns teilt, der uns heiligt und unserer Geschichte ihren Sinn gibt. Mögen sie von ihm lernen und seine Jünger werden (vgl. Ml 1,28). 25. In der Tat wurde unter allen Sorgen des Gottesvolkes, die in der Aula dieser Sonderversammlung der Synode für Amerika zum Ausdruck kamen, der Aufschrei der Armen mit besonderer Aufmerksamkeit gehört. Keine Bischofskonferenz Amerikas hat es versäumt, klar und mit tiefer Bewegung Stellung zu beziehen für 1080 ANHANG die Forderang nach Gerechtigkeit zugunsten unserer Brüder und Schwestern, deren Leben und Menschenwürde von Armut und Not in Gefahr gebracht und bedroht werden. Diese Sorgen entstehen nicht nur aus der individuellen Sünde, sondern auch aus den „Strukturen der Sünde“, die durch die individuelle Sünde verursacht werden können und ihrerseits die individuelle Sünde verstärken und ihre Auswirkungen vermehren. 26. In Nordamerika stellen wir besorgt und konsterniert fest, daß der Unterschied zwischen jenen, die im Überfluß leben, und jenen, die nur das absolut Lebensnotwendige besitzen, jedes Jahr weiter zunimmt. In den Gegenden, wo der materielle Wohlstand besonders verbreitet ist, sind viele von uns der Versuchung des reichen Mannes ausgesetzt, die im Evangelium beschrieben ist und sich offenbart in der Gleichgültigkeit angesichts der Nöte der Menschen, die an unsere Türe klopfen (vgl. Lk 16,19-31). Wir müssen das in Erinnerung behalten, was im ersten Johannesbrief gesagt wird: „Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben? Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (7 Joh 3,17-18). 27. In Südamerika gibt es Regionen, wo Bedingungen größten menschlichen Elends herrschen, unvereinbar mit der Würde, die Gott allen seinen Söhnen und Töchtern in gleichem Maße verliehen hat. Überall in Amerika ist es nötig, die unschuldigen, ungeborenen Kinder vor der Geißel der Abtreibung zu beschützen. Auch dort, wo das Elend keine sehr bedeutenden Ausmaße angenommen hat, gibt es das Leid der Kinder, die abends hungrig zu Bett gehen, der arbeits- oder mittellosen Familienväter und -mütter, der eingeborenen Völker, deren Land und Existenz in Gefahr sind, von Tausenden Obdachlosen oder derer, die aufgrund von schwankenden und unsicheren Marktbedingungen arbeitslos sind. Zu diesen Übeln kommen noch jene hinzu, die von den Mißbräuchen der Globalisierung der Kultur und der Weltwirtschaft verursacht werden oder durch Drogenhandel, Abwendung von Ressourcen für den Waffenhandel und Korruption auf politischer und wirtschaftlicher Ebene entstehen. Diese hindern die Menschen an ihrer Beteiligung an den materiellen Gütern, die sie selbst verdient haben oder die für sie bestimmt sind und auf die sie ein Recht haben. 28. Die Last der Auslands- und Inlandsschulden, aus denen für viele Länder kein Ausweg in Sicht ist, war eine beständige Sorge im Verlauf der ganzen Synode. Obwohl die Auslandsschulden nicht die einzige Ursache der Armut in vielen Ländern auf dem Weg der Entwicklung sind, kann trotzdem nicht geleugnet werden, daß sie zur Entstehung von Situationen extremen Elends beigetragen haben, die eine dringende Herausforderung für das Gewissen der Menschheit darstellen. Deshalb schließen wir uns dem Aufruf des Heiligen Vaters zu einer Minderung oder einem Erlaß dieser Schulden an, um den Bewohnern einiger der ärmsten Staaten der Erde zu Hilfe zu kommen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 51). 1081 ANHANG Der Schuldenerlaß wäre nur der Anfang einer Erleichterung der Lasten, die die Armen ertragen müssen. Es bleibt noch viel zu tun, um der Ausgrenzung ganzer Gegenden und Länder aus der Weltwirtschaft vorzubeugen. Jede Minderung der Schulden muß einen reellen Nutzen für die Armen mit sich bringen. Es müssen Maßnahmen zur Verhinderung der Schuldenursachen — welcher Art auch immer — eingeleitet werden. 29. Wir appellieren an die Regierungschefs, an die Verantwortlichen in der Industrie und im Finanzwesen, an alle, die reich an materiellen Gütern sind, an die Wirtschaftswissenschaftler, an die im sozialen Bereich Tätigen, an die Theologen und Experten im Bereich der Soziallehre der Kirche sowie an alle Menschen guten Willens, damit sie diesen Weg mit uns und mit den Armen gehen und mit ihnen eine Lösung suchen, die ihre Würde als Menschen respektiert. Wir danken Gott fiir die große Hilfe, die wir von vielen Seiten erfahren durften. Viele unserer Ortskirchen möchten außerdem ihren besonderen Dank für die großzügige Unterstützung aus Europa und seitens der Zentralorgane der katholischen Kirche zum Ausdruck bringen. Unsere Anerkennung gilt auch der ständigen Mitarbeit durch die Leiter der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und von seiten verschiedener Gruppen von Gläubigen, die sich in den Dienst der Armen gestellt haben. Vor uns tun sich wie immer zwei Wege auf: der eine, breit und einfach, der die Dinge so akzeptiert, wie sie sind, und der andere, eng und steil, der zur Gerechtigkeit fuhrt (vgl. Mt 7,13-14). Wir müssen den schwierigen Weg wählen; vor allem in dieser Adventszeit, wenn wir das Versprechen des Herrn hören, daß er alles neu machen wird {Offb 21,5). Er mache uns würdig, zur Rückführung der Welt zu ihm beizutragen, damit die Armen noch eine Hoffnung auf Freude und Frieden haben. 30. Während der Synode hat uns der Heilige Geist geleitet, auf die wichtigsten Herausforderungen der Neuevangelisierung zu reagieren. Die Kirche braucht Zeugen des Glaubens. Die Kirche braucht Heilige, und die beste Art, das Große Jubiläumsjahr der Geburt des Herrn zu begehen, besteht darin, wieder auf sein Evangelium zu hören, es in unsere Herzen einzupflanzen und es in Demut, Dankbarkeit und Freude zu teilen, so wie es die Apostel beim ersten Pfingstfest getan haben. Wir fordern Euch Gläubige auf, den Appell des Herrn aufzunehmen, damit Ihr zu Boten des Evangeliums im neuen Jahrtausend werdet und Euren Glauben in einem Geist der Aufgeschlossenheit und Großzügigkeit mit den anderen teilt. Wir laden Euch ein, Zeugen des Glaubens zu sein durch Euer Leben in Heiligkeit, durch Eure Güte gegenüber allen Menschen, durch Eure Nächstenliebe zu denen, die in Not sind, und durch Eure Solidarität mit allen Unterdrückten. „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). In einer von Materialismus gezeichneten Epoche, die sich aber zugleich nach dem Glauben sehnt, ermutigen wir Euch, das Evangelium mit den anderen zu teilen: mit den Menschen, die den Glauben aufgegeben haben, mit de- 1082 ANHANG nen, die Gott noch suchen, und mit denen, die die Frohbotschaft des Herrn Jesus Christus noch nicht gehört haben. 31. Wir müssen neue Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben wecken. Zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum sollen alle Christen den besten Weg finden, um auf ihre Berufung zur Heiligkeit zu antworten. Die Kirche wendet sich an alle großzügigen Herzen, damit sie den Ruf Gottes zum Priestertum und zum geweihten Leben hören. Darin offenbaren die berufenen Menschen in der Nachfolge Christi die Gnade Gottes, der in der Geschichte wirkt. Nehmt den Appell, den der Herr an jeden von Euch richtet, in der Stille Eurer Herzen auf, wie es Samuel seinerzeit tat: Rede, Herr; denn dein Diener hört“ {1 Sam 3,9). 32. Außerdem müssen die missionarischen Bemühungen der Kirche gefordert werden. Die Synode für Amerika war für jeden von uns eine Rückbesinnung auf die Gaben, die wir erhalten haben durch den Einsatz für die Evangelisierung von Generationen, die uns vorangegangen sind; auf die Gaben der Kirchen, die Missionare zu uns gesandt haben, und auf die Gaben, die als Antwort darauf von den beschenkten Kirchen gegeben wurden. Die Neuevangelisierung setzt einen ständigen Gabenaustausch voraus, vor allem durch vielfältige Formen der Zusammenarbeit unter unseren Ortskirchen beim gemeinsamen Werk zur Teilhabe am Evangelium. Die Priester und die anderen Missionare aus Nordamerika werden in Südamerika und anderswo auch in Zukunft benötigt. Gleichzeitig hat die Kirche im südlichen Teil des Kontinents ihre Bemühungen verstärkt, um Missionare in den Norden und in andere Gegenden zu schicken. Diese Missionare sind gekommen, um den ihnen anvertrauten Menschen zu helfen und allen das Evangelium zu verkünden. Dieser missionarische Austausch ist der Kern jener Neuevangelisierung, zu der der Heilige Vater die ganze Kirche so oft aufgefordert hat. „Wie sind die Freudenboten willkommen, die Gutes verkündigen!“ {Röm 10,15). 33. Die sozialen Kommunikationsmittel üben einen immer größeren Einfluß auf das Leben der Gesellschaft und der Kirche aus. Sie schaffen eine „neue Kultur“. Der Heilige Vater hat gesagt: „Es ist ein komplexes Problem, da diese Kultur noch vor ihren Inhalten aus der Tatsache selbst entsteht, daß es neue Arten der Mitteilung in Verbindung mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen gibt“ (Redemptoris missio, Nr. 37). Die Kirche muß auch in Zukunft ihre Nutzung dieser Mittel im Dienst für das Evangelium weiterentwickeln. Die im Bereich der Massenmedien tätigen Berufsgruppen können als Sauerteig dienen, um diejenigen, die auf einem von religiöser Gleichgültigkeit gezeichneten Gebiet arbeiten, dahin zu bringen, ihre Werteskala zum Wohl der Gesellschaft zu überdenken. Der hl. Paulus schrieb an die Römer: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ {Röm 10,14). Wir müssen in der Tat lernen, in der neuen Sprache zu predigen, an die sich viele Leute durch die modernen Kommunikations-mittel gewöhnt haben. 1083 ANHANG 34. Die Neuevangelisierang erfordert also Kulturformen, die für den Glauben an Gott aufgeschlossen sind und in denen die Gläubigen ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten können. In den meisten Fällen erfreuen wir uns in Amerika des Segens der Religionsfreiheit. Aber wenn die Kirche das Evangelium vermittelt, indem sie das Reich Gottes verkündet, Gerechtigkeit für die Armen fordert oder das Leben und die Würde des Menschen verteidigt, stößt sie auf viele Hindernisse. In vielen Gegenden, und trotz des Rechtsschutzes zugunsten der Kirche, werden Bischöfe, Priester, Diakone, Katechisten, Ordensleute und Laien wegen ihrer im Geiste des Evangeliums geleisteten Verteidigung der Armen verurteilt, verleumdet, bedroht und sogar umgebracht. Anderswo versucht ein neuer und aggressiver Säkularismus, die Stimme der Gläubigen in der Öffentlichkeit zum Schweigen zu bringen und den bedeutenden Beitrag der Kirche im öffentlichen Leben zu schmälern. Aus diesem Grund bitten wir die Gläubigen, die im öffentlichen Leben tätig sind, und alle Menschen guten Willens, die Einfluß auf die öffentliche Meinung haben, sich uns anzuschließen für die Verteidigung des Evangeliums vom Leben und gegen Abtreibung und Euthanasie. Außerdem fordern wir sie auf, sich mit uns den antireligiösen Vorurteilen zu widersetzen und den Beitrag der Kirche und anderer Glaubensgemeinschaften auf der Suche nach dem Gemeinwohl zu unterstützen, das seine vollkommene Verwirklichung erreichen wird, wenn wir zum Haus des Vaters gelangen. 35. Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Wir haben Euch die Freuden und Prüfungen, die Hoffnungen und Bedürfnisse Amerikas beschrieben. Sollten wir angesichts all des Leids, das wir in der Welt sehen, vielleicht resignieren und den Mut verlieren? Mit der Kraft des Heiligen Geistes sagen wir Euch: Jesus Christus hat die Welt überwunden. Er hat seinen Heiligen Geist zu uns gesandt, damit er alles neu macht, ja damit er sogar - wie die Heilige Schrift sagt - das Antlitz der Erde neu macht. Das ist also unsere einfache Botschaft: Jesus Christus ist der Herr! Seine Auferstehung erfüllt uns mit Hoffnung; seine Gegenwart auf unserem Weg schenkt uns Mut. Wir möchten Euch das sagen, was der Heilige Vater so oft zu uns sagt: Habt keine Angst. Der Herr ist mit Euch unterwegs, geht ihm entgegen. 36. Wo können wir ihm begegnen? Wenn wir nur unsere Herzen für die Herausforderung seiner Liebe öffnen würden, könnten wir entdecken, daß er in uns wohnt (vgl. Joh 14,23). Wir können ihm in unserem Nächsten begegnen, vor allem in den Armen und Hungrigen und in allen, die in Not sind (vgl. Mt 25,40). Wir können ihm persönlich begegnen, jedesmal wenn zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20). Wir können ihn in seinem Wort entdecken (vgl. Joh 1,1) und in den Wunderwerken der Schöpfung erkennen (vgl. Röm 1,20). Wir begegnen ihm in den Sakramenten; vor allem im Sakrament der Versöhnung, denn es ist das Sakrament seiner Barmherzigkeit (vgl. Joh 20,21-23). Auf vollkommene Weise begegnen wir ihm in der Eucharistie, durch die er uns 1084 ANHANG mit seinem eigenen Fleisch und Blut speisen will (vgl. Joh 6,51 ff.). Mit einem Wort: Jesus möchte immer in unserer Mitte sein. Jeder von uns soll die Ermahnung des Hebräerbriefs verstehen: „Laßt uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei immer auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,1-2). 37. Wenn wir - wie Maria Magdalena und die Apostel nach der Auferstehung - zu dieser Begegnung mit dem auferstandenen Christus kommen, werden wir davon umgewandelt. Wir müssen den Aufruf zur Umkehr, zur Veränderung unseres Lebens, zu einem Neubeginn in der Gnade annehmen: Diese Wandlung des Herzens wird nicht nur unser persönliches Leben betreffen, sondern sie wird eine Herausforderung für unsere Gesellschaft und für die Kirche selbst sein; für uns als Hirten und für die ganze Welt, damit wir unsere unsicheren und zweifelnden Schritte verändern, um zusammen mit Jesus freudig auf das ewige Leben zuzugehen: Diese Umkehr wird sich auf das Dasein der Reichen und der Armen, der Mächtigen und der Schwachen auswirken. Sie wird die Politiker an ihre Verantwortung zur Förderung des Gemeinwohls erinnern und die Wirtschaftswissenschaftler dazu herausfordernd nach Wegen zur Lösung der materiellen Unausgeglichenheit in unserer Gesellschaft zu suchen. 38. Wenn wir diese persönliche Begegnung mit Christus mutig erreichen, werden wir darin einen unwiderstehlichen Aufruf zur Gemeinschaft entdecken, geformt nach der tiefinnerlichen Gemeinschaft mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, ln der Kraft des Heiligen Geistes, des göttlichen Quells der Gemeinschaft, werden wir zu einer tieferen Liebesbeziehung und Zusammenarbeit untereinander geleitet, sowohl auf individueller Ebene als auch innerhalb der Gemeinden, denen wir angehören. Der eindringliche Aufruf zu dieser Gemeinschaft wird die Ortskirchen von Nord- und Südamerika in einer wachsenden Zusammenarbeit zwischen den Bischofskonferenzen und den katholischen Kirchen verschiedener Riten verbinden. Dieses Verlangen nach Gemeinschaft wird uns - zusammen mit den anderen Christen Amerikas, unseren Brüdern und Schwestern - der vom Herrn gewollten Einheit näherbringen. Deshalb haben wir auch die Anwesenheit der brüderlichen Delegierten aus den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften bei uns anläßlich dieser Synode sehr geschätzt. Auf noch unerforschte Weise werden uns dieselben Sorgen auf den Wegen der Liebe zu einem reiferen Sinn der Zusammengehörigkeit mit den anderen Religionsgemeinschaften führen, vor allem mit den Juden, unseren älteren Brüdern und Schwestern im Glauben. 39. Schließlich führt die persönliche Begegnung mit Jesus Christus zur Solidarität; sie ist eine Voraussetzung der Nächstenliebe, die in allen zwischenmenschlichen Beziehungen in die Tat umgesetzt werden muß. Solidarität bedeutet in ihrer Gesamtheit das, was wir sind, was wir glauben und was wir haben, zu teilen. Unser Herr Jesus Christus ist das beste Beispiel dafür, denn er „entäußerte sich und wurde wie ein Sklave“ {Phil 2,7; vgl. Hebr 4,15). Die Solidarität bringt uns dazu, 1085 ANHANG uns gegenseitig als Brüder und Schwestern anzusehen, so wie Jesus es getan hat. Sie fordert uns zur Liebe und zum Teilen auf. Sie reicht von der persönlichen Nächstenliebe, die wir den Armen unserer Gemeinde schuldig sind, bis hin zum Appell des Heiligen Vaters zur Solidarität gegenüber den Armen der Welt zur Vorbereitung auf das Große Jubiläumsjahr. Im Licht dieser Solidarität haben Krieg, Konflikte und Aufrüstung auf diesem von einem Gott der Liebe geschaffenen Planeten keinen Platz. 40. Dies ist die Botschaft der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika. Es ist eine Botschaft, „die jeden von uns zur Zusammenarbeit für die Förderung des Reiches Gottes“ unter den Nationen Amerikas auffordert. Wir könnten vielleicht unsere Botschaft mit den Worten des Heiligen Vaters zusammenfassen: „Habt keine Angst, die Schwelle der Hoffnung zu überschreiten.“ Dort werden wir dem Herrn, dem lebendigen Jesus Christus, unserer Hoffnung und Rettung, begegnen. 4L Voll Vertrauen legen wir diese Botschaft in die Hände Marias, der Mutter Gottes. In jedem Land wird sie als Königin, Frau und Mutter verehrt. Wir selber, die Kirche in Amerika, beten zu ihr mit der Bezeichnung Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Kurz nach dem Beginn der ersten Evangelisierung erschien sie dort einem einheimischen Sohn dieser Erde als Mutter der Armen. Möge sie, der Stern der ersten und neuen Evangelisierung, unsere Botschaft in Eure Herzen tragen, damit wir unter ihrer Leitung dem Herrn Jesus, dem Sohn des lebendigen Gottes, der uns mit Liebe und mit der Kraft seiner Gnade in das dritte Jahrtausend seit seiner Geburt und in das ewige Leben selbst fuhrt, wirklich begegnen können. 1086 REGISTER Wortregister Abendmahl(s) - A.messe (Gründonnerstag) 570 f. - Einsetzung d. Eucharistie beim Letzten 43-45,68,281,338,423, 568 f. - Letztes 43 f., 338,423, 570 f. Abendmahlssaal 43, 338,423, 570 f. - Apostel u. Jünger im 67 f., 75-77, 224 f., 227, 251 f., 388 f. - gemeinsames Gebet im 75 f., 251 f. - Maria im 67, 70 f., 75-77, 251-254,318 Abrüstung 475 f. Absolution 549 Abtei - Benediktiner-Erza. Brevnov (Prag) 62 f. Abtreibung 310,436,713,820,910 - als Sünde 959 f. Achtung - der Menschenrechte 189,250 f., 297 f. - der Menschenwürde 528 f., 599, 751 f. - der Religionsfreiheit 189,250 f., 756 - der Unterschiede zwischen Menschen 451 f. - der Wahrheit 453 f. - eines jeden Menschen 35, 38 f., 189, 755 - vor dem Leben 30 f., 431,567 - vor der Identität anderer 69 f. Advent 181 Akademie(n) - 2. öffentl. Sitzung d. Päpstlichen 748-751 - Päpstl. A. d. Sozialwissenschaften 595-599 - Päpstl. A. für das Leben 527-529 Aktion - Jugendliche d. Ital. Kath. A. (ACR) 715-717 Albertinerinnen 330 f. Alkohol 938 Allerheiligen 152 f. Allerseelen 153 f. Altes Testament (AT) - Heilsgeschichte beginnt im 4 £, 170-172 - Jesu Verbindung mit dem 170-172, 582 f. - Prophetie im 170-172 Amtspriestertum 593,1012-1014 Analogie - zwischen Jesus u. Maria 98 f. Anti-Personen-Minen 58 Antisemitismus 746 f. Apostasie 1007 Apostel - als Diener d. Eucharistie 43 f. - als Zeugen für d. Auferstehung 71-73,196 - der Slawen 225 - erhielten Missionsauftrag 294, 344 f., 488 - geginnen Evangelisierung 294 - im Abendmahlssaal 67 f., 75-77, 224 f., 227, 251 f., 388 f. - Paulus 488 f., 646-648 - Petrus 646-648 Apostelgeschichte 195 1087 REGISTER Apostolat(s) - der Jugend 391 f. - der Laien 525 f. - des Meeres (Apostol. Schreiben) 458-465 - für die Kranken 1027 - neue Formen des 502 Apostolische Konstitution - Fidei depositum 650-652, 663 f. - Munificentissimus Deus 87-89 - Provida Mater Ecclesia (50. Jahrestag) 501-505 Apostolische Pönitentiarie 547-550 Apostolischer(n) Stuhl(es) - und Libanon 250 Apostolisches Schreiben - Christifidelis laici 385, 556 f., 656, 806 f., 818, 836, 895 f. - Divini amoris scientia (zur Proklamation d. hl. Theresia zur Kirchenlehrerin) 718-730 - Ecclesia in Africa 94, 806 f. - Eine neue Hoffnung für d. Libanon 68, 245 - Evangelica testificatio 322 - Evangelii nuntiandi 895 f. - Familiaris consortio 430 f., 482 f., 910 f., 921 f., 943-960 - Laetamur magnopere 650-652 - Marialis cultus 124-126, 148 f., 155 - Orientale lumen 237 f. - Pastores dabo vobis 385,814, 817-819, 828, 879, 916 f. - Redemptionis donum 322 - Salvifici doloris 656 - Stella Maris 458-465 - Tertio millennio adveniente 10, 16, 96 f., 162-164,168f.,216f„ 500, 512, 543, 632 f., 770 f., 817, 820 f., 826, 859 - Vita Consecrata 21, 322, 385 f., 480 f., 504-508, 608 f., 679 f. Arbeit(s) - A.markt 597 f. - Bedeutung u. Wert menschl. 284, 595 - Menschund 39-41,283 f. - Rechtauf 40, 596 f., 639 - Welt der 39-41 Arbeitslosigkeit 39-41,435 - als Kennzeichen von Unterentwicklung 283 f. Arme(n) - Dienst an den 123 f., 693, 872 f. - Option für die 877 - Schutz d. A. u. Schwachen 692 f. Armut 435,752,781 - der Kirche in Bosnien-Herzegowina 205 f. - evang. Rat der 506 - Welttag der 144 Arzt/Ärzte 363-365 Aschermittwoch(s) - Liturgie des 24 f. - Predigt an 521 f. Auferstehung 406, 551 f. - Geheimnis der 512 f. - Glaube an die 761 f. - Hoffnung auf die 573 - Jesu Christi 31,44 £, 191, 246 f., 388 f., 576 - Zeugen für die 71-73,196 Aufgabe - der Kirche 39 f. - der Kultur 306 - Einheit als A. d. Christen 263 f. - Freiheit als A. d. Menschen 272 f. - Friede als A. d. Menschen 49, 69, 207-210, 212 - missionarische 6 1088 REGISTER Auftrag - des Bischofs 879 f., 883 f., 897 f. - des Bischofsamtes 823-827 Ausbildung/Bildung - der Jugend 807 - der Laien 812,1029 f. - der Priester 421 f., 809 f., 813 f., 818 f„ 851-857, 886 £, 899 £, 911 f., 916 f., 922 f., 925 f., 928 f. - ökumenische Dimension in d. A. der Pastoral-Tätigen 1045-1063 Barmherzigkeit - Botschaft von der 342 f. - Gottes 342 f. - siehe auch: Erbarmen; Mitleid Bartholomäusnacht 404 Begegnung 509 f., 558 f. - mit dem lebendigen Jesus Christus 1076-1086 Beichtvater/-väter - Vademecum für B. in Fragen d. Ehemoral 943-960 Bekehrung 483 f., 490, 514 f., 517 f., 817 - als Weg der Kirche 38 f. - Aufruf zur 522 - des armenischen Volkes zum christl. Glauben 643 f. - des Herzens 24 f. - des Paulus 488 f. - siehe auch: Buße; Umkehr; Versöhnung Benediktiner 61-63 Berge - des Valle d' Aosta 93-95 Berufung(s/en) 809, 886 f., 925 f. - als Geschenk u. Verpflichtung 181,383-386,613 - als kirchl. Ereignis 589 f. - B.pastoral 587-592, 599-603, 613-615, 667 f., 852 f., 886 f., 1015 - der Jugendlichen 113, 600 f., 614 f. - des christlichen Politikers 555 f. - des Wissenschaftlers 360 f. - Europäischer Kongreß über Berufungen 599-603, 613-615 - Europas 345 - fraul. B. in Kirche u. Gesellschaft 481 - Freiheit als 277-279 - Gebet um 599-603, 613 f. - Heilsgeschichte als Geschichte der 588 f. - jeder Universität 359 f. - Sinn d. christlichen 653 - transzendente B. des Menschen 756 - universale B. zum Heil 468 f. - universale missionarische 683 - Universalität der 411 f. - zum Dienst am Wort 587-592 - zum geweihten Leben 193 f., 321-327, 507, 599-603,613-615 - zum Ordensleben 608 - zum Priestertum/Priesteramt 193 f., 220, 383-386, 523 f., 592-594, 599-603, 613-615, 819, 837, 853 f., 900 f., 1083 - zur Ehe 438 f., 496 f. - zur Evangelisierung 609 f. - zur Heiligkeit 103 f., 399 f., 443, 604-606, 615, 772, 947 f. - zur Liebe 226 - zur Mission 772,781 f. - zur Nachfolge 772, 781 f. Bevölkerung - Internat. Konferenz über ,3- und Entwicklung“ 310 1089 REGISTER Bewegung(en) - „Licht u. Leben“ (früher: Oasen d. lebendigen Kirche) 350 - kirchliche Jugendb. 848 - ökumenische 82 f. Beziehung - zwischen Jesus u. Maria 3 f., 7-12, 18-20,28-30,32 f., 35-37,46-48, 51 f.,58f., 65 f., 71-73, 88, 98 f„ 101-103,515 - zwischen Staat u. Kirche 222-224, 711-714 Bibel 622 f. - als Lehrpfad christl. Spiritualität 96 f. - siehe auch: Hl. Schrift Bibelkommission - Päpstl. 581-583 Bibelpastoral 622 f. Bildungswesen - Kongregation für das Katholische 1034-1044 Bischof(s)/Bischöfe(n) - l.B. von Prag 61-63 - als einziger Repräsentant d. Diözese 983 f. - als Lehrer d. Glaubens 879 f. - als Leiter d. Teilkirchen 898 f. - als Prophet 824 - Auftrag des 879 f., 883 f., 897 f. - deutsche B. u. Hl. Stuhl 669-674 - Gemeinschaft mit allen 203 f. - in Bosnien-Herzegowina 204 - Kongregation für die 981-1000 - Leitungsamt d. B. in d. Synode 982-985 - Papst und 675 f., 825 f. - Priester und 385 - Zusammenarbeit der 825 f. Bischofsamt(es) 675 - Auftrag des 823-827 Bischofskonferenz 352 f. - Deutsche 713 - Italienische 622-625 - Polnische 352-356 - Tschechische 218-224 - von Bosnien-Herzegowina 212 Bischofsrat - Lateinamerikanischer B. (CELAM) 429-433, 665-668 Bischofssynode - Ablauf der 991-993 - als Ausdmck d. bischöflichen Leitungsamtes 983 f. - der armenisch-katholischen Kirche 642-644 - Einberufung der 987 - Erklärungen u. Dekrete der 993 f. - Mitgliederder 985-987 - Sonderversammlung d. B. für Amerika 161 f., 177 f., 762-765, 780-783, 1076-1086 - Sonderversammlung d. B. für d. Libanon 68,245,247,250,254 - Synodenordnung 988 f. - Vorbereitung der 988-991 - Ziel der 984 - Zusammensetzung der 985-987 Bischofsweihe 6 - Predigt während der 468-470 Blut - Jesu Christi 425 f. Botschaft - an d. europ. Staatsoberhäupter anläßl. d. Tausendjahrfeier d. hl. Adalbert 300-302 - an d. Generalkapitel d. Schwestemkongregation Töchter d. hl. Anna 480 f. - an d. Generaloberen d. Comboni-Missionare v. Herzen Jesu 681-683 1090 REGISTER an d. jungen Strafgefangenen 395 f. an d. Mitglieder d. Lateinamerikan. Bischofsrates (CELAM) 665-668 an d. Mitglieder d. Päpstl. Kommission für d. Kulturgüter d. Kirche 684-687 an d. Personen d. Geweihten Lebens 321-327 an d. polnischen Bischöfe 352-356 an d. Staatsoberhäupter d. 7. Iberoamerikan. Gipfeltreffens 754-757 an d. Teilnehmer d. Europ. Kongresses über d. Berufungen 599-603 an d. Teilnehmer eines Kongresses v. Bischöfen, verbunden d. Fokular-Bewegung 511-513 der hl. Theresia v. Kinde Jesus 412 f. der Sonderversammlung d. Bischofssynode für Amerika 1076-1086 Grußb. an d. Bischof v. Fatima 618 f. Grußb. an d. Präsidentin des Reformierten Weltbundes 649 von der Barmherzigkeit 342 f. von Fatima 336 f. vor dem Segen Urbi et Orbi 576- 578 Weihnachtsb. vor d. Segen Urbi et Orbi 796-798 zum 12. Weltjugendtag (Paris) 557-563 zum 31. Welttag d. sozialen Kommunikationsmittel 615-618 zum 34. Weltgebetstag um Geistl. Berufe 587-592 zum Fest d. Apostels Andreas 769 f. zum Kreuzweg 393-395 - zum Tag des Geweihten Lebens 323, 505-508 - zum Weltfriedenstag 449-458 - zum Weltmissionssonntag 731-733 - zum Welttag d. Migranten und Flüchtlinge 691-695 - zur 2. Europ. Ökumen. Versammlung 633-635 - zur Fastenzeit 518-521 - zur Gebetswache über das Thema: „Berufungen“ 383-386 - zur Neuweihe d. Kathedrale von Minsk 704 f. - siehe auch: Frohbotschaft; Heilsbotschaft Brief - an d. dt. Bischöfe zum 400. Todestag d. hl. Petrus Canisius 669-674 - an die Familien 184 f., 429 f., 496 - an die Hebräer 509 f. - an die Jugendlichen Roms 657-662 Brot - B.vermehrung 261 f., 269 f. - des Lebens 260-262,271 f., 338, 370-376, 626 Brüderlichkeit/Geschwisterlichkeit 390,450 f., 757, 797 - Dialog der 210 f., 248 f., 254 - Geist der 15 Bulle - Bullarium romanum (Benedikt XIV.) 128 f. - Ineffabilis Deus (Pius IX.) 98 f. Bund(es) - der Alte 167 f., 510 - der Neue 43 f., 167 f., 411 f. - Gottes mit d. jüd. Volk (Israel) 4L, 170-172,411 f., 795 1091 REGISTER Buße 861 - Sakrament der 524 f., 548 f., 817, 843 f., 943 £, 953-960 - siehe auch: Bekehrung; Umkehr; Versöhnung Caritas - d. Bischofskonferenz v. Bosnien-Herzegowina 212 CELAM - 25. Generalversammlung d. Mitglieder d. Lateinamerikan. Bischofsrates 665-668 Charisma/Charismen 168 f. - Gründungsch. 193, 768 - Vielfalt der 505 f. Chrisam - Chrisammesse (Gründonnerstag) 568 f. Christ(en) - des Ostens u. des Westens 6 - Einheit der 12-16, 63, 86,117 f., 207 £, 263 £, 487-491, 513, 561 £, 673 £, 821, 1067 - Gemeinschaft der 13-16,86 - im Hl. Land 632 £ - Juden und 581-583 - Katholiken u. reformierte 649 £ - katholische u. orthodoxe 68 £ - Maria als Mutter aller 58-60, 65 £, 337, 465-467 - Päpstl. Rat zur Förderung d. Einheit der 1045-1063 - Sendung d. Chr. in d. Welt 504 - Spaltungen unter den 12-16 - theolog. Dialog zwischen 634 £ - Tradition der 149 £ - und Hindus 1032 £ - und Muslime 69 - Versöhnung unter den 82 £ - Zusammenarbeit unter den 12-16, 493 Christentum(s) - bietet Lebenssinn 34 £ - Eucharistie als Synthese und Höhepunkt des 74 £ - in Armenien 1067-1069 - in Europa 635 Christologie - christolog. Streit 15 Claretiner 678 £ Codex - Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO) 642-644 - Iuris Canonici 494 £, 981 £ communio - des Mystischen Leibes 281 Dank 383 Dekret(e) - Christus Dominus 824 £, 884 £ - Erklärungen und D. der Bischofssynode 993 £ Demokratie 38 £, 598 £ - ethische Werte der 754-757 - in Polen 258 Denken(s) - Dienst des 360 Diakon(e) 593 £, 831 Diakonat 831 Dialog(s) 13,415,472, 558, 754-757 - als Methode der Mission 554 £ - der Brüderlichkeit 210 £, 248 £, 254 - der Liebe 635 - der sich am gegenseitigen Respekt inspiriert 201 £ - Einheit durch 560 - friedenbringender 546 - interreligiöser 256,513, 862 - konstruktiver 35 - mit dem Islam 873 £ 1092 REGISTER - ökumenischer 14-16,134,237-240, B62, 931 f., 1068 - Päpstl. Rat für d. Interreligiösen 1032 f. - theolog. D. zwischen Christen 206, 634 - Wiederaufnahme des 190,200 - zwischen Glauben u. Kultur 539-541, 608 f., 624 f., 641 - zwischen kath. u. orthodoxer Kirche 926 f. - zwischen Katholiken u. reformierten Christen 649 f. - zwischen Kirche u. Gesellschaft 819 f., 861 f. Dienst(es) 1017 - am Kranken ist D. an J. Chr. 363-365 - am Menschen 273-275 - am Wort Gottes 587-592,679, 709,1019 f. - an den Armen 123 f., 693, 872 f. - an den Gläubigen 1013 - an den Leidenden 516 f., 655-657 - an der Wahrheit 359 f. - Bereitschaft zum 272 f. - der Franziskaner 609 f. - der Nächstenliebe 676 - der Schweizergarde 611 f. - der Versöhnung 14,207, 634 f. - des Denkens 360 - des Glaubens 258 - im Dienst J. Chr. stehen 346 f., 370-376 - Liebe und 389-391,586 - Notwendigkeit des 570 f. - Priestertum des 1012-1015 Diktatur 38 f. - kommunistische 62 f. Diözesanbischof - Aufgaben des 998-1000 - Vollmachten des 997 f. Diözesansynode(n) - Instruktion über die 981-1000 - siehe auch: Bischofssynode; Synode Diözesanversammlung(en) 981 f. Diözese(n) - Aufgabe d. Diözesanbischofs in d. Organisation der 998 f. - Bischof als einziger Repräsentant der 983 f. - Rom 169 Diplomatisches Korps - Hl. Stuhl und 475-479 Dogma/Dogmen - von d. Aufnahme Mariens in d. Himmel 83-85, 87-92, 98 f., 111-113,159 f., 652-654 - von d. Unbefleckten Empfängnis 159 f. Dreifaltigkeit - siehe: Heiligste Dreifaltigkeit Drogen - Jugendliche und 697-699, 937-942 - Kampf gegen 698 f. - Liberalisierung von 937-942 Drogenabhängigkeit - und Familie 940 f. - Internat. Kongreß über 696-699 Ehe 138-140,432, 624 f., 876 f., 881,921 - als Grundlage d. Familie 127 f., 139 f., 442, 943-960 - Berufung zur 438 f., 496 f. - Einheit u. Unauflöslichkeit der Christi. 437-440,495 - Heiligkeit in der 439 f., 944, 947 f. - Heiligung der 442 f. 1093 REGISTER - im Heilsplan Gottes 33,114 f., 139, 429 f., 944 - kirchliches E.recht 494-497 - rechtl. Dimension der 495 - Sakrament der 33, 434, 439, 444, 843 f., 944 f., 977-980 - Scheitern der 484 - Vademekum für Beichtväter in Fragen d. Ehemoral 943-960 - Werte der 115 - Würde der 311 f. Eheleute 437-440 - Liebe der 33 Ehelosigkeit - der Priester u. Ordensleuten 922 Ehescheidung(en) 977-980 Einheit 267,404 f., 456 f., 711-714, 817 - als Aufgabe d. Christen 263 f. - der Christen 12-16, 63, 86, 117 f., 207 f., 263 f., 487-491, 513, 561 f., 673 f., 821,1067 - der Gemeinde (Pfarrei) 835 - der göttl. Dreifaltigkeit 263 f. - der Jünger 263 f. - der Kirche 168 f., 193,245, 264 f., 290, 353, 407, 763 f. - des Glaubens 299, 817 f. - durch Dialog 560 - eheliche 437-440, 495 f. - eines christl. Europas 293-299 - Europas 293-299,557,714 - in der Eucharistie 840 - Maria als Mutter der 158-160 - Päpstl. Rat zur Förderung der E. der Christen 1045-1063 - Sehnsucht nach 237-240 - und Freiheit 710-714 - zwischen dt. Bischöfen u. d. Hl. Stuhl 673 f. Eltern 921 f. - als Erzieher zum Glauben 845 f. - geben Zeugnis d. Fürsorge u. Liebe 339 - verantwortliche E.schaft 949-954 Empfängnis - Unbefleckte E. Mariens 91 f., 101-103, 120 f. Empfängnisverhütung 945, 947, 951 Engel(n) - als Gesandte Gottes 45 f. Entchristlichung 745 Entführung 31 - des Bischofs in Kolumbien 169 Entwicklung(en) - Internat. Konferenz über „Bevölkerung und E.“ 310 - Offensein für künftige 376-379 Entwicklungsländern) - Werbung in den 967 f. Enzyklika/Enzykliken - Leo XIII. (1878-1902) - Remm novarum 399 - Pius XII. (1939-1958) - Ad coeli Reginam 98 - Mediator Dei 165 f. - Johannes XXIII. (1958-1963) - Pacem in terris 211 f. - Paul VI. (1963-1978) - Humanae vitae 943-960 - Populorum progressio 595 f., 636 - Johannes Paul II. (seit 1978) - Centesimus annus 40, 282, 556 f., 597 f., 756 - Evangelium vitae 528, 599, 639-641, 713 f., 754, 820, 943-960 1094 REGISTER - Laborem exercens 39 f., 282, 283 f., 595 - Reconciliatio et paenitentia 943-960 - Redemptor hominis 279, 304 - Redemptoris Mater 135,158 - Redemptoris missio 621, 732 f. - Sollicitudo rei socialis 282, 556 f., 596, 636, 756, 820 f. - Ut unum sint 237 f., 673 f. - Veritatis splendor 586, 943-960 Epiphanie 469 Erbarmen - Gottes 49 - Marias 32 f. - siehe auch: Barmherzigkeit; Mitleid Erbe - geistiges 250 f. Erdbeben(s) - Gebet für d. Opfer des 153 Erkenntis - der Wahrheit 359 f. - Liebe als Quelle der 397 f. Erklärung(en) - Gemeinsame E. d. Katholikos Aram I. u. Papst Johannes Paul II. 1067-1069 - und Dekrete d. Bischofssynode 993 f. Erlöser - Jesus Christus als 98 f., 168, 196, 522, 753, 797 f. Erlösung 7 f., 425 f. - Geheimnis der 7-12,43 f., 65 f., 166, 509 - Reichtum der 550 - siehe auch: Heilsökonomie Erneuerung - des Menschen 297 f. - geistliche 317 - kirchlicher Gemeinschaften 779 f. Erstkommunion - E.-Kinder 337-339 Erwachsenenbildung - christliche 864 f. Erziehung - der Jugend 882 f. - der Kinder 337-339 - der Kinder d. neuen ehel. Verbindung 484 f. - des Menschen 306 f. - religiöse 845-851 - Selbsterziehung 306 - Vollmacht d. Diözesanbischofs in der kath. 997 - zum Glauben 745, 845 f. - zum sozialen Engagement 638 - zur Nächstenliebe 584 f. Ethik - in der Werbung 961-976 - Privatisierung christlicher 637 f. Eucharistie 33, 74-75,175 f., 205, 273-279,411,418, 523 f., 561, 570, 828, 837, 863 - 23. Nation. Eucharist. Kongreß (Bologna) 131,417-419,422-426 - 46. Eucharist. Weltkongreß (Breslau) 79, 259-262,266-273, 276-279, 352 f. - als Herz d. Kirche 267 f., 280 f. - als Quelle unserer Reinigung 425 f. - als Synthese u. Höhepunkt d. Christentums 74 f. - Apostel/Priester als Diener der 43 f., 276, 545 - Einheit in der 840 f. 1095 REGISTER - Einsetzung der 43, 68, 281, 338, 423, 568 f. - eucharistische Speise u. Trank 290,425 f. - Geheimnis der 269-273,275 f., 278, 325, 423, 571, 594, 625-627 - ist Opfer u. Geschenk 325,423, 425 f. - J. Chr. das Brot d. Lebens 260-262, 626 f. - Realpräsenz Christi in der 260-262,277, 338, 352 - Rückkehr zur 279 - Sakrament der 411, 626 f., 944 - und Priestertum 275 f. - Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur 483 f. Europa(s) - Aufbau eines neuen 223, 295 f., 300 f., 470-473,477-479, 536-539 - Aufgabe d. Kirche für ein geeintes 355 f. - Christentum in 635 - christl. Kulturerbe 223,477 f. - E.Parlament 536-539 - Einheit 297 f., 557, 714 - Frieden in 198,537 - geistl. Geschichte 62 f. - Jugendliche als Erbauer eines neuen 226 f. - Neuevangelisierung in 296 f. - Ökumene in 634 f. Europäische Union 537 f. Euthanasie 820 Evangelisierung(s) 421,431, 644, 652, 655, 681, 686 f., 706, 732, 806, 835 f. - Amerikas 161 f., 763, 780-787 - Apostel beginnen die 294 - Berufung zur 609 f. - der Kulturen 541 - der Tschech. Republik 225, 228 - durch Ordensleute 322 - durch Polen (hl. Hedwig) 345 - in Bosnien-Herzegowina 204 f. - Kongregation für die E. der Völker 981-1000 - Laien und 620 f. - Liturgie als Mittel zur 842 f. - Nächstenliebe als Werk der 587 Evangelisierungsauftrag - aller 732 - der Kirche 294, 708 f. Evangelium(s) - Anfang des Johannese. 166-168 - bestimmt für alle Menschen 235 - der Emmaus-Jünger 246 f. - der Liebe 693 - Glaube an das 336 - Heilskraft des 23 - Inkulturation des 541 - Jugendliche als Boten u. Zeugen des 119, 550 f., 562 - Leben nach dem 13,298 f. - Markuse. 550-552 - Verkündigung des 6, 9, 68 f., 193, 354,400 f., 419 f., 607 f., 732 - Verteidigung des 230 f. - vom Leben 640, 874-878 - Werte gründen auf dem 300 f. - Zeugnis für das 193 - siehe auch: Frohbotschaft; Heilsbotschaft Ewigkeit - Gottes (Eintritt der E. in die Zeit) 166-168, 170-172,175-177, 179-181 - Hunger nach 261 Exequien - für Kardinalvikar d. Diözese Rom 530-532 1096 REGISTER Familie(n) 4 f., 126 f., 138-140, 432, 444,472, 499,624 f., 845, 852 f., 880 f., 944 f. - 2. Welttreffen d. Papstes mit den 119, 124, 126,130 f., 138-140, 429, 433-436, 444 £, 484 f. - afrikanische 910 - als Gemeinschaft d. Lebens u. d. Liebe 312,440 - als Hauskirche 220,431,918-923 - als Heiligtum d. Lebens 127 f. - als Urzelle d. Gesellschaft/d. Menschheitsfamilie 127 £, 149, 184,430 f., 756, 944 - als Zukunft d. Menschen 138-140 - Bedrohungen d./Angriff auf 184 f„ 429-433 - Brief an die 184 £, 429 f., 496 - christliche 184 f., 312, 668 - Drogenabhängigkeit und 940 f. - Ehe als Grundlage der 127 f., 139 f., 442, 943-960 - Heiligkeit der 312,944 - Heiligung der 444 - Identität der 127 f. - im Heilsplan Gottes 139,429 f. - in d. Tschech. Republik 219 f. - Jugendliche in der 119 - Menschund 138-140,429 f., 440 f. - Neuevangelisierung der 947 - Päpstl. Rat für die 126 f., 429 f., 482-485, 937-942, 977-980 - Pastoraltheolog. Kongreß über die 429-433, 437-440 - philippinische 875-878 - Wert der 312 - Würde der 311 f., 431 Familienpastoral 184 f., 431 f. Familienpolitik 500 FAO - Weltgipfelkonferenz der FAO (Rom) 476 Fasten 24-26 Fastenzeit 24-27 - als Zeit d. Solidarität 24-26, 519 f. - als Zeit d. Umkehr 520-522 - Botschaft zur 518-521 - Liturgie der 388 f. Ferien 89 f., 93-95 F est(e)/Hochfest(e) - Allerheiligen 152 f. - d. Unbefleckten Herzens d. Sei. Jungfrau Maria 333-337 - der Aufnahme Mariens in d. Himmel 111-113,652-654 - der Darstellung des Herrn 507-511 - der Erscheinung d. Herrn (Epiphanie) 5 f., 468-470 - der Gottesmutter Maria 465-467 - der Hl. Familie 184 f. - der hll. Petrus u. Paulus 646-648 - der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau 169,174, 778 f. - der Taufe d. Herrn 473-475 - des Heiligsten Herzens Jesu 327-332 - des hl. Josef 39-41 - Fronleichnam 625-627 - Pfingsten 67-70 Film 775-777 Flüchtling(e) - aus Ruanda 60 f., 535 f., 932 Fokulare - Kongreß v. Bischöfen verbunden d. F.-Bewegung 511-513 1097 REGISTER Forschung - verantwortliche 639-641 Franziskaner 607-610 Frau(en) - Ausbeutung von F. in der Werbung 969 f. - ffaul. Berufung in Kirche und Gesellschaft 481 - Genius der 32 f., 331 - in der jüd. Gesellschaft 32 f. - Jesus Christus und 7-9,28-30, 32 - Maria als neue 7-9, 32, 52, 92, 98, 143 - Würde der 32 f., 331,744 - Zulassung der F. zum Priesteramt 821 Freiheit 40 f., 271 f., 278 f., 354 f., 552, 588, 659 f. - als Aufgabe für d. Menschen 272 f. - als Berufung 277-279 - als Gabe Gottes 272 f. - der Kinder Gottes 44 f. - der Menschheit 34 f. - der Person 496 - Einheit und 710-714 - Kirche als Hüterin der 272 f. - Liebe als Vollendung der 348 f. - menschliche 640 £, 756 - Ordnung der 271 f. - und Wahrheit 552, 556, 741 f. Freizeit 848 f. Frieden(s) 3 f., 35, 71, 108,467, 475-479, 797 - als Aufgabe (d. Menschen) 49, 69, 207-210,212, 457 - als Gabe Gottes 207-210,212 - als volle Gemeinschaft mit Gott u. Mitmensch 49 f. - Aufbau des 212, 452 f. - der aus Liebe hervorgeht 197 f. - im Libanon 69 ft, 243-245,250-253,255 f. - in Europa 198, 537 - in Zaire 60 f., 535 - Jugendliche als Erbauer des 248 - Kultur des 452 f. - Päpstl. Rat fiir Gerechtigkeit und 636-639 - Pilgerweg des 449 - Vergebung als Voraussetzung fiir 449 f., 467 - Weltfriedenstag 3 f., 13,449-458, 467 Friedensappell - des Hl. Stuhls 87, 137,163,169, 177,183, 546 ft, 627-630 - für Albanien 38 £ Friedenspreis - Internationaler F. Johannes XXJII. 211 ft Friedensprozess - im Nahen Osten 477, 580 ft, 627-630, 680 - in Bosnien-Herzegowina 189-191, 193 ft, 199-202, 204,208 ft, 213 f. Frohbotschaft 247,297 ft, 400 ft - siehe auch: Evangelium; Heilsbotschaft Fronleichnam - Predigt an 625-627 Frömmigkeit - christliche 65 ft - Marienf. 147 ft, 154-156 - Volksf. 97-99, 154-156 - siehe auch: Marienverehrung; Verehrung Gabe(n) - des Hl. Geistes 70 ft, 168 f. - Freiheit als G. Gottes 272 f. - Friede als G. Gottes 207-210,212 1098 REGISTER Gastfreundschaft 382, 520 Gebet(s/e) 14,24 f., 205, 289 f., 337, 383 f., 513,706 f., 859 f. - für d. Papst 335 f. - für die Toten 153 f. - gemeinsames G. im Abendmahlssaal 75 f., 251 f. - gemeinsames ökumenisches 63, 237, 262-267 - im Marienheiligtum v. Jasna Göra 315 f. - Jesu Christi 490 - Marieng. (Rosenkranz, Angelus) 148 f., 154-156, 160,236 f., 253 f., 279 f., 315 f., 337, 340 f., 778 f. - Stundeng. 828 - um Berufungen 599-603, 613 f. - zum Hl. Geist 774 f. Gebets treffen - des Papstes 367-369, 392 f. Gebetswache - Botschaft zur G. über d. Thema: „Berufungen“ 383-386 Gebot(e) - Liebesg. 65 f., 348, 388 f., 512 f., 570 f., 603 f. Gefängnis - G. seelsorge 223 Geheimnis(se) - der Auferstehung 512 f. - der Aufnahme Mariens in d. Himmel 91 f. - der Erlösung 7-12,43 f., 65 f., 166, 509 - der Eucharistie 269-273,275 f., 278, 325, 423, 571, 594, 625-627 - der Gottesmutterschaft Marias 142 - der Heiligsten Dreifaltigkeit 74 f. - der Liebe 3 f., 74, 512 f. - der Menschwerdung 175 f., 181 f., 275 f., 795 f. - des Glaubens 261 - des Kreuzes 43-45, 394 f., 571-573 - des Lebens 639 f. - des Leidens 365 - des Menschen 273 - des Reiches Gottes 179 f. - des Rosenkranzes 340 f. - glorreiches 44 f. - Gottes 273 - Heilsg. 390 f. - Jesu Christi/d. Gottessohnes 9, 11 f., 18-20,44,168,233, 410 f., 840 f. - Mariens 318-320 - Osterg. 191, 388 f., 758 f. - schmerzensreiche 44 - von Weihnachten 183 - siehe auch: Mysterium Gehorsam(s) 194 - evang. Rat des 506 - gegenüber der Kirche 885 f. - Jesu 10-12 - Mariens 9-12,18-20,27-30, 32 f., 35-37,48, 65 f., 71-73, 111,124 f., 174 Geist(es) 299 - der Brüderlichkeit 15 - Formung eines europäischen 347 Gemeinde 814, 817 f. - Einheit der 835 - G.leben 365-367 Gemeinschaft(en) 808 - der Christen 13-16,86 - der Heiligen 152 f. - der Kirche 352 f., 779 f., 984 - der Priester 830 f. - der Salesianer 95 - des Geweihten Lebens 321-327 - des kontemplativen Lebens 230, 322 - eheliche 432 1099 REGISTER - Familie als G. d. Lebens u. d. Liebe 312,440 - Frieden als volle G. mit Gott u. Mitmensch 49 f. - Kirche als G. gläubiger Menschen 333-335, 817 f. - mit allen Bischöfen 203 f. - religiöse 906 f. - Solidarität in der 193 f. - zwischen d. armenischen apostol. u. kath. Kirche 491-493 - zwischen Maria u. d. Jüngern 75-77, 224 f., 251 f. Gemeinwohl 478 f. - Mitarbeit aller am 204 f., 210 f., 414 f. Gentechnik 361 Gerechtigkeit 199,478 f. - als Voraussetzung d. Vergebung 453-456 - des Reiches Gottes 281 f. - Forderung nach sozialer 586 f. - Nächstenliebe und 399 f. - Päpstl. Rat für G. und Frieden 636-639 - Sendung der 282 Geschichte - der tschech. Nation 237-240 - des Neokatechumenalen Weges 486 f. - des Weltjugendtages 386 f. - J. Chr. in d. G. d. Welt 788 f. - Jesus in d. G. v. seiner Ankunft 166-168, 170-172 - neue G. für d. Menschheit 166-168 - polnisch-jüdische 313 f. - Verbundensein mit der 376-379 - Weg der 163 f. Geschiedene - wiederverheiratete 482-485, 977-980 Gesellschaft - Familie als Urzelle der 127 f., 149,184 £, 430 f., 756, 944 - Frau in der jüdischen 32 f. - Frau und 481 - heutige 515 f. - in Belgien 814 f. - in Frankreich 823 £, 832 f. - in Zaire 931 f. - Kirche und 819 f., 861 f. - pluralistische 816-822 - Randgruppender 811-816 - Rolle d. Universität in der 359 - solidarische 107 f. - Wiederaufbau der 244 - Zusammenleben von Kulturen u. Religionen in einer 255 f. Gesellschaftordnung - neue 255 £, 297 f. Gesetz - Sitteng. 478 f. Gesetzestext(en) - Päpstl. Rat für d. Interpretation von 1001 f. Gesundheit(s) - als Gut 752 f. - Förderung des G.wesens 752 - Kongreß über Umwelt und 565-568 - XII. Internat. Konferenz „Kirche und G. in d. Welt“ 751-754 Gewalt 35, 38 f., 189-191, 476 f., 781 - in Zaire 535 f., 546 f. 1100 REGISTER Gewissen(s) 237 f. - Bildung des 547-550, 742, 892 £, 909 - Primat des 291 f. - Würde des 291 f. Gläubige(n) - Dienst an den 1013 - Unterschied zwischen G. und Maria 120 f. Glauben(s) 8 f., 30 f, 179 £, 288, 368, 492, 612, 742, 836 - an die Auferstehung 761 f. - an das Evangelium 336 - an Jesus Christus 257-260, 304, 333 f. - apostolischer 647 - Christi. G. und AT 170-172,583 - christlicher 58 £, 639-641, 663 f. - der Kirche 33,121,559 - Dienst des 258 - Einheit des 299, 817 f. - erneuerter 353 f. - Erziehung zum 745, 845 f. - Fruchtbarkeit des 540 - Geheimnis des 261 - in säkularisierter Umwelt 908-913 - Inkulturation des 636 £, 685 - Marias 9-12, 18-20,27-30, 32 £, 35-37,46-48, 65 £, 71-73,111, 124 £, 169, 174,317 - Medien und 616 £ - muß im soz. Leben Ausdruck finden 281 £ - politisches Handeln und christlicher 536 £ - Synthese von G. u. Leben 281 £, 504, 641 - und Kultur 539-541, 608 £, 624 £, 641 - Unversehrtheit des 115 - Weitergabe des 709 - Wesen des 708 £ - Zeuge/Zeugin des 226,718-739, 847 - Zeugnis für den 71-73,264 £, 287-293, 338 £, 738 Glaubensbekenntnis - Nizäno-Konstantinopolitanisches 146 - und Lebenszeugnis 903-908 Glaubenslehre - Kongregation für die 740-743, 1003-1007 - Schutz der 1003 Glaubensverkündigung 40 Glaubenswahrheit 87-89, 195 £, 669 £ Gleichnis(se) - vom Guten Hirten 235 - vom Sämann 373 £, 401 Globalisierung 598 £, 783 - Prozesse wirtschaftlicher 638 £ Gnade - Gottes 14, 82 £, 207, 634 - Zeit der Gnade 179-181 Gott(es) - als himmlischer Vater 11 £ - als Schöpfer 163 £ - Barmherzigkeit 49, 342 £ - Ewigkeit 166-168,170-172,175-177, 179-181 - Gabe 217-210, 212,272 £ - Gegenwart 411 - Geheimnis 273 - Gnade 14,207 - Heilsplan 4 £, 11 £, 33, 52, 90-92, 106, 109-111,170 £, 175 £, 246 £, 332, 345, 488 - Hingabe an 8, 231 - Hingabe Jesu an 10-12,48 - ist absolute Wahrheit 453 £ - Kommen 509 1101 REGISTER - Leben als Geschenk 20 f., 310, 434, 640 f. - Liebe 3 f., 22, 34 f., 49,197 f., 279,312,586, 603-606 - Liebe zu 538 - Märtyrer als Zeugen 287 f. - Mensch als Abbild 40.246 f., 331, 441 f., 599, 640 - Name G.: Ich bin da 166 f. - und das jüdische Volk 4 f., 170-172,411 f., 795 - und Mensch 312, 409 f., 425 f. - Vergebung 450, 455, 549 - Verheißungen 4L, 170-172 - Weihe an 231 f. - Wort 96 f., 125,442, 550 f., 554 £, 558 f, 588, 678 f„ 708, 835 f„ 842,1019 f. Gottesdienst(e) - Inkulturation des 913 - Maria als Vorbild d. Kirche im 124-126 Gotteskindschaft - der Menschen 466 Gottessohnschaft - Jesu Christi 3 f., 9 £, 19 f., 74, 98 175 f., 466,473 f. Gründonnerstag 43, 568 f. - Fußwaschung an 388 f. - Schreiben an die Priester zum 541-546 - Tag d. Einsetzung d. Eucharistie 568 f. - Tag d. Einsetzung d. Sakraments d. Priesterweihe 568 f. Gut/Güter - Gesundheit als 752 f. - Rückgabe enteigneter kirchlicher 222 f. Gynäkologie - Weltkongreß für Gynäkolog. Endoskopie 639-641 Häresie 1007 Haus in Nazaret 18-20 Hauskirche - Familie als 220,431,918-923 Heil(s) - H.geheimnis 390 f. - universale Berufung zum 468 f. - universaler Wert des 38 f. Heilige(n) Familie 4 f., 444 - Fest der 184 f. Heilige Schrift(en) 622 f., 859 f. - Vermittlung der 623 f. - siehe auch: Bibel Heilige(en) 236 f. - für die Christen v. heute 235 - Gemeinschaft der 152 f. - jugendliche 736 f. - Weg des 61-63 Heiliger(n) Geist(es) 383 f., 659, 675, 860 f. - 2. Vorbereitungsjahr auf 2000: Reflexion über 168 f., 181, 770-773, 779 f., 789,811 - als Geist d. Herrlichkeit 252 f. - Ausgießung des 224-228 - Gabe des 70 f., 168 f. - Gebet zum 774 f. - Jesus und 9 f, 474 - Kirche und 224 £, 227 - Kraft des 67,227,251 f. - Maria und 75-77,103, 114 £, 146-148,182 - Verheißung des 676 - Wirkendes 146-148, 175 f., 181 f., 512 1102 REGISTER Heiliger(n) Stuhl(s) - Botschafter d. BRD am 711-714 - Botschafter d. Staates Israel am 579-581 - deutsche Bischöfe und 673 f. - Diplomatisches Korps und 475-479 - Friedensappelides 87,137,162, 169, 177, 183, 546 f., 627-630 Heiliges Jahr - 1. V orbereitungsj ahr (Reflexion: J. Chr.) 6,25-27, 53, 96,161 f. - 2. Vorbereitungsjahr (Reflexion: Hl. Geist) 168 f., 181, 770-773, 779 f., 789,811 - Jubeljahr 2000 4, 6,10,13,25,27, 96 f., 161-164, 166-169, 175, 216, 234,258, 498 f., 519, 533 f., 690, 789,811,860 Heiliges Triduum 388 f., 568 f. Heiligkeit 420 f., 524 - Berufung/Aufruf zur 103 f., 399 f., 443, 604-606, 615, 772, 947 f. - der Familie 312,944 - der Kirche 508 - der Liturgie 840 - des Lebens 892 - in der Ehe 439 f., 944, 947 f. - Streben nach 621 Heiligsprechung - der hl. Hedwig 80 f., 344-350, 357 - des hl. Johannes v. Dukla 81,367-376 Heiligste(n) Dreifaltigkeit 9 f. - Anbetung der 146 f. - Einheit der 263 f. - Geheimnis der 74 f. - im Licht der 163 f. - Offenbarung der 474 f. Heiligtum(-tümer) - Familie als H. des Lebens 127 f. Heiligung - der Ehe 442 f. - der Familien 444 Heilsbotschaft 540 f. - Verkündigung der 742 f. - siehe auch: Evangelium; Frohbotschaft Heilsgeschichte 509 f., 512 - als Geschichte d. Berufungen 588 f. - beginnt im At 4L, 170-172 Heilsökonomie - Rolle Mariens in der 7-12, 47, 51 f., 58 f.65 £, 70 £, 84, 97 £, 129 £, 132, 135-137,143, 147 £, 156, 158-160, 174 Heilsplan - Ehe/Familie im H. Gottes 33, 114 £, 139,429 £, 944 - Gottes 4 £, 11 £, 33, 52, 90-92, 106, 109-111,170 £, 175 £,246£, 332, 345, 488 Heilssendung - des Messias 7-9 - universale H. der Kirche 488 £ - siehe auch: Heilsökonomie Heilswerk - siehe: Heilsökonomie Hilfsorganisation(en) - humanitäre 190 £, 211 £ Hilfswerk(e) - Vereinigung d. H. £ d. Oriental. Kirchen (ROACO) 630-633 Himmel - Aufnahme Marias in den 83-85, 87-89, 98 £, 111-113,159 £, 652-654 - H.fahrt Jesu Christi 98 1103 REGISTER Hindus - Christen und 1032 f. Hingabe/Selbsthingabe 272 f., 553, - an Christus 303 f., 659 - an Gott 8,231 - Jesu an Gott 10-12,48 Hochzeit(s) - H.fest 180 f. - von Kana 28 f., 31-33,129,147 Hoffnung 19 f., 54 f., 390 f., 475 f. - auf die Auferstehung 573 - christliche 174 - Maria als Mutter der 158-160 - Priester als H.träger 57, 191 f. - Verwirklichung d. messianischen 4 f., 166-168, 170-172 Homilie 333-337,422-426, 652-654, 794-796,1012 f. Hunger(s) 752 - H.not 270 f. - nach Leben, nach Ewigkeit 261 Identität - Achtung vor der I. anderer 69 f. - christliche 581 - der Familien 127 f. - der Katholiken d. Ostkirchen 631 f. - Jesu Christi 196 Inkulturation - der christl. Botschaft 921 - des Evangeliums 541 - des Glaubens 636 f., 685 - des Gottesdienstes 913 Instruktion - Donum vitae (10. Jahrestag) 528 - über d. Mitarbeit v. Laien am Dienst d. Priester 1008-1031 - über die Diözesansynoden 981-1000 Islam - Kath. Kirche und 873 f. Jahr - der Nächstenliebe (1999) 585 - Europ. J. gegen d. Rassismus (1997) 161 f. - Heiliges J. siehe: Heiliges Jahr - Jubeljahr siehe: Heiliges Jahr Jahrfeier/Jahrestag - 1000-Jahrf. der Taufe Polens (1966) 344 f., 353 f. - 1000-Jahrf. des Todes d. hl. Adalbert 61-63,78-80,215-220, 225-227,232-236,240 f., 259,293-302, 378 f. - 25-Jahrf. d. Gründung d. Bewegung „Oasen d. lebendigen Kirche“ 350 - 600-Jahrf. d. Jagellonen-Universität zu Krakau 259, 378 f. - 650-Jahrf. d. Gründung der Karlsuniversität 221 Jesus(Jesu) Christus(Christi) 16 £, 23, 526, 559, 611, 626 f., 658, 731, 788-793, 859 - 1. Vorbereitungsjahr auf 2000: Reflexion über 6,25-27, 53, 96, 161 f.. - als Beistand beim Vater 195-199 - als d. ewige Wort Gottes (im Anfang war d. Wort) 166-168, 170-172, 175 f. - als d. Gottesknecht 172, 393 f. - als Erfüllung d. göttl. Heilsplan 332 - als Erlöser 98 £, 168, 196, 522, 753, 797 f. - als Immanuel (Gott mit uns) 174 - als Mitglied d. Menschheitsfamilie 4 f., 170-172 - als Prophet 17 - als Sohn Davids 4 f. 1104 REGISTER als Sohn Gottes 3 f., 9 f., 19 f., 74, 98 f., 175 f., 466, 473 f. als wahrer Gott u. wahrer Mensch 15,168,175 f., 196 Auferstehung 31,44f., 191, 246 f., 388 f., 576 Begegnung mit dem lebendigen 1076-1086 besitzt ein ewiges persönliches Sein 166-168 der Auferstandene 49 f. der Gute Hirte 235, 592-594 der Messias 4 f., 7-9, 166-168, 170-172, 509 f., 551 f., 794 der Name Jesus 465 f. derselbe gestern, heute u. in Ewigkeit 297, 299 £, 378 £, 533 f. End- u. Ausgangspunkt d. Zeit 166-168 Geheimnis 9,11 £, 18-20,44, 168,233,410 f., 581, 840 f. Gehorsam 10-12 Glaube an 257-260, 304, 333 f. hat Worte ewigen Lebens 370-376, 418 f. Heilungen/Heilungswunder 23 Himmelfahrt 98 Hingabe an 303 £, 659 Hingabe an Gott 10-12,48 Identität 196 im Dienst J. Chr. stehen 346 f., 370-376 im Tempel v. Jerusalem 7-12, 20 f., 508-511 in d. Geschichte v. seiner Ankunft 166-168, 170-172 in der Geschichte d. Welt 788 f. ist das Brot d. Lebens 260-262, 626 f. ist das Licht d. Welt 5 f., 130 f., 177, 468, 508 f., 574-578 - ist der Weg, die Wahrheit u. das Leben 418, 615 f., 659 f., 731 f. - Königtum 98 f. - Kreuz 24 £, 44 £, 394 £, 510 f., 564 - lebendige Gegenwart J. Chr. erfahren 117,194,512 - Leiden 7 £, 44 f., 393-395, 563- 565 - Liebe 504 f., 577 f. - Meister, wo wohnst du? Kommt und seht. 557-563, 688 f., 858 f. - Menschwerdung/Geburt 3-5, 9 £, 74,166,170-172, 175, 512 f., 798-801 - Nachfolge 24 £, 104,231, 247 f., 501, 506, 588 f., 614 £, 700-703 - öffentl. Auftreten 11,28-37 - Offenbarung 170-172, 179 f., 473 f., 575 - Opfertod 43-45, 246 £, 522, 544 f. - Priestertum 542-544, 593 - Realpräsenz J. Chr. in der Eucharistie 260-262,277, 338, 352, 552 - Sendung/Heilss. 11,18-20,35-37, 593 - Sendungsauftrag 5 f., 400 f., 732 f., 784 f. - Taufe 9 f., 473-475 - Tod 42-44, 246 f., 328 £, 388 f., 575 f. - Treue zu 231 - und der Mensch 176 - und Frauen 7-9, 28-30,32 - und Heiliger Geist 9 f., 474 - und Kirche (als Eckstein d. Kirche) 120-122,247, 318 f., 334, 383 £, 392 f. - und Maria 3 f., 7-12,18-20,28-30, 32 f., 35-37,46-48, 51 f., 58 £, 65 f., 71-73, 88, 98 f., 101-103, 515 - und seine Jünger 179 f., 408 f. 1105 REGISTER - Verbindung mit dem AT 170-172, 582 f. - wesensgleich mit Gott 9 f. - Zeit d. Erdenlebens 179-181 - zu verkünden 34 f., 61 f., 533 f., 880 Jubiläum - 1.200-jähriges J. der dt. Nationalstiftung im Vatikan 766 f. - Großes J. des Jahres 2000 (Vorbereitung) 4, 6,10,13,25, 27, 96 f., 161-164, 166-169,175, 216,234, 258,498 f., 519, 533 f., 690, 789, 811, 860 f. Juden 313 f. - und Christen 581-583 Jünger(n) - Einheit der 263 f. - Gemeinschaft zwischen Maria u. den 75-77,224 f., 251 f. - im Abendmahlssaal 67 f., 75-77, 224 f., 227,251 f., 388 f. - Jesus und seine 179 f., 408 f. - von Emmaus 246 f. Jugend 62 f., 404-408, 670, 807 - Apostolat der 391 f. - Berufung d. J. zur Heiligkeit 103 f. - Bildung der 807 - Erziehung der 882 f. - in der Tschech. Republik 220 - in Polen 302-308, 355 - Treffen mit den J. Roms (Stadtmission) 550-555 - Welttag der 41 f., 100 f., 103 f., 107 f., 112 f., 116-120,381-415, 417, 554 f., 557-565, 688, 790, 826, 857-863 Jugendforum - Internationales 400-403 Jugendkatechese 590 f., 812, 845-851, 860 f. Jugendliche(n) 68, 112 f., 349 f., 381, 389 f., 417-419, 500, 653 f., 744, 836, 846, 852 f., 865, 871 f., 882 f. - als Boten u. Zeugen des Evangeliums 119, 550 f., 562 - als Erbauer d. Friedens 248 - als Erbauer d. neuen Europa 226 f. - als Hoffnung einer neuen Welt 112,226 f., 661 f. - als Zeugen 307 f. - aus d. Libanon 245-249 - aus d. Tschech. Republik 224-228 - aus Frankreich 100 f. - Berufungen von 113, 600 f., 614 f. - der Ital. Kath. Aktion (ACR) 715-717 - in Amerika 1078 f. - in der Familie 119 - in Rom 550-555, 657-662, 799 f. - in Zaire 930 f. - Kirche und 112 f., 226 f. - und Drogen 697-699, 937-942 - und Priestertum 853 f. Jugendpastoral 526, 812 f., 845-851, 884 f., 930 Jungfräulichkeit - der Kirche 114 f. - evang. Rat der 506 - Mariens 3, 101-103, 114 f., 159 Karfreitag 394 f., 571-573 Karwoche/Hl. Woche 43-45, 388 f. - Liturgie der 563-565 Katechese 623, 651 f., 655, 672, 874 f., 907, 920 - Internat. K.kongreß 708-710 - Jugendk. 590 f., 812, 845-851, 860 f. 1106 REGISTER - Kinderk. 812 - Vollmacht d. Diözesanbischofs in der 997 Katechet(en) 338, 710 - als Zeuge des Glaubens 847 Katechismus - als Weitergabe d. Glaubens 709 - als Werkzeug 709 - der Kath. Kirche (KKK) 650-652, 662-665, 708-710, 807 f., 846, 943-960 - KKK als Bezugspunkt für Theologen 663 f. - ökumenischer Wert des KKK 663 f. - Weltk. 662-665 Katholiken - der Ostkirchen 631 f. - in Hongkong 645 f. - in Namibia 866-868 - Orthodoxe und 159 f., 207 f. - Reformatoren und 158-160 - und reformierte Christen 649 f. Katholizität 893 f. Keuschheit - eheliche 945 f. Kind(er) 435 f., 671, 836 - behinderte 846 - Erziehung der (religiöse) 337-339, 484 f., 845-851 - Freiheit d. K. Gottes 44 f. - Rechte der 50 Kinderkatechese 812 Kirche(n) 113,121,213 f., 218-224, 247, 310, 352-356,424,431,470-473, 661, 665-668, 673 £, 780-787, 805-810, 822-866 - als (geistige) Mutter 109 f., 114 f., 318,407 - als Familie Gottes 806 - als Gemeinschaft gläubiger Menschen 333-335, 817 f, 984 - als Haus aus lebendigen Steinen 333-335, 392 f. - als Hüterin d. Freiheit 272 f. - als Leib Christi 318 f. - als Ort d. Erinnerung u. Hoffnung 335 - armenische apostolische 491-493 - auf den Philippinen 874-878 - Aufgabe der 39 f. - Bau 50 neuer K. in Rom 169 - Bekenntnis zur 889 f. - Einheit der 168 f., 193,245, 264 f., 290, 353,407,763 f. - Eucharistie als Herz der 267 f., 280 f. - Evangelisierung durch die 294, 708 f. - Gehorsam gegenüber der 885 f. - Gemeinschaft der 352 £, 779 £, 984 - Glaube (-nsweg) der 33, 121, 559 - Heiligkeit der 508 - im Sudan 914-918 - in Amerika 1076-1086 - in Nordafrika 868-873 - in säkularisierter Gesellschaft 891 f. - in Spanien 897-908 - in Uganda 918-923 - in Weißrußland 923-927 - in Zaire 927-933 - Jesus Christus und K. (Eckstein d. Kirche) 120-122,247, 318 £, 334, 383 £, 392 f. - Jungfräulichkeit der 114 f. - kath. K. in Israel 579 f. - kath. K. und Islam 873 f. - kath. K. und Katholikat v. Kilikien 1067-1069 - kath. Patriarchalk. 68 f. - Lehramt der 88,353,494-497 1107 REGISTER - Liturgie der 165 f., 290 - Maria als Mutter der 101-103, 109 f., 128-130,132-134,158-160 - Maria als Typus/Urbild/Vorbild der 37,51 f., 70 f., 73,76, 101-103, 105 f., 109 f., 114 f, 120-122,124-126, 128-130, 174, 327,515 - Maronitische 68 f. - Märtyrer der 288 f. - Missionstätigkeit der 323, 469, 498, 791, 808 f. - orthodoxe 926 f. - Ostk./orientalische 630-633, 642-644 - Päpstl. Kommission für die Kulturgüter der 684-687 - Sendung/Heilss. der 5 f., 39 £, 282,488 f., 508, 791,984 - Soziallehre der 39-41, 399, 595 f., 636-639, 820 f., 865 f., 877 f. - Staat und 222-224,711-714 - Teilkirchen 194, 352, 898 f. - Tradition der K. (Himmelfahrt Mariens) 91 f. - Treue zur 230 - und Familie 430 - und Frau 481 - und Gesellschaft 819 f., 861 f. - und Hl. Geist 224 £, 227 - und Jugendliche 112 £, 227 - und Kultur 684-687,777 - Universalität der 403, 469, 807 - Universalkirche 203 f. - Unterdrückung der 219,222,230, 238 f. - Verfolgung der 704 f. - Versöhnung unter den 264,266 - Weg der 38 f., 429 f. - Wiederaufbau der 923 f. - XII. Internat. Konferenz „K. und Gesundheit in d. Welt“ 751-754 - Zeugnis der 264 f., 290 - Zusammenarbeit von Orts- u. Weltk. 883-888 Kirchenlehrer/in - Proklamation d. hl. Theresia v. Lisieux zur 118, 145 £, 412 £, 621,718-730, 734-739 - zur Aussage: Maria als Mutter d. Kirche 128-130 Kirchenväter - zur Aussage: Maria als Mutter d. Kirche 128-130 - zur Frage d. Todes v. Maria 83-85, 91 £ Klerus - Aufgabe d. Diözesanbischofs hinsichtlich der Lebensordnung des 999 Klinik - Polik. für Herzchirurgie (Krakau) 363-365 Kloster - Benediktinerk. von Brevnov (Prag) 217,228 £ Kolloquium - über d. Wurzeln d. Antijudaismus im christl. Bereich 746-748 Komitee - Internat. Gemischtes 14 Kommission - Päpstl. Bibelk. siehe: Bibelkommission, Päpstliche - Päpstl. K. für d. Kulturgüter d. Kirche 684-687 Kommunikationsmittel(n) - 31. Welttag der sozialen 615-618 - für Verkündigung d. Heilsbotschaft 533 f, 615-618 - moderne 472 - Päpstl. Rat für d. sozialen 533 £, 961-976 1108 REGISTER - Präsenz d. Kirche in d. sozialen 353, 706, 775 f. - und Jubeljahr 2000 533 f. - Vollmacht d. Diözesanbischofs in den 997 Kommunismus 62 f., 704 f. Konferenz(en) - Internat. K. über „Bevölkerung u. Entwicklung“ (UNO/Kairo 1994) 310 - Weltkonferenz d. Säkularinstitute 501-505 - XII. Internat. K. „Kirche u. Gesundheit in d. Welt“ 751-754 Kongregation(en) - d. Franziskanerinnen v. 3. Orden (Albertinerinnen) 330 f. - für die Evangelisierung d. Völker 675 f. - für d. Oriental. Kirchen 630-633 - für das Katholische Bildungswesen 1034-1044 - für die Bischöfe 981-1000 - für die Evangelisierung d. Völker 675 f., 981-1000 - für die Glaubenslehre 740-743, 1003-1007 - Schwestemk. d. Hirtinnen d. göttl. Vorsehung 331 - Schwestemk. Töchter d. hl. Anna 480 f. Kongreß - 23. Nation. Eucharist. K. (Bologna) 131,417-419,422-426 - 46. Eucharist. Weltk. (Breslau) 79,259-262,266-273,276-279, 352 f. - Europ. K. über d. Berufungen z. Priestertum u. z. Geweihten Leben 599-603,613-615 - Internat. K. über Drogenabhängigkeit 696-699 - Internat. Katechesenk. 708-710 - Internat. K. junger Ordensleute 687-690 - Pastoraltheologischer K. über d. Familie 429-433,437-440 - über Umwelt u. Gesundheit 565-568 - von Bischöfen verbunden d. Fokular-Bewegung 511-513 - Weltk. für Gynäkologische Endoskopie 639-641 Konstitution - Apostolische siehe: Apostolische Konstitution Konzentrationslager 286 f. - inhaftierte Priester im K. Dachau 313 f. Konzil(-ien) - II. K. von Nizäa (787 n. Chr.) 149 f. - von Chalkedon (451 n. Chr.) 15 - von Ephesus (431 n. Chr.) 147 f. - von Trient (1545 n. Chr.) 120 f. - siehe auch: Zweites Vat. Konzil Konzilsväter 87 f., 149 f. Kranke(n) 228-232, 517 f. - Apostolat für die 1027 - Dienst am K. ist Dienst an J. Chr. 363-365 - Leprak. 17 - Sendung der 515-517 - Solidarität mit 363 f. Krankendienst - Päpstl. Rat für d. Pastoral im 696-699 Krankenhaus - der Barmherzigen Brüder 767-769 Krankenhausseelsorge 223 Krankenpflegepersonal 363-365 Krankensalbung 1027 1109 REGISTER Krankheit 514-518, 752 f. - als Aufruf zur Bekehrung 517 f. Kreuz(es) 411 - auf d. Gipfel d. Giewont 329, 331 - auf Golgota 44 - Christi 24 £, 44 f., 394 f., 510 f., 564 - Drama des 180 - Geheimnis des 43-45, 394 f., 571-573 - K.Verehrung 571 f. - Übergabe des Kreuzes für die Stadtmission 771 Kreuzweg 571-573 - Botschaft zum 393-395 Krieg(es) - Bürgerk. im Sudan 914 f. - Erster Weltk. 304 - im Libanon 244 - in Bosnien-Herzegowina 53-56, 189-191 - in Kroatien 53-56 - in Zaire 535 f., 546, 932 - Kultur des 452 - Opfer des 190 f., 305 f. - Prüfungen in d. Jahren des 286 f. - Zweiter Weltk. 304 f. Kult(s) - Rechtmäßigkeit des Bilderk. 149-151 Kultur(en) - armenische 493 - Aufgabe der 306 - der Humanisierung 221 - der Liebe 206,641 - des Friedens 452 f. - des Krieges 452 - des Lebens 20 f., 311, 555 f., 714 - des Todes 529, 555 f. - Evangelisierung der 541 - Glaube und 539-541, 608 f., 624 f., 641 - individualistische 495 f. - Kirche und 684-687, 777 - Päpstl. Rat für die 539-541 - Pastoral der 540 f. - Rolle d. Universität in 359 - unterschiedliche 69 f. Kunst 904 f. Kurie - Römische 788-793,1070-1075 Laie(n) 354, 782, 806, 818, 871 £, 895 £, 907, 909 f., 919 f. - als Kommunionspender 1025 f. - als Spender der Taufe 1028 - Apostolat der 525 f. - Assistenz bei Trauung 1027 f. - bei Begräbnisfeiern 1028 f. - Bildung der 812,1029 f. - in d. Liturgie 166, 1024 f. - Mitarbeit beim Apostolat für d. Kranken 1027 - Mitarbeit d. L. in d. Sakramenten-pastoral 843, 864, 884 f. - Mitarbeit d. L. am pastoralen Dienst 1016 f. - Mitarbeit d. L. in d. Pfarrei 1021 f. - Mitarbeit von L. in Notsituationen 1010 - Mitverantwortung der 744 - Organe d. Mitarbeit von 1023 f. - Päpstl. Rat für die 743-746 - Priester und 385, 525 f., 832-838, 863-866 - Sendung der 1009 f. - und Evangelisierung 620 f. Land(es)/Länder - Wiederaufbau des 189-191,213 f. 1110 REGISTER Leben(s) - Achtung vor dem 30 f., 431, 567 - als Geschenk Gottes 20 f., 310, 434, 640 f. - apostolisches 230 - Brot des 260-262,271 f., 338, 370-376, 626 - christliches 575 - dem Leben dienen 123 f. - Evangelium vom 640, 874-878 - ewiges 176,261,406 - Familie als Heiligtum des 127 f. - Geheimnis des 639 f. - geweihtes 21, 62 f., 193 f., 220, 231 f., 321-327, 505-508, 510 f., 599-603, 608 f„ 613-615,1083 - Heiligkeit des 892 - Hunger nach 261 - kontemplatives 230,322 - Kultur des 20 f., 311, 555 f., 714 - nach dem Evangelium 13, 298 f. - Päpstl. Akademie für das 527-529 - Rechtauf 309 f., 433-436, 527-529,756 - Schutz des 308-312,472 - Sieg d. L. über d. Tod 44 f., 406 - Sinn des 34 f., 390 f. - soziales 281-286 - Synthese von Glauben und 281 f., 504, 641 - Transzendenz d. menschlichen 231 - unantastbarer Wert des 20 f., 309 f., 436, 527-529,881 f. - unwiderrufliche Würde des 309 f., 527-529, 881 f. - vorgeburtliches 528 f., 640 f. - Weitergabe des 949 f. - Worte des ewigen 370-376,418 f. Lehramt - der Kirche 88,353,494-497 Lehre - des II. Vat. Konzils ü. Maria (LG) 7 f., 19, 32-34,46-48,51 f., 70, 75-77, 83-85, 87-89, 91 f„ 97-99,101-103, 105 f., 109 f., 114 f., 120-122, 128-130,132-137,143 f., 146-151, 158-160 - kirchl. Morall. 549 f. Lehrüberprüfung - dringliches Lehrprüfungsverfahren 1006 f. - ordentliches Lehrprüfüngsverfahren 1004-1006 - Ordnung für die 1003-1007 Leib(es) Christi 30 f. - communio d. Mystischen 281 - Eingliederung in den 10 - Kirche als 318 f. Leid(en)/Passion 752 £, 797 - der Bevölkerung in Kriegsgebieten 190 f. - der Menschen 44 f., 229 £, 656 f. - des libanesischen Volkes 244 f., 251 - Geheimnis des 365 - Jesu 7 f., 44 f, 393-395, 563-565 - Sarajevo als Symbol des 196-198 - Sinn des 515-517 Leidende(n) - Dienst an den 516 f., 655-657 - Notleidende 282 Liberalisierung - von Drogen 937-942 Licht - das d. Finsternis besiegt 183 - der Welt (J.Chr.) 5 £, 130 £, 177, 468, 508 f., 574-578 1111 REGISTER Liebe 248, 390 £, 395, 397 f., 570, 659, 735 f., 739, 771, 948 - als Quelle der Erkenntnis 397 f. - als Vollendung d. Freiheit 348 f. - auf d. Gesetz u. Propheten begründet sind 742 f. - Berufung zur 226 - der Eheleute 33 - Dialog der 635 - Evangelium der 693 - Friede d. aus L. hervorgeht 197 f. - Geheimnis der 3 f., 74, 512 f. - Gottes 3 f., 22, 34 f., 49, 197 f., 279,312, 586, 603-606 - heilende Kraft der 453 - Jesu Christi 504 f., 577 f. - Kultur der 206, 641 - Mutterl. Mariens 65 f. - trinitarische 74 - und Dienst 389 -391,586 - Zivilisation der 307 f., 311 f., 435, 445, 684 f., 786 - zu Gott 538 Liebesgebot 65 f., 348, 388 f., 512 f., 570 f., 603 f. Litanei(en) - Lauretanische 155 Liturgie - als Gnadenereignis 841 f. - als Mittel zur Evangelisierung 842 f. - Aufgabe d. Diözesanbischofs hinsichtlich der 998 - christliche 125 - der Fastenzeit 388 f. - der Karwoche 563-565 - der Kirche 165 £, 290 - des Aschermittwochs 24 f. - Heiligkeit der 840 - Laien in der 166 - Marienverehrung in der 156 - Pastoral der 838-844 Liturgiereform 165 Märtyrer(s) - als Vorbilder 287-293 - als Zeugen Gottes 287 f. - der Kirche 288 f. - in Zaire 546 - Mittlerschaft der 292 - Weg des 61-63 Magnificat 279 f. Manna 425 f. Maria(s)/Mariologie 7-12, 77 f., 93-95,253 f., 315-320, 326 f., 349, 426 f., 507, 513-517, 526 f., 655 f., 779 f. - als Allheilige 121 - als Element d. Gemeinschaft zwischen Katholiken u. Orthodoxen 159 f. - als Empfängerin d. Heils 51 f. - als Mutter aller Christen 58-60, 65 £, 337, 465-467 - als Mutter d. Einheit u. d. Hoffnung 158-160 - als mütterliche Mittlerin 133-137 - als Mutter d. Kirche 101-103, 109 £, 128-130,132-134,158-160 - als Mutter der Menschheit 132 £, 160 £, 466 £ - als Mutter Gottes/Theotokos 3, 51 £, 65 £, 90-92, 98,109 £, 142, 146 £, 426 £, 465-467 - als neue Frau/neue Eva 7-9, 32, 52, 92, 98,143 - als Urbild/Vorbild/Typus d. Kirche 37, 52, 70 £, 73,76,101-103, 105 £, 109 £, 114 £, 120-122, 124-126, 128-130, 174, 327,515 - als Zeugin d. Auferstehung 73 - Aufnahme M. in d. Himmel (Dogma) 83-85, 87-92, 98 £, 111-113, 159 £, 652-654 1112 REGISTER bei d. Hochzeit v. Kana 28 f., 31-33,129, 147 d. Unbefleckte Herzen d. Sei. Jungfrau 333-337 Erscheinung in Fatima (80. Jahrestag) 618 f. fiat/Gehorsam 9-12,18-20, 27-30, 32 f., 35-37,48, 65 f., 71-73, 111, 124 f., 169,174 frei von Ursünde/Erbsünde 51 f., 91 f., 101-103, 120 f., 169,173 f. Fürsprache 33, 65 f., 132-134, 147 f., 160 Geheimnis 318-320 Gemeinschaft zwischen M. u. den Jüngern 75-77, 224 f., 251 f. Glaube/geht auf dem Glaubensweg voran 9-12, 18-20,27-30,32 f„ 35-37,46-48, 65 f., 71-73,111, 124 f., 169,174,317 Hingabe an Gott 8 Hl. Jungfrau/Jungfräulichkeit 3, 101-103, 114 f., 159 im Abendmahlssaal 67, 70 f., 75- 77,251-254,318 in d. Gemeinschaft d. Heiligen 152 f. in d. Lehre d. II. Vat. Konzils (LG) 7 f., 19, 32-34, 46-48, 51 f., 70, 75-77, 83-85, 87-89, 91 f., 97-99, 101-103, 105 f., 109 f., 114 f., 120-122, 128-130, 132-137, 143 f., 146-148, 158-160 in der Urgemeinde 101-103,160, 251 f., 318 Jesus und 3 f., 7-12, 18-20, 28-30, 32 f., 35-37,46-48,51 f., 58 f., 65 f., 71-73, 88, 98 f., 101-103, 515 Königtum 97-99 Mariengebete (Rosenkranz;... ) 148 f., 154-156, 160, 236 f., 253 f., 279 f., 315 f., 337, 340 f., 778 f. Mitleid/Erbarmen 32 f. - Mutterliebe 65 f. - Rolle (Teilhabe) M. in der Heilsökonomie 7-12, 28 f., 32 f., 35-37, 46-48,51 f., 58 f., 65 f., 70 f., 84, 88, 90-92, 97-103,129 f., 132, 135-137,143,146-148, 156, 158-160, 173 f., 327 - Sendung 514 - Tod 83-85, 91 f. - unbefleckte Empfängnis 91 f., 101-103, 120 f. - und die Eucharistie 317-320 - und Hl. Geist 75-77,103, 114 f., 146-148, 182 - universale/geistliche Mutterschaft 58-60, 65-67, 75-77, 102 f., 109 f., 132, 142, 158, 466 f. - Verbindung zwischen Priestertum und 94 f. - Vollkommenheit 106 Marienheiligtum(-tümer) 65 f. - d. Madonna v. Fatima in Zakopane-Krzeptowki 333-337 - von Fatima (Portugal) 513-517, 618 f. - von Jasna Gora in Tschenstochau 315-321 - von Ludzmierz 340 f. Marienverehrung 65 f., 109 f., 141- 144,158-160 - in Fatima 618 f. - in Jasna Gora 78,315-321 - Mariengebete (Rosenkranz,...) 148 f., 154-156, 160,236 f., 253, 279 f., 315 f., 337, 340 f., 778 - und Bilderkult 149-151 - Wesen der 146-148 - siehe auch: Frömmigkeit; Verehrung Martyrium 291 f. - des hl. Adalbert 61 f., 216, 229, 233,259, 300 f. Materialismus 450, 540 1113 REGISTER Medien 472, 615 f., 672 f., 896, 961 f. - als Werkzeug d. Neuevangelisierung 965 - bei der Verkündigung 615-618 - Einfluß der Massenm. 616 f. - katholische 533 f. - M.erziehung 975 f. - und Glaube 616 f. Meditation(en) 388-392 Mensch(en) - Achtung d. Unterschiede zwischen 451 f. - Achtung eines jeden 35, 38 f., 189, 755 - als Abbild Gottes 40,246 fl, 331, 441 fl, 599, 640 - als Mann u. Frau erschaffen 331, 438, 441 - als Werkzeug des Friedens u. der Versöhnung 457 - Dienst am 273-275 - erneuerte 297 f. - Erziehung des 306 f. - Evangelium bestimmt für alle 235 - Freiheit des 640 fl, 756 - Friede als Aufgabe des 49, 69, 207-210,212, 457 - Geheimnis des 273 - Gott und 312,409 fl, 425 fl - Gotteskindschaft der 466 - Jesus Christus und der 176 - Leiden der 44 fl, 229 fl, 656 fl - transzendente Berufung des 756 - und Arbeit 39-41,283 fl - und Familie 138-140,429 fl, 440 fl - und Umwelt 565 fl - Verantwortung des 567 - vom Hl. Geist geführt 509 fl - Weg des 163 fl, 176 - Würde d. M. als Person 30 fl, 39-41,291 fl, 297 fl, 972 Menschenrecht(e) 39 fl, 476-479, 756 - Achtung der 189, 250 fl, 297 fl - Schutz der 598 fl - Tag der 177 Menschenwürde 430, 640 fl, 755 - Achtung der 528 fl, 599, 751 £ - für d. vorgeburtliche Leben 528 fl, 640 fl - Mißachtung/Verletzung der 313 fl, 429-433 - Verteidigung der 399 f. Menschheit - erneuerte 108 - Freiheit der 34 fl - J. Chr. als Beistand für d. ganze 195 fl - Liebe Gottes zur 34 fl - Maria Mutter der 132 fl, 160 fl, 466 fl - neue Geschichte für die 166-168 - Weihnachten zentrales Ereignis in d. Geschichte der 794 fl - Zukunft der 639-641 Menschheitsfamilie - Familie als Grundzelle der 127 fl, 149,184 fl, 430 fl, 756, 944 - Jesus als Mitglied der 4 fl, 170-172 Menschlichkeit 213 fl, 529 Menschwerdung/Geburt - als Eintritt d. Ewigkeit in d. Zeit 166-168, 170-172,175-177 - Geheimnis der 175 fl, 181 fl, 275 fl, 795 fl - Jesu (menschgewordenes ewiges Wort) 3-5, 9 fl, 74, 166, 170-172, 175, 512 fl, 798-801 1114 REGISTER Messe(n) - Abendmahlsm. (Gründonnerstag) 570 f. - Chrisamm. (Gründonnerstag) 568 f. - Christmette 794-796 - Gedenkm. der verstorbenen Kardinäle u. Bischöfe 761 f. Messias - Erwartung des 4 f., 166-168, 170-172 - Heilssendung des 7-9 - Jesus Christus der 551 f., 794 - Kommen des 509 f. Migranten - Päpstl. Rat d. Seelsorge für M. u. Menschen unterwegs 458,462-465 Migration - Nationaler Tag der 161 f. Militär - M.seelsorge 223 Mission(en) 145, 525 f., 620 f., 681- 683,731-733,771,789, 799 f. - Berufung zur 772, 781 f. - christliche 742 - der Kirche 323,469 f., 498, 791, 808 f. - des Mönchs Maron 68 f. - Dialog als Methode der 554 f. - missionarische Aufgabe 61 f. - Stadtm. in Rom 169, 498, 550-555, 661 f., 770 f., 799 f. - Vollmacht d. Diözesanbischofs in der 997 Missionar(e) 169, 733 - Comboni-M. v. Herzen Jesu 681-683 - der Nächstenliebe 123 f. Missionsauftrag - der Kirche 809 - J. Chr. an d. Apostel 294, 344 f., 488 Missionsgemeinschaft - der Söhne d. Unbefleckten Herzens Mariä (Claretiner) 678-680 Missionswerke - Päpstliche 619-621 Mitleid 396 f. - siehe auch: Barmherzigkeit; Erbarmen Mönch 61 f. Morallehre - kirchliche 549 f. - Vademekum f. Beichtväter in Fragen d. Ehemoral 943-960 Mord 35 - an einem span. Politiker 95 Muslime - Christen und 69 - in Bosnien-Herzegowina 210 Mutterschaft - der Kirche 109 f., 114 £, 318, 407 - Gottesm. Mariens 3, 51 f., 65 £, 90-92, 98, 109 f., 142, 146 f., 426 f., 466 f. - universale/geistliche M. Mariens 58-60, 65-67, 75-77,102 f., 109 f., 132, 142,158,466 f. Mysterium - Christi 581, 840 f. - Osterm. 763 - trotz wissenschaftl. Daten 163 f. - siehe auch: Geheimnis 1115 REGISTER Nachfolge - Berufung zur 772, 781 f. - Jesu Christi 24 f., 104,231, 247 f., 501, 506, 588 f., 614 f., 700-703 - Nächstenliebe als Zeichen der 396-400 Nation(en) - Identität der 127 f. - tschechische 237-240 - Vereinte N. (UNO) 177,476 Nächstenliebe 206,209,279, 538, 583, 738 f. - als Prüfstein christl. Lebensvollzugs 584-587 - als Werk d. Evangelisierung 587 - als Zeichen d. Nachfolge 396-400 - Dienst der 676 - Erziehung zur 584 f. - Jahr der N. (1999) 585 - Missionarin der 123 f. - und Gerechtigkeit 399 f. - Vorbild tätiger 400-403 - Wahrheit der 310 - Werke der 24 f., 586 Neokatechumenaler(n) Weg(es) 485-487 - Geschichte des 485 f. Neuevangelisierung 177 f., 230,422, 486, 508, 560 f., 589 f., 636 f., 667 - Aufgabe der 623 f., 1009 f. - der Familien 947 - in Amerika 780-787, 1082 f. - in Europa 296 f. - in Polen 323 f., 353 f. - Medien als Werkzeug der 965 - Notwendigkeit der 324 Obdachlosigkeit 518-521 Ökologie 565 Ökumene 12-16, 68 f., 134, 206, 217,237-240,262-267, 491-493, 862,931 f.,1068 - in der Schweiz 888 - in der Tschech. Republik 237-240 - in Deutschland 714 f. - in Europa 634 f. - in Skandinavien 889-897 - Vollmacht d. Diözesanbischofs in der 997 - Vorbild Mariens in der 158 f. Ökumenismus 13, 513, 632, 673 f., 788-793 Offenbarung(s) 88 - der Hl. Dreifaltigkeit 474 f. - Jesu Christi 170-172,179 f., 473 £, 575 - O.szene 58 f. Opfer - der Überschwemmungen 95, 97 - des Erdbebens 153 - des Krieges 190 f., 305 f. - O.tod Jesu Christi 43-45, 246 £, 522, 544 f. Orden - Hospitalo. vom hl. Johannes v. Gott 767-769 Ordensffau(en) 330 f. - in d. Tschech. Republik 230-232 Ordensgemeinschaft(en) 228-232 - der Benediktiner 61-63 - der Franziskaner 607-610 Ordensleben 385 f. - Berufungen zum 608 - im Sudan 917 - in Polen 326 - in Skandinavien 893 f. - in Südafrika 912 f. - in Zaire 929 f. 1116 REGISTER Ordensleute 831 f. - als Friedenszeugen 192 f. - als Hoffhungsträger 192 f. - Ehelosigkeit der 922 f. - Evangelisierung durch 322 - in Bosnien-Herzegowina 191-195 - in Nordafrika 871 - Internat. Kongreß junger 687-690 Ordensmann(-männer) - in d. Tschech. Republik 230-232 Ordnung - für die Lehrüberprüfung 1003-1007 - kirchenrechtl. O. der Säkularinstitute 501 Orthodoxe(n) - und Katholiken 159 f., 207 f. Ortskirche - Zusammenarbeit von O. und Weltkirche 883-888 Ostern 44 f. - als Verheißung u. Auftrag 49 f. - Ostergeheimnis 191, 388,758 f. Ostemacht - Feier der 44 f. - Predigt während der 574-576 - Schriftlesungen der 574-576 Päpstliche Akademie - siehe: Akademie, Päpstliche Päpstliche Bibelkommission - siehe: Bibelkommission, Päpstliche Päpstliche Missionswerke - siehe: Missionswerke, Päpstliche Palmsonntag 563-565 Papst(es) 53-58, 61-63, 67-70, 77 f., 79-81 - 2. Welttreffen d. P. mit d. Familien 119,124, 126, 130 f., 138-140,429, 433-436,444 f., 484 f. - als Pilger des Friedens 190,194 - Attentat auf den P. (13.5.1981) 335 f., 513 f. - Friedensappell des 87, 137, 162, 169,177,183, 546 f., 627-630 - Gebet für den 335 f. - Gebetstreffen des 367-369, 392 f. - Gedenken an P. Paul VI. 107 - Goldenes Priesteijubiläum des P. (1996) 523,542 - Heimat des 257-379 - Nachfolger Petri 194,206 - Pilgerweg des P. zum Jahr 2000 53-56 - Seine Heiligkeit Aram I., Katholikos v. Kilikien und der 491-493 - und Bischöfe 675 f., 825 f. Pastor - Seemannsp. 460 f. Pastoral - Berufungsp. 587-592,599-603, 613-615, 667 f., 852 f., 886 f., 1015 - Bibelp. 622 f. - der Kultur 540 f. - der Liturgie 838-844 - der wiederverheirateten Geschiedenen 977-980 - Familienp. 184 f., 431 f. - Jugendp. 526, 812 f., 845-851, 884 f., 930 - Sakramentenp. 843 f. Pastoralrat 1023 Patron 61 f. - St. Josef als Schutzp. v. Kalisch 313 f. 1117 REGISTER Person(en) - Brautleute als 494 f. - Freiheit der 496 - Würde d. Menschen als 30f.,39-41,291 £, 297 f., 972 Personalismus 495 f. Persönlichkeit - Wert der 658 f. Pfarrei(en)/Pfarrgemeinde 169, 365-367, 833-835, 920 f. - Mitarbeit von Laien in der 1021 f. - Neuordnung der 834 f. Pfarrer 1022 f. Pfingsten 67 f., 70 f., 75-77 - als Vollendung d. Ostergeheimnisses 70 f., 224 f. Plan Gottes - siehe: Heilsplan Pluralität - der Religionen 69 f., 691 f. Pönitentiarie - Apostolische siehe: Apostolische Pönitentiarie Politik - Familienp. 500 - ohne Transzendenzbezug 536-539 Politiker(s) - Berufung des christlichen 555 f. - Verantwortung des 555-557 Polizei - Dienststelle beim Vatikan 573 f. Pornographie 969 f. Predigt(en) 672 f. - an Aschermittwoch 521 f. - am Fest Fronleichnam 625-627 - bei der Bischofsweihe 468-470 - bei der Gedenkmesse f. verstorbene Kardinäle u. Bischöfe 761 f. - bei der Tausendjahrfeier d. Todes d. hl. Adalbert 293-299 - bei der Priesterweihe 592-594 - bei der TaufVigil mit Jugendlichen 404 - bei Heiligsprechungen 344-349, 370-375 - bei Seligsprechungen 396-400, 419-422, 603-606, 700-703, 758-760 - in der Liturgie der Karwoche 563-565, 568-571, 574-576 - Vollmacht d. Diözesanbischofs in der 997 - bei d. Feier zur Eröffnung d. 2. Vorbereitungsjahres auf d. Jubiläum 2000 770-773 Priester(s) 522-527, 550, 864 f., 884 f., 899 - als Diener d. Eucharistie 276, 545 - als Diener d. Versöhnung 524 f. - als Friedenszeugen 191 f. - als Hoffhungsträger 57, 191 f. - Ehelosigkeit der 922 f. - Gemeinschaft der 830 f. - im Sudan 916 - in Bosnien-Herzegowina 191-195 - in d. Tschech. Republik 221 - in Namibia 867 - in Nordafrika 870 f. - in Weißrußland 924 f. - in Zaire 928 f. - inhaftierte P. im Konzentrationslager Dachau 313 f. - Säkularinstitute der 827-832 - Schreiben an d. P. zum Gründonnerstag 541-546 - Sendung des 829 f. - Spiritualität des 827-832, 879 - ständige Weiterbildung der 830 - Stundengebet 828 - und Bischof 385 1118 REGISTER - und Laien 385, 525 f., 832-838 - Vorbild für 56-58 Priesteramt(es) 522-527 - Einsetzung des 541-546 - Zulassung von Frauen zum 821 Priesteramtskandidat(en) 384-386, 818 f. Priesterausbildung 421 f., 522-527, 809 f., 813 f., 818 f., 851-857, 886 f., 899 f., 911 f., 916 f., 922 f., 925 f., 928 - ständige Weiterbildung d. Priester 523 f., 853-857 Priestermangel 813 f., 827 f., 852 f., 911 f. Priesterrat 1023 Priesterseminar 855 f., 900 f. Priestertum(s) - Amtsp. 593,1012-1014 - Berufungen zum 193 f., 220, 383-386, 523 f., 592-594, 599-603, 613-615, 819, 837, 853 f., 900 f., 1083 - des Dienstes 1012-1015 - Eucharistie und 275 f. - gemeinsames P. der Gläubigen 1012-1014 - Geschenk des 592 f. - Jesu Christi 542-544, 593 - Jugendliche und 853 f. - Verbindung zwischen Maria und 94 f. - Vorbereitung auf das 384 Priesterweihe 384 -386 - 50. Jahrestag d. P. des Papstes (1996) 523,542 - Predigt bei der 592-594 - Sakrament der 545, 568 f., 594, 1014 Prophet/in 7-9, 509 f. - Bischof als 824 - Hingabe d. P. an Gott 8 - Jesus als 17 - Johannes d. Täufer 173 Prophetie/Prophezeiung 510 - imAT 170-172 - Jesu 17 Rassismus 909 - Bekämpfung von 580 - Europ. Jahr gegen den 161 f. Rat/Räte - evangelische 192 f., 505 f. - Lateinamerikanischer Bischofsr. (CELAM) 429-433,665-668 - Päpstl. R. Cor Unum 584-587 - Päpstl. R. der Seelsorge für d. Migranten u. d. Menschen unterwegs 458, 462-465 - Päpstl. R. für d. Interpretation v. Gesetzestexten 1001 f. - Päpstl. R. für d. Pastoral im Krankendienst 696-699 - Päpstl. R. für d. sozialen Kommunikationsmittel 533 f., 961-976 - Päpstl. R. für den Interreligiösen Dialog 1032 f. - Päpstl. R. für die Familie 126 f., 429 f., 482-485, 937-942, 977-980 - Päpstl. R. für die Kultur 539-541 - Päpstl. R. für die Laien 743-746 - Päpstl. R. für Gerechtigkeit u. Frieden 636-639 - Päpstl. R. zur Förderung der Einheit der Christen 1045-1063 Recht(e) - als interpersonale Wirklichkeit 495 - auf Arbeit 40, 596 f., 639 - auf Leben 309 f., 433-436, 527-529, 756 - auf Wohnung 519 1119 REGISTER - der Kinder 50 - des Menschen/Menschenr. 39 f., 177, 189,250 f., 197 f., 476-479, 598 f., 756 - kirchliches Eher. 494-497 Reformatoren - und Katholiken 158-160 Reich Gottes 98 f., 405, 586 f. - Anteil am 334 - Geheimnis des 179 f. - Gerechtigkeit des 281 f. - Vorbote des 173 Religion(en) - Pluralität der 69 f., 691 f. Religionsfreiheit - Achtung der 189,250 f., 756 Religionsunterricht - an staatl. Schulen 223,713 Religiosität 502 f. ROACO - Vereinigung d. Hilfswerke f. d. Oriental. Kirchen 630-633 Römisches Pilgerwerk - Pilgerfahrt nach Hebron 518 Rota Romana - Eröffnung d. Gerichtsjahres der 494-497 Rundfunk 705-708 Säkularinstitut(e) - des Priesters 827-832 - kirchenrechtl. Ordnung der 501 - Lebensform der 502 - Mitglieder der 503 f. - Weltkonferenz der 501-515 Säkularisierung 431 Säkularweihe 502 Sakrament(s) 859 f. - der Buße 524 f., 548 f., 817, 843 f., 943 f., 953-960 - der Ehe 33,434,439, 444, 843 f., 944 f., 977-980 - der Eucharistie 411, 626 f., 944 - der Priesterweihe 545, 568 f., 594, 1014 - der Taufe 10,405 f., 474 - der Versöhnung 68,227 f., 395, 547-550, 943 f. - Feierder 837 - Verehrung d. heiligsten 260-262 Sakramentenpastoral 843 Salesianer 95 Salz - der Erde 130 f. Schisma 1007 Schöpfer 163 f. Schöpfung 812 - kosmische Dimension der 441, 566-568 - mit d. Sch. beginnt d. Zeit 166 f. - neue 167 f. Schreiben - an B. Netanyahu u. Yasser Arafat 627-630 - an d. Generalminister d. Minderen Brüder zum Generalkapitel d. Franziskaner v. Assisi 607-610 - an d. Generalprior d. Hospitalordens v. hl. Johannes v. Gott 767-769 - an d. Generalsakretär der Organisation d. Vereinten Nationen 535 f„ 546 - an die Priester zum Gründonnerstag 541-546 1120 REGISTER - an Kardinal Wu anläßl. der Rückgabe Hongkongs an China 645 f. - zum 1.200-jährigen Jubiläum d. dt. Nationalstiftung im Vatikan 766 f. Schriftlesung(en) - der Ostemacht 574-576 - lectio divina 589 Schuld - Bekenntnis der 521 f. - Vergebung der 204,227 f. Schule(n) - Förderung d. kath. Schulwesens 670 - katholische 847 f., 882 f., 911, 917,1034-1044 - Religionsunterricht an staatlichen 223 Schweizergarde - neue Gardisten der 611 f. Seefahrt - Apostol. Schreiben: Stella Maris 458-465 Seelsorge - für d. mit d. Seefahrt verbundenen Menschen 458-465 - für die wiederverheirateten Geschiedenen 482-485 - Gefängniss. 223 - Krankenhauss. 223 - Militärs. 223 - siehe auch: Pastoral Sekte(n) - in Zaire 931 Selige(n) - neue 64, 141 f., 327-332, 603-606, 700-703, 758 f. Seligsprechung(en) 64, 81,117, 141 f., 157 £, 327-332, 396-400, 402,419-422 - Predigt bei 603-606,700-703, 758-760 - Unterschriftenaktion für Johannes XXIII. 41 Seminaristen 191-195 Sendung - Christi 18-20,35-37,593 - der Christen in d. Welt 504 - der Gerechtigkeit 282 - der Kirche 5 f., 39 f., 282, 508, 791, 984 - der Kranken 515-517 - der Laien 1009 f. - des Geweihten Lebens 322 f. - des Priesters 829 f. - Marias 514 - siehe auch: Heilssendung Sendungsauftrag - des Auferstandenen (an andere) 5 f., 400 f., 732 £, 784 f. Sexualität - menschliche 640 £, 877 Sinn - der christl. Berufung 653 - der letzten Dinge 163 - des Lebens 34 f., 390 f. - des Leidens 515-517 Solidarität 567, 596 f., 781, 1076- 1086 - der Kirche mit Sarajevo 54 - Fastenzeit als Zeit der 24-26, 519 f. - in der Gemeinschaft 193 f. - in der Gesellschaft 107 f. - mit dem Nächsten 692 f. - mit Kranken 363 f. - unter d. Völkern 754-757 - zwischenmenschliche 297 f. 1121 REGISTER Soziallehre - der Kirche 39-41, 399, 595 f., 636-639, 820 f., 865 f., 877 f. - Europäische Tagung zur S. d. Kirche 636-639 Sozialwissenschaft(en) - Päpstl. Akademie der 595-599 Spaltung(en) - in d. Geschichte d. tschech. Nation 237 - unter den Christen 12-16 - Überwindung der 168 f. Spannungen - zwischen verschiedenen Kulturen 201 Spiritualität - christliche 58 f., 96 f. - der Priester 879 - des Geweihten Lebens 322 f. - eucharistische 421 Staat(en) - und Kirche 222-224,711-714 Stadt/Städte - Jerusalem 580 f. - Rom 497-500 Sterben - menschenwürdiges 713 f. - Sterbehilfe 881 f. Sterndeuter 5 f. Strafgefangene(n) - Botschaft an die jungen 395 f. Streit - christologischer 15 Subsidiaritätsprinzip 352 f., 597 Sünde(n) 953 f. - Abtreibung als 959 f. - besiegen 227 - Empfängnisverhütung als 945 f. - Erbsünde 91 f. - frei von Erbsünden 51 f., 91 f., 101-103,120 f., 169,173 f. - Sündenbewußtsein 548 - Vergebung der 9 f., 44,49 f., 521 £, 943 £, 953 f. Symbol - Asche als 521 - Sarajevo als S. d. 20. Jahrhunderts 53-56, 196-201 - See Gennesaret als 305 f. Symposium - Internat. S. zum 50. Jahrestag d. Apostol. Konstitution: Provida Mater Ecclesia 501-505 Synode - Leitungsamt der Bischöfe in der 982-985 - siehe auch: Bischofssynode; Diözesansynode System(s/e) - Zusammenbruch d. totalitären 354 Tag - l.T. des Geweihten Lebens 323, 505-508, 510 f. - 400. Todest. d. hl. Petrus Canisius 669-674 - der Menschenrechte 177 - Nationaler T. der Migration 161 f. Tagung - Europ. T. zur Soziallehre d. Kirche 636-639 Taufe 9 £, 344 £, 388 £, 404-408, 575, 745 - als Grundlage christl. Existenz 9 £,216 £ - Jesu 9 £, 473-475 - Laien als Spender der 1028 - Sakrament der 10, 405 £, 474 1122 REGISTER Teilhabe - am Opfer J. Chr. 365 - Mariens an der Heilsökonomie 7-12, 28 f., 32 f., 35-37, 46-48, 51 f., 58 f„ 65 f., 70 f., 84, 88, 90-92, 97-103, 129 £, 132, 135-137, 143, 146-148, 156,158-160,173 f., 327 Teilkirchen 194 - Bischöfe als Leiter der 898 f. - Einheit in den 352 Tempel 30 f. - Darstellung Jesu im 7-12,20 f., 508-511 Testament - Altes 581-583 - Neues 84 £, 581-583 Theologe(n) - Katechismus d. Kath. Kirche als Bezugspunkt für 663 f. - zur Frage d. Todes v. Maria 83-85 Theologie - des Priestertums Christi 593 - und Wahrheit 671 Tod(es) 153 f. - Jesu Christi 42-44,246 £, 328 f., 388 f., 575 f. - Kultur des 529, 555 f. - Marias 83-85 - Sieg des Lebens über den 44 f., 247 f. - von Mutter Teresa 654 Tote(n) - T.gedenken (Gebet für die) 153 f. Tradition - der Benediktiner 63 - der Christen 149 f. - der Kirche (Himmelfahrt Mariens) 91 f. - islamische 210 Transzendenz - des menschlichen Lebens 231 Treue - eheliche 431,434 - zu J. Chr. 231 - zum Ehesakrament 978 f. - zur Kirche 230 Typus/Typen - Maria als T./Vorbild d. Kirche 37, 52, 70 £, 73,76, 101-103, 105 £, 109 £, 114 £, 120-122,124-126, 128-130,174, 327,515 - Typen im AT 105 f. - siehe auch: Vorbild Uberschwemmung(en) - Opfer der 95, 97 Umkehr 317, 514 £, 781, 1076-1086 - Aufruf zur 173,336 - Fastenzeit als Zeit der 25 £, 520-522 - siehe auch: Bekehrung; Buße; Versöhnung Umwelt - Kongreß über U. und Gesundheit 565-568 - Mensch und 565 f. Umweltverschmutzung 567 Universalität - der Berufung 411 f. - der Kirche 403,469,807 Universalkirche 203 f. - Einheit in der 352 f. Universität 357 - 600-Jahrfeier d. Gründung d. Jagellonen-U. 80 f., 259, 344 f., 356-363 - 650-Jahrfeier d. Gründung d. Karlsuniversität 221 - als Mutter (Alma mater) 359 1123 REGISTER - Berufung jeder 359 f. - Rolle d. U. in Kultur u. Gesellschaft 359 f. Universum(s) - Entwicklung des 163 f. UNO - 2. Konferenz für Wohn- und Siedlungswesen (Habitat 11 /Istanbul)) 476 - Internat. Konferenz über „Bevölkerung u. Entwicklung“ 310 - Schreiben an d. Generalsekretär der 535 f., 546 Unterdrückung - der Kirche in d. Tschech. Republik 219,222, 230,238 f. - Polens nach Zweitem Weltkrieg 305 Urgemeinde - Maria in der 101-103, 160, 251 f. 318 Vademekum - für Beichtväter in Fragen der Ehemoral 943-960 Verantwortung - der Politiker 555-557 - des Menschen 567 - für das soziale Leben 281-286 - für Dinge d. öffentl. Lebens 288 f. - Mitverantwortung der Laien 744 - moralische V. des Wissenschaftlers 360 f. - sittliche V. der Wissenschaft 640 f., 753 f. - vor Gott u. den Menschen 712-714 - Werbung u. soziale 973 Verehrung - des heiligsten Sakraments 260-262 - Kreuzv. 571 f. - Marienv. 65 f., 78, 109 f., 141-144, 146-151, 154-156,158-160,230 f. 253,279 f., 315 f., 337, 340, 778 Verfolgung - der Kirche 704 f. Vergebung 3 f., 14, 55, 68 - als Voraussetzung für Frieden 449 f., 467 - als Voraussetzung für Versöhnung 265, 404 f. - der Schuld 204,227 f. - der Sünden 9 f., 44,49 f., 521 f., 943 f., 953 f. - gegenseitige 198 f., 202,209, 1032 f. - Gottes 450,455,549 - Wahrheit u. Gerechtigkeit als Voraussetzung der 453-456 Verheißung(en) - des Hl. Geistes 676 - Erfüllung der 4 £, 170-172 Verkündigung - christliche/Jesu Christi 34 £, 61 £, 533 £, 880 - der Heilsbotschaft 742 - des Evangeliums 6, 9, 68 £, 193, 354,400 £, 419 £, 607 £, 732 - des Wort Gottes 708 - Glaubensv. 40 - Kommunikationsmittel in der 533 £, 615-618 Vermögensverwaltung - Aufgabe d. Diözesanbischofs hinsichtlich d. diözesanen 999 £ 1124 REGISTER Versammlung - 2. Europäische Ökumenische 456 f., 792 Versöhnung 3 f., 13-16, 209, 396, 452, 489,817, 861,919 - als Gnade/Gabe Gottes 14, 82 f., 634 - als Heilsereignis 82 - Bereitschaft zur 455 f. - Dienst der 14, 207, 634 f. - Geschenk d. V. mit Gott in J. Chr. 264-266 - göttl. Liebe ist Grundlage der 454 f. - im Libanon 243-245, 250-253 - in Sarajevo 55,190 f., 194, 199, 209 - Mensch als Werkzeug der 457 - ökumenische 265 - Priester als Diener der 524 f. - Sakrament der 68, 227 f., 395, 547-550, 943 f. - unter den Kirchen 264, 266 - unter den Völkern 264, 628 f. - unter den Christen 82 f. - Vergebung als Vorraussetzung für 265,404 f. Verständnis - gegenseitiges V. verschiedener Glaubensgruppen 201,210 f. Verteidigung - der Menschenwürde 399 f. - des Evangeliums 230 f. Verweltlichung 326 Vielfalt - der Charismen 505 f. Volk Gottes - Erwählung des 747 f. - missionarische Aufgabe des 6 - Volk Israel (Bundesvolk) 4 £, 170-172,411 f., 795 Völkerfamilie(n) - alle 160 Volk/Völker - Evangelisierung d. slawischen 225 - Gott u. das jüdische 4 f. - Israel u. Palästina 628 f. - Lateinamerikas 437 - libanesisches 243-245 - slawische 225 - Solidarität unter den 754-757 - Versöhnung unter den 264, 628 f. - Verständnis unter den 35 Volksfrömmigkeit 97-99, 154-156, 905 f. - siehe auch: Frömmigkeit; Marienverehrung; Verehrung Vollmacht(en) - des Diözesanbischofs 997 f. Vorbild - des Hl. Adalbert 242 - für Priester 56-58 - Märtyrer als 287-293 - tätiger Nächstenliebe 400-403 - siehe auch: Typus Waffen - chemische 67 Wahrheit - Achtung der 453 f. - als Voraussetzung d. Vergebung 453-456 - Anspruch der 472 f. - der Nächstenliebe 310 - der Werbung 971 f. - des katholischen Glaubens 669 f. - Dienst an der 359 f. - Erkenntnis der 359 f. - Freiheit und 552, 556, 741 f. - Glaubensw. 87-89,195 f., 669 f. - Gott ist absolute 453 f. - Suche nach der 356, 399 f. 1125 REGISTER - Theologie und 671 - Zeuge der 56-58 W allfahrtsort(e) - St.- Josefs-Kirche von Kalisch 313 f. Weg(es) - auf dem W. nach Emmaus 246 f. - der Kirche 38 f., 429 f. - des Märtyrers 61-63 - des Menschen 163 f., 176 Weihe - an d. Heiligste Herz Jesu 330 f. - an Gott 231 f. - einer Kirche an d. Madonna v. Fatima 333-337 - Sakrament der 545, 594,1014 Weiheamt(es) - Unersetzbarkeit des 1015 Weihnachten 4 £, 178, 794-796 - Geheimnis von 183 Weissagung(en) - des Simeon 7-9 Weiterbildung - ständige W. der Priester 830, 853-857 Welt - Aufbau einer gastfreundlicheren 382 - der Arbeit 39-41 Weltbund(es) - Grußbotschaft an d. Präsidentin d. Reformierten 649 Weltemährungsorganisation - Weltgipfelkonferenz der W. (FAO/Rom) 476 Weltfriedenstag 3 £, 13, 467 - Botschaft zum 449-458 Weltgebetstag - Botschaft zum 34. W. um Geistliche Berufe 587-592 Weltgebetswoche - für d. Einheit d. Christen 12-16, 239,487-491 Weltgipfelkonferenz - siehe: Konferenz Weltjugendtag - siehe: Welttag der Jugend Weltkirche - Zusammenarbeit von Orts- und 883-888 Weltkongreß - siehe: Kongreß Weltmissionssonntag - Botschaft zum 731-737 Welttag(es) - 31. W. d. sozialen Kommunikationsmittel 615-618 - der Armut 144 - der Jugend (Paris 1997) 41 f., 100 f., 103 f., 107 f., 112f., 116-120, 381-415, 417,554 f., 557-565, 688, 790, 826, 857-863 - der Leprakranken 17 - der Migranten u. Flüchtlinge 691-695 - des Geweihten Lebens 21 - V. W. der Kranken 513-518 - siehe auch: Botschaft Welttreffen - 2. W. des Papstes mit d. Familien 119,124,126,130 f., 138-140,429, 433-436, 790 Werbung - Ausbeutung von Frauen in der 969 f. - Ethik in der 961-976 1126 REGISTER - in Entwicklungsländern 967 f. - Nutzen der 963-966 - schädliche Auswirkungen der 966-971 - und soziale Verantwortung 973 - Wahrheit der 971 f. - Würde d. Menschen als Person in der 972 Werte(n) - Abwesenheit von 16 f. - auf denen Zusammenleben gründet 190 - christliche 217 - der Ehe 115 - der Familie 312 - der Persönlichkeit 658 f. - ethische W. der Demokratie 754-757 - gründen auf d. Evangelium 300 f. - menschlicher Arbeit 284, 595 - sittliche 812 - unantastbarer W. des Lebens 20 f., 309 f., 436, 881 f. - universaler W. des Heils 38 f. Wirken - des Hl. Geistes 146-148,175 f., 181 f., 512 Wirtschaft - Weltw. 597 Wissenschaft - sittl. Verantwortung der 640 f., 753 f. - Sozialw. 595-599 - über d. Universum 163 f. - Zukunft der 357 Wissenschaftler(s) - Berufung des 360 f. - moralische Verantwortung des 360 f. Wohnung - Rechtauf 519 f. Wort Gottes 96 f., 125,442, 550 f., 554 f., 558 f., 588, 678 f., 708, 835 f., 842, 1019 f. Wort(e) - des ewigen Lebens 370-376, 418 f. - Dienst am 587-592,679,709, 1019 f. - Einsetzungsw. 43-45 - J. Chr. als das ewige W. Gottes 166-168, 170-172,175 f. - Jesu (an seine Mutter) 58 f., 65 f., 564 Würde - der Frau 32 £, 331, 744 - des Gewissens 291 f. - des Menschen als Person 30 £, 39-41,291 f., 297 f., 972 - Marias 149-151 - unwiderrufliche W. des Lebens 309 f., 527-529, 881 f. - von Ehe u. Familie 311 f., 431 Wüste - 40 Jahre in der 424 f. - als Ort d. Begegnung mit Gott 173 Wunder - Heilungsw. Jesu 23 - im moralischen Sinn 63 - siehe auch: Wundererzählung Wundererzählung - der Hochzeit von Kana 28-30, 32 f„ 437-440, 514 - von der Brotvermehrung 658 f. Zeit(en) - als Geschenk Gottes 164 - der Gnade 179-181 - der Prüfungen 303 - des Erdenlebens Jesu 179-181 - Eintritt d. Ewigkeit in die 166-168, 170-172, 175-177,179-181 - Ursprung u. Ziel der 163 f., 166 f. 1127 REGISTER Zeuge(n) - der Auferstehung 71-73,196 - der Heiligkeit 325 f. - der Wahrheit 56-58 - des Evangeliums 119 - des Geheimnis J. Chr. 233 - des Glaubens 226,718-739,847 - Jugendliche als treue 307 f. - Märtyrer als Z. Gottes 287 f. - Ordensleute als 192 f. - Priester als 191 f. Zeugnis - christliches 264 - der Apostelfiirsten 646-648 - der Fürsorge u. Liebe 339 - der Kirche 264 f., 290 - der Liebe Gottes 22 - des hl. Adalbert 241 f., 294 f., 298 f. - des hl. Stephanus 183 - für das Evangelium 193 - für den Glauben 71-73, 264 f., 287-293, 338 f. - für die Auferstehung 71-73 - mit dem Leben bezahlen 191 f. Zeugung - von Nachkommenschaft 945 Zivilisation - der Liebe 307 f., 311 f., 435,445, 684 f., 786 Zölibat 384 f., 827-832, 886 f., 912 Zukunft 440 f. - der Menschheit 639-641 - der Wissenschaft 357 - Familie als Z. d. Menschen 138-140 Zusammenarbeit - der Bischöfe 825 f. - ökumenische 868 - pastorale 194 - unter den Christen 12-16,493 - verschiedener ethnisch-religiöser Gruppen 201,210 f. - von Orts-u. Weltkirche 883-888 - von Priestern u. Laien 832-838, 863-866 Zweites(n) Vatikanisches Konzil(s) - Dokumente des - Ad gentes 322 - Apostolicam actuositatem 836, 885 f. - Dei Verbum 96 f., 495 - Gaudium et spes 127,176, 272 f., 494, 587, 637 f., 755 - Lumen Gentium 152 f., 168 f., 194, 203, 322,487, 560, 621, 824-826, 831 - Nostraaetate 210 - Optatam totius 383-385 - Perfectae caritatis 322, 385 f. - Presbyterorum Ordinis 813, 828 f., 916 f. - Sacrosanctum Concilium 166 - Unitatis redintegratio 13, 642-644, 673 f. - Lehre des 353 - Lehre zur Mariologie (LG) 7 f., 19, 32-34,46-48, 51 f., 70, 75-77, 83-85, 87-89, 91 f., 97-99, 101-103, 105 f., 109 f., 114 £, 120-122, 128-130, 132-137, 143 f., 146 f., 149-151, 158-160 1128 REGISTER Personenregister Organe und Mitglieder der römischen Kurie, Personenverzeichnis siehe: Seite 1070 bis 1075 Abraham 167,170 f., 195,215,257, 518, 582, 583 f. Adalbert (Vojtech), hl. (f 967) Märtyrer, Bischof von Prag, Missionar 56 f., 61-63, 78-80, 215-220,222 f., 225 f., 228-242, 259, 287, 291-302, 307, 315, 320, 323 f., 349, 353, 355, 371 f., 378 Adam 49,102,143 f. -neuer 52,92,98,442 Agatha, hl. Märtyrerin zu Catania 22 Agnelo, Geraldo Majella Sekretär der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung 1031 Agnes von Böhmen, hl. 215,236 Agnes von Jesus, Priorin 721 Agostino, Giuseppe Erzbischof von Crotone-Santa Severina 622 Agricola 420 Alacoque, Margaretha-Maria, hl. (t 1690) 329 Albergati, Nikolaus, hl., Bischof (| 1447) 420 Albert von Krakau, hl. 271 Aleksej II. Patriarch von Moskau 268 Al-Hardini siehe: Kassab, Youssef Alvarez, Elias Yanes Erzbischof von Zaragoza, Präsident der spanischen Bischofskonferenz 897 Amata von Jesus (Maria Rosa) de Gordon (| 1794), hl. 420 Ambrosius, hl. (| 397) Bischof von Mailand und Kirchenlehrer 90, 105, 129, 539, 586 Amichia, Joseph Botschafter beim Hl. Stuhl 475 Anastasius Erzabt von Brevnov 63 Andreas, Apostel Bruder des Petrus 408, 558, 694, 769 f., 819 Anfossi, Giuseppe Bischof von Aosta 93 Anna Witwe Heinrichs des Frommen 285 Anna, hl. 481 Annan, Kofi Generalsekretär der Vereinten Nationen 535, 546 Anselm, hl. 129 Anwarite, sei. siehe: Nengapeta, Clementina Apollinaris, hl. 420 Apor, Vilmos, sei, Bischof und Märtyrer 157, 760 Arafat, Yasser Palästinenser-Präsident 627-629 1129 REGISTER Aram I., Heiligkeit armenischer Katholikos des Großen Hauses von Kilikien 489, 491, 1067, 1069 Araüjo Sales, Eugenio de, Kardinal Erzbischof von Säo Sebastiäo do Rio de Janeiro 138,437,440 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog 1033 Athanasius, hl. 539 Augustinus (Aurelius), hl. (354-430), ab 395 Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 29, 51, 66,114,150, 160,273,278,306, 539, 905, 908 Augustinus, hl. Apostel der Engländer 816 Bacha, Habib, Griechisch-Melkitischer Bischof von Bairut e Gibail, Vorsitzender der bischöflichen Kommission für das Laienapostolat 246 Baeza, Jose Delicado Erzbischof von Valladolid 903 Bakanja, Isidor, sei. 933 Bakhita, Giuseppina (Josephine), sei. (| 1947) 918 Barabbas 195 Barbaric, Petar 193 Barbieri, Clelia (| 1870) 420 Barbiero, Femanda Präsidentin des Instituts „Regina Mundi“ 751 Barragän, Javier Lozano, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 696, 751 Barroso, Florentino Asensio, sei. Bischof und Märtyrer 603 f. Bartholomaios I. Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch 268 f., 769 Bartimäus 5 Baum, William Wakefield Kardinal, Großpönitentiar 547 Bausola, Adriano, Professor Rektor der Kath. Herz-Jesu-Universität 636 Belliere, Maurice Missionar 721,736 Benedikt XIV., Papst (1740-1758) 128 Benedikt XV., Papst (1914-1922) 718,727 Benedikt, hl. Eremit und Märtyrer 287 £, 280, 540 Benedikt von Nursia, hl. Schutzpatron Europas 60,216, 287, 297, 540 Beran, Josef, Kardinal tschechischer Bekenner-Bischof (1888-1969), Erzbischof von Prag 238 Bemardin, Joseph Louis, Kardinal (f 1996) 761 Bemini, Dante Bischof von Albona 96 Berranger, Olivier de Bischof von Saint-Denis 857 Bertagna, Bruno, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten 1002, 1031 1130 REGISTER Bertone SDB, Tarcisio, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1007, 1031 Betancourt, Pedro de [San Jose], sei. Gründer des Ordens der Bethlehemiten 605 Beya Malumbi, Eufrasie 750 Biffi, Giacomo, Kardinal Erzbischof von Bologna 422,424 Bilczewski, Jözef 347 Bille, Louis-Marie Erzbischof von Aix, Arles und Embrun, Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz 383,387 Bindi, Rosy italienische Gesundheitsministerin 715 Birgitta von Schweden, hl. 99, 889 f. Blachnicki, Franciszek Gründer der Bewegung Licht -Leben - Bildung in Polen 350 Blanco Garrido, Miguel Angel spanischer Politiker 95 Bobla, Adreas, hl. 291 Bocos, Aquilino Generaloberer der Claretiner 678 Boleslav II., Fürst 228 Boleslaw I. der Tapfere (Chrobry) (966-1025), polnischer König 61, 80,232,261,287,291,294 f., 308 Boner, Isaak, hl. 358 Bonifatius IX. (Bonifaz IX.), Papst (1389-1404) 357 Bovone, Alberto, Erzbischof Pro-Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungs-prozesse 730 Bozabalian, Nerses armenischer Erzbischof 572 Braito OP, Silvester Maria 230 Brazauskas, Algirdas M. Präsident von Litauen 295 Brogi OFM, Marco Untersekretär der Kongregation für die orientalischen Kirchen 630 Bruno von Querfürt, hl. 218,229, 287 Buzzonetti, Renata, Dr. Leibarzt des Papstes 365 Cäcilia 420 Calasanzio, Guiseppe, hl. (f 1648) 1041 Calvin 159 Canaparius, Johannes 61 Canestri, Giovanni, Kardinal 799 Canetoli, Arcangelo 420 Canisius SJ, Petrus, hl. 669-674, 888 Careggio, Alberto Maria Bischof von Chiavari 94 Carey, George Leonard Erzbischof von Canterbury 15 Carmela 554 Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 238, 633, 649, 770 Castrillön Hoyos, Dario, Erzbischof Pro-Präfekt der Kongregation für den Klerus 95,708,1031 1131 REGISTER Catanoso, Gaetano, sei. Priester, Gründer der Kongregation der Veronikaschwestem vom Heiligen Antlitz 64, 603, 605 Caterina de’ Vigri 420 Celentano, Angela 31 Ceric, Mustafa Reis-ul-Ulema in Bosnien-Herzegowina 210 Charbel, hl. 253 Chävez Orozo, Maria Vincentia [St. Dorothea], sei. (f 1645) Gründerin der Gemeinschaft der Dienerinnen der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Armen 758, 760 Chmielowsky, Albert, hl. 330 f. Ciesielski, Jerzy 360 Claret, Antonio Maria, hl. 678 Claverie, Pierre Bischof von Oran 477, 869 Columban, hl. 879 Comboni, Daniele, (1831-1881) Missionar, Gründer der Comboni-Missionsschwestem 681-683, 918 Corbinian, hl. 392 Cordes, Paul Josef, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ 584 Costanzo, Giuseppe Erzbischof von Siracusa 622 Crihalmeanu, Florentin Weihbischof in Cluj-Gherla (Rumänien) 469 Cuminal, Jean Bischof von Blois 822 Cyprian, hl. 526 Cyrill siehe: Kyrill (Cyrillus) d’Hooghvorst, Emilie (Maria von Jesus) Gründerin der Gemeinschaft der Schwestern von „Marie reparatrice“ 141, 700 f. Dal Monte, Batolomeo Maria, sei. 419-422 Damaskinos, George Papandreu griechischer Metropolit (f 1949) 268 Daniel, Prophet 763 Danneels, Godfried, Kardinal Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Vorsitzender der Bischofskonferenz von B elgien 811 David, König 4,171, 582, 794 f. De Jesus OMI, Benjamin D. Apostolischer Vikar von Jolo 878 De la Salle, Johann Baptist, hl. (f 1719) 1041 Decius römischer Kaiser (| 251) 22 Dell’Acqua, Angelo Kardinal (t 1972) 530 Deroubaix, Guy Gerard Bischof von Saint-Denis (f 1996) 857 Diana 420 Dimitrios I. Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel (f 1991) 674 Dios Vial Correa, Juan de, Professor 527 1132 REGISTER Dominikus, hl. Stifter des Dominikanerordens (t 1221) 420 DonBosco, Johannes, hl. (1815-1881) 1041 Douglass, Jane Dempsey Präsidentin des Reformierten Weltbundes 649 Dubost, Michel franz. Militärbischof, Vorsitzender des Organisationskomitees 116, 387,409,415, 857 Duglioli, Helena, hl. (f 1520) 420 Duval, Leon-Etienne, Kardinal Erzbischof von Algier 868 Eiffel, Gustave, Ingenieur 392 Eli, Prophet 852 Elisabet, hl. hebr. ,mein Gott ist Fülle’, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias, sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 97,142, 182, 279 f., 784 Epiphanius, hl. 90 Etchegaray, Roger, Kardinal Präsident des Komitees für das Große Jubeljahr 2000, Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ 467, 636, 746 Eva 49,59,133 - neue 52, 59, 92, 98, 109, 143 Eyt, Pierre, Kardinal Erzbischof von Bordeaux 832 Ezechiel, Prophet 265,404,760 Facchini OFM, Elias, hl. Märtyrer (| 1900) 420 Fasce, Maria Teresa, sei. Schwester aus dem Augustinerorden 700, 702 f. Felix 420 Ferreira, Manuel Augusto Lopes Generaloberer der Comboni-Missionare 681 Flick, Giovanni Maria, Minister 532 Foley, John Patrick, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel 976 Follereau, Raoul 17 FraAngelico 125 Fragasso, Giuseppina Präsidentin der Vereinigungen der Generaloberinnen 688 Franck, Fernand Erzbischof von Luxemburg 863 Franz von Assisi, hl. 100,103,193, 371,607-610,716 Franz von Sales, hl. 85,502, 830 Franz Xaver SJ [Franciscus Xaverius], hl. (1506-1552) Apostel Indiens und Japans 719 Franziskus siehe Franz von Assisi Franziskus Xaverius, hl. siehe Franz Xaver Frikart, Claude Weihbischof in Paris 395 Gabriel, Erzengel 47,125,317 Gagnon, Edouard, Kardinal Vorsitzender des Päpstlichen Komitees für die Eucharistischen Weltkongresse 277 1133 REGISTER Gaidon, Maurice Bischof von Cahors 845 Gantin, Bemardin, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Bischöfe 995, 1031 Gattomo, Rosa Gründerin der Töchter der hl. Anna 481 Gatz, Erwin, Prälat Rektor des Priesterkollegs beim „Campo Santo Teutonico“ 766 Gaucher, Guy Weihbischof in Bayeux und Lisieux 737 Germanus von Konstantinopel, hl. (t 733) 90 £, 98 f. Gervasio, Giuseppe, Rechtsanwalt, Vorsitzender der italienischen Katholischen Aktion 715 Giacomella, Dr. Giorgio Generaluntersekretär und Leiter des internationalen Drogenkontroll-programms der Vereinten Nationen 939 Giannotti, Sergio 565 Giedroyc, Michael, hl. 358 Gielniöw, Ladislaus von 358 Gilson, Georges Erzbischof von Sens 738 Gimenez Malla, Ceferino, sei. 64 Göncz, Arpäd Staatspräsident von Ungarn 295 Gonzaga, Maria de, Priorin 721 Graubner, Jan Erzbischof von Olomouc 218,366 Gregor der Erleuchter (| 332) Nationalheiliger Armeniens 644 Gregor der Große, hl., Papst (590-604) 539 Gremigni MSC, Gilla Erzbischof(f 1963) 530 Grgic, Ratko bosnischer Priester 192 Griesinger OP, Jakob [genannt: Jakob von Ulm], sei. (| 1491) 420 Grignion de Montfort, Ludwig Maria, hl. 527 Guarinus, hl., Bischof von Palestrina (t 1158) 420 Guerin, Louis Martin 720 Guerin, Zelie 720 Gulbinowicz, Henryk, Kardinal Erzbischof von Breslau 268,274, 277 Haie, Joe, Dr., Generalsekretär des Exekutivkomitees des Weltrates der Methodisten 134 Hamer OP, Jean Jeröme, Kardinal (| 1996) 761 Handzlik, Stanislaw Vorsitzender Stadtrats von Krakau 351 Hanna Prophetin, Zeugin der Darstellung Jesu im Tempel 8, 510 f. Hasmandovä, Vojteycha, Borromäerin 230 Havel, Vaclav Präsident der Tschechischen Republik 62 f., 295 Hedwig von Schlesien, hl., Königin 80,259,274,280,292,344-351, 355, 357 f., 362,366 f., 370,372 1134 REGISTER Heinrich II., Herzog von Schlesien [genannt „der Fromme“] (1238-41) 280,285 Hellin, Francisco Gil Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie 960 Herodes I., der Große König 309, 647 Herranz, Julian Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten 1002,1031 Herriot, Marcel Bischof von Verdun 851 Herzog, Roman Präsident der Bundesrepublik Deutschland 295 Hieronymus, hl. 622 Hlond SDB, August, Kardinal (t 1948), Primas von Polen 350 Honore, Jean Erzbischof von Tours 822 Hus, Jan 238 Ignatius von Antiochien, hl. 143, 194, 878,1057 Ijob 753 Innozenz III., Papst (1198-1216) 609 Irenäus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 129,133,143,408 Isaak 171,195 Isaak Eremit und Märtyrer 287 f., 290 Izetbegovic, Alija Präsident von Bosnien-Herzegowina 56 Jablonska, Maria Bemardina, sei. Mitgründerin der Schwestemkon-gregation der Albertininnen 81, 326 f., 330, 332, 379 Jakob, Sohn Isaaks 171,195 Jakob von Sarug, hl. (f 521) 84 Jakob von Ulm siehe: Griesinger, Jakob Jakobus, hl., Apostel Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 27,144, 902 Janmot, Louis 398 Jaricot, Marie-Pauline 620 Jaijoui, Emil M. 680 Jaworski, Marian Erzbischof von Leopoli 371 Jesaja, Prophet 36,174,229,254, 370,468, 487, 568, 572, 734, 794 £, 914 Jez, Ignacy Bischof von Koszalin-Kolobrzeg 293,313 Joel, Prophet 522 Johann II., Kasimir König von Polen (1609-72) 372 Johannes XXIII., Papst (1958-1963) 41, 55,128,155,211 f., 595, 727 Johannes Eremit und Märtyrer 287 £, 290 Johannes, hl. Apostel und Evangelist, Bruder des Jakobus 27 £, 30, 32 £, 47, 58-60, 65 £, 70,74, 129, 133,142,166 £, 170, 175, 183, 195 £, 224, 235, 237,239, 309, 312, 326, 328, 337, 342, 345, 369, 388, 397,404,437, 1135 REGISTER 558, 569,575, 577, 610, 618, 626, 658, 675, 690 Johannes Chrysostomus, hl. 539, 884 Johannes der Täufer 9f., 173, 181, 294, 408,474, 558, 571,576 Johannes Paul II., Papst (seit 1978) 41, 546, 938 f., 942, 946, 967, 971, 975, 977, 981,1007,1032,1037, 1043-1046,1067 f., 1076 Johannes Petros XVIII. Kasparian, Armenischer Patriarch von Kilikien 642 Johannes vom Kreuz, hl. 726 Johannes von Damaskus, hl. (f 704) 84,91,97 Johannes von Dukla OFM (15. Jh.), hl. 81,326,367-376,379 Johannes von Gott, hl. 768 f. Johannes von Nepomuk 236 Josef (Joseph), hl. 4, 6-8,10-12,18, 20, 39 £, 152,181, 308-310, 312-314,327, 339, 507-509, 794, 796 Jubany Amau, Narcisio, Kardinal (f 1996) 761 Justinus, hl. 143 Kabashi OFM, Hil Apostolischer Administrator von Albania Meridionale 469 Kabasilas, Nikolaos (f nach 1363) Schriftsteller 159 Kain 450 Kajpr, A., Jesuit 230 Kamillus de Lellis, hl. 605 Kanty, Johannes, hl. 80 Karekin I., Sarkissian Neshan Patriarch und Katholikos aller Armenier 15,490,492, 572, 630, 1067 Karekin II., Katholikos aller Armenier 491 Karl IV. deutscher Kaiser (1355-78) 238 Karlowska, Maria, sei. Gründerin der Suore Pastorelle (Hirtinnen der Göttlichen Vorsehung) 81, 326 f., 331 f., 379 Kasimir III. König von Polen (t 1370), Gründer der Krakauer Akademie 80,357, 371 Kassab, Youssef [Nimatulla Al-Hardini] (1808-1858), sei. 253 Kaszkiewicz, Aleksander Bischof von Grodno 923 Katharina von Siena, hl. (f 1380) Kirchenlehrerin 723 Kazimierczyk, Stanislaus, sei. 347, 358 Kenney, William Weihbischof in Stockholm und Präsident der Europäischen Caritas (1991-99) 894 Kety, Johannes von, hl. 347,358 f., 362 Khoren I. Katholikos von Kilikien 491 Klara von Assisi, hl. 100 Klawek, Aleksy Professor der Theologischen Fakultät in Krakau 359 Klemens von Rom 1057 1136 REGISTER Klemensiewicz, Zenon Professor der Philosophischen F akultät in Krakau 359 Klopas 47,59 Klosak, Kazimierz Professor der Theologischen F akultät in Krakau 359 Kolaczkowski, Stefan Professor der Philosophischen F akultät in Krakau 359 Kolbe, Maximilian, hl. 291 Koliqi, Mikel, Kardinal (f 1997) 761 Kolumbus, Christoph 763 Kolvenbach, Peter-Hans Generaloberer der Gesellschaft Jesu 799 Komarica, Franjo Bischof von Banja Luca 54, 197, 203 Kominek, Boleslaw, Kardinal Erzbischof von Wroclaw (| 1974) 276 Kandake von Äthiopien 693 Kopemikus, Nikolaus 347,358 Kornelius römischer Hauptmann 474 Koväc, Michal Präsident der Slowakischen Republik 295 Kowalska, Faustina, sei. 342 f., 363 Kozlowiecki, Adam Erzbischof von Potenza Picena 287,313 Krenn, Kurt Bischof von St. Pölten 134 Kuczma, Leonid Danilowitsch Präsident der Ukraine 295 Kwasniewski, Aleksander Präsident Polens 295 Kyrill (Cyrillus), hl. (Mönch) Schutzpatron Europas 216,225, 236, 241, 297, 301 Ladislaus II. (der Jagellone) König von Polen (f 1434), Gemahl der hl. Hedwig 80,345 Laghi, Pio, Kardinal Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen 613 Lambertini OP, Imelda, sei. (f 1333) 420 Landäzuri Ricketts OFM, Juan, Kardinal Erzbischof em. von Lima 761 Lari, Ovidio Bischof em. von Aosta 94 Larraona Saralegui CMF, Arcadio M., Kardinal (t 1973) 502 Lassota, Jözef Bürgermeister von Krakau 351 Lejeune, Alain, Professor 529 Lellis de, Kamillus, hl. siehe Kamillus de Lellis Lentini, Domenico, sei. 700 f. Leo XIII., Papst (1878-1903) 128, 155,314,399, 669,720 Leonardo von Porto Maurizio, hl. (t 1571) 421 Leonhard, hl. 544 Libera, Piotr Weihbischof in Katowicze 469 Lichtenberg, Bernhard, sei., Märtyrer 156 Liegro, Luigi di, Msgr. Direktor der Caritas in Rom 801 1137 REGISTER Lipnica, Simon von 358 Lopez, Aharon Botschafter Israel beim Hl. Stuhl 579 Lopez Tmjillo, Alfonso, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 482, 960 Lubich, Chiara 185 Lucarelli, Delio Bischof von Rieti 469 Ludmilla, hl. (f 921) 226,233,236 Ludwig IX., hl., König von Frankreich (1214-70) 414 Lukas, hl., Evangelist 8-10,12,18, 36,70,129,166,173,180,317, 509,512,716, 795 Lustiger, Jean-Marie, Kardinal Erzbischof von Paris 42, 116, 387, 398,409,415,857 Luther, Martin 158 f. Luzia von Settefonti 420 Lwanga, Charles, hl. 923 Maccise OCD, Camilo Präsident der Vereinigungen der Generaloberen 688 Macharski, Franciszek, Kardinal Erzbischof von Krakau 274,286, 328, 348,351 Magdalena 551 Maida, Adam Joseph, Kardinal Erzbischof von Detroit 286 Majchrowski, Jacek 351 Majdanski, Kazimierz Bischof von Szczecin-Kamien 313 Maleachi, Prophet 509 Malinvaud, Edmond Präsident der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften 595 Malla, Ceferino Gimenez, sei. Märtyrer 603 f. Marchisano, Francesco, Erzbischof Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche 684 Maria Schwester der hl. Theresia vom Kinde Jesus 720 f. Maria, Frau des Klopas 47, 59 Maria Magdalena [Maria aus Magdala] 29,47, 72, 388, 577, 1085 Maria von Jesus [Emilia d'Oultremont, verwitwete Van der Linden d'Hooghvorst], sei. 141, 700 f. Marinelli, Enrico 573 Markion 582 Markus, hl., Evangelist 24,551 Markus von Bologna 420 Maron, hl., Mönch 68, 250,253 Martens, Wilfried, Präsident 536 Martin von Tours, hl., Bischof 822 Martin, Therese Unbeschuhte Karmelitin von Lisieux 734 Martinez Somalo, Eduardo, Kardinal, Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens 501,687, 1031 1138 REGISTER Martyniak, Iwan Metropolit von Przemysl-Warszawa 371 Marusyn, Miroslav Stefan, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 630 Massafra, Angelo Bischof von Rreshen und Apostolischer Administrator von Lezhe (Albanien) 469 Matanovic, Josip bosnischer Priester 192 Matthäus, hl. Eremit und Märtyrer 287 £, 290 Matthäus, hl., Evangelist 18,166, 585 Matthias von Krakau, hl. 358 Medina Estevez, Jorge Arturo Augustin Pro-Präfekt der Kongregation finden Gottesdienst und die Sakramentenordnung 1031 Meisner, Joachim, Kardinal Erzbischof von Köln 274, 286 Mejia, Jorge Maria, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Bischöfe 995, 1031 Melchisedek 543, 569 Melis, Silvia 31 Method (Methodius), hl., Bischof Schutzpatron Europas 216,225, 236,241,297,301 Michael von Krakau, hl. 358 Michalik, Jözef Erzbischof von Przemysl 293,371 Michalski, Konstantiy Professor der Theologischen Fakultät in Krakau 359 Michalski, Marian Professor der Theologischen Fakultät in Krakau 359 Mieszko I., Herzog von Polen (t 992), Herzog seit 906, er nahm 966 das Christentum an und errichtete 908 das Bistum Posen. Um 990 unterstellte Mieszko sein Land dem Hl. Stuhl 261,294,308,344 Modestos von Jerusalem, hl. (f 634) 84 Monika, Mutter des hl. Augustinus, hl., 118 Monnet, Jean 478 Montini, Giovanni Battista (später Papst Paul VI.) 501 Morbioli, Ludwig 420 Mose(s) 167,171,261,270,284, 438,441,467, 508,626 Moskwa, Stefan Weihbischof und Generalvikar in Przemysl 371 Moutel, Michel Bischof von Nevers 822 f. Munzihirwa, Christophe Erzbischof von Bukavu 928 Muszynski, Henryk Erzbischof von Gnesen 296 Mutter Teresa von Kalkutta 123 f., 310 f., 436, 654, 754 Nascimento, Basilio do Bischof von Baucau (Osttimor) 469 Nehemia, Prophet 333 1139 REGISTER Nengapeta, Clementina Anvarite, sei. 933 Nerses IV. (Shnorhali = der Gnadenvolle) (| 1173) erster Katholikos von Kilikien 491 Nerses von Lambron (| 1198) Bischof von Tarsos 491 Nesti CP, Piergiorgio Silvano Sekretär der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens 1031 Nestorius 143 Netanyahu, Benjamin Ministerpräsident des Staates Israel 627, 629 Neumann, Johann Nepomuk 236 Ngabu, Faustin Bischof von Goma, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Zaire 927 Nietsch, Kazimierz Professor der Philologischen Fakultät in Krakau 359,362 Nieves, Elias del Socorro, sei. Märtyrer, Priester des Augustinerordens 141, 700, 702 Nikodemus 404 f. Nikolaj Mrda Metropolit von Dabar-Bosnien 207 Nikolaus, Bischof von Myra, hl. 420 Ninian, hl. 879 Nirmala, Schwester Generaloberin der Missionarinnen der Nächsstenliebe 654 Novarese, Luigi, Msgr. Gründer des Zentrums Freiwilliger des Leidens“ (CVS) 655 Nwara, Marek Präsident des Kleinen Parlaments 351 Oesterhelt, Jürgen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl 711 Origines 97 Orione, Luigi, sei. 516 Ortner, Gustav Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl 470 Otcenäsek, Karel Bischof von Hradec Krälove (Königsgrätz) 62, 218, 224 f., 241 Otto III., (983-1002), dt. Kaiser 80, 294, 301,470 Ozanam, Friedrich, sei. 116f., 382, 393, 396-400,402 £, 872 Pacomio, Luciano Bischof von Mondovi 469 Palamas, Gregorios (j 1359) Schriftsteller 159 Pampuri, Riccardo, hl. 767-769 Pardubitz, Emst von erster Erzbischof von Prag (| 1364) 238 Pastore, Pierfranco Sekretär des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel 976 Paul III., Papst (1534-1549) 669,673 Paul VI., Papst (1963-1978) 54, 107 f., 124,128,130,148,155,243, 319,322,467,491, 501 f., 530 f., 1140 REGISTER 584 f„ 595 f, 608, 636, 659, 667, 694,723,727,743, 808, 876, 895, 946, 963, 965 Pauline Schwester der hl. Theresia vom Kinde Jesus 720 Paulus von Tarsus, hl., Apostel 12, 14,20,38,43,51,72, 82, 85 f., 105, 120,136,142,171,178,192,233 f„ 251,265,269,272,281,287 f., 290, 299, 304,312,318,321, 326, 330, 332, 372, 379,405,410,419,423, 437,443,455,466,468 f., 471 f„ 488-491, 500, 521, 524, 531, 549 f„ 553, 564, 571,575, 583,627,632-635, 642, 646-648, 673, 675 f., 678, 693 f, 706,726,731 f„ 747 f„ 758, 761, 766, 771 f., 795 f., 805, 810, 816, 821, 823, 827 f., 832, 835, 845, 851, 858, 863, 866 f., 874, 878, 880, 889, 899,915,958,1057,1076, 1083 Pavle, serbischer Patriarch Metropolit von Belgrad und Karlowatz 207 Pelczar, Josef Sebastian, sei. 347 Peric, Ratko Bischof von Mostar-Duvno und Apostolischer Administrator von Trebinje-Mrkan 54,197,203 Perisset, Jean-Claude Beigeordneter Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 469 Petronius 420 Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl., Apostel 27, 86, 91,111,191,194-196,203,206,252,258,260, 303-306,315, 333 f., 388, 390,408,412, 418,423,437,474,490 f., 498, 500, 531, 551, 556, 558, 570,573, 576 f„ 620,627,642, 645-648, 669,673, 706,766, 769 f., 796, 805, 810, 816, 819,821,823,827,832,845,851, 853, 857, 863, 866, 874, 878, 889 £, 900,1057 f. Petrus Canisius siehe Canisius, Petrus Pezzuto, Luigi Apostolischer Nuntius im Kongo und in Gabun 469 Phan Thi Tien, Cecilia 750 Philippus, Apostel 180,658, 693 f. Piamarta, Giovanni Battista Gründer der Kongregation der Heiligen Familie von Nazareth 700 Pican, Pierre Bischof von Bayeux und Lisieux 737 Pigon, Stanislaw Professor der Philologischen Fakultät in Krakau 359 Pilatus 195,328 Piles, Ferrando Pascual Generalprior des Hospitalordens vom hl. Johannes von Gott 767 Pinard SMA, Guy 1997 in Ruanda ermordet 21 Pironio, Eduardo, Kardinal Präsident des Päpstlichen Laienrates 409, 743 Pius IX., Papst (1846-1878) 51, 98, 481,669,673 Pius X., hl., Papst (1903-1914) 718, 727 1141 REGISTER Pius XI., Papst (1922-1939) 620 f., 669, 701,718, 723,739,748,759, 946 Pius XII., Papst (1939-1958) 83, 87 f., 98,148,155,165, 501,655, 727, 748, 946 Pluta, Wilhelm erster Bischof von Landsberg [Gorzow] (t 1986) 289 Poletti, Ugo, Kardinal (j 1997) em. Kardinalvikar der Diözese Rom 530-532,761,801 Poupard, Paul, Kardinal Präsident des Koordinierungsrates der Päpstlichen Akademien, Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur 539, 748 Proculus 420 Prodi, Romano italienischer Ministerpräsident 424 Prokop, hl. (f 1053) Abt von Säzava 236 Pseudo-Meliton 91 Psorulla, Elvira Myriam 655 Puljic, Vinko, Kardinal Erzbischof von Sarajevo 54,191, 197,203 Quintero Diaz, Jose de Jesus Bischof der Prälatur Tibü (Kolumbien) 169 Rafka, sei. 253 Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 650, 662, 708, 730, 740,1007,1031 Rebuschini OSCam, Enrico, sei. 64, 603, 605 Rendu, Rosalie, Schwester 398 Romanini, Carlo, Professor Direktor des Insituts für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität Rom-Tor Vergata 639 Roncalli, Angelo, Kardinal (später Papst Johannes XXIII.) 727 Rosal, Maria Encamacion, sei. Ordensfrau, Neugestalterin des Instituts der Betlehemitinnen 603, 605 Roulland, Adolphe Missionar 736 Rozycki, Ignacy Professor der Theologischen Fakultät in Krakau 359 Rubin, Wladyslaw, Kardinal(f 1990) 254 Ruini, Camillo, Kardinal Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz 424, 622, 799 Rungruang-Kanokkul, Marie Monique 750 Rupert von Worms, hl. 470 f. Rybak, Tadeusz Bischof von Legnica [Liegnitz] 280 Rylko, Stanislaw, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien 487,743,1031 Sacharja, Prophet 569 Sailer, Johann Michael Bischof von Regensburg 24 Salamucha, Jan Professor der Theologischen Fakultät in Krakau 359 1142 REGISTER Salina, Henri Abt von St. Maurice, Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz 883 Salomo, König 68 Samuel 852 Sapieha, Adam Stefan, Kardinal Erzbischof von Krakau 345, 542 Sardi, Paolo, Erzbischof Apostolischer Nuntius 469 Sarkander, Johann (t 1620), sei. 236 Sarkissian siehe Karekin I. Sarkissian, Datev, Erzbischof 630 Saudreau, Michel Bischof von Le Havre 827 Saulus (Paulus) von Tarsus siehe Paulus von Tarsus Scalabrini, Giovanni Battista, sei, Bischof, Gründer der Missionare und Missionarinnen vom hl. Karl 157,161,758-760 Scalfaro, Oscar Luigi italienischer Präsident 532 Schalück OFM, Hermann Generalminister der Minderen Brüder 607 Schleck, Charles, Erzbischof Beigeordneter Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Präsident der Päpstlichen Missionswerke 619 Scholarios, Georgios (f nach 1472) Schriftsteller 159 Schotte CICM, Jan Pieter, Kardinal Generalsekretär der Römischen Bischofssynode 254 Schwarzenböck, Franz Weihbischof in München und Freising 122 Scola, Angelo Bischof em. von Grosseto, Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität 636 Sedulius lateinisch-christlicher Dichter des 5. Jhd. 72 Sepe, Crescenzio, Bischof Sekretär der Kongregation für den Klerus 1031 Severos von Antiocheia 84 Sfeir, Nasrallah Pierre, Kardinal Patriarch von Antiochia 246,250 Sielecka-Meier, Dr. Ärztin am Städtischen Krankenhaus in Krakau-Bialy Pradnik 363 Silvester II., Papst (999-1003) 294 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 630 Simeon Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 7 f., 19,21,47, 507, 509-511,747 Simon siehe Petrus Simon Petras siehe Petras Simon von Cyrene (Zyrene) 394,605 Sin, Jaime L., Kardinal Erzbischof von Manila 874 1143 REGISTER Sinagra, Anna Viginia Generaloberin der Töchter der hl. Anna 480 Smetana, Dr. Pavel Präsident des Rates der Kirchen der Tschechischen Republik 63 Sodano, Angelo, Kardinalstaatssekretär 79,268,295, 696 Sousa Ferreira e Silva, D. Serafim de, Bischof von Leiria-Fätima 618 Stadler, Josip erster Erzbischof von Sarajevo (Vrhbosna) 193 Stafford, James Francis 408 Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 393, 743,1031 Stanislaus, hl., Bischof von Krakau 291,295, 319, 344,349,362,371 f. Stein, Edith siehe: Teresa Benedikta vom Kreuz Stensen, Niels (f 1686), sei. 896 Stephanus, hl., Märtyrer 183 Stroba, Jerzy Erzbischof von Posen 293,302 Sudar, Pero Weihbischof in Sarajevo 197,203 Suhard, Emmanuel Celestin, Kardinal gründete 1941 die Mission de France 145 Superbo, Agostino Bischof von Altamura-Gravina-Acquaviva delle Fonti, Generalassistent der Italienischen Katholischen Aktion 715 Suski, Andrzej Wojciech Bischof von Torun 705 Szarek, Jan, Prälat Vorsitzender des Polnischen Ökumenischen Rates 262 Talkena, Ignace S ambar Bischof von Kara (Togo) 469 Teissier, Henri Erzbischof von Algier 868 Teofan Metropolit von Oltenia (Rumänien) 268 Teresa von Lisieux (Theresia vom Kinde Jesu), hl. (f 1897) siehe Theresa von Lisieux Teresia Benedikta vom Kreuz (Edith Stein), sei. 274 Terterian, Ardavatz, Erzbischof 493 Theresa (Theresia) vom Kinde Jesu, auch Kleine Theresia siehe Theresa von Lisieux Theresa von Lisieux (Theresia vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz), hl. (| 1897), Kirchenlehrerin 118,145,162, 382,395,412 f., 439,562, 620 f., 687, 689, 716, 718-730,732,734-739, 742 f., 870 Theresia von Avila 727 Thomas, Apostel 50,146 Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274), Kirchenlehrer 262,626, 749,750 Timotheus, Schüler des Apostels Paulus 135 f., 372,647, 828,1030 Timotheus von Jerusalem 90 Tiridates König von Armenien (1. Jh.) 644 1144 REGISTER Titus, Schüler des Apostels Paulus 795, 899 Tokarczuk, Ignacy Erzbischof em. von Przemysl 371, 705 Tomäsek, Frantisek, Kardinal Erzbischof em. von Prag 62, 215 f., 218,234, 238,301 Tomko, Jozef, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 675, 995,1031 Trujillo, Alfonso Lopez, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 429 Uhac, Giuseppe, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 995, 1031 Van der Linden d'Hooghvorst, Emilia [Maria von Jesus], sei. 141,700 f. Vasken I. Katholikos und Oberster Patriarch aller Armenier 491 Veit, hl. 217 Verschuren, Paul Bischof von Helsinki, Präsident der skandinavischen Bischofskonferenz 889 Vetulani, Adam, Professor 362 Veuster, Damian de, sei. 811 Vicentita, Mutter, sei. 157 Vinzenz von Paul, hl. 117, 398 Vitalis 420 Vithayathil, Varkay Erzbischof von Antinoe der Syro-Malabaren 469 Vlk, Miloslav, Kardinal Erzbischof von Prag 62, 229, 234, 238, 241,286, 296 Wagner, Alois, Erzbischof 34 Weizmann, Ezer Präsident Israels 579 Wenzel, hl. 63,226,233,236,238 Wenzeslaus, hl. 217 Wetter, Friedrich, Kardinal Erzbischof von München und Freising 122 Wicher, Wladyslaw Professor der Theologischen Fakultät in Krakau 359 Wielgus, Dr. Aleksander (f 1939) 363 Willibrord, hl. 866 Wlodkowic, Pawel 358 Rektor der Krakauer Hochschule 347 Wu Cheng-chung, John Baptist, Kardinal Bischof von Hong Kong 645 Wyspianski, Stanislaw 285 Wyszynski, Stefan, Kardinal Primas von Polen 320,342,345 Yago, Bemard, Kardinal Erzbischof von Abidjan 761 Zacharias, Prophet 747 Zama, hl. (4. Jh.) 420 Zdislava von Lemberk, hl. (f 1252) 236 Zych, Jozef Präsident des Sejm 351 1145 REGISTER Länder- und Ortsregister: Abendland 201, 976 Abendmahlssaal 43,70,73, 75 f., 83, 126,196,226 f., 251,253,263,269, 277,281,293 f., 315,388,423, 545, 569 f., 587,625, 733 Abensberg 63 Abidjan 476 Adriatisches Meer 46 Ägypten 18,45,167,171,308 f., 424,518, 575, 805 Äthiopien 805 f., 808-810 Afrika 78, 87, 94,274,386,469,477, 535, 546, 577,668, 675, 678, 736, 806, 809 f., 871,908,911 f., 919, 930 f. - Kirche in 869 - Nordafrika 868 - Südafrika 908, 913 - Zentralafrika 477 - Zentralafrikanische Republik 681 Aix 383 Aix, Arles und Embrun - Erzbistum 383 Ajaccio - Bistum 839 Alaska 764 Albanien 35,38 f., 46,199,469, 575, 577 - Südalbanien 469 Alenfon (Frankreich) 720 Algerien 119,137,476, 868 f. Algier - Erzbistum 868 Allgäu 156 Altenberg 60 Amerika 141,157,161,177,274, 296, 606, 666 f., 678,762-765, 779, 784-787,1076-1078,1080 f., 1083-1086 - Lateinamerika 64,429,434,437, 440,443, 665-668, 675, 787 - Mittelamerika 386, 762 f., 785 - Nordamerika 386, 762 f., 785, 1078,1085 - Südamerika 386, 762 f., 785, 894,1078,1081, 1083,1085 - Vereinigte Staaten von Amerika 286, 300, 387, 564 Anthelias maronitisches Erzbistum 491 f., 1067 Antiochia/Antiochien/Antiocheia 84, 194,246,493, 1057 Aosta - Bistum 93-95 Aostatal 93-96 Apulien 46 Argentinien 300, 564 Arles 383 Armenien 489,491-493, 572, 644, 1067 f. Asien 274, 386,476, 668, 678, 894 - Kleinasien 254,472 Assisi 54,100,371,607 Aterro do Flamengo 139 Athen 471,539 Atlantik - Inselwelt des Atlantischen Ozeans 82, 386 1146 REGISTER Augsburg 73 Auschwitz - Konzentrationslager 154 Australien 274,296, 386 Aventin 61 Babylon 439 Bahia 433 Balkan 191, 197,212,478, 577 Baltikum 232,294, 323,332,345 Baltisches Meer 329 Bamberg - Erzbistum 137 Banja Luka 54 -Bistum 197,203 Barbastro 604, 679 Baucau (Osttimor) - Bistum 469 Bayeux 727, 729,737 Bayreuth 238 Beirut 68, 84, 243, 249 f., 252 f., 255 Belen 606 Belgien 811 Belo Horizonte 245 Benghazi - Apostolisches Vikariat 869 Benin 575 Berg - Cergowa 370 - Giewont 327, 329,331 f., 335 -Sinai 410,485-487 - Tabor 27 Berlin 215 - Brandenburger Tor 711 Beskiden 370 Betlehem 5,119,156,178,181,318, 465 f., 468 f., 473, 565, 734, 784, 794-798 Bialy Pradnik (Stadtviertel Krakaus) 363 Biecz 347 Bieszczady 370,373 f. Blois - Bistum 822 Blonia Krakowskie 348 Böhmen 62 f., 79,218,221,225, 233 f., 274,294,301,375 Böhmen-Mähren 229 Bologna 131,357,417-420,422, 424,426 f., 624, 688 Bombay 243 Bordeaux - Erzbistum 832 Bosnien 716 Bosnien-Herzegowina 53-55, 57, 189-193, 195-203,205,207-214, 221, 223 Botswana 908, 913 Bozen 160 Brasilien 126, 138, 142, 245, 429, 436,438,440,443-445, 665, 688 Brazzaville (Kongo) 78, 87 Bremervörde 52 Brescia - Bistum 700 f. Breslau [Wroclaw] 74,79,257,259-262, 266-269,271, 273-277, 280, 286,292,294, 302,309,317, 324, 328, 334,351 f.,377f. 1147 REGISTER Brevnov - Benediktinerabtei in Prag 62, 217, 228 Britannien 816 - Nordbritannien 879 Brixen 63 Bromberg [Bydgoszcz] 300 Brüssel 476 Budapest 351 Budslav 924 Buenos Aires. 386, 564 Bukavu (Zaire) - Erzbistum 927 f. Bundesrepublik Deutschland siehe Deutschland Bundesrepublik Jugoslawien siehe Jugoslawien Burgos - Erzbistum 897 Burundi All Bydgoszcz siehe Bromberg Caceres - Erzbistum 874 Cäsarea in Numidien 730 Cäsarea Philippi 303,646 Canterbury 15 Casablanca 869 Castel Gandolfo 54, 96,103,107, 113,119,123,126,130,183 f., 417, 695 Catania 22 Cebu - Erzbistum 874 Chalkedon 15,1057 Champ-de-Mars 117 Chemobyl 108 Chiapas (Mexiko) 183 Chiavari 94 China 575,645,736 -Kontinentalchina 476 Civitavecchia 164 Cluj-Gherla (Rumänien) - Bistum 469 Como -Bistum 157 Corcovado 138,431,445 Covadalria 514 Cremona 605 - Bistum 64 Crespano del Grappa 518 Dabar-Bosnien 207 Dachau - Konzentrationslager 157,313 Dänemark 889, 893 Damaskus 488 f. Danzig [Gdansk] 329 Debrecen (Ungarn) 649 Dekapolis 68 Denver (USA) 226, 387, 564 Detroit - Erzbistum 286 Deutschland 37,45,70,73, 80,99, 122, 130, 140, 280,295, 300, 304, 379, 669 f., 673 f., 712 f. - Bundesrepublik 711, 713 f. Dießen am Ammersee 56 Dukla 79,81,367-370,375,377 1148 REGISTER Edschmiadzin 491 - Katholikat von 492 Eger (Ungarn) 351 Eichstätt 122 Elfenbeinküste 93,475 Embrun 383 Emmaus 83,246 f., 388, 561, 693, 824, 898 Engen 77 England 816, 818, 820 Ephesus 143,1057 Eritrea 805 £, 808, 810 Emakulam Angamaly - Großerzbistum der Syro-Malabaren 469 Essonne (franz. Departement) 392 f. Estland 274 Europa 38 f., 53-55, 61-63,77,79 f., 82 f., 141,185,190 f., 198,200 f., 216, 219 f., 223-226, 229,232-234, 237,239,259,264,271 f., 274, 277 f., 280,293,295-302, 304,345, 347,352, 355, 357,361,379,398, 400,456,470-473,477 f., 536-539, 557 f., 588, 599 f., 602, 613-615, 624,631, 633-637, 668,674, 678, 714, 716,746,785, 787, 826, 838, 852,902,1082 - Mitteleuropa 62,216,229, 232, 278, 296,301,649, 674 - Mittelosteuropa 233, 268 - Nordeuropa 894 - Osteuropa 63,223,229, 241, 278, 296, 634, 649 - Westeuropa 223, 634 Europäische Union siehe Europa Evry 392 Extremadura - spanische Region 907 Fatima (Portugal) 149,333, 335-337, 513 f., 516-518, 618 f., 655 Feldkirch - Bistum 99 Ferner Osten siehe Orient/Osten Feuerland 764 Finnland 889,893 Fontfroide (Frankreich) 678 Frankreich 42,79,100 f., 116,301, 381 f., 398,404,414 f., 558, 564, 678, 822 f„ 825-827, 830, 836, 845, 850 f., 858, 862,1041 - Ile-de-France 116, 381, 857 f. - Nordfrankreich 827 -Ostfrankreich 851 - Region 838, 845 - Südwestfrankreich 832 - Zentralfrankreich 822, 827 Französische Republik siehe Frankreich Freiburg 37,888 Fribourg 674 Gabun 469 Galatien 632 Galiläa (Galilea) 10,32,72,251,316, 344,437, 514, 551, 563, 576, 578 -Seevon 591 Genzano 57 Gnesen [Gniezno] 61 f., 79 f., 232 f., 259,292-296,299 f., 302, 307,353, 377 f. Gniezno siehe Gnesen 1149 REGISTER Golfregion 162 Golgota 25,31, 33,43 f., 47 f., 51, 59, 72-74,102,129,132,142,235, 246,318, 330,337, 369,410, 510, 582, 694, 881 Gorce 341 Gorzöw Wielkopolski siehe Landsberg an der Warthe Goslar 52 Graz 45, 82 f., 86,264,456, 633 Gresson 95 Grodno -Bistum 924 f. Großbritannien 300 Großpolen [Wielkopolska] 305,307 Groß-Rosen [Rogoznica], Konzentrationslager 286 Grüssau [Krzeszow] 285 f. Guadalupe 668, 784,787 Guatemala 476 Haczow 374 Hajdüdorog (Ungarn) 631 Harissa 245 Hebron 518 Heiliges Land 119, 246, 518, 565, 577, 579, 627-629, 632 Helsinki - Bistum 889 Hermon 251 Herzegowina 716 Hohe Tatra 334 f., 377 Homburg 70 Hongkong 476,645 f. - Bistum 645 Hradec Krälove siehe Königgrätz/Königgrätz Ile-de-France siehe Frankreich Indischer Ozean - Inseln 386 Ingenheim 172 Introd 93 Irak 162 Island 889,893 Israel 466, 518, 520,579 f., 627-629, 680 Istanbul 476,519 Italien 20,45,131,141,157,161, 177,287,417,421-424,426 f., 526, 532, 573 f., 623 f., 677, 715 f., 720 Jasliska 374 Jasna Göra siehe Tschenstochau Jericho 692 Jerusalem 9-12,18-21,24,30,35-38, 43,47 f., 67 f., 70, 84,90,119,129, 144,162,164,180 f., 246 f., 293, 315, 333, 387,422 f., 468,488, 509 f., 518, 520, 539, 563-565, 570, 576, 578, 580, 594, 632, 647 f., 680, 758, 805, 863,1069 -Tempel 10 Johannesburg 81 Jolo 878 Jordan 9,246,408,410,473 f„ 558, 571 Judäa 67 Jugoslawien 53, 55,200,297 Kafamaum 36,269,408, 626 Kairo 310 1150 REGISTER Kalatöwki, Einsiedelei 330 f. Kalima (Zaire) 546 Kaliningrad siehe Königsberg Kalisch (Kalisz) 79,308-311, 313 f., 377 - Bistum 313 f. Kalkutta 123,654 Kalvaria 349, 394 Kana in Galiläa 28,30-33,35 f., 52, 59,126,129,147, 316,437 f., 473, 514 Kap Verde 575 Kappadozien 644 Kara (Togo) - Bistum 469 Karibik 762 Kasachstan 274, 386 Kasana-Luweero -Bistum 919 Katakomben (Rom) 423 - Priscilla 143 Katalonien 678 Katowice - Erzbistum 469 Kaukasus 386,478 Keetmanshoop - Bistum 866 Kempten im Allgäu 156 Kenia 79 Kerala 469 Khartoum (Sudan) 914,917 Kilikien 489,491, 642,1067-1069 - Katholikat von 492 f. Kinshasa (Zaire) 71 Kisangani - Erzbistum 927 Kleinasien siehe Asien Koblenz 148 Köln - Erzbistum 286 Königgrätz [Hradec Krälove] - Bistum 61 f., 80, 224 f., 240-242, 293 Königsberg [Kaliningrad] 300 Königsmünster Abtei 60 Kolberg 294 Kolumbien 169 f. Kongo 78,87,469 Kongo-Brazzaville 87,137 Kongo-Kinshasa 681 Konstantinopel 90, 98, 769 - Kirche von 169,1057 Kontinentalchina siehe China Kopenhagen 585 Korczyna 369 Korea 79 Korinth 14,281,632,694 Koscieliska-Tal [Wincenty Pol] 335 Kozielsk 351 Krakau [Krakow] 79-81,122,217, 259,271,274,294-296,313, 329, 335, 340, 342-345, 347-352, 355-358,360,362 f., 365-367,370 f., 376-378, 523, 542 f., 674 - Erzbistum 286, 341, 350 f. -Wawel 154,347,349,542 1151 REGISTER Krakow siehe Krakau Kroatien 53,199,203,211 Kroscienko 350 Krosno am Wislok 79, 81,368, 370 £, 375,377 Krowodrza 366 f. Krynica 370 Krzeptöwki siehe Zakopane Krzeszöw siehe Grüssau Kurhessen-Waldeck 30 Kusch (Gebiet am Nil im altägyptischen Reich) 805 Kusel 81 LaStorta 81 Landsberg an der Warthe [Gorzöw Wielkopolski] 79,287,289,302, 377 - Bistum 292 Latium (ital. Region) 715 Lausitz 280 Le Havre - Bistum 827 Legnica siehe Liegnitz Leipzig 24 Leiria-Fätima -Bistum 618 Lemberg [Leopoli] 81,370-372,376 Lemberk [Lvovä] Burg in Böhmen 236 Leopoli [Lwiw/poln., Lwow/ukrain., Lemberg] siehe Lemberg Les Combes 93 Letna 240 Lettland 274 Levoca 328 Lezhe - Apostolische Administrator 469 Libanon 67-69,243-254,491,493, 631,1067,1069 Liberia 476 Libice 61 f., 80,293 f. Libyen 868 f. Liegnitz [Legnica] 79,279 f., 285-287, 300, 302, 377 - Bistum 286 f. Lille (Frankreich) 79 Lima (Peru) 35, 578 Lisieux 145, 719-721, 723,727,729, 734, 737 Litauen 80,274,295,344,348,351, 379 London 351 Longchamp 116 f. Lonsee 172 Loreto 54,155,225,417, 720 Lourdes (Frankreich) 23, 79, 517 f., 532, 655 Lubumbashi (Zaire) - Erzbistum 927 Ludzmierz 79, 340 f., 377 Lugazi -Bistum 919 1152 REGISTER Luxemburg - Erzbistum 863 Lvovä siehe: Lemberk Lwiw siehe Lemberg Lwow siehe Lemberg Lyon 143,399,620 Madrid 477,485,608 - Erzbistum 903 Mähren 62,215,234 -Kirche in 218,221 Mährische Pforte 61,294 Magdeburg 301 Maghreb 869, 871 Mailand 767 Mainz 301 Makedonien - frühere jugoslawische Republik 200 Manila 42,226,387,417,564,874 - Erbistum 874 Maracanä-Stadion (Rio de Janeiro) 139 f. Mariazell 34 Mariono 655 Marokko 868 f. Massabielle 517 Meaux - Bistum 857 Merida-Badajoz - Erzbistum 903 Merseburg 57 Messina 674 Mexiko 141,183,702 - Kirche in 157 Mexiko (Stadt) 787 Midi-Pyrenee siehe Frankreich Minsk-Mohilev - Erzbistum 924 Mittelmeer 477, 838 Mittlerer Osten siehe Orient/Osten Mondovi - Bistum 469 Monte Faito 31 Montorella 706 Montserrat - Abtei Nossa Senhora do 438 Morgenland 201 Morimondo 767 Moskau 268 Mostar-Duvno und Trebinje-Mrkan - Bistum 54, 197,203 Mouffetard (Pariser Viertel) 398 München und Freising - Erzbistum 122, 392 Münster 34,140 - Bistum 144 Nagomij-Karabach 1068 Naher Osten siehe Orient/Osten Nairobi (Kenia) 79 Namibia 866-868 Nazaret 4 f., 10 f., 17-20,28 f., 36 f., 39,45, 52, 59, 68, 83,102,111, 121,125, 142,156, 184, 309, 317 f., 327 f., 366, 370,408,429,436,443-445, 559, 568, 619, 863, 870 1153 REGISTER Nebbi - Bistum 919 Neue Welt siehe Amerika Nevers - Bistum 822 Niederviehbach 70 Nigeria 77 Nijmegen 674 Nordirland 128 Norwegen 889, 893 - Nordnorwegen 893 Novara 530 - Bistum 530 Nowa Huta Stadtteil von Krakau 367 Nueva Segovia - Erzbistum 874 Nuoro 31 Ölberg 293 Österreich 37,70,73, 82, 86, 99,130, 140,177,264,470-473, 557 - Niederösterreich 470 - Oberösterreich 134 Olmütz [Olomouc] 239 -Erzbistum 218 Olomouc siehe Olmütz Omegna 530 Opole siehe Oppeln Oppeln [Opole] 262 Oran 477 - Bistum 869 Orawa 341 Orient/Osten 493, 642, 734, 976 - Ferner Osten 386 - Naher Osten 67, 69, 251 f., 477, 579,627, 629, 680 - Mittlerer Osten 491, 1068 f. - Vorderer 477,1069 Orleans 822 Ostrava-Opava -Bistum 218 Ostsee (Baltisches Meer) 61,80 Osttimor 469 Otranto - Kanal von 46 Ozeanien 675 Paderborn - Erzbistum 144 Padua 357 Palästina 35,251, 515,628 f., 680 Palermo 624 Pamplona - Erzbistum 897 Pannonien 61,232,294 Paris 41 f., 100,104,107,111-113, 116,118 f., 138,304,307 f., 357, 381-383, 386 f., 395 f., 398-400, 402,408,413-415,417 f., 526, 554 f., 558, 564, 620,653, 657, 668, 688,727, 730,744 f., 807, 826, 857 f., 860, 863,871,882 Passau - Bistum 126 Pavia 301, 767 Pazifik 386 Pecs (Ungarn) 358 Peremysl siehe Przemysl 1154 REGISTER Peru 35,578 Peuerbach 156 Philippinen 387, 564, 874 f., 877 f. Pienini 341 Pinsk - Bistum 924 Plock siehe Plozk Plozk 331 Plzeii (Pilsen in Böhmen) -Bistum 218 Podhale 328 f., 333 f., 336, 340 f. Podkarpacie 334 Polen 61 f., 77, 79-81, 95,122,130, 215,225,233 £, 257-260, 262, 264, 266,268,272,274,277 f., 282-289, 292-296, 300,302,304 f., 307 f., 311,313-317,319-321, 323, 325-327,329, 331 f., 334,339 £, 344-347,350,352-357,359,361,364 £, 367,370-375,377-379, 386, 526, 564, 705-707 - Großpolen 377 - Kleinpolen 377 Pommern 331 Port du Alet - Abtei Saint Benoit 95 Porto Alegre 433 Portugal 336,513 Posen [Poznan] 79,299, 302, 305, 307 £, 376 £ Poznan siehe Posen Prag 57,61-63, 80,215 £, 218,221, 226, 232-234,236-238, 240, 242, 286, 293 £, 296, 301, 323, 358 Preußen 61,353 Provence-Mediterranee siehe Frankreich Przemysl -Erzbistum 81,302,369,371 Puebla 787 Rakowicki Friedhof in Krakau 154 Regensburg 92,124 - Bistum 48, 63 Reggio Calabria-Bora - Bistum 64 Reims 835 Republik Österreich siehe Österreich Rieti - Bistum 469 Rio de Janeiro 119,124,126 £, 130 £, 138-140,142,149,429,431, 433,437,439 £, 445,484,665 £, 668, 688, 875 Rogoznica siehe Groß-Rosen Rom 12 £, 15,17,22,30,37,41 £, 48, 54, 60 £, 66, 68, 70, 73, 78 £, 85 £, 89, 99,103,124,126,134, 137 £, 141,143,148,151,153,161, 169,178,203,213,239,247,250, 254,294,300 £, 348,356,365, 375 £, 383, 386,413 £, 435 £, 440, 445,472,476,480,489 £, 497-500, 507, 518, 523, 525 £, 530 £, 536, 539, 542, 550-564, 570, 573, 588, 593,611-613,619,627,632,639, 642, 647, 657 £, 660 £, 673 £, 687, 706, 715, 730, 743, 745, 750, 758, 766, 769-773, 780,786, 800, 811, 823, 826, 851, 866, 869, 889, 896 £, 1041,1057 1155 REGISTER - Aventin 521 - Aventinhügel 232 - Bistum 56, 75, 169, 522 f., 525, 530 f., 542, 592 f., 799 f., 981 - Lateranbasilika 758 - Petersbasilika 165, 300, 719, 763, 794 - Petersplatz 50, 57, 64,178, 335, 513, 563 f., 603,715,717, 730 - Santa Maria Maggiore 779 - Spanischer Platz 779 - Stadt 82 - Tiberinsel 767 - Tor Vergata 639 - Via Ostiense 647 Rotes Meer 105,485, 575 Rreshen (Albanien) - Bistum 469 Ruanda 21,435,477,546,932 Ruhengeri (Ruanda) 21 Rumänien 469 Rundu - Apostolisches Vikariat 866 Rußland 304 Sachsen-Anhalt 63 Sacz 347 Saint-Denis - Bistum 857 Saloniki 225 Salvador do Bahia 436 Salzburg 160,470,471 - Sankt Peter, Erzabtei 470 Samarien 67,396 Sambia 287 San Cristöbal de las Casas (Mexiko) -Bistum 183 Sandomierz 347 Santiago de Compostela (Spanien) 386, 564,902 - Erzbistum 897 Santiago de Cuba - Erzbistum 678 Santo Domingo 666 f., 765 Säo Sebastiäo do Rio de Janeiro -Erzbistum 138 - Erzdiözesanseminar Säo Jose 438 Sarajevo [Vrhbosna] 53-55,57, 189 £, 192 f., 195-201,203,207 f., 212-214,578,716 - Erzbistum 193 Sardinien 31 Sarug 84 Schlesien 218,234 - Niederschlesien 285, 377 Schottland 878 f., 882 Schweden 99, 889, 893 Schweiz 130, 883 See Genesaret 303,305 Sens 738 Sevilla (Spanien) 79 Sibirien 286,293 Sidon 68,246,251 Sierra Leone 78,476 Sis 1067 Sixtinische Kapelle siehe Vatikan Skandinavien 889, 894, 896 Slowakei 80,234,274,328, 348, 375 f., 379 - Slowakische Republik 295 Slowenien 45,199 1156 REGISTER Seoul (Korea) 79 Sowjetunion 130, 386 Spanien 64,79, 95,386, 564,678, 897, 902-904 Spisz [Spis] - slowakisches Bistum 341 Spoleto 530 Spoleto-Norcia - Erzbistum 141 Sri Lanka 478 Stradom 347 Straßburg 674 Sudan 681, 914 f., 917 f. Südafrika siehe Afrika Südalbanien siehe Albanien SvatyKopecek 225 Swaziland 908, 913 Taiwan 575 Tarsos -Titelerzbistum 491 Tatra 329,332 Thessaloniki 236 Thom [Torun] 328 - Bistum 705 Tibü (Kolumbien) -Prälatur 169 Togo 469 Toledo (Spanien) - Erzbistum 903 Torrino 767 Torun siehe Thom Tours - Erzbistum 822 Trebinje-Mrkan 203 Trient 670 Trier - Bistum 45, 67 Trivolzio 767 Trocadero 389 Tromso 893 Tschechische Republik 57,61-63, 80, 95,215,217 f., 221,225,234, 241, 280, 348,379 Tschenstochau (Polen) 77,79,315, 317, 351,377,386, 564 -Erzbistum 319 -JasnaGöra 77 f., 315,317-321, 326, 564 Tunesien 868 Tunis 869 Tursi-Lagonegro -Bistum 141,700 Tyrus 68,246,251 Uganda 681,918-923 Ukraine 80,274,295,351,375 f., 379 Ungarn 45, 61, 80,232,295, 348, 351,375,379, 631,649 Unterhaching 77 Ural 82 Val di Sench 95 Valladolid 603 - Erzbistum 903 Valle d’Aosta siehe Aostatal 1157 REGISTER Vatikan 356,417, 573 f., 579, 612, 711,766,927 - Sixtinische Kapelle 9 -Vatikanbasilika 86,169 - Vatikanischer Hügel 647 - Vatikanstaat 573 - Vatikanstadt 612 Versailles - Bistum 857 Vietnam 675 Vilnius siehe Wilna Vorderer Orient siehe Orient/Osten Vrhbosna siehe Sarajevo Wädenswil 63 Walbrzych siehe Waldenburg Waldenburg [Walbrzych] 286 Wales 816, 818, 820 Warschau 57,264, 305, 315, 329 Wawel siehe Krakau Weißrußland 274, 351, 923 f., 926 Wielkie Oczy 374 Wielkopolska siehe Großpolen Wien 358 Wien-Döbling 58 Wilna [Vilnius] 351 Wincenty Pol siehe Koscieliska-Tal Windhoek - Erzbistum 866 f. Wolfsburg 56 Wroclaw siehe Breslau Würzburg 151 Wuppertal 34 Yamoussoukro (Elfenbeinküste) 93-95 Zaire 35, 60 f., All, 535, 546, 575, 927-933 Zakopane [Krzeptöwki] 77-79, 81, 327-329, 331,333-337,377 Zaragoza - Erzbistum 897 Zell 67 Zentralafrika siehe Afrika Zielona Göra-Gorzow siehe Landsberg an der Warthe Zürich 52 Zypern All 1158 REGISTER Zitierte Bibelstellen Das Buch Genesis u 163, 166 1,3 574 f. 1,28 441, 950 2,21-24 441 2,24 876 3,20 59 4,9 450 4,10 450 Das Buch Exodus 3,14 167 20,13 310 Das Buch Levitikus 19,18 197,209 19,34 1080 Das Buch Numeri 6,24-26 467 6,26 581 Das Buch Deuteronomium 6,5 197, 209 7,8-9 411 8,2 424 8,2.16 270 30,2-3 209 30,15-16 284 30,19 284 Das erste Buch Samuel 3,9 1083 16,7 174 Das Buch Ijob 19,25 530 19,27 530 42,5 753 Die Psalmen 8,5 273 21/22,2 564 23,1-4 267 23,7-8.10 509 27/26,8-9 409 f. 34,5 647 42,2 762 42,3 1080 45,11-12 439 47/46,8 842 51,4-6.13 521 51,12 521 f. 51[50],19 953 52,11 63 68,31b-33 805 84,4 366 84,5 367 88/89,2 374 89,2 342 95/96,1 367 97/98,3 273, 796 97/98,4 797 98/97,4 603 103,3-4.10 455 104,29-30 164 116,12 626 116/117 491 116/117,1-2 487 117/118,26 594 118,23 915 122,1 365 122,6 580 126,2-3 296 136 209 144/145,15 270 145,2-4 285 as Hohelied 1,4 739 as Buch der Weisheit 7,7 702 9,17 345 11,26 751 1159 REGISTER Das Buch Jesaja 60,3 734 7,14 174 9,5 794 21,11 224 25,6 487 29,17 254 49,15 454, 914 52,7 400 53,4 229 60,3 5 61,1 370 61,1-2 370, 568 65,17-18 164 Das Buch Jeremia 3,15 667 33,14 773 Das Buch Ezechiel 36,24.26 265 36,24-28 404 Das Buch Daniel 10,21 763 Das Buch Joel 2,12 522 Das Buch Micha 6,8 579 Das Evangelium nach Matthäus 1,1 4 2,13 309 4,4 693 5,3 703 5,7 343 5,9 197,211 5,13.14 86 5,16 810 5,23-24 634 5,48 121 6,12 455 7,7 30 7,14 821 8,20 520 9,37 925 9,38 613 10,28 291,611 10,32-33 693 11,25 723, 736 11,28 514,914 11,29 914 14,27 303 f. 14,28 303 14,30 303 14,31 303, 306 15,24-26 29 16,15 646 16,16 260, 646 16,17-18 333 16,18 646 16,19 334, 646 18,3-5 455 18,20 100, 558 19,4-5 139 19,4-6 438 19,8 438 19,14 950 19,21 321,554,614 20,25-26 346 20,28 430 21,5 563 21,9 563 21,10-11 563 23,10-12 372 25,31 516 25,35 520 25,36 23 25,40 282, 363, 516 25,45 282 28,10 72 28,18-20 344 28,19 323, 345, 353,400, 473 f. 28,19 f. 6, 732 28,19-20 734, 784 28,20 168,420, 666, 732 1160 REGISTER Das Evangelium nach Markus 1,7-8 474 1,10 9 Ul 9,474 1,15 24 f., 336, 514, 672 2,19 180 2,20 180 4,11 179 8,31 48 8,35 228, 559 8,36 291 9,7 27 9,37 1079 10,2-9 979 10,5-9 441 10,14 337 10,17 615, 700, 768 10,18 703 10,19 700 10,20 700 10,21 768 10,21-22 700 10,27 702 10,45 181,570,912 10,47 5 11,9-10 563 13,31 17,167, 764 14,14 422 14,22.24 625 15,39 551 16,6 45 16,6-7 551,576 16,15 113,488 16,15.16 732 16,16 488 16,19 98 as Evangelium nach Lukas 1,28 174,317 1,28.42 275 1,30-31 317 1,31 465 1,34 317 1,35 317,512 1,38 125,317, 562 1,39 784 1,42 280, 668 1,42.45 142 1,45 27, 121, 160, 182, 327 1,46 279 1,46-47 280 2,7 175, 794 2,10-11 794 2,14 468, 795 2,19 18,125 2,23 508 2,24 508 2,25-26 510 2,29-30 510 2,29-32 510 2,32 298, 507, 508 2,34 7, 17 2,34-35 510 2,35 7 2,36-37 510 2,37 8 2,38 8f., 510 2,40 18 2,46 11 2,47 11 2,48 11 2,49 11, 19 2,50 11 2,51 12 2,52 18 3,2 173 3,3 9 3,4-5 173 4,18 731 4,22 36 4,29-30 36 4,43 731 6,19 23 8,21 36 9,23 24 9,51 37 10,2 667 1161 REGISTER 10,16 318, 673 10,23-24 179 10,27 396 10,29 396 10,33 396 11,9 30 11,28 111, 125 12,32 893 17,21 893 19,37-38 180 19,44 180 21,36 770 22,32 86,258, 823 23,34 48,455 23,46 48, 572 24,19 17 24,29 561 24,36 197 24,46.48 196 Das Evangelium nach Johannes 1,1 32, 166, 170 1,4 575 1,5. 180 1,5.11 183 1,9 619, 891 1,14 170, 175,512, 798 1,16 66 1,18 74 1,29 547, 571 1,36 408 1,38 42, 408, 615, 858 1,38 f. 107,117 1,38-39 688 1,39 408, 826 1,41 562 1,46 42 2,1 28 2,2 28 2,3 28 2,4 28 f. 2,5 29, 514, 633, 674 2,7 29 2,11 28, 33, 147 2,12 36 2,16 30 2,18 758 2,19 31,758 2,22 758 3,2 404 3,3 404 3,4 405 3,5 405, 575, 760 3,5-6 405 3,14 345 3,16 34, 82, 330, 345 4,7-8 397 4,14 672 4,23 146 5,2 31 6,25 261 6,26-27 260 6,28 260 6,29 260 6,30-31 261 6,32-33 171,261 6,32-58 66 6,34 261 6,35 260 6,35.55-56 261 6,51 269, 626 6,53-56 270 6,54 175,261 6,56 290 6,57 270 6,67-68 408 6,68 260, 408,418, 849, 904 7,37-38 171 7,37-39 622 7,39 66 8,12 588 8,31-32 552, 659 8,32 731 8,36 167 8,56 171 8,58 167 10,10 692 1162 REGISTER 10,11 10.14 10.14- 15 10.15 10.15- 16 10,17-18 10,36 11.25 11,52 11,52b 12,21 12,23-26 12.25 12.26 12.32 12,48 13,1 13.6.8 13.13- 15 13.15 13,35 14,6 14.9 14.16 14.17 14.18 14,23 14.27 15,5 15.9 15,9.14 15.11 15.12 15.13 15.13- 15 15,16 15,26-27 16.28 16.33 17 17.8 17,12 17,20-21 303 57,232,235, 592 f. 532 593 235 593 512, 592 323 153 129, 694 14 38 694 294 294 38, 695 66 262,267, 272, 570, 627 390 570 388 562, 1082 408,418, 591,749,882 180 76 66 732 74 208 693 603 606 603 65, 603 570 545 323, 523, 545, 605 825 176 918 267 66 906 263 17,21 108,267,490,512, 649 17,22-23 263 17,23 263 17,24 761 18,37 547 19,25 47 19,26 102, 132, 326 19,26.27 142 19,26-27 58, 65, 337 19,28 59, 733 19,33-34 328 19,35-37 329 19,37 328, 569 20,19.21 49 20,21 226, 857, 895 20,22-23 67, 70,224,227, 943 20,23 49 20,25 688 20,28 146 ie Apostelgeschichte 1,1 251 1,4-5.8 294 1,8 67,252, 324, 708 1,14 67,75,102 2,42 817 3,6 645 3,13 195 4,12 465,731 4,32 817 7,55 183 10,41 72 12,4 647 15 1057 17,28 290, 881 22,14 488 22,14-16 488 Der Brief an die Römer U 1014 1,7 650, 805 1,16 553 5,5 676, 836, 933 5,10 82,634 1163 REGISTER 6,3-4 405, 575 6,5-11 406 6,8-9 576 7,6 676 8,5 908 8,29 109, 749, 883 8,32 288 8,35 .287 8,35.38-39 292 8,37 288 10,8 874 10,13 731 10,14 1083 10,15 1083 11,32 747 11,33 747 12,1 f. 112 12,2 326 12,4-5 894 15,13 307 16,16 207 Der erste Brief an die Korinther 1,4.8 914 1,9 823 1,10 194 1,18-23 410 2,12.13 718 3,9 51 3,11 758 3,16 281,758 3,17 759 4,1 913 4,1-2 524 9,16 323,694, 731 f. 9,22-23 531 10,4 171 11,23 663 11,23-25 43 11,23-26 269 11,24-25 625 12,4-6 601 12,7 894 12,12 858 12,13 10 12,26 490 15,3 708 15,6 72 15,20 761 Der zweite Brief an die Korinther 1,3 883 4,1.5 823 4,7 38 5,14 678 5,18 14, 634, 919 5,18b 14 5,19b 14 5,20 12, 550 5,20-21 521 6,2 522 6,4-6 192 11,28 489,816 12,9 915 13,13 633 Der Brief an die Galater 1,15 f. 488 2 1057 2,5 909 2,14 877 3,28 407 4,4 142, 798 4,4-5 466 4,6 466 5,1 79,271 f„ 278 5,6 327 5,13 272 Der Brief an die Epheser 1,3-4 321 1,4 600 1,10 840 1,18 374 2,4 421, 844, 881 2,14 191 f. 2,19 915 3,8 323,750 3,8-9 332 1164 REGISTER 3,10-12 332 3,14-15 330 4,3 818 4,3-4 675 4,5 675,1012 4,12 205, 883 4,13 652, 695 4,15 549 5,25 324 5,25-27 120 5,27 506 5,32 312 11,4 443 er Brief an die Philipper 1,5 224 1,27-28 299 2,6-11 564 2,7 1014, 1085 2,8 571 2,11 1076 3,20 520 4,4 178 er Brief an die Kolosser 1,2b 419 1,5 422 1,5-6 419 1,15 27 1,17 820 1,19 147 1,24 233 2,6-7 233 2,17 106 3,3 20 3,13 206 3,14 206 4,2 706 er erste Brief an die Thessalonicher 3,12 771 3,13 772 4,1 772 5,17 706 Der zweite Brief an die Thessalonicher 3,16 208 Der erste Brief an Timotheus 2,1 136 2,4 205, 733 2,5 851 2,5-6 135 Der zweite Brief an Timotheus 2,9 909 4,1-2 372 4,1-5 1030 4,2 880, 884 4,5 372 4,6-7 648 4,17 647 Der Brief an Titus 1,1-2 205 2,11 795 2,13-14 795 3,4 321 Der Brief an die Hebräer U 465 1,1-2 17, 561 1,3 545 2,14 509 4,12 701 5,4 821 5,7 515 6,5 589 7,25 133 8,5 106 9,11-12.15 425 9,11-15 544 9,12 167, 626 9,14 425 10,7 176 10,10 543 10,12 764 10,14 764 12,1-2 1085 13,8 258, 299,316,352,378, 425, 470, 666, 826, 879 1165 REGISTER Der Brief des Jakobus 2.14 3.2 Der erste Brief des Petrus 1.3 2,5 2.9 3,15-16 4.10 4,13-14 5,2-3 5.3 5.14 556 120 878 126 194 556 676 252 203 889,908 322 191, Der zweite Brief des Petrus 1,10 383, 900 er erste Brief des Johannes 1,1 836 1,3 610 2,1 133, 195 2,1-2 195 3,1 309,312 3,2 313,688 3,17-18 1081 3,18 347 f. 4,7 396 4,8 74 4,10 397 4,11 397 4,12-13 397 4,18 342 4,20-21 282 5,4 369 er dritte Brief des Johannes 5-6 239 8 237 ie Offenbarung des Johannes 1,4 878 1,5-6 569 1,7 569 1,8 569 1,17-18 325 2,7 2,7 ff. 2,10 3,12 12,1 21,5 824, 898 78 325 228 618 883, 1082