Der Apostolische Stuhl 1998 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J.P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982-1994; 1998 — NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1461-6 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der hier vorgelegte Dokumentenband „Der Apostolische Stuhl 1998“ ist der 14. Band in der 1982 begonnenen Reihe und wurde aus Aktualitätsgründen vorgezogen. Die Dokumentationsbände „Der Apostolische Stuhl 1995-1997“ sind noch nicht erschienen, werden aber zur Zeit für den Druck bearbeitet und dann nach einander ausgeliefert. Die Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Botschaften und Enzykliken des Papstes sowie Erklärungen der Kongregationen und Päpstlichen Räte erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit aller Dokumente. Die einzelnen Texte sind der deutschen Ausgabe des „L'Osservatore Romano“ entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Mit der Herausgabe der hier vorgelegten Texte ist auch keine wissenschaftliche Edition beabsichtigt. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe ausführlicher Register zu erschließen, die dem Benutzer einen schnellen Zugriff zu den gesuchten Texten ermöglichen. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Bände der Jahre 1982 bis 1994 beim Verlag J.B. Bachem in Köln oder beim örtlichen Buchhandel bezogen werden. Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Aufbau einer „Familie der Nationen“ Angelus am Neujahrstag 1998 3 Gemeinsamer Einsatz für Solidarität und Frieden -Absage an jede Form von Gewalt Angelus am 4. Januar 4 Neue Bischöfe sind Zeugen Christi bis an die Grenzen der Erde Angelus am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 5 Mit dem Geschenk des Lebens wächst das Wunder des Glaubens Angelus am 11. Januar 6 Das Geheimnis der Stunde Jesu Generalaudienz am 14. Januar 7 Zwanzig neue Kardinäle ernannt Angelus zu Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen am 18. Januar 10 Eine erste Bilanz der Pastoraireise nach Kuba Generalaudienz am 28. Januar 12 Februar Dienst und Einsatz für das Leben verstärken Angelus am 1. Februar 15 Christus - der einzige Erlöser Generalaudienz am 4. Februar 16 Licht der Hoffnung auch in der Nacht des Leidens Angelus am 8. Februar 19 In Solidarität und Hoffnung Generalaudienz am Welttag der Kranken, 11. Februar 20 Die heiligen Cyrill und Method als Vorbilder im ökumenischen Dialog in Europa Angelus am 15. Februar 22 vn Das vollkommene Heil Generalaudienz am 18. Februar 23 Petrusamt - Mittelpunkt der Einheit Angelus am Fest der Kathedra des hl. Petrus, 22. Februar 26 Im Zeichen der Asche Generalaudienz am Aschermittwoch, 25. Februar 28 März Dank für Bagdader Abkommen Angelus am 1. März 30 Dem „Genius der Frau“ Wirkung verschaffen! Angelus am 8. März 32 Die Verwirklichung des Heils in der Geschichte Generalaudienz am 11. März 33 Neue Selige lebten ihren Glauben in marianischer Gesinnung Angelus am 15. März 35 Der Glaube an Christus Generalaudienz am 18. März 36 Eine erste Bilanz der Pastoraireise nach Nigeria Generalaudienz am 25. März 39 Geschenke durch Erlöst-Sein - Vergebung und Versöhung Angelus am 29. März 42 April Die Taufe - Grundlage christlicher Existenz Generalaudienz am 1. April 43 Christi Kreuz - Sinngebung für Leben und Tod Angelus am Palmsonntag, 5. April 45 Den Weg zum Heil weist allein das Kreuz Generalaudienz am Mittwoch in der Karwoche, 8. April 47 Den Auferstandenen durch das eigene Lebenszeugnis verkünden! Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 13. April 49 Die eine Taufe der Gemeinschaft der Chrsiten Generalaudienz am 15. April 51 Hilfeaufruf für Nordkorea Regina Caeli am 19. April 53 VIII Die endgültige Wiederkunft Christi Generalaudienz am 22. April 54 Wirken für eine neue Blütezeit des Evangeliums in Asien! Regina Caeli am 26. April 56 Maria, die Mutter Generalaudienz am 29. April 58 Mai Maria - ein Vorbild für jede Berufung Regina Caeli am 3. Mai 60 Maria, Vorbild und Wegleiterin im Glauben Generalaudienz am 6. Mai 62 Die neuen Seligen - Vorbilder für unser Leben Regina Caeli am 10. Mai 64 Der Heilige Geist im Alten Testament Generalaudienz am 13. Mai 66 Der Geist führt das Volk auf seiner Pilgerfahrt Regina Caeli am 17. Mai 69 Der Heilige Geist im Neuen Testament Generalaudienz am 20. Mai 70 Der Heilige Geist bei der Menschwerdung Generalaudienz am 27. Mai 72 Geistlicher Auftrag und pfingstliche Sendung der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften Regina Caeli am Pfingstsonntag, 31. Mai 75 Juni Der Heilige Geist bei der Taufe und im öffentlichen Wirken Jesu General audienz am 3. Juni 76 Gemeinsamer Einsatz im Kampf gegen Drogen Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 7. Juni 79 Das Ostermysterium - Grundlage des Geschenks des Heiligen Geistes Generalaudienz am 10. Juni 81 Fronleichnamsprozession - Zeichen für den Weg Christi durch Raum und Zeit Angelus am 14. Juni 83 IX Pfingsten: Ausgießung des Geistes Generalaudienz am 17. Juni 85 Rückblick auf den Pastoralbesuch in Österreich Generalaudienz am 24. Juni 88 Fortschritt im lutherisch-katholischen Dialog Angelus am 28. Juni 90 Bedeutung Roms in der Sendung der Kirche Angelus am Hochfest der hll. Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni 91 Juli Der Heilige Geist - Hauptperson für die Evangelisierung Generalaudienz am 1. Juli 93 Den Sonntag als Tag des Herrn wiederentdecken! Angelus am 5. Juli 95 Der Heilige Geist - Seele der Kirche Generalaudienz am 8. Juli 97 Sendung des Geistes ist Auftrag zur Heiligung Generalaudienz am 22. Juli 99 Den Sonntag als Fest und Tag des Glaubens erfahren! Angelus in Castel Gandolfo am 26. Juli 102 Der Heilige Geist - Quelle der Gemeinschaft Generalaudienz am 29. Juli 103 August Maria - Mutter der Kirche Angelus in Castel Gandolfo am 2. August 106 Der Heilige Geist - Quelle von Charismen und Diensten Generalaudienz am 5. August 108 Feier der Sonntagsmesse - Zeichen für Kirche als Sakrament der Einheit Angelus in Castel Gandolfo am 9. August 110 Der Geist wirkt über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus Generalaudienz am 12. August 112 Licht der ewigen Herrlichkeit ist auch Licht der Gegenwart Angelus in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 114 X Sonntag - ein Tag der Solidarität und der Gemeinschaft Angelus in Castel Gandolfo am 16. August 116 Der Geist und die Geburtswehen der Schöpfung Generalaudienz am 19. August 117 Sonntag - Verweis auf Christus als Sinn der Geschichte Angelus in Castel Gandolfo am 23. August 120 Die Begegnung des Menschen mit Gott durch die Anregung des Geistes Generalaudienz am 26. August 121 Christsein - Immer auf dem Weg der Nachfolge des Herrn Angelus in Castel Gandolfo am 30. August 124 September Der Heilige Geist - Quelle der wahren Freiheit Generalaudienz am 2. September 125 Lebensprogramme nicht ohne den Menschen entwickeln! Angelus in Castel Gandolfo am 6. September 128 Der Geist Gottes und die „Saatkörner der Wahrheit“ in den nichtchristlichen Religionen Generalaudienz am 9. September 129 Die Schule als Grundrecht Angelus am 13. September 131 Der Geist und die „Saatkörner der Wahrheit“ im menschlichen Denken Generalaudienz am 16. September 133 Der Geist und die Zeichen der Zeit Generalaudienz am 23. September 135 Eine Kultur und Politik der Solidarität fördern Angelus in Castel Gandolfo am 27. September 138 Die Firmung - Vollendung der Tauf gnade Generalaudienz am 30. September 139 Oktober Eine Pilgerreise im Zeichen des Zeugnisses Generalaudienz am 7. Oktober 142 Krippe und Kreuz gehören zusammen Angelus nach der Heiligsprechung von Edith Stein am 11. Oktober 145 XI Das „Siegel des Geistes“ und das Zeugnis bis zum Martyrium Generalaudienz am 14. Oktober 146 Glaube und Vernunft bei der Suche nach Wahrheit und Lebenssinn Angelus am 18. Oktober 148 Das Leben im Geist Generalaudienz am 21. Oktober 149 Halt und Trost im täglichen Rosenkranzgebet finden Angelus nach den Seligsprechungen am 25. Oktober 152 Der lebendigmachende Geist und der Sieg über den Tod Generalaudienz am 28. Oktober 153 November Im Zeichen von Allerheiligen und Allerseelen Angelus am Allerheiligentag, 1. November 156 Der Geist und die Auferstehung des überirdischen Leibes (vgl. 1 Kor 15,44) Generalaudienz am 4. November 157 Emtedanktag ist auch Verpflichtung Angelus am 8. November 161 Der Geist und die Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt (vgl. Röm 5,5) Generalaudienz am 11. November 162 Kultureller Vielfalt in Gesellschaft und Politik durch dialogisches Handeln Rechnung tragen Angelus am 15. November 165 Zeichen der Hoffnung in unserer Zeit Generalaudienz am 18. November 166 Jesus Christus - Herr und Erlöser auch unserer Zeit Angelus am Christkönigssonntag, 22. November 169 Zeichen der Hoffnung in der Kirche Generalaudienz am 25. November 170 Erlöstes Universum geht seiner Vollendung entgegen Angelus am Ersten Adventssonntag, 29. November 173 Dezember Die Hoffnung - Erwartung und Vorbereitung des Reiches Gottes Generalaudienz am 2. Dezember 175 XII Suche nach Antworten auf entscheidende Fragen Angelus am Zweiten Adventssonntag, 6. Dezember 177 Maria nimmt den Weg der Erlösten vorweg Angelus am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 178 Maria - vom Heiligen Geist geleitete Mutter Generalaudienz am 9. Dezember 179 Suche nach der Wahrheit ist Suche nach Gott Angelus am Dritten Adventssonntag, 13. Dezember 182 Vom Vater zum Vater Generalaudienz am 16. Dezember 184 Auch an Weihnachten ist das Leid nicht auszublenden Angelus am Vierten Adventssonntag, 20. Dezember 186 Gottes Bundesschluß mit den Menschen Generalaudienz am 23. Dezember 187 Zeugnis geben für das menschgewordene Wort Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember 188 Nur eine Gesellschaft von Familien hat Zukunft Angelus in Gastei Gandolfo am Fest der Heiligen Familie, 27. Dezember 189 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoralbesuch im mittelitalienischen Erdbebengebiet (3. Januar) Samstag, 3. Januar Auszüge aus der Ansprache an die Bevölkerung von Annifo 193 Ansprache an die Bevölkerung von Cesi 194 Ansprache an die Bewohner von Assisi 196 2. Pastoraireise nach Kuba (21. bis 26. Januar) Mittwoch, 21. Januar Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Havanna 200 Donnerstag, 22. Januar Predigt bei der Eucharistiefeier im Kulturinstitut für Leibeserziehung ,Manuel Fajardo” in Santa Clara 202 XIII Freitag, 23. Januar Botschaft an die kubanischen Jugendlichen 207 Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Plaza Ignacio Agramonte in Camagüey 213 Ansprache bei der Begegnung mit der Kulturwelt in der Universität von Havanna 216 Samstag, 24. Januar Predigt bei der heiligen Messe in Santiago de Cuba mit Krönung des Bildes Unserer Lieben Frau von El Cobre 220 Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken in El Rincon 225 Sonntag, 25. Januar Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Plaza Jose Marti in Havanna 229 Angelus in Havanna 233 Botschaft zur der ökumenischen Begegnung in der Apostolischen Nuntiatur 234 Ansprache bei der Begegnung mit Klerus, Ordensleuten, Seminaristen und für die Kirche tätigen Laien in der Metropolitankathedrale von Havanna 237 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen Kubas in der Erzbischöflichen Residenz von Havanna 240 Ansprache beim Abschied am Flughafen von Havanna 247 3. Pastoraireise nach Nigeria (21. bis 23. März) Samstag, 21. März Ansprache bei der Ankunft in Abuja 250 Gruß wort bei der Begegnung mit der Bauleitung und den Arbeitern beim Neubau der Nuntiatur in Abuja 252 Sonntag, 22. März Ansprache beim Treffen mit den Vertretern der Muslimführer in Abuja 252 Angelus in Onitsha 255 Predigt bei der Seligsprechung von P. Cyprian Tansi 255 Montag, 23. März Predigt bei der Eucharistiefeier in Abuja 260 Ansprache bei der Begegnung mit den nigerianischen Bischöfen 264 Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen „Nnamdi Azikiwe” von Abuja ...269 XIV 4. Pastoralbesuch in Vercelli und Turin (23724. Mai) Samstag, 23. Mai Predigt bei der Seligsprechung von Don Secondo Polio in der Kathedrale von Vercelli 272 Sonntag, 24. Mai Predigt bei der Seligsprechung von Teresa Bracco, Giovanni Maria Boccardo, Teresa Grillo Michel 275 Regina Caeli in Turin 279 Ansprache beim Besuch des Turiner Grabtuches 280 5. Pastoralbesuch in Österreich (19. bis 21. Juni) Freitag, 19. Juni Ansprache bei der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen von Salzburg 284 Predigt bei der Eucharistiefeier im Dom zu Sankt Rupert und Virgil in Salzburg 285 Grußwort an die Vertreter der Ökumene in Österreich am Schluss der Eucharistiefeier in Salzburg 290 Samstag, 20. Juni Ansprache an die Staatsautoritäten und das Diplomatische Korps in der Hofburg in Wien 291 Predigt bei der Eucharistiefeier am Landhauspark in Sankt Pölten 295 Sonntag, 21. Juni Predigt bei der Seligsprechung auf dem Heldenplatz in Wien 299 Angelus nach der Seligsprechung auf dem Heldenplatz in Wien 303 Ansprache bei der Begegnung mit der Österreichischen Bischofskonferenz in Wien 304 Botschaft an alle Kranken und alle, die in der Welt der Krankheit und des Leidens leben und arbeiten beim Besuch des Hospizes Rennweg in Wien 310 Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen Schwechat in Wien 315 6. Kurzferien in den Alpen (8. bis 22. Juli) Sonntag, 12. Juli Angelus in Lorenzago di Cadore 318 XV Sonntag, 19. Juli Angelus in Bomo im Val Camonica 320 7. Pastoralbesuch in Brescia (20. September) Sonntag, 20. September Angelus in Brescia 322 Predigt zum Abschluß der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Papst Paul VI. und zur Seligsprechung von Giuseppe Tovini ; 323 Ansprache an die Vertreter der Familien- und Schulpastoral in der Kathedrale von Brescia 327 8. Pastoralbesuch in Kroatien (2. bis 4. Oktober) Freitag, 2. Oktober Ansprache an die Bevölkerung von Zagreb 331 Samstag, 3. Oktober Botschaft zur Begegnung mit Vertretern aus Kultur und Wissenschaft in der Apostolischen Nuntiatur in Zagreb 334 Predigt bei der Seligsprechung von Kardinal Alojzije Stepinac in Marija Bistrica 338 Sonntag, 4. Oktober Ansprache bei der Begegnung mit der Kroatischen Bischofskonferenz in Split 341 Ansprache im Sanktuarium der „Muttergottes von der Insel” in Solin beim Treffen mit Katecheten und Vertretern kirchlicher Bewegungen 346 Predigt bei der Eucharistiefeier in „Znjan”-Split 349 Angelus in Split 353 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Aus der Gerechtigkeit des einzelnen erwächst der Frieden für alle Botschaft vom 8. Dezember 1997 zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1998 357 Förderung der Gerechtigkeit und Aufbau des Friedens gehören zusammen Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 365 XVI Diener Christi - Träger des Lichtes der Welt Predigt bei der Bischofsweihe am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 368 Bereitschaft zum Dienst an Kirche und Volk in Rumänien Ansprache bei der Sonderaudienz zum 60jährigen Bestehen des Päpstlichen Rumänischen Kollegs in Rom am 9. Januar 370 Gemeinsam dem Leben einen Sinn geben und nicht Verrat an der Menschlichkeit üben! Ansprache beim Empfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 10. Januar 372 Evangelium vom Leben: Bekenntnis - Hilfeleistung - Zuwendung Brief an die deutschen Bischöfe vom 11. Januar 379 Das Sakrament der Taufe - persönliches Geschenk und gemeinsame Verpflichtung des Glaubens Predigt bei der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle am Fest der Taufe des Herrn, 11. Januar 384 Historische und kulturelle Vielfalt belebt die Stadt auch heute Grußwort an die römische Bevölkerung beim Besuch auf dem Kapitol am 15. Januar 386 Rom - Hüterin von Glaube, Kultur und Menschlichkeit Ansprache an die römische Stadtverwaltung beim Besuch auf dem Kapitol am 15. Januar 387 Bedeutung der Katakomben für das Heilige Jahr Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für sakrale Archäologie am 16. Januar 391 Erkenntnis der Humanwissenschaften im Licht der Offenbarung, der Tradition und des Lehramtes bewerten Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Rota Romana am 17. Januar 394 Februar Brennende Kerzen - Zeichen der Hingabe und wegweisendes Licht für Suchende Predigt am Fest der Darstellung des Herrn im Tempel (2. Welttag des Geweihten Lebens), 2. Februar 398 Ein Leben im Dienst an der Jugend und den Laien Predigt bei den Exequien für Eduardo Francisco Kardinal Pironio am 7. Februar 401 XVII Heil der Kranken - Trösterin der Betrübten Botschaft vom 29. Juni 1997 zum Welttag der Kranken am 11. Februar 1998 404 Soziale Dimension der Freundschaft mit Gott neu gestalten! Ansprache bei der Audienz zum Abschluss des Zweiten Treffens des Zentralkomitees für das Jubeljahr mit den Delegierten der Episkopate am 12. Februar 410 Petrinisches und marianisches Profil der Kirche ergänzen sich Botschaft an die zum 21. geistlichen Treffen in Castel Gandolfo versammelten Bischöfe der Bewegung „Fokolare der Einheit” vom 14. Februar 413 Fachliche und persönliche Vorbereitung für das Große Jubiläumsjahr Ansprache an die Mitarbeiter der Polizeidienststelle beim Vatikan am 14. Februar 415 Die wiedergefundene Brüderlichkeit unter den Christen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen am 19. Februar 416 Ökumenismus des Lebens und des Gebets Ansprache an das gemeinsame Komitee des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen und der Konferenz der Europäischen Kirchen am 20. Februar 419 Ganzheitliche Gesundheitsförderung der Frau gefordert Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Konferenz zum Thema „Women’s Health Issues” am 20. Februar 421 Öffentliches Konsistorium auf dem Petersplatz -ein bewegendes Ereignis sichtbarer Weltkirche Ansprache am 21. Februar 424 Die neuen Kardinale - Repräsentanten geistlichen Reichtums und verschiedener Charismen der Kirche Predigt bei der Übergabe des Ringes an die Kardinale am Fest der Kathedra des hl. Petras, 22. Februar 427 Das menschliche Genom: die Persönlichkeit des Menschen und die Gesellschaft der Zukunft Ansprache an die Päpstliche Akademie für das Leben am 24. Februar 430 Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, denn ich war arm, ausgestoßen,... und ihr habt mich aufgenommen! Botschaft vom 9. September 1997 für die Fastenzeit 1998 433 xvm Buße vermittelt neue Perspektiven des Lebens Predigt am Aschermittwoch, 25. Februar 436 Wege für das Wirken des Heiligen Geistes eröffnen! Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom am 26. Februar 438 Forschung für die Entwicklung von Methoden natürlicher Fruchtbarkeitsregelung Botschaft an Frau Professor Anna Cappella, Leiterin des Studien- und Forschungszentrums für natürliche Fruchtbarkeitsregelung vom 27. Februar 442 März Bewegung geistiger Erneuerung für Europa und die Welt Botschaft an die zisterziensische Familie zur 900-Jahr-Feier der Gründung der Abtei Citeaux vom 6. März 444 In der Kraft des Heiligen Geistes Christus verkünden Dankesworte beim Abschluß der Exerzitien im Vatikan am 7. März 448 Menschliche Sehnsucht nach Heilung für Leib und Seele Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 9. März 449 Schreiben an Kardinal Cassidy, Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden, anlässlich der Veröffentlichung des Dokumentes Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah vom 12. März 453 Der Heilige Geist ist Mittler und Vermittler des geistlichen Amtes Ansprache an die in den vergangenen fünf Jahren ernannten europäischen Bischöfe am 13. März 454 Vorbilder eines wagemutigen Glaubens Predigt bei der Seligsprechung von Vinzenz Eugen Bossilkov, Brigida Morello und Carmen Salles y Barangueras am 15. März 456 Gott in Christus ist das Heil der sündigen Welt - Priester sind Sendboten des göttlichen Offenbarungsglaubens Ansprache bei der Sonderaudienz für die Regenten und Direktoren der Priesterseminare im deutschsprachigen Raum am 17. März 459 Bischöfe sind in den Dienst des Erlösers gestellt Predigt bei der Bischofsweihe der Prälaten James Harvey, Stanislaw Dziwisz und Piero Marini am Hochfest des hl. Josef, 19. März 461 XIX Gegenseitiges Verstehen fördern Grußwort bei der Audienz für das Internationale Katholisch-Jüdische Verbindnungskomitee am 26. März 463 April Mit Christus wird das Holz des Kreuzes zum Baum des Lebens Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen der Diözese Rom auf dem Platz vor der Lateranbasilika am 2. April 464 „Der Heilige Geist wird euch alles lehren“ (vgl. Joh 14,26) Botschaft vom 30. November 1997 an die Jugendlichen der Welt zum 13. Weltjugendtag am Palmsonntag 1998, 5. April 467 Die Jugend der Kirche ist durch das Kreuz verbunden Predigt bei der Palmsonntagsliturgie auf dem Petersplatz am 5. April 473 Priester-Sein im Geiste Christi Schreiben vom 25. März an die Priester zum Gründonnerstag 1998, 9. April 475 Salbung - Zeichen der Segensfülle und der Verfügbarkeit Predigt bei der Chrisam-Messe am Gründonnerstag, 9. April 485 Eucharistie - formgebende Kraft der Kirche in Geschichte und Gegenwart Predigt bei der Abensmahlsmesse am Gründonnerstag, 9. April 487 Im Kreuz ist Heil und Hoffnung für alle Ansprache nach dem Kreuzweg am 10. April 489 Von der Knechtschaft zum Leben Predigt bei der Feier der Ostemacht am Karsamstag, 11. April 491 Christus eröffnet neue Horizonte der Solidarität in der Welt Botschaft vor dem Segen Urbiet Orbi am Ostersonntag, 12. April 493 Reifen und Wachsen in Ehe und Familie Ansprache an die Mitglieder des Schönstatt-Familienbundes am 17. April 495 Neue Kapitel christlichen Zeugnisses in jedem Teil der Welt schreiben! Predigt bei der Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien am 19. April 496 Ein überzeugendes Leben im Dienst der Kirche Predigt bei den Exequien für Alberto Kardinal Bovone am 20. April 500 Die Botschaft des Evangeliums muss alle Lebensbereiche umfassen Ansprache an die Päpstliche Akademie für Sozialwissenschaften am 23. April 503 XX 504 Todesurteile nicht vollstrecken Telegramm an den Präsidenten der Republik Ruanda, Pasteur Bizimungu, vom 23. April Mai Hochschulseelsorge - anspruchsvolle geistliche Orientierungshilfe Ansprache an den Europäischen Kongress der Universitätsseelsorger am 1. Mai 505 Der Hirt setzt sein Leben ein Predigt bei den Priesterweihen am 3. Mai 508 Der Geist und die Braut... sagen: Komm! (Offb 22,17) Botschaft vom 24. September 1997 zum 35. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Sonntag der Osterzeit 1998, 3. Mai 510 Großer Schmerz über unfassbare Nachricht Telegramm an die Eltern des mit seiner Ehefrau ermordeten Kommandanten der Schweizergarde vom 6. Mai 516 Würdigung der Blutzeugen für die Kirche Predigt bei den Seligsprechungen am 10. Mai 516 Früchte der Wirkkraft des Heiligen Geistes in Asien Predigt bei der Eucharistischen Konzelebration zum Abschluss der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien am 14. Mai 520 Jedes Apostolat ist der Einheit von Orts- und Weltkirche verpflichtet Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Societä San Paolo am 15. Mai 524 Ad tuend am fidem Als Motu Proprio erlassenes Apostolisches Schreiben durch das einige Normen in den Codex Iuris Canonici und in den Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium eingefügt werden, vom 18. Mai 528 Das Zeugnis gelebter Nächstenliebe verstärken Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels des Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung (Don Orione) am 18. Mai 531 Apostolos suos Apostolisches Schreiben, als Motu Proprio erlassen, über die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen vom 21. Mai 534 Ohne Anerkennung des Rechts auf Leben gibt es keinen Fortschritt Ansprache bei der Sonderaudienz für die „Bewegung für das Leben“ am 22. Mai 549 XXI In der Kraft des Heiligen Geistes die Hoffnung vermitteln Botschaft vom 24. Januar 1998 zum 32. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 24. Mai 552 Institutioneile und charismatische Dimensionen gehören zum Wesen der Kirche Botschaft an den Weltkongreß der kirchlichen Bewegungen vom 27. Mai 554 Jedes Charisma ist der ganzen Kirche geschenkt! Ansprache bei der Begegnung mit den kirchlichen Bewegungen am 30. Mai 558 Dies Domini Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, den Klerus, die Ordensleute und an die Gläubigen über die Heiligung des Sonntags vom 31. Mai 562 Auf dem Weg zum Jahre 2000 - ein neuer missionarischer Frühling Predigt am Pfingstsonntag, 31. Mai 612 Juni Charismatische Gemeinschaften bringen Bewegung in die Kirche Botschaft an die „Catholic Fratemity of Charismatic Covenant Communities and Fellowships“ vom 1. Juni 615 Ständige Weiterbildung in missionarischem Geist Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Missionswerke am 5. Juni 618 Priesterbildung im europäischen Horizont mit weltkirchlicher Perspektive Ansprache bei der Audienz für das Päpstliche Kolleg Germanicum et Hungaricum am 6. Juni 620 Kondolenztelegramm an das Kardinalskollegium anläßlich des Todes von Agostino Kardinal Casaroli am 9. Juni 621 Symbolischer Weg Christi durch die Zeit Predigt am Hochfest Fronleichnam, 11. Juni 622 Kardinal Casaroli - Diener des Friedens und der Wahrheit Predigt bei den Exequien für Kardinal Casaroli am 12. Juni 625 Gebt Zeugnis von eurer Hoffnung! Botschaft zum 93. Deutschen Katholikentag in Mainz vom 14. Juni 628 750-Jahr-Feier des Kölner Domes Schreiben an Staatssekretär Angelo Kardinal Sodano zur Beauftragung als Päpstlicher Legat vom 22. Juni 633 XXII Brüderlichkeit leben im Dienst der Weltkirche Ansprache bei der Audienz für die Schweizergarde aus Anlass der Vereidigung der neuen Rekruten am 27. Juni 634 Gemeinsam den Willen des Herrn für Kirche und Menschen besser verstehen Ansprache beim Besuch einer Delegation des Ökumenischen Patriarchates Konstantinopel zum Fest Peter und Paul am 28. Juni 636 Jerusalem und Rom - Mittelpunkte im Leben der Kirche Predigt am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni 637 Juli Förderung des Rechtes auf Religionsfreiheit Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat „Justitia et Pax“ veranstalteten Weltkongresses über die Menschenrechte (50 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte) am 4. Juli 640 August Unverzichtbare Kennzeichen monastischer Identität aufzeigen Botschaft an den Generalabt der Olivetaner zum 650. Todesjahr des sei. Bemardo Tolomei vom 1. August 643 Maria - Hoffnung für die Kirche und Hoffnung für die Menschheit Predigt bei der Eucharistiefeier in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 646 Der „Geist von Assisi“ fördert neue Friedensinitiativen Botschaft an Edward I. Kardinal Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, zum 12. Internationalen Assisi-Friedenstreffen in Bukarest vom 26. August 648 September Jedem teilt der Herr eine Aufgabe zu Ansprache beim nationalen Treffen der Erwachsenen der Katholischen Aktion Italiens am 5. September 651 Bleibendes Vorbild: Mutter Teresa Worte zur Erinnerung an die vor einem Jahr verstorbene Mutter Teresa von Kalkutta am 5. September 653 Die Regel des hl. Benedikt - Lebensprogramm auch für heute Ansprache bei der Audienz für das in. Internationale Benediktinerinnen-Symposium der Äbtissinnen und Priorinnen am 11. September 654 xxm Telegramm an Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, zum Tod von Alois Kardinal Grillmeier am 13. September 656 Fides et ratio Enzyklika über das Verhältnis von Glaube und Vernunft vom 14. September 657 Die Spiritualität des hl. Eugene de Mazenod leben und zur Geltung bringen Ansprache an das 33. Generalkapitel der Kongregation der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria (OMI) am 24. September 736 Ja zur Beteiligung der Nonnen an Verantwortungs- und Gemeinschaftsstrukturen Ansprache an die Äbtissinnen des Zisterzienserordens am 25. September 738 Wort Gottes in der Begegnung mit der Kultur der Menschen Ansprache an die Teilnehmer einer Studientagung über Bibelsprache und Massenmedien am 28. September 740 Katholische Ostkirchen - Mitwirkende an der Vollendung der Einheit Ansprache an die Patriarchen der orientalischen katholischen Kirchen am 29. September 742 Oktober Im Dienst am leidenden Menschen Ansprache bei der Audienz für die Ordensschwestern im Krankendienst am 1. Oktober 747 Missionarischer Einsatz der Orientalischen Kirchen Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Orientalischen Kirchen am 1. Oktober 750 Gegen Ausbeutung und Vereinnahmung - Gastfreundschaft für Ausländer Botschaft vom 9. November 1997 zum 84. Welttag der Migranten und Flüchtlinge 1998 (in Deutschland begangen am 2. Oktober) 755 Aktives Mitwirken an der Erfüllung der Mission der Gesamtkirche Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitglieder des Katholischen Apostolates - Pallottiner am 6. Oktober 759 Migrationsprobleme sind nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu lösen Ansprache an die Teilnehmer des 4. Weltkongresses über die Pastoral der Migranten und Flüchtlinge: „Die Wanderungsbewegungen am Vorabend des dritten Jahrtausends“ am 9. Oktober 762 XXIV Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz - herausragende Tochter Israels und treue Tochter der Kirche Predigt bei der Heiligsprechung auf dem Petersplatz am 11. Oktober 765 Edith Stein - Beispiel und Begleiterin Grußworte nach dem Konzert des Mitteldeutschen Rundfunks in der Aula Paul VI. am 11. Oktober 769 Der Priester: Leiter der Gemeinde, Lehrer des Wortes und Diener der Sakramente Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 15. Oktober 770 Aufrichtiger Dank für die Hilfe und die Kraft des Gebetes Ansprache bei der Sonderaudienz für die polnischen Pilger anlässlich des 20. Jahrestages der Papstwahl am 16. Oktober 773 Im Zeichen des roten Kreuzes vom Heiligen Land Ansprache an den Rat des Ritterordens vom Heiligen Grab am 17. Oktober 776 Verkündigung des Wortes in unermüdlicher Belehrung bis zur Wiederkunft des Herrn Predigt bei der Eucharistiefeier zum 20. Jahrestag des Pontifikatsbeginns am 18. Oktober 778 Weitergabe des Glaubens stärkt den eigenen Glauben Botschaft vom 31. Mai 1998 anläßlich des Weltmissionssonntags am 18. Oktober 781 Ich fühle mich ganz als Römer und Italiener Ansprache an den Präsidenten der Republik Italien, Oscar Luigi Scalfaro, beim Besuch im Quirinal am 20. Oktober 786 Im gemeinsamen Dienst am Gemeinwohl Ansprache an die Teilnehmer am Europa-Kongress des Päpstlichen Rates für die Familie am 23. Oktober 789 Erkenntnis und Weisheit sind Geschenk und Verpflichtung Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung des akademischen Jahres der kirchlichen Universitäten in Rom am 23. Oktober 793 Die neuen Seligen - Zeugen, die zur Nachfolge aufrufen Predigt bei der Seligsprechung auf dem Petersplatz am 25. Oktober 796 Durch Erziehung und Bildung Wertebewußtsein vermitteln Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen am 26. Oktober 799 XXV Gemeinsam den Glauben an Christus und die Treue zur Kirche bekennen! Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger bei der Seligsprechung und anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Kommission „Ecclesia Dei“ am 26. Oktober 803 Verstandeserkenntnis schließt Glaubenserkenntnis nicht aus Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften am 27. Oktober 807 Wirkungsvoller Beitrag zur Verbreitung christlicher Kultur Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Stiftung „Johannes Paul II.“ am 29. Oktober 810 Festigung der Bande zwischen Glaube und Kultur Grußworte beim Empfang für die Freunde der „Stiftung Johannes Paul II.“ am 29. Oktober 812 Dialog der Spiritualität - Spiritualität des Dialogs Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog am 30. Oktober 813 Den Geist der Vergebung und Versöhnung zur Wirkung bringen Ansprache an die Teilnehmer der Studientagung über die Inquisition am 31. Oktober 815 Der Beitrag des Alters zum Lebensauftrag Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz: „Die Kirche und der alte Mensch“ am 31. Oktober 818 November Erfolgreiche Förderung mariologischer Forschung Ansprache bei der Öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien am 7. November 821 Bischöfe sind Träger und Vermittler des Heiligen Geistes Predigt bei der Gedenkmesse für die im vergangenen Jahr verstorbenen Kardinale und Bischöfe am 10. November 824 Wahrheit als Geschenk - Annahme in Freiheit Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Universität Urbaniana der „Propaganda Fide“ am 11. November 826 Verkündigung des Wortes im Dienst für den Nächsten Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 12. November 830 XXVI Vorrangiges diplomatisches Ziel - Schutz und Verteidigung der Menschenwürde Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses: „Zwanzig Jahre päpstliche Diplomatie unter Johannes Paul II.“ am 13. November 833 Film als faszinierendes Medium zur Vermittlung der Botschaft vom Leben Ansprache an die Teilnehmer einer Internationalen Studientagung über das Filmwesen am 19. November 835 Missionarische Dimension der Kirche beleben und fördern Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker am 20. November 838 Das Königtum Jesu Christi in verschiedenen Kulturen und Traditionen Predigt bei der feierlichen Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien am Christkönigssonntag, 22. November 841 INCAKNATIONIS MYSTERIUM Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 vom 29. November 845 Gott kommt uns als Vater mit offenen Armen entgegen Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung des dritten Vorbereitungsjahres zum Großen Jubiläum am Ersten Adventssonntag, 29. November 861 Bedeutung und Sinn der Jakobus-Wallfahrt Auszug aus der Botschaft an den Erzbischof von Santiago de Compostela, Julian Barrio Barrio, vom 29. November 864 Botschaft zum Fest des hl. Andreas am 30. November an seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch vom 25. November 865 Aushöhlung der Menschenrechte nicht zulassen Botschaft an den Präsidenten der 53. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Herrn Didier Opertti Badän, vom 30. November 866 Globalisierung der Solidarität - Kreditvergabe zu gerechten Konditionen Ansprache an den Rat der Interparlamentarischen Union am 30. November 868 Dezember Solidarität zwischen Ethik und Recht Ansprache bei der Sonderaudienz für den Verband der Italienischen Katholischen Juristen am 5. Dezember 871 xxvn 2. Oktober 1060 9. Oktober 1065 17. Oktober 1070 24. Oktober 1075 V. Erklärungen der Kongregationen und der Räte Grundnormen für die Ausbildung der Ständigen Diakone -Direktorium für den Dienst und das Leben der Ständigen Diakone Kongregation für das katholische Bildungswesen Kongregation für den Klerus vom 22. Februar 1998 1083 Erklärung zum Geburtenrückgang in der Welt Päpstlicher Rat für die Familie vom 27. Februar 1165 Die Pilgerfahrt zum großen Jubiläum Päpstlicher Rat für die Migranten und Menschen unterwegs vom 25. April 1173 Professio fidei et iusiurandum fidelitatis in suscipiendo officio nomine Ecclesiae exercendo - Glaubensbekenntnis und Treueid bei der Übernahme eines im Namen der Kirche auszuübenden Amtes - Lehrmäßiger Kommentar zur Schlussformel der Professio fidei Kongregation für die Glaubenslehre vom 29. Juni 1203 Christen und Flindus: In der Hoffnung vereint Diwali-Botschaft zum 21. Oktober Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog 1214 Der Primat des Nachfolgers Petri im Geheimnis der Kirche Erwägungen der Kongregation für die Glaubenslehre, veröffentlicht am 31. Oktober 1216 Botschaft zum Ende des Ramadan Id al-Fitr, 1418/1998 Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog vom 10. Januar 1225 Christen und Buddhisten: Miteinander in der Hoffnung Botschaft an die Buddhisten zum Vesakh-Fest am 11. Mai 1998 Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog, veröffentlicht am 22. April 1226 XXX VI. Anhang Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah Päpstliche Kommission für die Religiösen Beziehungen zu den Juden vom 16. März 1231 Die Organe der Römischen Kurie Stand: 27. Juli 1239 Antwort der katholischen Kirche auf die „Gemeinsame Erklärung zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre“ veröffentlicht am 25. Juni 1245 III. Ausschuß der UN-Generalversammlung: Förderung von vertretbarer Entwicklung durch die Vereinten Nationen unter voller Berücksichtigung der Menschenrechte - Erklärung zu Punkt 100: Soziale Entwicklung, einschließlich Fragen zur sozialen Lage weltweit, zum Thema Jugend, alte Menschen, Behinderte und Familie Stellungnahme des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, Msgr. Renato R. Martino vom 6. Oktober 1249 Wortregister 1253 Personenregister 1324 Länder- und Ortsregister 1339 Zitierte Bibelstellen 1351 Abkürzungen 1360 XXXI I. Generalaudienzen und Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Aufbau einer „Familie der Nationen“ Angelus am Neujahrstag 1998 Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem ersten Tag des neuen Jahres habe ich die Freude, allen meinen herzlichen Glückwunsch zu entbieten: „Der Friede sei mit euch!“ Die Liturgie feiert heute das Hochfest der Gottesmutter Maria. Sie bezeugt damit, dass in der Gottesmutterschaft der Jungfrau das grundlegend Neue offenbar wird, die Erfüllung jeder Hoffnung, die Gewähr jedes Vorhabens echter menschlicher Erneuerung und Entwicklung. Seit 1968 wollte Papst Paul VI. diesen Tag dem Nachdenken und dem Gebet für den Frieden widmen und begleitete ihn mit einer vor allem an die Staatsoberhäupter und Repräsentanten der Nationen gerichteten Botschaft. Auch ich habe diese schöne Initiative weitergeführt und jeweils eine Botschaft zum Weltfriedenstag veröffentlicht. Dieses Jahr ist es die zwanzigste und hat das Thema: „Aus der Gerechtigkeit des einzelnen erwächst der Frieden für alle.“ Ich habe dieses Motto gewählt, weil 1998 der 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen wird, die mit der denkwürdigen Feststellung beginnt, dass „die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet“ {Präambel). 2. Wird das Jahr 2000 einen bedeutungsvollen Fortschritt in der Verwirklichung des Friedens anzeigen? Das ist der Wunsch aller. Doch damit dies geschehen kann, ist es unerlässlich, dass jeder seinen Einsatz für die Gerechtigkeit leistet in der Achtung vor den Menschenrechten und der konsequenten Erfüllung der jeweiligen Verpflichtungen. Der in der Welt in Gang befindliche Globalisierungsprozess bedarf einer Ausrichtung im Sinne der Gerechtigkeit und Solidarität, um zu vermeiden, dass er faktisch, wenn auch nicht gewollt, Personen, Gruppen und Völker ausgrenzt. Als Ziel muss man die „Familie der Nationen“ vor Augen haben, von der ich in meiner Ansprache vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 5. Oktober 1995 gesprochen habe. Ein positiver Schritt in dieser Richtung ist gewiss der Einsatz für eine koordinierte Verringerung der Auslandsschulden der ärmsten Länder, doch eine dauerhafte Lösung erfordert konzertierte Anstrengungen von Seiten aller. Es ist darüber hinaus notwendig, dass in jeder Nation eine Kultur der Legalität und der guten Verwaltung gefördert und die Korruption bekämpft wird. Das Große Jubiläum, auf das hin wir unterwegs sind, ist für die Gläubigen ein starker Aufruf zu einer Mentalität des Teilens und einem einfachen Lebensstil als Bedingung für eine immer gerechtere Verteilung der Früchte der Schöpfung. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Unsere Menschheit, die auf das Jahr 2000 zugeht, hat eine fürsorgliche und treue Mutter: die Mutter des Gottes, der unser menschli- 3 AUDIENZEN UND ANGELUS ches Los teilen wollte, um den Menschen den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen. Heute, am Beginn des neuen Jahres, zeigt Maria allen Jesus und sagt wiedemm: Seht, den Weg des Friedens! Was er euch sagt, das tut. Jeder soll für die Gerechtigkeit arbeiten, daraus wird der Friede für alle erwachsen. O Maria, Mutter Gottes, Spiegel der Gerechtigkeit und Königin des Friedens, bitte für uns! Nach dem Angelus grüßte der Papst in verschiedenen Sprachen die Anwesenden; auf Deutsch sagte er: Herzlich begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch und euren Lieben daheim wünsche ich ein friedvolles und gesegnetes Neues Jahr. Möge die Fürbitte der Gottesmutter Maria euch und alle Familien begleiten. Gemeinsamer Einsatz für Solidarität und Frieden - Absage an jede Form von Gewalt Angelus am 4. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern war ich in Annifo, Cesi und Assisi, um die noch unter den Folgen des Erdbebens leidende Bevölkerung in Umbrien und den Marken zu besuchen. Ihre Lage ist jetzt wegen der winterlichen Witterung zusätzlich erschwert. Zu Beginn des neuen Jahres wollte ich diese unsere Brüder und Schwestern aufsuchen, um ihre Leiden und Hoffnungen zu teilen. Mein Dank gilt allen, die mir bei dieser kurzen Pastoraireise geholfen haben: den zivilen und administrativen Behörden, den militärischen und religiösen Verantwortlichen, den freiwilligen Helfern bis hin zu allen, die im Einsatz standen, um mein Weiterkommen und die Begegnung mit den Menschen zu erleichtern. Tiefempfundener Dank geht vor allem an die Bevölkerung des Erdbebengebiets für den herzlichen Empfang. Ihre Gesichter behalte ich alle in meinem Herzen und fahre fort, sie im Gebet dem Herrn anzuvertrauen. 2. Im Verlauf meiner Pilgerfahrt habe ich am Grab des hl. Franz von Assisi, des Patrons von Italien, verweilt. In der Stille der Unterkirche - eines der wenigen Orte, die vom Erdbeben verschont geblieben sind - habe ich für die Opfer gebetet und die Hoffnungen und Sorgen von allen mit der Fürsprache des hl. Franziskus und der hl. Klara vor Gott getragen. Der hl. Franz ist allgemein als Mann des Friedens bekannt, und der Ort, wo er geboren wurde, stellt eine bedeutungsvolle Mahnung zu Geschwisterlichkeit, Versöhnung und Frieden dar. Bitten wir den „Poverello von Assisi“ , dass er den Einsatz aller unterstütze, die für die Solidarität und den Frieden tätig sind. Wahrer Friede, so habe ich in der Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag geschrieben, hängt eng mit der Gerechtig- 4 A UDIENZEN UND ANGELUS keit von jedem einzelnen zusammen. Er erfordert Gesetzmäßigkeit und verlangt Achtung vor den Rechten jeder Person. In diesem Zusammenhang möchte ich, wie ich es am ersten Sonntag jedes neuen Jahres zu tun pflege, an das Unrecht der Entführung von Menschen erinnern. Ich erneuere mein solidarisches Gebet für die Entführten und ihre Angehörigen und appelliere an die Menschlichkeit der Entführer, ihre Opfer freizulassen und damit auch sich selbst von den Fesseln des Bösen zu befreien und ihr Herz zur Liebe zu bekehren. 3. Immer tiefer und schwerer ist meine Besorgnis über das Fortdauern der Gewalt und der Massaker in der Welt. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch letzter Woche wurde zum unzählig wiederholten Mal ein unerhörtes Blutbad in Algerien angerichtet mit einer ungeheuren Zahl von Opfern, die mit abscheulicher Grausamkeit niedergemetzelt wurden. Am ersten Tag des Jahres war zudem ein erbitterter bewaffneter Zusammenstoß in Burundi zu verzeichnen, der nicht Halt gemacht hat vor zahlreichen Zivilpersonen und vor allem unter wehrlosen und unschuldigen Menschen Tod und Panik gesät hat. Ein weiteres Mal bringe ich mein tiefes Bedauern über diese Bluttaten zum Ausdruck, über die jedes Gewissen nur erschüttert sein kann. Auf dem Weg der Gewalt kann man nicht zu einer besseren Zukunft gelangen. Maria, der Gottesmutter und Königin des Friedens, die wir zu Beginn des neuen Jahres angerufen haben, vertraue ich diese Opfer und ihre Familien an zusammen mit allen unschuldigen Toten sinnloser Bürgerkriege; die Verantwortlichen flehe ich an, sie mögen den dringenden Appell aufnehmen und der systematischen Gewalt ein Ende setzen und friedliche Lösungen anbahnen in Achtung vor der Würde und den Rechten jedes Menschen. Neue Bischöfe sind Zeugen Christi bis an die Grenzen der Erde Angelus am Hochfest der Erscheinung des Herrn. 6. Januar 1. Heute feiert die Kirche die Erscheinung des Herrn im Gedenken an die Magier, die dem Stern folgend, aus dem Orient nach Betlehem kamen. Heute betrachten wir das „Offenbarwerden“ Christi, der bei dem Geschehen mit den Magiern in Erscheinung tritt als der, den Gott in die Welt gesandt hat, um den Menschen jeder Nation, Sprache und Kultur das Heil zu bringen. Diese Sendung erfüllt er durch seinen Tod und seine Auferstehung, damit bestätigt er sich als wahrer König der Gerechtigkeit und des Friedens. Dieselbe Sendung, die er vom Vater empfangen hat, gibt Christus an die Kirche weiter: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21), spricht AUDIENZEN UND ANGELUS der Auferstandene zu den Aposteln. Und, nachdem er sie in einer symbolischen Geste angehaucht hat, fügt er hinzu: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22). Wie sollten wir in diesem Jahr, das in besonderer Weise dem Heiligen Geist gewidmet ist, nicht hervorheben, dass der Geist der große Hauptgestalter bei der Sendung der Kirche ist (vgl. Redemptoris missio, III)? So war es für die Apostel an Pfingsten; so war es im Lauf der Jahrhunderte für die Jünger Christi, die der Geist zu Zeugen und Propheten machte, indem er ihnen den Mut gab, den Glauben an Jesus, wahren Mensch und wahren Gott, freimütig an die anderen weiterzugeben. Auch heute öffnet sich der Glaube unter der Wirkung des Geistes entschieden für die Völker, und das Zeugnis Christi verbreitet sich bis zu den äußersten Grenzen der Erde. 2. In dieser Sichtweise hatte ich auch dieses Jahr am Hochfest der Epiphanie die Freude, einigen Priestern - genau gesagt: neun - die Bischofsweihe zu erteilen in einer festlichen Eucharistiefeier, die eben in der Petersbasilika zu Ende gegangen ist. Ich habe den Heiligen Geist auf sie herabgerufen, damit sie wie die Apostel mutige Verkündiger des Evangeliums und weise Führer des Gottesvolkes seien. Ich vertraue sie nun auch eurem Gebet an, während ich mit euch dem Herrn dafür danke, dass er seiner Kirche stets neue Hirten gibt. Das Gebiet für die Neuevangelisierung ist riesengroß. „In unserer Zeit, mit einer Menschheit in Bewegung und auf der Suche, braucht es einen neuen Anstoß zur Missionstätigkeit der Kirche“ (Redemptoris missio, Nr. 30). 3. Bitten wir die heilige Jungfrau, dass sie der Kirche bei der Erfüllung ihrer Sendung immer zur Seite stehe. Zu ihr beten wir mit einem besonderen Gedanken an unsere Brüder und Schwestern der orientalischen Kirchen, von denen viele heute die Geburt des Herrn feiern. Ihnen gelten unsere innigsten Weihnachtswünsche -Wünsche, die auch auf alle anderen Christen verschiedener Traditionen und Konfessionen überall in der Welt bezogen sein wollen. Die heilige Gottesmutter begleite mit ihrer Hilfe den Weg zur vollen Gemeinschaft unter allen Jüngern Christi, damit die Verkündigung des Evangeliums an die Generationen des neuen Jahrtausends immer wirksamer sein kann. Mit dem Geschenk des Lebens wächst das Wunder des Glaubens Angelus am 11. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Kirche feiert heute das Fest der Taufe des Heim, das die Weihnachtszeit abschließt. Das Evangelium berichtet, dass Jesus sich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens auf den Weg machte, um sich von Johannes dem Täufer im Fluss Jordan taufen zu 6 AUDIENZEN UND ANGELUS lassen. Auf diese Weise wollte er es seinen vielen Landsleuten gleichtun, die diese Geste der Reinigung und Vorbereitung auf das messianische Reich vollzogen. Dieser Entschluss erscheint befremdlich; selbst Johannes begreift ihn nicht und weigert sich zunächst, Jesus zu taufen. Erst auf dessen Drängen hin willigt er ein: Jesus, der die Gerechtigkeit vor den Augen des Vaters zu erfüllen trachtet (vgl. Mt 3,15), will solidarisch werden mit den Sündern. Denn er ist das Lamm Gottes, das gekommen ist, um die Sünde der Welt auf sich zu nehmen, hinwegzunehmen (vgl. Joh 1,29). Und siehe, während er betet, kommt der Geist auf ihn herab und „eine Stimme aus dem Himmel“ spricht: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Lk 3,22). 2. Auch dieses Jahr hatte ich die Freude, das Sakrament der Taufe heute morgen in der Sixtinischen Kapelle einer Gruppe von Neugeborenen zu spenden: zehn Jungen und neun Mädchen aus Italien, Mexiko, Brasilien und Polen. Mit euch danke ich dem Herrn für diese Geschöpfe und für jedes neue Leben! Jedes Kind, das auf die Welt kommt, ist „Epiphanie“ Gottes, ist Geschenk des Lebens, der Hoffnung und der Freude. In jedem Getauften sieht die Kirche, wie sich mit dem Geschenk des Lebens auch das Wunder des Glaubens erneuert; sie gewahrt dessen immer wieder neues Aufblühen in ihren Kindern und verspürt das Mysterium des Heils, das für alle Menschen ist. Ich bete für die Ungeborenen und für die Kinder aller Nationen der Welt: Möge jedes von ihnen Liebe und Aufnahme finden. Und ich bete für die erwachsenen Christen, dass sie im ständigen Bewusstsein des Wertes der Taufe, die sie empfangen haben, und der Firmung, mit der sie diese bekräftigt haben, den von den Vätern ererbten Glauben pflegen und sich als lebendige Bausteine des geistlichen Gebäudes der Kirche fühlen. 3. Maria, der Mutter derer, die durch den Heiligen Geist zu neuem Leben geboren wurden, vertrauen wir die Kinder, die ich vor kurzem getauft habe, und ihre Familien an. Ihr, der Mutter der Kirche, vertrauen wir die Katechumenen an, die sich in vielen Teilen der Welt auf die Taufe vorbereiten. Mögen sie mit Mut und Treue die Taufverpflichtungen übernehmen und stets Vorbilder an Rechtschaffenheit und evangeliumsgemäßer Großherzigkeit sein. Zum Ende der Weihnachtszeit und am Beginn des neuen Jahres wünsche ich allen mit der Fürsprache der Gottesmutter von neuem alles Gute. Das Geheimnis der Stunde Jesu Generalaudienz am 14. Januar 1. Die Feier des Jubeljahres wird unsere Aufmerksamkeit auf die Stunde des Heils lenken. Jesus verwendet oft und bei verschiedenen Anlässen den Ausdruck „Stunde“. Er meint damit einen vom Vater zur Erfüllung des Heilswerkes bestimmten Zeitpunkt. 7 AUDIENZEN UND ANGELUS Schon gleich am Anfang seines öffentlichen Wirkens spricht er davon in der Begebenheit der Hochzeit zu Kana, wo seine Mutter mit einer Bitte für die Brautleute an ihn herantritt, die wegen des ausgegangenen Weines in einer unangenehmen Lage sind. Als Grund, warum dieser Bitte nicht entsprochen werden könne, gibt Jesus seiner Mutter an: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4). Gewiss handelt es sich hier um die Stunde der ersten Offenbarung messianischer Macht Jesu. Es ist eine besonders wichtige Stunde, wie der Bericht des Evangeliums schlussfolgernd erkennen lässt, indem er das Wunder als „erstes Zeichen“ (vgl. Joh 2,11) darstellt. Doch im Hintergrund klingt ein Hinweis auf die Stunde des Leidens und der Verherrlichung Jesu an (vgl. Joh 7,30; 8,20; 12,23-27; 13,1; 17,1; 19,27), auf den Augenblick, wo er das Werk der Erlösung der Menschheit zur Erfüllung bringen wird. Jesus setzt dieses „Zeichen“ dank der wirksamen Fürsprache Marias und offenbart sich damit als der messianische Retter. Während er den Brautleuten entgegenkommt, ist in Wirklichkeit er es, der als Bräutigam sein Werk beginnt und das Hochzeitsmahl bereitet, das ein Bild für das Reich Gottes ist (vgl. Mt 22,2). 2. Mit Jesus ist die Stunde neuer Beziehungen zu Gott, die Stunde eines neuen Kultes gekommen: „... die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit“ {Joh 4,23). Grundlage für diese universale Verehrung ist die Tatsache, dass der Sohn durch seine Menschwerdung den Menschen die Möglichkeit gegeben hat, an seiner Verehrung des Sohnes für den Vater teilzuhaben. Die „Stunde“ ist auch der Augenblick, in dem sich das Werk des Sohnes offenbart: „Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben. Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben“ {Joh 5,25-26). Die große Stunde in der Weltgeschichte ist die, in der der Sohn das Leben gibt, in der er die Menschen, die unter der Herrschaft der Sünde stehen, seine rettende Stimme hören lässt. Es ist die Stunde der Erlösung. 3. Das ganze Erdenleben Jesu ist auf diese Stunde ausgerichtet. In einem Augenblick der Bedrängnis kurze Zeit vor seinem Leiden sagt Jesus: ,Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen“ {Joh 12,27). Mit diesen Worten offenbart Jesus das innere Drama, das seine Seele bedrückt angesichts der Perspektive des näherrückenden Opfers. Er hat die Möglichkeit, den Vater zu bitten, dass er diese schreckliche Prüfung von ihm femhält. Doch anderseits will er sich diesem schmerzlichen Geschick nicht entziehen: „Deshalb bin ich gekommen.“ Er ist gekommen, um das Opfer darzubringen, welches der Menschheit das Heil vermitteln wird. AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Diese dramatische Stunde ist vom Vater gewollt und bestimmt. Vor der vom göttlichen Plan festgesetzten Stunde haben die Feinde keine Macht über Jesus. Oft versuchten sie, Jesus gefangen zu nehmen oder zu töten. Das Johannesevangelium hebt im Bericht von einem dieser Versuche die Machtlosigkeit der Gegner hervor: „Da wollten sie ihn festnehmen; aber keiner wagte ihn anzufassen, denn seine Stunde war noch nicht gekommen“ (Joh 7,30). Wenn die Stunde kommt, erscheint sie auch als Stunde der Feinde. „Das ist eure Stunde, jetzt hat die Finsternis die Macht“, sagt Jesus zu „den Hohenpriestern“, den „Hauptleuten der Tempelwache und den Ältesten“, die gegen ihn ausgezogen waren (Lk 22,52-53). In dieser dunklen Stunde scheint es, als ob niemand der hervorbrechenden Macht des Bösen Einhalt gebieten könne. Und doch bleibt auch diese Stunde in der Macht des Vaters. Er ist es, der den Feinden Jesu erlaubt, ihn festzunehmen. Ihr Tun ist auf geheimnisvolle Weise in den von Gott bestimmten Plan für das Heil aller eingebunden. 5. Eher als eine Stunde der Feinde ist die Stunde des Leidens daher die Stunde Christi, die Stunde der Erfüllung seiner Sendung. Das Johannesevangelium lässt uns die innere Haltung Jesu zu Beginn des Letzten Abendmahles wahmehmen: „Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Es ist also die Stunde der Liebe, die „bis zur Vollendung“ geht, d. h. bis zur äußersten Hingabe. In seinem Opfer offenbart Christus uns die vollkommene Liebe: Tiefer hätte er uns nicht lieben können! Diese entscheidende Stunde ist zugleich Stunde des Leidens und Stunde der Verherrlichung. Nach dem Johannesevangelium ist es die Stunde, in der der Menschensohn „über die Erde erhöht“ ist (Joh 12,32). Die Erhöhung am Kreuz ist Zeichen der Erhöhung zur himmlischen Herrlichkeit. Dann wird die Phase einer neuen Beziehung mit der Menschheit, und in besonderer Weise mit den Jüngern, beginnen, wie Jesus selbst ankündigt: „Dies habe ich in verhüllter Rede zu euch gesagt; es kommt die Stunde, in der ich nicht mehr in verhüllter Rede zu euch spreche, sondern euch offen den Vater verkünden werde“ (Joh 16,25). Die höchste Stunde ist letztlich die, in der der Sohn den Vater erreicht. In ihr enthüllt sich der Sinn seines Opfers, und es wird vollends der Wert sichtbar, den dieses Opfer für die erlöste Menschheit hat, die gerufen ist, mit dem Sohn zum Vater zurückzukehren. Grußworte in Deutsch: Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 9 AUDIENZEN UND ANGELUS Besorgnis über Terrorismus in Spanien Meinen Schmerz und meine Sorge über die jüngsten Terroranschläge in Spanien, die dem von der Gesellschaft wiederholt bekundeten Friedenswillen widersprechen, möchte ich zum Ausdruck bringen. Für diese Gewaltakte, die Ausdruck einer Kultur des Todes sind, gibt es keine Rechtfertigung; sie stellen die Zukunft eines ganzen Volkes aufs Spiel. Ich wünsche, dass diese Aktionen aufhören, damit alle sich einer Zukunft in Toleranz, Achtung und Freiheit erfreuen können. Massaker in Algerien und Ruanda Hass lässt auf dem geliebten afrikanischen Boden weiteres Blut fließen. In Algerien hören die Massaker nicht auf, die auch vor Frauen, alten Leuten und Kindern nicht Halt machen. In Ruanda wurden fünf Missionarinnen aus der Kongregation der Töchter der Auferstehung sowie zwei Laienmitarbeiter in der Diözese Nyundo niedergemetzelt. Zwei weitere Ordensfrauen wurden schwer verletzt. Entrüstung und Traurigkeit befallen uns alle angesichts dieser dramatischen Vorfälle, die das Gewissen der gesamten Menschheit nicht gleichgültig lassen können. Wir erheben unser Gebet für die Opfer dieser schrecklichen Bluttaten. Ich bekunde allen, die von Leid und Schmerz getroffen sind, meine Solidarität und geistige Nähe, während ich den Verletzten einen herzlichen Wunsch auf baldige Genesung ausspreche. Möge das Opfer so vieler wehrloser Menschen zum Aufbrechen von Gefühlen der Einsicht, der Vergebung und schließlich des Friedens führen können. Zwanzig neue Kardinale ernannt Angelus zu Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen am 18. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute beginnt die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen, die unter dem Thema steht „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ (vgl. Rom 8,26). Die Herausforderung der Ökumene, vor die alle Jünger Christi gestellt sind, verlangt vor allem viel Gebet: unser ständiges, gemeinsames Gebet, dass der Geist Jesu ungeachtet der menschlichen Schwäche und Grenzen den Christen helfen möge, dass sie die Schwelle des neuen Jahrtausends „wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht“ überschreiten können, „der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Wir dürfen uns mit den Spaltungen nicht abfinden. Vielmehr gilt es zu wagen mit dem Mut dessen, der sein Vertrauen auf die Hilfe Gottes setzt, und mit allen Mitteln den Weg respektvollen und aufrichtigen Dialogs zu versuchen. Wir sind im zweiten Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum. Es ist das Jahr des Heiligen Geistes, des wahren Hauptgestalters aller Bemühungen auf die volle Ein- 10 AUDIENZEN UND ANGELUS heit hin. Denn er ist es, der die einzige Offenbarung, die Christus den Menschen gebracht hat, in jeder Zeit gegenwärtig und in jedem Herzen und der ganzen Kirche lebendig wirksam werden lässt. „In diesem letzten Abschnitt des Jahrtausends muss sich die Kirche“ daher „tiefbetrübt und mit inständiger Bitte an den Heiligen Geist wenden und von ihm die Gnade der Einheit der Christen erflehen“ (ebd.). 2. Ich habe nun die Freude, anzukündigen, dass ich am kommenden 21. Februar, dem Vortag des Festes der Kathedra Petri, ein Konsistorium halten werde, bei dem ich zwanzig neue Kardinale ernennen werde. Hier ihre Namen: - Msgr. Jorge Arturo Medina Estevez, emeritierter Erzbischof von Valparaiso, Pro-Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die S akramentenord-nung; - Msgr. Alberto Bovone, Titularerzbischof von Caesarea in Numidia, Pro-Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse; - Msgr. Dario Castrillön Hoyos, emeritierter Erzbischof von Bucaramanga, Pro-Präfekt der Kongregation für den Klerus; - Msgr. Lorenzo Antonetti, Titularerzbischof von Roselle, Pro-Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls; - Msgr. James Francis Stafford, emeritierter Erzbischof von Denver, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien; - Msgr. Salvatore De Giorgi, Erzbischof von Palermo (Italien); - Msgr. Serafim Femandes de Araüjo, Erzbischof von Belo Horizonte (Brasilien); - Msgr. Antonio Maria Rouco Varela, Erzbischof von Madrid (Spanien); - Msgr. Aloysius Matthew Ambrozic, Erzbischof von Toronto (Kanada); - Msgr. Jean Balland, Erzbischof von Lyon (Frankreich); - Msgr. Dionigi Tettamanzi, Erzbischof von Genua (Italien); - Msgr. Polycarp Pengo, Erzbischof von Dar-es-Salaam (Tansania); - Msgr. Christoph Schönbom OP, Erzbischof von Wien (Österreich); - Msgr. Norberto Rivera Carrera, Erzbischof von Mexico (Mexiko); - Msgr. Francis Eugene George OMI, Erzbischof von Chicago (U.S.A.); - Msgr. Paul Shan Kuo-hsi SJ, Bischof von Kaohsiung (Taiwan); - Msgr. Adam Kozlowiecki SJ, Titularerzbischof von Potenza Picena, Missionar in Sambia. In Abweichung von der durch Papst Paul VI. in der Apostolischen Konstitution Romano Pontifici eligendo (vgl. Nr. 33) festgelegten Höchstzahl möchte ich sodann weitere drei Bischöfe zum Kardinalspurpur erheben, denen ich auf diese Weise meine Wertschätzung für die Hingabe, mit der sie dem Hl. Stuhl gedient haben, bekunden möchte: - Msgr. Giovanni Cheli, Titularerzbischof von Santa Giusta, Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs; - Msgr. Francesco Colasuonno, Titularerzbischof von Tronto, Apostolischer Nuntius in Italien; 11 AUDIENZEN UND ANGELUS - Msgr. Dino Monduzzi, Titularbischof von Capri, Präfekt des Päpstlichen Hauses. Auf der Liste hatte ich auch Erzbischof Giuseppe Uhac, den Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, der vor drei Tagen davon in Kenntnis gesetzt worden war; doch heute morgen hat der Herr ihn zu sich gerufen. Schließlich habe ich mir die Kardinalsemennung von zwei Bischöfen „in pectore“ Vorbehalten. Die Schar der neuen Purpurträger, die aus verschiedenen Teilen der Welt kommen, spiegelt vielsagend die Universalität der Kirche wider: Darunter sind Bischöfe, die sich sei es im Dienst des Hl. Stuhls, sei es in der Pasto-ral verdient gemacht haben durch den großherzigen Einsatz ihrer Kräfte auf den verschiedenen Gebieten ihrer Tätigkeit. 3. Wir vertrauen die Neuerwählten dem mütterlichen Schutz Marias an und bitten um ihren Beistand für ihre Person und ihre jeweilige kirchliche Aufgabe. Die Jungfrau möge für sie erbitten, dass sie stets mit Mut und Konsequenz zum Evangelium die Liebe zu Christus und der Kirche zu bezeugen wissen. Eine erste Bilanz der Pastoraireise nach Kuba Generalaudienz am 28. Januar 1. Vorgestern bin ich aus Kuba zurückgekehrt, wohin ich auf Bitte der Bischöfe und des Staatspräsidenten eine unvergessliche Pastoraireise unternommen habe. Der Herr wollte es, dass der Papst dieses Land besucht und der Kirche, die dort lebt und das Evangelium verkündet, Ermutigung bringt. Ihm an erster Stelle gilt mein Dank, den ich sodann auf das ganze Volk Gottes ausdehne, von dem ich in den vergangenen Tagen beständige geistliche Unterstützung erfahren habe. Mein anerkennendes Gedenken gilt dem Präsidenten der Republik Kuba, Dr. Fidel Castro Ruz, und den anderen Verantwortlichen, die meine jüngste apostolische Pilgerreise ermöglicht haben. In großer Liebe danke ich den Bischöfen der Insel, angefangen beim Erzbischof von Havanna, Jaime Kardinal Ortega, wie auch den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen sowie allen Gläubigen, die mir einen ergreifenden Empfang bereitet haben. Von meiner Ankunft an war ich von einer großen Begeisterung seitens des Volkes umgeben, die auch für jemanden wie mich überraschend war, der den Enthusiasmus der lateinamerikanischen Menschen kennt. Hier kam lange Erwartung zum Ausdruck; es war eine Begegnung, seit langem ersehnt von einem Volk, das sich dabei in gewisser Hinsicht mit seiner Geschichte und mit seiner Berufung ausgesöhnt hat. Die Pastoraireise war ein großes Ereignis geistlicher, kultureller und gesellschaftlicher Aussöhnung, das nicht verfehlen wird, auch auf anderen Gebieten positive Früchte hervorzubringen. 12 A UDIENZEN UND ANGELUS Auf der großen „Plaza de la Revoluciön Jose Marti“ in Havanna konnte ich ein riesiges Christusbild mit der Aufschrift „Jesus Christus, ich vertraue auf dich“ sehen. Ich habe Gott dafür gedankt, dass gerade an jenem nach der Revolution benannten Ort deijenige Aufstellung gefunden hat, der die wahre Revolution in die Welt gebracht hat: die Revolution der Liebe Gottes, die den Menschen vom Bösen und der Ungerechtigkeit befreit und ihm Frieden und Fülle des Lebens schenkt. 2. Nach Kuba, das Christoph Kolumbus „das schönste Land, das Menschenaugen je gesehen haben“, nannte, habe ich mich vor allem deshalb begeben, um der Kirche dort meine Ehre zu erweisen und sie auf ihrem Weg zu stärken. Eine Kirche, die sehr schwere Zeiten durchgemacht hat, aber im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe ausharrte. Ich wollte sie besuchen, um ihre tiefreligiöse Seele, ihre Freuden und Leiden zu teilen und um ihrer Evangelisierungstätigkeit einen Impuls zu geben. Ich bin als Pilger des Friedens hingegangen, um unter diesem edlen Volk die immerwährende Botschaft der Kirche zu verkünden: Christus ist der Erlöser des Menschen, Garantie für die wirkliche Entwicklung der Gesellschaft ist das Evangelium. Die erste heilige Messe, die ich die Freude hatte auf kubanischem Boden zu feiern - in der Stadt Santa Clara -, war Danksagung an Gott für das Geschenk der Familie und stand in ideellem Zusammenhang mit dem großen Welttreffen der Familien vom vergangenen Oktober in Rio de Janeiro. Ich wollte meine Solidarität mit den kubanischen Familien bekunden gegenüber den Problemen, welche die heutige Gesellschaft mit sich bringt. 3. In Camagüey konnte ich zu den Jugendlichen sprechen, wobei ich mir wohl bewusst war, was für eine Herausforderung es war und ist, in Kuba ein katholischer Jugendlicher zu sein. Ihre Präsenz in der kubanischen Christengemeinschaft ist ziemlich bedeutsam, sowohl was die großen Ereignisse als auch was das tägliche Leben angeht. Meine dankbare Anerkennung gilt den jungen Katecheten, Missionaren, Mitarbeitern der Caritas und anderer Sozialprojekte. Das Treffen mit den Jugendlichen Kubas war ein unvergessliches Fest der Hoffnung. Ich habe sie ermutigt, ihr Herz und ihr ganzes Leben für Christus zu öffnen, moralischen Relativismus und dessen Folgen zu überwinden. Erneut bringe ich ihnen meine Ermutigung und meine ganze Zuneigung zum Ausdruck. 4. An der Universität von Havanna konnte ich im Beisein von Präsident Fidel Castro den Vertretern der kubanischen Kulturwelt begegnen. Die kubanische Kultur hat im Lauf von fünf Jahrhunderten verschiedene Einflüsse erlebt: einen spanischen, einen afrikanischen, einen auf verschiedene Einwanderergruppen zurückgehenden und einen im eigentlichen Sinn amerikanischen. In den letzten Jahrzehnten hat die materialistische und atheistische Ideologie des Marxismus auf sie eingewirkt. Doch im Grunde ist ihre innere und äußere Erscheinungsform, das was man „cubanfa“ nennt, zutiefst von einer christlichen Inspiration geprägt geblieben, wie die zahlreichen Gestalten katholischer Männer der Kultur, die in deren ganzen Geschichte präsent sind, belegen. Unter ihnen ragt der Diener Gottes, der Priester 13 AUDIENZEN UNDANGELUS Felix Varela, hervor, dessen Grab sich dort, in der Aula Magna der Universität, befindet. Die Botschaft dieser „Väter des Vaterlandes“ ist mehr denn je aktuell; sie weist den Weg der Synthese von Glauben und Kultur, den Weg der Bildung von freien und verantwortlichen Gewissen, fähig zum Dialog und zugleich zur Treue gegenüber den Grundwerten der Person und der Gesellschaft. 5. In Santiago de Cuba, dem Sitz des Primas, wurde mein Besuch ausdrücklich zur Pilgerfahrt: Denn dort habe ich der Patronin des kubanischen Volkes, Unserer Lieben Frau „Virgen de la Caridad del Cobre“, meine Verehrung erwiesen. Von inniger Freude bewegt, habe ich feststellen können, welche Liebe die Kubaner der Gottesmutter entgegenbringen und wie die „Virgen de la Caridad“ tatsächlich über alle Unterschiede hinweg vorrangiges Symbol und Halt des Glaubens des kubanischen Volkes und seines Kampfes für die Freiheit ist. In diesem Umfeld volkstümlicher Frömmigkeit habe ich dazu ermahnt, das Evangelium, die Botschaft wahrer Befreiung, im täglichen Leben konkret werden zu lassen und als Christen voll in die Gesellschaft integriert zu leben. Vor hundert Jahren wurde die Unabhängigkeit des Landes vor der „Virgen de la Caridad“ erklärt. Mit dieser Pilgerfahrt habe ich ihr alle Kubaner in der Heimat und im Ausland anvertraut, damit sie eine durch wahre Freiheit immer lebendigere, wirklich blühende und geschwisterliche Gemeinschaft bilden. Im Heiligtum San Läzaro bin ich der Welt des Leidens begegnet, der ich das tröstende Wort Christi brachte. In Havanna konnte ich schließlich auch eine Abordnung des Klerus, der Ordensmänner, Ordensfrauen und engagierten Laien begrüßen, die ich zu großherziger Hingabe im Dienst des Gottesvolkes ermutigt habe. 6. Die göttliche Vorsehung wollte es, dass gerade am Sonntag, an dem die Liturgie die Worte des Propheten Jesaja vorlegt „Der Geist des Herrn ruht auf mir [...] Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18), der Nachfolger des Apostels Petrus in der kubanischen Hauptstadt Havanna eine historische Etappe der Neuevangelisierung verwirklichen konnte. In der Tat hatte ich die Freude, den Kubanern das Evangelium der Hoffnung zu verkünden, die Botschaft von Liebe und Freiheit in der Wahrheit, die Christus den Männern und Frauen aller Zeiten immer wieder anbietet. Wie sollte man verkennen, dass dieser Besuch aufgrund der einzigartigen Position, die Kuba in der Weltgeschichte dieses Jahrhunderts eingenommen hat, erheblichen Symbolwert erhält? In dieser Perspektive war meine - lange erwartete und geduldig vorbereitete - Pilgerreise nach Kuba eine überaus günstige Gelegenheit, die Soziallehre der Kirche bekannt zu machen. Wiederholt ging es mir darum, zu unterstreichen, dass die wesentlichen Elemente der kirchlichen Lehre über die Person und die Gesellschaft auch zum Erbe des kubanischen Volkes gehören, welches sie von den Vätern des Vaterlandes als Erbe empfangen hat. Diese haben sie aus der Quelle des Evangeliums geschöpft und bis zum Opfer Zeugnis dafür gegeben. Der Besuch des Papstes ist gewissermaßen gekommen, um der christlichen Seele des kubanischen Volkes Stimme zu verleihen. 14 AUDIENZEN UND ANGELUS Diese christliche Seele - davon bin ich überzeugt - ist für die Kubaner der kostbarste Schatz und die sicherste Garantie integraler Entwicklung im Zeichen von wahrer Freiheit und Frieden. Ich wünsche von Herzen, dass die Kirche in Kuba immer freier über angemessenen Raum für ihre Sendung verfügen kann. 7. Ich halte es für bedeutsam, dass die große abschließende Eucharistiefeier auf der „Plaza de la Revoluciön“ am Tag der Bekehrung des Apostels Paulus stattgefunden hat: in gewissem Sinn ein Hinweis, dass die Bekehrung des großen Apostels eine gründliche, beständige und heilige Revolution ist, die für alle Zeiten Gültigkeit hat. lede echte Erneuerung beginnt mit der Bekehrung des Herzens. Der Muttergottes vertraue ich alle Sehnsüchte des kubanischen Volkes und den Einsatz der Kirche an, die mit Mut und Ausdauer ihre Sendung im Dienst des Evangeliums fortsetzt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesem Wunsch zu einer „Revolution der Liebe“ grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, die zu dieser Audienz gekommen sind. Euch allen und euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Dienst und Einsatz für das Leben verstärken Angelus am 1. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute wird in Italien auf Initiative der Italienischen Bischofskonferenz der Tag für das Leben (Giomata per Ia Vita) begangen, der dieses fahr unter dem Thema steht: „Comunicare vita - Leben vermitteln.“ Ich schließe mich meinen Brüdern im Bischofsamt an mit der an die Gläubigen und alle Menschen guten Willens gerichteten Einladung, nachzudenken über die Achtung, die dem menschlichen Leben von seinem Beginn bei der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende geschuldet ist. Zwanzig lahre sind seit der Einführung des Tages für das Leben vergangen. Wenn in diesen zwanzig fahren unter bestimmten Gesichtspunkten die Sensibilität für die Werte des Lebens gewachsen ist, muss man dennoch feststellen, dass einige äußerst schwerwiegende Bedrohungen des Lebens, damnter an erster Stelle die Anwendung der Abtreibung, nicht geringer geworden sind. Es ist nötig, weiter zu beten und sich weiter dafür einzusetzen, dass die Kultur des Lebens über die des Todes siegt. Daher ist es notwendig, „Leben zu vermitteln“. Die ersten „Vermittler“ von Leben sind die Eltern mit der Zeugung und der Erziehung; jeder Mensch ist jedoch gerufen, die Liebe zum Leben weiterzugeben. In besonderer vVeise möchte ich an die Medienschaffenden appellieren, von positiven 15 AUDIENZEN UND ANGELUS Lebenszeugnissen zu berichten und objektiv die wesentlichen Probleme, die das menschliche Leben und die Achtung seiner Würde betreffen, zu behandeln. 2. „Lebensvermittler“ auf geistlicher Ebene sind aufgrund ihrer besonderen Berufung die Personen geweihten Lebens: Ordensmänner und Ordensfrauen sowie geweiht lebende Laien. Gerne hebe ich das hervor, denn morgen, am Fest der Darstellung des Herrn, feiern wir zum zweiten Mal den Tag des geweihten Lebens, den ich selbst letztes Jahr eingeführt habe, um die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf diese für das Leben der Kirche und das Wohl der Gesellschaft wesentliche Berufung zu lenken. Das geweihte Leben geht aus dem Wirken des Heiligen Geistes hervor und verzweigt sich in der Kirche gleich einem Fluss, der die Menschheit mit Glauben, Hoffnung und Liebe tränkt, indem es das Zeugnis des armen, keuschen und gehorsamen Christus in die Welt hinein verlängert. Es ist ein Zeugnis, das nicht selten durch das Vergießen des Blutes besiegelt wird. Gerade heute morgen wurde bekannt, dass in Kigali, in Ruanda, vor der Kirche von der Heiligen Familie ein Missionar aus dem Franziskanerorden ermordet wurde: Pater Vjeco Curie, ein gebürtiger Kroate. Ein weiteres Opfer kommt zu der langen Reihe von Missionaren hinzu, die ihre Liebe zu Christus und zum afrikanischen Volk mit dem Opfer des Lebens bekräftigten. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wir bitten Maria, Mutter Christi und der Kirche, sie möge diesen hochherzigen Zeugen des Evangeliums auf afrikanischem Boden vor ihren Sohn geleiten. Sie, die das Wort des Lebens aufgenommen und im Fleisch geboren hat, möge das Wirken aller unterstützen, die sich einsetzen, um den Menschen zu verteidigen, besonders dann, wenn er schutzlos, ausgegrenzt und abgelehnt ist. Die allerheiligste Jungfrau, Vorbild eines Gott und den Brüdern und Schwestern geweihten Lebens, bitten wir, sie möge den Weg der Personen und Institute geweihten Lebens begleiten, damit sie auf den Anruf des Herrn mit immer größerer Bereitschaft zu antworten wissen, treu zum Charisma der Gründer und aufmerksam für die tiefsten Bedürfnisse der Menschen. Christus - der einzige Erlöser Generalaudienz am 4. Februar Christus offenbart sich in seinem ganzen irdischen Dasein als der vom Vater zur Rettung der Welt gesandte Erlöser. Sein Name selbst, „Jesus“, macht diese Sendung deutlich. Erbedeutet nämlich: „Gott rettet.“ Dieser Name wird ihm aufgrund eines Hinweises vom Himmel gegeben: Sowohl Maria als auch Josef (vgl. Lk 1,31; Mt 1,21) erhalten den Befehl, ihn so zu nennen. In der Botschaft an Josef wird die Bedeutung des Namens erklärt: „... denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ 16 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Christus definiert seinen Erlösungsauftrag als einen Dienst, dessen höchste Ausdrucksform in der Hingabe seines Lebens für die Menschen bestehen wird: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ {Mk 10,45; Mt 20,28). Jesus spricht diese Worte als Gegengewicht zum Hang der Jünger, den ersten Platz im Reich zu suchen, vor allem aber, um in ihnen eine neue Mentalität zu wecken, die der des Meisters ähnlicher ist. Im Buch Daniel wird die als „Menschensohn“ beschriebene Gestalt inmitten der den Herrschern gebührenden Herrlichkeit dargestellt, denen eine umfassende Verehrung zuteil wird: „Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen“ (Dan 7,14). Jesus stellt nun dieser Figur den Menschensohn gegenüber, der sich in den Dienst aller stellt. Als göttliche Person hätte er das volle Recht, bedient zu werden. Aber er sagt, dass er gekommen ist, „um zu dienen“, und offenbart auf diese Weise einen überwältigenden Aspekt des Verhaltens Gottes, der zwar das Recht und die Macht hat, sich bedienen zu lassen, sich aber trotzdem „in den Dienst“ seiner Geschöpfe stellt. Jesus bringt diesen Willen zum Dienen in der Handlung des Letzten Abendmahls beredt und bewegend zum Ausdruck, als er nämlich seinen Jüngern die Füße wäscht: Diese symbolische Geste wird sich endgültig in ihre Erinnerung als Lebensregel einprägen: „Auch ihr müßt einander die Füße waschen“ (vgl. Joh 13,14). 3. Wenn er sagt, dass der Menschensohn gekommen ist, um sein Leben als Lösegeld für viele hinzugeben, bezieht sich Jesus auf das prophetische Wort des zerschlagenen Knechts, „der sein Leben als Sühnopfer hingab“ (Jes 53,10). Es handelt sich um ein persönliches Opfer, ganz anders als die Schlachtopfer, wie sie im antiken Kult üblich waren. Es ist das Geschenk des eigenen Lebens „als Lösegeld für viele“, das heißt für die unermessliche Menge der Menschen, eben für „alle“. Jesus erscheint so als der universale Erlöser: Dem Plan Gottes gemäß werden alle menschlichen Wesen von ihm losgekauft, befreit und gerettet. Paulus sagt: „Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus“ (Röm 3,23-24). Die Erlösung ist ein Geschenk, das ein jeder nach dem Maß seiner freien Zustimmung und freiwilligen Mitarbeit erhalten kann. 4. Als universaler Erlöser ist Christus auch der alleinige Erlöser. Petrus bestätigt das sehr deutlich: „Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Gleichzeitig wird er auch zum einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen erklärt, wie der erste Brief an Timotheus bestätigt: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,5-6). Als Gott-Mensch ist Jesus der vollkommene Mittler, der die Menschen mit Gott vereint, indem er ihnen die Güter des Heils und des göttlichen Lebens verschafft. Es ist eine einzigartige Mittlertätigkeit, die jede konkurrierende oder parallele Mittler- 17 A UDIENZEN UND ANGELUS Schaft ausschließt, obwohl sie mit zusätzlichen und von ihr abhängigen Mittler-schaften vereinbar ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 5). Man kann also keine unabhängigen Heilsquellen oder -wege neben Christus annehmen. Deshalb erkennen die Christen in den großen Religionen, denen die Kirche mit Respekt und Achtung gemäß den Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils gegenübersteht, die Präsenz heilbringender Elemente, die allerdings in Abhängigkeit vom Einfluss der Gnade Christi wirken. Kraft des geheimnisvollen Wirkens des Heiligen Geistes, der „weht, wo er will“ (Joh 3,8), können diese Religionen dazu beitragen, den Menschen auf ihrem Weg zur ewigen Freude zu helfen, aber auch diese Rolle ist das Ergebnis der erlösenden Tätigkeit Christi. Christus, der Erlöser, wirkt also geheimnisvoll auch in Bezug auf die Religionen; bei diesem Werk vereinigt er mit sich die ganze Kirche, gegründet „als Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1). 5. Ich möchte mit einem wunderbaren Abschnitt aus dem Traktat der wahren Marienverehrung des hl. Ludwig von Montfort abschließen, der den christologischen Glauben der Kirche verkündet: „Jesus Christus ist ,das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende' (Offb 21,6), aller Dinge. [...] Jesus Christus ist der einzige Lehrer, der uns lehren soll; der einzige Herr, von dem wir abhängen sollen, das einzige Haupt, mit dem wir verbunden sein sollen; das einzige Vorbild, dem wir nacheifem sollen, der einzige Arzt, der uns heilen soll; der einzige Hirt, der uns Nahrung geben soll; der einzige Weg, der uns führen soll; die einzige Wahrheit, der wir glauben sollen: das einzige Leben, das uns erfüllen soll. Er ist das Ein und Alles, das uns genügen soll. [...] Jeder Gläubige, der nicht mit Jesus Christus verbunden ist wie die Rebe mit dem Weinstock, fällt ab, verdorrt und taugt nur noch dazu, ins Feuer geworfen zu werden. Wenn wir aber in Jesus Christus sind und Jesus Christus in uns ist, haben wir .keine Verurteilung mehr1 {Röm 8,1) zu fürchten. Weder die Engel im Himmel noch die Menschen auf der Erde, weder die Teufel in der Hölle noch irgendeine andere Kreatur können uns schaden, denn ,sie können uns nicht scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist' (Röm 8,39). Durch Christus, mit Christus und in Christus vermögen wir alles: dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre zu geben, vollkommen zu sein und für unseren Nächsten zum Duft des ewigen Lebens zu werden.“ (Louis-Marie Grignion de Montfort, Über die wahre Hingabe an Maria, 61, in: ders. Das goldene Buch der Hingabe an Jesus durch Maria, vollst. neu übers, und bearb. von Hermann Josef Jünemann, Kanisius-Verlag, 25. Aufl. Konstanz 1995, S. 184-186.) Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über 18 AUDIENZEN UND ANGELUS Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Licht der Hoffnung auch in der Nacht des Leidens Angelus am 8. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am kommenden Mittwoch, dem 11. Februar, wird der sechste Welttag der Kranken gefeiert, der unter das geistliche Patronat Unserer Lieben Frau von Lourdes gestellt ist, deren liturgisches Gedächtnis an jenem Tag begangen wird. Dieses Jahr findet die Feier in Loreto statt, beim Heiligen Haus, der berühmten Ikone des Geheimnisses der Menschwerdung, und damit an einem überaus geeigneten Ort in diesem dem Heiligen Geist gewidmeten zweiten Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum. Für diesen wichtigen Anlass habe ich Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano zu meinem Legaten ernannt, der sich zusammen mit den Verantwortlichen des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst nach Loreto begeben wird. Ich komme hier nicht umhin, der großen Verdienste von Kardinal Angelini zu gedenken, der am Anfang dieses Rates gestanden hat. 2. Der Welttag der Kranken lädt alle ein, nachzudenken über die Bedeutung und den Wert des Leidens im Licht der guten Nachricht Christi, d. h. der Offenbarung, dass Gott nicht gleichgültig ist gegenüber den Tragödien und Prüfungen der Menschen, sondern sie im Gegenteil selber auf sich genommen hat, um uns den Weg des Heils zu öffnen. In seinem Erdendasein näherte sich Christus mit besonderer Liebe den Leidenden. Er heilte Kranke, tröstete Betrübte, speiste Hungernde, befreite von Taubheit, Blindheit, Aussatz und Dämonen und erweckte Tote zum Leben. Am Höhepunkt seiner Sendung ging er dem Leiden und dem Tod mit dem Bewusstsein entgegen, dass er gerade durch das Kreuz die Wurzeln des Bösen erreichen und das Heilswerk vollbringen musste. Von Liebe getrieben, litt Christus freiwillig, litt er als Unschuldiger und stellte so die Wahrheit der Liebe durch die Wahrheit des Leidens unter Beweis, eines Leidens, das er, der Gottmensch mit unermesslicher Intensität erfuhr. Aber gerade durch dieses Opfer verband er ein für allemal das Leiden mit der Liebe und erlöste es dadurch. 3. Mit Jesus ist in diesem Geheimnis des Leidens und der Liebe in erster Linie seine Mutter Maria vereint. Ihr Schmerz verbindet sich mit dem des Sohnes. Auf Golgota wird sie zum vollkommenen Vorbild der Teilhabe am Kreuz Christi. Jeder Mensch ist zum Leiden berufen; jeder Mensch kann, Maria nachahmend, zum Mitarbeiter des Leidens Christi und daher seiner Erlösung werden. Das ist die 19 AUDIENZEN UNDANGELUS gute Nachricht, die die Kirche ohne Unterlass verkündet vor allem durch das leuchtende Zeugnis so vieler Männer und Frauen, die die physischen und geistigen Prüfungen des Lebens im Glauben annehmen und mit Liebe leben. Alle Kranken und Leidenden empfehle ich der Seligen Jungfrau Maria, Salus in-firmorum (Heil der Kranken), an. Möge ihre mütterliche Fürsprache für jeden die tröstliche Erfahrung der Liebe Gottes erbitten, die auch in der Nacht des Leidens das Licht der Hoffnung vermittelt. Irak: erneuter Appell des Papstes für gewaltfreie Lösung Mit lebhafter Sorge verfolge ich die Entwicklungen der Situation im Irak und wünsche weiterhin von Herzen, dass die Verantwortlichen für das Leben der Nationen diplomatische Mittel und Dialog anwenden, um jede Form des Einsatzes von Waffen zu verhindern. Ich bin überzeugt, daß die Betroffenen noch die Möglichkeit haben, sich zu verständigen und die Grundsätze geltend zu machen, welche auf friedliche Weise das internationale Zusammenleben regeln. Die Situation, wie sie im Irak und der ganzen Nahost-Region besteht, lehrt uns, dass bewaffnete Konflikte die Probleme nicht lösen, sondern zu noch größerem Unverständnis unter den Völkern führen. Der Hl. Stuhl kann alle diejenigen nur ermutigen, die sich dämm bemühen, die Verhandlungen fortzusetzen, um Kriegshandlungen zu verhindern und einen Weg des Friedens zu fördern. Dafür beten wir inständig. In Solidarität und Hoffnung Generalaudienz am Welttag der Kranken, 11. Februar 1. Heute, am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, begehen wir den Welttag der Kranken, der nun schon zum sechsten Mal stattfindet. Dieses Jahr wird er in Loreto, beim Heiligen Haus, gefeiert, wo zu diesem besonderen Anlass Kranke und Freiwillige des Krankendienstes, Gläubige und Pilger aus Italien und anderen Ländern zusammengekommen sind. An sie, die über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, möchte ich jetzt meinen liebevollen Gruß richten. Insbesondere grüße ich meinen Vertreter bei dieser Feier, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, sowie den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, Erzbischof Javier Lozano Barragän, und alle, die die heutige Veranstaltung organisiert und vorbereitet haben. Ich grüße den Päpstlichen Delegaten für das Heiligtum von Loreto, Erzbischof Angelo Comastri, und die Bischöfe, die bei diesem Gebetstreffen haben anwesend sein wollen. Ich grüße die beruflich und freiwillig Krankendienst Leistenden, insbesondere die Mitglieder der UNITALSI. 20 AUDIENZEN UND ANGELUS Doch in ganz besonderer Weise richte ich mein Wort an die Kranken, denen meine innige Zuneigung gilt. Sie sind die wahren Hauptpersonen dieses Tages, der in meinem Herzen einen so lebendigen und tiefen Widerhall hervorruft. Sie grüße ich aufs allerherzlichste! 2. Loreto und die Kranken! Was für eine interessante Gegenüberstellung! Das berühmte Marienheiligtum lässt unverzüglich an das Geheimnis der Menschwerdung denken, für das das Wirken des Geistes wesentlich war. Und gerade dem Heiligen Geist ist das Jahr 1998 gewidmet, das zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000. In geistlicher Wallfahrt möchte ich zu Unserer Lieben Frau nach Loreto pilgern und euch mitnehmen, die ihr heute in dieser Audienzhalle „Paul VI.“ zur gewohnten jährlichen Begegnung vom 11. Februar zusammengekommen seid. In geistiger Weise schließen wir uns den in Loreto versammelten Kranken an, um im Gebet mit ihnen im Heiligen Haus zu verweilen, Gedenkstätte der wunderbaren Nachsicht Gottes, aufgrund deren das Wort Fleisch geworden ist und Wohnung unter den Menschen genommen hat. In der eindrucksvollen Atmosphäre des heiligen Ortes nehmen wir das Licht und die Kraft des Geistes auf, die das Herz des Menschen zu einer Wohnstatt der Hoffnung zu machen vermögen. Im Haus von Maria ist Platz für alle ihre Kinder. Denn wo Gott wohnt, findet jeder Mensch Aufnahme, Tröstung und Frieden, besonders in der Stunde der Prüfung. Mit Maria, „Heil der Kranken“, gibt es Halt für die Schwankenden, Licht für die in Zweifeln Befangenen, Linderung für die von Leid und Krankheit Gequälten. Loreto ist das Haus der Solidarität und der Hoffnung, wo man fast greifbar die mütterliche Fürsorge Marias verspürt. Von der Versicherung ihres mütterlichen Schutzes getröstet, fühlt man sich leichter bereit, die Leiden der an Körper und Geist geprüften Brüder und Schwestern zu teilen, um das Öl des Trostes und den Wein der Hoffnung auf ihre Wunden zu gießen (vgl. Messale Romano, Prefazio Comune VIII). Wie bei der Hochzeit in Kana achtet die Jungfrau aufmerksam auf die Nöte jedes Menschen und ist bereit, für alle bei ihrem Sohn Fürsprache einzulegen. Es ist daher sehr bedeutsam, dass die Feier des Welttags der Kranken Jahr für Jahr in Mari-enheiligtümem stattfindet. 3. Liebe Kranken, heute ist euer Tag. Ich denke an euch, die ihr beim Heiligen Haus versammelt seid, an euch, die ihr in dieser Audienzhalle anwesend seid, wie auch an alle Kranken, die sich bei der Grotte von Lourdes zu Füßen der ohne Erbsünde Empfangenen oder in sonstigen Marienheiligtümem überall auf der Welt eingefunden haben. Ich denke an euch in noch viel größerer Zahl in den Krankenhäusern, in den Wohnungen, in euren Zimmern, die Heiligtümer eurer Geduld und eures täglichen Gebets sind. Euch ist in der Gemeinschaft der Kirche ein besonderer Platz vorbehal- 21 AUDIENZEN UND ANGELUS ten. Der Zustand des Krankseins und der Wunsch, wieder gesund zu werden, machen euch zu vorzüglichen Zeugen des Glaubens und der Hoffnung. Ich vertraue der Fürsprache Marias eure Sehnsucht nach Genesung an und ermutige euch, diese stets mit der theologischen Tugend der Hoffnung, die ein Geschenk Christi ist, zu erleuchten und zu erheben. Maria wird euch helfen, dem Leiden einen neuen Sinn zu geben und es zu einem Weg des Heils und einer Gelegenheit der Evangelisierung und Erlösung zu machen. Und so wird eure Erfahrung des Leidens und der Einsamkeit nach dem Vorbild des Leidens Christi und dank des Wirkens des Heiligen Geistes von der siegreichen Kraft der Auferstehung künden. Maria erbitte euch das Geschenk der Zuversicht, die euch auf dem irdischen Pilgerweg stützen möge. Zuversicht ist heute mehr denn je nötig, denn komplexer und problematischer ist die Erfahrung des modernen Lebens. Und du, Jungfrau von Loreto, wollest über dem Weg von uns allen wachen. Geleite uns dem himmlischen Vaterland entgegen, wo wir mit dir auf ewig die Herrlichkeit deines Sohnes Jesus schauen werden. Allen erteile ich meinen liebevollen Segen! Grußworte in deutscher Sprache: Liebe Schwestern und Brüder! So denke ich am heutigen Tag besonders an die alten und kranken Menschen. Ich grüße die ökumenische Gruppe katholischer Priester und evangelischer Pastoren sowie die Familien der internationalen Gemeinschaft „Das Werk“. Ihnen allen sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Die heiligen Cyrill und Method als Vorbilder im ökumenischen Dialog in Europa Angelus am 15. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern haben wir das Fest der hll. Cyrill und Method gefeiert, die zusammen mit dem hl. Benedikt die Schutzpatrone Europas sind. Die beiden griechischen Brüder des 9. Jahrhunderts, aus Thessalonike gebürtig und in der Schule des Patriarchats Konstantinopel geformt, widmeten sich der Evangelisierung der Völker Großmährens am mittleren Lauf der Donau. Cyrill und Method versahen ihren missionarischen Dienst in Einheit sowohl mit der Kirche von Konstantinopel als auch mit dem Sitz des Nachfolgers Petri und 22 AUDIENZEN UND ANGELUS bekundeten auf diese Weise die Einheit der Kirche, die zu jener Zeit noch nicht durch die Spaltung zwischen dem Osten und dem Westen verletzt war. Der Fürbitte dieser beiden Heiligen möchte ich den Wunsch nach der vollen Einheit unter allen Christgläubigen, besonders im Hinblick auf das Große Jubeljahr 2000, anvertrauen. Die Notwendigkeit den ökumenischen Dialog mit allen Kräften fortzusetzen, wurde bei dem Treffen des Zentralkomitees für das Große Jubeljahr 2000 mit den Delegierten der Bischofskonferenzen, das in den vergangenen Tagen stattfand, mit Nachdruck hervorgehoben. Möge Gott die Schritte zu einer völligen Aussöhnung beschleunigen, damit die Christen am Anbruch des dritten Jahrtausends wenn schon nicht völlig geeint, so doch wenigstens diesem Ziel viel näher sein können. 2. Das Fest der hll. Cyrill und Method bietet mir auch den Anlass, den Christen und allen Menschen guten Willens auf unserem Kontinent das, was wir die europäische Herausforderung nennen können, in Erinnerung zu rufen: d. h. die Notwendigkeit ein Europa zu errichten, das sich seiner Geschichte klar bewusst ist, sich ernsthaft für die Umsetzung der Menschenrechte einsetzt und solidarisch mit den Völkern der anderen Kontinente für die Förderung von Frieden und Entwicklung auf Weltebene eintritt. So hoch gesetzte Ziele können jedoch nicht ohne eine tiefe und beständige geistige Motivation verfolgt werden. Eine solche können die Bürger und Nationen Europas aus dem überreichen gemeinsamen Kulturerbe schöpfen in fruchtbarem Dialog mit anderen großen Denkströmungen, wie es in den besten Augenblicken der 2000jäh-rigen europäischen Zivilisation immer der Fall war. Diese berühmten Apostel Europas zu feiern bedeutet daher, den Einsatz für die Neuevangelisierung des Kontinents zu erneuern, damit dessen christliche Wurzeln am historischen Übergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend neue Nahrung erhalten zum Wohl aller europäischen Völker, ihrer Kultur und ihres friedlichen Zusammenlebens. 3. Die heiligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, im Osten wie im Westen geliebt und verehrt, möge für die Christen erbitten, dass sie in Eintracht für die Neuevangelisierung Zusammenarbeiten und für alle europäischen Nationen, dass sie einander in einem gemeinsamen Haus begegnen können, wobei jede ihren Beitrag mit-bringt und in den Dienst von allen stellt. Das vollkommene Heil Generalaudienz am 18. Februar 1. In seiner programmatischen Rede in der Synagoge von Nazaret zu Beginn seiner Lehrtätigkeit wandte Jesus auf sich selbst das prophetische Wort Jesaias an, in dem der Messias als derjenige auftritt, der „den Gefangenen die Entlassung verkündet“ (Lk 4,18; vgl. Jes 61,1-2). 23 A UD1ENZEN UND ANGELUS Jesus kommt, um uns ein Heil anzubieten, das zwar in erster Linie Befreiung von der Sünde ist, darüber hinaus aber die Ganzheit unseres Daseins in seinen tiefsten Bestrebungen und Wünschen betrifft. Christus befreit uns von dieser Last und Bedrohung und öffnet uns den Weg zur vollkommenen Erfüllung unseres Schicksals. 2. Im Evangelium erinnert Jesus daran, dass die Sünde den Menschen in einen Zustand der Sklaverei versetzt: „Amen, amen, das sage ich euch: Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde“ (Joh 8,34). Die Gesprächspartner Jesu denken an die Freiheit vor allem in äußerlicher Hinsicht, indem sie mit Stolz auf ihr Privileg als Bundesvolk hinweisen: „Wir sind Nachkommen Abrahams und sind noch nie Sklaven gewesen“ (ebd., 33). Jesus legt Wert darauf, ihre Aufmerksamkeit auf eine andere, grundlegendere Freiheit zu lenken, die nicht so sehr von außen, sondern eher von den im Herzen des Menschen wohnenden Gefahren bedroht wird. Wer von der beherrschenden und zerstörerischen Macht der Sünde unterdrückt wird, kann die Botschaft Jesu, ja seine Person selbst, die einzige Quelle der wahren Freiheit, nicht aufnehmen: „Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei“ (ebd., 36). In der Tat kann nur der Sohn Gottes durch die Mitteilung seines göttlichen Lebens die Menschen an seiner Freiheit als Sohn teilhaben lassen. 3. Die von Christus angebotene Befreiung entfernt - mit der Sünde - auch das Hindernis, das Beziehungen der Freundschaft und des Bundes mit Gott verwehrt. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich um eine Versöhnung. An die Christen von Korinth schreibt Paulus: „Gott [... hat] uns durch Christus mit sich versöhnt“ (2 Kor 5,18). Diese Versöhnung vollzieht sich durch das Opfer des Kreuzes, und aus ihr geht jener Frieden hervor, der in der grundsätzlichen Übereinstimmung zwischen menschlichem und göttlichem Willen besteht. Dieser Frieden betrifft nicht nur das Verhältnis zu Gott, sondern er berührt auch die Beziehungen unter den Menschen. Christus „ist unser Friede“, denn er vereint alle, die an ihn glauben, und versöhnt sie „mit Gott in einem einzigen Leib“ (.Eph 2,14.16). 4. Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass Jesus sich nicht darauf beschränkt, das Herz des Menschen aus dem Gefängnis seines Egoismus zu befreien, sondern dass er auch jedem die Liebe Gottes mitteilt. Beim Letzten Abendmahl formuliert er das neue Gebot, das die von ihm gegründete Gemeinschaft kennzeichnen soll: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12; 13,34). Die Neuigkeit dieses Liebesgebots findet sich in den Worten „wie ich euch geliebt habe“. Das „wie“ weist auf den Meister als Vorbild hin, das von den Jüngern nachgeahmt werden soll, gleichzeitig aber deutet es auf ihn als Ursprung oder Quelle der gegenseitigen Liebe. Christus vermittelt den Jüngern die Kraft, so zu lieben, wie er geliebt hat, er steigert ihre Liebe auf die höhere Ebene seiner eigenen Liebe und bringt sie dazu, die Schranken niederzureißen, die die Menschen voneinander trennen. 24 AUDIENZEN UND ANGELUS Aus dem Evangelium ist eindeutig sein Wille zu entnehmen, jeder Diskriminierung und Ausschließung ein Ende zu setzen. Er überwindet die Hindernisse, die sich dem Kontakt mit den Aussätzigen in den Weg stellen; sie waren einer leidvollen Trennung von den anderen unterworfen. Er bricht mit den Traditionen und Regeln, die auf die Isolierung der als „Sünder“ betrachteten Menschen abzielen. Vorurteile, die der Frau einen minderwertigen Status zuschreiben, akzeptiert er nicht: Er nimmt Frauen in sein Gefolge auf und stellt sie in den Dienst seines Reiches. Die Jünger werden seinem Beispiel folgen müssen. Das Eingehen der Liebe Gottes in die menschlichen Herzen kommt ganz speziell in der Verpflichtung zur Feindesliebe zum Ausdruck: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,44-45). 5. Vom Herzen ausgehend, dehnt sich das von Christus gebrachte Heil auf die verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens aus: geistlich und körperlich, persönlich und gemeinschaftlich. Indem er die Sünde mit seinem Kreuz besiegt, eröffnet Christus eine Bewegung umfassender Befreiung. In seinem öffentlichen Auftreten heilt er selbst die Kranken, treibt Dämonen aus, erhebt aus jeder Art von Leid und beweist darin ein Zeichen des Reiches Gottes. Den Jüngern trägt er auf, bei ihrer Verkündigung des Evangeliums das gleiche zu tun (vgl. Mt 10,8; Lk 9,2; 10,9). Wenn also nicht durch Wunder, die von der göttlichen Einwilligung abhängen, so sind die Jünger Christi doch gewiss durch Werke brüderlicher Nächstenliebe und durch ihren Einsatz zur Förderung der Gerechtigkeit berufen, einen wirksamen Beitrag zur Beseitigung der Ursachen des Leids zu liefern, die den Menschen demütigen und traurig stimmen. Natürlich ist es nicht möglich, den Schmerz in dieser Welt vollkommen auszuschalten. Auf dem Weg jedes menschlichen Wesens findet sich der Alptraum des Todes. Vom Ostergeheimnis erhält aber alles ein neues Licht. Das Leid, das in Liebe und mit Christus vereint gelebt wird, trägt Früchte des Heils: Es wird zum „heilbringenden Leid“. Sogar der Tod, wenn man ihm im Glauben begegnet, nimmt die beruhigenden Züge eines Übergangs zum ewigen Leben in Erwartung der Auferstehung des Fleisches an. Daraus kann man entnehmen, wie reich und tief die von Christus gebrachte Erlösung ist. Er ist gekommen, nicht nur alle Menschen, sondern auch den ganzen Menschen zu retten. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den Priestern des Bistums Hildesheim, die ein Romseminar absolvieren. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie 25 AUDIENZEN UND ANGELUS den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Petrusamt - Mittelpunkt der Einheit Angelus am Fest der Kathedra des hl. Petras, 22. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute, am liturgischen Fest der Kathedra des hl. Petrus, hatte ich die Freude, die Eucharistie in einer festlichen Konzelebration mit den im gestrigen Konsistorium kreierten neuen Kardinalen zu feiern und ihnen den Ring, das Symbol einer besonderen Verbundenheit mit dem Nachfolger des Petras, zu überreichen. Das heutige Fest gibt uns Gelegenheit, Gott dafür zu danken dass er der Kirche im Petrusamt einen Mittelpunkt der Einheit in der Wahrheit und in der Liebe geschenkt hat. Als Jesus - wie es die Evangelien bezeugen - seinen Jüngern die entscheidende Frage stellte: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15) war es Petras, der die Antwort gab: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). An jenem Tag erkannte Christus das besondere Charisma, das dem Fischer von Galiläa vom Vater geschenkt war, das Charisma eines lauteren und festen Glaubens. Darum nannte er ihn „Kephas“, was in Hebräisch „Fels“ bedeutet und verhieß, dass er auf diesen Glauben seine Kirche bauen werde (vgl. Mt 16,17-18). Die Jahrhunderte hindurch und auch heute, an der Schwelle des dritten Jahrtausends, ist Petras in der Person seiner Nachfolger berufen, zu bekennen und zu verkünden, dass Jesus der Christus ist, der Erlöser. Mit ihm ist das Bischofskollegium vereint, und es arbeitet mit ihm zusammen, in ganz besonderer Weise das Kollegium der Kardinäle. 2. Liebe Brüder und Schwestern, ich begleite diese neuen Purpurträger mit dem Gebet, das sich vom Petersplatz aus über die ganze Welt hin breitet. Mit euch zusammen rufe ich auf jeden von ihnen und auf ihren Dienst den mütterlichen Schutz Marias, der Königin der Apostel, herab. Ihr vertrauen wir auch den Bußweg der Fastenzeit an, der am kommenden Mittwoch mit dem feierlichen Ritus der Weihe und Austeilung der Asche beginnt. Wir wollen beten, dass jeder Christ und die einzelnen kirchlichen Gemeinschaften einen echten Weg der Bekehrung zu vollbringen wissen zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend. In englischer Sprache sagte der Papst: Einen herzlichen Willkommensgraß richte ich an die Besucher englischer Sprache, die an unserem Angelusgebet teilnehmen. Vor allem grüße ich die Pilger aus den Vereinigten Staaten von Amerika, aus Kanada, Taiwan, Tansania und Sambia, die zu Ehren der neukreierten Kardinäle hier sind. Mögen die Erlebnisse dieser Tage euren Glauben stärken und euch eine immer glühendere Liebe zur Kirche schen- 26 AUDIENZEN UND ANGELUS ken. Lasst uns noch inständiger zur himmlischen Mutter beten um den Frieden in der Welt. Französisch: Einen herzlichen Gruß den Pilgern französischer Sprache, besonders denen, die mit dem Erzbischof von Lyon, dem neuen Kardinal, aus Frankreich gekommen sind. Liebe Freunde, am Schluss dieser feierlichen Liturgie wollen wir die Mutter des Herrn anrufen, auf dass sie der ganzen Kirche beistehe, das Evangelium in Glauben und Liebe zu bezeugen! Deutsch: Ich grüße die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache, die aus Anlass des Konsistoriums zu den Gräbern der Apostelfürsten gekommen sind. Besonders heiße ich die Gläubigen aus der Erzdiözese Wien und aus ganz Österreich willkommen, die zusammen mit ihrem neuen Kardinal die Eucharistie auf dem Petersplatz mitgefeiert haben. Spanisch: Gern begrüße ich die Pilger, die aus Chile, Kolumbien, Spanien und Mexiko gekommen sind, um mit Freude an der heiligen Handlung teilzunehmen, bei der vier Hirten aus diesen Ländern spanischer Sprache zur Kardinalswürde erhoben wurden. Ich grüße euch alle mit großer Liebe und wünsche euch, dass die Pilgerfahrt nach Rom zu diesem bedeutsamen Ereignis euren Glauben stärke und euch in euren Ländern zu mutigen Zeugen dieses Glaubens mache. Portugiesisch: Herzlich begrüße ich die Pilger portugiesischer Sprache, in besonderer Weise die Verwandten und Freunde des Erzbischofs von Belo Horizonte in Brasilien, der nun dem Kardinalskollegium beigezählt wurde. Die heilige Jungfrau führe und beschütze mütterlich eure Schritte im Dienst der Verkündigung und des Zeugnisses für die Frohe Botschaft Jesu Christi. Polnisch: Von Herzen begrüße ich meine Landsleute, die zum öffentlichen Konsistorium gekommen sind. Unter den neuen Kardinalen befindet sich auch unser Landsmann, der seit langen Jahren Missionar in Sambia ist. Gott segne ihn und alle polnischen Missionare! Zur italienischen Sprache zurückkehrend sagte der Papst: Schließlich noch einen herzlichen Gruß an die Pilger, die zu den sieben neuen italienischen Kardinälen gekommen sind, um zum Mitbeten und Mitfeiem bei ihnen zu sein. Ich danke euch meine Lieben, für eure zahlreiche Anwesenheit und ich 27 AUDIENZEN UND ANGELUS fordere euch auf, mit eurem Gebet immer den Nachfolger des Petrus und seine engsten Mitarbeiter zu unterstützen. Die Gemeinschaft zwischen den Gläubigen und den Hirten, die sich heute so sichtbar zeigt, möge eine Opfergabe für Gott sein, die sich zum Lob seiner Herrlichkeit zu ihm erhebt. Im Zeichen der Asche Generalaudienz am Aschermittwoch, 25. Februar 1. Heute beginnt mit der Liturgie des Aschermittwochs der Weg der vierzigtägigen Fastenzeit, der im zentralen Ereignis des liturgischen Jahres, dem österlichen Tri-duum der Feier des Leidens und Sterbens und der Auferstehung Christi, seinen Höhepunkt erreicht. Ehe Jesus seine Sendung aufnahm, verbrachte er vierzig Tage in der Wüste. So sind auch wir heute in gleicher Weise eingeladen, in eine bedeutsame Zeit des Nachdenkens und des Gebetes einzutreten, um uns auf den Weg nach Kalvaria zu begeben und dann die Freude der Auferstehung zu erfahren. Eine bezeichnende symbolische Geste bildet den Beginn dieser besonderen Bußzeit: die Austeilung der Asche. Sie erinnert uns an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und weist hin auf die Notwendigkeit hochherzigen asketischen Bemühens, aus dem dann die mutige Entscheidung hervorgeht, nicht dem eigenen Willen zu folgen, sondern nach dem Beispiel Jesu den Willen des himmlischen Vaters zu erfüllen. Die Austeilung der Asche macht außerdem unseren Zustand als Geschöpfe sichtbar, die als solche in totaler und dankbarer Abhängigkeit vom Schöpfer existieren. Gott ist es ja, der in einem außerordentlichen Akt von Vorliebe und Barmherzigkeit den Menschen aus dem Staub hervorgebracht, ihn mit einer unsterblichen Seele ausgestattet und ihn berufen hat, an seinem eigenen göttlichen Leben Anteil zu haben. Wiederum ist Gott es, der ihn am letzten Tag aus dem Staub auferstehen lässt und seinen sterblichen Leib umgestalten wird. 2. Der demütige Akt des Empfangs der geweihten Asche auf der Stirn, bekräftigt von der Einladung, die heute durch die Liturgie tönt: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“, stellt sich in Gegensatz zu der stolzen Geste Adams und Evas, die durch ihren Ungehorsam ihr Freundschaftsverhältnis zu Gott, dem Schöpfer, zunichte machten. Aufgrund dieser anfänglichen Tragödie sind wir alle, trotz der Taufe, der Gefahr ausgesetzt, der immer wiederkehrenden Versuchung nachzugeben, die den Menschen drängt, in anmaßender Unabhängigkeit von Gott und in ständigem Widerstreit gegen seinen Nächsten zu leben. So wird also die Bedeutung und die Notwendigkeit der Fastenzeit erkennbar, die uns mit dem Ruf zur Umkehr durch Gebet, Buße und Taten geschwisterlicher Solidarität dahin führt, im Glauben die Freundschaft mit Jesus wieder neu zu entzünden oder wieder erstarken zu lassen, uns von den illusorischen Versprechungen 28 AUDIENZEN UND ANGELUS irdischen Glücks freizumachen und in der echten Liebe zu Christus wieder die Harmonie des inneren Lebens zu verspüren. 3. Ich mache mir zu eigen, was der hl. Leo der Große in einer seiner Ansprachen zur Fastenzeit sagte: „Es gibt keine guten Werke ohne den Prüfstein der Versuchung, keinen Glauben ohne die Erprobung seiner Festigkeit, keinen Kampf ohne Feind und keinen Sieg ohne Streit... Hier auf Erden ... sind wir von Verrat und Gefahren umgeben. Wollen wir uns nicht täuschen lassen, so müssen wir auf der Hut sein. Und wollen wir die Oberhand gewinnen, so müssen wir kämpfen“ (Serm. XXXIX, 3; vgl. Bibliothek der Kirchenväter, Kösel 1927). Nehmen wir, liebe Brüder und Schwestern, diese Aufforderung an! Sie verlangt harte Disziplin, vor allem im sozialen Kontext von heute, der oft von oberflächlicher Pflichterfüllung und praktischem Atheismus gekennzeichnet ist. Der Heilige Geist möge uns bei diesem Kampf stärken und unterstützen. Er „nimmt sich unserer Schwachheit an - wie der hl. Apostel Paulus versichert -, denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (vgl. Röm 8,26). Und gerade dem Heiligen Geist ist dieses zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 geweiht. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente sagte ich: „Es wird also darauf ankommen, den Geist als den wiederzuentdecken, der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt“ (Nr. 45). 4. Lassen wir uns also während dieser bevorzugten Zeit vom Heiligen Geist führen: Es ist der gleiche Geist, der Jesus, um ihn auf seine Sendung vorzubereiten, in die Wüste der Versuchung trieb, ihn dann in der Stunde der Prüfung stärkte und ihn vom Ölgarten nach Golgota geleitete. Der Heilige Geist ist uns durch die Gnade der Sakramente zur Seite. Vor allem führt er uns durch das Sakrament der Versöhnung auf dem Weg der Buße und des Bekenntnisses der Schuld in die barmherzigen Arme des Vaters. Ich wünsche von Herzen, die Fastenzeit möge für jeden Christen eine geeignete Gelegenheit zu diesem Weg der Bekehrung sein, der seinen grundlegenden und unverzichtbaren Bezug im Sakrament der Buße hat. Das ist die Bedingung, um zur innigsten und tiefsten Erfahrung der Liebe des Vaters zu gelangen. Maria möge uns als Beispiel gelehriger Aufnahme des Geistes Gottes auf dem Weg durch die Fastenzeit begleiten. An sie wenden wir uns heute in dem Augenblick, in welchem wir, zusammen mit den Gläubigen aller Welt, in die ernste Bußatmosphäre der Fastenzeit eintreten. 29 AUDIENZEN UND ANGELUS Gmßworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Gruppe der Ordensschwestern aus verschiedenen Kongregationen, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen, willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Appell für Sierra Leone Fortgesetzt erreichen den Hl. Stuhl besorgniserregende Nachrichten aus einigen afrikanischen Regionen und insbesondere aus Sierra Leone, wo gegensätzliche Parteien einander bekämpfen und jenen geliebten Völkern schwere Leiden zufügen. Meine Gedanken gehen zu den fünf entführten Ordensmännem; sie sind sehr verdiente Missionare der Barmherzigen Brüder und der Augustiner. Ebenso besorgniserregend sind die Nachrichten über das Los Dutzender von Ordensmännem und Ordensfrauen in der Diözese Makeni, die der pastoralen Sorge des Xaverianer-Bi-schofs Biguzzi anvertraut ist. Ihnen, wie allen Bevölkerungsgruppen von Sierra Leone gilt die Versicherung meiner und der ganzen Kirche tief empfundenen Solidarität. Dank für Bagdader Abkommen Angelus am 1. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Mittwoch sind wir mit dem traditionellen Aschenritus in die ernste, auf Buße ausgerichtete Atmosphäre der Fastenzeit eingetreten. Diese Zeit des Kirchenjahres, die an die vierzig Tage Jesu in der Wüste erinnert, ist für jeden Getauften eine starke Einladung zur Umkehr, um innerlich erneuert zur Feier des Osterfestes des feierlichen Gedächtnisses unseres Heils, zu gelangen. In diesem besonders dem Heiligen Geist gewidmeten Jahr möchte ich daran erinnern, dass, wie die Texte der Evangelien ausdrücklich festhalten, der Geist es ist, der Jesus in die Wüste führt, damit er dort vom Teufel versucht wird (vgl. Lk 4,1). Auch die Christen, deren Leben von demselben in Taufe und Firmung empfangenen Geist geleitet wird, sind gerufen, unterstützt durch die Gnade Christi, den täglichen Kampf des Glaubens auf sich zu nehmen. Die Fastenzeit ist die „Zeit der Gnade“, um das eigene Leben im Licht des Wortes Gottes gründlich zu überprüfen. 30 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Für die Diözese Rom erhält die Fastenzeit in diesem Jahr eine besondere Bedeutung: Sie ist Zeit der „Mission“. Wie ich letzten Donnerstag bei der traditionellen Begegnung mit dem Klerus von Rom hervorheben konnte, tritt die Stadtmission jetzt in die Phase ihres Höhepunktes. In vielen Pfarreien sind die Familienbesuche in vollem Gang, während das ersehnte Jubeljahr 2000 in großen Schritten herannaht. Jedem Bewohner dieser unserer Stadt möchte ich heute die Worte wiederholen: „Öffne die Tür für Christus, deinen Retter!“ Es sind die Worte, die das Thema der Stadtmission bilden. Mein Wunsch ist, sie mögen in jeder Familie der Diözese Gehör finden. 3. Schließlich möchte ich euch einladen, mit mir dem Herrn zu danken für den glücklichen Abschluss des Bagdader Abkommens in der Hoffnung, dass damit endgültig die Gefahr des Griffs zu den Waffen gebannt ist. Ein besonderes Wort der Anerkennung gilt auch dem Generalsekretär der UNO und allen, die in dieser schwierigen Krise an den guten Willen der Menschen haben glauben wollen. Ihr diplomatischer Erfolg ist gewiss ein Sieg der internationalen Gemeinschaft. Die Lage bleibt heikel und komplex, doch die Hoffnung ist groß: Möge Gott alle, denen das Schicksal des irakischen Volkes und der Friede in Nahost am Herzen liegt, weiterhin erleuchten! Wir vertrauen diese Anliegen der allerseligsten Jungfrau Maria, Königin des Friedens, an und bitten sie um ihre mütterliche Fürsprache. Erneuter Appell: Arme Länder von der Last der Auslandsschulden befreien [...] Einen herzlichen Gmß richte ich [...] an die Teilnehmer der von den Missionsinstituten in Italien durchgeführten Initiative mit dem Motto „Befreien wir die armen Länder von den Schulden!“ Hinsichtlich dieses schwerwiegenden Problems unterstreiche ich den Vorschlag, im gegenwärtigen historischen Zeitpunkt der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr den günstigen Augenblick wahrzunehmen für eine beträchtliche Verminderung wenn nicht gar den völligen Erlass der internationalen Schulden, die wie Felsbrok-ken auf dem Geschick vieler Nationen der Welt lasten. Ich ermutige politische und wirtschaftliche Institutionen, ihre Anstrengungen zur Anwendung gerechter Lösungen fortzusetzen und zu vermehren und dabei solche vorzuziehen, die der betroffenen Bevölkerung helfen, aktiv an der Entwicklung ihres Landes teilzunehmen. [...] 31 AUDIENZEN UND ANGELUS Dem „ Genius der Frau “ Wirkung verschaffen! Angelus am 8. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. In vielen Ländern der Welt wird heute der „Tag der Frau“ gefeiert. Es ist ein bedeutsamer Termin, der dazu einlädt, über die Rolle der Frau in der Gesellschaft und - noch weit davor - im Plan Gottes nachzudenken. Es ist eine Rolle, deren Anerkennung in der Geschichte auf viele Hindernisse gestoßen ist. Und auch heute kann man nicht sagen, dass alle Widerstände überwunden sind. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, um den Wunsch auszusprechen, man möge endlich zur vollen Anerkennung der gleichen Würde der Frau und einer angemessenen Bewertung ihrer besonderen Gaben gelangen. Frau und Mann ergänzen sich gegenseitig: Sie ergänzen einander nicht nur physisch und psychisch auf der Ebene des Handelns, sondern tiefer noch auf der Ebene des Seins. Die katholische Lehre zu dieser Frage ist allgemein bekannt; oft hatte ich Gelegenheit, sie in Erinnerung zu bringen, insbesondere im Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem und im Brief an die Frauen. 2. Leider sind wir Erben einer Geschichte gewaltiger Bedingtheiten, die den Weg der Frauen erschwert haben, die oft in ihrer Würde missachtet, in ihren besonderen Vorzügen verkannt und nicht selten ausgegrenzt waren. Das hinderte sie daran, bis in die Tiefe sie selbst zu sein, und brachte die ganze Menschheit um einen wahren geistigen Reichtum. Wie viele Frauen wurden und werden immer noch mehr nach ihrem körperlichen Aussehen beurteilt als nach ihren persönlichen Qualitäten, der beruflichen Kompetenz, den Werken des Geistes, dem Reichtum ihres Empfindens und letztlich der Würde ihres Seins selbst! Und was ist von den Hindernissen zu sagen, die in vielen Teilen der Welt die Frauen noch an der vollen Integration in das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben hindern? Diesbezüglich möchte ich mit dem Hinweis auf den fünfzigsten Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der in diesem Jahr begangen wird, öffentlich einen Appell zugunsten der Frauen Vorbringen, denen heute noch Grundrechte von den politischen Regimen ihrer Länder verweigert werden: von der Umwelt ausgegrenzte Frauen, denen es verboten ist, zu studieren, einen Beruf auszuüben, ja selbst ihre Gedanken öffentlich zu bekunden. Möge die internationale Solidarität die gebührende Anerkennung ihrer Rechte möglichst bald herbeiführen. 3. Maria, Vorbild einer verwirklichten Frau wolle allen, und an erster Stelle jeder Frau, helfen den „Genius der Frau“ zu begreifen: nicht nur um einen ausdrücklichen Plan Gottes zu verwirklichen, sondern auch um der Frau größeren Platz in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu geben. 32 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria möge die Erwartungen und Gebete, den Einsatz und die Leiden aller Frauen der Welt vor den Herrn tragen und allen, Männern wie Frauen, ihre mütterliche Nähe auf dem Lebensweg erweisen. Appell für Kosovo In diesen Tagen sind wir tief besorgt über die dramatische Lage, die in Kosovo entstanden ist, wo das Ausbrechen von Gewalt erneut die Bemühungen um Dialog und Befriedung bedroht. Während ich meine innige Solidarität allen bekunde, die von Leid betroffen sind, über den Tod von Angehörigen trauern und um die Zukunft besorgt sind, möchte ich an den guten Willen aller appellieren, nichts zu unterlassen, um schnell nach Lösungen zu suchen, die die Freiheit und die Rechte dieser geliebten Bevölkerung respektieren. Über alle wache die allerseligste Jungfrau. Die Verwirklichung des Heils in der Geschichte Generalaudienz am 11. März 1. Nachdem wir das von Christus, dem Erlöser, gewirkte vollkommene Heil betrachtet haben, wollen wir nun über dessen fortschreitende Verwirklichung in der Menschheitsgeschichte nachdenken. In gewissem Sinn ging es genau um dieses Problem bei der Frage, die die Jünger vor der Himmelfahrt an Jesus richteten: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6). So formuliert, verrät die Frage, wie sehr sie noch in ihrem Denken von der Perspektive einer Hoffnung geprägt waren, die das Reich Gottes als ein eng mit dem nationalen Geschick Israels verbundenes Ereignis auffasste. In den vierzig Tagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt hatte Jesus ihnen vom „Reich Gottes“ (Apg 1,3) gesprochen. Doch sie werden erst nach der großen Aussendung des Geistes an Pfingsten in der Lage sein, dessen tiefe Dimensionen zu begreifen. Jesus weist sie vorerst in ihrer Ungeduld zurecht, die mit der Erwartung eines Reiches von noch allzu politischer und irdischer Gestalt zusammenhängt, und fordert sie auf, sich den geheimnisvollen Plänen Gottes zu unterwerfen: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“ (Apg 1,7). 2. Diese Ermahnung Jesu hinsichtlich der „Zeiten Gottes“ erweist sich nach 2000 Jahren Christentum mehr denn je aktuell. Angesichts des eher langsamen Wachstums des Reiches Gottes in der Welt sind wir aufgefordert, Vertrauen zu haben in den Plan des barmherzigen Vaters, der alles mit transzendenter Weisheit lenkt. Jesus lädt uns ein, die „Geduld“ des Vaters zu bewundern, der sein umgestaltendes Wirken an die Gemächlichkeit der von der Sünde verwundeten Menschennatur anpasst. Diese Geduld war schon im Alten Testament, in der langen Geschichte, die 33 AUDIENZEN UND ANGELUS das Kommen Jesu vorbereitet hatte, zutage getreten (vgl. Röm 3,26). Sie tritt auch nach Christus weiter zutage in der Entwicklung der Kirche (vgl. 2 Petr 3,9). In seiner Antwort an die Jünger spricht Jesus von „Zeiten“ („chrönoi“) und „rechten Augenblicken“ („kairof‘). Diese beiden Ausdrücke der biblischen Sprache über die Zeit, zeigen zwei Nuancen an, auf die es gut ist, die Aufmerksamkeit zu lenken. Mit „chrönos“ ist die Zeit im gewöhnlichen Sinn gemeint, die aber auch unter dem Einfluss der alles lenkenden göttlichen Vorsehung steht. In diesem gewöhnlichen Ablauf der Geschichte nimmt Gott seine außergewöhnlichen Eingriffe vor, die bestimmten Zeiten einen Heilswert ganz besonderer Art verleihen. Das sind eben die „kairof“, Augenblicke Gottes, die der Mensch aufgerufen ist wahrzunehmen und durch die er sich ansprechen lassen soll. 3. Die biblische Geschichte ist reich an solchen außergewöhnlichen Zeiten. Grundlegende Bedeutung kommt der Zeit des Kommens Christi zu. Im Licht der Unterscheidung zwischen „chrönoi“ und „kairof“ ist es möglich, auch die 2000jährige Geschichte der Kirche neu zu betrachten. Zur ganzen Menschheit gesandt, kennt die Kirche unterschiedliche Zeiten in ihrer Entwicklung. An einigen Orten und in gewissen Zeiten begegnet sie besonderen Schwierigkeiten und Hindernissen, andere Male ist ihr Fortschritt viel rascher. Man stellt lange Zeiten des Wartens fest, in denen die intensiven missionarischen Bemühungen der Kirche wirkungslos zu bleiben scheinen. Solche Zeiten stellen die Kraft der Hoffnung auf die Probe und richten sie auf eine fernere Zukunft aus. Es gibt indes auch günstige Augenblicke, in denen die gute Nachricht wohlwollende Aufnahme findet und die Bekehrungen zahlreich sind. Der erste und grundlegende Augenblick besonders reicher Gnade ist Pfingsten. Viele andere sind danach gekommen und werden noch kommen. 4. Wenn einer dieser Augenblicke kommt, sind diejenigen, welche besondere Verantwortung für die Evangelisierung haben, aufgerufen, ihn zu erkennen, um die durch die Gnade gebotenen Möglichkeiten besser zu nutzen. Es ist aber nicht möglich, den Zeitpunkt im voraus zu bestimmen. Die Antwort Jesu (vgl. Apg 1,7) beschränkt sich nicht darauf, die Ungeduld der Jünger zu bremsen, sondern unterstreicht ihre Verantwortung. Sie sind versucht, zu erwarten, dass Jesus für alles sorgen wird. Sie empfangen hingegen einen Auftrag, der sie zu großherzigem Einsatz beruft: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ {Apg 1,8). Wenn Jesus sich mit der Himmelfahrt den Blicken seiner Jünger entzieht, will er doch gerade durch sie weiter in der Welt gegenwärtig sein. • Ihnen vertraut er die Aufgabe der Verbreitung des Evangeliums im ganzen Universum an und drängt sie, sich hinauszubegeben aus dem engen Blickwinkel, der auf Israel beschränkt ist. Er erweitert ihren Horizont, indem er sie auffordert, seine Zeugen zu sein „in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ {Apg 1,8). Es wird also alles im Namen Christi geschehen, aber ebenfalls wird alles durch den persönlichen Einsatz dieser Zeugen verwirklicht werden. 34 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Vor dieser anspruchsvollen Sendung hätten die Jünger zurückweichen können, da sie sich für unfähig hätten halten können, eine so schwere Verantwortung zu übernehmen. Jesus aber nennt ihnen das Geheimnis, das es ihnen gestatten wird, ihrer Aufgabe gewachsen zu sein: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird“ (Apg 1,8). Mit dieser Kraft wird es den Jüngern gelingen, trotz der menschlichen Schwäche wahre Zeugen Christi in aller Welt zu sein. An Pfingsten erfüllt der Heilige Geist jeden einzelnen der Jünger und die ganze Gemeinde mit der Fülle und Verschiedenheit seiner Gaben. Jesus offenbart die Bedeutung der Gabe der Kraft („dynamis“), die ihre Apostolatstätigkeit unterstützen wird. Bei der Verkündigung war der Heilige Geist als „Kraft des Höchsten“ (vgl. Lk 1,35) über Maria herabgekommen und hatte in ihrem Schoß das Wunder der Menschwerdung vollbracht. Dieselbe Kraft des Heiligen Geistes wird neue Wunder der Gnade hervorbringen im Werk der Evangelisierung der Völker. Grußworte in Deutsch: Mit dem Wunsch, selbst Zeugen Christi aus der Kraft des Heiligen Geistes zu sein, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, die bei dieser Audienz anwesend sind. Besonders heiße ich die Studenten und Schüler willkommen. Euch allen und euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Neue Selige lebten ihren Glauben in marianischer Gesinnung Angelus am 15. März Liebe Brüder und Schwestern! — 1. Eben ist die feierliche Konzelebration zu Ende gegangen, bei der ich die Freude hatte, drei neue Selige zu verkünden. Von Herzen grüße ich alle Pilger, die aus verschiedenen Ländern gekommen sind, um diese Boten des Glaubens zu ehren, die wir heute in der Herrlichkeit Gottes betrachten. Wir wollen dem Herrn danken für das leuchtende Zeugnis für das Evangelium, das diese unsere Schwestern und dieser unser Bruder gegeben haben, die von heute an dem christlichen Volk zur Verehrung und Nachahmung empfohlen sind. Intensiv und beständig war in ihrem Leben der Rückhalt in der mütterlichen Fürsprache Marias, als deren ergebene und vertrauensvolle Kinder sie sich stets bezeichnet haben. 2. Brigida Morello fand in der Unbefleckten Mutter Gottes die Inspiration und den Halt für ihr Werk, das der christlichen Bildung, der Förderung der Frau, der Evangelisierung und der Suche nach der Einheit der Kirche galt. 35 AUDIENZEN UNDANGELUS Mutter Carmen Salles inspirierte sich bei ihrem Erziehungswerk an Maria, dem -weil voll der Gnade und ganz vom Bösen frei - vollkommenen Geschöpf. Deshalb gründete sie das Institut der Missionarinnen von der Unbefleckten Empfäng-nis/Schulschwestem, die heute in zwölf Ländern der Erde verbreitet sind. Und der sei. Vinzenz Eugen Bossilkov, Passionist, Bischof und Märtyrer, war in seinem ganzen Leben von einer innigen, demutsvollen und gehorsamen Anhänglichkeit an die Mutter des Herrn getragen. In Augenblicken schwerer Prüfung betonte er die Güte und unermessliche Leidensfähigkeit Marias. So schrieb er: „Es ist wirklich nicht möglich, ungerührt zu bleiben angesichts solcher Zärtlichkeit und Reinheit der Jungfrau, angesichts solcher Liebe und Hingabe der Mutter und solcher Geduld und Ergebenheit der Schmerzensfrau!“ (vgl. Esercizi Spirituali, S.52). Das Wort und vor allem das Leben der drei neuen Seligen bekräftigen einmal mehr, dass dort wo Männer und Frauen den Weg der Heiligkeit gehen, Maria zugegen ist, um die bei der Hochzeit in Kana ausgesprochene Einladung zu wiederholen: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Die drei neuen Seligen mögen uns helfen diese Ermahnung anzunehmen, besonders in der Fastenzeit, in der wir uns jetzt befinden, einer für die Erneuerung des Herzens und des Lebens günstigen Zeit. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst unter anderem die folgenden Grußworte in deutscher Sprache: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Oberen, Brüder und Alumnen des Collegium Germanicum et Hungaricum. Nach altem Brauch habt ihr heute zu Fuß die Sieben-Kirchen-Wallfahrt unternommen. Gern erteile ich euch für euren weiteren Weg den Apostolischen Segen. Der Glaube an Christus Generalaudienz am 18. März 1. Mit Blick auf das vorrangige Ziel des Jubeljahres, „nämlich die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42), haben wir in der vorigen Katechese die Grundzüge des von Christus gebotenen Heils dargelegt. Heute halten wir inne, um über den Glauben nachzudenken, den er von uns erwartet. „Dem offenbarenden Gott“ - lehrt die Dogmatische Konstitution Dei Verbum -„ist der ,Gehorsam des Glaubens zu leisten“ (Nr. 5). Gott hat sich im Alten Bund offenbart und von seinem auserwählten Volk ein grundsätzliches Festhalten am Glauben gefordert. In der Fülle der Zeit ist dieser Glauben dazu berufen, sich zu erneuern und zu entwickeln, um auf die Offenbarung des menschgewordenen Gottessohnes eine Antwort zu geben. Jesus fordert dies ausdrücklich, als er sich 36 A UDIENZEN UND ANGELUS beim letzten Abendmahl an seine Jünger wendet: „Glaubt an Gott, und glaubt an mich!“ (Joh 14,1). 2. Jesus hatte schon zuvor ein Glaubensbekenntnis an seine Person von der Gruppe der zwölf Apostel verlangt. Bei Cäsarea Philippi hatte er seine Jünger über die verschiedenen Meinungen der Leute zu seiner Identität befragt und dann ihnen selbst die Frage gestellt: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ {Mt 16,15). Die Antwort kommt von Simon: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (16,16). Sofort bestätigt Jesus den Wert dieses Glaubensbekenntnisses und unterstreicht, dass dieses nicht einfach aus einem menschlichen Gedanken, sondern aus einer göttlichen Eingebung hervorgeht: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ {Mt 16,17). Diese stark von der semitischen Klangfarbe geprägte Ausdrucksweise bezeichnet die vollkommene, absolute und höchste Offenbarung: nämlich die, die sich auf die Person Christi, des Gottessohnes, bezieht. Das von Petrus abgelegte Glaubensbekenntnis bleibt als endgültige Ausdrucksform der Identität Christi bestehen. Markus nimmt diese Begriffe in der Einführung zu seinem Evangelium wieder auf (vgl. Mk 1,1), und Johannes nimmt darauf im Epilog zu seinem Evangelium Bezug: Er betont, es geschrieben zu haben, damit man „glaubt, daß Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes“, und damit die Menschen durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen (vgl. Joh 20,31). 3. Worin besteht der Glaube? Die Konstitution Dei Verbum erklärt, dass sich darin „der Mensch Gott als ganzer in Freiheit überantwortet, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft und seiner Offenbarung willig zustimmt“ (Nr. 5). Glauben bedeutet also nicht nur das Festhalten des Verstandes an der offenbarten Wahrheit, sondern auch die Unterwerfung des Willens und die Selbsthingabe an den sich offenbarenden Gott. Diese Einstellung betrifft den ganzen Menschen. Das Konzil erinnert auch daran, dass dieser Glaube nicht vollzogen werden kann „ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und ,es jedem leicht machen soll, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben“ {ebd.). So kann man sehen, wie es uns der Glauben einerseits ermöglicht, die Wahrheit aufzunehmen, die in der Offenbarung enthalten und vom Lehramt derer vorgestellt wird, die als Hirten des Gottesvolkes das „sichere Charisma der Wahrheit“ empfangen haben {Dei Verbum, Nr. 8). Andererseits drängt uns der Glaube zu einem wahrhaft konsequenten Verhalten, das seinen Ausdruck in allen Aspekten eines nach dem Vorbild Christi geformten Lebens finden muss. 4. Da er eine Frucht der Gnade ist, übt der Glaube seinen Einfluss auf das Weltgeschehen aus. Das wird wunderbar im beispielhaften Fall der seligen Jungfrau Maria deutlich. Ihre Glaubensantwort auf die Botschaft des Engels bei der Verkündi- 37 AUDIENZEN UND ANGELUS gung ist für das Kommen Jesu in die Welt von entscheidender Bedeutung. Maria ist Mutter Christi, weil sie als erste an ihn geglaubt hat. Bei der Hochzeit von Kana erlangt Maria das Wunder kraft ihres Glaubens. Trotz der Antwort Jesu, die nicht sehr positiv scheint, behält sie eine vertrauensvolle Einstellung bei und wird so zum Vorbild des mutigen und beständigen Glaubens, der die Hindernisse überwindet. Auch der Glaube der kanaanäischen Frau war mutig und beharrlich. Sie war gekommen, um Jesus um die Heilung ihrer Tochter zu bitten, er aber hatte ihr den Plan des Vaters entgegengehalten, der seinen Auftrag auf die verlorenen Schafe des Hauses Israel beschränkte. Die Kanaanäerin aber antwortete mit der ganzen Kraft ihres Glaubens und erreichte das Wunder: „Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen“ CMt 15,28). 5. Das Evangelium bezeugt die Macht des Glaubens in vielen weiteren Fällen. Jesus zollt dem Glauben des Hauptmanns [von Kafamaum] seine Bewunderung: „Amen, das sage ich euch: Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemand gefunden“ (Mt 8,10). Und zu Bartimäus spricht er: „Geh! Dein Glaube hat dir geholfen“ (Mk 10,52). Das gleiche sagt er zur Frau, die an Blutungen litt (vgl. Mk 5,34). Die an den Vater des Epileptikers gerichteten Worte, der um die Heilung seines Sohnes gebeten hatte, sind nicht weniger beeindruckend: „Alles kann, wer glaubt“ {Mk 9,23). Die Rolle des Glaubens ist die, mit dieser Allmacht zusammenzuarbeiten. Jesus fordert diese Zusammenarbeit so sehr, dass er - nach Nazaret zurückgekehrt - fast keine Wunder mehr wirkt, weil die Einwohner seines Dorfes nicht an ihn glauben (vgl. Mk 6,5-6). Für Jesus ist der Glaube im Hinblick auf die Rettung von wesentlicher Bedeutung. Später wird der hl. Paulus die Lehre Christi weiterentwickeln, wenn er - im Gegensatz zur Meinung derer, die die Hoffnung auf das Heil von der Beachtung des mosaischen Gesetzes begründen wollten - kraftvoll vertritt, dass der Glauben an Christus die einzige Quelle des Heils ist: „Denn wir sind der Überzeugung, daß der Mensch gerecht wird durch den Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes“ {Röm 3,28). Man darf allerdings nicht vergessen, dass Paulus dabei an den wahren und vollkommenen Glauben dachte, „der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6). Der wahre Glaube ist von der Liebe zu Gott beseelt, die von der Liebe zu den Brüder untrennbar ist. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung begrüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den mit 38 AUDIENZEN UND ANGELUS uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Eine erste Bilanz der Pastoraireise nach Nigeria Generalaudienz am 25. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Dem Herrn sei Dank, dass er es mir in den vergangenen Tagen mit dem kurzen, aber gehaltvollen Aufenthalt in Nigeria gewährt hat, wieder den afrikanischen Kontinent zu besuchen. Afrika wird in der Kirche immer mehr zum Hauptgestalter seiner eigenen Geschichte und mitverantwortlich für den Weg des gesamten Gottesvolkes. In Nigeria bin ich einer lebendigen Kirche begegnet, die vor kurzem hundert Jahre seit ihrer ersten Evangelisierung feiern konnte und die sich entschlossen auf den Weg zum Jahr 2000 macht, geleitet und ermutigt von den Weisungen der jüngst abgehaltenen Afrika-Synode. In letzter Zeit sind neue Diözesen und Pfarreien entstanden. Die Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben nehmen zu: Drei neue Seminare wurden eröffnet neben acht bereits bestehenden. All das ist Frucht des Heiligen Geistes, der die Kirche in Nigeria in diesen hundert Jahren beseelt hat und ihr auch heute auf ihrem Weg in die Zukunft weiter beisteht. 2. Dem Staatsoberhaupt und den weiteren Vertretern der zivilen Behörden gilt mein Dank für den mir bereiteten Empfang. Ich hoffe, dass dieses außerordentliche geistliche Ereignis beitragen wird, den Prozess der Aussöhnung in Gerechtigkeit und der vollen Achtung für die Menschenrechte jedes Mitglieds des nigerianischen Volkes zu intensivieren. Den Bischöfen des Landes bringe ich meine brüderliche Dankbarkeit für das Zeugnis der Gemeinschaft und Liebe zum Ausdruck, das sie dem Nachfolger Petri geboten haben - zusammen mit den Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen, den Katechisten und allen Laiengläubigen. Jedem einzelnen gilt mein erneutes „Dankeschön“ und mein Friedensgruß. Mit Ehrerbietung grüße ich die Anhänger der anderen Religionen, besonders die Muslime, die in dem Land eine so zahlreiche Präsenz haben. Dem ganzen nigerianischen Volk gilt mein innigster Gruß. 3. Während dieses Aufenthaltes in Nigeria war mir außer einem Besuch bei den Regierenden des Landes das Zusammentreffen mit den Bischöfen, den eifrigen Hirten des Gottesvolkes, gegeben. In angenehmer Erinnerung bewahre ich auch die Begegnung mit den höchsten Vertretern des Islam, denen gegenüber ich die Bedeutung der geistigen Bande habe betonen wollen, die Christen und Muslime verbinden: der Glaube an den einen und barmherzigen Gott, das Bemühen, seinen Willen zu suchen und zu erfüllen, der Wert jeder Person als von Gott mit einem 39 AUDIENZEN UND ANGELUS besonderen Ziel geschaffen, die Religionsfreiheit, die Ethik der Solidarität. Ich bete zum Herrn, damit Christen und Muslime, die in Nigeria beide zahlreich sind, Zusammenarbeiten bei der Verteidigung des Lebens wie auch bei der Förderung der tatsächlichen Anerkennung der Menschenrechte jeder Person. 4. Ein weiterer Höhepunkt meines Pastoralbesuchs war die heilige Messe in Abuja, der neuen Bundeshauptstadt des Landes. Aus der Mitte des Schwarzen Kontinents habe ich zusammen mit den Bischöfen, dem Klerus und den Gläubigen ein großes Gebet für Afrika zu Gott erhoben, dass es Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung erfahren möge, dass es seine echtesten Werte, seine Liebe zum Leben und zur Familie, zur Solidarität und zum Gemeinschaftsleben bewahren möge. Ich habe gebetet, dass Afrika, das von unzähligen ethnischen Gruppen bewohnt ist, eine Familie von Völkern werde, wie der Herr für die ganze Welt eine „Familie der Nationen“ will. Das Evangelium ist Ferment für wahren Frieden und Einheit. Die Kirche verkündet bis zu den äußersten Grenzen der Erde diese „gute Nachricht“ vom Heil und unterstützt den Einsatz für die Gerechtigkeit, für den Frieden, für die Gesamtentwicklung der Gesellschaft und für die Achtung vor den grundlegenden Rechten der Person. Die Missionare haben ihr Leben für diese Sache gegeben, sie waren die ersten Verkünder des Evangeliums des afrikanischen Kontinents; in den Dienst derselben Sache haben viele Nigerianer ihr Leben gestellt wie Pater Tansi und so viele andere, die nach ihm auf den Ruf des Herrn geantwortet haben und nun mitarbeiten bei der Neuevangelisierung in der Heimat und anderswo auf dem Erdball. Die Kirche hört nicht auf, Gott zu danken für diesen geheimnisvollen Tausch von Gaben, Frucht des tatkräftigen und universalen Wirkens des Heiligen Geistes. 5. Der Höhepunkt meiner apostolischen Pilgerreise war die feierliche Eucharistiefeier zur Seligsprechung von Pater Cyprian Michael Iwene Tansi, die in seiner Geburtsstadt Onitsha stattfand. Dieses Ereignis teilte eine hohe Botschaft von Heiligkeit, Friedensstiftung und Hoffnung mit, wie sie im Zeugnis von Pater Tansi wunderbar zum Ausdruck kommt. Sein ganzes Apostolat schöpft Kraft aus der Eucharistie: Er feierte die heilige Messe mit sichtbarem Glaubens- und Liebeseifer und betete viele Stunden lang vor dem Allerheiligsten Sakrament in gesammelter Betrachtung. In diesen verlängerten freien Zeiten für das Gebet zog der Herr ihn immer mehr an sich und ließ ihn mit zunehmender Klarheit den Ruf zum kontemplativen Leben verstehen. Im Alter von 47 Jahren brach er nach England auf, wo er in die Trappistenabtei Mount Saint Bemard eintrat. Er konnte nicht, wie es sein Wunsch und Plan gewesen wäre, in die Heimat zurückkehren und dort eine monastische Gemeinschaft gründen. Der Tod kam ihm zuvor; doch sein Zeugnis, fruchtbar gemacht durch Gebet und Opfer, ist geblieben als ein kostbarer und wirkkräftiger Same, der es nicht fehlen ließ, reichliche Frucht hervorzubringen. 6. Pater Tansi ist der erste Zeuge des christlichen Glaubens in Nigeria, der zur Ehre der Altäre erhoben wird: Deshalb kommt es spontan, an ihn als „Protomärtyrer“ 40 A UDIENZEN UND ANGELUS dieser Nation zu denken. Nicht weil er das Martyrium erlitten hätte, sondern insofern als er ein unbesiegbares Zeugnis der Liebe gegeben hat, indem er sich sein ganzes Leben lang im Dienst für Gott und die Brüder aufopferte. In der Geschichte der Kirche kommt den Protomärtyrem erhebliche Bedeutung für die Entwicklung der Gemeinden der Gläubigen und für die Evangelisierung zu. Denken wir zum Beispiel an die römischen Protomärtyrer sowie an diejenigen zahlloser anderer Länder, wo der Glaube aus ihrem heldenhaften Zeugnis hervorgegangen ist. Die Seligsprechung von Pater Tansi ist nicht nur Anerkennung seiner Heiligmäßigkeit und des geistigen Klimas seines Wachstums bis zur Vollkommenheit der Vereinigung mit Gott und den Brüdern. Sie ist auch ein Glückwunsch und ein Zeichen der Hoffnung für die künftige Entwicklung der Kirche in Nigeria und ganz Afrika. 7. Der neue Selige möge Fürsprache einlegen, dass in der nigerianischen Gesellschaft und in allen afrikanischen Ländern ein wahrer und aufrichtiger Geist der Versöhnung wachse und die Botschaft des Evangeliums immer mehr verbreitet werde. Es möge das gegenseitige Verständnis zunehmen, Quelle des Friedens, der Freude und der Einheit in den Familien. Solidarität in Gerechtigkeit möge sich durchsetzen, denn auf diesem Weg kann sich die harmonische Entwicklung jeder Nation verwirklichen. Wir vertrauen diese Anliegen der heiligsten Jungfrau an, die die Liturgie uns heute im Geheimnis der Verkündigung betrachten lässt. Der Heilige Geist drängte sie, Gott ihr „fiat“ zu sagen, und formte in ihrem Schoß das fleischgewordene Wort. Derselbe Geist hat im Lauf der Jahrhunderte das unermüdliche missionarische Wirken der Apostel und Zeugen Christi in jedem Winkel der Erde fruchtbar gemacht. Indem wir Maria, Bild der Treue und des Gehorsams, betrachten, sind wir am heutigen Tag alle aufgefordert, großherzig den göttlichen Ruf anzunehmen und unser treues und endgültiges „Ja“ zum Willen des Herrn zu sagen, damit sein Heilsplan sich überall verwirkliche. Die Jungfrau der Verkündigung, die wir heute feiern, wolle uns zu gehorsamen und mutigen Dienern des Wortes machen, das in ihr Fleisch geworden ist zum Heil jedes Menschenwesens. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Gruppe der Aussiedler aus Nordrhein-Westfalen willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 41 AUDIENZEN UNDANGELUS Geschenke durch Erlöst-Sein - Vergebung und Versöhnung Angelus am 29. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Liturgie des Fünften Fastensonntags legt uns heute die Stelle aus dem Johannesevangelium vor, die Christus und eine des Ehebruchs überführte Frau einander gegenüberstellt. Der Herr verurteilt sie nicht - ja, er rettet sie vor der Steinigung. Er sagt nicht zu ihr: du hast nicht gesündigt; sondern: ich verurteile dich nicht, geh und sündige nicht mehr (vgl. Joh 8,11). Nur Christus kann in der Tat den Menschen retten, weil er dessen Sünden auf sich nimmt und ihm die Möglichkeit bietet, sich zu ändern. Dieser Abschnitt aus dem Evangelium lehrt klar, dass christliche Vergebung nicht einfach ein Synonym von Toleranz ist und vielmehr etwas Anspruchsvolleres bedeutet. Vergebung will nicht heißen, die böse Tat zu vergessen oder, schlimmer noch, zu leugnen. Gott vergibt nicht die böse Tat, sondern er vergibt dem Menschen, der sie begangen hat, und bietet ihm die Möglichkeit, sich zu ändern. Während der Mensch dazu neigt, den Sünder mit seiner Sünde zu identifizieren, und ihm so jeden Ausweg verschließt, hat der Vater im Himmel hingegen seinen Sohn in die Welt gesandt um allen einen Weg des Heils zu bieten. Dieser Weg ist Christus: Durch seinen Tod am Kreuz hat er uns von unseren Sünden erlöst. Den Männern und Frauen aller Zeiten sagt Jesus immer wieder: Ich verurteile dich nicht, geh und sündige nicht mehr (vgl. Joh 8,11). 2. Wie sollte man bei der Betrachtung dieses Evangeliums nicht von innigster Zuversicht erfüllt werden? Wie sollte man darin nicht eine „gute Nachricht“ für die Männer und Frauen unserer Zeit erkennen, die danach verlangen, den wahren Sinn von Barmherzigkeit und Vergebung neu zu entdecken? Es besteht Bedarf an christlicher Vergebung die Hoffnung und Zuversicht gibt, ohne den Kampf gegen das Böse zu schwächen. Es besteht Bedarf daran, Barmherzigkeit zu gewähren und zu erhalten. Man wird aber nicht zur Vergebung fähig, wenn man sich vorher nicht von Gott vergeben lässt und sich als Empfänger seiner Barmherzigkeit anerkennt. Wir werden erst dann bereit die Schuld anderer zu vergeben, wenn wir uns der großen Schuld bewusst werden, die uns vergeben wurde. 3. Die Jungfrau Maria wird von den Christen als Mutter der Barmherzigkeit angerufen. In ihr ist die barmherzige Liebe Gottes Fleisch geworden und ihr unbeflecktes Herz ist immer und überall sichere Zuflucht für die Sünder. Von ihr geleitet, begeben wir uns eiligen Schrittes nach Jerusalem, auf das schon nahe Pascha unseres Heiles zu. Wir folgen ihrem Sohn der seinem Leiden entgegengeht und auch zu uns sagt: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ {Joh 8,11). Auf Golgota vollzieht sich das Weltgericht der Liebe Gottes, damit jeder erkennen kann, dass der gekreuzigte Christus den Preis für unsere Erlösung gezahlt hat. Die Muttergottes möge uns helfen, das Geschenk des Heils mit neuer 42 AUDIENZEN UND ANGELUS Freude anzunehmen, damit wir Zuversicht und Hoffnung finden, voranzugehen in einem neuen Leben. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst unter anderem: Am nächsten Donnerstag werde ich, wie es bereits Brauch ist, die römischen Jugendlichen zur Vorbereitung auf den Weltjugendtag treffen, der am Palmsonntag in allen Ortskirchen gefeiert wird. Das diesjährige Treffen wird zum ersten Mal auf der „Piazza San Giovanni“ stattfinden. Es erhält eine besondere Bedeutung, weil es die Ankunft des Weltjugendtags-Kreuzes vorbereitet. 1985 ging dieses Kreuz von Rom aus auf die Reise und hat seither in den sechs Städten Halt gemacht wo die Weltjugendtreffen mit dem Papst stattfanden: Buenos Aires, Santiago de Compostela, Tschenstochau, Denver, Manila, Paris. Nun kehrt es zu uns zurück im Hinblick auf das Jubiläum der Jugendlichen des Jahres 2000. Ich erwarte daher eine zahlreiche Präsenz von römischen Jugendlichen bei dieser so wichtigen Begegnung am Donnerstagnachmittag, den 2. April. [...] Die Taufe - Grundlage christlicher Existenz Generalaudienz am 1. April 1. Nach dem Markusevangelium stellen die letzten Unterweisungen Jesu an seine Jünger Glauben und Taufe zusammen als den einzigen Weg des Heils dar: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,16). Auch Matthäus unterstreicht im Bericht von dem Sendungsauftrag, den Jesus den Aposteln erteilt, den Zusammenhang zwischen Verkündigung des Evangeliums und Taufe: „... geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Diesen Worten Christi gemäß lädt Petrus, der sich am Pfingsttag an das Volk wendet, um es zur Umkehr aufzurufen, seine Zuhörer zum Empfang der Taufe ein: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38). Die Umkehr besteht also nicht nur in einer inneren Haltung, sondern bedeutet auch Eintritt in die Christengemeinschaft durch die Taufe, welche die Vergebung der Sünden bewirkt und in den mystischen Leib Christi eingliedert. 2. Um den tiefen Sinn der Taufe zu erfassen, ist es nötig, das Geheimnis der Taufe Jesu am Beginn seines öffentlichen Wirkens neu zu meditieren. Es handelt sich um eine auf den ersten Blick überraschende Begebenheit, denn die Taufe des Johannes, die Jesus empfing, war eine „Buß“-Taufe, die den Menschen bereit machte, die Vergebung der Sünden zu empfangen. Jesus wusste wohl, dass er dieser Taufe nicht bedurfte, war er doch ganz ohne Schuld. Zu seinen Gegnern wird er eines 43 AUDIENZEN UND ANGELUS Tages in herausforderndem Ton sagen: „Wer von euch kann mir eine Sünde nach-weisen?“ (Joh 8,46). Tatsächlich empfängt Jesus, der sich der Taufe des Johannes unterzieht, diese nicht zu seiner Läuterung, sondern als Zeichen erlösender Solidarität mit den Sündern. Dieser Taufgeste wohnt eine Erlösungsabsicht inne, denn Jesus ist „das Lamm [...], das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Später wird er als „Taufe“ seine Passion bezeichnen, die er als eine Art Eintauchen in das Leiden empfindet, das er zum Zweck der Erlösung für das Heil aller auf sich nimmt: „Ich muß mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist“ (Lk 12,50). 3. Bei der Taufe im Jordan gibt Jesus nicht nur eine verbindliche Ankündigung seines erlösenden Leidens, sondern empfängt auch eine besondere Ausgießung des Geistes, der in Form einer Taube auf ihn herabkommt, d. h. als Geist der Versöhnung und des göttlichen Wohlwollens. Diese Herabkunft weist auf die Gabe des Heiligen Geistes voraus, die in der Taufe den Christen vermittelt wird. Weiter verkündet eine Stimme vom Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1,11). Es ist der Vater, der seinem Sohn Anerkennung erweist und dem Liebesband Ausdruck verleiht, das ihn mit ihm verbindet. Christus ist in der Tat durch eine einzigartige Beziehung mit dem Vater verbunden, ist er doch das ewige Wort, „eines Wesens mit dem Vater“. Dennoch kann man kraft der durch die Taufe verliehenen Gotteskindschaft sagen, dass für jeden getauften und in Christus eingegliederten Menschen die Stimme des Vaters neu erschallt: „Du bist mein geliebter Sohn.“ In der Taufe Christi findet sich somit der Ursprung der Taufe der Christen und ihres geistlichen Reichtums. 4. Paulus erläutert die Taufe vor allem als Teilhabe an den Früchten des Erlösungswerkes Christi und unterstreicht dabei die Notwendigkeit, der Sünde zu widersagen und ein neues Leben zu beginnen. Er schreibt an die Römer: „Wißt ihr denn nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ [Rom 6,3-4). Gerade weil sie in das Paschamysterium Christi eingetaucht ist, hat die christliche Taufe einen weit höheren Wert als die jüdischen und heidnischen Taufriten. Diese waren Bäder mit einer Bedeutung im Sinn von Reinwaschung, jedoch außerstande, Sünden zu tilgen. Die christliche Taufe hingegen ist ein wirksames Zeichen, welches tatsächlich die Reinigung des Gewissens bewirkt, indem sie die Vergebung der Sünden vermittelt. Sie verleiht ferner ein noch viel größeres Geschenk: das neue Leben des auferstandenen Christus, das den Sünder von Grund auf umwandelt. 5. Paulus offenbart die wesentliche Wirkung der Taufe, wo er an die Galater schreibt: „... ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) 44 A UDIENZEN UND ANGELUS angelegt“ (Gal 3,27). Es besteht eine gmndlegende Ähnlichkeit des Christen mit Christus, die das Geschenk der Adoptiv-Gotteskindschaft mit sich bringt. Gerade weil sie „auf Christus getauft“ sind, sind die Christen mit besonderem Recht „Kinder Gottes“. Die Taufe bewirkt ein wirkliches „Neu-Geborenwerden“. Die Reflexion des Paulus steht mit der vom Johannesevangelium überlieferten Lehre in Zusammenhang, speziell mit dem Gespräch Jesu mit Nikodemus: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ (Joli 3,5-6). „Aus dem Wasser geboren werden“ ist ein klarer Hinweis auf die Taufe, die sich somit als wahre Geburt aus dem Geist erweist. Tatsächlich wird dem Menschen in der Taufe der Geist des Lebens gegeben, der die Menschlichkeit Christi vom Augenblick der Fleischwerdung an „geheiligt“ und den Christus selbst durch sein Erlösungswerk ausgegossen hat. Der Heilige Geist lässt im Christen ein „geistliches“, göttliches Leben entstehen und wachsen, das sein ganzes Sein belebt und erhebt. Durch den Geist bringt das Leben Christi selbst in der christlichen Existenz seine Früchte hervor. Ein großes Geschenk und Geheimnis ist die Taufe! Es ist zu wünschen, dass alle Kinder der Kirche, besonders in dieser Zeit der Vorbereitung auf das Jubiläumsereignis, sich dessen immer tiefer bewusst werden. Grußworte in Deutsch: Mit diesem Wunsch grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders grüße ich den Katholikenrat der Diözese Fulda mit Erzbischof Johannes Dyba an der Spitze. Außerdem heiße ich die Schülerinnen und Schüler willkommen, die zahlreich anwesend sind. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Christi Kreuz - Sinngebung für Leben und Tod Angelus am Palmsonntag, 5. April Liebe Brüder und Schwestern! Die Geste, die in Kürze auf diesem Platz wieder vollzogen wird, enthält eine besondere Bedeutung. Die französischen Jugendlichen werden ihren italienischen Brüdern und Schwestern das große Pilgerkreuz übergeben, das den Weltjugendtag in Rom im August 2000 präsidieren wird. Liebe italienische Jugendliche, dieses Kreuz wird in einer Wandermission durch eure Städte und Diözesen ziehen; ihr werdet euch um es versammeln um auf dem Weg einer ideellen Pilgerfahrt dem Großen Jubiläum entgegenzugehen. Nehmt es in euer Herz und in euer Leben auf; lasst euch ansprechen durch seine Botschaft 45 A UDIENZEN UND ANGELUS vom Tod und von der Auferstehung; werdet zu seinen bewussten und verantwortlichen Zeugen für eure Altersgenossen. Der Papst hatte auf Italienisch begonnen und sprach auf Französisch weiter: Einen herzlichen Gruß richte ich an die französische Delegation, angeführt von Jean-Marie Kardinal Lustiger, Erzbischof von Paris. Mit tiefer Freude danke ich dem Herrn für das Treffen in Paris, das ein Ereignis von großer Begeisterung, ein Zeichen der Hoffnung und ein Anlass zu geistlichem Leben in Geschwisterlichkeit war. Die Tauffeiern, die Katechesen, die Betrachtung der Geheimnisse des Herrn gestatteten den Teilnehmern, ihren Glauben zu vertiefen und zu festigen um ihn großherzig zu bezeugen. Indem ihr, liebe Jugendlichen Frankreichs, heute das Weltjugendtags-Kreuz an die Jugendlichen von Rom übergebt, vollbringt ihr eine bedeutsame Geste. Ihr erinnert daran, dass der Glaube an Christus und die Gemeinschaft in der Kirche sich durch wechselseitigen Austausch und durch das Zeugnis für den verwirklichen, der unser Heil, unsere Hoffnung und unser Glück ist: Jesus von Nazaret. Bringt euren jungen Landsleuten die Ermutigung und die liebevollen Grüße des Papstes mit, der für die Verkündigung des Evangeliums auf euch zählt! Der Papst sagte auf Englisch: Von Herzen grüße ich die heute auf dem Petersplatz anwesenden Jugendlichen sowie alle diejenigen, die diesen Weltjugendtag über Radio und Fernsehen verfolgen. Wir haben die Übergabe des Kreuzes durch die Jugendlichen Frankreichs an die Jugendlichen Italiens zur Vorbereitung des nächsten Weltjugendtages, der hier in Rom stattfinden soll, gesehen. Das Kreuz Christi spricht zu den heutigen Jugendlichen über den wahren Sinn von Leben und Tod, von Zeit und Ewigkeit. Seid vor der Welt Zeugen von der Gnade Jesu Christi! ... auf Spanisch: Mein herzlicher Gruß gilt den Jugendlichen spanischer Sprache. Ihr habt gesehen, wie die französischen Jugendlichen das Kreuz für das Treffen des Jahres 2000 an die italienischen Jugendlichen übergeben haben. Tragt auch ihr es als Botschaft der Liebe auf allen Straßen der Welt voran. Ich denke an die amerikanische Jugend, die zum Kontinentalen Treffen in Santiago de Chile zusammengerufen ist. Ich vertraue euch Unserer Lieben Frau von Guadalupe an, der Mutter und Königin Amerikas, damit dieses Treffen eine Gelegenheit zu geistlichem Wachstum, zur Vermittlung von Werten, zu Geschwisterlichkeit und zum Engagement für den Aufbau der Zivilisation der Liebe sei. ... und auf Deutsch: Sehr herzlich grüße ich die Jugendlichen aus den deutschsprachigen Ländern. Das Kreuz, das euch überreicht wird, soll euch Zeichen und Mahnung sein, euer Leben 46 A UDIENZEN UND ANGELUS ganz und gar nach dem verkündeten Wort zu richten, damit die Welt auf Grand eures echten Zeugnisses glaubt. ... auf Portugiesisch: Ich grüße die Jugendlichen portugiesischer Sprache. Öffnet eure Herzen für das Licht des Heiligen Geistes, tragt das Kreuz Christi voran und lasst seine Hoffnung in eure Familien und in die Gesellschaft strahlen. Möge dieser Weltjugendtag euren Apostel-Eifer für das wahre Glück aller Menschen in eurer Umgebung stärken nach dem Vorbild Marias, der Mutter der Kirche. ... und schließlich auf Polnisch: Ich grüße die polnischen Jugendlichen hier auf dem Petersplatz und auch in der Heimat. Ich danke euch für die Teilnahme an dieser großen Pilgerfahrt des Kreuzes Christi, das von den Weltjugendtagen kommt. Folgt treu und mutig diesem Kreuz. Seid Apostel der Neuevangelisierung und Zeichen der Hoffnung in der Welt von heute. Den Weg zum Heil weist allein das Kreuz Generalaudienz am Mittwoch in der Karwoche, 8. April 1. An diesen Tagen der Karwoche weist die Liturgie mit besonderem Nachdruck auf die Gegensätzlichkeit von Licht und Finsternis,, von Leben und Tod hin, lässt uns aber keinen Zweifel hinsichtlich des endgültigen Ausgangs: die Herrlichkeit des auferstandenen Christus. Morgen werden wir mit dem feierlichen Gottesdienst der Abendmahlsmesse die heiligen drei Tage beginnen, in denen die zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte allen Gläubigen zur Betrachtung geboten werden. Wir werden miteinander in tiefer Anteilnahme das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu wieder erleben. 2. Bei der Chrisam-Messe, dem vormittäglichen Auftakt zum Gründonnerstag, werden sich die Priester morgen früh mit ihrem Bischof versammeln. Im Verlauf einer bedeutungsreichen Eucharistiefeier, die für gewöhnlich in der Kathedrale der Diözese stattfindet, werden das Krankenöl und das Katechumenenöl gesegnet und der Chrisam geweiht. Dieser Ritus bezeichnet symbolisch die Fülle des Priestertums Christi sowie die kirchliche Gemeinschaft, von der das Christenvolk getragen sein soll, welches durch das eucharistische Opfer vereint und durch die Gabe des Heiligen Geistes in der Einheit belebt ist. Morgen Abend werden wir mit dankbarem Herzen den Augenblick der Einsetzung der Eucharistie feiern. Beim Letzten Abendmahl erwies der Herr, „da er die Seinen. die in 1er Welt waren, liebte, [...] ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (.Joh 13,1). Und gerade in dem Augenblick, da Judas sich aufmachte, ihn zu verra- 47 A UDIENZEN UND ANGELUS ten, und in sein Herz die Nacht kam, triumphierte die göttliche Barmherzigkeit über den Hass, das Leben über den Tod: „Jesus [nahm] das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und eßt; das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ {Mt 26,26-28). Der neue und ewige Bund Gottes mit dem Menschen ist also mit unauslöschbaren Buchstaben ins Blut Christi geschrieben, des sanften und geduldigen Lammes, das sich aus freien Stücken zum Opfer gab, um die Sünden der Welt zu sühnen. Am Schluss der Feier lädt die Kirche uns ein, längere Zeit in Anbetung der Eucharistie zu verweilen, um über dieses außerordentliche, unermessliche Geheimnis der Liebe nachzudenken. 3. Der Karfreitag ist gekennzeichnet vom Bericht der Leidensgeschichte und der Betrachtung des Kreuzes. In diesem wurde die Barmherzigkeit des Vaters vollends offenbar. So lässt uns die Liturgie beten: „Wir waren tot aufgrund der Sünde und unfähig, uns dir zu nähern; du gabst uns den äußersten Beweis deiner Barmherzigkeit, als dein Sohn, der einzig Gerechte, sich unseren Händen auslieferte und sich ans Kreuz nageln ließ“ (vgl. Messale Romano, ed. 1983, Preghiera della Riconci-liazione I, S. 920). So groß ist die Ergriffenheit, die dieses Geheimnis bewirkt, dass der Apostel Petrus, als er an die Gläubigen in Kleinasien schrieb, sich in folgender Weise äußerte: „Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (7 Petr 1,18-19). Die Kirche stellt daher nach der Verkündigung der Leidensgeschichte des Herrn die Verehrung des Kreuzes - nicht als Symbol des Todes, sondern als Quell wahren Lebens - in den Mittelpunkt der Karfreitagsliturgie. An diesem an geistlichen Emotionen intensiven Tag erhebt sich das Kreuz Christi vor der Welt als Zeichen der Hoffnung für alle, die sein Geheimnis gläubig in ihr Leben aufnehmen. 4. Diese übernatürlichen Wirklichkeiten meditierend, begeben wir uns in die Stille des Karsamstags in Erwartung des glorreichen Triumphes Christi in der Auferstehung. Am Grab können wir nachdenken über die Tragödie einer ihres Herrn beraubten Menschheit, die infolgedessen unausweichlich von Einsamkeit und Entmutigung beherrscht ist. Auf sich selbst zurückgeworfen, fühlt sich der Mensch sozusagen jedes Antriebs der Hoffnung beraubt angesichts von Leid, Niederlagen im Leben und vor allem des Todes. Was soll man da tun? Es ist nötig, dass wir uns in Erwartung der Auferstehung begeben. An unserer Seite finden wir dann nach einer alten und verbreiteten Überlieferung die Muttergottes, Schmerzensjungfrau und Mutter des geopferten Christus. Doch in der Karsamstagsnacht wird die Stille während der feierlichen Ostervigil, der „Mutter aller Vigilien“, durch den Freudengesang des „Exsultet“ gebrochen werden. Erneut wird der Sieg des Lichtes 48 AUDIENZEN UND ANGELUS über die Finsternis, des Lebens über den Tod verkündet werden, und die Kirche wird bei der Begegnung mit ihrem Herrn frohlocken. So treten wir in die Atmosphäre des Osterfestes ein, des Tages ohne Ende, den der Herr durch seine Auferstehung von den Toten eröffnet hat. Liebe Brüder und Schwestern, öffnen wir unser Herz für die göttliche Gnade, und machen wir uns bereit, Jesus in sein Leiden und seinen Tod zu folgen, um mit ihm in die Freude der Auferstehung einzutreten. In diesem Sinn wünsche ich allen eine fruchtbringende Feier der heiligen drei Tage und ein gesegnetes, glückliches Osterfest. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Einladung, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, begrüße ich Euch von Herzen. Insbesondere heiße ich die Behindertenwallfahrt des Malteser Hilfsdienstes in Köln und die Behindertengmppe aus Alfter sowie die anwesenden Chöre willkommen. Euch und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich ein frohes Osterfest und erteile Euch dazu gerne den Apostolischen Segen. Den Auf erstandenen durch das eigene Lebenszeugnis verkünden! Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 13. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die heutige Liturgie verlängert die Osterfreude und lädt uns ein, im Herrn zu feiern, weil „Christus, unser Osterlamm, für uns geopfert wurde“ (vgl. 1 Kor 5,7). Heute ist es ein Engel, der uns bei der Betrachtung über das Geheimnis der Auferstehung Jesu leitet. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“, meint er zu den Frauen, die zum Grab gegangen sind (vgl. Lk 24,5). Dieselbe Frage klingt seitdem durch alle Jahrhunderte und dringt bis zu uns. Der Engel fordert uns auf, einen Lebenden nicht bei den Toten zu suchen. Aus seinen Worten können wir zwei Lehren ziehen. Erstens die Mahnung, der Suche nach dem auferstandenen Christus nie müde zu werden, denn er schenkt denen, die ihm begegnen, das Leben in Fülle. Christus zu finden bedeutet, den Frieden des Herzens zu entdecken, wie die Erfahrungen vieler Konvertiten beweisen. Auch die Frauen des Evangeliums empfinden - nach ihrer anfänglichen Furcht - eine große Freude, als sie den Meister wieder lebend antreffen (vgl. Mt 28,8-9). Ich wünsche allen, dieselbe geistliche Erfahrung zu machen, indem sie die österliche Frohbotschaft in ihren Herzen, Häusern und Familien aufnehmen: „Christus ist vom Tod 49 A UDIENZEN UND ANGELUS erstanden; er stirbt nicht mehr. Gebrochen ist die Macht des Todes. Halleluja“ (.Kommunionvers am Ostermontag). 2. Aber es gibt noch eine zweite Lehre, die wir aus den Worten des Engels ableiten können. Wenn er die Frauen dazu anhält, den Lebenden nicht bei den Toten zu suchen, möchte er uns verständlich machen, dass Christus - der Lebende der mit Herrlichkeit glänzt - von seinen Jüngern jetzt besser verstanden werden kann als vor seinem Leiden und Tod. Jetzt nämlich schenkt er den Jüngern den Heiligen Geist, der sie „in die ganze Wahrheit führen“ kann (Joh 16,13). Der Heilige Geist als erste Gabe des Auferstandenen an die Gläubigen (vgl. Joh 20,22) kommt ihnen in ihrer Gebrechlichkeit zu Hilfe und führt sie dazu „das Geheimnis der Erlösung vollkommen zu erfassen und die Regel des Glaubens in ganzer Wahrheit zu predigen“ (vgl. Petrus Damiani Carmina etpreces, III). 3. Liebe Brüder und Schwestern! Beten wir zur Himmelskönigin, die ihrem auferstandenen Sohn sicherlich begegnet ist und ihren Dialog mit ihm in der Freude wiederaufnehmen konnte. Möge Maria für jeden Gläubigen die Gabe eines freudigen und konsequenten Zeugnisses erwirken, das auch viele andere dazu führt, dem auferstandenen Herrn, der unter uns immer lebendig ist, zu begegnen und ihn kennen zu lernen. Freude über positive Resultate in Nordirland Ich möchte euch einladen, Gott zu danken für die in den letzten Tagen erreichten positiven Resultate in Nordirland. Sie erlauben, mit größerer Zuversicht in die Zukunft zu blicken, was diese so geliebten und so lange geprüften Volksgruppen betrifft. Wir wollen zum Herrn beten, daß jeder im Hinhören auf sein Gewissen den Mut haben möge, verantwortliche und konkrete Gesten zu vollbringen, die es allen gestatten, miteinander den Weg des Friedens zu gehen und alles abzuwehren, was erneut zu Hass und Gewalt führen könnte. Solidarität mit Opfern der Waldbrände im Amazonasgebiet Einen besonderen Gruß richte ich an die Bevölkerung des brasilianischen Bundesstaates Roraima, dessen Gebiet jüngst von einem gewaltigen Brand des Amazonas-Urwaldes in Mitleidenschaft gezogen wurde - dieser erstreckte sich auch auf die benachbarten Gebiete Venezuelas und des Esequibo, in Guyana. In besonderer Weise spreche ich meine Solidarität der Bevölkerung des Ianomami-Indianerreser-vats aus, die durch diese Katastrophe ihrer normalen Unterhaltsmittel beraubt wurde, und bitte Gott um Beistand, daß er euch vor den Geißeln Hunger und Krankheiten bewahre. Dazu sende ich meinen Apostolischen Segen, ausgedehnt auf die ganze Diözese Roraima. 50 A UDIENZEN UND ANGELUS Die eine Taufe der Gemeinschaft der Christen Generalaudienz am 15. April 1. Die heutige Generalaudienz findet in der Osteroktav statt. In dieser Woche und während der ganzen Zeitspanne bis Pfingsten nimmt die christliche Gemeinschaft die lebendige und wirksame Gegenwart des auferstandenen Christus auf ganz besondere Weise wahr. In dem wundervollen, für die Osterzeit typischen Rahmen des Lichtes und Jubels führen wir unsere Betrachtungen zur Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 fort. Heute wollen wir erneut über das Sakrament der Taufe nachdenken, das den Menschen in das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi eintaucht und ihm dadurch die göttliche Kindschaft mitteilt und ihn in die Kirche einfügt. Die Taufe ist für die Gemeinschaft der Christen wesentlich. Besonders der Brief an die Epheser reiht die Taufe in die Grundlagen der Gemeinschaft ein, die die Jünger Christi untereinander verbindet: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist“ (Eph 4,4-6). Die Bestätigung der einen Taufe im Zusammenhang der anderen Grundsätze der kirchlichen Einheit ist besonders bedeutend. In Wirklichkeit soll dies auf den einzigen Vater hinweisen, der in der Taufe allen die Gotteskindschaft anbietet. Sie ist eng verbunden mit Christus, dem einen Herrn, der die Getauften in seinem mystischen Leib vereint, und mit dem Heiligen Geist, dem Prinzip der Einheit in der Vielfalt der Gaben. Als Sakrament des Glaubens gibt uns die Taufe ein Leben, das uns den Zugang zur Ewigkeit eröffnet, und sie bezieht sich deshalb auf die Hoffnung, die die Erfüllung der Verheißungen Gottes mit Sicherheit erwartet. Die eine Taufe bringt also die Einheit des ganzen Heilsmysteriums zum Ausdruck. 2. Wenn der hl. Paulus die Einheit der Kirche verdeutlichen will, dann vergleicht er sie mit einem Leib, dem Leib Christi, der eben durch die Taufe aufgebaut wird: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden mit dem einen Geist getränkt“ (7 Kor 12,13). Der Heilige Geist ist das Prinzip der Einheit des Leibes, denn er beseelt sowohl Christus - das Haupt - als auch seine Glieder. Wenn sie den Heiligen Geist empfangen, werden alle Getauften, ungeachtet ihrer Unterschiede hinsichtlich Herkunft, Nation, Kultur, Geschlecht oder sozialen Stand, im Leib Christi vereint, so dass Paulus sagen kann: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). 3. Auf dem Fundament der Taufe fordert der erste Petrusbrief die Christen auf, sich um Christus zu scharen, um zum Aufbau des von ihm und auf ihn gegründeten 51 AUDIENZEN UND ANGELUS geistigen Hauses beizutragen: „Kommt zu ihm [Christus], dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (2,4-5). Die Taufe vereinigt also alle Gläubigen in der einen Priesterschaft Christi, sie befähigt sie zur Teilnahme an den Gottesdiensten der Kirche und zur Verwandlung des eigenen Daseins in eine geistige Opfergabe, die Gott gefällt. Auf diese Weise wachsen sie in Heiligkeit und beeinflussen die Entwicklung der gesamten Gemeinschaft. Die Taufe ist auch Ursprung apostolischer Dynamik. Der missionarische Auftrag der Getauften gemäß ihrer eigenen Berufung wird vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausführlich beschrieben. Die Konstitution Lumen Gentium lehrt uns: „Jedem Jünger Christi obliegt die Pflicht, nach seinem Teil den Glauben auszusäen“ (Nr. 17). In der Enzyklika Redemptoris missio habe ich herausgestellt, dass alle Laien kraft ihrer Taufe Missionare sind (vgl. Nr. 71). 4. Die Taufe ist auch für die ökumenische Annäherung ein wesentlicher Ausgangspunkt. In seinen Abhandlungen über unsere getrennten Brüder erklärt das Dekret über den Ökumenismus: „Wer an Christus glaubt und in der rechten Weise die Taufe empfangen hat, steht dadurch in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche“ (Unitatis redintegratio, Nr. 3). Die gültig gespendete Taufe bewirkt in der Tat eine tatsächliche Eingliederung in Christus, und sie macht alle Getauften, welcher Konfession sie auch immer angehören, wirklich zu Brüdern und Schwestern im Herrn. In diesem Zusammenhang ist die Lehre des Konzils folgende: „Die Taufe begründet also ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind“ (ebdNr. 22). Es handelt sich um eine am Anfang stehende Gemeinschaft, die in der Richtung der vollen Einheit weiterentwickelt sein will, wozu uns auch das Konzil ermahnt: „Dennoch ist die Taufe nur ein Anfang und Ausgangspunkt, da sie ihrem ganzen Wesen nach hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus. Daher ist die Taufe hingeordnet auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung, wie Christus sie gewollt hat, schließlich auf die vollständige Einfügung in die eucharistische Gemeinschaft“ (ebd.). 5. Dieser ökumenische Aspekt der Taufe verdient es, in der Perspektive des Jubeljahrs besonders herausgestellt zu werden (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 41). Zweitausend Jahre nach der Geburt Christi stehen die Christen vor der Welt leider ohne die volle Einheit, die Er gewünscht und für die Er gebetet hat. Wir dürfen darüber allerdings nicht vergessen, dass das, was uns jetzt schon eint, sehr bedeutend ist. Der Dialog über die Glaubenslehrsätze, die gegenseitige Öffnung und Zusammenarbeit und vor allem die geistliche Ökumene des Gebets und des Einsatzes in der Heiligkeit müssen auf allen Ebenen gefördert werden. Gerade die Gnade der Taufe 52 AUDIENZEN UNDANGELUS ist der Grundstein zum Aufbau jener vollen Einheit, zu der uns der Heilige Geist unaufhörlich drängt. Graßworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Im Bewusstsein, im Sakrament der Taufe verbunden zu sein, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Alumnen des Priesterseminars der Diözese Graz-Seckau mit ihrem Bischof Johann Weber an der Spitze. Außerdem heiße ich die Pilgergruppe des Schönstatt-Familienbundes willkommen. Nicht vergessen möchte ich den Mädchenchor „Rhönlerchen“ aus Fulda und die Musikkapelle aus Garmisch-Partenkirchen. Ich freue mich, dass so viele Gruppen von Jugendlichen und Pfarrgemeinden anwesend sind. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Hilfeaufruf für Nordkorea Regina Caeli am 19. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im heutigen Abschnitt aus dem Evangelium lesen wir, dass Jesus, als er den Aposteln im Abendmahlssaal erschien, zu ihnen sagte: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Mit diesen Worten beruft der auferstandene Christus die Apostel, Boten und Diener seiner barmherzigen Liebe zu sein, und seit jenem Tag ertönt von Generation zu Generation in der Kirche diese Hoffnungskunde für jeden Gläubigen. Selig sind die, die sich der göttlichen Barmherzigkeit öffnen! Die erbarmende Liebe des Herrn geht allem evangeli-sierenden Tun voraus begleitet es und macht es reich an außerordentlichen Früchten der Bekehrung und geistlichen Erneuerung. 2. Der Weg des christlichen Volkes in jedem Winkel der Erde ist gezeichnet vom beständigen Wirken der göttlichen Barmherzigkeit. So war es in den ersten Gemeinden und so bei der folgenden Entfaltung der Kirche in den verschiedenen Kontinenten. An diesem heutigen Tag konzentriert sich unsere Aufmerksamkeit besonders auf die Zeichen der Barmherzigkeit, die Gott in Asien gewirkt hat und weiterhin wirkt. Denn heute morgen wurde mit der festlichen Eucharistiefeier in der Petersbasilika die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien eröffnet. Als Thema für diese Synodenversammlung wurde gewählt: „Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: ,... damit sie das 53 AUDIENZEN UND ANGELUS Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10).“ Es ist ein für Asien sehr passendes Thema, da es insbesondere die Vielfalt seiner Religionen und Kulturen, seiner wirtschaftlichen und politischen Situationen berücksichtigt. Der Boden Asiens umfasst außerordentlich weite Gebiete, offen für die Verkündigung des Heiles in Jesus Christus und für das Zeugnis der Solidarität der Christen gegenüber Bevölkerungen, die nicht selten hart geprüft sind. In diesem Augenblick richten sich meine Gedanken besonders auf die durch Hunger und Entbehrungen äußerst erschöpften Menschen in Nordkorea. Ich fordere die karitativen Organisationen der Kirche auf, sich großherzig dieser schwierigen Lage anzunehmen, und hoffe, dass auch die internationale Gemeinschaft es nicht an den nötigen Hilfen wird fehlen lassen. 3. Wir wollen Maria, der Mutter der Kirche die Arbeiten der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien empfehlen. Sie, die als Lehrmeisterin des Gebetes und der Gemeinschaft in der Gemeinde der Apostel die Mitte bildete möge erlangen, dass sich der Heilige Geist in Fülle über die Synodenväter und alle christlichen Gemeinschaften überall auf dem asiatischen Kontinent ergieße. Unsere Liebe Frau, die Mutter der göttlichen Barmherzigkeit, erwirke uns auch, dass wir offenen Herzens das Geschenk der barmherzigen Liebe annehmen, das der auferstandene Christus allen Gläubigen anbietet, damit seine Barmherzigkeit und sein Friede die Gegenwart und die Zukunft der ganzen Menschheit kennzeichnen mögen. Die endgültige Wiederkunft Christi Generalaudienz am 22. April 1. Während der Weg zum Jubiläum uns das erste, historische Kommen Jesu in Erinnerung ruft, lädt er uns auch ein, vorauszublicken in der Erwartung seines zweiten Kommens am Ende der Zeiten. Diese eschatologische Perspektive, welche die grundsätzliche Ausrichtung der christlichen Existenz auf die letzten Wirklichkeiten anzeigt, ist ein fortwährender Aufruf zur Hoffnung und zugleich zum Einsatz in der Kirche und in der Welt. Wir dürfen nicht vergessen, dass das „eschaton“, d. h. das endgültige Ereignis, nach christlicher Sicht nicht nur ein in der Zukunft vorhandenes Ziel ist, sondern eine Wirklichkeit, die mit dem historischen Kommen Christi bereits begonnen hat. Sein Leiden, sein Tod und seine Auferstehung bilden das höchste Ereignis der Menschheitsgeschichte. Diese ist nunmehr in ihre letzte Phase getreten, wobei sie sozusagen einen „Qualitätssprung“ vollzieht. Für die Zeit öffnet sich der Horizont einer neuen Beziehung zu Gott, gekennzeichnet durch das große Angebot des Heils in Christus. Deshalb kann Christus sagen: „Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben“ (Joh 5,25). Die für das Ende der Zeiten erwartete Auferstehung der Toten 54 A UDIENZEN UND ANGELUS erhält schon jetzt eine erste und entscheidende Verwirklichung in der geistlichen Auferstehung, die das Hauptziel des Heilswirkens ist. Sie besteht im neuen Leben, vermittelt vom auferstandenen Christus als Frucht seines ErlösungsWerkes. Es ist ein Geheimnis der Wiedergeburt aus Wasser und Geist (vgl. Joh 3,5), das die Gegenwart und Zukunft der ganzen Menschheit grundlegend prägt, wenn auch seine Wirksamkeit jetzt schon nur in denen zur Entfaltung kommt, die das Geschenk Gottes voll annehmen und in die Welt ausstrahlen. 2. Diese zweifache - gegenwärtige und zugleich zukünftige - Dimension des Kommens Christi tritt deutlich zutage in seinen Worten. In der eschatologischen Rede, die dem österlichen Drama nur wenig vorausgeht, kündet Jesus an: „... dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels“ (Mk 13,26-27). In der apokalyptischen Sprache sind die Wolken ein theophanisches Zeichen: Sie weisen darauf hin, dass die Wiederkunft des Menschensohnes nicht in der Schwäche des Fleisches geschehen wird, sondern in der göttlichen Macht. Diese Worte der Rede lassen an die letzte Zukunft denken, welche die Geschichte abschließen wird. Doch in der Antwort, die er dem Hohenpriester während des Prozesses gibt, nimmt Jesus die eschatologische Prophetie wieder auf und bringt sie in Begriffen eines unmittelbar bevorstehenden Ereignisses zum Ausdruck: „Ich erkläre euch: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ {Mt 26,64). Wenn man diese Worte denen aus der vorherigen Rede gegenüberstellt, erfasst man den dynamischen Sinn der christlichen Eschatologie als historischen Prozess, der schon begonnen hat und auf dem Weg zu seiner Fülle ist. 3. Wir wissen andererseits, dass die apokalyptischen Bilder der eschatologischen Rede im Hinblick auf das Ende aller Dinge in ihrer symbolischen Intensität interpretiert werden müssen. Sie drücken die Vorläufigkeit der Welt und die erhabene Macht Christi aus, in dessen Hände das Schicksal der Menschheit gelegt ist. Die Geschichte geht ihrem Ziel entgegen, Christus hat aber keine chronologischen Fristen angegeben. Illusorisch und abwegig sind daher die Versuche von Voraussagen für das Ende der Welt. Christus hat uns nur versichert, dass das Ende nicht kommen wird, bevor sein Heilswirken eine universale Dimension erreicht hat durch die Verkündigung des Evangeliums: „Dieses Evangelium vom Reich wird auf der ganzen Welt verkündet werden, damit alle Völker es hören; dann erst kommt das Ende“ {Mt 24,14). Jesus sagt diese Worte zu den Jüngern, die darum besorgt sind, den Zeitpunkt für das Ende der Welt zu erfahren. Sie wären versucht gewesen, an einen nahen Augenblick zu denken. Jesus gibt ihnen zu verstehen, dass zuvor viele Ereignisse und Katastrophen geschehen müssen und nur „der Anfang der Wehen“ sein werden {Mk 13,8). Denn, so sagt Paulus, die ganze Schöpfung „seufzt und liegt in Ge- 55 AUDIENZEN UND ANGELUS burtswehen“ und wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes (vgl. Röm 8,19-22). 4. Das Werk der Evangelisierung der Welt bedingt die tiefgehende Umwandlung der Menschenwesen unter dem Einfluss der Gnade Christi. Paulus hat das Ziel der Geschichte im Plan des Vaters aufgezeigt, „in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,11). Christus ist der Mittelpunkt des Universums, der alle an sich zieht, um ihnen die Fülle der Gnade und das ewige Leben zu vermitteln. Der Vater hat Jesus „Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist“ (Joh 5,27). Wenn das Gericht natürlich auch die Möglichkeit der Verdammnis vorsieht, so ist es doch einem, der „der Menschensohn“ ist, anvertraut, also einer Person voller Verständnis und solidarisch mit der menschlichen Befindlichkeit. Christus ist ein göttlicher Richter mit menschlichem Herzen, ein Richter, der Leben geben möchte. Allein die unbußfertige Verwurzelung im Bösen kann ihn daran hindern, dieses Geschenk zu machen, für das er nicht zögerte, dem Tod entgegenzu treten. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich besonders willkommen: die Teilnehmer an der Diözesanpilgerfahrt des Erzbistums Wien in Begleitung des Erzbischofs von Wien, Christoph Kardinal Schönbom; eine Gruppe von Ordensschwestern aus verschiedenen Kongregationen, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen; das Südtiroler Bläserensemble sowie die zahlreichen Jugendlichen und Firmlinge aus der Schweiz. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Wirken für eine neue Blütezeit des Evangeliums in Asien! Regina Caeli am 26. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. In dieser liturgischen Osterzeit, die vom Sonntag der Auferstehung bis zum Pfingstsonntag geht, erklingt in der Versammlung der Gläubigen besonders häufig der Freudengesang des Halleluja. Er ist Einladung zum Lobpreis für den Sieg Christi über die Sünde und den Tod. Es ist auch die Zeit des Jahreskreises, in der wir der Anfänge der Kirche gedenken und uns mit dem Geschehen um die Schar der Jünger befassen, die dem auferstan- 56 AUDIENZEN UND ANGELUS denen Jesus begegnet waren und danach mit Macht seinen Geist empfingen und zu mutigen Verkündern des Evangeliums in der Welt wurden. Wenn wir in diesen Tagen beim Lesen des Buches der Apostelgeschichte den ersten Schritten der Kirche nachgehen, wie sollten wir uns dabei nicht bewusst sein, dass zur Zeit in Rom die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien stattfindet? Die Wiege des Christentums ist die asiatische Küste des Mittelmeeres gewesen. Nach zweitausend Jahren stellt sich die Kirche Fragen über ihre Präsenz in Asien; den Blick auf diesen riesigen Kontinent gerichtet, wo drei Viertel der Menschheit leben vernimmt sie erneut die Worte Christi: „[...] geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern [...], und lehrt sie, alles zu befolgen was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,19-20). 2. In der Apostelgeschichte wird uns auch gesagt, dass in der Mitte der entstehenden apostolischen Gemeinschaft die Gegenwart der Mutter des Auferstandenen ist: „Sie alle verharrten [...] einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14). Wie unter dem Kreuz mit dem Erlösungsopfer Christi innig vereint, so ist Maria im Abendmahlssaal seine stumme Zeugin unter den Aposteln. In gewissem Sinn ist sie die geistliche Förderin ihres Glaubens und ihres Gebets. Sie unterstützt und ermutigt sie während sie einmütig um den von Jesus verheißenen Heiligen Geist bitten. Dieses Bild der betenden Urgemeinde in Erwartung von Pfingsten soll stets vor unseren Augen stehen, besonders in diesem Jahr des Heiligen Geistes, als Hilfe auf unserem Weg im Glauben und im Apostolat. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen die Osterzeit in intensiver und ständiger Anrufung des Geistes leben, gestützt und geleitet von der heiligsten Jungfrau, Mutter des guten Rates. Maria möge die Gaben des Geistes des Herrn für alle Gläubigen erbitten, und besonders für alle die an den Arbeiten der Synode teilnehmen, damit der Weg der Kirche in Asien immer schneller vorangehe und das dritte Jahrtausend eine neue Blütezeit des Evangeliums unter den edlen Nationen dieses riesigen Kontinentes anzeige. Nach dem Regina Caeli sagte der Papst: Heute wird in Italien der Tag der katholischen „Sacro-Cuore“-Universität begangen, der in diesem Jahr zum Thema hat: „In Kultur investieren: für den Einsatz der Jugendlichen, für die Zukunft der Gesellschaft.“ Achtzig Jahre nach dem Tod von Giuseppe Toniolo, nach dem das Institut benannt ist, welches dem Leben der „Universitä Cattolica“ vorsteht, bietet sich diese erneut als qualifizierter Bezugspunkt für alle an, die dem Menschen und der Gesellschaft durch wissenschaftliches und kulturelles Studium dienen wollen. Ich lade daher die gesamte kirchliche Gemeinschaft Italiens ein, die Tätigkeit dieser wichtigen und verdienstvollen Institution zu unterstützen. 57 A UDIENZEN UND ANGELUS Auf Deutsch sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die neuen Diakone des Collegium Germanicum et Hungari-cum willkommen, die mit ihren Angehörigen gekommen sind, um das marianische Gebet zu verrichten. Gott segne euren weiteren Weg im Dienst des Herrn! Maria, die Mutter Generalaudienz am 29. April 1. Indem das Jubiläum unseren Blick auf Christus ausrichtet, lädt es uns ein, unsere Augen auch auf Maria zu wenden. Wir können den Sohn nicht von der Mutter trennen, denn das „von Maria Geboren-Sein“ gehört zur persönlichen Identität Christi. Von den ersten Glaubensformeln an wurde Jesus als Sohn Gottes und Sohn Marias anerkannt. Darauf weist beispielsweise Tertullian hin, wenn er schreibt: „Man muss an einen einzigen, allmächtigen Gott, Schöpfer der Welt, und an seinen Sohn Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria, glauben“ (vgl. De virg. vel., 1,3). Als Mutter war Maria das erste Menschenwesen, das sich über eine Geburt freuen konnte, die ein neues Zeitalter in der religiösen Geschichte der Menschheit anzeigte. Durch die Botschaft des Engels war ihr das außergewöhnliche Schicksal bekannt, das dem Kind im Heilsplan Vorbehalten war. Die Freude Marias wird zur Grundlage aller künftigen Jubiläen. In ihrem Mutterherzen wurde also auch das Jubiläum bereitet, das wir uns zu feiern anschicken. Daher soll die Heilige Jungfrau sozusagen „transversal“ gegenwärtig sein in der Abhandlung der für die ganze Vorbereitungsphase vorgesehenen Themen (vgl. Tertio millennio cidveniente, Nr. 43). Unser Jubiläum wird eine Teilnahme an ihrer Freude sein müssen. 2. Die Unzertrennbarkeit von Christus und Maria kommt aus dem höchsten Willen des Vaters in der Erfüllung des Planes der Menschwerdung. Wie Paulus schreibt: „Als [...] die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ {Gal 4,4). Der Vater wollte für seinen fleischgewordenen Sohn eine Mutter, damit er in wahrhaft menschlicher Weise geboren würde. Zugleich wollte er eine jungfräuliche Mutter als Zeichen der Gottessohnschaft des Kindes. Um diese Mutterschaft zu verwirklichen, hat der Vater Maria um Zustimmung gebeten. Der Engel legte ihr in der Tat den göttlichen Plan dar und wartete auf eine Antwort, die aus ihrem freien Willen kommen sollte. Das geht aus dem Verkündigungsbericht klar hervor, wo unterstrichen wird, dass Maria eine Frage stellte, die den Vorsatz erkennen lässt, die Jungfräulichkeit zu bewahren. Als der Engel ihr erklärt, dass das Hindernis durch das Wirken des Heiligen Geistes überwunden werden wird, gibt sie ihre Einwilligung zu verstehen. 58 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Diese Zustimmung Marias zum göttlichen Plan hatte eine unermessliche Auswirkung auf die ganze Zukunft der Menschheit. Wir können sagen, dass das im Augenblick der Verkündigung gesprochene „Ja“ das Antlitz der Welt verwandelt hat. Es war ein „Ja“ zum Kommen dessen, der die Menschen von der Knechtschaft der Sünde befreien und ihnen das göttliche Leben der Gnade verschaffen sollte. Durch dieses „Ja“ der jungen Frau aus Nazaret wurde für das Universum ein Geschick des Glückes möglich. Welch wunderbares Ereignis! Der Lobgesang, der aus dem Herzen Elisabets bei der Begebenheit des Besuchs Marias emporquillt, kann gut für den Jubel der ganzen Menschheit stehen: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). 4. Vom Augenblick der Zustimmung Marias an verwirklicht sich das Geheimnis der Menschwerdung. Der Sohn Gottes kommt in unsere Welt und beginnt, als Mensch zu leben, und bleibt dennoch ganz Gott. Von diesem Augenblick an wird Maria Mutter Gottes. Dieser Titel ist der höchste, den man einem Geschöpf zulegen kann. Er ist völlig gerechtfertigt bei Maria, denn eine Mutter ist Mutter der Person des Sohnes in der ganzen Gesamtheit seiner Menschlichkeit. Maria ist „Mutter Gottes“ insofern sie Mutter des „Sohnes“ ist, „der Gott ist“, wenn auch diese Mutterschaft im Zusammenhang des Geheimnisses der Menschwerdung definiert ist. Genau diese Intuition war es, die in den Herzen und auf den Lippen der Christen vom dritten Jahrhundert an den Titel „Theotökos“, Gottesmutter, aufkommen ließ. Das älteste an Maria gerichtete Gebet hat seinen Ursprung in Ägypten und bittet sie in schwierigen Umständen um Hilfe, wobei sie als „Gottesmutter“ angerufen wird. Als später einige die Rechtmäßigkeit dieses Titels bestritten, bestätigte ihn das Konzil von Ephesus im Jahr 431 feierlich, und dessen Wahrheit setzte sich in der Sprache des Lehramtes und im Gebetsbrauch durch. 5. Mit der Gottesmutterschaft hat Maria ihr Herz völlig für Christus geöffnet - und in ihm für die ganze Menschheit. Die Ganzhingabe Marias für das Werk des Sohnes zeigt sich vor allem in der Teilnahme an seinem Opfer. Nach dem Zeugnis von Johannes „stand“ die Mutter Jesu „bei dem Kreuz“ (vgl. Joh 19,25). Sie hat sich also mit allen Leiden vereinigt, die Jesus quälten. Sie hat an der selbstlosen Darbringung seines Opfers für das Heil der Menschheit teilgenommen. Diese Vereinigung mit dem Opfer Christi hat in Maria eine neue Mutterschaft hervorgebracht. Sie, die für alle Menschen gelitten hat, ist zur Mutter aller Menschen geworden. Jesus selbst kündigte diese neue Mutterschaft an, als er vom Kreuz herab zu ihr sagte: „Frau, siehe, dein Sohn!“ (Joh 19,26). Maria war somit zur Mutter des Lieblingsjüngers gemacht - und in der Absicht Jesu zur Mutter jedes Jüngers und jedes Christen. 59 AUDIENZEN UND ANGELUS Diese universale Mutterschaft Marias, dazu bestimmt, das Leben nach dem Geist zu fördern, ist ein erhabenes Geschenk des gekreuzigten Christus an die Menschheit. Jesus sagte zu dem Jünger, den er liebte: „Siehe, deine Mutter!“ Und von jener Stunde an „nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19,27), d. h. er nahm sie „unter seine Güter“ auf, unter die kostbaren Gaben, die der gekreuzigte Meister ihm hinterlassen hatte. Die Worte „Siehe, deine Mutter!“ sind an jeden von uns gerichtet. Wir sind aufgefordert, Maria zu lieben, wie Christus sie geliebt hat, sie als Mutter in unser Leben aufzunehmen, uns von ihr leiten zu lassen auf den Wegen des Heiligen Geistes. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser herzlichen Einladung begrüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Insbesondere heiße ich die vielen Sänger unter Euch willkommen, die mit ihrer Stimme Gottes Lob vermehren wollen. Euch allen und allen Gläubigen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich sehr gerne den Apostolischen Segen. Maria — ein Vorbild für jede Berufung Regina Caeli am 3. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute den Weltgebetstag für Geistliche Berufungen. Er wird am Vierten Sonntag der Osterzeit begangen, der auch „Sonntag vom Guten Hirten“ genannt wird, weil in der Liturgie die bekannte Stelle aus dem Johannesevangelium gelesen wird, in der Christus sich als „der gute Hirt“ bezeichnet, der „sein Leben hin[gibt] für die Schafe“ (Joh 10,11). In diesem besonders bedeutungsvollen liturgischen Kontext hatte ich heute morgen die Freude, in der Basilika Sankt Peter dreißig neue Priester für die Diözese Rom zu weihen. Auf jeden von ihnen habe ich den Heiligen Geist herabgerufen der sie mit einer besonderen sakramentalen Gnade zu Dienern Christi, des guten Hirten, bestellt hat, damit die Gläubigen durch das Wort und die Sakramente „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,11). Ich lade alle ein, für diese jungen Priester zu beten und dafür, dass es in Rom und in der ganzen Welt viele seien, die in großherziger Antwort auf den Ruf des Herrn ihr Leben in den Dienst des Evangeliums stellen. 2. Große Bedeutung hat der Tag der Arbeit angenommen der vorgestern, am 1. Mai, überall auf der Welt gefeiert wurde: der geeignete Anlass zur Vertiefung der Reflexion über die Bedeutung der Arbeit im Leben der Person und der Gesellschaft. An diesem Tag vor allem habe ich die Probleme, die in diesem Augenblick 60 A UDIENZEN UND ANGELUS die Welt der Arbeit belasten, im Gebet vor Gott getragen: Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Ausbeutung der Arbeit von Minderjährigen, unsichere Bedingungen, unter denen die Arbeitstätigkeit bisweilen stattfindet. Mein Wunsch ist es, dass die politischen und gewerkschaftlichen Kräfte sich mit erneutem Engagement dafür einsetzen, nach angemessenen Lösungen für die Probleme zu suchen, die das Phänomen der Globalisierung heute noch weiter verschärft, damit die Würde der menschlichen Arbeit und die Rechte der Arbeitenden stets geachtet werden. 3. Zu Beginn des Monats Mai steht Maria vor uns als Vorbild für jede Berufung: nicht nur derer, die den Ruf aufnehmen, sich ganz Gott und der Ankunft seines Reiches zu weihen, sondern auch derjenigen, die ihren Glauben im Eheleben und in der Ausübung eines Berufs bezeugen wollen. Die Gottesmutter hat wie auch Jesus diese beiden Dimensionen der menschlichen Tätigkeit in einer einzigartigen und vollkommenen Synthese gelebt. Als Angetraute Josefs und Mutter Jesu war sie Hausfrau in Nazaret, damit beschäftigt, ihren Sohn dem Willen Gottes gemäß aufzuziehen. Und als er das Haus und die Zimmermannsarbeit verließ, um sich völlig dem Heilswerk zu widmen das ihm von Gott Vater anvertraut worden war, folgte sie ihm mit inniger Treue bis zum Kreuz und zur Auferstehung und wurde so Bild und Mutter der Kirche. An Maria wenden wir uns voll Zuversicht. Der Herr wird es nicht fehlen lassen, auf Fürsprache seiner Mutter zahlreiche und heilige Berufungen zu wecken für den Dienst des Reiches Gottes in unserer Zeit. Gebetshilfe für Londoner Friedenstreffen Morgen, am 4. Mai, werden in London wichtige Begegnungen stattfinden in der Absicht, die gravierenden Schwierigkeiten zu überwinden, auf die der Friedensprozeß zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern stößt. Ich schließe mich den Gefühlen derer an, die diese Initiative vorgeschlagen und akzeptiert haben, in der tiefen Hoffnung, dass die beiden betroffenen Parteien und die, welche die Aufgabe übernommen haben, ihnen zu helfen, einen starken Willen nähren, den Weg des Dialogs und der Verständigung wiederaufzunehmen. Allen möchte ich noch einmal in Erinnerung bringen, dass es für die Völker Palästinas und Israels einen einzigen gangbaren Weg gibt: den des Friedens, der Achtung, der Gerechtigkeit und der Zusammenarbeit. Bitten wir inständig darum, daß Gott alle erleuchte, die an diesen wichtigen Treffen teilnehmen. 61 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria, Vorbild und Wegleiterin im Glauben Generalaudienz am 6. Mai 1. Die erste Seligpreisung, von der im Evangelium berichtet wird, betrifft den Glauben und ist auf Maria bezogen: „Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1,45). Diese von Elisabet gesprochenen Worte heben den Gegensatz zwischen der Ungläubigkeit des Zacharias und dem Glauben Marias hervor. Zacharias hatte Mühe gehabt, zu glauben, als er die Botschaft empfing, die ihm die Geburt eines Sohnes verhieß, weil er dies für unvollziehbar hielt, da sowohl er als auch seine Frau in fortgeschrittenem Alter waren. Maria ist bei der Verkündigung vor eine noch überwältigendere Botschaft gestellt, nämlich das Angebot, Mutter des Messias zu werden. Auf eine solche Aussicht reagiert sie nicht mit Zweifel, sondern sie beschränkt sich darauf, zu fragen, wie die Jungfräulichkeit, zu der sie sich berufen fühlt, mit der Mutterschaft in Einklang gebracht werden könnte. Auf die Antwort des Engels hin, der sie auf die Allmacht Gottes verweist, die durch den Geist wirksam wird, gibt Maria ihre demütige und großherzige Einwilligung. In diesem einmaligen Augenblick der Menschheitsgeschichte spielt der Glaube eine entscheidende Rolle. Richtig sagt Augustinus: „Maria glaubt an Christus und empfängt ihn im Glauben. Zunächst ereignet sich der Glaube im Herzen der Jungfrau, dann erst folgt die Befruchtung im Schoß der Mutter“ (vgl. Sermo 293, PL 38, 1327). 2. Wenn wir die Tiefe des Glaubens von Maria betrachten wollen, ist uns der Evangeliumsbericht von der Hochzeit in Kana eine große Hilfe. Maria hätte angesichts des ausgegangenen Weines eine beliebige menschliche Lösung für das entstandene Problem suchen können, aber sie zögert nicht, sich direkt an Jesus zu wenden: „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2,3). Sie weiß, dass Jesus keinen Wein zur Verfügung hat; es ist daher wahrscheinlich, dass sie um ein Wunder bittet. Ihre Bitte ist umso kühner, als Jesus bis zu diesem Augenblick noch kein Wunder gewirkt hat. Mit ihrem Handeln in dieser Weise folgt sie ohne Zweifel einer inneren Eingebung, da nach göttlichem Plan der Glaube Marias dem ersten Offenbarwerden der messianischen Macht Jesu vorausgehen soll, so wie er seinem Kommen auf die Erde vorausgegangen ist. Sie verkörpert bereits jene Haltung, die von Jesus für die wahren Glaubenden aller Zeiten gepriesen wird: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). 3. Es ist kein leichter Glaube, zu dem Maria gerufen ist. Schon vor Kana musste sie tiefen Glauben üben, als sie die Worte und Verhaltensweisen des Sohnes erwog. Bezeichnend ist die Begebenheit der Suche nach dem zwölfjährigen Jesus im Tempel, als Maria und Josef auf ihre besorgte Frage die Antwort erhielten: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ {Lk 2,49). Doch jetzt, in Kana, erscheint die Antwort Jesu auf die Bitte der Mutter noch entschiedener und alles andere als ermutigend: „Was 62 A UDIENZEN UND ANGELUS willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4). In der Intention des Vierten Evangeliums handelt es sich hier nicht um die Stunde des öffentlichen Auftretens Christi, sondern vielmehr um eine vorausweisende Bezugnahme auf die äußerste „Stunde“ Jesu (vgl. Joh 7,30; 12,23; 13,1; 17,1), deren messianische Früchte der Erlösung und des Geistes wirksam durch den Wein als Symbol des Wohlstands und der Freude zur Darstellung kommen. Jedoch die Tatsache, dass diese „Stunde“ vom zeitlichen Ablauf noch nicht gekommen ist, bildet ein Hindernis, das - da auf den erhabenen Willen des Vaters zurückgehend - unüberwindbar scheint. Und doch lässt Maria von ihrer Bitte nicht ab bis zu dem Punkt, dass sie den Dienern bei der Erfüllung des erhofften Wunders eine Aufgabe zuweist: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Aus der Folgsamkeit und Tiefe ihres Glaubens heraus erkennt sie in den Worten Christi weitaus mehr als deren unmittelbaren Sinn. Sie erahnt die unergründbare Tiefe und die grenzenlosen Mittel der göttlichen Barmherzigkeit und stellt die Liebesantwort des Sohnes nicht in Frage. Das Wunder ist die Antwort auf die Beharrlichkeit ihres Glaubens. Maria ist somit Vorbild eines Glaubens an Jesus, der sich allen Hindernissen widersetzt. 4. Auch das öffentliche Leben Jesu hält für den Glauben Marias Prüfungen bereit. Zum einen macht es ihr Freude, zu wissen, dass die Reden und Wunder Jesu bei vielen Bewunderung und Zustimmung hervorrufen. Zum anderen sieht sie mit Traurigkeit den immer schärferen Widerstand von Seiten der Pharisäer, der Gesetzeslehrer, der priesterlichen Hierarchie. Man kann sich den Schmerz Marias angesichts solchen Unglaubens vorstellen, zumal sie ihn selbst bei ihrer Verwandtschaft feststellen musste: Die, welche „Brüder von Jesus“ genannt wurden, d. h. seine Verwandten, glaubten nicht an ihn und interpretierten sein Verhalten als Streben nach Berühmtheit (vgl. Joh 7,2-5). Wenn Maria auch von dieser Uneinigkeit in der Familie schmerzlich berührt war, brach sie die Beziehung zu diesen Verwandten nicht ab; wir finden sie an ihrer Seite in der auf Pfingsten harrenden Urgemeinde (vgl. Apg 1,14). Mit ihrer Güte und Liebe hilft Maria den anderen, ihren Glauben zu teilen. 5. Bei der Tragödie von Golgota bleibt der Glaube Marias unversehrt. Für den Glauben der Jünger war diese Tragödie überwältigend. Nur dank der Wirksamkeit des Gebets Christi war es Petrus und den anderen - so sehr sie auch niedergeschlagen waren - möglich, den Weg des Glaubens wieder aufzunehmen, um Zeugen der Auferstehung zu werden. Wenn der Evangelist Johannes sagt, dass Maria bei dem Kreuz „stand“ (vgl. Joh 19,25), will er uns begreiflich machen, dass Maria in jenem dramatischen Augenblick voller Mut geblieben ist. Gewiss war es die schwierigste Strecke auf ihrem „Pilgerweg des Glaubens“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 58). Doch konnte sie standhaft bleiben, weil ihr Glaube nicht wankte. In der Prüfung glaubte Maria weiter, dass Jesus der Sohn Gottes ist und mit seinem Opfer das Geschick der Menschheit wandeln würde. Die Auferstehung war die endgültige Be- 63 AUDIENZEN UND ANGELUS stätigung für den Glauben Marias. Mehr als bei allen anderen nahm der Glaube an Christus in ihrem Herzen das wahrste und vollkommenste Antlitz des Glaubens an, das Antlitz der Freude. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser herzlichen Einladung begrüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Insbesondere heiße ich die vielen Sänger unter Euch willkommen, die mit ihrer Stimme Gottes Lob vermehren wollen. Euch allen und allen Gläubigen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich sehr gerne den Apostolischen Segen. Eine „erschütternde Tragödie“ - Gebet um Trost und Barmherzigkeit Gottes Beileidsworte in deutscher Sprache: Einen besonderen Gruß richte ich an die Familien, Angehörigen und Freunde der Schweizergarde, die zur Vereidigung der neuen Rekruten nach Rom gekommen sind. Was eine Gelegenheit froher Begegnung sein sollte, ist zu einer erschütternden Tragödie geworden, die auf den Herzen aller lastet und die auch in mir großes Leid hervorgerufen hat. Indem ich den Eltern und Verwandten des Kommandanten Alois Estermann und seiner Ehefrau meine tiefempfundene Anteilnahme ausdrücke, richte ich mein Gebet zum Herrn, der ihre Seelen zu sich in Seinen Frieden führen möge. Kommandant Estermann war eine Persönlichkeit tiefen Glaubens und unerschütterlicher Pflichterfüllung; achtzehn Jahre lang hat er treuen und wertvollen Dienst geleistet, für den ich ihm persönlich dankbar bin. Ich bin auch dem Leid der Angehörigen des Vize-Korporals Cedric Tomay nahe, der jetzt vor dem Richterstuhl Gottes steht und den ich Seiner Barmherzigkeit anempfehle. Zugleich lade ich alle ein, sich mit mir im Gebet zu vereinen und den bestärkenden Trost Gottes zu erbitten, der Herr ist über Leben und Tod. Die neuen Seligen — Vorbilder flir unser Leben Regina Caeli am 10. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Schluss dieses feierlichen Gottesdienstes möchte ich die Marienverehrung hervorheben, von der diese neuen Seligen getragen waren. Ihrem leuchtenden Bei- 64 AUDIENZEN UND ANGELUS spiel folgend, wollen auch wir unser kindliches Vertrauen zur Mutter Christi erneuern, auf dass sie uns leite auf dem Weg vollkommener Treue zu Christus und seinem Evangelium. Nach den einleitenden Worten in Italienisch sprach der Papst in Spanisch weiter: 2. Mit Freude grüße ich die aus Spanien gekommenen Pilger, insbesondere die Verwandten der elf neuen seligen Frauen, die Bischöfe ihrer Heimatdiözesen wie auch die Behörden Vertreter, die bei dieser feierlichen Zeremonie haben anwesend sein wollen. Meine Bitte zu Gott ist, dass das wundervolle Beispiel dieser Frauen, die ihr Blut für Christus vergossen und zugleich ihren Henkern von Herzen verziehen haben, dem festen Vorsatz der Gesellschaft Spaniens, in Frieden und Freiheit zu leben, zu Hilfe komme und die Herzen derer zu erweichen vermöge, die auch heute Terror und Gewalt anwenden, um ihre Ideen durchzusetzen. Euch allen erteile ich meinen Segen, den ich auf eure Angehörigen, auf die Betagten und Kranken sowie auch auf die Schwestern der Klausurklöster, die mit den neuen Seligen verbunden sind, ausdehne. ... sodann auf Französisch: 3. Herzlich grüße ich die Libanesen aus dem Libanon und aus der Diaspora, die zur Seligsprechung von Pater Kassab Al-Hardini nach Rom gekommen sind. Meine Grüße gehen zuallererst an den Präsidenten der Libanesischen Republik, an die kirchlichen Autoritäten, an die zivilen und religiösen Persönlichkeiten und an alle Brüder aus dem libanesischen Maronitenorden sowie an die Mitglieder der Familie des neuen Seligen und an die, welche auf seine Fürsprache hin Gnaden erhalten haben. Möge der sei. Al-Hardini unter den Libanesen an der Schwelle des dritten Jahrtausends den Glauben beleben, das christliche Leben hochhalten und das Zeugnis der Jünger Christi stärken! ... und schloss auf Italienisch: 4. Nun grüße ich die zu den Seligsprechungen gekommenen Pilger italienischer Sprache. Ich grüße auch die Teilnehmer an dem von der [italienischen] Gesundheitsministerin und einer Gruppe von Patienten des [römischen] Kinderkrankenhauses „Bambino Gesü“ angeführten Solidaritätsmarsch der Vereinigungen von Transplantations-Patienten und der Vereine freiwilligen Krankendienstes, u. a. AIDO. An alle richte ich mein Wort liebevoller Nähe und herzlicher Ermutigung. Meine mitfühlenden Gedanken gelten schließlich der Bevölkerung von Ecuador, wo Überschwemmungen und Erdrutsche Hunderte von Toten und Vermissten gefordert haben, wie auch der von der jüngsten dramatischen Überschwemmung schwer heimgesuchten Bevölkerung von Kampanien, in Italien, die zahlreiche Opfer und gewaltige Schäden an Gebäuden und Landschaft zu beklagen hat. Indem ich mein Gebet für die Verstorbenen versichere, drücke ich den Angehörigen mit voller christlicher Solidarität meine Nähe aus. Ebenso bete ich für die Vermissten, 65 /IUDIENZEN UND ANGELUS die Obdachlosen und alle, die bei den schwierigen Hilfsmaßnahmen im Einsatz stehen, damit in diesen dramatischen Notsituationen, die mir große Sorge bereiten, baldmöglichst Abhilfe geschaffen werden kann. Über alle rufe ich den mütterlichen Schutz und Beistand Marias, Trost der Betrübten und Mutter der Hoffnung, herab. Der Heilige Geist im Alten Testament Generalaudienz am 13. Mai 1. Im Rahmen der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 ist das laufende Jahr besonders dem Heiligen Geist gewidmet. Nachdem wir auf dem für die ganze Kirche eingeschlagenen Weg die christologische Thematik abgeschlossen haben, beginnen wir heute eine systematische Reflexion über den, „der Herr ist und lebendig macht“. Über die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit hatte ich vielfach die Gelegenheit, ausführlich zu sprechen. Erwähnt sei insbesondere die Enzyklika Dominum et vivificantem und die Katechese über das Credo. Die Perspektive des unmittelbar bevorstehenden Jubiläums bietet mir die Möglichkeit, wiederum auf die Betrachtung des Heiligen Geistes zurückzukommen und in anbetender Haltung nach dem Wirken zu forschen, das er im Ablauf der Zeit und der Geschichte vollbringt. 2. Eine in Wahrheit nicht einfache Betrachtung, wenn nicht der Geist selbst sich unserer Schwachheit annähme (vgl. Röm 8,26). Wie kann man in der Tat die Gegenwart des Geistes Gottes in der Geschichte erkennen? Eine Antwort auf diese Frage können wir nur geben, wenn wir von der Heiligen Schrift ausgehen, deren vom Parakleten inspirierte Bücher uns sein Wirken und seine Identität nach und nach offenbaren. Sie weisen uns gewissermaßen auf die „Sprache“ des Geistes, seinen „Stil“, seine „Logik“ hin. Auch können wir die Wirklichkeit, wo er am Werk ist, mit einem weit über die oberflächliche Betrachtung hinausgehenden Blick durchdringen und so hinter den Dingen und Ereignissen die Merkmale seiner Gegenwart wahmehmen. Angefangen beim Alten Testament, hilft die Schrift uns zu verstehen, dass nichts von dem, was in der Welt gut, wahr und heilig ist, unabhängig vom Geist Gottes erklärt werden kann. 3. Einer ersten verhüllten Andeutung über den Geist begegnet man schon in den ersten Zeilen der Bibel, im Hymnus an den Schöpfergott, mit dem das Buch Genesis beginnt: „Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,2). Für „Geist“ wird hier das hebräische Wort „mach“ gebraucht, welches „Hauch“ bedeutet und sowohl auf den Wind als auch auf den Atem bezogen werden kann. Wie bekannt, gehört dieser Text der sogenannten „Priestergrundschrift“ an, die auf die Zeit des babylonischen Exils (6. Jh. v. Chr.) zurückgeht, als der Glaube Israels deutlich zum monotheistischen Gottesbegriff gelangt war. Dank dem Licht der Offenbarung wurde Israel sich der Schöpfermacht des einzigen Gottes bewusst und gewann 66 A UDIENZEN UND ANGELUS Hand in Hand damit die Einsicht, dass Gott das Universum durch die Macht seines Wortes erschaffen hatte. Verbunden mit dem Wort, tritt die Rolle des Geistes zutage, deren Wahrnehmung schon durch die Analogie der Sprache begünstigt wird, die durch Assoziation das Wort in Zusammenhang bringt mit dem Hauch, der von den Lippen kommt: „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes“ (Ps 33,6). Dieser lebendig machende Lebenshauch Gottes ist nicht allein auf den Anfangspunkt der Schöpfung beschränkt, sondern erhält alles Geschaffene immerfort im Dasein, macht es lebendig und erneuert es stets: „Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (Ps 104,30). 4. Die charakteristischste Neuigkeit der biblischen Offenbarung ist, das bevorzugte Wirkungsgebiet des Geistes Gottes in der „Geschichte“ erkannt zu haben. An etwa hundert Stellen des Alten Testaments bezeichnet der „mach JHWH“ das Wirken des Geistes des Herrn, der sein Volk führt, vor allem an den großen Wendepunkten seines Weges. So ließ Gott zur Zeit der Richter seinen Geist auf schwache Menschen herabkommen und verwandelte sie in charismatische Führungspersönlichkeiten, die mit göttlicher Kraft ausgestattet waren: Das ist der Fall bei Gideon, bei Jiftach und besonders bei Simson (vgl. Ri 6,34; 11,29; 13,25; 14,6.19). Mit dem Aufkommen der davidischen Monarchie erreicht diese göttliche Kraft, die bis dahin unvorhersehbar und zeitlich unterbrochen in Erscheinung getreten war, eine gewisse Stabilität. Gut feststellen lässt sich dies bei der Salbung Davids zum König, über den die Schrift sagt: „Der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an“ (1 Sam 16,13). Während und nach dem babylonischen Exil wird die ganze Geschichte Israels neu gedeutet als ein langer, von Gott mit dem auserwählten Volk „in der Kraft seines Geistes durch die früheren Propheten“ (Sach 7,12) geführter Dialog. Der Prophet Ezechiel macht den Zusammenhang zwischen dem Geist und der Prophetie deutlich, wenn er z. B. sagt: „Da überfiel mich der Geist des Herrn, und er sagte zu mir: Sag: So spricht der Herr...“ (Ez 11,5). Aber die prophetische Perspektive lässt die bevorzugte Zeit, wo sich die Verheißungen im Zeichen des göttlichen „ruach“ erfüllen werden, vor allem in der Zukunft erkennen. Jesaja kündigt die Geburt eines Nachkommens an, von dem er sagt: „Der Geist [...] läßt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,2-3). „Dieser Text ist wichtig für die gesamte Geistlehre des Alten Testamentes“ - habe ich in der Enzyklika Dominum et vivificantem geschrieben -, „weil er gleichsam eine Brücke bildet zwischen dem alten biblischen Begriff des .Geistes, verstanden vor allem als ,geisterfüllter Hauch, und dem ,Geist als Person und Gabe, als Gabe für die Person. Der Messias aus dem Stamm Davids (,aus dem Baumstumpf Isais) ist genau jene Person, auf der sich der Geist des Herrn ,niederläßt111 (Dei Verbum, Nr. 15). 67 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Bereits im Alten Testament werden zwei Merkmale der geheimnisvollen Identität des Heiligen Geistes erkenntlich, die dann von der Offenbarung des Neuen Testamentes ausführlich bekräftigt werden. Das erste Merkmal ist die absolute „Transzendenz“ des Geistes, der daher „heilig“ genannt wird (Jes 63,10.11; Pi 51,13). Der Geist Gottes ist ganz und gar „göttlich“. Er ist keine Wirklichkeit, die der Mensch aus eigenen Kräften erwerben kann, sondern eine Gabe, die von oben kommt: Man kann nur darum bitten und sie annehmen. Als etwas unendlich „Anderes“ als der Mensch wird der Geist völlig unentgeltlich denen mitgeteilt, die zur Zusammenarbeit mit ihm in der Geschichte des Heils gerufen sind. Und wenn diese göttliche Kraft auf demütige und bereitwillige Aufnahme trifft, wird der Mensch aus seinem Egoismus herausgerissen und von seinen Ängsten befreit, und in der Welt erblühen Liebe und Wahrheit, Freiheit und Frieden. Ein weiteres Merkmal des Geistes Gottes ist die „dynamische“ Kraft, die er bei seinem Eingreifen in der Geschichte an den Tag legi. Man läuft manchmal Gefahr, auf das biblische Bild des Geistes Vorstellungen aus anderen Kulturen zu übertragen, wie z. B. die Vorstellung von „Geist“ als etwas Flüchtiges, Statisches und Unbeteiligtes. Der biblische Begriff „mach“ bezeichnet hingegen eine höchst aktive, mächtige, unwiderstehliche Kraft: Der Geist des Herrn - lesen wir in Jesaja -ist „wie ein reißender Bach“ (Jes 30,28). Wenn also der Vater mit seinem Geist eingreift, verwandelt sich das Chaos in Kosmos, in der Welt bricht Leben auf, und die Geschichte kommt wieder in Gang. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Viele deutschsprachige Pilger und Besucher haben sich auf den Weg nach Rom gemacht und sind bei dieser Audienz anwesend. Linen gilt mein herzlicher Willkommensgruß. Besonders grüße ich den Domchor Görlitz, der durch Sängerinnen und Sänger evangelischer Gemeinden ökumenisch erweitert ist, mit Diözesanbischof Rudolf Müller an der Spitze. Außerdem heiße ich die Musikkapelle der Gendarmerie Oberösterreich willkommen ebenso wie die zahlreichen Gruppen von Musikern und jugendlichen. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sow'ie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Im Gedenken des Papstattentats vor 17 Jahren Von Herzen danke ich allen, die sich mir im Gebet angeschlossen haben, um des Geschehens zu gedenken, das sich auf diesem Platz am 13. Mai vor genau siebzehn Jahren ereignete. In Dankbarkeit erhebe ich mein Herz zur Jungfrau von Fatima und erneuere mit kindlichem Vertrauen meine völlige Hingabe an sie. Wie zu Beginn meines Petrusamtes sage ich ihr wiederum: Totus tuus, Maria! 68 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Geist führt das Volk auf seiner Pilgerfahrt Regina Caeli am 17. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. ln dieser österlichen Zeit heben die biblischen Texte, die uns die Liturgie vorlegt, die Anwesenheit und das Wirken des Heiligen Geistes in der ersten christlichen Gemeinde hervor. Die auf dem Zeugnis der Apostel grundgelegtc Kirche wird auf ihrem Weg durch die Jahrhunderte vom Heiligen Geist geleitet, der sie auf den Straßen der Mission allen Völkern und allen Kulturen des Erdkreises ent-gegenführt. Sie erlegt ihnen keine menschlichen Gesetze oder Traditionen auf, vielmehr verkündet sie mit großer Achtung vor ihrem kulturellen Erbe und ihrer religiösen Praxis die Frohe Botschaft von Christus, dem Erlöser, und sein Gebot: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). In dem Jahr, das in besonderer Weise dem Heiligen Geist geweiht ist, sind wir em-geladen, mit größerer Aufmerksamkeit über diese Wirklichkeit nachzudenken und vor allem die von Herzen kommende Bitte an Gott zu richten, dass er seinen Geist sende, um die Erde zu erneuern und sein Volk auf seiner Pilgerschaft durch die Geschichte zu stärken. 2. Das Jahr Zweitausend ist eine passende Gelegenheit, der Evangelisierung in der Welt neuen Schwung zu geben. Darum wurden in diesen letzten Jahren des zweiten Jahrtausends Sonderversammlungen der Bischofssynode für jeden Kontinent einberufen. Vor gerade drei Tagen hat die Versammlung, die Asien gewidmet war. ihren Abschluss gefunden, und heute lade ich euch ein, euch mit mir zu vereinen, um dem Herrn für dieses geschichtliche kirchliche Ereignis zu danken, das nicht nur diesen alten und umfangreichen Kontinent, sondern die universale Kirche betraf. Es war ein Gemeinschaftsgeschehen, ein Ereignis zu gegenseitigem Kennen-lemen, zum Austausch von Gaben und zur Auseinandersetzung über wichtige pa-storale Herausforderungen. Jetzt sind die Bischöfe und die anderen Mitglieder der Versammlung zu ihren Gemeinden zurückgekehrt oder rüsten sich zur Rückkehr. Der Heilige Geist wird ihnen helfen, in den verschiedenen geographischen und vj zialen Situationen Asiens die Wege zu gehen, die er ihnen während der Synode gezeigt hat. damit der gute Samen des Evangeliums überall reichlich ausgesueui wird und Früchte ewigen Heiles trägt. 3. Auf dieses Ziel hin wollen wir Maria, das Abbild der stets vorn Heiligen Geist geführten Kirche, um ihre Fürbitte anruien. Die Anwesenheit Marias in der Kirche ist Unterpfand und Gewähr für die Gabe des Geistes, der in Nazaret in ihr den Erlöser hervorbrachte und am Pfingstfest die entstehende Kirche beseelte, damit das Werk der Erlösung bis an die äußersten Grenzen der Erde ausgebreitet werde. Ihr vertrauen wir die Sendung der Gläubigen in Asien an und ebenso die Erwartungen und Hoffnungen der ganzen Menschheit. 69 AUDIENZEN UND ANGELUS Appell für Indonesien Mit tiefer Besorgnis sehen wir, was in Indonesien geschieht. In diesen letzten Tagen haben Gewalttaten den Tod zahlreicher Menschen und ungeheure Zerstörungen verursacht. Sie haben das ganze Land auf gefahrvolle Wege gebracht. Auf diese edle Nation richtet sich in diesem Augenblick all unsere menschliche und christliche Solidarität. Wir wollen beten, dass das Gemeinwohl des ganzen indonesischen Volkes durch Dialog und gegenseitige Respektierung der Menschen und der Gesetze gesichert werde. Der Heilige Geist im Neuen Testament Generalaudienz am 20. Mai 1. Die im Alten Testament verhüllt angedeutete Offenbarung über den Heiligen Geist als vom Vater und vom Sohn verschiedene Person kommt im Neuen Testament klar und deutlich zum Ausdruck. Gewiss, die neutestamentlichen Schriften bieten uns keine systematisch dargelegte Lehre über den Heiligen Geist. Wenn man aber die vielen in den Schriften von Lukas, Paulus und Johannes vorhandenen Angaben zusammenträgt, ist es dennoch möglich, die Übereinstimmung dieser drei großen Strömungen der neutestamentlichen Offenbarung über den Heiligen Geist wahrzunehmen. 2. Der Evangelist Lukas bietet uns gegenüber den anderen beiden Synoptikern eine viel weiter entwickelte Lehre vom Heiligen Geist dar. Er will im Evangelium zeigen, dass Jesus als einziger den Heiligen Geist in der Fülle besitzt. Zwar wirkt der Geist auch in Elisabet, Zacharias, Johannes dem Täufer und ganz besonders in Maria, aber allein Jesus trägt über sein ganzes Erdendasein hinweg den Geist Gottes vollends in sich. Er wird empfangen durch den Heiligen Geist (vgl. Lk 1,35). Von ihm wird der Täufer sagen: „Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich [...] Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Lk 3,16). Bevor er mit dem Heiligen Geist und mit Feuer tauft, lässt Jesus selbst sich im Jordan taufen, wobei „der Heilige Geist [...] sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab[kommt]“ (Lk 3,22). Lukas ist es ein Anliegen, dass Jesus nicht bloß vom Geist geführt, sondern „erfüllt vom Heiligen Geist“ (Lk 4,1) in die Wüste geht, um dort siegreich dem Versucher zu begegnen. Jesus geht an seine Sendung, „erfüllt von der Kraft des Geistes“ {Lk 4,14). Auf sich bezieht Jesus beim offiziellen Beginn seines Wirkens in der Synagoge von Nazaret die Prophezeiung aus dem Buch Jesaja (vgl. 61,1-2): „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe [...]“ (Lfc4,18). Die ganze Evangelisierungstätigkeit Jesu steht somit unter dem Wirken des Geistes. 70 A UD1ENZEN UND ANGELUS Derselbe Geist wird die Kirche in ihrem Evangelisierungsauftrag unterstützen gemäß dem Versprechen des Auferstandenen an seine Jünger: ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet“ (Lk 24,49). Nach der Apostelgeschichte erfüllt sich das Versprechen am Pfingsttag: „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2,4). So verwirklicht sich das Wort des Propheten Joel: „In den letzten Tagen wird es geschehen, so spricht Gott: Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein“ (,Apg 2,17). Lukas sieht in den Aposteln die Vertreter des Gottesvolkes der Endzeit und unterstreicht zu Recht, dass dieser Geist der Prophetie das ganze Gottesvolk erfasst. 3. Seinerseits hebt Paulus die erneuernde und eschatologische Dimension des Wirkens des Geistes hervor. Dieser wird als Quelle des neuen und ewigen Lebens gesehen, das Jesus seiner Kirche mitteilt. Im ersten Brief an die Korinther lesen wir, dass Christus, der neue Adam, auf Grund der Auferstehung „lebendigmachender Geist“ (1 Kor 15,45) wurde: Das heißt, er wurde verwandelt von der lebendigen Kraft des Geistes Gottes, so dass er selbst zum Ursprung des neuen Lebens für die Gläubigen wurde. Christus teilt dieses Leben gerade durch die Ausgießung des Heiligen Geistes mit. Das Leben der Gläubigen ist nicht mehr ein Leben von Sklaven, dem Gesetz unterstellt, sondern ein Leben von Söhnen, weil sie den Geist des Sohnes in ihrem Herzen empfangen haben und rufen können: Abba, Vater! (vgl. Gal 4,5-7; Röm 8,14-16). Es ist ein Leben „in Christus“, d. h. ein Leben ausschließlicher Zugehörigkeit zu ihm, eingegliedert in den Leib der Kirche: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“ (7 Kor 12,13). Der Heilige Geist erweckt den Glauben (vgl. 1 Kor 12,3), er gießt die Liebe in die Herzen aus (vgl. Röm 5,5) und leitet das Gebet der Christen an (vgl. Röm 8,26). Als Ursprung neuen Seins bewirkt der Heilige Geist in den Gläubigen auch eine neue Dynamik des Handelns: „Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ (Gal 5,25). Dieses neue Leben setzt sich dem Leben des „Fleisches“ entgegen, dessen Begehren Gott missfällt und die Person in die erdrük-kende Gefangenschaft des in sich verhafteten Ichs bringt (vgl. Röm 8,5-9). Wenn die Christen sich dagegen für die vom Heiligen Geist geschenkte Liebe öffnen, können sie die Fracht des Geistes erfahren: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue ... (vgl. Gal 5,16-24). Nach Paulus besitzen wir den Geist allerdings jetzt nur als „ersten Anteil“ oder Erstlingsgabe (Röm 8,23; vgl. auch 2 Kor 5,5). Bei der endzeitlichen Auferstehung wird der Geist sein Meisterwerk vollenden und in den Gläubigen die volle „Ver-geistlichung“ ihres Leibes (vgl. 1 Kor 15,43-44) vollbringen und in gewisser Weise im Heil das ganze Universum mit einbeziehen (vgl. Röm 8,20-22). 71 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. In der johanneischen Perspektive ist der Heilige Geist vor allem der Geist der Wahrheit, der Beistand. Jesus kündigt das Geschenk des Geistes an im Augenblick, da er sein Werk auf Erden zum Abschluss führt: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid“ (Joh 15,26 f.). Jesus erklärt die Rolle des Geistes näher, indem er hinzufügt: „[Er wirdl euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,13-14). Der Geist wird also keine neue Offenbarung bringen, sondern die Gläubigen zu einer Verinnerlichung und tieferen Durchdringung der von Jesus geoffenbarten Wahrheit hinführen. In welchem Sinn wird der Geist der Wahrheit Beistand genannt? Wenn man von der johanneischen Perspektive ausgeht, die den Prozess gegen Jesus als einen in den um seines Namens willen verfolgten Jüngern fortdauernden Prozess sieht, ist der Beistand der, welcher die Sache Jesu verteidigt, indem er die Welt überführt und aufdeckt, „was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (Joh 16,7 f.). Die Hauptsünde, die der Beistand erkennen lässt, ist der Christus entgegengebrachte Unglaube. Die Gerechtigkeit, die er vor Augen führt, ist jene, die der Vater dem gekreuzigten Sohn erweist, indem er ihn durch die Auferstehung und Himmelfahrt verherrlicht. Das Gericht besteht in diesem Zusammenhang darin, dass die Schuld derer aufgedeckt wird, die besessen vom Satan, dem Herrscher dieser Welt (vgl. joh 16,11), Christus verworfen haben (vgl. Dominum et vivificcintem, Nr. 27). Als innerer Beistand ist der Heilige Geist somit Verteidiger und Fürsprecher der Sache Christi, derjenige, der die Gedanken und Herzen der Jünger auf die volle Zustimmung zur „Wahrheit“ Jesu hinführt. in cloutschor Sprache sagte der Papst: In Erwartung des Pfingstfestes wünsche ich Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, den Beistand des Heiligen Geistes, der Euch durch Euer Leben in Wahrheit leiten soll. Euch und allen, die mit uns über das Fernsehen und Radio Vatikan verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Der Heilige Geist bei der Menschwerdung Generalaudienz am 27. Mai 1. Jesus ist seit dem ersten Augenblick seines Daseins in der Zeit mit dem Heiligen Geist verbunden, wie das Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis festhält: „Et incamatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine - [er] hat Fleisch 72 AUDIENZEN UND ANGELUS angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria.“' Der Glaube der Kirche an dieses Geheimnis beruht auf dem Wort Gottes: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten" - spricht der Engel Gabriel zu Maria „deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Und Josef wird gesagt: „[.•••] das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Durch das unmittelbare Eingreifen des Geistes wird bei der Menschwerdung die höchste Gnade verwirklicht, die „Gnade der Vereinigung" der Menschennatur mit der Person des Wortes. Diese Vereinigung ist der Ursprung jeder anderen Gnade, wie der hl. Thomas erklärt (vgl. Summa Theologiae, 111, q. 2, aa. 10-12; q. 6. a. 6; q. 7, a. 13). 2. Um die Rolle des Heiligen Geistes bei der Menschwerdung besser zu verstehen, ist es wichtig, dass wir von den Angaben ausgehen, die uns das Wort Gottes liefert. Lukas sagt aus, dass der Heilige Geist als Kraft von oben über Maria kommt und sie überschattet. Aus dem Alten Testament wissen wir, dass jedes Mal wenn Gott beschließt, Leben entstehen zu lassen, er mit der „Kr aft“ seines Schöpferhauches handelt: „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes“ (Ps 33,6). Das gilt für jedes Lebewesen -soweit, dass man sagen kann: „Wenn er [...] seinen Geist und Atem zu sich holt, muß alles Fleisch zusammen sterben, der Mensch zum Staube wiederkehren“ (Ijob 34,14-15). Gott lässt seinen Geist vor allem dann eingreifen, wenn Israel die Erfahrung macht, dass es aus eigener Kraft allein nicht in der Lage ist, sich wieder zu erheben. Davon spricht der Prophet Ezechiel in der dramatischen Vision von der endlosen Ebene, die mit Skeletten übersät ist: „Es kam Geist in sie. Sie wurden lebendig und standen auf“ (Ez 37,10). Die jungfräuliche Empfängnis Jesu ist „das größte, vom Heiligen Geist in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte vollbrachte Werk“ (Dominum et viviflcantem, Nr. 50). Bei diesem Gnadenereignis wird die Jungfrau schwanger, es wird die von ihrer Empfängnis an Erlöste zur Gebärerin des Erlösers. Damit wird eine neue Schöpfung bereitet, der Anfang des neuen und ewigen Bundes gesetzt: Ein Mensch beginnt zu leben, der Sohn Gottes ist. Niemals zuvor hatte es geheißen, dass der Heilige Geist direkt auf eine Frau herabgekommen sei, um sie zur Mutter zu machen. Wenn m der Geschichte Israels von wundersamen Geburten die Rede ist, hat das göttliche Eingreifen Bezug - sofern es erwähnt wird - zum erwarteten Kind und nicht zur Mutter. 3. Stellen wir uns die Frage, zu welchem Zweck der Heilige Geist das Ereignis der Menschwerdung bewirkt hat, so gibt das Wort Gottes im zweiten Brief des Petrus uns eine knappe und klare Antwort: Dies sei geschehen, damit wir „an der göttlichen Natur Anteil [erhielten]“ (2 Petr 1,4). „Dazu nämlich“ - so erklärt der hl. Irenäus von Lyon - „ist das Wort Gottes Mensch geworden und der Sohn Gottes zum Menschensohne, damit der Mensch das Wort in sich aufnehme und, an Kin- AUDIENZEN UND ANGELUS desstatt angenommen, zum Sohn Gottes werde“ (Adv. Haer. 3, 19, 1; BKV, Kempten/München 1912, S. 293). Auf derselben Linie bewegt sich der hl. Athanasius: „Als das Wort über der heiligen Jungfrau Maria stand, trat der Geist zusammen mit dem Wort in sie ein; im Geist formte das Wort sich einen Leib und legte ihn sich zu, denn es wollte durch sich die ganze Schöpfung vereinen und dem Vater zuführen“ (vgl. Ad Serap. 1,31). Diese Aussagen werden vom hl. Thomas aufgenommen: „Der eingeborene Sohn Gottes, da er wollte, daß wir an seiner Göttlichkeit Anteil hätten, nahm unsere Menschennatur an, damit er, Mensch geworden, die Menschen Götter werden lasse“ (vgl. Opusc. 57 in festo Corp. Christi, 1), d. h. der göttlichen Natur durch Gnade teilhaft. Das Geheimnis der Menschwerdung macht die erstaunliche Liebe Gottes offenbar, deren höchste Personifizierung der Heilige Geist ist, da er die Liebe Gottes in Person ist, die Person Liebe: „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (.1 Joh 4,9). In der Menschwerdung tut sich mehr als in jedem anderen Werk die Herrlichkeit Gottes kund. So singen wir mit gutem Recht im Gloria: „Wir loben dich, wir preisen dich, wir [...] danken dir, denn groß ist deine Herrlichkeit.“ Diese Ausdrucksweise kann insbesondere in Bezug auf das Wirken des Heiligen Geistes angewandt werden, der im ersten Brief des Petrus „der Geist der Herrlichkeit“ (7 Petr 4,14) genannt wird. Bei dieser Herrlichkeit handelt es sich um etwas völlig Unentgeltliches: Sie besteht nicht im Nehmen oder Empfangen, sondern allein im Geben. Indem er uns seinen Geist gibt, der Quell des Lebens ist, tut der Vater seine Herrlichkeit kund und lässt sie sichtbar werden in unserem Leben. In diesem Sinn kann der hl. Irenäus sagen: „Der Ruhm Gottes ist der lebendige Mensch“ (vgl. Adv. Haer. IV, 20, 7). 4. Wenn wir nun versuchen, näher zu sehen, was uns das Ereignis der Menschwerdung über das Geheimnis des Geistes verrät, können wir sagen, dass dieses Ereignis uns vor allem erkennen lässt: Er ist die wohlwollende Kraft Gottes, die Leben hervorbringt. Die Kraft, welche Maria „überschattet“, lässt an die Wolke des Herrn denken, die sich auf dem Zelt in der Wüste niederließ (vgl. Ex 40,34) und den Tempel erfüllte (vgl. 1 Kön 8,10). Sie ist also die wohlmeinende Gegenwart und heilbringende Nähe Gottes, der kommt, um mit seinen Kindern einen Bund der Liebe zu schließen. Es ist eine Kraft im Dienst der Liebe, die im Zeichen der Demut wirksam wird: Nicht nur inspiriert sie die Demut Marias, der Magd des Herrn, sondern fast verbirgt sie sich hinter ihr, so dass niemand in Nazaret es zu erahnen vermag: „... das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ {Mt 1,20). Der hl. Ignatius von Antiochien bringt dieses paradoxe Geheimnis in bewundernswerter Weise zum Ausdruck: „Dem Herrscher dieser Welt verborgen blieb die Jungfräulichkeit Marias und auch ihre Niederkunft und ebenso der Tod des Herrn. Diese drei laut- 74 AUDIENZEN UNDANGELUS schallenden Geheimnisse vollzogen sich im stillen Schweigen Gottes“ (vgl. Ad Eph. 19, 1). 5. Betrachtet man das Geheimnis der Menschwerdung aus der Perspektive des Heiligen Geistes, der es bewirkt hat, so wirft es ein Licht auch auf das Geheimnis des Menschen. Wenn in der Tat der Heilige Geist in einzigartiger Weise im Geheimnis der Menschwerdung mitwirkt, so ist er auch beim Entstehen jedes Menschenwesens gegenwärtig. Unser Sein ist ein „empfangenes Sein“, eine ausgedachte, geliebte und geschenkte Wirklichkeit. Die Evolution genügt nicht, um den Ursprung des Menschengeschlechts zu erklären, wie auch der biologische Kausalbezug zu den Eltern nicht ausreicht, um die Entstehung des Kindes von allein zu erklären. Wenn Gott auch in der Transzendenz seines Handelns die „Nebenursachen“ berücksichtigt, so erschafft er doch die Geistseele des neuen Menschenwesens, indem er ihm den Lebensatem mitteilt (vgl. Gen 2,7) durch seinen Geist, der der „Lebendigmacher“ ist. Jedes Kind ist daher als ein Geschenk des Heiligen Geistes zu betrachten und anzunehmen. Auch die Enthaltsamkeit der zölibatär und jungfräulich Lebenden ist ein besonderer Abglanz dieser Liebe, die „ausgegossen [ist] in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (.Rom 5,5). Der Geist, welcher der Jungfrau Maria Anteil an der göttlichen Fruchtbarkeit gab, sichert auch denen, die die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen gewählt haben, eine zahlreiche Nachkommenschaft in der geistlichen Familie, die von allen gebildet wird, die „nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ {Joh 1,13). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich besonders die so zahlreich anwesenden Jugendlichen willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Geistlicher Auftrag und pfingstliche Sendung der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften Regina Caeli am Pfingstsonntag, 31. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Diese festliche Eucharistiefeier, die uns wiederum das Pfingstgeheimnis erleben ließ, geht nun zu Ende. Sie wurde gewissermaßen vorbereitet von dem gestrigen 75 AUDIENZEN UND ANGELUS großartigen Treffen mit den zahlreichen Vertretern der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften. Das Echo der großen Begeisterung dieser Stunden, die wir gemeinsam im Gebet zum Heiligen Geist verbrachten, ist noch in meinem Herzen lebendig. Wir danken dem Herrn für diesen durch die erneuernde Kraft des Heiligen Geistes in der Kirche aufblühenden Frühling. Im Zentrum dieses römischen und weltweiten Abendmahlssaales spüren wir in einzigartiger Weise Maria, die Mutter Jesu, anwesend. Ihrer aufmerksamen Führung wollen wir die Brüder und Schwestern anvertrauen, denen ich soeben die Sakramente der Firmung und der Eucharistie zu spenden die Freude hatte. Der Königin der Apostel vertrauen wir die Bewegungen und die anderen Formen missionarischen Einsatzes an, die in diesen letzten Jahren entstanden sind. In ihre Hände legen wir die weltweite Sendung der ganzen Kirche, die seit dem Pfingsttag mit immer wieder neuem Elan ihren Weg durch die Jahrhunderte geht, um das Evangelium des Heils in jede Region der Erde zu bringen. In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, daß ich gerade heute die Botschaft zum nächsten Weltmissionstag unterzeichnet habe. Im Geist übergebe ich sie euch, die ihr hier anwesend seid, und der ganzen Kirche mit dem Wunsch, sie möge zum Werk der Evangelisierung in der Perspektive des nun schon nahen dritten Jahrtausends beitragen. Nach diesen italienisch gesprochenen Worten sagte der Papst in deutscher Sprache: Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Pilger aus den deutschsprachigen Ländern, besonders an die Mitglieder der geistlichen Bewegungen, die den Geburtstag der Kirche in Rom feiern. Ihnen allen wünsche ich: Frohe Pfingsten in der Fülle des Heiligen Geistes! Der Heilige Geist bei der Taufe und im öffentlichen Wirken Jesu Generalaudienz am 3. Juni 1. Nach der Menschwerdung ereignet sich ein weiteres bedeutsames Eingreifen des Heiligen Geistes im Leben Jesu bei seiner Taufe im Fluss Jordan. Diese Begebenheit wird im Markusevangelium so geschildert: „In jenen Tagen kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, daß der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1,9-11 u. Par.). Im vierten Evangelium wird das Zeugnis des Täufers angeführt: „Ich sah, daß der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb“ (Joh 1,32). 76 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Im übereinstimmenden Zeugnis der Evangelien stellt die Begebenheit am Jordan den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu und seiner Offenbarung als Messias, Sohn Gottes, dar. Johannes verkündigte „Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden“ (Lk 3,3). Unter der Menge der Sünder, die hingehen, um sich von ihm taufen zu lassen, kommt eines Tages Jesus auf ihn zu. Johannes erkennt ihn und verkündet ihn als das unschuldige Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (vgl. Joh 1,29), um die ganze Menschheit in die Gemeinschaft mit Gott zurückzuführen. Der Vater bezeigt Wohlgefallen an seinem geliebten Sohn, der sich zum Knecht macht, gehorsam bis zum Tod. Er teilt ihm die Kraft des Geistes mit, damit er seine Sendung als Messias und Erlöser erfüllen kann. Gewiss: Jesus besitzt den Geist von seiner Empfängnis an (vgl. Mt 1,20; Lk 1,35). Aber in der Taufe empfängt er eine neue Ausgießung des Geistes, eine Salbung mit dem Heiligen Geist. Petrus bekräftigt bei seiner Rede im Haus des Kornelius, dass „Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft“ (.Apg 10,38). Diese Salbung ist eine Erhebung Jesu „vor den Augen Israels als Messias, als der vom Heiligen Geist Gesalbte“; sie ist eine wahrhafte Erhebung Jesu als Christus und Erlöser (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 19). Solange Jesus noch in Nazaret lebte, konnten Maria und Josef sein Zunehmen an Alter, Weisheit und Gnade (vgl. Lk 2,40; 2,52) erfahren, das sich unter der Führung des Heiligen Geistes, der in ihm wirkte, vollzog. Nun jedoch wird die mes-sianische Zeit eingeleitet: Ein neuer Abschnitt im historischen Dasein Jesu fängt an. Die Taufe im Jordan ist wie ein „Vorspiel“ zu dem darauffolgenden Geschehen. Jesus beginnt unter die Sünder zu treten, um ihnen das erbarmungsvolle Antlitz des Vaters zu offenbaren. Das Eintauchen in den Fluss Jordan deutet vorausweisend auf die „Taufe“ im Wasser des Todes hin, während die Stimme des Vaters, der den geliebten Sohn öffentlich bekennt, die Herrlichkeit der Auferstehung vorauskündigt. 3. Nach der Taufe im Jordan geht Jesus daran, seine dreifache Sendung zu vollbringen: die „königliche“ Sendung, die ihm den Kampf gegen den Geist des Bösen überträgt; die „prophetische“ Sendung, die ihn zum unermüdlichen Verkündiger der guten Nachricht macht; die „priesterliche“ Sendung, die ihn zum Lobpreis und zur Selbstaufopferung an den Vater um unseres Heils willen drängt. Alle drei Synoptiker unterstreichen, dass Jesus gleich nach der Taufe vom Heiligen Geist „in die Wüste geführt“ wird, wo er „vom Teufel in Versuchung geführt werden“ soll (Mt 4,1; vgl. Lk 4,1; Mk 1,12). Das Angebot des Satans ist das eines tri-umphalistischen Messianismus, gemacht aus spektakulären Wundem wie Steine in Brot verwandeln, sich von der Spitze des Tempels hinabstürzen und unversehrt bleiben, die politische Herrschaft über alle Nationen in einem Augenblick erlangen. Doch die Wahl Jesu - in voller Achtung vor dem Willen des Vaters - ist klar und unwiderruflich: Er akzeptiert, der leidende und gekreuzigte Messias zu sein, der sein Leben für das Heil der Welt hingeben wird. In der Wüste begonnen, geht der Kampf mit dem Satan das ganze Leben Jesu hindurch weiter. Eine typische 77 AUDIENZEN UNDANGELUS Tätigkeit von ihm ist gerade die des Exorzisten, weshalb die Menschen voll Bewunderung ausrufen: „Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl“ (Mk 1,27). Wer zu behaupten wagt, dass Jesus diese Macht durch den Satan zukomme, lästert den Heiligen Geist (vgl. Mk 3,22-30): Denn gerade „durch den Geist Gottes“ treibt Jesus in der Tat die Dämonen aus (Mf 12,28). Wie der hl. Basilius von Cäsarea sagt: Vor Jesus „hat der Teufel seine Macht in Gegenwart des Heiligen Geistes verloren“ (vgl. De Spir. S. 19). 4. Nach der Versuchung in der Wüste fährt der Bericht des Evangelisten Lukas fort: „Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück“ und „lehrte in den Synagogen“ (Lk 4,14.15). Auch in der Evangelisierungstätigkeit Jesu begegnet uns die kraftvolle Gegenwart des Heiligen Geistes. Er selbst unterstreicht dies in der Eröffnungsrede in der Synagoge von Nazaret {Lk 4,16-30), wobei er auf sich die Schriftstelle aus Jesaja anwendet: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (,Jes 61,1). In gewissem Sinn kann man sagen, dass Jesus „Missionar des Geistes“ ist als der vom Vater Gesandte, um mit der Kraft des Heiligen Geistes das Evangelium der Barmherzigkeit zu verkünden. Belebt von der Kraft des Geistes, bringt das Wort Jesu wahrhaft sein Geheimnis, „das Wort ist Heisch geworden“ {Joh 1,14), zum Ausdruck. Es ist daher das Wort von einem, der „Vollmacht“ hat im Gegensatz zu den Schriftgelehrten {Mk 1,22). „Eine ganz neue Lehre“ {Mk 1,27), gestehen erstaunt die Zuhörer seiner ersten Rede in Kafamaum ein. Ein Wort, das das mosaische Gesetz erfüllt und darüber hinausgeht, wie aus der Bergpredigt zu entnehmen ist (vgl. Mt 5-1). Es ist ein Wort, das den Sündern die Vergebung Gottes mitteilt, den Kranken Genesung und Heil bietet und sogar Tote auferweckt. Es ist das Wort dessen, „den Gott gesandt hat“ und in dem der Geist in einem solchen Maß Wohnung genommen hat, dass er ihn „unbegrenzt“ geben kann {Joh 3,34). 5. Die Gegenwart des Heiligen Geistes tritt in besonderer Weise im Gebet Jesu hervor. Der Evangelist Lukas schildert im Bericht von der Taufe Jesu: „Und während er betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam [...] auf ihn herab“ {Lk 3,21-22). Dieser Zusammenhang zwischen dem Gebet Jesu und der Gegenwart des Geistes kehrt explizit wieder im Jubelshymnus: „Jesus [rief], vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde [...]“ {Lk 10,21). Der Geist begleitet so die tiefinnerste Erfahrung Jesu, die Erfahrung seiner göttlichen Sohnschaft, die ihn dazu drängt, sich an Gott Vater zu wenden und ihn „Abba“ {Mk 14,36) zu nennen. Eine einzigartige Vertraulichkeit, wie sie von keinem anderen Juden in der Hinwendung zum Allerhöchsten bezeugt ist. Gerade durch die Gabe des Geistes lässt Jesus die Gläubigen an seiner Gemeinschaft als Sohn mit dem Vater und seiner innigen Beziehung zu ihm teilhaben. Wie der hl. Paulus uns versichert, bewirkt der Geist, dass wir zu Gott rufen: „Abba, Vater“ {Röm 8,15; vgl. Gal 4,6). 78 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieses Leben von Kindern Gottes ist das große Geschenk, das wir in der Taufe empfangen. Wir müssen es immer wieder neu entdecken und pflegen, indem wir uns willig für das Werk öffnen, das der Heilige Geist in uns vollbringt. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit der Einladung, aus der Gnade der Taufe neu zu leben, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die Teilnehmer der Romwallfahrt der Kirchenchöre aus der Diözese Augsburg willkommen. Unter den vielen Pfarrei-, Jugend- und Messdienergruppen gilt mein Gruß den Ministranten aus der Diözese Eichstätt. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Friedensappell für Eritrea und Äthiopien Aus Afrika treffen besorgniserregende Nachrichten ein über starke, gefährliche Spannungen zwischen Eritrea und Äthiopien. Wir wollen zum Herrn beten: dass alle den Mut haben, auf den Gebrauch von Waffen zu verzichten; dass die Geduld des Dialogs und die Weisheit des Verhandelns den Sieg davontragen. Der afrikanische Kontinent braucht Wiederaufbau und keine weiteren Kriege, Versöhnung und keine weitere Zerrissenheit. Gemeinsamer Einsatz im Kampf gegen Drogen Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 7. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Kirche feiert heute das Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit. Es lenkt unsere betende Betrachtung auf das Mysterium Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. In der Trinität erblicken wir das Urbild der menschlichen Familie, bestehend aus einem Mann und einer Frau, die gerufen sind, sich einander zu schenken in einer für das Leben offenen Liebesgemeinschaft. In der Trinität haben wir auch das Bild der kirchlichen Familie, in der alle Christen gerufen sind, Beziehungen echter Gemeinsamkeit und Solidarität zu leben. Die Liebe ist das konkrete Zeichen des Glaubens an Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, die in Christus Heisch angenommen hat und Mensch wurde, ist unter uns im Sakrament der Eucharistie gegenwärtig. Das ist der größte Schatz der Kirche; sie hütet ihn mit unendlicher Dankbarkeit und Liebe. Der Eucharistie ist das Fronleichnamsfest gewidmet, das wir am kommenden Donnerstagabend mit einer feierlichen hl. Messe in Sankt Johann im Late- 79 AUDIENZEN UND ANGELUS ran begehen werden, worauf die traditionelle Prozession folgen wird. Ich lade euch alle ein, daran teilzunehmen. 2. Morgen beginnt in New York die Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die dem Kampf gegen Drogen gewidmet ist. Die Länder der ganzen Erde werden miteinander untersuchen, wie man die Welt von Rauschgift -Erzeugung, Nachfrage und illegalem Handel - befreien kann. Diese traurigen Phänomene stellen einen Markt des Todes dar, der den Menschen im Persönlichsten, was er besitzt - der Fähigkeit zu verstehen und der Freiheit zu lieben -, zersetzt und schwächt, und der viele Familien tief verwundet. Den vielen Initiativen auch im Bereich der Kirche spreche ich Mut zu, den Rauschgiftabhängigen die Möglichkeit anzubieten, dieses Übel zu überwinden und sich wieder in das Leben der Gesellschaft zu integrieren, und ich wünsche von Herzen, dass die wichtige New Yorker Zusammenkunft der internationalen Zusammenarbeit einen neuen und konkreten Impuls verleihe für eine freiere und solidarischere Menschheit. 3. Diese unsere Anliegen vertrauen wir voll Zuversicht der heiligen Jungfrau, dem vollkommenen Tempel der Dreifaltigkeit, an. In die Hände Marias, des Bildes der Geschenk gewordenen Liebe, legen wir jede Geste christlicher Solidarität und menschlicher Anteilnahme am Leid der Mitmenschen. Die Gottesmutter möge uns helfen, unser Dasein zu einem Lobes- und Liebeshym-nus an Gott, ewige Glückseligkeit, unsterbliches Leben, Licht ohne Untergang, zu machen. Forderung nach Verhandlungen und Dialog für Äthiopien/Eritrea und Kosovo Zu Besorgnis Anlass geben die Nachrichten von Konflikten, die in diesen Tagen ganze Bevölkerungen heimsuchen. Ich denke insbesondere an die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Äthiopien und Eritrea und an die Verschärfung der Situation im Kosovo. Wolle Gott den geliebten afrikanischen Völkern, die bereits so schwer geprüft sind, weitere Leiden ersparen. Nicht fern von uns, im Kosovo, können Gewaltoptionen, Repression und Flucht der Bevölkerung die internationale Gemeinschaft nicht unbeteiligt lassen. Es handelt sich um Vorfälle, welche die jüngste tragische Geschichte auf dem Balkan in Erinnerung rufen. Die Suche nach verhandelten und friedlichen Lösungen erfordert Geduld und Wagemut. Bitten wir den Herrn, dass er die streitenden Parteien erleuchte, so dass sie den zwar längeren, aber für alle wirksamen Weg des Dialogs einschlagen. 80 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Ostermysterium - Grundlage des Geschenks des Heiligen Geistes Generalaudienz am 10, Juni 1. Das ganze Leben Christi hat sich im Heiligen Geist vollzogen. Der hl. Basilius sagt, der Geist sei sein „untrennbarer Gefährte in allem“ gewesen (vgl. De Spir. S. 16), und liefert uns von der Geschichte Christi diese wunderbare Synthese. „Ankunft Christi: der Heilige Geist geht voraus; Menschwerdung: der Heilige Geist ist gegenwärtig; Wundertaten. Gnaden und Heilungen: durch den Geist; die Dämonen ausgetrieben, der Teufel angekettet: durch den Heiligen Geist; Vergebung der Sünden, Vereinigung mit Gott: durch den Heiligen Geist; Auferstehung der Toten: durch den Heiligen Geist“ (vgl. De Spir. S. 19). Nachdem wir über die Taufe Jesu und seine in der Kraft des Geistes vollbrachte Sendung nachgedacht haben, wollen wir uns nun befassen mit dem Offenbarwerden des Geistes in der höchsten „Stunde“ Jesu, der Stunde seines Todes und seiner Auferstehung. 2. Die Gegenwart des Heiligen Geistes im Augenblick des Todes Jesu muss schon aufgrund der einfachen Tatsache angenommen werden, dass am Kreuz seiner Menschennatur nach der Sohn Gottes stirbt. Wenn „unus de Trinitate passus est“ (DS, 401), wenn also „der, der gelitten hat, eine Person der Dreifaltigkeit ist“, wird in seinem Leiden die ganze Dreifaltigkeit gegenwärtig, folglich auch der Vater und der Heilige Geist. Wir müssen uns jedoch fragen: Was genau war die Rolle des Geistes in der höchsten Stunde Jesu? Auf diese Frage kann nur geantwortet werden, wenn man das Geheimnis der Erlösung als Liebesgeheimnis versteht. Die Sünde, welche Auflehnung des Geschöpfes gegen den Schöpfer ist, hatte den Dialog der Liebe zwischen Gott und seinen Kindern unterbrochen. Mit der Menschwerdung seines einzigen Sohnes bezeigt Gott der sündigen Menschheit seine treue und begeisterte Liebe, die soweit geht, dass sie sich in Jesus verwundbar machen lässt. Ihrerseits zeigt die Sünde auf Golgota ihr Wesen als „Attentat gegen Gott“, so dass jedes Mal, wenn die Menschen erneut schwer sündigen, sie nach den Worten des Hebräerbriefes „den Sohn Gottes noch einmal ans Kreuz [schlagen]“ und „ihn zum Gespött [machen]“ (Hebr 6,6). Gott hat seinen Sohn unserer Sünden wegen ausgeliefert und uns offenbart, dass sein Liebesplan jedem unserer Verdienste zuvorkommt und jede Untreue von uns bei weitem übersteigt. „Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10). 3. Leiden und Tod Jesu sind ein unaussprechliches Geheimnis der Liebe, an dem die drei göttlichen Personen beteiligt sind. Der Vater hat die absolute, unentgeltliche Initiative: Er liebt als erster, und indem er seinen Sohn unseren Mörderhänden 81 AUDIENZEN UND ANGELUS ausliefert, gibt er sein teuerstes Gut preis. Er hat, wie Paulus sagt, „seinen eigenen Sohn nicht verschont“, er hat ihn also nicht wie einen eifrig gehüteten Schatz für sich behalten, sondern „ihn für uns alle hingegeben“ (Röm 8,32). Der Sohn teilt vollkommen die Liebe des Vaters und dessen Heilsplan: Er hat „sich für unsere Sünden hingegeben [...] nach dem Willen unseres Gottes und Vaters“ (Gal 1,4). Und der Heilige Geist? Wie im Innersten des trinitarischen Lebens ist der Heilige Geist auch in diesem Kreislauf der Liebe, der sich im Geheimnis von Golgota zwischen dem Vater und dem Sohn vollzieht, die Person Liebe, in der die Liebe des Vaters und die Liebe des Sohnes zusammenlaufen. Der Hebräerbrief, der das Bild vom Opfer entwickelt, macht deutlich, dass Jesus sich „kraft ewigen Geistes“ dargebracht hat (Hebr 9,14). In der Enzyklika Dominum et vivificantem habe ich gezeigt, dass in dieser Schriftstelle „ewiger Geist“ gerade für Heiliger Geist steht: Wie das Feuer die Opfergaben der alten Ritualopfer verzehrte, so hat „der Heilige Geist in besonderer Weise bei dieser vollkommenen Selbsthingabe des Menschensohnes mitgewirkt [...], um das Leiden in erlösende Liebe zu verwandeln“ (Dei Verbum, Nr. 40). „Der Heilige Geist als Liebe und Gnadengeschenk versenkt sich gewissermaßen in die Herzmitte jenes Opfers, das am Kreuz dargeboten wird. Mit Bezug auf die biblische Tradition können wir sagen: Er verzehrt dieses Opfer mit dem Feuer der Liebe, die den Sohn mit dem Vater in der trinitarischen Gemeinschaft vereint. Und weil das Kreuzesopfer ein eigener Akt Christi ist,,empfängt auch er den Heiligen Geist“ (Dei Verbum, Nr. 41). Ganz zu Recht betet der Priester in der römischen Liturgie vor der Kommunion mit diesen bedeutungsvollen Worten: „Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, dem Willen des Vaters gehorsam, hast du im Heiligen Geist durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt [...].“ 4. Die Geschichte Jesu ist mit dem Tod nicht zu Ende, sondern öffnet sich für das österliche Leben der Herrlichkeit. „... seit der Auferstehung von den Toten“ ist Jesus Christus, unser Herr, „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt als Sohn Gottes in Macht“ (vgl. Röm 1,4). Die Auferstehung ist die Vollendung der Menschwerdung. Wie die Zeugung des Sohnes in der Welt geschieht auch sie „durch den Heiligen Geist“. „So verkünden wir euch das Evangelium“, sagt Paulus in Antiochia in Pisidien: „Gott hat die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, an uns, ihren Kindern, erfüllt, indem er Jesus auferweckt hat, wie es schon im zweiten Psalm heißt: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (Apg 13,32 f.). Das Gnadengeschenk des Geistes, das der Sohn in Fülle am Ostermorgen empfängt, wird von ihm im Übermaß über die Kirche ausgegossen. Zu den im Abendmahlssaal versammelten Jüngern sagt Jesus: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22). Und er schenkt ihn „gewissermaßen durch die Wunden seiner Kreuzigung: ,Er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite“ (Dei Verbum, Nr. 24). Die Heilssendung Jesu wird zusammengefasst und erfüllt im Geschenk des Heiligen Geistes an die Menschen, damit sie zum Vater zurückgeführt werden. 82 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Wenn das „Meisterwerk“ des Heiligen Geistes im Ostern des Herrn Jesus besteht, Geheimnis des Leidens und der Herrlichkeit, so ist es durch das Geschenk des Geistes auch den Jüngern Christi möglich, mit Liebe zu leiden und das Kreuz zu einem Weg des Lichtes zu machen: „Per crucem ad lucem - durch das Kreuz zum Licht.“ Der Geist des Sohnes gibt uns die Gnade, dieselbe Gesinnung wie Christus zu tragen und zu lieben, wie er geliebt hat, bis zur Hingabe des Lebens für die Brüder: Er hat „sein Leben für uns hingegeben [...]. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (7 Joh 3,16). Christus teilt uns seinen Geist mit und tritt in unser Leben ein, damit jeder von uns wie Paulus sagen kann: „... nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ {Gal 2,20). Das ganze Leben wird so zu einem fortwährenden Ostern, einem ständigen Übergang vom Tod zum Leben bis zum letzten Ostern, wenn auch wir mit Jesus und wie Jesus „aus dieser Welt zum Vater“ hinübergehen {Joh 13,1). So schreibt der hl. Irenäus von Lyon: „Denn jene, die den Heiligen Geist empfangen und in sich tragen, werden zum Worte, d. h. zum Sohne, geführt. Der Sohn aber führt sie zum Vater, und der Vater macht sie der Unvergänglichkeit teilhaft“ {De-monstr. Ap., 7; Texte der Kirchenväter, Bd. 1, München 1963, S. 97). Graßworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich begrüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Insbesondere heiße ich die Pilgergruppe aus der Stadt Basel anlässlich ihres 200. Kirchenjubiläums und die Gruppe der Sportler aus der Steiermark willkommen, die sich für krebskranke Kinder einsetzen. Außerdem grüße ich die Schülerinnen und Schüler, die so zahlreich anwesend sind. Euch und allen, die mit uns über das Fernsehen und Radio Vatikan verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Fronleichnamsprozession - Zeichen für den Weg Christi durch Raum und Zeit Angelus am 14. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute wird in vielen Ländern, darunter Italien, das Hochfest des Leibes und Blutes Christi - oder nach der altbekannten lateinischen Bezeichnung: „Corpus Domini“ - gefeiert. Jeden Sonntag versammelt sich die kirchliche Gemeinschaft um die Eucharistie, das Sakrament des Erlösungsopfers Christi, eingesetzt beim letzten Abendmahl. Doch die Verehrung des Christen Volkes für dieses zentrale Geheimnis des Glaubens hat vor rund siebenhundert Jahren die Notwendigkeit verspüren lassen, ein 83 A UDIENZEN UND ANGELUS eigenes Fest zu schaffen. Dieses sollte die Möglichkeit bieten, dem Kult der Verehrung des Leibes und Blutes des Herrn, Ursprung und Höhepunkt des Lebens der Kirche, in vollem Maße Ausdruck zu geben. Beliebte, traditionelle Ausdrucksformen der eucharistischen Volksfrömmigkeit sind die Prozessionen mit dem Allerheiligsten, die am heutigen Hochfest in den Ortskirchen überall auf der Welt abgehalten werden. Sie sind ein auch heute überaus vielsagendes Zeichen für die Tatsache, dass der gestorbene und auferstandene Herr Jesus weiter über die Straßen der Welt zieht und mit seiner wandernden Präsenz die Christengenerationen auf dem Weg leitet, Glauben, Hoffnung und Liebe nährt, in den Prüfungen Trost spendet, den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden unterstützt. 2. Wie sollte man an diesem Tag sich nicht freuen über die wunderbare Solidarität Gottes mit der Menschheit? In der Eucharistie gesellt sich Jesus, wie er es bei den Jüngern von Emmaus tat, uns Pilgern zur Seite: uns Pilgern in der Geschichte, in Stadt und Land, im Norden und Süden der Welt, in den Ländern mit christlicher Tradition und in denen, die erstmals evangelisiert werden. Überall verbreitet Christus dieselbe Botschaft: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 13,34) Und in der Eucharistie bietet er sich selbst als geistliche Kraft dar, damit wir dieses sein Gebot in die Praxis umsetzen und die Zivilisation der Liebe aufbauen können. Heute will ich den Weg zum Jubiläum des Jahres 2000 als eine große Fronleichnamsprozession betrachten, die ihren Höhepunkt im Eucharistischen Weltkongress haben wird, der in Rom für den Juni des Heiligen Jahres vorgesehen ist. Ich rufe daher alle Gläubigen, und an erster Stelle die Träger des Weiheamtes, auf zu einer immer stärkeren und tieferen geistlichen Verbundenheit mit der Eucharistie, in der die ganze Heilsmacht des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes wirksam gegenwärtig ist. 3. Die allererste Fronleichnamsprozession hat in einem gewissen Sinn Maria gemacht, als sie von Nazaret aus sich zu ihrer Kusine Elisabet begab, den eben empfangenen Jesus in ihrem Schoß tragend. Möge die Kirche, dieses Bild aus dem Evangelium betrachtend, ihre Schritte beschleunigen zu den Menschen von heute und ihnen mit neuer Liebe die gute Nachricht vom Heil verkünden. Internationales Bemühen um Menschenrechte Morgen beginnt in Rom die von der UNO einberufene Konferenz zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs, der besonders schwere Verbrechen gegen die Menschheit ahnden soll. Mein Wunsch ist, dass die Arbeiten dieser wichtigen Versammlung von dem Anliegen getragen seien, die grundlegenden und unveräußerlichen Menschenrechte ausreichend zu schützen. Mit der Zusicherung des aktiven Beitrags des Hl. Stuhls an den Arbeiten dieser bedeutenden Konferenz verbinde ich meine herzlichsten Segenswünsche an alle Teil- 84 A UDIENZEN UND ANGELUS nehmer, damit diese Versammlung einen historischen Augenblick auf dem Weg gegenseitigen Verständnisses unter den Völkern darstellen möge. Pfingsten: Ausgießung des Geistes Generalaudienz am 17. Juni 1. Beim letzten Abendmahl hatte Jesus zu den Aposteln gesagt: ..... ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht loregehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Jesus hält sein Versprechen: Am Abend des Ostertages erscheint er den im Abendmahlssaal versammelten Elf, haucht sie an und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22). Fünfzig Tage danach, zu Pfingsten, haben wir „die endgültige Offenbarung dessen, was schon am Ostersonntag im selben Abendmahlssaal geschehen war“ (Dominum et vivificantem. Nr. 25). Das Buch der Apostelgeschichte hat uns die Beschreibung des Ereignisses überliefert (vgl. Apg 2,1-4). Wenn wir über diesen Text nachdenken, können wir einige Merkmale der geheimnisvollen Identität des Heiligen Geistes erkennen. 2. Zunächst ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen dem jüdischen Pfingstfest und dem ersten christlichen Pfingsten zu erfassen. Zu Anfang war Pfingsten das Fest der Sieben Wochen (vgl. Tob 2,1). das Fe-a der Ernte (vgl. Ex 23,16), wenn Gott die Erstlingsfrüchte vom Getreide dargebracht wurden (vgl. Nu in 28,26; Dtn 16,9). In der Folge erhielt das Fest eine neue Bedeutung: Es wurde zum Fest des Bundes, den Gott mit seinem Volk am Sinai schloss, als er Israel sein Gesetz gab. Der hl. Lukas schildert das Pfingstereignis wie eine Theophanie, eine Gotteserscheinung analog zu der auf dem Berg Sinai (vgl. Ex 19,16-25): tosendes Brausen, heftiger Sturm, Feuerzungen. Die Botschaft ist deutlich: Pfingsten ist der neue Sinai, der Heilige Geist ist der neue Bund, er ist das Geschenk des neuen Gesetzes. Scharfsinnig erfasst Augustinus diesen Zusammenhang: „Es gibt ein großes und wunderbares Geheimnis, Brüder: Paßt auf, am Pfingsttag empfingen sie [die Juden] das Gesetz, von Gottes Finger geschrieben, und wiederum genau am Pfingsttag kam der Heilige Geist“ (vgl. Ser. Mai 158,4). Und ein Vater der Ostkirche, Se-verianos von Gabala, bemerkt: „Es gebührte sich, daß am Tag, an dem das alte Gesetz gegeben wurde, an genau diesem Tag die Gnade des Heiligen Geistes gegeben würde“ (vgl. Cat. in Act. Apost. 2,1). 3. So erfüllt sich die an die Väter ergangene Verheißung. Wir lesen beim Propheten Jeremia: „Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz“ {3er 31,33). Und beim Propheten Ezechiel: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus 85 AUDIENZEN UND ANGELUS eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,26-27). In welcher Weise ist der Heilige Geist der neue und ewige Bund? Indem er die Sünde hinwegnimmt und in das Herz der Menschen die Liebe Gottes ausgießt: „[...] das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes“ {Röm 8,2). Das mosaische Gesetz zählte Gebote auf, konnte aber das Herz der Menschen nicht ändern. Ein neues Herz war nötig, und genau das bietet uns Gott durch die von Jesus gewirkte Erlösung an. Der Vater nimmt unser Herz aus Stein weg und schenkt uns ein Herz aus Fleisch wie das von Christus, vom Heiligen Geist erfüllt, das uns aus Liebe handeln lässt (vgl. Röm 5,5). Auf der Grundlage dieses Geschenks wird der neue Bund zwischen Gott und der Menschheit errichtet. Der hl. Thomas sagt treffend, dass der Heilige Geist selbst der Neue Bund ist, weil er in uns die Liebe bewirkt, die Fülle des Gesetzes (vgl. Comment. in 2 Cor 3,6). 4. Zu Pfingsten kommt der Geist herab, und die Kirche entsteht. Die Kirche ist die Gemeinschaft derer, die „aus der Höhe“ wiedergeboren werden, „aus Wasser und Geist“, wie es im Johannesevangelium heißt (vgl. Joh 3,3-5). Die Christengemeinschaft ist nicht in erster Linie das Ergebnis der freien Entscheidung der Gläubigen; ihr Ursprung geht vor allem auf die unentgeltliche Initiative der Liebe Gottes zurück, die das Geschenk des Heiligen Geistes gibt. Die Glaubenszustimmung zu diesem Geschenk der Liebe ist, Antwort“ auf die Gnade und wird selbst durch die Gnade bewirkt. Zwischen dem Heiligen Geist und der Kirche besteht daher eine tiefe und unauflösbare Verbindung. Diesbezüglich sagt der hl. Irenäus: „Wo die Kirche, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes ist, dort ist die Kirche und alle Gnade“ {Adv. Haer. 3,24,1; BKV, Kempten/München 1912, S. 317). Nun verstehen wir die kühne Formulierung des hl. Augustinus: „Wir haben also den Heiligen Geist, wenn wir die Kirche lieben“ {In Io. 32,8; BKV, Kempten/München 1913, S. 103). Die Erzählung vom Pfingstereignis unterstreicht, dass die Kirche universal entsteht: Das ist der Sinn der Aufzählung der Völker - Parther, Meder und Elamiter ... (vgl. Apg 2,9-11) -, welche die erste Predigt des Petrus hören. Der Heilige Geist ist allen Menschen aller Rassen und Nationen gegeben und wird in ihnen die neue Einheit des mystischen Leibes Christi verwirklichen. Der hl. Johannes Chrysosto-mus weist auf die vom Heiligen Geist bewirkte Gemeinschaft mit diesem konkreten Beispiel hin: „Wer in Rom lebt, weiß, dass die Bewohner Indiens seine Glieder sind“ (vgl. In Io., 65,1; PG 59,361). 5. Aus der Tatsache, dass der Heilige Geist „der neue Bund“ ist, geht hervor, dass das Wirken der dritten Person der Heiligsten Dreifaltigkeit darin besteht, den auferstandenen Herrn, und mit ihm Gott Vater, gegenwärtig zu machen. Der Geist übt in der Tat sein Heilswirken aus, indem er die Gegenwart Gottes „unmittelbar“ werden lässt. Darin besteht der neue und ewige Bund: Gott ist nunmehr für jeden 86 AUDIENZEN UND ANGELUS von uns zugänglich geworden. Alle, „klein und groß“ {Jer 31,34), sind in gewissem Sinn mit der „direkten“ Kenntnis des Herrn ausgestattet, wie wir im ersten Brief des Johannes lesen: „Für euch aber gilt: Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr braucht euch von niemand belehren zu lassen. Alles, was seine Salbung euch lehrt, ist wahr und keine Lüge. Bleibt in ihm, wie es euch seine Salbung gelehrt hat“ (7 Joh 2,27). So erfüllt sich das Versprechen, das Jesus seinen Jüngern beim letzten Abendmahl gegeben hat: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Durch den Heiligen Geist vollzieht sich unsere Begegnung mit dem Herrn im normalen Geflecht eines Lebens als Söhne und Töchter, im freundschaftlichen Gegenüber, in der Erfahrung Gottes als Vater, Bruder, Freund und Bräutigam. Das ist Pfingsten. Das ist der Neue Bund. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! In den Mittelpunkt meiner Katechese habe ich heute den Heiligen Geist gestellt, der am Pfingstfest auf die Urgemeinde herabgekommen ist. In zwei Tagen werde ich meinen dritten Pastoralbesuch in Österreich beginnen, der unter dem Thema steht: Komm, Schöpfer Geist. Schon heute richte ich einen herzlichen Gruß an die Bevölkerung dieses Landes. In der Geschichte haben seine Christen viel für die Evangelisierung in Europa und in der Welt beigetragen. Die letzten Jahre waren für die Kirche in Österreich aber auch eine Zeit großer Leiden. Der Papst und die Bischöfe möchten helfen, die Schwierigkeiten zu überwinden. Sie wollen die Gläubigen ermutigen, auch weiterhin am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken, das schon mitten unter uns ist, aber noch nicht ganz (vgl. Lumen Gentium, Nr. 5). Auch das Leiden kann geistlich fruchtbar werden. Ich freue mich auf die Seligsprechung dreier beispielhafter Christen in Wien, die ein Zeichen der Lebendigkeit der Kirche in Österreich sind. In der Hoffnung, dass mein Besuch eine Hilfe zur Einheit der Kirche in Wahrheit und Liebe sei, rufe ich allen Österreichern aus ganzem Herzen zu: „Grüß Gott!“ Gleichzeitig grüße ich auch alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die vielen Schüler- und Jugendgruppen willkommen, darunter den Chor des Johann-Michael-Fischer-Gymnasiums Burglengenfeld. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Appell für Guinea-Bissau Ich lade alle ein zur Solidarität im Gebet mit den Bewohnern von Guinea-Bissau, insbesondere mit dem Bischof, Msgr. Settimo A. Ferrazzetta OFM, und seinen Di-özesanangehörigen, die ich im Jahr 1990 Gelegenheit hatte zu besuchen. 87 AUDIENZEN UND ANGELUS Mil Nachdruck wende ich mich an die Konfliktparteien: Sie mögen die Waffen niederlegen und der Gewalt und der damit verbundenen Flucht der Bevölkerung ein Ende setzen. Es ist mein brennender Wunsch, dass die internationale Gemeinschaft ihren Einsatz für den Frieden fortsetzen und mit gewaltlosen Mitteln zur Versöhnung aller beitragen möge. Rückblick auf den Pastor albe such in Österreich Generalaudienz am 24. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. In den vergangenen Tagen war ich zum dritten Mal auf Pastoralbesuch in Österreich; nun wieder in Rom, denke ich zurück an die bedeutungsvollen Begegnungen mit den lieben Bewohnern dieses Landes. In meinem Herzen überwiegt das Gefühl der Dankbarkeit. An erster Stelle danke ich Gott, dem Geber alles Guten, der mich diese intensive geistliche Erfahrung hat leben lassen, reich an liturgischen Feiern und Augenblicken der Besinnung und des Gebets im Hinblick auf einen neuen Aufbruch der Kirche in diesem geliebten Land. Besonderer Dank gilt meinen verehrten Brüdern im Bischofsamt, die sich in diesen nicht leichten Zeiten mit allen Kräften dem Dienst an der Wahrheit und der Liebe widmen. Ich ermutige sie in ihrem pastora-len Einsatz. Erneut Dank sagen möchte ich sodann dem Bundespräsidenten und den Vertretern des öffentlichen Lebens und allen Bürgerinnen und Bürgern, die mich mit wahrhaft herzlicher Gastfreundschaft empfangen haben. 2. Mit meinem Besuch wollte ich den Österreichern meine Hochachtung und Wertschätzung bekunden und gleichzeitig als Nachfolger Petri ihren Ortskirchen einige nützliche Perspektiven für den Weg in die Zukunft weisen. Während ich in Salzburg bei dem Thema Mission verweilte, lud ich in Sankt Pölten ein, über das Problem der Berufungen nachzudenken. Als Höhepunkt und Hauptmotiv meiner Reise hatte ich schließlich die Freude, die Namen von drei Dienern Gottes in das Buch der Seligen einzutragen. Im Laufe der beeindruckenden Feier auf dem Heldenplatz in Wien habe ich allen in Erinnerung gerufen, dass das Heldentum der Christen in der Heiligkeit besteht. Die „Helden der Kirche“ sind nicht unbedingt diejenigen, die nach menschlichen Maßstäben die Geschichte geschrieben haben, sondern Frauen und Männer, die in den Augen vieler vielleicht klein erschienen, aber vor Gott groß sind. In den Reihen der Mächtigen mögen wir sie vergeblich suchen, im „Buch des Lebens“ aber sind sie unauslöschbar groß geschrieben. Die Lebensgeschichten der neuen Seligen enthalten eine Botschaft für unsere Zeit: Sie sind allen zugängliche Dokumente, die die Menschen von heute lesen und ohne Schwierigkeiten verstehen können, denn sie sprechen in der beredten Sprache des gelebten Lebens. 88 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. Mit großer Freude denke ich an die Anwesenheit und Begeisterung der zahlreichen Jugendlichen zurück. Ich habe sie daran erinnert, dass die Kirche in ihnen einen vielversprechenden Reichtum für die Zukunft sieht; ich habe sie zum Mut eines kompromisslosen Zeugnisses für Christus aufgerufen und dazu wiederholt, was ich in der Enzyklika Redemptoris missio schrieb: „Der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien“ (Redemptoris missio, Nr. 42). Den Jugendlichen, die von Natur aus für die Faszination von Idealen empfänglich sind - besonders wo sie zu Leben werden haben diese Worte gefallen. Sie haben den Sinn meines Besuches in ihrem Land verstanden: Ich war nach Österreich gekommen als Pilger im Glauben, Diener der Freude und Mitarbeiter an der Wahrheit. 4. Nicht unerwähnt lassen kann ich zwei voneinander sehr verschiedene, aber für ihren Bereich bedeutsame Anlässe: die Begegnung mit den Staatsautoritäten und dem Diplomatischen Korps in der Hofburg und der Besuch bei den Kranken und Sterbenden im Caritas-Socialis-Hospiz Rennweg. Bei diesen beiden Gelegenheiten habe ich aus verschiedenen Blickwinkeln dasselbe Leitthema dargelegt: die grundlegende Pflicht der Achtung vor dem in jedes Menschenwesen eingeprägte Bild Gottes. Das ist einer der Kernpunkte der Botschaft, die ich nicht nur den Katholiken. sondern allen Bewohnern Österreichs bringen wollte. Jeder Mensch trägt in jeder Phase seines Lebens einen unveräußerlichen Wert in sich. Das Wort von der „Kultur des Lebens“, an die Baumeister des Hauses Europa gerichtet, wird u. a. verwirklicht in Einrichtungen wie dem Hospiz, wo tagtäglich das „Evangelium vom Leiden“ aus dem Licht des Glaubens neu geschrieben wird. An der Seite derer, die ihren unermüdlichen Dienst in Krankenhäusern und Sanatorien leisten und ebenso derer, die nicht von ihren kranken Angehörigen weichen, ist der Herr anwesend; er betrachtet ihre liebevolle Pflege als ihm selbst erwiesen. Mit der aus Liebe zu Christus ertragenen Last ihrer Leiden sind die Kranken ein kostbarer Schatz für die Kirche, die in ihnen äußerst wirksame Mitarbeiter bei der Evangelisierungstätigkeit hat. 5. Wenn ich noch einmal an die intensiv erlebten Eindrücke denke, verspüre ich die Notwendigkeit, zu wiederholen, was ich am Schluss des Besuchs sagte: Credo in vitam! Ich glaube an das Leben. Ich glaube, dass die Kirche in Österreich lebendig ist, Ich glaube, dass dieses Leben stärker ist als die Prüfungen, die nicht wenige Gläubige in diesem geliebten Land durchschritten haben und durchgehen. Ich bin zu ihnen gegangen, um ihnen zu helfen, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu überwinden, und sie zu ermutigen, hochherzig den Weg zum Großen Jubiläum wiederaufzunehmen. Auch in Rom schlägt das Herz des Papstes weiter für Österreich. An alle seien die Worte Christi gerichtet: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren" (Joh 14,1)1 Schaut nicht nur auf die Vergangenheit! Bereitet die Zukunft vor mit der Hilfe des Heiligen Geistes! Mein Pastoralbesuch in Österreich ist zu Ende; es beginnt nun ein 89 A UDIENZEN UND ANGELUS neuer Abschnitt des Pilgerwegs, der das Volk Gottes in Österreich zum Überschreiten der Schwelle des neuen Jahrtausends führt, um zusammen mit seinen Bischöfen die gute Nachricht Christi den kommenden Generationen zu verkünden. Danke für alles - „Vergelt’s Gott“! Grußworte in Deutsch: Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich besonders die Pilgergruppen aus Basel willkommen, die aus Anlass der Zweihundertjahrfeier der Errichtung der ersten katholischen Kirche nach der Reformation nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Fortschritt im lutherisch-katholischen Dialog Angelus am 28. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute ist bereits der letzte Sonntag im Juni, dem Monat, der dem Herzen Jesu gewidmet ist; im Juli hingegen bringt die Kirche mit besonderer Intensität die Verehrung für sein Kostbares Blut zum Ausdruck. Mit diesen geistlichen Akzentsetzungen lädt die Tradition dazu ein, den Blick des Glaubens auf das Geheimnis der Liebe Gottes zu heften, die sich in der Menschwerdung des Sohnes geoffenbart hat. Den Männern und Frauen von heute, die, in eine säkularisierte Welt versunken, den Schwerpunkt ihrer Existenz zu verlieren drohen, bietet Christus sein menschliches und göttliches Herz an, Quelle der Versöhnung und Ursprung des neuen Lebens im Heiligen Geist. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend verkündet die Kirche mit neuer Kraft allen Menschen: Christus ist das Herz der Welt; sein Pascha des Todes und der Auferstehung ist die Mitte der Geschichte, die dank Ihm Heilsgeschichte ist; seine Liebe zieht alle Kreatur an sich und lässt die, die an ihn glauben, ein Herz und eine Seele werden, sie treibt die Christen aller Zeiten zur Suche nach der vollen Wahrheit. 2. Zum Abschluss eines sorgfältigen Bewertungsprozesses, an dem die katholische Kirche und der Lutherische Weltbund beteiligt waren, können wir uns nun über eine wichtige ökumenische Errungenschaft freuen. Ich beziehe mich auf die Gemeinsame Erklärung zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre. Diese Erklärung hält als Resultat des gleich nach dem II. Vatikanischen Konzil begonnenen Dialogs fest, dass die dem Lutherischen Weltbund angehörigen Kirchen und die katholi- 90 AUDIENZEN UND ANGELUS sehe Kirche in einer Jahrhunderte lang so kontroversen Frage wie der der Rechtfertigung einen hohen Grad an Übereinstimmung erreicht haben. Wenn die Erklärung auch nicht alle Fragen bezüglich der Darlegung der Lehre von der Rechtfertigung löst, bringt sie doch einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre zum Ausdruck (vgl. Antwort der katholischen Kirche auf die Gemeinsame Erklärung zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen WeltRund über die Rechtfertigungslehre). Mein Wunsch ist, dass dieser Fortschritt des lutherisch-katholischen Dialogs, Geschenk von Gottes Geist der Weisheit zum Abschluss des zweiten Jahrtausends, eine Ermutigung und Bestärkung des erklärten Zieles sei, das Lutheraner und Katholiken anstreben: die Erreichung der vollen, sichtbaren Einheit. Ich danke allen -Katholiken und Lutheranern -, die zu diesem wichtigen Resultat beigetragen haben, und bitte den Herrn, dass er uns weiterhin auf unserem Weg zur Einheit helfe. 3. Heute wird in Italien der Tag der „Caritas“ des Papstes begangen. Diese Gelegenheit möchte ich zum Anlass nehmen, um allen meinen lebhaften Dank auszudrücken, die in hochherziger Weise die Tätigkeiten des Hl. Stuhls und die von ihm geförderten Werke der Solidarität unterstützen. Der Herr möge sie auf die Fürsprache der hll. Apostel Petrus und Paulus mit seiner Güte überschütten. Wir vertrauen Maria, Mutter der Kirche, diese unsere Anliegen an und bitten jeder um ihren mütterlichen Schutz. Bedeutung Roms in der Sendung der Kirche Angelus am Hochfest der hll. Apostel Petms und Paulus, 29. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute die hll. Apostel Petrus und Paulus: ein Fest für die ganze Kirche, ein großes Fest besonders für Rom, das sie als seine Patrone verehrt. Die Vorsehung hat gewollt, dass sowohl das pastorale Amt des Petrus als auch die missionarische Tätigkeit des Paulus in der Stadt Rom ihren Höhepunkt fänden, haben doch beide gerade hier das Siegel des Martyriums empfangen. Die Tatsache, dass die Stadt mit dem Blut der beiden großen Apostel bezeichnet wurde, bildet die zugleich geistliche wie historische Grundlage für die einzigartige Rolle der Gemeinschaft Roms und ihres Bischofs in der allgemeinen Kirche. Wenn Jerusalem einerseits den Ursprung des Christentums und andererseits die himmlische Stadt darstellt und als solche einen bleibenden Wert der Erinnerung an die Ursprünge des Glaubens und an das überirdische Ziel bewahrt, ist Rom vielmehr Träger einer zentralen Aufgabe in der Sendung der Kirche durch die Jahrhunderte hindurch. Diese Aufgabe besteht darin, die lehrmäßige und pastorale Gemeinschaft zu garantieren und zu fördern sowie die Evangelisierung bis an die äußersten Grenzen der Erde zu unterstützen. 91 A UDIENZEN UND ANGELUS Möge das Große Jubiläum des Jahres 2000 in der ganzen Kirche das missionarische Engagement und das Streben nach der vollen Einheit unter den Christen der verschiedenen Konfessionen stärken. 2. ln dieser Hinsicht gilt mein herzliches Gedenken dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Seiner Heiligkeit Bartholomaios 1.. dem ich dafür danke, dass er aus Anlass des heutigen Hochfestes eine hochrangige Delegation nach Rom gesandt hat. Die Gegenwart von Vertretern der orthodoxen Kirche ist an diesem Tag besonders willkommen und bedeutsam, gerne werde ich diese Geste, dem glücklichem Brauch folgend, am kommenden Fest des hl. Andreas, Bruder von Simon Petrus und Patron von Konstantinopei, erwidern. Erneut grüße ich sodann die geliebten Erzbischöfe-Metropoliten, denen ich soeben in der Vatikanbasilika das Pallium, Zeichen der Gemeinschaft mit dem Sitz des Petrus, überreicht habe. ? Schließlich möchte ich einen innigen, väterlichen Wunsch für Frieden und Wohlergehen an die Diözese Rom richten! Liebe Römer und Römerinnen und ihr alle, die ihr in der Stadt von Petras und Paulus lebt, ich segne euch im Namen der hl! Patrone und ermahne euch: Bewahrt die Erinnerung an die christlichen Wurzeln dieser Stadt stets lebendig in euch, und seid euch der ihr aufgetragenen geistlichen Sendung bewusst. Die Sfadtmission, die sich in vollem Gang befindet, verlangt den Beitrag aller Gläubigen, damit das Rom des Jahres 2000 treu zu den Werten des Evangeliums stehe und sie in konkrete Verhaltensweisen umzusetzen ■wisse. Nur so können miteinander die Probleme und Schwierigkeiten angegangen werden, die das lieben in einer großen Stadt täglich mit sich bringt. Diese Vorsätze vertrauen wir Maria an, Königin der Apostel und Heil des römischen Volkes. Erneuter Appell für Guinea-Bissau Während die Anstrengungen für eine Beendigung des Konfliktes in Guinea-Bissau weiter intensiviert werden, spreche ich erneut meine herzliche Ermutigung zu allen Initiativen aus, die auf den Dialog bauen und den Schritt zur bewaffneten Auseinandersetzung ablehnen. Mit Wertschätzung und Zuneigung verfolge ich Tag lur Tag das unermüdliche Wirken des Bischofs, Msgr. Setümio Ferrazzetta, und die treue, hochherzige Solidarität der kirchlichen Mitarbeiter. Mein Wunsch ist, dass die beteiligten Parteien keine Anstrengung unterlassen, um die unentbehrliche Hilfe für die Massen der Vertriebenen sicherzustellen und insbesondere die Zufahrt für humanitäre Hilfskonvois über die Grenzen zu gewährleisten. 92 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist - Hauptperson für die Evangelisierung Generalaudienz am 1. Juli 1. Sobald der Heilige Geist am Pfingsttag auf die Apostel herabgekommen war, „begannen sie, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“ (vgl. Apg 2,4). Man kann daher sagen, dass die Kirche in dem Augenblick selbst, in dem sie entsteht, vom Geist als Geschenk die Fähigkeit erhält, „Gottes große Taten [zu! verkünden“ (Apg 2,11): Es ist die Gabe des Evangelisierens. Diese Tatsache enthält und offenbart ein Grundgesetz der Heilsgeschichte.' Es ist nicht möglich, zu evangelisieren oder zu prophezeien, d. h. es ist nicht möglich, über den Herrn oder im Namen des Herrn zu sprechen, ohne die Gnade und die Kraft des Heiligen Geistes. Einen biologischen Vergleich gebrauchend, könnten wir sagen: Wie das Wort des Menschen vom menschlichen Atem getragen wird, so wird das Wort Gottes vermittelt durch den Hauch Gottes, durch seine „mach“ oder sein „pneuma“. das ist der Heilige Geist. 2. Diese Verbindung zwischen dem Geist Gottes und dem göttlichen Won kann man schon in der Erfahrung der alten Propheten feststellen. Die Berufung Ezechiels wird beschrieben als Einflößung des Geistes in die Person: „[Der Herr] sagte zu mir: Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden. Als er das zu mir sagte, kam der Geist in mich und stellte mich auf die Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete.“ (Ez 2,1-2). Im Buch Jesaja lesen wir, dass der kommende Gottesknecht den Völkern das Recht verkünden wird, denn auf ihn hat der Herr seinen Geist gelegt (vgl. Jes 42,1). Nach dem Propheten Joel wird die messianische Zeit von einer universalen Ausgießung des Geistes gekennzeichnet sein: „Danach aber wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch“ (Joel 3,1): und diese Mitteilung des Geistes hat zur Auswirkung: „Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein“ (cbd.). 3. In Jesus erreicht die Verbindung von Geist und Wort den Höhepunkt: Er ist in der Tat das Wort selbst, fleischgeworden „durch den Heiligen Geist“. Er beginnt seine Predigertätigkeit, „erfüllt von der Kraft des Geistes“ (vgl. Lk 4,14 ff.), ln Na-zaret wendet er bei seiner ersten Predigt auf sich die Schriftstelle aus Jesaja an: „Der Geist des Herrn ruht auf mir [...] Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18). Wie das vierte Evangelium unterstreicht, ist die Sendung Jesu, „dessen, den Gott gesandt hat“ und der „die Worte Gottes verkündet“, Frucht der Gabe des Geistes, den er empfangen hat und „unbegrenzt“ gibt (vgl. Joh 3,34). Wenn Jesus den Seinen am Abend des Ostertages im Abendmahlssaal erscheint, vollbringt er die so ausdrucksstarke Geste des „Sie-Anhauehens". wobei er zu ihnen spricht: „Empfangt den Heiligen Geist“ (vgl. Joh 20,21-22). Unter diesem Hauch vollzieht sich das Leben der Kirche. „Der Heilige Geist ist wahrlich die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung“ (Redemptoris missio, Nr. 21). Die Kirche verkündet das Evangelium kraft seiner Gegenwart und Heils- 93 AUDIENZEN UND ANGELUS macht. Sich an die Christen von Thessalonike wendend, schreibt der hl. Paulus: „Wir haben euch das Evangelium nicht nur mit Worten verkündet, sondern auch mit Macht und mit dem Heiligen Geist“ (/ Thess 1,5). Der hl. Petrus definiert die Apostel als diejenigen, die „in der Kraft des [...] Heiligen Geistes das Evangelium gebracht haben“ (1 Petr 1,12). Was aber bedeutet „evangelisieren im Heiligen Geist“? Kurzgefasst kann man sagen: Es bedeutet evangelisieren „in der Kraft, in der Neuigkeit, in der Einheit“ des Heiligen Geistes. 4. Evangelisieren in der Kraft des Geistes heißt, mit jener Macht ausgestattet zu sein, die in höchster Weise in der Evangelisierungstätigkeit Jesu in Erscheinung getreten ist. Das Evangelium berichtet uns, dass die Zuhörer über ihn erstaunt waren, „denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,22). Das Wort Jesu treibt Dämonen aus, lässt Stürme sich legen, heilt Kranke, vergibt Sünden, erweckt Tote zum Leben. Die Vollmacht Jesu wird der Kirche vom Geist als österliche Gabe mitgeteilt. So sehen wir die Apostel reich an „Parrhesfa“ - das ist der Freimut, der sie ohne Angst von Jesus sprechen lässt. Die Gegner waren verwundert darüber, zumal sie „merkten, daß es ungelehrte und einfache Leute waren“ (Apg 4,13). Auch Paulus kann kraft der Gabe des Geistes des Neuen Bundes in aller Wahrheit feststellen: „Weil wir eine solche Hoffnung haben, treten wir mit großem Freimut auf“ (2 Kor 3,12). Diese Kraft des Geistes ist mehr denn je nötig für die Christen unserer Zeit, von denen verlangt ist, dass sie Zeugnis für ihren Glauben geben in einer oft gleichgültigen, wenn nicht feindseligen, stark von Relativismus und Hedonismus geprägten Welt. Diese Kraft brauchen vor allem die Verkündiger des Evangeliums, die dieses anbieten müssen, ohne sich auf Kompromisse oder falsche „Abkürzungen“ einzulassen, so dass das Wort der Wahrheit Christi verkündet wird, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tun 4,2). 5. Der Heilige Geist sichert der Evangelisierung auch einen Charakter immer wieder neuer Aktualität, damit die Verkündigung nicht zu einer leeren Wiederholung von Formeln und einer kalten Anwendung von Methoden absinkt. Denn die Verkündiger stehen im Dienst des „Neuen Bundes“, der nicht ein Dienst „des Buchstabens“ ist, der tötet, sondern ein Dienst „des Geistes“, der lebendig macht (vgl. 2 Kor 3,6). Nicht die „alte Wirklichkeit des Buchstabens“ gilt es zu verbreiten, sondern die „neue Wirklichkeit des Geistes“ (vgl. Röm 7,6). Diese Forderung ist heute für die „Neu-Evangelisierung“ von besonderer, vitaler Notwendigkeit. Diese wird dann wirklich „neu“ sein im Engagement, in den Methoden, in den Ausdrucksformen, wenn die, welche die wunderbaren Dinge Gottes verkünden und in seinem Namen sprechen, zuvor auf Gott hören und sich vom Heiligen Geist leiten lassen. Von grundlegender Bedeutung ist daher die Kontemplation, bestehend aus Hinhören und Gebet. Wenn der Verkündiger nicht betet, wird er am Ende „sich 94 AUDIENZEN UND ANGELUS selbst verkündigen“ (vgl. 2 Kor 4,5) und seine Worte werden zu „gottlosem Geschwätz“ (vgl. 2 Tim 2,16). 6. Schließlich begleitet der Geist die Kirche und treibt sie an, in der Einheit und die Einheit aufbauend zu evangelisieren. Das Pfingstereignis kam, als die Jünger „sich alle am gleichen Ort [befanden]“ (Apg 2,1) und „alle [...] einmütig im Gebet“ waren (Apg 1,14). Nachdem sie den Geist empfangen hatten, „trat Petrus auf, zusammen mit den Elf“ (Apg 2,14), um die erste Predigt an die Menge zu richten: ein Bild einstimmiger Verkündigung, die eine solche zu bleiben hat, auch dann, wenn die Verkündiger über die Welt verstreut sind. Christus unter dem Antrieb des einzigen Geistes an der Schwelle des dritten Jahrtausends zu verkündigen, bedingt für alle Christen eine konkrete und hochherzige Anstrengung in Richtung auf die volle Gemeinschaft hin. Das ist das große Werk der ökumenischen Bewegung, das es mit stets neuer Hoffnung und tatkräftigem Einsatz zu unterstützen gilt, wenn auch die Zeiten und Resultate in den Händen des Vaters liegen, der von uns verlangt, dass wir seine Pläne und die inneren Eingebungen des Geistes mit demütiger Bereitschaft annehmen. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Hoffnung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die vielen Schüler und Schülerinnen willkommen. Euch allen und euren Angehörigen zuhause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen wünsche ich einen schönen Sommer und erteile von Herzen den Apostolischen Segen. Den Sonntag als Tag des Herrn wiederentdecken! Angelus am 5. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am kommenden Dienstag, den 7. Juli, wird das Apostolische Schreiben Dies Domini über die Heiligung des Sonntags veröffentlicht. Die Unterschrift darunter habe ich am 31. Mai, dem Tag des Pfingstfestes, gesetzt. Damit wollte ich unterstreichen, dass das Schreiben eine spezielle Frucht dieses Jahres ist, das im Rahmen der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum besonders der Reflexion über den Heiligen Geist gewidmet ist. Denn der Heilige Geist bringt der Kirche die Reichtümer des Geheimnisses der Erlösung immer wieder neu in Erinnerung und hilft den Gläubigen aller Geschlechter, sie neu zu entdecken und zu leben. Eine der Prioritäten, die sich heute dringlich im Leben der Christengemeinschaft stellen, ist gerade die Wiederentdeckung des Sonntags. Droht dieser doch für viele, 95 A UDIENZEN UND ANGELUS nur noch als „Wochenende“ empfunden und gelebt zu werden. Aber der Sonntag ist etwas anderes: Er ist der Tag der Woche, an dem die Kirche die Auferstehung Christi feiert. Er ist das „wöchentliche Ostern“! Aus diesem Grund ist er vor allem anderen der „Tag des Herrn“. Daran erinnert schon der Name, wie er sich im Italienischen („domenica“) und auch in vielen anderen Sprachen, entsprechend dem lateinischen „dies dominica“ oder „dies Domini“, erhalten hat. 2. Dem dritten Gebot folgend, muss der Sonntag geheiligt werden, vor allem durch die Teilnahme an der heiligen Messe. Früher wurde dies in den Ländern christlicher Tradition durch den ganzen kulturellen Kontext erleichtert. Heute muss man, um der sonntäglichen Praxis treu zu bleiben, oft „gegen den Strom schwimmen“. Es bedarf daher eines erneuerten Glaubensbewusstseins. Habt keine Angst, meine Lieben, eure Zeit für Christus zu öffnen! Christus geschenkte Zeit ist keine verlorene Zeit; sie ist im Gegenteil Zeit, die wir für unser Mensch-Sein gewinnen, Zeit, die Licht und Hoffnung in unsere Tage bringt. Mit diesem Apostolischen Schreiben möchte ich mich an erster Stelle an die Hirten wenden, um mit ihnen dieses pastorale Grundanliegen zu teilen. Darüber hinaus möchte ich gewissermaßen mit allen und jedem einzelnen Gläubigen einen offenherzigen Dialog führen, wie ich es bei meinen Besuchen in den Pfarreien Roms zu tun gewohnt bin. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, bei den kommenden sonntäglichen Begegnungen zum Angelus auf dieses Thema zurückzukommen. Dieses neue Dokument biete ich in Gedanken euch allen an, liebe Brüder und Schwestern, zu Beginn dieser Ferienzeit berechtigten Ausspannens, das jedoch nicht Zeit der „Leere“ bedeutet. Warum dieses Bändchen nicht in den Urlaub mitnehmen und einige Stunden ruhiger Lektüre daran verschwenden? Es könnte sich, zumindest unter gewissen Aspekten, als eine interessante „Entdeckung“ heraussteilen. 3. Bitten wir die heilige Jungfrau dämm, dass sie die Christengemeinschaft bereit mache, die Botschaft dieses Apostolischen Schreibens aufzunehmen. Sie möge die Gläubigen dazu drängen, sich über die Art und Weise zu befragen, wie sie den Sonntag leben; sie möge die Hirten ermutigen, diesem Thema die ganze Bedeutung zukommen zu lassen, die es verdient, unbeachtet der besonderen Schwierigkeiten unserer Zeit. Auch das wird ein wertvoller Beitrag zur Feier des Großen Jubiläums sein. Nach dem Angelus kündigte der Papst mit folgenden Worten seinen Urlaub an; Die Sonne dieser Tage erinnert uns daran, dass wieder die Ferienzeit gekommen ist. Auch der Papst reist am Mittwochnachmittag ab zu einigen Tagen der Erholung und Besinnung in Lorenzago, im Cadore. Dieses Fenster wird also geschlossen bleiben bis nach dem Sommer. Allen wünsche ich einen für den Leib erholsamen und für den Geist erquicklichen Urlaub. Allen gelten meine herzlichsten Grüße. 96 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist — Seele der Kirche Generalaudienz am 8. Juli 1. „Wenn Christus das Haupt der Kirche ist, dann ist der Heilige Geist ihre Seele.“ So sagte mein verehrter Vorgänger Leo XIII. in der Enzyklika Divinum illud mu-nus ([1897]; DS 3328). Und nach ihm erklärte Pius XII.: Im mystischen Leib Christi ist der Heilige Geist „in allen Teilen des Leibes das Prinzip jeder lebensspendenden und wirklich heilsamen Handlung“ (Enzyklika Mystici Corporis, [1943]; DS 3808). Wir wollen heute über das Geheimnis des Leibes Christi, die Kirche, nachdenken, insofern sie vom Heiligen Geist belebt und beseelt ist. Nach dem Pfingstereignis verändert sich die Gruppe, die am Ursprung der Kirche steht, von Grund auf: vorher war es eine geschlossene, statische Gmppe von „etwa hundertzwanzig Personen“ (Apg 1,15); nachher aber handelt es sich um eine offene, dynamische Gruppe, zu der nach der Ansprache des Petrus „etwa dreitausend Menschen hinzugefügt wurden“ (Apg 2,41). Die wirkliche Neuheit besteht nicht so sehr in dieser auch zahlenmäßigen Zunahme, sondern in der Anwesenheit des Heiligen Geistes. Denn um eine christliche Gemeinschaft zu bilden, genügt nicht eine Gruppe von Personen. Die Kirche entsteht aus dem Geist des Herrn. Sie zeigt sich - um einen glücklichen Ausdruck des verstorbenen Kardinals Congar zu gebrauchen - „ganz zum Himmel erhoben“ (ital. Übers. La Pentecoste, Brescia 1986, S. 60). 2. Diese Geburt im Geist, die sich für die ganze Kirche am Pfingstfest ereignete, geschieht für jeden Gläubigen in der Taufe, wenn wir „in einen einzigen Geist“ eingetaucht werden, um „in einen einzigen Leib“ aufgenommen zu werden (vgl. 1 Kor 12,13). Beim hl. Irenäus lesen wir: „Wie nämlich aus dem trockenen Weizen ein Teig nicht werden kann ohne Feuchtigkeit, noch ein Brot, so konnten wir viele nicht eins werden in Christo Jesu ohne das Wasser, das vom Himmel kommt“ (Adv. Haer., 111,17,2; BKV, Kempten/ München 1912, S. 19 f). Das Wasser, das vom Himmel kommt und das Wasser der Taufe umgestaltet, ist der Heilige Geist. Der hl. Augustinus bekräftigt: „Was unser Geist, beziehungsweise unsere Seele für unsere Glieder ist, das gleiche ist der Heilige Geist für die Glieder Christi, für den Leib Christi, der die Kirche ist“ (Serm. 267,4). Das II. Vatikanische Ökumenische Konzil kommt in der dogmatischen Konstitution über die Kirche auf dieses Bild zurück, entfaltet es und bestimmt es näher: Christus „gab uns von seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt und den ganzen Leib so lebendig macht, eint und bewegt, daß die heiligen Väter sein Wirken vergleichen konnten mit der Aufgabe, die das Lebensprinzip - die Seele - im menschlichen Leibe erfüllt“ (Lumen Gentium, Nr. 7). Diese Beziehung des Heiligen Geistes zur Kirche gibt uns die Orientierung, um die Kirche zu verstehen, ohne in die beiden einander entgegengesetzten Irrtümer zu verfallen, auf die schon Mystici Corporis hin wies: den ekklesiologischen Natura- 97 AUDIENZEN UND ANGELUS lismus, der einseitig beim sichtbaren Aspekt stehen bleibt und schließlich die Kirche als eine rein menschliche Institution betrachtet; oder im Gegensatz dazu den ekklesiologischen Mystizismus, der die Einheit der Kirche mit Christus betont und darin so weit geht, dass er Christus und die Kirche als eine Art physischer Person ansieht. Zwei Irrtümer, die - wie schon Leo XIII. in der Enzyklika Satis cognitum hervorhob - eine Analogie mit zwei christologischen Häresien aufweisen: mit dem Nestorianismus, der die beiden Naturen in Christus voneinander trennte, und dem Monophysitismus, der sie miteinander vermischte. Das II. Vatikanische Konzil hat uns eine Synthese angeboten, die uns hilft, den wahren Sinn der mystischen Einheit der Kirche zu begreifen, indem es sie darstellt als „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (Lumen Gentium, Nr. 8). 3. Die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Kirche bewirkt, dass die Kirche, obschon von der Sünde ihrer Glieder gezeichnet, davor bewahrt wird, abtrünnig zu werden. Die Heiligkeit tritt nämlich nicht nur an die Stelle der Sünde, sondern überwindet sie. Auch in diesem Sinn kann man mit dem hl. Paulus sagen, dass da, wo die Sünde mächtig wird, die Gnade übergroß wird (vgl. Röm 5,20). Der Heilige Geist wohnt in der Kirche nicht wie ein Gast, der irgendwie fremd bleibt, sondern als die Seele, die die Gemeinschaft zu einem „heiligen Tempel Gottes“ (7 Kor 3,17; vgl. 6,19; Eph 2,21) umgestaltet und sie beständig sich angleicht durch die ihn kennzeichnende Gabe, die Liebe (vgl. Röm 5,5; Gal 5,22). Die Liebe - so lehrt das II. Vatikanische Konzil - „leitet und beseelt alle Mittel der Heiligung und führt sie zum Ziel“ (Lumen Gentium, Nr. 42). Die Liebe ist das „Herz“ des mystischen Leibes Christi, wie wir an der schönen Stelle der Autobiographie der hl. Therese vom Kinde Jesus lesen: „Ich begriff, daß wenn die Kirche einen aus verschiedenen Gliedern bestehenden Leib hat, ihr auch das notwendigste, das edelste von allen nicht fehlt; ich begriff, daß die Kirche ein Herz hat, und daß dieses Herz von Liebe brennt. Ich erkannte, daß die Liebe allein die Glieder der Kirche in Tätigkeit setzt, und würde die Liebe erlöschen, so würden die Apostel das Evangelium nicht mehr verkünden, die Märtyrer sich weigern, ihr Blut zu vergießen [...] Ich begriff, daß die Liebe alle Berufungen in sich schließt, daß die Liebe alles ist, daß sie alle Zeiten und Orte umspannt [...] mit einem Wort, daß sie ewig ist!“ (Selbstbiographische Schriften B 3v, Authentischer Text in deutscher Übersetzung von Otto Iserland und Cornelia Capol, Einsiedeln 1958, S. 200.) 4. Der Heilige Geist, der in der Kirche wohnt, weilt auch im Herzen jedes Gläubigen: Er ist der „dulcis hospes animae“. Einen Weg persönlicher Bekehrung und Heiligung verfolgen, heißt also, sich vom Heiligen Geist „führen“ zu lassen (vgl. Röm 8,14), ihn in uns handeln, beten, lieben lassen. „Heilig werden“ ist möglich, wenn man sich von dem heiligen lässt, der der Heilige ist, und gelehrig mit seinem umgestaltenden Handeln mitwirkt. Da es nun das Hauptziel des Jubeljahres ist, den Glauben und das Zeugnis der Christen zu stärken, so muss also „in jedem Gläubigen eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit geweckt werden, ein starkes Verlangen 98 A UDIENZEN UND ANGELUS nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einem Klima immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besonders des am meisten bedürftigen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Mögen wir festhalten, dass der Heilige Geist gleichsam die Seele unserer Seele ist und daher das Geheimnis unserer Heiligung. Lassen wir ihn in uns wohnen mit seiner starken und diskreten, innersten und umwandelnden Gegenwart! 5. Der hl. Paulus lehrt uns, dass die Einwohnung des Heiligen Geistes in uns, eng verbunden mit der Auferstehung Jesu, auch die Grundlage unserer endgültigen Auferstehung ist: „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ {Röm 8,11). In der ewigen Seligkeit werden wir in dem freudigen Zusammensein leben, das jetzt durch die Eucharistie voraus gedeutet und vorweggenommen wird. Dann wird der Heilige Geist alles, was an Gemeinschaft, Liebe und Brüderlichkeit aufgekeimt und während unseres irdischen Pilgerweges aufgeblüht ist, zur vollen Reife bringen. So sagt der hl. Gregor von Nyssa: „[...] daß alle durch die Einheit des Heiligen Geistes [...] durch das Band des Friedens fest verbunden, ein Leib und ein Geist werden“ (Hom. 15 in Cant.; Fontes Christiani, Bd.16/3, Freiburg 1994, S. 825). Grußworte in Deutsch: Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die Gläubigen der Pfarreien Langenlois und Stinatz sowie die Jugendlichen willkommen. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Sendung des Geistes ist Auftrag zur Heiligung Generalaudienz am 22. Juli 1. Die Geste Jesu, der am Abend des Ostertages die Jünger „anhauchte“ und ihnen den Heiligen Geist mitteilte (vgl. Joh 20,21-22), lässt an die Erschaffung des Menschen denken, wie sie das Buch Genesis als Mitteilung eines „Lebensatems“ beschreibt (Gen 2,7). Der Heilige Geist ist gleichsam der „Atem“ des Auferstandenen, der der Kirche, die in den ersten Jüngern verkörpert ist, das neue Leben einhaucht. Das deutlichste Zeichen dieses neuen Lebens ist die Vollmacht zur Sündenvergebung. Denn Jesus sagt: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ (Joh 20,22-23). Wo der „Geist der Heiligkeit“ {Röm 1,4) ausgegossen wird, wird vernichtet, was sich der Heiligkeit entgegen- 99 AUDIENZEN UND ANGELUS stellt, nämlich die Sünde. Nach dem Wort Christi ist der Heilige Geist jener, der „die Welt überführen (und aufdecken)“ wird, „was Sünde [...] ist“ (Joh 16,8). Er bewirkt, dass die Sünde ins Bewusstsein tritt, aber zu gleicher Zeit ist er es auch, der die Sünden vergibt. Der hl. Thomas bemerkt zu diesem Thema: „Da der Heilige Geist es ist, der unsere Freundschaft mit Gott begründet, ist es normal, daß Gott uns durch ihn die Sünden vergibt“ (Contr. Gent. 4,21,11). 2. Der Geist des Herrn macht nicht nur die Sünde zunichte, sondern bewirkt auch eine Heiligung und Vergöttlichung des Menschen. Gott hat uns, wie der hl. Paulus sagt, „als Erstlingsgabe“ auserwählt, „gerettet zu werden [...] aufgrund der Heiligung durch den Geist“ und aufgrund des „Glaubens an die Wahrheit“ (vgl. 2 Thess 2,13). Schauen wir uns etwas näher an, worin diese „Heiligung-Vergöttlichung“ besteht. Der Heilige Geist ist „die Liebe als Person“. Er ist „Geschenk als Person“ (Dominum et vivificantem, Nr. 10). Diese vom Vater geschenkte, vom Sohn empfangene und erwiderte Liebe wird dem erlösten Menschen mitgeteilt, der so zum „neuen Menschen“ (Eph 4,24), zur „neuen Schöpfung“ (Gal 6,15) wird. Wir Christen werden nicht nur von der Sünde gereinigt, sondern auch wiedergeboren und geheiligt. Wir erhalten ein neues Leben, denn wir haben „an der göttlichen Natur Anteil“ (2 Petr 1,4) erhalten. „Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (i Joh 3,1). Es ist das Leben der Gnade, das freie Geschenk, mit dem Gott uns zu Teilhabern an seinem dreifältigen Leben macht. Die drei göttlichen Personen dürfen in ihrer Beziehung zu den Getauften nicht getrennt werden - denn jede der drei Personen handelt stets in Gemeinschaft mit den beiden andern -, noch dürfen sie vermischt werden, denn jede von ihnen teilt sich als Person mit. Wenn wir uns Gedanken machen über die Gnade, dürfen wir sie keinesfalls gleichsam als „Sache“ auffassen. Sie ist „in erster Linie die Gabe des Heiligen Geistes, der uns rechtfertigt und heiligt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2003). Sie ist die Gabe des Heiligen Geistes, der uns dem Sohn angleicht und uns in ein Kindesverhältnis zum Vater bringt: in dem einen Geist haben wir durch Christus Zugang zum Vater (vgl. Eph 2,18). 3. Die Anwesenheit des Heiligen Geistes bewirkt eine Umgestaltung, die den Menschen wirklich im Innersten berührt: Es ist die heiligmachende oder vergöttlichende Gnade, die unser Sein und Handeln erhebt und uns fähig macht, in Beziehung zur Heiligsten Dreifaltigkeit zu leben. Das kommt zustande durch die göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, „die den menschlichen Fähigkeiten die Teilnahme an der göttlichen Natur ermöglichen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1812). Der Glaubende betrachtet also Gott, die Brüder und Schwestern und die Geschichte nicht lediglich in der Perspektive der Vernunft, sondern vom Gesichtspunkt der göttlichen Offenbarung aus. In der Hoffnung blickt der Mensch mit Vertrauen und tatenfreudiger Gewissheit in die Zukunft, „gegen alle Hoffnung voll Hoffnung“ (vgl. Röm 4,18), den Blick fest auf das Ziel der ewi- 100 AUDIENZEN UND ANGELUS gen Seligkeit und der vollen Erfüllung im Reiche Gottes gerichtet, ln der Liebe setzt der Jünger alles daran, Gott aus ganzem Herzen zu lieben und die andern so zu lieben, wie Jesus, der Herr, uns geliebt hat, das heißt: bis zur vollständigen Hingabe seiner selbst. 4. Die Heiligung des einzelnen Gläubigen vollzieht sich immer durch die Eingliederung in die Kirche. „Das Leben jedes einzelnen Kindes Gottes ist in Christus und durch Christus mit dem Leben aller anderen christlichen Brüder in der übernatürlichen Einheit des mystischen Leibes Christi wie in einer mystischen Person in wunderbarem Band verbunden“ (Paul VI., Apostol. Konstitution Indulgentiarum doc-trina, Nr. 5; Katechistnus der Katholischen Kirche, Nr. 1474). Das ist das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen. Ein ewigdauemdes Band der Liebe verbindet alle „Heiligen“, sowohl die, die schon in die himmlische Heimat gelangt sind oder im Purgatorium geläutert werden, als auch jene, die noch Pilger auf Erden sind. Zwischen ihnen besteht auch ein fruchtbarer Güteraustausch, so dass die Heiligkeit des einen allen anderen zugute kommt. Der hl. Thomas schreibt: „Wer in der Liebe lebt, hat Anteil an allem Guten, das in der Welt getan wird“ (In Symb. Apost.) und ferner: „Die Tat des einen wird vollbracht durch die Liebe eines anderen, jene Liebe, durch die wir alle eins sind in Christus“ (In IV Sent. d.20, a.2; q.3 ad 1). 5. Das Konzil hat daran erinnert, dass „alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des cliristlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind“ (Lumen Gentium, Nr. 40). Praktisch ist der Weg zum Heiligwerden für jeden Gläubigen der Weg der Treue zum Willen Gottes, wie er in seinem Wort, in den Geboten und in den Anregungen des Heiligen Geistes zum Ausdruck kommt. Wie für Maria und für alle Heiligen, so besteht auch für uns die Vollkommenheit der Liebe darin, dass wir uns nach dem Beispiel Jesu vertrauensvoll den Händen des Vaters überlassen. Um es noch einmal zu sagen: Das ist möglich dank des Heiligen Geistes, der uns auch in den schwierigsten Augenblicken mit Jesus wiederholen lässt: „Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7). 6. Diese Heiligkeit spiegelt sich in einer eigenen Form im Ordensleben wider. In ihm wird die Taufweihe in der Verpflichtung zur radikalen Nachfolge des Herrn durch die evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams gelebt. „Wie die ganze christliche Existenz, so steht auch die Berufung zum geweihten Leben in enger Beziehung zum Wirken des Heiligen Geistes. Er ist es, der im Laufe der Jahrtausende immer aufs neue Menschen dafür empfänglich macht, das Faszinierende einer derart verpflichtenden Entscheidung waltrzunehmen. [...] Der Geist ist es, der das Verlangen nach einer vollkommenen Antwort weckt; er leitet das Wachstum dieses Verlangens, indem er die positive Antwort heranreifen läßt und dann ihre getreue Ausführung unterstützt; er formt und bildet die Seele der Berufenen, indem er sie nach dem keuschen, armen und gehorsamen Christus gestaltet und sie anspomt, sich seine Sendung zu eigen zu machen“ (Apostol. Schreiben Vita consecrata, Nr. 19). 101 AUDIENZEN UNDANGELUS Ein herausragender Ausdruck der Heiligkeit, ermöglicht durch die Kraft des Heiligen Geistes, ist das Martyrium, das erhabenste, durch die Hingabe des Blutes für Christus abgelegte Zeugnis. Aber eine bedeutsame und fruchtbare Form des Zeugnisses ist schon das tagtäglich bewusst christlich gelebte Leben - in radikaler Treue zum Gebot der Liebe. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Den Sonntag als Fest und Tag des Glaubens erfahren! Angelus in Castel Gandolfo am 26. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wie ich kürzlich im Apostolischen Schreiben Dies Domini in Erinnerung gerufen habe, wurde der Sonntag seit den Anfängen des Christentums als Tag Christi - dies Christi - betrachtet, weil er mit dem Gedächtnis an seine Auferstehung verbunden war. Der Herr ist ja „am ersten Tag“ nach dem Sabbat (vgl. Mk 16,2.9; Lk 24,1; Joh 20,1) auferstanden. Am gleichen Tag haben die Frauen, die frühmorgens hinausgingen, das Grab leer gefunden. Das Evangelium berichtet, Maria Magdalena habe Jesus erkannt und er habe sich den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus zugesellt, sich den versammelten Elf offenbart und sei ihnen am Sonntag darauf erneut erschienen, wobei er die Zweifel des ungläubigen Thomas besiegte. Fünfzig Tage später vollzog sich das Pfingstereignis mit der machtvollen Ausgießung des Heiligen Geistes auf die entstehende Kirche. Der Sonntag ist in gewisser Weise die Fortsetzung dieser ersten Sonntage der christlichen Geschichte: der Tag des auferstandenen Christus und der Gabe seines Geistes. 2. Im Unterschied zu den Kalendern des bürgerlichen Jahres betrachtet die Liturgie den Sonntag nicht als den letzten Tag der Woche, sondern als den ersten. Auf diese Weise unterstreicht sie seine Würde. Es wird so sichtbar gemacht, dass mit der Auferstehung Christi die Zeit, befruchtet durch den Keim der Ewigkeit, „neu beginnt“ und den Weg zu ihrem letzten Ziel einschlägt, dem glorreichen Kommen des Sohnes Gottes, das vorweggenommen und im voraus dargestellt wurde, durch seinen Sieg über den Tod. So ist der Sonntag der Tag des Glaubens im wahrsten Sinn des Wortes, der Tag, an dem die Gläubigen aufgerufen sind, das Antlitz des Auferstandenen betrachtend 102 A UDIENZEN UND ANGELUS mit Thomas zu wiederholen: „Mein Herr und mein Gott!“ (.loh 20,28). Sie sind weiter aufgerufen in der Eucharistie aufs neue die Erfahrung der Apostel zu machen, als der Herr in den Abendmahlssaal kam und sie mit seinem Geist beschenkte. 3. Liebe Schwestern und Brüder, es ist nicht schwer zu bemerken, dass dieser „heilige Tag“ außerordentlich reich an Bedeutung ist. Sein religiöser Sinn steht gewiss nicht in Gegensatz zu den menschlichen Werten, die aus dem Sonntag eine Zeit der Ruhe, der Freude an der Natur und der ausgedehnteren Pflege sozialer Beziehungen machen. Das sind Werte, die leider Gefahr laufen, durch eine hedonistische und ungezügelte Lebensauffassung vereitelt zu werden. Im Licht des Evangeliums gelebt, geben die Christen diesen Werten ihren vollen Sinn. Maria helfe uns, den Sonntag als Festtag und Tag des Glaubens zu erfahren. Mögen wir von ihr lernen, ihn so zu verbringen, dass wir das Lob Gottes mit rechter familiärer Ausspannung verbinden. Nach dem Angelusgebet sprach der Papst die folgenden Grußworte: Ich freue mich, euch alle, liebe Pilger, nach meinem kürzlichen Aufenthalt in Lo-renzago di Cadore bei diesem ersten Treffen zu empfangen. Vor allem begrüße ich die Postulantinnen, Novizinnen und Schwestern mit zeitlichen Gelübden aus der Kongregation der „Karmelitinnen vom Göttlichen Herzen Jesu“ aus verschiedenen Nationen in Rocca di Papa, die Pfarrgruppe aus Camagna (Alessandria) und die Universitätsstudentinnen, die am Treffen der Stiftung „Rui“ teilnehmen. Ferner möchte ich alle grüßen, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, besonders die Kranken, die alten Menschen und jene, die die Beschwernis des Alleinseins während der Sommerzeit noch mehr spüren. Ich wünsche ihnen, dass sie Menschen finden, die ihnen zur Seite sind. Denen, die die Möglichkeit haben, in Ferien zu gehen, wünsche ich eine Zeit der verdienten unbeschwerten Ruhe. Allen einen guten Sonntag und ein schönes Fest der hll. Joachim und Anna! In deutscher Sprache sagte der Papst: Zu unserem gemeinsamen Gebet begrüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache, sehr herzlich und wünsche Euch allen einen erholsamen Urlaub. Der Heilige Geist - Quelle der Gemeinschaft Generalaudienz am 29. Juli 1. Die Apostelgeschichte zeigt uns die urchristliche Gemeinde, geeint durch ein starkes Band brüderlicher Gemeinschaft: ,Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte“ (Apg 2,44-45). Ohne 103 A UDIENZEN UND ANGELUS Zweifel war der Heilige Geist an der Wurzel dieses Schauspiels der Liebe. Seine Ausgießung am Pfingstfest legt das Fundament für das neue Jerusalem, die auf die Liebe erbaute Stadt, das genaue Gegenteil des alten Babel. Nach dem Text im 11. Kapitel des Buches Genesis hatten die Erbauer Babels beschlossen, eine Stadt mit einem großen Turm aufzubauen, dessen Spitze bis an den Himmel reichen sollte. Der heilige Schriftsteller sieht in diesem Plan einen unsinnigen Stolz, der in Entzweiung, Uneinigkeit und Kontaktunfähigkeit endet. Am Pfingstfest hingegen wollen die Jünger Jesu nicht stolz den Himmel erklimmen, sondern sie öffnen sich demütig für die Gabe, die von oben kommt. Wenn in Babel alle die gleiche Sprache sprechen, aber schließlich einander nicht mehr verstehen, so werden am Pfingstfest verschiedene Sprachen gesprochen, und dennoch versteht man sich sehr gut. Das ist ein Wunder des Heiligen Geistes. 2. Schon innerhalb der Heiligen Dreifaltigkeit ist Gemeinschaft die besondere, dem Heiligen Geist eigene Gabe. „Man kann sagen, dass im Heiligen Geist das innere Leben des dreieinigen Gottes ganz zur Gabe wird, zum Austausch gegenseitiger Liebe unter den göttlichen Personen, und dass Gott durch den Heiligen Geist als Geschenk existiert. Der Heilige Geist ist der personale Ausdruck dieses gegenseitigen Sich-Schenkens, dieses Seins als Liebe“ (Dominum et vivificantem, Nr. 10). Die dritte göttliche Person - so lesen wir beim hl. Augustinus - ist „die höchste Liebe, die die beiden anderen göttlichen Personen eint“ {De Trinitate, 7,3,6). Der Vater nämlich zeugt liebend den Sohn; Liebe von ihm empfangend, wird der Sohn vom Vater gezeugt und erhält von ihm die Fähigkeit, zu lieben; der Heilige Geist ist die vom Vater vollkommen frei geschenkte Liebe; voll Dankbarkeit wird sie vom Sohn empfangen und von ihm dem Vater erwidert. Der Heilige Geist ist auch die Liebe und die persönliche Gabe, die jede geschaffene Gabe in sich schließt: das Leben, die Gnade, die Herrlichkeit. Das Geheimnis dieser Gemeinschaft leuchtet in der Kirche auf, im mystischen Leib Christi, der vom Heiligen Geist beseelt ist. Der gleiche Geist bewirkt, dass wir „einer“ sind „in Christus Jesus“ {Gal 3,28) und nimmt uns so in die Einheit auf, die den Sohn mit dem Vater verbindet. Vor dieser starken und tiefen Gemeinschaft zwischen Gott und uns können wir nur bewundernd und staunend verweilen! 3. Das Buch der Apostelgeschichte weist einige kennzeichnende Situationen auf, die uns verstehen lassen, wie der Heilige Geist der Kirche hilft, die Gemeinschaft praktisch zu leben, und wie er sie die Probleme überwinden lässt, denen sie von Zeit zu Zeit begegnet. Als zum ersten Mal Menschen, die nicht zum Volk Israel gehören, in die christliche Gemeinde hineinkommen, wird es dramatisch. Die Einheit der Kirche wird auf die Probe gestellt. Gerade da kommt der Heilige Geist in das Haus des ersten bekehrten Heiden, des Hauptmanns Kornelius, herab. Er lässt noch einmal das Pfingstwunder geschehen und setzt ein Zeichen für die Einheit zwischen Juden und Heiden (vgl. Apg 10-11). Wir können dies als den direkten Weg zum Aufbau der 104 A UDIENZEN UND ANGELUS Gemeinschaft bezeichnen: Der Heilige Geist greift mit der ganzen Kraft seiner Gnade ein und schafft eine neue, völlig unvorhersehbare Lage. Oft aber handelt der Heilige Geist, indem er sich menschlicher Vermittlung bedient. So geschah es - wie wiederum die Apostelgeschichte berichtet -, als in der Gemeinde von Jerusalem eine Diskussion über die tägliche Versorgung der Witwen aufkam (vgl. Apg 6,1 f.). Da wurde die Einheit dank des Eingreifens der Apostel wiederhergestellt. Sie forderten die Gemeinde auf, sieben Männer „voll Geist“ {Apg 6,3; vgl. 6,5) zu wählen, und sie setzten diese Gruppe von Sieben für den „Dienst an den Tischen“ ein. Auch die Gemeinde von Antiochien, gebildet aus Christen, die aus dem Judentum, und solchen, die aus dem Heidentum kamen, hatte einen kritischen Moment zu überstehen. Einige Judenchristen verlangten, die letzteren müssten sich beschneiden lassen und das Gesetz des Mose beobachten. Da traten „die Apostel und die Ältesten ... zusammen“ - schreibt der hl. Lukas - „um die Frage zu prüfen“ {Apg 15,6). Nach einer langen Diskussion kamen sie zu einem Einvernehmen, das sie mit der feierlichen Formel zum Ausdruck brachten: „... der Heilige Geist und wir haben beschlossen ...“, {Apg 15,28). Hier sieht man deutlich, wie der Geist durch die Vermittlung der „Dienste“ der Kirche handelt. Zwischen den beiden großen Wegen des Heiligen Geistes - dem unmittelbaren von mehr unvorhersehbarem und charismatischem Charakter, und dem mittelbaren von mehr bleibendem und institutionellem Charakter - kann es keinen wirklichen Gegensatz geben. Beide kommen vom gleichen Geist. In den Fällen, in denen die menschliche Schwäche darin Motive zu Spannung und Konflikt gewahren sollte, ist es erforderlich, sich an das Urteil der Autorität zu halten, der zu diesem Zweck der Beistand des Heiligen Geistes gewährt ist (vgl. 1 Kor 14,37). 4. Auch die Sehnsucht nach der vollen Einheit der Christen ist „Gnade des Heiligen Geistes“ {Unitads redintegrado, Nr. 4). In dieser Hinsicht dürfen wir nie vergessen, dass der Heilige Geist die erste gemeinsame Gabe an die getrennten Christen ist. Als „Prinzip der Einheit der Kirche“ {Unitads redinte grado, Nr. 2) drängt er uns, die Einheit wiederherzustellen durch die Bekehrung des Herzens, durch gemeinsames Gebet, gegenseitiges Kennenlemen und ökumenische Bildung, durch den theologischen Dialog und durch die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen des von der Liebe inspirierten sozialen Dienstes. Christus hat sein Leben hingegeben, damit alle seine Jünger eins seien (vgl. Joh 17). Die Jubiläumsfeier des dritten Jahrtausends wird ein neuer Abschnitt auf dem Weg zur Überwindung der Trennungen des zweiten Jahrtausends sein müssen. Und da die Einheit eine Gabe des Heiligen Geistes, des Parakleten, ist, ermutigt es uns, wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass gerade hinsichtlich der Lehre über den Heiligen Geist bedeutende Schritte zur Einheit zwischen den verschiedenen Kirchen, besonders zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen, gemacht wurden. Vor allem dürfen wir hinsichtlich des besonderen Problems des „Filioque“, das die Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und dem göttlichen Wort in ihrem Hervorgang aus dem Vater betrifft, annehmen, dass die Verschie- 105 AUDIENZEN UND ANGELUS denheit zwischen den Lateinern und der Ostkirche nicht die Identität des Glaubens „an die Wirklichkeit des einen im Glauben bekannten Mysteriums“, sondern lediglich dessen Ausdruck berührt, und somit eine „berechtigte, einander ergänzende Sehweise“ bildet, die die Gemeinschaft im einen Glauben nicht aufs Spiel setzt, sondern sie sogar bereichern kann (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 248; Apostol. Schreiben Orientale lumen, 2. Mai 1995, Nr. 5; Mitteilung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen: Die griechischen und die lateinischen Überlieferungen im Hinblick auf den Ausgang des Heiligen Geistes, O.R. dt, 24.5.1996, S. 11-13). 5. Schließlich muss das kommende Jubiläum auch innerhalb der katholischen Kirche die brüderliche Liebe anwachsen sehen. Jene wirksame Liebe, die in jeder Gemeinschaft herrschen muss, „besonders aber denen [gegenüber], die mit uns im Glauben verbunden sind“ (Gal 6,10), verpflichtet alle Teile der Kirche, jede Pfarr-und Diözesangemeinschaft, jede Gruppe, Vereinigung und Bewegung zu einer ernsten Gewissenserforschung, die die Herzen bereit macht, das einigende Wirken des Heiligen Geistes aufzunehmen. Die Worte des hl. Bernhard sind immer aktuell: „Wir alle brauchen einander: das geistliche Gut, das ich nicht habe und nicht besitze, das erhalte ich von den andern [...]. Und alle unsere Verschiedenheiten, die den Reichtum der Gaben Gottes offenbaren, werden bestehen bleiben in dem einen Haus des Vaters, das viele Wohnungen hat. Jetzt gibt es eine Aufteilung an Gnaden: dann wird es einen Unterschied an Herrlichkeit geben. Die Einheit - hier und dort - besteht in einer gleichen Liebe“ (vgl. Apologia an Wilhelm von St. Thierry, IV,8: PL 182, 9033-9034). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen wünsche ich einen schönen Sommer und erteile von Herzen den Apostolischen Segen. Maria — Mutter der Kirche Angelus in Castel Gandolfo am 2. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. Nächsten Donnerstag ist das Fest der Verklärung des Herrn, ein besonders bedeutsamer Tag, reich an Erinnerungen. Vor zwanzig Jahren starb am 6. August hier in Castel Gandolfo mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI. Bald begehen wir den Gedenktag seiner Geburt vor 100 Jahren. Am kommenden 20. September werde ich bei meiner Pilgerfahrt nach Brescia erneut Gelegenheit haben, 106 A UDIENZEN UND ANGELUS seinem Andenken feierlich Ehre zu erweisen. Heute möchte ich in Gedanken zum 6. August 1964 zurückkehren, als er - seit etwas mehr als einem Jahr Papst - während des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils seine erste Enzyklika Ecclesiam suam veröffentlichte. Obgleich er selbst erklärte, er wolle der Kirche „einfach hin eine brüderliche und familiäre Botschaft“ (Nr. 7) anbieten, bildet diese Enzyklika nichtsdestoweniger das programmatische Dokument seines Pontifikates und irgendwie eine Synthese seiner ganzen Persönlichkeit als Hirte, Lehrer und wachsamer Kenner der Menschen und der Geschichte. 2. Bei erneuter Lektüre von Ecclesiam suam nimmt man wahr, dass diese Enzyklika vor allem ein Akt der Liebe zur Kirche ist, eine vertiefte Reflexion über drei miteinander verbundene Aspekte: das Bewusstsein, das die Kirche von sich selbst hat, ihre echte Erneuerung und ihr Verhältnis zur Welt. Der dritte Teil mit dem Titel „Der Dialog“ erläutert - wie der Papst selbst schreibt - „die Haltung, die die Kirche in dieser Stunde der Weltgeschichte annehmen muß“ (Nr. 60). Allein schon die Ausführungen über den Dialog als Stil und Methode im Umgang mit der modernen Gesellschaft nehmen einen großen Teil des Dokumentes ein. Deshalb wird Ecclesiam suam oft als die „Enzyklika des Dialogs“ bezeichnet, die noch heute volle Aktualität besitzt. In dieser unserer auf das dritte Jahrtausend ausgerichteten Zeit muss sie erneut noch aufmerksamer und gründlicher gelesen werden, um sie in ihrem prophetischen Wert zu erfassen und die Weisungen des Konzils in immer besser entsprechender Weise in die Tat umzusetzen. 3. Zum Abschluss der fünften Sitzungsperiode des Konzils bekräftigte Paul VI. am 21. November des gleichen Jahres, dass „die Kenntnis der wahren katholischen Lehre über Maria immer einen Schlüssel für das richtige Verständnis des Geheimnisses Christi und der Kirche bilden wird“ (AAS 56[1964]1115). Und gleich darauf verkündete er Maria als „Mutter der Kirche“. Die Erinnerung an jene Augenblicke voll tiefer innerer Begeisterung, die Gott mich erleben ließ, wieder wachrufend, möchte ich heute den Akt der Hingabe der ganzen kirchlichen Gemeinschaft und der ganzen Welt an Maria, die Mutter des Erlösers und Mutter der Kirche, erneuern. Nach dem Angelus sagte der Papst in deutscher Sprache: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt den Schwestern und Brüdern aus den deutschsprachigen Ländern. Unter Euch begrüße ich insbesondere den Jodlerklub „Edelweiß“ aus Untersiggenthal in der Diözese Basel. Ich wünsche Euch allen einen gesegneten Sonntag und schöne Ferientage. 107 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist - Quelle von Charismen und Diensten Generalaudienz am 5. August 1. Das Neue Testament bestätigt uns, dass es in den einzelnen christlichen Gemeinden Charismen und Dienste gegeben hat, die vom Heiligen Geist hervorgerufen waren. Von der Christengemeinde in Antiochia z. B. schreibt die Apostelgeschichte: „In der Gemeinde von Antiochia gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Luzius von Zyrene, Manaen, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, und Saulus“ (Apg 13,1). So erscheint die Gemeinde von Antiochia als eine lebendige Wirklichkeit, in der zwei verschiedene Rollen hervortreten: die der Propheten, die die Wege Gottes erkennen und verkünden, und die der Lehrer, die den Glauben vertiefen und in angemessener Weise darlegen. In der ersteren könnte man einen mehr charismatischen Charakter feststellen, in der letzteren eine mehr institutionelle Note, doch im einen wie im anderen Fall einen einzigen Gehorsam gegenüber dem Geist Gottes. Im übrigen kann man diese Verflechtung von charismatischem und institutionellem Element schon an den Ursprüngen der Gemeinde von Antiochia feststellen, die nach dem Tod des Stephanus entstanden war, als die Christen sich zerstreut hatten. Damals hatten dort einige Brüder die Frohe Botschaft auch den Heiden verkündet und viele Bekehrungen ausgelöst. Bei der Nachricht über dieses Ereignis hatte die Muttergemeinde von Jerusalem Barnabas beauftragt, die neue Gemeinde aufzusuchen. Und als dieser - so berichtet Lukas - die Gnade des Herrn sah, „freute er sich und ermahnte alle, dem Herrn treu zu bleiben, wie sie es sich vorgenommen hatten. Denn er war ein trefflicher Mann, erfüllt vom Heiligen Geist und von Glauben“ (Apg 11,23). In dieser Episode tritt klar zutage, wie der Geist Gottes in zweifacher Weise die Kirche leitet: Einerseits ruft er unmittelbar die Tätigkeit der Gläubigen hervor und öffnet neue, unbekannte Wege für die Verkündigung des Evangeliums, andererseits sorgt er dafür, dass ihr Wirken beglaubigt wird durch das offizielle Eingreifen der Kirche - hier vertreten durch die Tätigkeit des Barnabas, des Beauftragten der Muttergemeinde von Jerusalem. 2. Vor allem der hl. Paulus entwickelt eine tiefe Reflexion über die Charismen und die Dienste. Er tut das vor allem in den Kapiteln 12-14 des ersten Briefes an die Korinther. Aufgrund dieses Textes lassen sich einige Elemente als Voraussetzung für eine korrekte Theologie der Charismen ermitteln. Vor allem wird von Paulus das grundlegende Kriterium der Unterscheidung festgelegt, ein Kriterium, das man als „christologisch“ bezeichnen könnte: Ein Charisma ist nicht echt, wenn es nicht dazu führt, zu verkünden, dass Jesus Christus der Herr ist (vgl. 1 Kor 12,1-3). Dann geht Paulus sogleich dazu über, die Verschiedenheit der Charismen und die Einheit ihres Ursprungs zu unterstreichen: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist“ (1 Kor 12,4). 108 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Gaben des Geistes, die Er verteilt, „wie er will“ (12,11), können zahlreich sein, und Paulus entwirft eine Liste davon (12,8-10), die offensichtlich nicht den Anspruch erhebt, vollständig zu sein. Dann lehrt der Apostel, dass die Vielfalt der Charismen keine Spaltungen in der Gemeinde hervorrufen darf, und darum entwickelt er den vielsagenden Vergleich mit den verschiedenen Gliedern des einen Leibes (1 Kor 12,12-27). Die Einheit der Kirche ist eine dynamische und organische Einheit, und alle Gaben des Geistes sind wichtig für die Lebenskraft des ganzen Leibes. 3. Andererseits lehrt Paulus, dass Gott eine Rangordnung von Stellungen in der Kirche festgesetzt hat (vgl. ebd., 12,28): an die ersten Stellen kommen die „Apostel“, dann die „Propheten“, dann die „Lehrer“. Diese ersten drei Stellungen sind grundlegend und werden in absteigender Ordnung angeführt. Dann macht der Apostel darauf aufmerksam, dass die Verteilung der Gaben unterschiedlich ist: Nicht alle haben dieses oder jenes Charisma (vgl. ebd., 12,29-30); jeder hat das seine (vgl. ebd., 7,7) und muss es mit Dankbarkeit entgegennehmen und großzügig in den Dienst der Gemeinde stellen. Diese Suche nach Gemeinschaft ist von der Liebe diktiert. Sie bleibt „der beste Weg“ und die größte Gabe (vgl. ebd., 13,13), ohne die die Charismen allen Wert verlieren (vgl. ebd., 13,1-3). 4. Die Charismen sind also Gnaden, die vom Heiligen Geist bestimmten Gläubigen gewährt werden, um sie zu befähigen, dass sie zum Allgemeinwohl der Kirche beitragen. Die Verschiedenheit der Charismen entspricht der Verschiedenheit der Dienste, die vorübergehend oder bleibend, privat oder öffentlich sein können. Die durch die Weihe ordinierten Ämter der Bischöfe, Priester und Diakone sind bleibende und öffentlich anerkannte Dienste. Die in der Taufe und der Firmung begründeten Dienste der Laien können von der Kirche durch den Bischof öffentlich oder nur „de facto“ anerkannt werden. Unter den Diensten der Laien denken wir an jene, bei denen die Zulassung durch einen liturgischen Ritus geschieht: die Dienste des Lektors und des Akolythen. Dann kommen die außergewöhnlichen Diener der eucharistischen Kommunion und Personen, die für kirchliche Tätigkeiten verantwortlich sind, angefangen bei den Katechisten, doch auch an die „Förderer des Gebets, des Gesanges und der Liturgie, die Leiter kirchlicher Basisgemeinden und Bibelrunden, die Beauftragten der Caritas, die Verwalter der Kircheneinkünfte, die Leiter verschiedener apostolischer Vereinigungen, die Religionslehrer in den Schulen“ (Redemptoris missio, Nr. 74) ist zu erinnern. 5. Wenn wir uns an die Botschaft des hl. Paulus und des ganzen Neuen Testamentes halten, die vom II. Vatikanischen Konzil aufgenommen und erläutert wird, dann gibt es nicht eine Kirche nach „charismatischem Modell“ und eine andere nach „institutionellem Modell“. Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit betonen konnte, ist die Gegenüberstellung von Charisma und Institution „verwerflich und schädlich“ (vgl. Ansprache an die Teilnehmer am II. internationalen Kolloquium 109 AUDIENZEN UND ANGELUS der kirchlichen Bewegungen, 2. März 1987, in: Insegnamenti X/l[1987]478; O.R. dt. 20.3.87, S. 10). Den Hirten kommt es zu, die Echtheit der Charismen zu erkennen und ihre Ausübung zu regeln in einer Haltung demütigen Gehorsams gegenüber dem Heiligen Geist, selbstloser Liebe zum Wohl der Kirche und gelehriger Treue zum höchsten Gesetz des Heils der Seelen. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Gruppe der jungen Redemptoristen aus Bayern besonders willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Feier der Sonntagsmesse - Zeichen für Kirche als Sakrament der Einheit Angelus in Castel Gandolfo am 9. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. Im kürzlich veröffentlichten Apostolischen Schreiben Dies Domini habe ich darauf hingewiesen, dass die eucharistische Versammlung das Herz des Herrentages bildet. Um den Sonntag gut zu gestalten, besteht also die erste Pflicht darin, an der heiligen Messe teilzunehmen. Es handelt sich um eine schwerwiegenden Verpflichtung, wie der Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 2181) bestätigt hat, aber in erster Linie entspricht sie einem tiefen Bedürfnis der christlichen Seele. In jeder Eucharistiefeier wird erneut das Opfer gegenwärtig, das ein Mal für immer auf Golgota dargebracht wurde, und die Kirche vereint ihr Opfer mit dem Opfer des Herrn und verkündet seinen Tod und preist seine Auferstehung in Erwartung seiner Wiederkunft. Wenn das für die an jedem beliebigen Tag gefeierte heilige Messe gilt, so ist es noch mehr für die Sonntagsmesse zu unterstreichen. Denn der Sonntag ist ja in besonderer Weise mit dem Gedächtnis der Auferstehung Christi verbunden. 2. Der Sonntag ist der Tag, an dem die ganze Gemeinde zusammengerufen ist; daher wird er auch „dies Ecclesiae“, der Tag der Kirche, genannt. An diesem Tag hört die christliche Versammlung auf das Wort Gottes, das ausgiebig und feierlich verkündet wird. So vollzieht sich im ersten Teil der Messe ein wahrer und wirklicher Dialog des Herrn mit seinem Volk. In der Teilnahme an dem einen Mahl vertieft sich dann die Gemeinschaft unter denen, die im Geist Christi vereint sind. So ist die sonntägliche Eucharistiefeier der 110 A UDIENZEN UND ANGELUS Ort, an dem die Kirche als Sakrament der Einheit sichtbar wird, „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ {Lumen Gentium, Nr. 1). Es ist dringend notwendig, dass die Jünger des Herrn in einer oft zersplitterten, zerrissenen und von Krisenherden der Trennung, der Gewalt und des Krieges gezeichneten Welt dieses Zeugnis geschwisterlicher Einheit geben. 3. Maria, die am Pfmgsttag mit den Aposteln im Gebet vereint war, erlange unseren eucharistischen Versammlungen die Gabe, wirksam die Präsenz des auferstandenen Jesus und seines Geistes sichtbar zu machen. Ihre beständige Fürbitte möge erwirken, dass die Gläubigen gleichsam als ein Herz und eine Seele leben (vgl. Apg 4,32), stets bereit, denen Antwort zu geben, die nach dem Grund der Hoffnung fragen, die sie erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Gedenken für die Opfer von Gewalt und Naturkatastrophen Die Zeit der Entspannung, die den Monat August kennzeichnet, darf uns nicht das Los zahlreicher Völker vergessen lassen, die harte Prüfungen erleiden und ihre Gegenwart und ihre Zukunft bedroht sehen. Ich denke besonders an die Einwohner des nahen Kosovo, das ein Opfer bewaffneter Gewalt ist. Die Verhältnisse dort werden immer dramatischer. Weiter entfernt, in Afrika, sind Guinea-Bissau und Ruanda Schauplätze erneuter grausamer und ungerechtfertigter Massaker, und in der Demokratischen Republik Kongo sprechen wiederum die Waffen. Auch das Drama bei den Völkern des Sudan, die meinem Herzen so nahe sind, dürfen wir nicht vergessen. Die furchtbaren Attentate, die am vergangenen Freitag in Kenia und Tansania verübt wurden, haben dazu beigetragen, die Sicherheit im afrikanischen Kontinent noch bedenklicher zu machen. In Asien sind Millionen von Familien in Kontinentalchina Opfer von Flutkatastrophen, wie auch in Bangladesch und Südkorea. In Myanmar sieht die Bevölkerung die ersehnte Demokratie noch nicht verwirklicht. In Osttimor besteht lebhafte Hoffnung auf Festigung des Fortschritts zu einer endgültigen Lösung durch Dialog und Verhandlung. Im Gedanken an so viele Brüder und Schwestern in der Menschheit, die auf der Suche nach einem menschenwürdigeren Leben sind, beten wir, der Herr möge denen, die das Schicksal ihrer Mitbürger in Händen haben, eingeben, stets die Achtung der menschlichen Person und die Förderung einer wirksamen Solidarität als ihre Hauptsorge zu betrachten. Gott wird über diese ihre Verantwortung Rechenschaft fordern. 111 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Geist wirkt über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus Generalaudienz am 12. August 1. Im Blick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 habe ich schon in der Enzyklika Dominum et vivificantem dazu aufgefordert, „das zweitausendjährige Wirken des Geistes der Wahrheit mit den Augen des Glaubens zu betrachten. Dieser Geist hat durch die Jahrhunderte hin aus dem Schatz der Erlösung Christi geschöpft, indem er den Menschen das neue Leben gibt, in ihnen die Annahme als Söhne Gottes im eingeborenen Sohn wirkt und sie heiligt, so daß sie in das Wort des hl. Paulus einstimmen können: ,Wir haben den Geist Gottes empfangen“ (vgl. 1 Kor 2,12) {Dominum et vivificantem, Nr. 53). In den vorhergehenden Katechesen haben wir das Kundwerden des Geistes Gottes umrissen zunächst im Leben Christi, dann am Pfingstfest, aus dem die Kirche hervorging, und schließlich im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben der Gläubigen. Nun weitet sich unser Blick aus auf den Horizont der Welt und der ganzen menschlichen Geschichte. Wir bewegen uns so in dem von der genannten Enzyklika über den Heiligen Geist entworfenen Plan, worin unterstrichen wird, dass man sich unmöglich auf die zweitausend Jahre seit der Geburt Christi beschränken kann. „Man muß weiter zurückgehen und das ganze Wirken des Heiligen Geistes vor Christus in den Blick nehmen - sein Wirken von Anfang an, in der ganzen Welt und vor allem in der Heilsordnung des Alten Bundes ... Wir müssen sodann noch weiter ausholen, weil wir wissen, dass ,der Wind weht, wo er will, wie Jesus im Gespräch mit Nikodemus so anschaulich sagt“ (vgl. Joh 3,8) {Dominum et vivificantem, Nr. 53). 2. Übrigens hat uns schon das II. Vatikanische Konzil, konzentriert auf das Geheimnis und die Sendung der Kirche in der Welt, eine so umfassende Blickweise geboten. Nach der Lehre des Konzils kann das Wirken des Heiligen Geistes nicht auf den institutioneilen Bereich der Kirche beschränkt sein - wenn dort auch der Geist in einzigartiger Weise und voll wirksam ist sondern es muss auch außerhalb der sichtbaren Grenzen ihres Leibes anerkannt werden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22; Lumen Gentium, Nr. 16). Der Katechismus der Katholischen Kirche seinerseits bringt im Einklang mit der gesamten Tradition in Erinnerung: „Aus dem Wort und dem Hauch Gottes geht das Sein und Leben jedes Geschöpfes hervor“ (Nr. 703). Und er führt dazu einen bedeutsamen Text aus der byzantinischen Liturgie an: „Dem Heiligen Geist kommt es zu, zu herrschen, die Schöpfung zu heiligen und zu beseelen, denn er ist Gott dem Vater und dem Sohn wesensgleich ... Ihm kommt die Macht über das Leben zu, denn, da er Gott ist, bewahrt er die Schöpfung durch den Sohn im Vater“ (ebd.). Es gibt also keinen Winkel der Schöpfung und keinen Augenblick der Geschichte, worin nicht der Geist sein Wirken entfaltet. 112 A UDIENZEN UND ANGELUS Es ist wahr, dass alle Dinge von Gott dem Vater durch Christus und auf Ihn hin erschaffen sind (vgl. Kol 1,16), dass also der Sinn und das letzte Ziel der Schöpfung darin besteht, „in Christus alles zu vereinen“ (Eph 1,10). Doch es ist ebenso wahr, dass das alles geschieht in der Macht des Heiligen Geistes. Der hl. Irenaus erläutert diesen dreifältigen „Rhythmus“ der Heilsgeschichte und sagt: „Der Geist bereitet den Menschen vor im Sohne Gottes, der Sohn führt ihn hin zum Vater, und der Vater schenkt ihm Unverweslichkeit zum ewigen Leben“ (Adv. Haer., IV, 20, 5; Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1912, S. 64). 3. In der Schöpfung gegenwärtig und auf allen Stufen der Heilsgeschichte am Werk, lenkt der Geist Gottes alles auf das entscheidende Ereignis der Menschwerdung des Wortes zu. Offensichtlich ist er nicht ein Geist, verschieden von dem, der vom gekreuzigten und auferstandenen Christus „unbegrenzt“ ausgegossen wird (vgl. Joh 3,34). Derselbe Heilige Geist bereitet das Kommen des Messias in die Welt vor, und durch Jesus Christus wird er von Gott Vater der Kirche und der ganzen Menschheit gegeben. Die christologische und die pneumatologische Dimension sind nicht voneinander zu trennen und durchziehen nicht nur die Heilsgeschichte, sondern die ganze Geschichte der Welt. Wir dürfen daher annehmen, dass, wo immer sich Elemente von Wahrheit, Güte, echter Schönheit und wahrer Weisheit vorfinden, wo immer man sich hochherzig bemüht, eine menschlichere und dem Plane Gottes mehr entsprechende Gesellschaft aufzubauen, der Weg zum Heil offen ist. Um so mehr ist es möglich, dort, wo man einem ehrlichen Warten auf die Offenbarung Gottes und einer aufrichtigen Hoffnung auf das rettende Mysterium begegnet, das verborgene, tiefe Wirken des Geistes Gottes wahrzunehmen, der den Menschen zur Begegnung mit Christus drängt, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist. Wenn wir so manche wunderbaren Blätter der Literatur und der Philosophie lesen, bewundernd ein Meisterwerk der Kunst betrachten oder erhebende Musik hören, können wir in diesen Äußerungen des menschlichen Geistes unschwer einen leuchtenden Widerschein des Geistes Gottes erkennen. Gewiss, der Lichtglanz dieser Art liegt auf einer anderen Ebene als jener, auf welcher der Mensch, zur übernatürlichen Ordnung erhoben, zum Tempel wird, worin der Heilige Geist zusammen mit den anderen Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit wohnt (vgl. Hl. Thomas, Summa Theologiae, I-H, q.109, a.l, ad 1). So lenkt der Heilige Geist in direkter oder indirekter Weise den Menschen seinem vollständigen Heil entgegen. 4. Gern wollen wir daher in den folgenden Katechesen dabei verweilen, das Wirken des Geistes in dem weiten Bereich der Menschheitsgeschichte zu betrachten. Dieser Blick wird uns auch helfen, die tiefe Beziehung zu begreifen, die die Kirche mit der Welt verbindet, die globale Geschichte des Menschen und die besondere Geschichte des Heiles. Diese letztere ist in Wirklichkeit keine „getrennte“ Geschichte für sich, sondern sie erfüllt vielmehr im Verhältnis zu der ersteren eine Rolle, die wir „sakramental“ nennen könnten, d. h. als Zeichen und Werkzeug des 113 AUDIENZEN UND ANGELUS einen großen Heilsangebotes, das der Menschheit durch die Menschwerdung des Wortes und die Ausgießung des Geistes zuteil geworden ist. Bei dieser Betrachtungsweise begreift man gut einige wunderbare Seiten der Äußerungen des II. Vatikanischen Konzils über die Solidarität, die zwischen der Kirche und der Menschheit Geltung hat. Unter diesem pneumatologischen Gesichtspunkt möchte ich das Vorwort zur Konstitution Gaudium et spes noch einmal vorlesen: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Gemeinschaft sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden“ (Gaudium et spes, Nr. 1). Hier sieht man deutlich, wie die Solidarität der Kirche mit der Welt und die Sendung, die sie ihr gegenüber zu erfüllen hat, von Christus ausgehend, im Licht und der Kraft des Heiligen Geistes verstanden werden müssen. So erfährt sich die Kirche im Dienst des Geistes, der geheimnisvoll in den Herzen und in der Geschichte wirkt. Und sie fühlt sich gesandt, der ganzen Menschheit die Fülle des Geistes zu bringen, den sie am Pfingstfest empfangen hat. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Freude begrüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die Ministranten aus Wilpoldsried willkommen. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen wünsche ich einen schönen Sommer und erteile von Herzen den Apostolischen Segen. Licht der ewigen Herrlichkeit ist auch Licht der Gegenwart Angelus in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August l. „Maria ist aufgenommen in den Himmel; es freuen sich die Scharen der Engel.“ Die Liturgie lädt uns heute ein, den Blick auf die Jungfrau zu richten, die alle Generationen „selig preisen“, weil der Allmächtige Großes an ihr getan hat (vgl. Lk 1,48). Dieses sehr alte und beliebte Hochfest der Gottesmutter, das dem Herzen der Gläubigen jedes Jahr wieder Freude bringt, ist eine Einladung, nach oben zu schauen, auf Maria zu blicken, die auch in ihrem Leib verherrlicht ist. Wir müssen das Ver- 114 AUDIENZEN UNDANGELUS ständnis für den wahren Sinn des Daseins zurückgewinnen und werden ermutigt, mit Vertrauen auf dem Weg des Lebens voranzugehen. 2. Heute spricht alles von dem außerordentlichen Vorzug, zu dem Maria bestimmt war: nämlich als großmütige Gefährtin beim Werk des Erlösers mitzuwirken (vgl. Lumen Gentium, Nr. 61). Voll der Gnade, bewahrt vor der Erbsünde, hat Maria die Folgen der Schuld des Anfangs nicht gekannt, und nachdem sie den Lauf ihres irdischen Lebens beendet hatte, wurde sie mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen, wo wir nun auf sie schauen als auf die Herrin der Engel und die Königin des Weltalls. Die Botschaft, die das heutige Fest für uns hat, ist so aktuell wie nur je, denn sie lädt uns ein, den Wert und die tiefste Bedeutung des Daseins auf Erden zu betrachten: Es ist ein Weg, der nicht auf das Nichts hin entworfen, sondern auf ein Ziel ewiger Herrlichkeit ausgerichtet ist. So erscheint die Bestimmung jeder menschlichen Person lichtvoll und offen für die Hoffnung. Nachdem Maria uns auf dem irdischen Pilgerweg als besorgte und liebevolle Mutter vorangegangen ist, erwartet sie uns jetzt und spornt uns vom Himmel aus an, unverweilt dem Gottesreich entgegenzustreben. Wenn wir auf die in den Himmel Aufgenommene schauen, fällt aus der zukünftigen Herrlichkeit, die wir in ihr schon erstrahlen sehen, Licht in die Gegenwart, in der sich die Heilsgeschichte für uns noch vollzieht. 3. Heute fühlen wir uns Maria näher: Sie blickt auf uns und beschützt uns vom Himmel aus. Die Betrachtung des Himmels führt uns nicht fort von der Erde; im Gegenteil, sie treibt uns an, uns mit aller Anstrengung einzusetzen, damit unsere Welt in der Aussicht auf die Ewigkeit umgewandelt wird. In unserem Geist klingt die Aufforderung des Apostels wider, das zu suchen, „was im Himmel ist“ (Kol 3,1), wo für uns eine ewige Wohnung im gemeinsamen Haus des Vaters bereitet ist. Liebe Schwestern und Brüder, Maria möge uns helfen, das heutige Fest intensiv zu feiern und seinen ganzen geistlichen Reichtum aufzunehmen. Das Licht ihres Glaubens zerreiße das Dunkel unseres Geistes; ihre Gottesschau erinnere uns an die beständige Gegenwart des Herrn; der Glanz ihrer Schönheit bereite uns und begleite uns zur Begegnung mit dem Vater. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Pilger der verschiedenen Sprachgruppen. In deutscher Sprache sagte er: Mit großer Freude begrüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus dem deutschsprachigen Raum. Möge auf die Fürsprache der Mutter Gottes, deren Fest wir heute begehen, unser Glaube, unsere Hoffnung und Liebe wachsen, damit auch uns das ewige Leben zuteil wird. 115 A UD1ENZEN UND ANGELUS Sonntag - ein Tag der Solidarität und der Gemeinschaft Angelus in Castel Gandolfo am 16. August Liebe Schwestern und Brüder! l.Im kürzlich veröffentlichten Apostolischen Schreiben Dies Domini sagte ich unter anderem, dass der Sonntag, der bekanntlich ein Tag der Entspannung und Ruhe ist, auch ein Tag der Freude und Solidarität sein muss. Ein Tag der Freude! Kann man denn die Freude programmieren? Ist sie nicht ein Gefühl, das von den frohen oder traurigen Umständen des Lebens abhängt? Die echte christliche Freude lässt sich jedoch in Wirklichkeit nicht auf den Zufall eines Gefühls zurückführen; ihr Fundament ist die Liebe, die Gott uns im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes erwiesen hat. Diese Sicherheit bietet uns ein grundlegendes Motiv zum Leben und Hoffen. Die Heiligen bestätigen durch ihr Leben, dass man sogar in physischem und geistigem Leiden innerlich Freude empfinden kann, wenn man sich bewusst ist, von der Liebe Gottes getragen zu sein. Der Sonntag ist der geeignete Tag, der uns helfen kann, die tiefen Wurzeln der Freude wiederzuentdecken. 2. Andererseits kann die echte Freude nicht eine Erfahrung bleiben, die sich auf den einzelnen beschränkt, sondern sie muss weitergegeben und geteilt werden. Der Sonntag muss für den Gläubigen wie für die christlichen Familien der Tag werden, an dem man tiefer die Gemeinschaft mit dem Nächsten empfindet und denen entgegengeht, die sich aus dem einen oder anderen Grund in misslichen Verhältnissen befinden. So wird der Sonntag der Tag des miteinander Teilens. Einen alleinstehenden Menschen zu Tisch einladen; einer bedürftigen Familie das Notwendige anbieten; einen Kranken oder Gefangenen besuchen; jemandem, der gerade Schwieriges durchzumachen hat, ein wenig Zeit widmen: das ist konkret einiges von dem, was den Sonntag zu einem Tag geschwisterlicher Solidarität machen kann. In solcher Weise gelebt, wird der Tag des Herrn voll ausgewertet und zeigt sich überdies auch als „dies hominis“, Tag des Menschen, denn er mehrt unsere Menschlichkeit. 3. Maria, die Gottesmutter, möge uns begreifen helfen, wie wichtig es ist, den Tag des Herrn so zu leben. Gerade im gestrigen Evangelium, am Fest der Aufnahme Marias mit Leib und Seele in den Himmel, wurde uns gezeigt, mit welch unverzüglicher Bereitschaft die heilige Jungfrau, als sie Jesus in ihrem Schoß empfangen hatte, sich aufmachte zu ihrer Verwandten Elisabet, um ihr behilflich zu sein und mit ihr die Freude der göttlichen Gunsterweise zu teilen (vgl. Lk 1,39-56). Entsprechendes müssen die empfinden, die Christus in der Eucharistie begegnet sind. Die Messe endet nicht innerhalb der Kirchenmauem, sie ist Quelle zur Umgestaltung des täglichen Lebens, sie ist „Mission“, Sendung zur Verkündigung und Sendung zur Betätigung der Liebe. 116 A UDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Gestern wurde das frohe Fest der Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel verdüstert durch ein neues schweres Attentat in Nordirland. Noch einmal versucht die blinde Gewalt den mühsamen Weg zum Frieden und die Anbahnung eines arbeitsamen Zusammenlebens, das die Erfahrung der meisten für möglich hält, zu behindern. Wir erflehen die ewige Ruhe für die, die auf so tragische und unsinnige Weise ums Leben gekommen sind, und rufen den trostvollen Segen des Herrn auf die zahlreichen Verwundeten, die trauernden Familien und alle herab, die weiterhin ihr Vertrauen auf den Dialog und die Verständigung setzen. Ich wünsche dem lieben Irland, dass die Menschen guten Willens sich nicht von der Gewalt zwingen lassen und dass sie mit Ausdauer in der Verwirklichung jenes friedlichen Zusammenlebens durchzuhalten verstehen, von dem allein die Zukunft des Landes abhängt. Bei Grußworten in verschiedenen Sprachen sagte der Papst auf Deutsch: Herzlich begrüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Ich wünsche Euch allen einen erholsamen Aufenthalt in der Ewigen Stadt. Vor dem Abschied wandte sich der Papst noch einmal an alle und sagte: So, nun wollen wir schließen. Der barmherzige Jesus ist da und schaut auf uns. Gelobt sei Jesus Christus! Der Geist und die Geburtswehen der Schöpfung Generalaudienz am 19. August 1. Im achten Kapitel des Briefes an die Römer erläutert der Apostel Paulus das Wirken des Heiligen Geistes, der uns in Christus Jesus zu Kindern des Vaters macht. Damit führt er ein in das Thema vom Weg der Welt zu ihrer Vollendung nach dem Plan Gottes. Der Heilige Geist ist ja, wie wir in den vorausgegangenen Katechesen bereits erklärt haben, in der Schöpfung und in der Heilsgeschichte anwesend und wirkend. Wir könnten sagen: Er umgibt den Kosmos mit der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, und so lenkt er die Geschichte der Menschheit ihrem endgültigen Ziel entgegen. Das Weltall ist von Gott als Wohnstätte für den Menschen und als Schauplatz seines Abenteuers der Freiheit erschaffen. Im Dialog mit der Gnade ist jeder Mensch berufen, das Geschenk der Gotteskindschaft in Christus Jesus verantwortungsbewusst anzunehmen. Darum erhält die geschaffene Welt ihre wahre Bedeutung im Menschen und für den Menschen. Der Mensch aber darf nicht nach Belieben über 117 AUDIENZEN UND ANGELUS den Kosmos, worin er lebt, verfügen, sondern er muss das Werk des Schöpfers mit seinem Verstand und seinem Willen zur Vollendung bringen. „Der nach Gottes Bild geschaffene Mensch“ - so lehrt die Konzilskonstitution Gaudium et spes - „hat ja den Auftrag erhalten, sich die Erde mit allem, was zu ihr gehört, zu unterwerfen, die Welt in Gerechtigkeit und Heiligkeit zu regieren und durch die Anerkennung Gottes als des Schöpfers aller Dinge sich selbst und das gesamte Universum auf Gott hinzuordnen, so daß alles dem Menschen unterworfen und Gottes Name wunderbar sei auf der ganzen Erde“ (Nr. 34). 2. Damit der göttliche Plan sich verwirkliche, muss der Mensch seine Freiheit in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gebrauchen und die Unordnung, die durch die Sünde in sein Leben und in die Welt gekommen ist, überwinden. Dieses zweifache Unternehmen kann nicht gelingen ohne die Gabe des Heiligen Geistes. Kraftvoll unterstreichen dies die Propheten des Alten Testamentes. So z. B. Ezechiel: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt ... Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 32,15-18). Diese tiefgreifende persönliche und gemeinschaftliche, in der „Fülle der Zeit“ erwartete und vom Heiligen Geist verwirklichte Erneuerung wird in gewissem Maß den ganzen Kosmos betreffen. Jesaja schreibt: „Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten ... In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer. Mein Volk wird an einer Stätte des Friedens wohnen“ (Jes 32,15-18). 3. Für den Apostel Paulus erfüllt sich diese Verheißung in Christus Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Christus erlöst und heiligt ja den, der sein Wort des Heiles im Glauben aufnimmt. Er wandelt ihm das Herz um und folglich auch die sozialen Beziehungen. Dank der Gabe des Heiligen Geistes wird die Welt der Menschen zu einem „spa-tium verae fratemitatis“, einem Raum der wahren Brüderlichkeit (vgl. Gaudium et spes, Nr. 37). Eine derartige Umgestaltung des menschlichen Handelns und der sozialen Verhältnisse kommt zum Ausdruck im kirchlichen Leben, im Einsatz für die zeitlichen Wirklichkeiten und im Dialog mit allen Menschen guten Willens. In der Überwindung alles dessen, was die Gemeinschaft unter den Menschen behindert, wird dieses Zeugnis ein prophetisches Zeichen und Prinzip der Fermentation für die Geschichte auf die Ankunft des Gottesreiches hin. 4. Auch der Kosmos ist berufen, auf geheimnisvolle, aber reale Weise an dieser Neuheit des Lebens Anteil zu haben im Aufbau des universalen Friedens durch die Gerechtigkeit und die Liebe. Paulus lehrt: „Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterwor- 118 AUDIENZEN UND ANGELUS fen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung. Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden“ (Röm 8,19-23). Die von der Gegenwart des Schöpfergeistes belebte Schöpfung ist berufen, „Wohnstätte des Friedens“ für die ganze Menschheitsfamilie zu werden. Dieses Ziel wird in der Schöpfung Wirklichkeit durch die Vermittlung der Freiheit des Menschen, den Gott als ihren Hüter bestellt hat. Wenn der Mensch aufgrund eines falschen Freiheitsbegriffes egoistisch nur sich selbst in Betracht zieht, dann verwickelt er verhängnisvoll auch die Schöpfung in diese Perversion. Im Gegensatz dazu erlangt der Mensch die wahre Freiheit des Sohnes im Sohn durch die Gabe des Heiligen Geistes, den Jesus Christus aus seiner am Kreuz durchbohrten Seite über uns ausgießt. So vermag er den wahren Sinn der Schöpfung zu begreifen und kann darauf hinwirken, dass sie eine „Wohnstätte des Friedens“ wird. In diesem Sinn kann Paulus sagen, dass die Schöpfung seufzt und auf die Offenbarung der Kinder Gottes wartet. Nur dann, wenn der Mensch sich im Licht des Heiligen Geistes als Kind Gottes in Christus erkennt und die Schöpfung mit geschwisterlichem Empfinden betrachtet, wird der ganze Kosmos nach dem göttlichen Plan befreit und erlöst. 5. Die Folgemng aus diesen Überlegungen ist wirklich tröstlich: Der Heilige Geist ist die wahre Hoffnung der Welt. Er wirkt nicht nur im Menschenherzen, dem er diese wunderbare Teilnahme an der Sohnesbeziehung schenkt, in der Jesus Christus mit dem Vater lebt, sondern er erhebt und vervollkommnet auch die menschlichen Tätigkeiten im Universum. Diese müssen - wie das II. Vatikanische Konzil lehrt - „durch Christi Kreuz und Auferstehung gereinigt und zur Vollendung gebracht werden. Als von Christus erlöst und im Heiligen Geist zu einem neuen Geschöpf gemacht, kann und muß der Mensch die von Gott geschaffenen Dinge lieben. Von Gott empfängt er sie, er betrachtet und schätzt sie als Gaben aus Gottes Hand. Er dankt seinem Wohltäter für die Gaben; in Armut und Freiheit des Geistes gebraucht und genießt er das Geschaffene; so kommt er in den wahren Besitz der Welt als einer, der nichts hat und doch alles besitzt. ,Alles gehört euch, ihr aber gehört Christus und Christus Gott“ (i Kor 3,22-23)“ (Gaudium et spes, Nr. 37). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich und wünsche Euch, dass Ihr das Geschenk des Heiligen Geistes entdeckt, der in Euch und in der 119 AUDIENZEN UND ANGELUS Schöpfung gegenwärtig ist. Euch allen und Euren Angehörigen zu Elause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Sonntag - Verweis auf Christus als Sinn der Geschichte Angelus in Castel Gandolfo am 23. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wir haben uns mit den Themen des Apostolischen Schreibens Dies Domini beschäftigt und kommen dabei heute zu deren letztem, das uns den Sonntag als den Tag vorstellt, der den Sinn der Zeit offenbart. Niemand von uns kann umhin, jeden Tag festzustellen, wie rasch seine Lebenszeit dahingeht. Und wenn wir ferner die großen Zeiten der Geschichte anschauen, wie sollten wir uns da nicht die Frage über unsere Zukunft stellen, über das, was uns erwartet, über das Ziel, dem wir zustreben? Auf diese Fragen antwortet das Christentum mit dem Hinweis auf Christus als den Sinn der Geschichte. In seinem gottmenschlichen Geheimnis steht er ja am Ursprung der Welt (vgl. Joh 1,3) und ist er das Ziel der Schöpfung (vgl. Kol 1,16). Als Erlöser ist er der, in dem alles vereint wurde (vgl. Eph 1,10), um gerettet und Gott dem Vater zurückgegeben zu werden. Im Licht dieses Geheimnisses bekommt die Geschichte für die Christen einen positiven Sinn, trotz der Prüfungen und manchmal tödlichen Gefahren, denen die Sünde sie ausliefert. Christus ist stärker als der Tod und die Sünde! Und mit dem steten Gedenken an die Auferstehung Christi eröffnet der Sonntag einen Kredit auf die Zukunft, eine tröstliche Gewissheit, einen prophetischen Hinweis auf den Tag, an dem Christus in Herrlichkeit kommen wird. 2. Um uns behilflich zu sein, das Geheimnis Christi in der Zeit zu leben, ist die Liturgie in die verschiedenen Abschnitte des liturgischen Jahres gegliedert. Über die grundlegend wichtigen Zeiten hinaus - Weihnachten, Ostern, Pfingsten - werden auch andere besonders bedeutende Feste von der Kirche als gebotene Feiertage festlich begangen mit der Verpflichtung zur Teilnahme an der Eucharistie nach dem Vorbild des Sonntags, der mit Recht als der „ursprüngliche Feiertag“ betrachtet wird. Wenn sie den Sonntag und das ganze liturgische Jahr recht begehen und seine Reichtümer voll ausschöpfen, dann werden die Christen sich immer mehr ihrer Identität bewusst werden. Das wird ihnen auch helfen, sich gut auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend vorzubereiten. Dieses Jubiläum wird gewiss von besonderer Feierlichkeit sein. Aber „dieses Jahr und diese besondere Zeit werden vorübergehen - in Erwartung anderer Jubeljahre und anderer feierlicher Jahrestage. Der Sonntag mit seiner gewöhnlichen .Feierlichkeit wird weiterhin die Zeit der 120 AUDIENZEN UND ANGELUS Pilgerschaft der Kirche unterteilen - bis zu dem Sonntag, der ohne Ende sein wird“ (Dies Domini, Nr. 87). 3. Heben wir den Blick auf zu Maria! Wir wollen sie bitten, uns den Tag des Herrn, den ein alter Schriftsteller eindrucksvoll „Herr der Tage“ genannt hat, in seiner ganzen Bedeutung neu entdecken zu lassen. Möge sie uns helfen, das unaufhaltsame Dahinfließen der Tage als Gnade und Verantwortung zu spüren in der Gewissheit, dass Gott uns liebt: denn - wie Maria im Magnifikat verkündet - „er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1,50). In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt den Schwestern und Brüdern aus den deutschsprachigen Ländern. Ich wünsche Euch allen einen gesegneten Sonntag und schöne Feiertage in Rom. Friedensappell für den Kongo In diesen Wochen scheint die Gewalt in Afrika nicht nachzulassen. Ich denke besonders an die geliebte Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo, der ich meine geistige Nähe in dieser schmerzvollen Stunde zum Ausdruck bringen möchte. Tief betrübt richte ich einen Appell an die kämpfenden Parteien, die Zivilbevölkerung nicht des Lebensnotwendigen zu berauben und von Gräueltaten, Massakern, Zerstörungen und Plünderungen abzusehen. Im übrigen bitte ich alle in das Geschick dieser Nation verwickelten Kräfte, dem Verhandlungsweg den Vorzug zu geben. Es ist ein menschlicher, vernünftiger, noch möglicher Weg, der es vermag, neue Tränen und Trauer zu ersparen, zu einer friedlichen und dauerhaften Lösung zu führen und zu verhüten, dass der Konflikt sich über die Landesgrenzen hinweg ausbreitet. Wir wollen unsere Hoffnungen und Erwartungen Maria, der Königin des Friedens, anvertrauen. Die Begegnung des Menschen mit Gott durch die Anregung des Geistes Generalaudienz am 26. August 1. Die Heilsgeschichte ist die fortschreitende Selbstmitteilung Gottes an die Menschheit; sie erreicht ihren Höhepunkt in Christus Jesus. Im menschgewordenen Wort will Gott, der Vater, allen sein eigenes Leben mitteilen: d. h. er will sich selbst mitteilen. Diese göttliche Selbstmitteilung geschieht im Heiligen Geist, dem Liebesband zwischen Ewigkeit und Zeit, zwischen der Dreifaltigkeit und der Geschichte. 121 AUDIENZEN UND ANGELUS Wenn Gott in seinem Geist sich dem Menschen öffnet, ist dieser andererseits als Subjekt geschaffen, das fähig ist, die Selbstmitteilung Gottes anzunehmen. Der Mensch ist, wie die Tradition christlichen Denkens sagt, „capax Dei - gottfähig“: fähig, Gott zu erkennen und die Gabe, in der Er selbst sich schenkt, anzunehmen. Als Abbild Gottes, ihm ähnlich, geschaffen (vgl. Gen 1,26), ist der Mensch tatsächlich imstande, eine personale Beziehung mit Gott zu leben und im Gehorsam der Liebe auf die ihm von seinem Schöpfer angebotene Bundesbeziehung zu antworten. Auf der Grundlage dieser biblischen Lehre bedeutet also das dem Menschen versprochene und von Jesus Christus „im Übermaß“ ausgeteilte Geschenk des Geistes eine „Berufung zur Freundschaft, bei der sich die transzendenten ,Tiefen Gottes“ gleichsam öffnen, damit der Mensch daran teilhaben kann“ (Dominum et vivifican-tem, Nr. 34). Das II. Vatikanische Konzil lehrt diesbezüglich: „[...] der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 7 Tim 1,17) [redet] aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen“ {Dei Verbum, Nr. 2). 2. Wenn also Gott sich durch seinen Geist dem Menschen mitteilt, ist der Mensch fortwährend gerufen, sich mit seinem ganzen Sein Gott zu schenken. Das ist seine tiefste Berufung. Dazu wird er unaufhörlich vom Heiligen Geist gedrängt, der durch die Erleuchtung des Verstandes und die Stärkung des Willens ihn in das Geheimnis der Gotteskindschaft in Jesus Christus einführt und ihn zu einem folgerichtigen Leben einlädt. Alle hochherzigen und wahrhaften Bestrebungen des Verstandes und der Freiheit des Menschen, sich im Laufe der Jahrhunderte dem unaussprechlichen und transzendenten Geheimnis Gottes zu nähern, sind vom Heiligen Geist angeregt. Insbesondere in der Geschichte des Alten Bundes, den Jahwe mit dem Volk Israel schloss, sehen wir die fortschreitende Verwirklichung dieser Begegnung Gottes mit dem Menschen in dem vom Geist erschlossenen Raum der Gemeinschaft. So berührt zum Beispiel durch ihre eindringliche Schönheit die Schilderung der Gottesbegegnung des Propheten Elija im Hauch des Geistes: „Der Herr antwortete: Komm heraus, und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle. Da vernahm er eine Stimme, die ihm zurief: Was willst du hier, Elija?“ (7 Kön 19,1 l-13b). 3. Doch die vollkommene und endgültige Begegnung Gottes mit dem Menschen -erwartet und in der Hoffnung geschaut von Patriarchen und Propheten - ist Jesus Christus. 122 A UDIENZEN UND ANGELUS Er, der wahre Gott und wahre Mensch, „macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Jesus Christus vollbringt diese Offenbarung mit seinem ganzen Leben. Durch den Antrieb des Heiligen Geistes ist er nämlich immer darauf ausgerichtet, den Willen des Vaters zu tun, und am Holz des Kreuzes bringt er sich „ein für allemal“ dem Vater dar „kraft ewigen Geistes“ (Hebr 9,12.14). Durch das Osterereignis lehrt uns Christus, dass „der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, sich nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 24). Nun bewirkt eben der Heilige Geist, der der Kirche von Jesus Christus in Fülle mitgeteilt ist, dass der Mensch, indem er sich in Christus wiedererkennt, immer besser „sich durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst findet“. 4. Diese uns von Christus offenbarte, ewige Wahrheit über den Menschen bekommt in unserer Zeit besondere Aktualität. Wenn auch unter manchmal starken Widersprüchen erlebt die Welt heute eine Zeit intensiver „Sozialisation“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 6), sowohl was die interpersonalen Beziehungen innerhalb verschiedener menschlicher Gemeinschaften als auch was die Beziehungen zwischen Völkern, Rassen, unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen angeht. In diesem ganzen Prozess, der zu Gemeinschaft und Einheit führt, ist das Wirken des Heiligen Geistes notwendig, auch um die Hindernisse und Gefahren zu überwinden, die sich diesem Weg der Menschheit entgegenstellen. „Im Blick auf das Jahr 2000 seit der Geburt Christi geht es darum zu erreichen, daß eine wachsende Zahl von Menschen ,sich selbst ... durch die aufrichtige Hingabe ihrer selbst vollkommen finden kann‘ [...] Unter dem Wirken des Geistes, des Beistandes, möge sich in unserer Welt jener wahre Reifungsprozess in der Menschheit, im Leben des einzelnen und der Gemeinschaft vollziehen, für den Jesus selbst, als er zum Vater betet, ,daß alle eins seien ... wie auch wir eins sind“ (Joh 17,20-22), uns eine gewisse Ähnlichkeit nahe legt zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und in der Liebe“ (Bei Verbum, Nr. 49). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich den Schützen- und Musikverein der Pfarrei St. Georg in Strücklingen und die Gruppe der Seminaristen aus München besonders willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 123 AUDIENZEN UNDANGELUS Appell zum Massaker im ehemaligen Zaire Mit tiefster Betroffenheit habe ich die Nachricht von dem Massaker zur Kenntnis genommen, das am vergangenen Montag in Kasika, einer Pfarrei der Diözese Uvira im Osten der Demokratischen Republik Kongo, verübt wurde. Ein Priester, Stanislas Bwabulakombe, drei Ordensfrauen aus der Kongregation der Töchter von der Auferstehung, ein Seminarist und 32 Laien wurden aus Rache niedergemetzelt. Die Opfer waren alle kongolesischer Nationalität. Entschieden bedauere ich diesen kriminellen Akt! Wolle Gott diese unsere Brüder und Schwestern, welche die Angst eines so gewaltsamen und ungerechten Todes erlitten haben, in seine Barmherzigkeit aufnehmen. Lasst uns zum Herrn flehen, dass dies die letzten Opfer eines Krieges seien, der erneut mit Grausamkeit die kongolesische Bevölkerung heimsucht. Das unschuldige Blut dieser Opfer, vereint mit dem von Jesus bei seinem Erlösungsopfer, möge dazu beitragen, die hass- und rachekranken Herzen zu heilen und sie für Gefühle der Geschwisterlichkeit und Liebe aufzuschließen, damit dieser Nation und dem gesamten afrikanischen Kontinent nicht länger Frieden und Wohlstand verwehrt bleiben. Christsein - Immer auf dem Weg der Nachfolge des Herrn Angelus in Castel Gandolfo am 30. August Liebe Schwestern und Brüder! 1. In diesen Stunden sind viele Menschen auf der Rückkehr aus den Ferien, um Ungewohntes Alltagsleben wieder aufzunehmen. Ich möchte denen, die auf den Straßen unterwegs sind, eine unbeschwerte Reise wünschen, geleitet von der Vorsicht, die immer notwendig und besonders an Tagen mit starkem Verkehr unbedingt erforderlich ist. Ich suche mir vorzustellen, was im Innern eines Menschen vor sich geht, der von einer Zeit der Entspannung zurückkehrt, die vielleicht seit langem ersehnt war und nun schon wieder zu Ende ist. Vielleicht gibt es da eine Menge gegensätzlicher Empfindungen: Freude und Heimweh, schöne und abstoßende Erinnerungen, ja möglicherweise auch ein Gefühl der Enttäuschung. Man schlägt sich gleich wieder mit den üblichen Sorgen und dem gewöhnlichen Ärger herum. Kurz, man kehrt in die konkrete Alltagswirklichkeit mit ihren Belastungen und Problemen zurück. Das alles könnte auch niederdrückend sein. Aber es gibt ein Gegenmittel gegen die Niedergeschlagenheit. Welches? Ein großes Ideal im Herzen haben, echte Werte, die es gestatten, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben. 2. Das ist der Fall beim wirklichen Christen. Er kann einen vertrauensvollen Optimismus pflegen, weil er die Gewissheit hat, auf seinem Weg nicht allein zu sein. Als Gott uns Jesus, seinen ewigen Sohn, sandte, der Mensch wurde, ist er damit 124 AUDIENZEN UND ANGELUS jedem von uns nahe gekommen. In Christus hat er sich zu unserem Weggefährten gemacht. Wenn die Zeit unerbittlich weitergeht und oft auch unsere Träume zerschlägt, so gibt uns Christus, der Herr der Zeit, die Möglichkeit zu einem immer wieder neuen Leben. Nach journalistischem Wortschatz wird der große Menschenstrom auf dem Weg in die Ferien oder auf der Rückkehr nach Hause oft als „Exodus“ und „Kontra-Exodus“ bezeichnet. Diese Ausdrücke sind wie ein ferner biblischer Nachklang. Bekanntlich war der Exodus - der Auszug aus Ägypten - das große Ereignis der Befreiung des auserwählten Volkes aus der ägyptischen Sklaverei. Christlich gesehen, erinnert er an das Ostergeheimnis und den Weg, den der Mensch zu gehen berufen ist, wenn er sich in die Nachfolge Christi begibt, der uns von der Sünde befreit und uns für die Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern und Schwestern aufschließt. Das ganze christliche Leben ist ein „Exodus“, das heißt ein Weg, der immer mehr dem Haus des Vaters entgegenführt. Lasst uns diesen geistlichen „Exodus“ leben, liebe Brüder und Schwestern, ohne uns von den materiellen Dingen so sehr bedrängen zu lassen, dass sie schließlich den einzigen Horizont unseres Lebens bilden. Wir wollen die Freude wiederentdecken, den Blick zum Himmel zu erheben, um allem eine innerlichere, tiefere Dimension zu geben, die reicher an Hoffnung ist. 3. Die heilige Jungfrau möge unser Herz den Sinn des Lebens erfassen lassen als eine Reise, die wir mit Gott zusammen unternehmen, geradeso wie es bei ihr der Fall war. Das Evangelium zeigt sie uns in der Tat mehrmals unterwegs, sowohl vor als auch nach der Geburt Jesu, bis sie schließlich ihr letzter Weg unter das Kreuz führte. So zeigt sie sich uns als „Pilgerin“ auf den vom göttlichen Plan vorgezeichneten Straßen. Wir rufen sie an als „Unsere Liebe Frau vom Wege“. Ihren Spuren folgend, wissen wir uns von ihrer mütterlichen Liebe begleitet. Der Heilige Geist — Quelle der wahren Freiheit Generalaudienz am 2. September 1. Der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt: „Der Mensch hat am Licht und an der Kraft des göttlichen Geistes teil. Durch seine Vernunft ist er fähig, die vom Schöpfer in die Dinge hineingelegte Ordnung zu verstehen. Durch seinen Willen ist er imstande, auf sein wahres Heil zuzugehen. Er findet seine Vollendung in der ,Suche und Liebe des Wahren und Guten* (Gaudium et spes, Nr. 15,2)“ (Nr. 1704). Der Heilige Geist, der „die Tiefen Gottes ergründet“ (vgl. 1 Kor 2,10), ist zu gleicher Zeit das Licht, das das Gewissen des Menschen erleuchtet, und die Quelle seiner wahren Freiheit (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 36). Im Heiligtum des Gewissens, dem verborgensten Innern des Menschen, lässt Gott seine Stimme vernehmen und lässt jenes Gesetz erkennen, das nach der Lehre Jesu in der Liebe zu Gott und zum Nächsten seine Vollendung erreicht (vgl. Gaudium et 125 A UDIENZEN UND ANGELUS spes, Nr. 16). Wenn er im Licht und in der Kraft des Heiligen Geistes an diesem Gesetz festhält, verwirklicht der Mensch voll seine Freiheit. 2. Jesus Christus ist die vollendete Wahrheit des Planes Gottes vom Menschen, eines Planes, der sich durch das höchste Geschenk der Freiheit auszeichnet. Gott wollte „den Menschen ,der Macht der eigenen Entscheidung überlassen {Sir 15,14), so daß er von sich aus seinen Schöpfer suche und frei zur vollen und seligen Vollendung gelange, indem er ihm anhängt“ {Gaudium et spes, Nr. 17; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1730). Sich dem in Jesus Christus offenbarten Plan Gottes vom Menschen anzuschließen und ihn im eigenen Leben zu verwirklichen bedeutet, die wahre Berufung menschlicher Freiheit entdecken nach der Verheißung Jesu an seine Jünger: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ {Joh 8,31-32). Es handelt sich nicht nur darum, eine Botschaft zu hören und ein Gebot im Gehorsam anzunehmen. „Es geht ganz radikal darum, der Person Jesu selbst anzuhängen, sein Leben und sein Schicksal zu teilen durch Teilnahme an seinem freien und hebenden Gehorsam gegenüber dem Vater“ {Veritatis splendor, Nr. 19). Das Johannesevangelium hebt hervor, dass nicht die Gegner es sind, die Christus mit dem brutalen Zwang der Gewalt das Leben nehmen, sondern dass er selbst es aus freiem Willen hingibt (vgl. Joh 10,17-18). Indem er vollständig dem Willen des Vaters anhängt, „offenbart der gekreuzigte Christus den authentischen Sinn der Freiheit, lebt er ihn in der Fülle seiner totalen Selbsthingabe und beruft er die Jünger, an dieser seiner Freiheit teilzuhaben“ {Veritatis splendor, Nr. 85). In der absoluten Freiheit seiner Liebe erlöst er in der Tat für immer den Menschen, der sich durch den Missbrauch seiner Freiheit von Gott entfernt hat. Er befreit ihn aus der Sklaverei der Sünde, und indem er ihm seinen Geist mitteilt, macht er ihm das Geschenk der wahren Freiheit (vgl. Röm 8,2; Gal 5,1.13). 3. „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“, sagt uns der Apostel Paulus (vgl. 2 Kor 3,17). Mit der Ausgießung seines Geistes schafft der auferstandene Jesus den Lebensraum, worin die menschliche Freiheit sich vollständig verwirklichen kann. Durch die Kraft des Heiligen Geistes nämlich wird die Selbsthingabe Jesu an den Vater in seinem Tod und seiner Auferstehung zum Ursprung und Vorbild jeder echten Beziehung des Menschen zu Gott und zu den Brüdern. „Die Liebe Gottes -schreibt der hl. Paulus - ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (vgl. Röm 5,5). Durch den Glauben und die Sakramente in Christus lebend, überantwortet auch der Christ sich „als ganzer in Freiheit“ Gott dem Vater (vgl. Dei Verbum, Nr. 5). Der Akt des Glaubens, womit er sich verantwortungsbewusst für Gott entscheidet, an seine im gekreuzigten und auferstandenen Christus offenbarte Liebe glaubt und sich in Verantwortung dem Einfluss des Heiligen Geistes anvertraut (vgl. 1 Joh 4,6-10), ist höchster Ausdruck von Freiheit. 126 AUDIENZEN UND ANGELUS Wenn er dann mit Freude in allen Lebensumständen nach dem Beispiel Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes den Willen des Vaters erfüllt, schreitet der Christ auf dem Weg der echten Freiheit voran und sieht voll Hoffnung dem Augenblick des Übergangs zum „vollen Leben“ in der himmlischen Heimat entgegen. „Durch das Wirken der Gnade“ - so lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche - „erzieht uns der Heilige Geist zur geistigen Freiheit, um uns zu freien Mitarbeitern seines Werkes in Kirche und Welt zu machen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1742). 4. Dieser vom Heiligen Geist geschaffene neue Freiheitshorizont gibt auch unseren Beziehungen zu den Brüdern und Schwestern, denen wir auf unserem Weg begegnen, die Richtung. Gerade weil Christus mich durch seine Liebe befreit und mir seinen Geist geschenkt hat, kann und muss ich mich aus freien Stücken in Liebe dem Nächsten schenken. Diese tiefe Wahrheit ist im ersten Brief des Apostels Johannes mit den Worten zum Ausdruck gebracht: „Daran haben wir die Liebe erkannt, daß Er sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (7 Joh 3,16). Das „neue“ Gebot Jesu fasst das Gesetz der Gnade zusammen. Der Mensch, der es annimmt, verwirklicht seine Freiheit in vollem Maß: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,12-13). Auf diesen Gipfel der Liebe, den der gekreuzigte Christus erreicht hat, kann niemand ohne die Hilfe des Heiligen Geistes, des „Parakleten“, gelangen. Der hl. Thomas von Aquin konnte schreiben, dass das „neue Gesetz“ die Gnade des Heiligen Geistes ist, die uns durch den Glauben an Christus geschenkt wird (vgl. Summa Theologiae, I-II, q. 106, a. I, conclus. et ad 2). So möge denn Maria, die Mutter Christi und unsere Mutter, uns zur immer tieferen und freudigeren Entdeckung des Heiligen Geistes als Quelle der wahren Freiheit in unserem Leben führen! Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die vielen Schüler und Schülerinnen willkommen sowie die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes der Deutschen Bischofskonferenz. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 127 AUDIENZEN UND ANGELUS Lebensprogramme nicht ohne den Menschen entwickeln! Angelus in Castel Gandolfo am 6. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Mit Beginn des Monats September wird das Arbeitsleben mit den normalen Beschäftigungen wieder voll aufgenommen: Betriebe, Büros und Schulen kehren zu ihrem gewöhnlichen Rhythmus zurück. Für viele ist das eine Zeit des „Program-mierens“: man fasst die Probleme ins Auge, bestimmt die Ziele und legt Mittel und Wege fest, um sie zu erreichen. Alle möchte ich an ein Grundprinzip des Glaubens erinnern: Zuerst und über alle unsere Pläne hinaus gibt es ein Geheimnis der Liebe, das uns umgibt und uns führt: das Geheimnis der Liebe Gottes. Wenn wir gute Voraussetzungen für unser Leben schaffen wollen, müssen wir lernen, dessen Plan zu entziffern, müssen das geheimnisvolle „Signalsystem“ lesen lernen, das Gott in unser tägliches Leben einbaut. Diesem Zweck dienen weder Horoskope noch Vorhersagen der Magie, sondern hier ist das Gebet am Platz, das echte Gebet, das immer von Lebensentscheidungen begleitet ist, die dem Gesetz Gottes entsprechen. In diesem Jahr, das in der Vorbereitung auf das Große Jubiläum dem Heiligen Geist geweiht ist, soll unser inständiges Gebet sich an ihn richten. Er wird als Geist des „Rates“ und der „Weisheit“ angerufen. Niemand kennt besser als er unsere Zukunft und ist fähig, unsere Schritte in die rechte Richtung zu lenken. 2. Um Planungen gut zu machen, sind Kriterien nötig. Manche werden von der Wirklichkeit selbst diktiert: Kriterien der Notwendigkeit, der Zweckmäßigkeit, der Leistungsfähigkeit. Doch geben wir acht, dass wir nicht alles auf materielle Fragen reduzieren! Lassen wir es nicht mit Technik und Bürokratie genug sein! Wenn wir wirklich „humane“ Pläne machen wollen, müssen wir in unsere Programme den Atem der großen moralischen und geistigen Werte hineinbringen. Wir müssen uns auch Mühe geben, auf die zu schauen, die neben uns sind, auch wenn sie von uns abhängig sind oder, wie auch immer, durch unsere Auswahl betroffen sind, und müssen sie immer als Personen betrachten, nie als Nummern oder Sachen. Mit einem Wort, ordnen wir unser Leben - das persönliche und das gemeinschaftliche - so, dass seine Triebfeder nicht der Egoismus, sondern die Liebe ist. Öffnen wir uns für die Brüder und Schwestern, besonders für die, die aufgrund ihres Zustandes - ich denke an die Kinder, die Kranken, die alten Menschen und die Arbeitslosen - gezwungen sind, viel oder alles von den andern zu erwarten. So sei also unsere Programmierung auch eine Geste der Solidarität. 3. Bitten wir die Heilige Jungfrau, uns eine echte „Weisheit des Herzens“ zu erlangen, damit wir unser Leben gut planen und unsere Tätigkeiten mit frischen Kräften wieder gut aufnehmen. Sie, die in der lauretanischen Litanei „Mutter vom guten Rat“ genannt wird, gebe uns Gedanken zum Guten ein und helfe uns, unser Leben nach dem Plan Gottes auszurichten. 128 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich alle Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache, besonders die Gruppe der Pfarrei Sankt Stephan aus Mindelheim. Möge Maria, die Mutter der Gläubigen und Königin des Friedens, in unser aller Anliegen Fürsprecherin bei ihrem Sohn sein. Euch und Euren Lieben daheim erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Der Geist Gottes und die „Saatkörner der Wahrheit“ in den nichtchristlichen Religionen Generalaudienz am 9. September 1. Das II. Vatikanische Ökumenische Konzil lehrt in der Erklärung Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Emst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (Nostra aetate, Nr. 2). Von der ersten Enzyklika meines Pontifikats an wollte ich die Aussage des Konzils aufnehmen und an die alte, von den Kirchenvätern formulierte Lehre erinnern, nach der es notwendig ist, „die Saatkörner des Wortes“, die in den verschiedenen Religionen vorhanden und wirksam sind, zu erkennen (vgl. Ad gentes, Nr. 11; Lumen Gentium, Nr. 17). Diese Lehre veranlasst uns, anzuerkennen, „daß das tiefste Streben des menschlichen Geistes, wenn auch auf verschiedenen Wegen, so doch in eine einzige Richtung ausgerichtet ist. Dieses Streben des Geistes drückt sich aus in der Suche nach Gott und zugleich - aufgrund seiner Hinordnung auf Gott -in der Suche nach der vollen Dimension des Menschseins oder der vollen Sinndeutung des menschlichen Lebens“ (Redemptor hominis, Nr. 11). Die in den verschiedenen religiösen Traditionen vorhandenen und wirksamen „Saatkörner der Wahrheit“ sind ein Widerschein des einen Wortes Gottes, „das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9) und das in Christus Jesus Fleisch geworden ist (vgl. Joh 1,14). Solche Überzeugungen sind schon „vom Geist der Wahrheit berührt worden, der über die sichtbaren Grenzen des Mystischen Leibes hinaus wirksam ist“ und „der weht, wo er will“ (Joh 3,8) (vgl. Redemptor hominis, Nm. 6 und 12). Wenn wir uns diese Lehre gegenwärtig halten, dann wird die Jubiläumsfeier des Jahres 2000 „auch im Licht der Ereignisse dieser letzten Jahrzehnte eine großartige Gelegenheit sein für den interreligiösen Dialog“ (Tertio millennio advenien-te, Nr. 53). Schon jetzt, in diesem dem Heiligen Geist geweihten Jahr, ist es angebracht, innezuhalten und gründlicher zu bedenken, in welchem Sinn und auf welche Weise der Heilige Geist in der religiösen Suche der Menschheit und in den sie 129 AUDIENZEN UND ANGELUS zum Ausdruck bringenden verschiedenen Übungen und Überlieferungen anwesend ist. 2. Vor allem müssen wir uns vergegenwärtigen, dass alles Suchen des menschlichen Geistes in Richtung auf die Wahrheit und das Gute und letzten Endes auf Gott hin vom Heiligen Geist angeregt ist. Gerade aus dieser uranfänglichen Öffnung des Menschen Gott gegenüber entstehen die verschiedenen Religionen. Nicht selten finden wir an deren Beginn Gründer, die mit der Hilfe des Geistes Gottes eine tiefere religiöse Erfahrung gemacht haben. An andere weitergegeben, hat diese Erfahrung Form angenommen in den Lehren, den Riten und den Vorschriften der einzelnen Religionen. Bei allen echten religiösen Erfahrungen ist das Gebet die charakteristischste Erscheinung. Aufgrund der konstitutiven Öffnung des menschlichen Geistes für den Einfluss Gottes, der ihn anregt, über sich selbst hinauszugehen, dürfen wir glauben, dass , jedes echte Gebet vom Heiligen Geist angeregt ist, der auf geheimnisvolle Weise im Herzen jedes Menschen anwesend ist“ (Ansprache an die Mitglieder der Römischen Kurie, 22. Dez. 1986, Nr. 11, O.R., dt., 16.1.1987, S. 8). Eine vielsagende Bekundung dieser Wahrheit haben wir am 27. Oktober 1986, dem Weltgebetstag für den Frieden, in Assisi erlebt, und auch bei ähnlichen Gelegenheiten von großer geistlicher Intensität. 3. Der Heilige Geist ist in den anderen Religionen nicht nur durch die echten Gebetsäußerungen anwesend. „Die Gegenwart und das Handeln des Geistes berühren“ - wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe - „nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Gesellschaft und die Geschichte, die Völker, die Kulturen, die Religionen“ (Nr. 28). Normalerweise „antworten die Anhänger anderer Religionen immer dann positiv auf Gottes Einladung und empfangen sein Heil in Jesus Christus, wenn sie in ehrlicher Weise das in ihren religiösen Traditionen enthaltene Gute in die Tat umsetzen und dem Spruch ihres Gewissens folgen. Dies gilt sogar für den Fall, daß sie Jesus Christus nicht als ihren Erlöser erkennen oder anerkennen (vgl. Ad gentes, Nm. 3.9.11)“ (Päpstl. Rat für den interreligiösen Dialog - Kongregation für die Evangelisiemng der Völker, Instruktion Dialog und Verkündigung, 19. Mai 1991; in: Der Apostolische Stuhl 1991, S. 1500). „Da nämlich“ - wie das II. Vatikanische Konzil lehrt - „Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Diese Möglichkeit wird wahr durch die innere, aufrichtige Zustimmung zur Wahrheit, die großherzige Hingabe seiner selbst an den Nächsten und die von Gottes Geist angeregte Suche nach dem Absoluten. Auch durch die Erfüllung der Vorschriften und der praktischen Verwirklichung dessen, was mit dem Sittengesetz und dem echten religiösen Empfinden übereinstimmt, offenbart sich ein Strahl der 130 AUDIENZEN UND ANGELUS göttlichen Weisheit. Gerade kraft der Anwesenheit des Geistes und seines Wirkens machen die Elemente des Guten, die in den verschiedenen Religionen vorhanden sind, in geheimnisvoller Weise die Herzen bereit, die volle Offenbarung Gottes in Christus aufzunehmen. 4. Aus den eben erwähnten Gründen ist die Haltung der Kirche und der einzelnen Christen den anderen Religionen gegenüber von aufrichtiger Hochschätzung und tiefer Sympathie geprägt und auch, wenn es möglich und angebracht ist, von Bereitschaft zu herzlicher Zusammenarbeit. Das bedeutet nicht, zu vergessen, dass Jesus Christus der einzige Mittler und Erlöser des Menschengeschlechtes ist. Und es soll auch nicht die missionarische Spannung abschwächen, zu der wir verpflichtet sind im Gehorsam gegenüber dem Gebot des auferstandenen Herrn: „... geht zu allen Völkern, und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,19). Die Haltung der Hochschätzung und des Dialogs stellt vielmehr eine gebührende Anerkennung der „Saatkörner des Wortes“ und der „Seufzer des Geistes“ dar. In diesem Sinn bereitet sie - weit davon entfernt, sich der Verkündigung des Evangeliums entgegenzustellen - dieses vor, in Erwartung der von der Barmherzigkeit des Herrn vorgesehenen Zeit. „Durch den Dialog lassen wir Gott in unserer Mitte gegenwärtig sein; denn wenn wir uns einander im Dialog öffnen, so öffnen wir uns auch Gott“ {Ansprache an die Mitglieder der anderen Religionen, Madras, 5. Febr. 1986, Nr. 4; O.R., dt., 21.2.1986, S. 18). Am Horizont des nunmehr nahen dritten Jahrtausends führe uns der Geist der Wahrheit und der Liebe auf den Wegen der Verkündigung Jesu Christi und des Dialogs des Friedens und der Brüderlichkeit mit den Anhängern aller Religionen! Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Besonders heiße ich die vielen Schüler- und Jugendgruppen willkommen. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Die Schule als Grundrecht Angelus am 13. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. In vielen Ländern wird im Monat September der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Heute möchte ich meine Gedanken den Kindern und Jugendlichen widmen, 131 AUDIENZEN UND ANGELUS die in diesen Tagen in die Schule zurückkehren mit dem Wunsch auf ein arbeitsfrohes und fruchtbringendes Schuljahr. Liebe Schüler, wisst die Schule zu schätzen! Geht mit Freude wieder in die Schule; betrachtet sie als ein großes Geschenk, als ein Gmndrecht, das natürlich auch Pflichten mit sich bringt. Denkt an eure vielen Altersgenossen, denen in nicht wenigen Ländern der Welt selbst das Mindestmaß an Ausbildung fehlt! Der Analphabetismus ist ein Übel, ein schweres „Handikap“, das zu Hunger und anderer Not hinzukommt. Beim Analphabetismus geht es nicht nur um einige Aspekte der Wirtschaft oder der Politik, sondern um die Würde des Menschen selbst. Das Recht auf Erziehung ist das Recht, ganz Mensch zu sein. Viel Glück also, liebe Schüler! Viel Glück auch euch, liebe Lehrer, die ihr eure Arbeit nicht selten unter alles anderen als leichten Bedingungen verseht. Ihr habt einen großen Auftrag. Es ist nötig, dass die Gesellschaft sich dessen immer mehr bewusst wird und der Schule das gibt, was sie braucht, um ihren Aufgaben gewachsen zu sein: Was man für Erziehung ausgibt, ist immer gut angelegt. 2. Der Beginn des Schuljahrs bietet die Gelegenheit, nachzudenken über das, was Schule sein soll. Vieles an der Schulordnung kann und muss wohl auch überprüft werden. Eines sollte dabei aber klar sein: Die Schule kann sich nicht darauf beschränken, jungen Menschen Kenntnisse in verschiedenen Wissensgebieten zu vermitteln; sie muss ihnen auch helfen, den Sinn des Lebens in der richtigen Richtung zu suchen. Die Schule hat daher eine Verantwortung, besonders in einer Zeit wie dieser, wo große gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen manchmal sogar die sittlichen Grundwerte in Frage zu stellen drohen. Die Schule muss den Kindern und Jugendlichen helfen, diese Werte anzunehmen, und zugleich die harmonische Entwicklung ihrer Persönlichkeit in allen Dimensionen fördern: von der physischen und der geistigen bis zur kulturellen und der relationalen. Diese Aufgabe verwirklicht sie im Zusammenspiel mit der Familie, welche die unveräußerliche Hauptverantwortung der Erziehung trägt. Deshalb haben die Eltern u. a. das Recht und die Pflicht, die Schule zu wählen, die ihren Wertvorstellungen und den pädagogischen Erfordernissen der Kinder am besten entspricht. 3. Wenn wir uns nun mit dem Angelusgebet an die Jungfrau Maria wenden, wollen wir an ihr erzieherisches Wirken denken, das sie zusammen mit Josef an Jesus vollbracht hat. Das Haus von Nazaret war eine „Schule“ im kleinen für Ihn, den Meister und Lehrer schlechthin, der zum Schüler hat werden wollen wie alle Kinder und Jugendlichen der Welt. Die hl. Maria, die ihm Mutter und Lehrerin war, möge den Eltern und Erziehern helfen, ihre für die Zukunft ihrer Kinder und der ganzen Menschheit so entscheidende Aufgabe gut zu erfüllen. 132 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst in verschiedenen Sprachen die Pilger und Besucher; auf Deutsch sagte er: Herzlich grüße ich auch euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Der Herr möge euch und eure Lieben daheim im Glauben bestärken und weiterhin auf eurem Lebensweg begleiten. Indem ich allen einen schönen Sonntag wünsche, erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Der Geist und die „Saatkörner der Wahrheit“ im menschlichen Denken Generalaudienz am 16. September 1. Einen Spruch aus dem Buch der Weisheit (1,7) aufnehmend, lehrt das II. Vatikanische Konzil, dass der „Geist des Herrn“, der das Volk Gottes bei seiner Pilgerschaft durch die Geschichte mit seinen Gaben überhäuft, „replet orbem terra-rum - den Erdkreis erfüllt“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 11). Er führt die Menschen unablässig zur Fülle der Wahrheit und der Liebe hin, die Gottvater in Christus Jesus mitgeteilt hat. Diese tiefe Gewissheit von der Gegenwart und dem Wirken des Heiligen Geistes erhellt seit jeher das Bewusstsein der Kirche und bewirkt, dass alles wahrhaft Menschliche in den Herzen der Jünger Christi Widerhall findet (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1). Schon in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts konnte der Philosoph und Heilige Justinus schreiben; „Alles, was je in vortrefflicherWeise ausgesagt wurde und was diejenigen entdeckten, die Philosophie betreiben oder Gesetze aufstellen, wurde von ihnen vollbracht durch das Studium oder die Betrachtung eines Teils des Wortes“ (vgl. IIApol, 10,1-3). 2. Die Öffnung des menschlichen Geistes für die Wahrheit und das Gute verwirklicht sich stets im Horizont des ,,wahre[n] Lichtfes], das jeden Menschen erleuchtet“ (Job 1,9). Dieses Licht ist Christus, der Herr, selbst, der von Anbeginn an die Schritte der Menschen erleuchtet hat und in ihre „Herzen“ gekommen ist. Mit der Menschwerdung in der Fülle der Zeit ist das Licht mit all seinem Glanz in der Welt erschienen und erstrahlt vor den Augen der Menschen als Licht der Wahrheit (vgl. Joh 14,6). Schon im Alten Bund vorangekündigt, vollzieht sich die fortschreitende Offenbarung der Fülle der Wahrheit, die Jesus Christus ist, im Lauf der Jahrhunderte durch den Heiligen Geist. Dieses besondere Wirken des „Geistes der Wahrheit“ (vgl. Joh 14,17; 15,26; 16,13) betrifft nicht nur die Glaubenden, sondern auf geheimnisvolle Weise auch alle Menschen, die ohne Schuld das Evangelium nicht kennen, aber aus ehrlichem Herzen die Wahrheit suchen und sich bemühen, in rechter Weise zu leben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 16). In der Linie der Kirchenväter kann der hl. Thomas von Aquin der Ansicht sein, dass kein Geist „so verdunkelt“ sei, „daß er in keiner Weise am göttlichen Licht 133 AUDIENZEN UND ANGELUS Anteil“ hätte. „Denn jede Wahrheit, von wem auch immer sie erkannt wird, ist $. ganz jenem ,Licht, das in der Finsternis leuchtet“, zu verdanken; jede Wahrheit, wer auch immer sie aussprechen mag, kommt nämlich vom Heiligen Geist“ (vgl. Super Ioannem, 1,5 lect. 3, Nr. 103). 3. Aus diesem Grund ist die Kirche allem wahrhaften Forschen des menschlichen Denkens wohlgesinnt; aufrichtig schätzt sie das von den verschiedenen Kulturen erarbeitete und vermittelte Weisheitsgut. In ihm hat die unerschöpfliche Kreativität des menschlichen Geistes, der vom Geist Gottes zur Fülle der Wahrheit hingeführt wird, Ausdruck gefunden. Die Begegnung des von der Kirche verkündeten Wortes der Wahrheit mit der durch die Kulturen ausgedrückten und von den Philosophien erarbeiteten Weisheit drängt die letztere dazu, sich zu öffnen und ihre Erfüllung in der von Gott kommenden Offenbarung zu finden. Wie das II. Vatikanische Konzil unterstreicht, bereichert diese Begegnung die Kirche und macht sie fähig, immer tiefer in die Wahrheit vorzudringen, sie in den Redeweisen der verschiedenen Kulturtraditionen auszudrücken und sie - unverändert in der Substanz - darzulegen in der dem Wandel der Zeiten am besten entsprechenden Form (vgl. Gaudium et spes, Nr. 44). Das Vertrauen in die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes auch in den Leiden der Kultur unserer Zeit kann am Anbruch des dritten Jahrtausends die Voraussetzung sein für eine neue Begegnung zwischen der Wahrheit Christi und dem menschlichen Denken. 4. In der Perspektive des Großen Jubiläums des Jahres 2000 gilt es, die Lehre des Konzils zu vertiefen über diese immer wieder neue und fruchtbare Begegnung zwischen der von der Kirche bewahrten und weitergegebenen Offenbarungswahrheit und den vielfältigen Formen menschlichen Denkens und menschlicher Kultur. Leider bleibt auch heute die Feststellung Pauls VI. im Apostolischen Schreiben Evan-gelii nuntiandi gültig, wo es heißt: „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Um Abhilfe für diesen Bruch zu schaffen, der sich mit schwerwiegenden Konsequenzen auf die Gewissen und das Verhalten auswirkt, muss in den Jüngern Jesu Christi jener Blick des Glaubens geweckt werden, der fähig ist, die „Saatkörner der Wahrheit“ zu entdecken, die der Heilige Geist in unseren Zeitgenossen ausgestreut hat. Es wird auch möglich sein, zu ihrer Reinigung und Reifung beizutragen durch die geduldige Kunst des Dialogs, der vor allem darauf hinzielt, das Antlitz Christi in all seinem Glanz zu zeigen. Insbesondere ist es notwendig, sich den großen Grundgedanken des letzten Konzils, auf den ich in der Enzyklika Dives in misericordia zurückkommen wollte, deutlich vor Augen zu halten: „Während verschiedene Geistesströmungen in der Vergangenheit und der Gegenwart dazu neigten und neigen, Theozentrik und An-thropozentrik voneinander zu trennen und sogar in Gegensatz zueinander zu bringen, bemüht sich die Kirche, darin Christus folgend, deren organische, tiefe Verbindung in die Geschichte des Menschen einzubringen“ (Nr. 1). 134 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Dieser Grundsatz erweist sich fruchtbringend nicht nur für die Philosophie und die humanistische Kultur, sondern auch für die Gebiete der wissenschaftlichen Forschung und der Kunst. Denn der Wissenschaftler, der „bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist, von Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in sein Eigensein einsetzt“ (Gaudium et spes, Nr. 36). Zum anderen hat der wahre Künstler die Gabe, den leuchtenden und unendlichen Horizont, in den die Existenz des Menschen und der Welt eingebettet ist, zu erahnen und auszudrücken. Wenn er der Inspiration, die er in sich trägt und die ihn übersteigt, treu ist, erwirbt er eine geheime Wesensgleichheit mit der Schönheit, die der Heilige Geist der Schöpfung verleiht. Der Heilige Geist, Licht, das den Verstand erleuchtet, und göttlicher „Künstler der Welt“ (vgl. S. Bulgakov, II Paraclito, Bologna 1971, S. 311), möge die Kirche und die Menschheit unserer Zeit auf den Wegen einer neuen, erstaunlichen Begegnung mit dem Glanz der Wahrheit geleiten! Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Pilgergruppe der Behindertenseelsorge im Bistum Mainz und die Leser der Trierer Kirchenzeitung „Paulinus“ besonders willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Der Geist und die Zeichen der Zeit Generalaudienz am 23. September 1. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich im Hinblick auf das dem Heiligen Geist gewidmete Jahr die ganze Kirche aufgerufen, „den Geist als den wiederzuentdecken, der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 45). Wenn wir uns in die Perspektive des Glaubens begeben, sehen wir die Geschichte, vor allem nach dem Kommen Jesu Christi, ganz von der Anwesenheit des Geistes Gottes umhüllt und durchdrungen. Es wird leicht verständlich, warum die Kirche sich heute mehr denn je aufgerufen fühlt, die Zeichen dieser Anwesenheit in der 135 A UDIENZEN UND ANGELUS Geschichte der Menschen wahrzunehmen, mit der sie sich - in der Nachfolge ihres Herrn - „wirklich engstens verbunden“ fühlt (Gaudium et spes, Nr. 1). 2. Um diese ihre „immerwährende Pflicht“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 4) zu erfüllen, ist die Kirche eingeladen, auf immer tiefere und lebendigere Weise zu entdecken, dass Jesus Christus „der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte“ ist (Gaudium et spes, Nr. 10). Er ist „der Punkt, auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte“ (Gaudium et spes, Nr. 45). Zugleich erkennt die Kirche, dass allein der Heilige Geist, der den Herzen der Gläubigen das lebendige Bild des menschgewordenen Gottessohnes einprägt, diese befähigen kann, die Geschichte zu deuten und die Zeichen der Gegenwart und des Wirkens Gottes darin auszumachen. Der Apostel Paulus schreibt: „Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist“ (l Kor 2,11-12). Von diesem fortwährenden Geschenk des Geistes getragen, macht die Kirche zutiefst dankbar die Erfahrung: „Der Glaube erhellt [...] alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluß hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin“ (Gaudium et spes, Nr. 11). 3. Das II. Vatikanische Konzil bezeichnet mit einem der Sprache Jesu entnommenen Ausdruck als „Zeichen der Zeit“ (Gaudium et spes, Nr. 4) die deutlichen Anzeichen der Anwesenheit und Wirksamkeit des Geistes Gottes in der Geschichte. Der an seine Zeitgenossen gerichtete Vorwurf Jesu klingt auch für uns heute eindringlich und heilsam: „Das Aussehen des Himmels könnt ihr beurteilen, die Zeichen der Zeit aber nicht. Diese böse und treulose Generation fordert ein Zeichen, aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Jona“ (Mt 16,3-4). In der Perspektive des christlichen Glaubens entspricht die Aufforderung, die Zeichen der Zeit zu erkennen, der eschatologischen Neuigkeit, die durch das Kommen des Logos unter uns in die Geschichte eingeführt wurde (vgl. Joh 1,14). 4. In der Tat lädt Jesus zum Erkennen in Bezug auf die Worte und Werke ein, die von der bevorstehenden Ankunft des Reiches des Vaters zeugen. Ja, er fasst alle Zeichen im rätselhaften „Zeichen des Jona“ zusammen. Und damit stellt er die irdische Logik auf den Kopf, die Zeichen will, die dem Wunsch des Menschen nach Selbstbestätigung und Macht entgegenkommen. Es ist, wie der Apostel Paulus betont: „Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für die Juden ein empörendes Ärgernis, für die Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1,22-23). Als Erstgeborener von vielen Brüdern (vgl. Röm 8,29) hat Christus als erster in sich selbst die teuflische „Versuchung“ besiegt, sich irdischer Mittel zu bedienen, 136 A UDIENZEN UND ANGELUS um das Kommen des Reiches Gottes zu verwirklichen. Das geschah vom Augenblick der messianischen Prüfungen in der Wüste hin zu der höhnischen Herausforderung, die an ihn gerichtet wurde, als er ans Kreuz genagelt war: „Wenn du Gottes Sohn bist, [...] steig herab vom Kreuz!“ (Mt 27,40). Im gekreuzigten Jesus geschieht gewissermaßen eine Umwandlung und Konzentration der Zeichen: Er selbst ist das „Zeichen Gottes“ vor allem im Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung. Um die Zeichen seiner Anwesenheit in der Geschichte zu erkennen, muss man sich von allen irdischen Ansprüchen frei machen und den Geist in sich aufnehmen, der „alles [ergründet], auch die Tiefen Gottes“ (1 Kor 2,10). 5. Wenn wir uns fragten, wann die Verwirklichung des Reiches Gottes geschehe, würde uns Jesus so wie den Aposteln antworten, dass es uns nicht zustehe, „Zeiten [chronoi] und Augenblicke [kairoi] zu erfahren, die der Vater in seiner Macht [exousia] festgesetzt hat“. Auch von uns verlangt Jesus, dass wir die Kraft des Geistes in uns aufnehmen, um seine Zeugen zu sein „in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (vgl. Apg 1,7-8). Die günstige Fügung der Zeichen der Zeit war zuerst im Geheimnis des Planes des Vaters verborgen (vgl. Röm 16,25; Eph 3,9), ist in die Geschichte eingebrochen und hat im paradoxen Zeichen des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes ihren Weg in ihr gemacht (vgl. 1 Petr 1,19-21). Sie wird von den Jüngern Christi empfangen und gedeutet im Licht und der Kraft des Geistes, in wachsamer und tatkräftiger Erwartung der endgültigen Ankunft, welche die Geschichte außerhalb ihrer selbst im Schoß des Vaters vollenden wird. 6. So dehnt sich die Zeit nach dem Willen des Vaters aus als eine Einladung, „die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt“, um „von der ganzen Fülle Gottes erfüllt“ zu werden (Eph 3,19). Das Geheimnis dieses Weges ist der Heilige Geist, der uns „in die ganze Wahrheit“ führt (Joh 16,13). Voller Zuversicht und mit für diese Perspektive der Hoffnung offenem Herzen erflehe ich vom Herrn den Überfluss der Gaben des Heiligen Geistes für die gesamte Kirche, „auf daß der ,Frühling“ des II. Vatikanischen Konzils im neuen Jahrtausend seinen ,Sommer“ finde, sozusagen seine Entwicklung zur Reife“ (Ansprache beim Öffentlichen Konsistorium am 21. Februar 1998, Nr. 4; in: O.R. dt. v. 27.2.1998, S. 3) Graßworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Besonders heiße ich die Behinderten mit ihren Angehörigen aus dem Bistum Mainz sowie die vielen Schüler und Schülerinnen willkommen. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 137 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine Kultur und Politik der Solidarität fördern Angelus in Gastei Gandolfo am 27. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute ist der liturgische Gedenktag des hl. Vinzenz von Paul, des Patrons aller karitativen Vereinigungen. Beim Gedanken an diesen herausragenden Zeugen der Liebe zu Gott und den Mitmenschen, besonders den ärmsten und verlassensten, können wir nicht umhin, unsere Aufmerksamkeit auf eine der großen Herausforderungen zu richten, die an unser Gewissen pochen: der wahrlich unerträgliche Gegensatz zwischen dem Teil der Menschheit, der alle Vorteile des wirtschaftlichen Wohlstands und wissenschaftlichen Fortschritts genießt, und der ungeheuren Masse derer, die in äußerster Armut leben. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich den ,Hinsatz für Gerechtigkeit und Frieden“ ausdrücklich als einen qualifizierenden „Gesichtspunkt der Vorbereitung und Feier des Jubeljahres“ hervorgehoben (Tertio millennio adveniente, Nr. 51). Im Hinblick auf das nunmehr nahe bevorstehende Heilige Jahr ist es daher angebracht, sich zu fragen: An welchem Punkt sind wir mit diesem unseren Einsatz? Zu solchen Überlegungen ruft uns eindringlich das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Prasser im heutigen Evangelium auf. Es besagt unmissverständlich, dass in dem schreienden Kontrast zwischen gefühllosen Reichen und an allem bedürftigen Armen Gott auf der Seite der letzteren steht. Es ist nicht erlaubt, sich mit dem unmoralischen Schauspiel einer Welt abzufinden, in der noch Menschen an Hunger sterben, ohne Behausung sind, der grundlegendsten Ausbildung entbehren, nicht die nötige Krankenversorgung haben, keine Arbeit finden. Und diese Liste von alter und neuer Armut ließe sich über die Maßen verlängern. 2. Es ist dringlich, eine Kultur und Politik der Solidarität zu fördern, die im Innersten eines jeden von uns ansetzt, bei unserer Fähigkeit, die Stimme der Notleidenden zu vernehmen. Gewiss, angesichts der Komplexität der Probleme genügt persönlicher Einsatz nicht. Bei einigen Problemen wie der internationalen Verschuldung der armen Länder bedarf es einer konzertierten Antwort von Seiten der Gemeinschaft der Nationen. Allerdings nur, wenn die Kultur der Solidarität im Inneren der Personen und Familien wächst, wird man zu einer wirksamen Lösung für die großen Herausforderungen der Armut und der sozialen Ungerechtigkeit kommen können. Wie ich im Apostolischen Schreiben Dies Domini empfohlen habe, muss der Sonntag, um vollends als Tag des Herrn gelebt werden zu können, ein besonderer Tag karitativer Liebe sein. 3. Die heilige Jungfrau möge uns helfen, dass wir alle in der Dimension der Ge-schwisterlichkeit wachsen. Maria, die in der Lauretanischen Litanei als Trost der Betrübten angerufen wird, bedient sich auch unserer Arme und unseres Herzens, 138 AUDIENZEN UND ANGELUS um den Notleidenden ihren Trost und ihre mütterliche Fürsorge zukommen zu lassen. Nach dem Angelus grüßte der Papst die Anwesenden in verschiedenen Sprachen. Auf Deutsch sagte er: Herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Unter ihnen heiße ich besonders die Gläubigen der Pfarrei Sankt Ulrich in Burgberg willkommen. Indem ich allen einen schönen Sonntag wünsche, erteile ich gerne den apostolischen Segen. Die Firmung - Vollendung der Tauf gnade Generalaudienz am 30. September 1. In diesem zweiten Jahr der Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000 bringt uns die Wiederentdeckung der Anwesenheit des Heiligen Geistes dazu, besonderes Augenmerk auf das Sakrament der Firmung zu richten (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 45). Dieses „vollendet die Taufgnade“, wie der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt: Es verleiht den Heiligen Geist, „um uns in der Gotteskindschaft tiefer zu verwurzeln, uns fester in Christus einzugliedem, unsere Verbindung mit der Kirche zu stärken, uns mehr an ihrer Sendung zu beteiligen und uns zu helfen, in Wort und Tat für den christlichen Glauben Zeugnis zu geben“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1316). In der Tat vereint das Sakrament der Firmung die Christen zutiefst mit der Salbung Christi, den „Gott [...] gesalbt hat mit dem Heiligen Geist“ (Apg 10,38). An diese Salbung erinnert schon die Bezeichnung „Christen“, die auf das Wort „Christos“ zurückgeht, welches die griechische Übersetzung des hebräischen Ausdrucks „Messias“ ist, was eben „Gesalbter“ bedeutet. Christus ist der Messias, der Gesalbte Gottes. Durch das Siegel des Geistes, das durch die Firmung verliehen wird, erlangen die Christen ihre volle Identität und werden sich ihrer Sendung in der Kirche und der Welt bewusst. „Ehe ihr dieser Gnade nicht gewürdigt wurdet - schreibt der hl. Ky-rillos von Jerusalem - verdientet ihr eigentlich nicht diese Bezeichnung, ihr wäret vielmehr erst auf dem Wege dazu, schicktet euch an, Christen zu sein“ (vgl. Ca-tech. myst,, III, 5: PG 33,1092; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 41, München / Kempten 1922, S. 376). 2. Um den ganzen Reichtum an Gnade zu begreifen, der im Sakrament der Firmung enthalten ist, die zusammen mit der Taufe und der Eucharistie die organische Gesamtheit der „Sakramente der christlichen Initiation“ bildet, muss man dessen Bedeutung im Licht der Heilsgeschichte verstehen. Im Alten Testament verkünden die Propheten, dass der Geist Gottes sich auf dem verheißenen Messias niederlassen (vgl. Jes 11,2), zugleich aber dem ganzen mes-sianischen Volk mitgeteilt werden wird (vgl. Ez 36,25-27; Joel 3,1-2). In der 139 AUDIENZEN UND ANGELUS „Fülle der Zeiten“ wird Jesus durch den Heiligen Geist im Schoß der Jungfrau Maria empfangen (vgl. Lk 1,35). Durch die Herabkunft des Geistes über ihn im Augenblick der Taufe im Jordan wird er als der verheißene Messias, als Sohn Gottes offenbart (vgl. Mt 3,13-17; Joh 1,33-34). Sein ganzes Leben verläuft in vollendeter Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist, den er „unbegrenzt gibt“ (vgl. Joh 3,34) als eschatologische Krönung seiner Sendung gemäß seinem Versprechen (vgl. Lk 12,12; Joh 3,5-8; 7,37-39; 16,7-15; Apg 1,8). Jesus teilt den Geist mit am Tag der Auferstehung, indem er die Apostel „anhaucht“ (vgl. Joh 20,22), und danach am Pfingsttag durch feierliche und wunderbare Ausgießung (vgl. Apg 2,1-4). Und so beginnen die Apostel, vom Heiligen Geist erfüllt, „Gottes große Taten zu verkünden“ (vgl. Apg 2,11). Auch die, welche ihrer Predigt glauben und sich taufen lassen, empfangen „die Gabe des Heiligen Geistes“ (Apg 2,38). Die Unterscheidung von Firmung und Taufe wird deutlich aus der Apostelgeschichte beim Ereignis der Evangelisierung Samariens. Es ist Philippus, einer der sieben Diakone, der den Glauben verkündet und tauft; dann kommen die Apostel Petras und Johannes und legen den Neugetauften die Hände auf, damit sie den Heiligen Geist empfangen (vgl. Apg 8,5-17). Ähnlich legt in Ephesus der Apostel Paulus einer Gruppe von Neugetauften die Hände auf, „und der Heilige Geist kam auf sie herab“ (Apg 19,6). 3. Das Sakrament der Firmung lässt „die Pfingstgnade in der Kirche auf eine gewisse Weise fortdauem“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1288). Die Taufe, welche in der christlichen Tradition „Eingangstor zum Leben im Geiste“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1213) genannt wird, bewirkt unsere Wiedergeburt „aus Wasser und Geist“ (vgl. Joh 3,5), indem sie uns sakramental am Tod und an der Auferstehung Christi (vgl. Rom 6,1-11) teilhaben lässt. Die Firmung lässt uns ihrerseits voll teilhaben an der Ausgießung des Heiligen Geistes durch den auferstandenen Herrn. Das unzertrennbare Band zwischen dem Pascha Jesu Christi und der pfingstlichen Ausgießung des Heiligen Geistes kommt in der engen Beziehung zum Ausdruck, welche zwischen den Sakramenten der Taufe und der Firmung besteht. Diese enge Verbindung geht auch aus der Tatsache hervor, dass in den ersten Jahrhunderten die Firmung allgemein „zusammen mit der Taufe eine einzige Feier, ein ,Doppelsakrament1 [bildete], wie der hl. Cyprian sagt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1290). Diese Praxis hat sich im Osten bis heute erhalten, während sich im Westen aus vielerlei Gründen die aufeinanderfolgende und normalerweise auch zeitlich abgesetzte Feier der beiden Sakramente durchgesetzt hat. Seit apostolischer Zeit wird die volle Vermittlung der Gabe des Heiligen Geistes an die Getauften durch Auflegung der Hände wirksam gekennzeichnet. Bald kam eine Salbung mit wohlriechendem Öl, „Chrisam“ genannt, hinzu, um die Gabe des Geistes besser auszudrücken. Durch die Firmung werden in der Tat die in der Taufe gesalbten Christen der Fülle des Geistes, von der Christus überströmt, teilhaftig, damit ihr ganzes Leben „Christi Wohlgerach“ verbreite (2 Kor 2,15). 140 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Die rituellen Unterschiede, die die Firmung im Laufe der Jahrhunderte im Osten und Westen erfahren hat, entsprechend dem unterschiedlichen geistlichen Empfinden der beiden Traditionen und in Antwort auf verschiedenartige pastorale Erfordernisse, sind Ausdruck des Reichtums dieses Sakramentes und seiner vollen Bedeutung im christlichen Leben. Im Osten wird das Sakrament „Chrismation“, Salbung mit „Chrisam“ oder „My-ron“. genannt. Im Westen meint der Ausdruck Firmung Bestätigung der Taufe, d. h. Bestärkung der Gnade durch das Siegel des Heiligen Geistes. Im Osten wird die Chrismation, da die beiden Sakramente verbunden sind, von dem Priester, der tauft, gespendet, wobei er jedoch die Salbung mit dem vom Bischof geweihten Chrisam vomimmt (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1312). Im lateinischen Ritus ist der ordentliche Spender der Firmung der Bischof; er kann aus schwerwiegenden Gründen bestimmte Priester dafür bevollmächtigen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1313). „Die Praxis der Ostkirchen verdeutlicht“ also „vor allem die Einheit der christlichen Initiation; die der lateinischen Kirche veranschaulicht die Gemeinschaft des neuen Christen mit seinem Bischof als dem, der die Einheit seiner Kirche, ihre Katholizität und ihre Apostolizität gewährleistet und dadurch auch den Zusammenhang mit den apostolischen Ursprüngen der Kirche Christi sichert“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1292). 5. Aus dem hier Dargelegten wird nicht nur die Bedeutung der Firmung in der organischen Gesamtheit der Sakramente der christlichen Initiation deutlich, sondern auch ihre unersetzbare Wirkung im Hinblick auf die volle Reifung des christlichen Lebens. Ein entschiedener, auf dem Weg der Vorbereitung des Jubiläums zu intensivierender Einsatz der Pastoral besteht in einer sorgfältigen Bildung der Getauften, die sich auf den Empfang der Firmung vorbereiten; sie gilt es in die faszinierenden Tiefen des Geheimnisses einzuführen, welches das Sakrament ausdrückt und vollzieht. Zugleich ist den Gefirmten zu helfen, dass sie mit freudigem Erstaunen die Heilswirksamkeit dieser Gabe des Heiligen Geistes neu entdecken. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Teilnehmer an der 19. Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“, die Katholische Kaufmanns-Vereinigung aus Bamberg sowie die zahlreichen Jugendlichen besonders willkommen. Euch allen, euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine Pilgerreise im Zeichen des Zeugnisses Generalaudienz am 7. Oktober 1. Vom vergangenen Freitag bis Sonntag war ich zu einem zweiten Pastoralbesuch in Kroatien. Die Bilder dieser Pilgerreise noch vor Augen, möchte ich mit euch kurz auf deren Bedeutung eingehen und sie in den Kontext der historischen Ereignisse stellen, die nicht nur Kroatien, sondern ganz Europa betreffen. An erster Stelle danke ich Gott, der mir gestattete, diese so intensive Erfahrung zu erleben. Mein dankbares Gedenken geht weiter zu den geliebten Bischöfen von Kroatien wie auch zu dessen Staatspräsidenten, den anderen Trägern öffentlicher Verantwortung. Ferner gilt es all denen, die diese erneute Begegnung zwischen dem Nachfolger Petri und dem kroatischen Volk ermöglicht haben, das ihm seit mehr als dreizehn Jahrhunderten in steter Treue verbunden ist. Das Thema der Reise nahm die Worte des auferstandenen Jesus an die Apostel auf: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Eine Pilgerreise im Zeichen des Zeugnisses also. Und in dieser Sichtweise konnte ich fast zweitausend Jahre Geschichte geistig umspannen: von den Märtyrern der römischen Verfolgungen bis zu denen des jüngst vergangenen kommunistischen Regimes: vom hl. Domnius, Bischof von Salona [Solin], dem antiken Primassitz, bis zu Kardinal Alojzije Stepinac, Erzbischof von Zagreb, dessen Seligsprechung das krönende Ereignis meines Kroatienaufenthaltes war. Dieser feierliche liturgische Akt bildete somit den Kontrast vor einem geschichtlichen Hintergrund, der auf das alte Rom zurückreicht, als das Land noch nicht von den Kroaten besiedelt war. Der zweite Schwerpunkt der apostolischen Reise war die Feier des 1700jährigen Bestehens von Stadt und Ortskirche Split. Beide Augenblicke waren mit einer Marienwallfahrt verbunden: erst zum Nationalheiligtum Marija Bistrica, dann zu Unserer Lieben Frau von der Insel in Solin, dem ältesten der Jungfrau geweihten Heiligtum in Kroatien. Diese Tatsache ist ziemlich bedeutsam. Denn wenn ein Volk Stunden der Passion und des Kreuzes kennt, erfährt es stärker denn je die Beziehung zur Mutter Christi, sie wird zum Zeichen der Hoffnung und des Trostes. So ist es für mein Vaterland Polen gewesen, so für Kroatien wie für jede durch die Wechselfälle der Geschichte hart geprüfte christliche Nation. 2. „In Te, Domine, speravi - auf dich, o Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt“: Das war der Leitspruch von Kardinal Alojzije Stepinac, an dessen Grab ich gleich nach meiner Ankunft in Zagreb im Gebet verweilte. An seiner Gestalt verdichtet sich die ganze Tragödie, die Europa in diesem Jahrhundert heimgesucht hat, das gekennzeichnet war von den großen Übeln Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus. In ihm leuchtet die katholische Antwort vollends auf: Glaube an Gott; Achtung vor dem Menschen; Liebe zu allen, besiegelt im Vergeben; Einheit mit der vom Nachfolger Petri geleiteten Kirche. Der Grund für die Verfolgung und den farcenhaften Prozess gegen ihn war sein entschlossener Widerstand gegen das Drängen des Regimes, er solle sich vom 142 A UDIENZEN UND ANGELUS Papst und dem Apostolischen Stuhl trennen und an die Spitze einer „kroatischen Nationalkirche“ treten. Er zog es vor, dem Nachfolger Petri treu zu bleiben. Dafür wurde er verleumdet und schließlich verurteilt. Mit seiner Seligsprechung anerkennen wir den Sieg des Evangeliums Christi über die totalitären Ideologien, den Sieg der Rechte Gottes und des Gewissens über Gewalt und Unterdrückung, den Sieg von Vergebung und Versöhnung über Hass und Rache. Der sei. Kardinal Stepinac ist somit Symbol Kroatiens, das vergeben und versöhnen will, indem es die Erinnerung vom Hass reinigt und das Böse durch das Gute besiegt. 3. Schon lange war es mein Wunsch, das Heiligtum Marija Bistrica persönlich zu besuchen. Die Vorsehung fügte es, dass dies bei der Seligsprechung von Kardinal Alojzije Stepinac möglich wurde. Seit den Anfängen seines bischöflichen Wirkens führte er persönlich zu Fuß die Votiv-Wallfahrt von der Stadt Zagreb zu diesem Heiligtum an, das etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt hegt, bis die kommunistischen Machthaber jede Art von religiöser Kundgebung verboten. Die altehrwürdige Holzstatue der Muttergottes mit Kind, welche die Gläubigen während des Ottomanen-Einfalls im 16. Jahrhundert verstecken mussten, um sie vor Schändung und Zerstörung zu bewahren, steht in gewisser Weise für die leidvolle Geschichte des kroatischen Volkes durch mehr als 1300 Jahre hindurch. Die Seligsprechung von Kardinal Stepinac bei diesem Heiligtum wurde mit dem Besuch am Folgetag in Split auf den Hintergrund von Ereignissen projiziert, die in die Antike zurückreichen, als die Stadt Teil des Römischen Reiches war. Die heutige Stadt Split, welche den antiken Bischofssitz Salona [Sohn] mit ein-schließt, birgt im Zentrum den Palast und das Mausoleum von Kaiser Diokletian, welcher einer der grausamsten Verfolger der Christen war. Doch dann wurde einige Jahrhunderte später das Mausoleum zur Kathedrale umgebaut, in die man die Reliquien des hl. Domnius, Bischof von Salona und Märtyrer, brachte. Vor seiner Urne habe ich im Gebet verweilt und in meinen Gedanken den weiten Bogen der Geschichte durchlaufen, der sich von Diokletian bis zu den Geschehnissen dieses unseres Jahrhunderts spannt, das von nicht weniger harten Verfolgungen gekennzeichnet, aber auch von nicht weniger leuchtenden Märtyrergestalten als denen der Antike erhellt ist. 4. In Solin, wo sich das Marienheiligtum Unserer Lieben Frau von der Insel befindet, sind die ältesten Spuren des Christentums in diesem Gebiet vorhanden. Gerade dort wollte ich die Katecheten, Lehrer und Mitglieder kirchlicher Bewegungen, zum großen Teil Jugendliche, treffen: Am Ort der Erinnerung an die christlichen Wurzeln haben wir gebetet für die Zukunft der Kirche und der Evangelisierung. Die großen Bereiche unserer Arbeit sind in erster Linie Familie, Leben und Jugend. Das habe ich bei der Begegnung mit der Kroatischen Bischofskonferenz hervorgehoben. Auf jedem dieser Gebiete sind die Christen aufgerufen, Zeugnis für Konsequenz nach dem Evangelium zu geben in persönlichen wie kollektiven Entscheidungen. Die Sanierung der Wunden des Krieges, der Aufbau eines gerechten 143 AUDIENZEN UND ANGELUS und stabilen Friedens und vor allem die Wiederbelebung der von den vergangenen Totalitarismen ausgehöhlten ethischen Werte erfordern lange und geduldige Arbeit, bei der eine ständige Bezugnahme auf das von den Vätern überkommene geistliche Erbe vonnöten ist. Die Gestalt des sei. Alojzije Stepinac ist für alle ein Bezugspunkt, auf den es zu blicken gilt, um Inspiration und Halt daran zu fassen. Mit seiner Seligsprechung offenbarte sich uns in der Perspektive der Jahrhunderte der Kampf zwischen dem Evangelium und dem Antievangelium, der die Geschichte durchzieht. Der Märtyrer aus unserer Zeit, an den die Älteren sich noch erinnern können, steigt so in den Rang eines großen Symbols dieses Kampfes auf: Von der Zeit an, da aus den Trümmern des Römischen Reiches sich eine neue Gesellschaft zu bilden begann und die Kroaten die Küste des Adriatischen Meeres erreichten, durch die schwierigen Zeiten der Ottomanenherrschaft hindurch bis in dieses unser stürmisches und dramatisches Jahrhundert hat die Kirche stets den Kampf gegen die Herausforderungen des Bösen weitergeführt und mit unverzagter Kraft das Wort des Evangeliums verkündet. Im Laufe von über dreizehn Jahrhunderten haben die Kroaten, nachdem sie dieses Wort angenommen und die Taufe empfangen hatten, ihre Treue zu Christus und zur Kirche bewahrt und an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend bestätigt. Zeuge dafür ist die Person des Erzbischofs von Zagreb, der sei. Märtyrer Alojzije Stepinac! Seine Gestalt steht im Zusammenhang mit derjenigen der Märtyrer des Altertums: Entgegen den Absichten Diokletians konsolidierten die Verfolgungen der ersten Jahrhunderte die Präsenz der Kirche in der antiken Welt. Wir wollen zum Herrn beten, dass auf die Fürsprache der Jungfrau Maria, „Advo-cata Croatiae, Mater fidelissima - Fürsprecherin Kroatiens, treue Mutter“ -, die Verfolgungen der heutigen Zeit zu einer neuen Blüte des kirchlichen Lebens in Kroatien und der ganzen Welt führen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zum zweiten Mal konnte ich das Land Kroatien besuchen. Das Thema des Pasto-ralbesuches waren die Worte des Auferstandenen an seine Jünger: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). So stand diese Reise nach Salona, Zagreb und Split ganz im Zeichen des Zeugnis-Gebens. Herausragendes Ereignis dieser drei Tage war die Seligsprechung des Kardinals von Zagreb, Alojzije Stepinac, der bis zum Martertod standhaft zu Christus und seiner Kirche gehalten hat. Es ist ein glücklicher Umstand, dass heute unter uns die „fratres minores“ dieses großen Kardinals unter uns sind: die Diakone aus dem Collegium Germanicum et Hungaricum, wo sich einst auch Alojzije Stepinac auf das Priestertum vorbereitet hat. Ihr werdet am Samstag zu Priestern geweiht: Das Beispiel des neuen Seligen stehe Euch in Eurem Dienst an Gott und den Menschen immer vor Augen. Gott segne Euch! 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Herzlich begrüße ich auch die große Schar der Ministranten aus dem Erzbistum Köln, die eine Wallfahrt nach Rom anlässlich der Heiligsprechung von Edith Stein unternehmen. Gott schenke Euch viel Freude an Eurem wichtigen Dienst für eine würdige Feier der Liturgie. Auch grüße ich alle anwesenden Jugendlichen, die Chöre, alle, die aus der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein, der Provinz Bozen und aus Deutschland nach Rom gekommen sind. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Krippe und Kreuz gehören zusammen Angelus nach der Heiligsprechung von Edith Stein am 11. Oktober Wir beschließen diese festliche Feier mit dem Angelus-Gebet. Wir schauen auf die Gottesmutter mit den Augen der neuen Heiligen, die in der Betrachtung des Geheimnisses von der Darstellung des Herrn im Tempel bemerkte: „Als die Jungfrau Maria das Kind zum Tempel hintrug, da ward ihr geweissagt, daß ihre Seele ein Schwert durchdringen werde [...] Es ist die Ankündigung des Leidens, des Kampfes zwischen Licht und Finsternis, der sich schon an der Krippe zeigte!“ Die hl. Teresia Benedicta vom Kreuz hat verstanden, dass Krippe und Kreuz eng zusammengehören. Weil sie sich dessen innerlich bewusst war, konnte sie in einen tiefen Gleichklang mit der Jungfrau Maria treten. Von ihr schrieb sie: „Anbetend vor Gott zu stehen, ihn aus ganzem Herzen zu heben, seine Gnade auf das sündige Volk herabzuflehen und genugtuend für dieses Volk einzustehen, als Magd des Herrn seines Wirkens gewärtig zu sein - das war ihr Leben.“ Auch Edith Stein war Tochter des auserwählten Volkes. Wenn sie von Maria sprach, hat sie das Programm ihrer eigenen Lebensentscheidung Umrissen, ohne es wohl selbst bemerkt zu haben. Wir bitten die neue Heilige, bei der Gottesmutter für uns einzutreten, damit jeder hochherzig der Berufung zu entsprechen vermag, die ihm zukommt. Nach dem Angelus grüßte der Papst die Anwesenden in verschiedenen Sprachen; auf Deutsch sagte er: Ich richte einen besonderen Gruß an die vielen Pilger deutscher Sprache. Ebenso grüße ich jene, die aus Holland gekommen sind. Die neue Heilige, Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz, wurde nicht müde, die Wahrheit zu suchen. Ich bitte euch: Bleibt der Wahrheit auf der Spur. Nur in der Wahrheit haben euer persönliches Leben und die Gesellschaft einen festen Grund. 145 A UDIENZEN UND ANGELUS Das „ Siegel des Geistes “ und das Zeugnis bis zum Martyrium Generalaudienz am 14. Oktober 1. In der vorigen Katechese haben wir uns mit dem Sakrament der Firmung als Vollendung der Taufgnade befasst. Diesmal vertiefen wir dessen Heilswert und geistliche Wirkung, ausgedrückt im Zeichen der Salbung, welches das „Siegel der Gabe des Heiligen Geistes“ meint (vgl. Paul VI., Apost. Konst. Divinae consor-tiumnaturae [15.8. 1971]; AAS 63[1971]663). Durch die Salbung empfängt der Firmling vollends jene Gabe des Heiligen Geistes, die er in anfänglicher und grundlegender Form bereits in der Taufe erhalten hat. „Das Siegel ist“ - wie der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt -„Sinnbild der Person (vgl. Gen 38,18; Hld8,6), Zeichen ihrer Autorität (vgl. Gen 41,42), ihres Eigentumsrechtes an einem Gegenstand (vgl. Dm 32,34) ...“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1295). Jesus selbst sagt von sich, dass ihn „Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt“ hat (Joh 6,27). Und so werden wir Christen, die wir kraft des Glaubens und der Taufe in den Leib Christi des Herrn eingegliedert sind, mit dem Siegel des Geistes bezeichnet, wenn wir die Salbung empfangen. Das lehrt ausdrücklich der Apostel Paulus, der an die Christen in Korinth schreibt: „Gott aber, der uns und euch in der Treue zu Christus festigt und der uns alle gesalbt hat, er ist es auch, der uns sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil (am verheißenen Heil) den Geist in unser Herz gegeben hat“ (2 Kor 1,21-22; vgl. Eph 1,13-14; 4,30). 2. Das Siegel des Heiligen Geistes bezeichnet und bewirkt also, dass der Jünger ganz Christus angehört, in der Kirche für immer in seinen Dienst gestellt ist, zugleich aber, dass ihm der göttliche Schutz in den Prüfungen verheißen ist, die er bestehen muss, um seinen Glauben in der Welt zu bezeugen. Das hat Jesus selbst kurz vor seinem Leiden vorausgesagt: „Man wird euch um meinetwillen vor die Gerichte bringen, in den Synagogen mißhandeln und vor Statthalter und Könige stellen, damit ihr vor ihnen Zeugnis ablegt. [...] Und wenn man euch abführt und vor Gericht stellt, dann macht euch nicht im voraus Sorgen, was ihr sagen sollt; sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt! Denn nicht ihr werdet dann reden, sondern der Heilige Geist“ (Mk 13,9.11 u. parr.). Ein ähnliches Versprechen kehrt in der Offenbarung wieder in einer Vision, welche die ganze Geschichte der Kirche umschließt und das dramatische Abenteuer beleuchtet, das die Jünger Christi gerufen sind zu bestehen, vereint mit ihrem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Von ihnen spricht das eindrucksvolle Bild derjenigen, auf deren Stirn das Siegel Gottes gedrückt wurde (vgl. Offb 7,2-4). 3. Die Firmung, die die Taufgnade vollendet, vereint uns fester mit Christus und seinem Leib, der Kirche. Dieses Sakrament vermehrt in uns auch die Gaben des Heiligen Geistes, ja „sie schenkt uns eine besondere Kraft des Heiligen Geistes, 146 A UDIENZEN UND ANGELUS um in Wort und Tat als wahre Zeugen Christi den Glauben auszubreiten und zu verteidigen, den Namen Christi tapfer zu bekennen und uns nie des Kreuzes zu schämen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1303; vgl. Konzil von Florenz, DS 1319; II. Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium, Nrn. 11; 12). Der hl. Ambrosius ermahnt den Neugefirmten mit den eindringlichen Worten: „So denk denn daran, daß du die Geistesbesieglung empfangen hast: ,den Geist der Weisheit und des Verstandes, den Geist des Rates und der Stärke, den Geist der Erkenntnis und der Frömmigkeit, den Geist der heiligen Furcht“! Und wahre, was du empfangen hast! Gott Vater hat dich besiegelt, Christus der Flerr dich gestärkt und das Pfand des Geistes in dein Herz gegeben“ (De mysteriis, 7,42; PL 16,402-403; deutsch in: Bibliothek der Kirchenväter [Bd. 32], Kempten-München 1917, S. 294). Die Gabe des Geistes verpflichtet, Zeugnis für Jesus Christus und Gott Vater abzulegen, und verleiht die Fähigkeit und den Mut dazu, es zu tun. Die Apostelgeschichte sagt uns klar und deutlich, dass der Heilige Geist über die Apostel ausgegossen wird, damit sie „Zeugen“ werden (Apg 1,8; vgl. Joh 15,26-27). Der hl. Thomas von Aquin seinerseits erklärt, die Tradition der Kirche wunderbar zusammenfassend, dass dem Getauften durch die Firmung die notwendigen Hilfen vermittelt werden, um in jeder Fage öffentlich den in der Taufe empfangenen Glauben zu bekennen. Es wird ihm „die Fülle des Heiligen Geistes gegeben“ - so erläutert er - „zum geistigen Starksein [ad robur spirituale], wie es dem Vollalter zukommt“ (Summa Theologiae, III, 72,2; deutsch in: Die Deutsche Thomas-Ausgabe [Bd. 29], Salzburg/Leipzig 1935, S. 339). Dieses Vollalter ist natürlich nicht nach menschlichen Kriterien zu messen, sondern muss innerhalb der geheimnisvollen Beziehung eines jeden zu Christus gesehen werden. Diese in der Heiligen Schrift wurzelnde und von der heiligen Tradition entfaltete Fehre findet Ausdruck in der Lehre des Konzils von Trient, wonach das Sakrament der Firmung der Seele so etwas wie „ein unauslöschliches geistliches Zeichen“ einprägt: den „Charakter“ (vgl. DS 1609). Dieser ist das Mal, das Jesus Christus den Christen mit dem Siegel seines Geistes aufgeprägt hat. 4. Diese besondere, durch das Sakrament der Firmung verliehene Gabe befähigt die Gläubigen, ihr „prophetisches Amt“, Zeugnis für den Glauben abzulegen, auszuüben. Wie Thomas von Aquin erklärt, erhält der Gefirmte „die Macht, öffentlich den Glauben an Christus wie von Amtes wegen [quasi ex officio] mit Worten zu bekennen“ (Summa Theologiae, III, 72,5 ad 2; in: Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1305). Und das II. Vatikanische Konzil betont in Lumen Gentium, wo es vom heiligen und organisch verfassten Wesen der priesterlichen Gemeinschaft spricht: „Durch das Sakrament der Firmung werden sie [die Gläubigen] vollkommener der Kirche verbunden und mit einer besonderen Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet. So sind sie in strengerer Weise verpflichtet, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu verteidigen“ (Lumen Gentium, Nr. 11). 147 A UD1ENZEN UND ANGELUS Der Getaufte, der in vollem und reifem Bewusstsein das Sakrament der Firmung empfängt, erklärt feierlich vor der Kirche und mit Hilfe der Gnade Gottes seine Bereitschaft, sich auf stets neue und immer tiefere Weise vom Geist Gottes ergreifen zu lassen, um Zeuge für Christus den Herrn zu werden. 5. Diese Bereitschaft geht kraft des Geistes, der ins Innerste des Herzens dringt und es erfüllt, bis zum Martyrium. Das zeigt die ununterbrochene Kette von christlichen Zeugen, die von den Anfängen des Christentums an bis in unser Jahrhundert nicht fürchteten, aus Liebe zu Jesus Christus ihr irdisches Leben zu opfern. „Das Martyrium“ - schreibt der Katechismus der Katholischen Kirche - „ist das erhabenste Zeugnis, das man für die Wahrheit des Glaubens ablegen kann; es ist ein Zeugnis bis zum Tod. Der Märtyrer legt Zeugnis ab für Christus, der gestorben und auferstanden ist und mit dem er durch die Liebe verbunden ist“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2473). An der Schwelle zum dritten Jahrtausend wollen wir um die Gabe des Beistands bitten, um die Gnadenwirksamkeit des uns im Sakrament der Firmung aufgeprägten geistlichen Siegels wiederzubeleben. Vom Heiligen Geist getragen, wird unser Leben „Christi Wohlgeruch“ (2 Kor 2,15) bis an die äußersten Grenzen der Erde verbreiten. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem Bild von „Christi Wohlgeruch“ entbiete ich einen herzlichen Gruß den Pilgern und Besuchern aus dem deutschen Sprachraum. Besonders erwähnen möchte ich die Ordensfrauen aus verschiedenen Kongregationen in La Storta und die Schwestern der Christlichen Liebe in Rom, die Tage der geistlichen Erneuerung erleben. Mit Freude heiße ich die vielen Jugend- und Schülergruppen willkommen. Seid „Christi Wohlgeruch“ in Eurer Heimat! Euch allen, Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Glaube und Vernunft bei der Suche nach Wahrheit und Lebenssinn Angelus am 18. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute wird der Weltmissionssonntag begangen. Das war auch vor zwanzig Jahren der Fall, als ich mein Petrusamt übernahm. Ein bedeutsames Zusammentreffen, so scheint mir, wenn ich an den missionarischen Geist denke, von dem mein apostolischer Einsatz getragen ist und der seinen Ausdruck besonders in den vielen Reisen fand, die ich unternehmen konnte, um jedermann in allen Ecken der Welt 148 AUDIENZEN UND ANGELUS zuzurufen: „Öffnet die Tore für Christus!“ Meine Gedanken gehen heute in besonderer Weise zu den Missionaren „ad gentcs“, die diese Botschaft in den Missions-ländem mit viel Liebe weitertragen, oft unter beschwerlichen Umständen, manchmal auch um den Preis des Lebens. Urnen sei Dank gesagt! Sie sollen sich - nicht nur an diesem Tag - von der Liebe und dem Gebet der ganzen Kirche begleitet fühlen. 2. Von missionarischem Geist geprägt ist auch die Enzyklika Fides et ratio, die letzten Donnerstag veröffentlicht wurde und auf die ich noch zurückkommen will. Darin behandle ich, wie bekannt, die Problematik der Beziehungen zwischen der Philosophie und der Theologie und betone, dass Glaube und Vernunft nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern sich gegenseitig unterstützen „wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt“ {Fides et ratio, Nr. 1). Wehe einer Menschheit, die den Sinn der Wahrheit verlöre, den Mut, sie zu suchen, die Zuversicht, sie zu finden. Dabei würde nicht nur der Glaube, sondern auch der Sinn des Lebens aufs Spiel gesetzt. Die Aufnahme dieser Enzyklika vertraue ich der Fürsprache der heiligsten Jungfrau, „Thron der Weisheit“, an. Helfen mögen uns dabei auch die hl. Therese von Lisieux, die ich gerade vor einem Jahr zur Kirchenlehrerin erklärt habe, und Edith Stein, die heilige „Philosophin“, die ich letzten Sonntag die Freude hatte, heilig zu sprechen. Nach dem Angelusgebet grüßte der Papst in verschiedenen Sprachen die zahlreichen Anwesenden; auf Deutsch sagte er: Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Dankbarkeit Gott gegenüber schaue ich zurück auf die vergangenen zwanzig Jahre meines Pontifikates, den ich unter den Schutz der Jungfrau Maria gestellt habe. Ich bitte von Herzen um euer Gebet, dass Gott mir die Kraft und Seinen Geist schenke, damit ich den mir anvertrauten Dienst bis zum Ende ihm wohlgefällig zu leisten vermag. Gerne erteile ich euch und euren Angehörigen den Apostolischen Segen. Das Leben im Geist Generalaudienz am 21. Oktober 1. Der Heilige Geist, ... „der Herr ist und lebendig macht“: Mit den Worten des nizäno-konstantinopolitanischen Credos fährt die Kirche fort, den Glauben an den Heiligen Geist, den der Apostel Paulus „Geist des Lebens“ (vgl. Röm 8,2) nennt, zu bekennen. In der Heilsgeschichte erscheint Leben stets im Zusammenhang mit dem Geist Gottes. Schon am Morgen der Schöpfung wird durch den göttlichen Hauch, „den Lebensatem“, „der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ {Gen 2,7). In der Geschichte des auserwählten Volkes tritt der Geist des Herrn wiederholte Male auf, 149 AUDIENZEN UND ANGELUS um Israel zu retten und es zu führen durch die Erzväter, die Richter, die Könige und die Propheten. Ezechiel stellt wirkungsvoll die Lage des durch die Erfahrung des Exils gedemütigten Volkes als endlose Ebene, die von Skeletten übersät ist, dar; ihnen vermittelt Gott neues Leben (vgl. Ez 37,1-14): „Und es kam Geist in sie. Sie wurden lebendig und standen auf ‘ (Ez 37,10). Vor allem aber in der Geschichte Jesu entfaltet der Heilige Geist seine lebensspendende Kraft: Die Fracht des Leibes Marias kommt „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ (Mt 1,18; vgl. Lk 1,35) zum Leben. Die ganze Sendung Jesu ist vom Heiligen Geist getragen und geleitet; in besonderer Weise trägt die Auferstehung das Siegel des „Geistfes] dessen [...], der Jesus von den Toten auferweckt hat“ (Röm 8,11). 2. Der Heilige Geist ist gleich dem Vater und dem Sohn Hauptgestalt des „Evangeliums vom Leben“, das die Kirche nicht müde wird, der Welt zu verkünden und zu bezeugen. Denn das Evangelium vom Leben ist - wie ich in der Enzyklika Evangelium vitae erklärt habe - nicht bloß eine Reflexion über das menschliche Leben und auch nicht nur ein Gebot, das an das Gewissen gerichtet ist; es ist in Wahrheit „eine konkrete und personale Wirklichkeit, weil es in der Verkündigung der Person Jesu selber besteht“ (Evangelium vitae, Nr. 29). Er selbst stellt sich in der Tat als „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) dar; und er betont gegenüber Marta, der Schwester des Lazarus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). 3. „Wer mir nachfolgt“, so sagt er weiter, „wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Das Leben, das Jesus Christus uns schenkt, ist lebendiges Wasser, welches das tiefste Verlangen des Menschen stillt und ihn als Sohn in volle Gemeinschaft mit Gott treten lässt. Dieses lebendige und lebensspendende Wasser ist der Heilige Geist. Im Gespräch mit der samaritischen Frau kündigt Jesus diese göttliche Gabe an: „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben [...] Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,10.13-14). Als Jesus dann anlässlich des Laubhüttenfestes seinen Tod und seine Auferstehung ankündigt, ruft er mit lauter Stimme, als wolle er sich bei den Menschen aller Orte und aller Zeiten Gehör verschaffen: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt.“ Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. „Damit meinte er den Geist“, vermerkt der Evangelist Johannes, „den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“ (Joh 7,37-39). 150 A UDIENZEN UND ANGELUS Jesus erwirbt die Gabe des Geistes für uns mit dem Opfer seines Lebens und erfüllt so die ihm vom Vater aufgetragene Sendung: ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Der Heilige Geist macht unser Herz neu (vgl. Ez 36,25-27; Jer 31,31-34) und gestaltet es demjenigen Christi gleich. So vermag der Christ „den eigentlichen und tiefsten Sinn des Lebens zu begreifen und zu verwirklichen: nämlich eine Gabe zu sein, die sich in der Hingabe erfüllt“ (Evangelium vitae, Nr. 49). Das ist das neue Gesetz, „das Gesetz des Geistes und des Lebens in Jesus Christus“ (Röm 8,2). Dessen wesentlicher Ausdruck ist gemäß der Nachfolge des Herrn, der das Leben für seine Freunde hingibt (vgl. Joh 15,13), die Selbsthingabe in der Liebe: „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben“ (1 Joh 3,14). 4. Das Leben des Christen, der durch den Glauben und die Sakramente innig mit Jesus Christus verbunden ist, ist ein „Leben im Geist“. Denn der Heilige Geist, der in unsere Herzen ausgegossen ist (vgl. Gal 4,6), wird in uns und für uns „zur sprudelnden Quelle“, „deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,14). Wir wollen uns also folgsam vom Geist Gottes leiten lassen, um immer vollkommener das zu werden, was wir durch die Gnade bereits sind: Kinder Gottes in Christus (vgl. Röm 8,14-16). „Wenn wir aus dem Geist leben“, so ermahnt uns wieder der Apostel Paulus, „dann wollen wir dem Geist auch folgen“ (Gal 5,25). Auf diesem Prinzip ist die christliche Spiritualität begründet. Sie besteht darin, das ganze Leben anzunehmen, das der Geist uns schenkt. Diese Auffassung der Spiritualität bewahrt uns vor den Missverständnissen, die manchmal deren wahres Profil verdunkeln. Christliche Spiritualität besteht nicht in einem Bemühen um Selbstvervollkommnung, als ob der Mensch mit seinen Kräften das Gesamtwachstum seiner Person zuwege bringen und das Heil erlangen könne. Das von der Sünde verwundete Menschenherz wird allein durch die Gnade des Heiligen Geistes geheilt, und nur wenn er von dieser Gnade getragen ist, kann der Mensch als wahres Gotteskind leben. Christliche Spiritualität besteht auch nicht darin, gewissermaßen „immateriell“, entkörperlicht, zu werden ohne verantwortliche Rolle in der Geschichte. Denn die Anwesenheit des Heiligen Geistes in uns, weit davon entfernt, uns in eine entfremdende „Flucht“ zu drängen, durchdringt und mobilisiert unser ganzes Sein: Verstand, Wille, Gefühl, Körperlichkeit, damit unser „neuer Mensch“ (vgl. Eph 4,24) den Raum und die Zeit mit der Neuheit des Evangeliums durchtränke. 5. An der Schwelle des dritten Jahrtausends macht sich die Kirche bereit, die stets neue Gabe jenes lebensspendenden Geistes anzunehmen, der aus der durchbohrten Seite Jesu Christi hervorquillt, um mit inniger Freude allen das Evangelium vom Leben zu verkünden. Wir flehen zum Heiligen Geist, dass er die Kirche unserer Zeit zu einem getreuen Widerhall des Wortes der Apostel mache: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere 151 AUDIENZEN UND ANGELUS Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens. Denn das Leben wurde offenbart; wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde. Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (7 Joh 1,1-3). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich begrüße ich alle anwesenden Jugendlichen, die vielen Schülerinnen und Schüler, die Ministranten und alle, die aus Österreich, der Schweiz und aus Deutschland nach Rom gekommen sind. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Halt und Trost im täglichen Rosenkranzgebet finden Angelus nach den Seligsprechungen am 25. Oktober Am Schluss dieses feierlichen Gottesdienstes will ich euch alle gerne grüßen, liebe Pilger, die ihr aus verschiedenen Ländern gekommen seid, um die neuen Seligen zu ehren. Wir wollen nun unseren Blick auf die heiligste Maria richten, die diese unsere Brüder und unsere Schwester zärtlich liebten und deren Vorbild sie treu folgten. In ihrem Dasein nahmen die Verehrung der Jungfrau und Gottesmutter und das Gebet des heiligen Rosenkranzes einen bevorzugten Platz ein. Der Oktober ist Marienmonat, Rosenkranzmonat. Das einfache und tiefe Gebet des Rosenkranzes, den einzelnen wie den Familien lieb, war einst sehr verbreitet im christlichen Volk. Wie nützlich wäre es, wenn es heute wieder neu entdeckt und mehr geschätzt würde vor allem in den Familien! Es hilft, das Leben Christi und die Heilsgeheimnisse zu betrachten, entfernt dank der unablässigen Anrufung der Jungfrau die Keime des Zerfalls der Familien, ist sicheres Band der Gemeinschaft und des Friedens. Alle, und in besonderer Weise die christlichen Familien, ermahne ich, im heiligen Rosenkranz den täglichen Halt und Trost zu finden, um ihren Weg in Treue zu gehen. Maria, Königin des heiligen Rosenkranzes und aller Heiligen, wolle uns helfen, die uns als Glaubenden aufgetragene Sendung ohne Wankelmut zu leben. An sie wenden wir uns mit kindlichem Zutrauen, wie es die neuen Seligen getan haben, die wir heute in der Herrlichkeit des Himmels betrachten. Die Muttergottes möge in besonderer Weise den Familien beistehen, damit sie das Evangelium konsequent anzunehmen und es in ihr tägliches Leben umzusetzen wissen. 152 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen, u. a. auf Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Sehr herzlich begrüße ich euch in eurer Landessprache und danke euch für das gemeinsame Gebet zu dieser Mittagszeit. Mögen die neuen Seligen euch alle in eurem Glauben stärken. Gerne erteile ich euch und euren Angehörigen daheim den Apostolischen Segen. Der lebendigmachende Geist und der Sieg über den Tod Generalaudienz am 28. Oktober 1. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (.Joh 3,16). In diesen Worten des Johannesevangeliums bildet das Geschenk des „ewigen Lebens“ das letzte Ziel des Liebesplanes des Vaters. Ein Geschenk, das es uns gestattet, durch Gnade Zugang zu haben zu der unbeschreiblichen Liebesge-meinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Das „ewige Leben“, das vom Vater ausgeht, wird uns in Fülle von Jesus in seinem Pascha durch die Gabe des Heiligen Geistes mitgeteilt. Wenn wir ihn empfangen, erhalten wir Anteil am endgültigen Sieg, den der auferstandene Jesus über den Tod davongetragen hat. „Tod und Leben“ - so lässt die Liturgie uns verkünden - „die kämpften unbegreiflichen Zweikampf; des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend“ (Sequenz vom Ostersonntag). Bei diesem entscheidenden Heilsereignis gibt Jesus den Menschen das „ewige Leben“ im Heiligen Geist. 2. In der „Fülle der Zeiten“ verwirklicht Jesus somit über alle Erwartung hinaus jene Verheißung „ewigen Lebens“, die schon zu Beginn der Welt vom Vater in die Erschaffung des Menschen als sein Abbild, ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26), hineingeschrieben wurde. Der Mensch erfährt, wie es der Psalm 104 besingt, dass das Leben im Kosmos, und insbesondere sein eigenes, seinen Ursprung hat in dem „Hauch“, den der Geist des Herrn mitteilt: „Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (V. 29-30). Die Gemeinschaft mit Gott, Geschenk seines Geistes, wird für das auserwählte Volk zum Unterpfand eines Lebens, das nicht auf die irdische Existenz beschränkt ist, sondern sie geheimnisvoll übersteigt und ins Unendliche verlängert. In der harten Zeit des babylonischen Exils entfacht der Herr von neuem die Hoffnung seines Volkes, indem er einen neuen und ewigen Bund verkündet, der von einer überreichen Ausgießung des Geistes besiegelt sein wird (vgl. Ez 36,24-28): 153 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel. Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin. Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig“ (Ez 37,12-14). Mit diesem Sprach kündet Gott die messianische Erneuerung Israels nach den Leiden des Exils an. Die verwendeten Symbole passen gut, um den Weg des Glaubens erkennbar zu machen, den Israel langsam vollzieht, bis es die Wahrheit von der Auferstehung der Toten erahnt, die vom Geist am Ende der Zeiten verwirklicht werden wird. 3. Diese Wahrheit ist gesicherter Bestand in einer dem Kommen Jesu Christi bereits nahen Zeit (vgl. Dan 12,2; 2 Makk 7,9-14.23.36; 12,43-45). Er selbst bekräftigt sie mit Nachdruck und weist die zurecht, welche sie in Abrede stellten: „Ihr irrt euch; ihr kennt weder die Schrift, noch die Macht Gottes“ (Mk 12,24). Denn nach Jesus gründet der Glaube an die Auferstehung im Glauben an Gott, der „nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden“ ist (Mk 12,27). Mehr noch, Jesus verbindet den Glauben an die Auferstehung mit seiner Person: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). In ihm nämlich erfüllt sich durch das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung die göttliche Verheißung vom Geschenk des „ewigen Lebens“, die zugleich den vollen Sieg über den Tod bedeutet: „Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, meine Stimme hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen ...“ (Joh 5,28-29). „Denn es ist der Wille meines Vaters, daß alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und daß ich sie auferwecke am Letzten Tag“ (Joh 6,40). 4. Dieses Versprechen Jesu wird sich also in geheimnisvoller Weise am Ende der Zeiten verwirklichen, wenn er in Herrlichkeit wiederkommen wird, „um die Lebenden und die Toten zu richten“ (1 Petr4,5\ vgl. Apg 10,42; 2 Tim 4,1). Dann wird unser sterblicher Leib zu neuem Leben kommen durch die Macht des Geistes, der uns gegeben ist als „der erste Anteil des Erbes, das wir erhalten sollen, der Erlösung“ (Eph 1,14; vgl. 2 Kor 1,21-22). Man darf allerdings nicht glauben, dass das Leben nach dem Tod erst mit der endzeitlichen Auferstehung beginnt. Dieser geht in der Tat jener spezielle Zustand voraus, in dem sich jeder Mensch vom Augenblick des physischen Todes an befindet. Es handelt sich um eine Übergangsphase, bei welcher der Auflösung des Leibes die „Fortdauer und Subsistenz eines geistigen Elementes“ gegenübersteht, „das mit Bewußtsein und Willen ausgestattet ist, so daß das ,Ich des Menschen“ weiterbesteht, wobei es freilich in der Zwischenzeit seiner vollen Körperlichkeit entbehrt“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben zu einigen Fragen der Eschatologie, 17. Mai 1979; vgl. AAS 71 [1979J941). Für die Glaubenden kommt die Gewissheit hinzu, dass ihre lebendigmachende Beziehung zu Christus vom Tod nicht zerstört werden kann, sondern darüber hinweg weiterbesteht. Hat Jesus doch erklärt: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn 154 AUDIENZEN UND ANGELUS er stirbt“ (Joh 11,25). Die Kirche hat diesen Glauben stets bekannt und ausgedrückt vor allem im Lobgebet, das sie in Gemeinschaft mit allen Heiligen zu Gott erhebt, und in der Bitte für die Verstorbenen, die sich noch nicht vollends gereinigt haben. Anderseits schärft die Kirche Achtung vor den sterblichen Überresten jedes Menschen ein, sei es wegen der Würde der Person, zu der sie gehört haben, sei es wegen der Ehre, die man dem Leib derer schuldet, die in der Taufe Tempel des Heiligen Geistes geworden sind. Davon zeugt namentlich die Liturgie im Begräbnisritus und in der Verehrung der Reliquien von Heiligen, die sich schon in den ersten Jahrhunderten entwickelte. Den Gebeinen der Heiligen - so sagt der hl. Paulinus von Nola - „geht die Anwesenheit des Heiligen Geistes nie verloren; daher kommt den heiligen Gräbern eine lebendige Gnade zu“ (vgl. Carme XXI, 632-633). 5. Der Heilige Geist erscheint uns somit als Geist des Lebens nicht nur in allen Phasen des irdischen Daseins, sondern gleichermaßen in dem Stadium, das nach dem Tod dem vollen Leben vorausgeht, das der Herr auch unserem sterblichen Leib versprochen hat. Umso mehr werden wir dank dem Geist unseren endgültigen „Hinübergang“ zum Vater in Christus vollziehen. Basilius der Große bemerkt hierzu: „Wer sich genauer Gedanken macht, wird feststellen, daß der Heilige Geist auch zum Zeitpunkt der erwarteten Erscheinung des Herrn aus den Himmeln nicht, wie einige meinen, unbeteiligt ist, sondern daß er am Tag der Offenbarung des Herrn, an dem ,der Selige und allein Mächtige den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird1, mit dabei sein wird“ (De Spiritu Sancto, XVI, 40; deutsch in: Fcmtes Christiani - Zweisprachige Neuausgabe christlicher Quellentexte aus Altertum und Mittelalter [Bd. 12], Herder, S. 195). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Heute begrüße ich ganz besonders die Vertreter der Freiwilligen Feuerwehren aus Oberösterreich, begleitet vom Herrn Landeshauptmann Josef Pühringer und von ihrem Landsmann in Rom, Herrn Erzbischof Alois Wagner. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass heute der Feuerwehr des Vatikanstaates ein neues Löschfahrzeug überreicht werden kann. Außerdem heiße ich die Wallfahrer der Diözese Rottenburg-Stuttgart willkommen, die von ihrem Bischof Walter Kasper begleitet werden. Der Herr stärke Euch in der Stadt der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Schließlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch allen, Euren Lieben daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 155 A UDIENZEN UND ANGELUS Päpstliche Gebetsanliegen Nun will ich euch einladen, mit mir für einige Situationen zu beten, die mir besonders am Herzen liegen: 1. Heute beginnen in Rumänien die Arbeiten der gemischten Kommission zwischen der orthodoxen und der griechisch-katholischen Kirche, die eingerichtet wurde, um den gegenseitigen Dialog der beiden Gemeinschaften zu erleichtern. Ich empfehle diese Initiative eurem Gebet, dass sie die gewünschten Früchte für das Wohl der Kirche und der ganzen rumänischen Gesellschaft bringe. 2. Vier Monate bewaffneten Konflikts in Guinea-Bissau haben zur Verschiebung gewaltiger Bevölkerungsmassen geführt. Viele sind in die Missionsstationen geflüchtet, wo das kirchliche und den Ordensinstituten angehörige Personal - dem meine herzliche Ermutigung gilt - sich aufopfert, um ihr Leid zu lindem. Wir wollen miteinander beten, damit alle Konfliktparteien diesem schon lange währenden Leiden ein Ende setzen. 3. In der Demokratischen Republik Kongo greift der Krieg weiter um sich, mit tragischen Auswirkungen an Zerstörungen und an Miteinbeziehung der angrenzenden Länder. Lasst uns miteinander ein inniges Bittgebet zur Königin des Friedens erheben: Sie möge die Gemüter beruhigen und die großmütige Suche nach ehrsamen und friedlichen Lösungen über Absichten, den Konflikt zu verschärfen, obsiegen lassen. Im Zeichen von Allerheiligen und Allerseelen Angelus am Allerheiligentag, 1. November l.Das heutige Hochfest Allerheiligen erhält eine besondere Bedeutung auf dem Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000: Es ist in der Tat ein Hauptanliegen dieses historischen Termins, den Glauben und das Zeugnis der Christen zu stärken. Die Heiligen sind diejenigen, die es zu jeder Zeit verstanden, ihren Glauben mutig zu leben und standhaft und kompromisslos ihr Zeugnis für Christus abzulegen. „Selig, die arm sind vor Gott. [...] die keine Gewalt an wenden, [...] die ein reines Herz haben, [...] die Frieden stiften, [...] die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3-10). So wiederholt uns heute die Liturgie, wobei sie auf die hinweist, „die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7,14); sie haben reichlich aus dem Schatz der Erlösung geschöpft. Nun gehen sie uns voran in der Freude der himmlischen Liturgie. Sie sind für uns Vorbilder und helfen uns mit ihrer ständigen Fürbitte. So vermitteln sie uns unzähligen Widerschein jenes Lichts der Gnade, welches Frucht des höchsten Geheimnisses der Menschwerdung ist. 156 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Das Kirchenjahr stellt das heutige Hochfest in enge Verbindung mit dem Gedenktag Allerseelen, den wir morgen feiern. Der Gedanke geht zu allen Friedhöfen der ganzen Welt, wo die sterblichen Überreste derer ruhen, die uns vorangegangen sind. Das Gedächtnis wird noch lebendiger, wenn wir an unsere Angehörigen denken, an die, die uns geliebt und ins Leben gesetzt haben. Aber nicht weniger wichtig ist das Gedächtnis der Opfer von Gewalt und Krieg sowie derer, die ihr Leben geopfert haben, um Christus bis zuletzt treu zu bleiben, oder die in der Ausübung ihres selbstlosen Dienstes an den Mitmenschen gestorben sind. Wir wollen besonders aller in diesem Jahr von uns Geschiedenen gedenken und für sie beten. Wenn die Kirche auf Pilgerschaft in der Geschichte sich einerseits freut über die Fürsprache der Heiligen und Seligen, die sie bei der Aufgabe, den gestorbenen und auferstandenen Jesus zu verkündigen, unterstützen, nimmt sie anderseits Anteil an der Trauer ihrer Kinder, die betrübt sind über die Trennung von lieben Menschen, und zeigt ihnen den Horizont christlicher Hoffnung, die Aussicht auf ewiges Leben. Freude und Tränen finden an diesen beiden so eng miteinander verbundenen Tagen eine Synthese, die ihr Fundament und ihre tröstliche Gewissheit in Christus hat. 3. Lasst uns auf Maria blicken: Durch ihr „hervorragende[s] Gnadengeschenk hat sie bei weitem den Vorrang vor allen anderen himmlischen und irdischen Kreaturen“ (Lumen Gentium, Nr. 53). Ihr wollen wir unsere lieben Verstorbenen anvertrauen; ihr unseren lebhaften Wunsch vortragen, mit all unseren Mitteln nach Heiligkeit zu streben. Maria, Königin aller Heiligen, bitte für uns! Der Geist und die Auferstehung des überirdischen Leibes (vgl. 1 Kor 15,44) Generalaudienz am 4. November 1. „Unsere Heimat“, lehrt der Apostel Paulus, „ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann“ {Phil 3,20-21). Wie der Heilige Geist den Leib Jesu Christi verwandelt hat, als der Vater ihn von den Toten auferweckte, so wird der Geist auch unseren Leib mit der Herrlichkeit Christi bekleiden. Paulus schreibt: „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ {Röm 8,11). 2. Der christliche Glaube an die Auferstehung des Fleisches ist von Anfang an auf Unverständnis und Widerstand gestoßen. Das erfährt der Apostel Paulus am eige- 157 AUDIENZEN UND ANGELUS nen Leib bei der Verkündigung des Evangeliums auf dem Areopag in Athen: „Als sie von der Auferstehung der Toten hörten“, so berichtet die Apostelgeschichte, „spotteten die einen, andere aber sagten: Darüber wollen wir dich ein andermal hören“ (Apg 17,32). Dieser Schwierigkeit begegnen wir auch heute wieder: Einerseits wird zwar an irgendeine Form des Weiterlebens über den Tod hinaus geglaubt, doch gegenüber der Glaubenswahrheit, die diese äußerste Frage des Daseins aus dem Licht der Auferstehung Jesu Christi erhellt, reagiert man mit Skepsis. Anderseits verspüren viele die Faszination der Vorstellung von einer Reinkamation, wie sie im religiösen Humus einiger orientalischen Kulturen verwurzelt ist (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 9). Die christliche Offenbarung begnügt sich nicht mit einem vagen Gefühl des Weiterlebens, wenn sie auch die Intuition der Unsterblichkeit würdigt, die in der Lehre einiger großer Gottsucher zum Ausdruck kommt. Wir können darüber hinaus annehmen, dass der Gedanke an eine Reinkamation hervorgerufen wird von dem starken Wunsch nach Unsterblichkeit und der Wahrnehmung des menschlichen Daseins als „Prüfung“ im Hinblick auf ein letztes Ziel, verbunden mit der Notwendigkeit vollkommener Läuterang, um zur Gemeinschaft mit Gott zu kommen. Doch die Reinkamation gewährleistet die einmalige und einzigartige Identität jedes menschlichen Geschöpfes als Gegenstand der personalen Liebe Gottes nicht, ebenso wenig die Vollständigkeit des Menschen als „Geist und Leib“. 3. Das Zeugnis des Neuen Testaments hebt in erster Linie den Realismus der auch leiblichen Auferstehung Jesu Christi hervor. Die Apostel bestätigen ausdrücklich kraft der Erfahrung dessen, was sie bei den Erscheinungen des auferstandenen Herrn erlebt haben: „Gott [...] hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen [...] den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben“ (Apg 10,40-41). Auch das vierte Evangelium betont diesen Realismus, wenn es uns z. B. die Begebenheit des Apostels Thomas erzählt, der von Jesus aufgefordert wird, den Finger in die Male der Nägel und die Hand in die durchbohrte Seite des Herrn zu legen (vgl. Joh 20,24-29). So auch bei der Erscheinung am See von Tibe-rias: Der auferstandene Jesus „nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch“ (Joh 21,13). Dieser Realismus der Erscheinungen bezeugt, dass Jesus mit seinem Leib auferstanden ist und mit diesem Leib beim Vater lebt. Es handelt sich allerdings um einen verherrlichten Leib, nicht mehr den Gesetzen von Raum und Zeit unterworfen, in der Herrlichkeit des Vaters verklärt. Im auferstandenen Christus wird jener eschatologische Zustand offenbar, den alle, die seine Erlösung annehmen, berufen sind, eines Tages zu erreichen, angeführt von der Jungfrau Maria, die „nach Vollendung des irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde“ (Pius XII., Apost. Konst. Munificentissimus Deus, 1. Nov. 1950, Dignitatis humanae 3903; vgl. Lumen Gentium, Nr. 59). 158 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. So kann der Apostel Paulus, der die Auferstehung Jesu mit der im Buch Genesis erzählten Schöpfungsgeschichte in Bezug bringt und als „neue Schöpfung“ interpretiert, sagen: „Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist“ (1 Kor 15,45). Die verherrlichte Wirklichkeit Christi wird nämlich durch die Ausgießung des Heiligen Geistes in geheimnisvoller doch realer Weise auch all denen mitgeteilt, die an Ihn glauben. So werden in Christus „alle [...] mit ihren eigenen Leibern auferstehen, die sie jetzt tragen“ (4. Konzil im Lateran; Dignitatis humanae 801); doch dieser unser Leib wird in einen verherrlichten Leib verwandelt werden (vgl. Phil 3,21), in einen „überirdischefn] Leib“ (1 Kor 15,44). Paulus antwortet im ersten Brief an die Korinther auf die Frage: „Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben?“ mit dem Bild vom Samen, der stirbt, um sich für ein neues Leben zu öffnen: „... was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkom oder ein anderes [...]. So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib [...]. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit“ (1 Kor 15,36-37.42-44.53). Freilich, das „Wie“ - erklärt der Katechismus der Katholischen Kirche — „übersteigt unsere Vorstellung und unser Verstehen; es ist uns nur im Glauben zugänglich. Der Empfang der Eucharistie gibt uns aber schon eine Vorahnung von der Verklärung unseres Leibes durch Christus“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1000). In der Eucharistie gibt Jesus uns unter den Gestalten des Brotes und des Weines sein Heisch, vom Heiligen Geist lebendig gemacht und unser Heisch lebendmachend, um uns mit unserem ganzen Sein - Geist und Leib - an seiner Auferstehung und seinem Zustand der Herrlichkeit teilhaben zu lassen. Irenäus von Lyon lehrt diesbezüglich: „Wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen, besteht, so gehören auch unsere Leiber, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verwes-lichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung“ (Adversus haereses, 4, 18, 4-5; deutsch in: Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1000). 5. Was wir bis hier, die Lehre der Heiligen Schrift und der Überlieferung der Kirche zusammenfassend, gesagt haben, erklärt, warum „das christliche Credo [...] in der Verkündigung [gipfelt], daß die Toten am Ende der Zeiten auferstehen und dass es ein ewiges Leben gibt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 988). Mit der Menschwerdung hat das Wort Gottes des Menschen Heisch angenommen (vgl. Joh 1,14) und lässt dieses durch seinen Tod und seine Auferstehung an seiner eigenen Herrlichkeit des einzigen Sohnes des Vaters teilhaben. Durch die Gaben 159 AUDIENZEN UND ANGELUS des Geistes und des verherrlichten Fleisches Christi in der Eucharistie flößt Gott Vater dem ganzen Wesen des Menschen und in gewisser Weise dem Kosmos selbst die Sehnsucht nach dieser Bestimmung ein. Wie Paulus sagt: „Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ und harrt in Hoffnung, denn: „Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Rom 8,19-21). Graßworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich besonders willkommen: die Behindertengruppen des Malteser-Hilfsdienstes aus Landshut und Leverkusen sowie die Ehepaare aus Forchheim und Bamberg, die ihre Silberhochzeit feiern. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Appell zur Unwetterkatastrophe in Mittelamerika Tief betrübt empfange ich die alarmierenden Meldungen über die äußerst hohe Zahl von Opfern, die der Hurrikan „Mitch“ in Mittelamerika und der Karibik, vor allem in Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala, verursacht. Während ich für die Verstorbenen mein Fürbitt-Gebet zum Himmel erhebe, drücke ich den zahlreichen von der Katastrophe geprüften Menschen meine ganze geistige Nähe aus. Zugleich richte ich einen eindringlichen Appell vor allem an öffentliche und private Institutionen, aber auch an alle Menschen guten Willens, dass der betroffenen Bevölkerung aus Gefühlen mitmenschlicher Solidarität heraus jede mögliche Art von Hilfe geleistet werde und man ihr den in diesem Augenblick der Zerstörung und des Todes nötigen Halt gebe. Als Ausdruck meiner besorgten Nähe zu diesen geliebten Völkern erteile ich den Apostolischen Segen. Dank für Namenstagsglückwünsche Von Herzen danke ich für die Glückwünsche und Gebete zu meinem Namenstag. Der hl. Karl Borromäus ist eine große Hirtengestalt; sein leuchtendes Vorbild hat mich stets begleitet und ermutigt. Seiner Fürbitte vertraue ich mein Amt und das aller Bischöfe und Priester der Kirche an. 160 A UDIENZEN UND ANGELUS Erntedanktag ist auch Verpflichtung Angelus am 8. November 1. In Italien wird heute der traditionelle Emtedanktag begangen, an dem vor allem die Landarbeiter, aber auch die anderen Berufsstände, Gott für seine Vorsehung danken. Auch dieses Jahr will ich meine herzliche Nähe zu diesem bedeutungsvollen Anlass bekunden „mit dem Wunsch, dass dieser“ - wie die italienischen Bischöfe in ihrer Botschaft geschrieben haben - „helfen möge, die wahre Bedeutung der Mühe und den tiefen Grund des Lobpreises und Dankes an Gott neu zu entdecken, der sein Wirken auch durch die Hände und den Verstand jedes Menschen fortsetzt“ (vgl. Messaggioper la Giomata del Ringraziamento, Nr. 1). An alle Bauern und alle Männer und Frauen, die ihrer Erwerbsarbeit nachgehen, besonders die, welche sich in einer schwierigen persönlichen oder familiären Lage befinden, geht heute mein besonderer Segen. 2. Ein Wort des Trostes gilt auch der Bevölkerung von Mittelamerika, wo ganze Länder von einer ungeheuren Naturkatastrophe in Mitleidenschaft gezogen wurden. Während ich mein Gebet der Fürbitte für die zahllosen Opfer zu Gott erhebe, rufe ich erneut alle zur Großzügigkeit gegenüber den Überlebenden auf, die in diesem Augenblick vor unermessliche Probleme gestellt sind. Weitere schmerzliche Ereignisse, diesmal von der Gewalt der Menschen verursacht, drohen leider die Bemühungen derer zunichte zu machen, die sich nach einer besseren Welt sehnen. Ich beziehe mich insbesondere auf die Nahost-Region, wo ein neuerliches Attentat im Zentrum von Jerusalem neue Befürchtungen hinsichtlich des Friedens geweckt hat, gerade als die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Gespräche nach dem jüngst zwischen den betroffenen Parteien besiegelten Abkommen, Frucht schwieriger und mutiger Verhandlungen, neu aufgekeimt war. 3. In einigen Gebieten der Republik Kongo kommt es ferner weiter zu bewaffneten Auseinandersetzungen, welche die örtliche Bevölkerung in ein Klima völliger Ungewissheit stürzen und auch Schäden für das Ordenspersonal und die Einrichtungen der katholischen Kirche verursachen. Mein besorgter Wunsch ist, dass man auf allen Seiten menschliche Solidarität unter Beweis stellen und absehen wolle vom Gebrauch der Gewalt, der niemals zu menschenwürdigen Lösungen führen kann. Diesen Wunsch vertraue ich der Fürsprache der Heiligen Jungfrau an und bitte sie, die Leidenden zu trösten und die Menschen guten Willens in ihren Vorsätzen zu bestärken. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute ist [in Italien] der Nationale Tag der Krebsforschung. Ich grüße die Vertreter des Italienischen Vereins für die Krebsforschung [Associazione Italiana per la Ri- 161 AUDIENZEN UND ANGELUS cerca sul Cancro], denen ich meine Anerkennung ausspreche. Zugleich ermutige ich alle, die auf verschiedenen Ebenen ihren Einsatz leisten im Kampf gegen diese Krankheit, von der leider viele Familien mehr oder weniger direkt betroffen sind. Möge die Solidarität weitere Fortschritte in Forschung und Therapie ermöglichen, um den Patienten und ihren Angehörigen vermehrte Hoffnung und bessere Linderung von Leiden zu gewährleisten. Der Geist und die Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt (vgl. Röm 5,5) Generalaudienz am 11. November 1. Der Heilige Geist, den der gekreuzigte und auferstandene Jesus Christus „unbegrenzt“ ausgießt, ist derjenige, „der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus [...] vorbereitet“, die „am Ende der Zeiten eintreten wird“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 45). In diesem eschatologischen Ausblick sind die Gläubigen im laufenden Jahr des Heiligen Geistes aufgerufen, die theologische Tugend der Hoffnung wiederzuentdecken. Diese „spornt einerseits den Christen dazu an, das Endziel, das seinem ganzen Dasein Sinn und Wert gibt, nicht aus dem Auge zu verlieren, und andererseits bietet sie ihm solide und tiefgehende Beweggründe für den täglichen Einsatz bei der Umgestaltung der Wirklichkeit, die dem Plan Gottes entsprechen soll“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). 2. Der hl. Paulus unterstreicht die innige und tiefe Verbindung, die zwischen der Gabe des Heiligen Geistes und der Tugend der Hoffnung besteht. „Die Hoffnung“ - so schreibt er im Brief an die Römer - „läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Ja, gerade die Gabe des Heiligen Geistes, der unser Herz mit der Liebe Gottes erfüllt und uns in Jesus Christus zu Söhnen des Vaters macht (vgl. Gal 4,6), weckt in uns die sichere Hoffnung, dass nichts „uns scheiden [kann] von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,39). Aus diesem Grund ist Gott, der in der ,Fülle der Zeit“ sich in Jesus Christus offenbart hat, wahrhaft „der Gott der Hoffnung“, der die Glaubenden mit Freude und Frieden erfüllt und reich werden lässt „an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13). Die Christen sind daher gerufen, von dieser freudigen Erfahrung Zeugen zu sein in der Welt, „stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt“, die sie erfüllt (1 Petr 3,15). 3. Die christliche Hoffnung vollendet die Hoffnung, die Gott im Volk Israel erweckt hat und deren Ursprung und Vorbild sich in Abraham findet: „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, daß er der Vater vieler Völker werde“ (Röm 4,18). Bestätigt in dem Bund, den der Herr durch Mose mit seinem Volk 162 AUDIENZEN UND ANGELUS schloss, wurde die Hoffnung Israels im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neu durch die Predigt der Propheten entfacht. Sie konzentrierte sich schließlich auf die Verheißung der eschatologischen Ausgießung des Geistes Gottes über den Messias und das ganze Volk (vgl. Jes 11,2; Ez 36,27; Joel 3,1-2). In Jesus erfüllt sich diese Verheißung. Er ist nicht nur Zeuge für die Hoffnung, die sich dem eröffnet, der sein Jünger wird. Er selbst, in seiner Person und in seinem Heilswirken, ist „unsere Hoffnung“ (vgl. 1 Tim 1,1), weil er das Reich Gottes ankündigt und verwirklicht. Die „magna Charta“ dieses Reiches besteht in den Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3-12). „Die Seligpreisungen richten unsere Hoffnung auf den Himmel als das neue verheißene Land; sie weisen den Weg durch die Prüfungen, die auf die Jünger Jesu warten“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1820). 4. Im Pascha zum Messias und Herrn gemacht (vgl. Apg 2,36), wird Jesus „lebendigmachender Geist“ (1 Kor 15,45), und die Gläubigen, die auf ihn getauft sind mit Wasser und mit Geist (vgl. Joh 3,5), sind „neu geboren“ für „eine lebendige Hoffnung“ (1 Petr 1,3). Schon jetzt ist das Geschenk des Heils durch den Heiligen Geist Unterpfand und erster Anteil (vgl. 2 Kor 1,21-22; Eph 1,13-14) an der vollen Gemeinschaft mit Gott, zu der Christus uns hinführt. Gott hat den Heiligen Geist -so lesen wir im Brief an Titus - „in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter, damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen“ (Tit 3,6-7). 5. Auch nach der Lehre der Kirchenväter ist der Heilige Geist „ein Geschenk vollkommener Hoffnung“ (Hilarius von Poitiers, De Trinitate, II, 1; Bibliothek der Kirchenväter, II. Reihe, Bd. 5, München 1933, S. 105). Der Heilige Geist, sagt Paulus, bezeugt „unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und [...] Miterben Christi“ (Röm 8,16-17). Die christliche Existenz wächst und reift zur Fülle heran, ausgehend von jenem „schon“ des Heils, welches das Leben der Kinder Gottes in Christus ist, das uns vom Heiligen Geist mitgeteilt wird. Aus der Erfahrung dieses Geschenks heraus strebt es zuversichtsvoll und beharrlich nach dem „noch nicht“ und dem „noch mehr“, das Gott uns versprochen hat und uns am Ende der Zeiten geben wird. Wenn wir nämlich, wie Paulus argumentiert, wirklich Kinder sind, dann sind wir auch Erben all dessen, was dem Vater gehört, und wir sind es zusammen mit Christus, dem „Erstgeborene[n] von vielen Brüdern“ (Röm 8,29). „Alles, was der Vater hat, ist mein“, sagt Jesus (Joh 16,15). Indem er uns also seinen Geist mitteilt, gibt er uns Anteil am Erbe des Vaters und teilt uns schon jetzt ein Unterpfand, eine Erstlingsgabe davon zu. Diese göttliche Wirklichkeit ist die unerschöpfliche Quelle der christlichen Hoffnung. 6. Die Lehre der Kirche versteht die Hoffnung als eine der drei theologischen Tugenden, die Gott durch den Heiligen Geist in die Herzen der Gläubigen eingießt. Sie ist jene Tugend, „durch die wir uns nach dem Himmelreich und dem ewigen Leben als unserem Glück sehnen, indem wir auf die Verheißungen Christi ver- 163 AUDIENZEN UND ANGELUS trauen und uns nicht auf unsere Kräfte, sondern auf die Gnadenhilfe des Heiligen Geistes verlassen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1817). Der Gabe der Hoffnung „ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken, vor allem in unserer Zeit, wo viele Menschen und nicht wenige Christen hin- und herschwanken zwischen der Illusion und dem Mythos einer grenzenlosen Fähigkeit zur Selbsterlösung und Selbstverwirklichung einerseits und der Versuchung zum Pessimismus in der ständigen Erfahrung von Enttäuschungen und Niederlagen andererseits“ (Generalaudienz am 3. Juli 1991, in: Der Apostolische Stuhl [1991], S. 149). Zahlreiche Gefahren scheinen die Zukunft der Menschheit zu bedrücken, und viel Ungewissheit lastet auf unserem persönlichen Schicksal; nicht selten fühlen wir uns außerstande, dem entgegenzutreten. Auch die Krise des Lebenssinnes und das Rätsel von Leiden und Tod pochen eindringlich wieder an die Tür des Herzens unserer Zeitgenossen. Die Botschaft der Hoffnung, die von Jesus Christus kommt, erleuchtet diesen von Ungewissheit und Pessimismus düsteren Horizont. Die Hoffnung trägt und schützt uns im guten Kampf des Glaubens (vgl. Röm 12,12). Sie nährt sich im Gebet, insbesondere im „Vaterunser“, der „Zusammenfassung all dessen, was die Hoffnung uns ersehnen läßt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1820). 7. Es genügt heute nicht, die Hoffnung im Inneren des Bewusstseins des einzelnen zu wecken; es gilt, miteinander die Schwelle der Hoffnung zu überschreiten. Denn die Hoffnung hat wesensgemäß - was wir bei anderer Gelegenheit vertiefen werden - auch eine Gemeinschafts- und Gesellschaftsdimension, so dass die Worte des Apostels, die eigentlich und unmittelbar für die Kirche gelten, im weiteren Sinn auf die Berufung der ganzen Menschheit angewandt werden können: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“ (Eph 4,4). Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, die bei dieser Audienz anwesend sind. Einen besonderen Gruß richte ich an die Teilnehmer der Studienreise der Katholischen Akademie Hamburg. Bringt in Eure Stadt die Hoffnung, die Christus heißt! Gern erteile ich Euch allen, Euren Angehörigen daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen. 80. Jahrestag des unabhängigen Polens Der Papst an die polnischen Pilger: [...] Heute feiern wir den 80. Jahrestag der Unabhängigkeit - den Beginn der Zweiten Republik. Der am 11. November Unterzeichnete Waffenstillstand brachte unserer Nation die so lange erwartete Befreiung von den Teilungen [unseres Landes]. 164 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieser Akt historischer Gerechtigkeit war nicht nur der günstigen politischen Lage zu verdanken, die damals in Europa entstanden war, sondern war vor allem das Ergebnis der von der ganzen Nation geleisteten hartnäckigen Anstrengungen zur Wahrung der eigenen Identität und der geistigen Freiheit. Viele Söhne Polens haben zu diesem Werk beigetragen, indem sie ihre Talente, ihre Kräfte und ihre harte Arbeit zur Verfügung stellten. Viele von ihnen waren gezwungen, die Emigration auf sich zu nehmen. Viele haben schließlich für die Freiheit des Vaterlands den höchsten Preis gezahlt und ihr Blut vergossen und ihr Leben hingegeben während der aufeinander folgenden Aufstände und an den verschiedenen Kriegsfronten. Unsere Väter haben alle diese Anstrengungen vollbracht, indem sie Hoffnung schöpften aus dem tiefen Glauben an Gott, den Herrn der Geschichte der Menschen und Völker. Dieser Glaube hat sie auch nach der Wiedererlangung der Freiheit getragen, als es darum ging, die Einheit zu suchen trotz der Unterschiede, um miteinander das Land aufbauen und seine Grenzen verteidigen zu können. Der Zweite Weltkrieg hat leider das gut begonnene Werk unterbrochen; dennoch wurde der Same der Freiheit bewahrt, welcher dank dem Willen der göttlichen Vorsehung Frucht bringt in unseren Tagen. Zusammen mit der ganzen polnischen Nation danken wir heute dem guten Gott für dieses unermessliche Geschenk seines Erbarmens und empfehlen ihm die Seelen der Verstorbenen und Gefallenen an. An diesem besonderen Tag bitte ich Gott um die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe für alle Landsleute, damit sie das kostbare Geschenk der Freiheit gut zu gebrauchen wissen in Einheit und Frieden. Der Schutz Marias, Unserer Lieben Frau von Jasna Göra, begleite stets unser Vaterland und alle unsere Landsleute. Gelobt sei Jesus Christus. Kultureller Vielfalt in Gesellschaft und Politik durch dialogisches Handeln Rechnung tragen Angelus am 15. November 1. Seit einigen Tagen gelten meine Gedanken mit vermehrter Intensität der Nahost-Region, insbesondere dem Irak, der in der letzten Woche neuerlich die Aufmerksamkeit und Sorge der Nationen in allen Teilen der Welt auf sich gezogen hat. Von Herzen wünsche ich, dass man zu einer gerechten und friedlichen Lösung finden möge. Und vor allem wünsche ich, dass der schon hart geprüften Bevölkerung weitere Leiden und Mühen erspart bleiben. Ich lade alle ein, zum Herrn zu beten, dass er den Verstand und das Herz der Verantwortlichen erleuchte, damit man weiterhin die diplomatischen Mittel und den Dialog anwende, um die schwere Krise zu lösen. 165 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Heute wird in Italien der Nationale Tag der Migrationen [Giomata Nazionale delle Migrazioni] begangen, der zum Thema hat: „Le Migrazioni da Babele a Pen-tecoste. Unitä nello Spirito - Migrationen von Babel bis Pfingsten. Einheit im Geist.“ „Babel“ ist Sinnbild für den Hochmut, der in anmaßender Weise den promethei-schen Plan durchsetzen will, auf der Basis der Kultur allein ein einziges Volk zu erbauen, und von Gott absieht. „Pfingsten“ hingegen ist das Ereignis, das zum Plan Gottes zurückkehren lässt, der dem ethnisch-kulturellen Pluralismus Stimme und Legitimität verleiht, indem es Einzelpersonen und ethnischen Gruppen das Recht zuerkennt, „in ihrer eigenen Sprache Gottes Großtaten zu verkünden“. Möge der heutige Anlass den Gläubigen helfen, eine immer herzlichere und offenere Haltung gegenüber Migranten einzunehmen. 3. Ebenfalls heute findet in vielen Ländern Europas der jährliche Gedenktag für die Opfer von Straßenverkehrsunfällen statt. Während ich mein Bittgebet für die bei einem solchen tragischen Ereignis Verstorbenen zum Herrn erhebe, möchte ich den Angehörigen und den überlebenden Unfallopfem, die in vielen Fällen tiefe Spuren an Leib und Geist davontragen, meine geistige Nähe zusichem. Ich wünsche von Herzen, dass dieser Anlass mit dazu beitragen möge, dass die Autofahrer stets ein verantwortungsvolles Verhalten zeigen in der Achtung vor dem Leben und der Beachtung der Regeln der Sicherheit auf der Straße. 4. Indem ich zum Schluss allen eine schöne Woche wünsche, ist es mir gelegen, darauf hinzuweisen, dass wir am kommenden Samstag, 21. November, dem liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem, den Tag „Pro Orantibus“ feiern, welcher der geistlichen und materiellen Unterstützung der Klausurklöster gilt, besonders derer, die sich in Not oder Schwierigkeiten befinden. Unseren in der Klausur lebenden Schwestern sei tiefer Dank für ihr kostbares Zeugnis von den Werten des kontemplativen Lebens gesagt und ihr geistlicher Weg der Fürsprache der heiligsten Jungfrau anvertraut, die ein hohes Vorbild der Besinnung und des Gebets für alle Gläubigen in jedem Stand des Lebens ist. Zeichen der Hoffnung in unserer Zeit Generalaudienz am 18. November 1. Die Vertiefung des Wirkens des Heiligen Geistes in der Kirche und in der Welt drängt uns, die Aufmerksamkeit auf die Zeichen der Hoffnung zu richten, „die trotz der Schatten, die sie oft vor unseren Augen verbergen, in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts vorhanden sind“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Es ist in der Tat wahr, dass unser Jahrhundert von entsetzlichen Verbrechen gegen den Menschen gekennzeichnet ist und von Ideologien verdunkelt, die weder der befreienden Begegnung mit der Wahrheit Jesu Christi noch der ganzheitlichen Förde- 166 AUDIENZEN UND ANGELUS rung des Menschen zuträglich waren. Ebenso wahr ist jedoch auch, dass der Geist Gottes, der „den Erdkreis [erfüllt]“ (Weish 1,7; vgl. Gaudium et spes, Nr. 11), nicht ablässt, Saatkörner der Wahrheit, der Liebe und des Lebens aus vollen Händen in die Herzen der Männer und Frauen unserer Zeit auszustreuen. Diese Samen haben Früchte an Fortschritt, Humanisierung und Zivilisation gebracht, welche echte Zeichen der Hoffnung für die Menschheit unterwegs darstellen. 2. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich unter diesen Zeichen an erster Stelle „die von der Wissenschaft, der Technik und vor allem von der Medizin im Dienst am menschlichen Leben erzielten Fortschritte“ genannt (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Denn ohne Zweifel hat das Leben der Menschen auf unserem Planeten auf persönlicher und sozialer Ebene durch die gewaltige wissenschaftliche Entwicklung eine beachtliche Besserstellung erfahren und tut es weiterhin. Auch ein Fortschritt der Technik, der die wahre, gesamtheitliche Förderung des Menschen respektiert, ist dankbar anzunehmen, wenngleich Wissenschaft und Technik natürlich nicht genügen, um die tieferen Sehnsüchte des Menschen zu befriedigen. Unter den Entwicklungen der modernen Technik, die besonders vielversprechend für die Zukunft der Menschheit sind, möchte ich die auf dem Gebiet der Medizin zu verzeichnenden erwähnen. Denn wenn sie mit erlaubten Mitteln das gesamte Dasein des Menschen verbessern, widerspiegeln sie deutlich den Schöpfungs- und Heilsplan Gottes, der den Menschen in Christus gewollt hat, damit er die Fülle des Lebens besitze. Nicht vergessen dürfen wir ferner die riesigen Fortschritte auf dem Gebiet der Kommunikation. Wenn die Massenmedien so ge-handhabt werden, dass deren volle demokratische Kontrolle gewährleistet ist und sie zu Trägem echter Werte werden, kann die Menschheit großen Nutzen daraus ziehen und sich als eine einzige große Familie fühlen. 3. Ein weiteres Zeichen der Hoffnung ist „das lebhaftere Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Heute entdeckt die Menschheit auch als Reaktion auf die wahllose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die oft mit der industriellen Entwicklung einhergegangen ist, neu die Bedeutung und den Wert der Umwelt als gastlichen Lebensraum („oikos“), wo sie gerufen ist, ihr Dasein zu verwirklichen. Die Bedrohungen, welche wegen des fehlenden Respekts vor dem Gleichgewicht des Ökosystems die Zukunft der Menschheit belasten, veranlassen Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft und zuständige Behörden, verschiedenartige Maßnahmen und Projekte zu studieren und durchzuführen. Diese bezwecken nicht nur, bisher verursachte Schäden einzudämmen und zu beheben, sondern vor allem, eine mit dem Respekt vor der natürlichen Umwelt und der Erschließung ihres Wertes in Einklang gebrachte Entwicklung der Gesellschaft zu planen. Dieses lebhafte Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt soll die Christen auch anregen, die tiefe Bedeutung des von der Bibel geoffenbarten Schöpfungsplanes neu zu entdecken. Gott wollte dem Mann und der Frau die Aufgabe anver- 167 A UDIENZEN UND ANGELUS trauen, die Erde zu bevölkern und in seinem Namen über sie zu herrschen, sozusagen als sein Statthalter (vgl. Gen 1,28), um sein Schöpfungswerk weiterzuführen und gewissermaßen zu vollenden. 4. Unter den Zeichen der Hoffnung in unserer Zeit müssen wir auch „die Anstrengungen zur Wiederherstellung des Friedens und der Gerechtigkeit überall, wo sie verletzt wurden, de[n] Wille[n] zu Versöhnung und Solidarität zwischen den verschiedenen Völkern, besonders in den umfassenden Beziehungen zwischen dem Norden und dem Süden der Erde“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46) erwähnen. Das zu Ende gehende Jahrhundert hat uns die ungeheure Tragödie zweier Weltkriege miterleben lassen und kennt heute noch Kriege und Konflikte mit dem Ergebnis großer Leiden für Völker und Länder auf dem ganzen Planeten. Wie nie zuvor haben ferner in diesem Jahrhundert unsägliche Massen von Menschen - auch aufgrund perverser Mechanismen der Ausbeutung - menschenunwürdige Lebensbedingungen erfahren und tun es immer noch. Auch deshalb ist das Bewusstsein der Menschen, vom geheimnisvollen Wirken des Geistes getrieben, dazu gereift, sich die Verwirklichung von Frieden und Gerechtigkeit als vorrangige und unverzichtbare Ziele zu setzen. Das Gewissen empfindet es heute als nicht tolerierbares Verbrechen, wenn weiterhin Situationen des Unrechts, der Unterentwicklung und der Verletzung der Menschenrechte bestehen. Man versteht immer mehr, dass nur die Wege des Dialogs und der Versöhnung die von der Geschichte im Leben der Völker verursachten Wunden heilen können. Nur sie können zu einer positiven Lösung der in den internationalen Beziehungen noch vorhandenen Schwierigkeiten beitragen. Die Welt von heute strukturiert sich entschieden auf ein System wechselseitiger Abhängigkeit auf wirtschaftlicher, kultureller und politischer Ebene hin. Es ist nicht länger möglich, nur in Funktion der an sich berechtigten Interessen von einzelnen Völkern und Ländern zu denken: Es gilt, ein wirklich weltumfassendes Bewusstsein zu gewinnen. 5. Nicht von ungefähr hat mein verehrter Vorgänger, Papst Paul VI., prophetisch das Ziel einer „Zivilisation der Liebe“ am Horizont der Menschheit genannt, wo das Ideal einer einzigen Menschheitsfamilie in der Achtung vor der Identität jedes ihrer Mitglieder und im gegenseitigen Tausch der Gaben verwirklicht werden kann. Auf dem Weg zur „Zivilisation der Liebe“ sind die Gläubigen, dem Wirken des Heiligen Geistes gehorsam, gerufen, ihren unersetzbaren Beitrag zu leisten und so in der Geschichte das Licht Christi auszustrahlen, Gottes Wort, das Mensch geworden ist. „Er offenbart uns“ - wie das Konzil sagt - „,dass Gott die Liebe ist‘ (1 Joh 4,8), und belehrt uns zugleich, daß das Grundgesetz der menschlichen Vervollkommnung und deshalb auch der Umwandlung der Welt das neue Gebot der Liebe ist. Denen also, die der göttlichen Liebe glauben, gibt er die Sicherheit, daß allen Menschen der Weg der Liebe offen steht und daß der Versuch, eine allum- 168 AUDIENZEN UND ANGELUS fassende Brüderlichkeit herzustellen, nicht vergeblich ist“ (Gaudium et spes, Nr. 38). Graßworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich besonders die Gruppe der Liebfrauenschule der Schönstätter Marienschwestem willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Jesus Christus - Herr und Erlöser auch unserer Zeit Angelus am Christkönigssonntag, 22. November 1. Heute, am letzten Sonntag des Kirchenjahres, feiern wir das Hochfest Unseres Herrn Jesus Christus, König des Alls. Am Ende des Weges durch ein Jahr bekennt die Kirche, dass Der, der gekreuzigt wurde und auferstand, Herr der Welt und der Geschichte ist: Das Licht von Ostern verbreitet sich über den ganzen Kosmos und erleuchtet ihn. Es ist das Licht der Liebe und der Wahrheit, welches das Universum vom Tod, der durch die Sünde verursacht wurde, befreit und den Plan der Schöpfung erneuert, damit alle Dinge ihre erfüllte Bedeutung erlangen und mit Gott und untereinander ausgesöhnt seien. Während wir noch als Pilger auf Erden unterwegs sind, richtet sich unser Blick zum Himmel, unserer endgültigen Heimat. Um zur vollen Verwirklichung des Gottesreiches zu gelangen, ermahnt uns das Evangelium, nicht dem „Herrscher dieser Welt“ (Joh 12,31; 16,11) zu folgen, der Entzweiungen und Ärgernisse sät, sondern vielmehr die treue und demütige Nachfolge Christi anzutreten. Er führt uns zum Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, wo Gott alles in allen sein wird. 2. Die Kirche ist eine Vorwegnahme des Reiches Gottes in der Geschichte, und sie zeigt das auch mit ihrem Katholisch-Sein, das heißt das Ganze betreffend. Heute Vormittag wurde in der Petersbasilika mit einer festlichen Eucharistiefeier die Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien eröffnet, die zum Thema hat: „Jesus Christus und die Völker Ozeaniens: Seinen Weg gehen, Seine Wahrheit verkünden, Sein Leben leben.“ Die Synode setzt einen neuen Abschnitt auf dem Weg der Kirche, die den Dank bekundet für das Geschenk des Evangeliums an alle Völker und dem dritten Jahrtausend entgegengeht. Sie setzt sich mit neuem Schwung ein für die Aufgabe, es der Welt zu verkünden. Einen ganz herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle die Bischöfe Ozeaniens, die von weither nach Rom gekommen sind, um zusammen mit den anderen Synodenvätem an den Arbeiten die- 169 AUDIENZEN UNDANGELUS ser Versammlung teilzunehmen. Und weiter bitte ich euch hier Anwesende und das ganze Volk Gottes, für dieses wichtige kirchliche Ereignis zu beten, von dem wir wünschen, dass es Früchte geistlicher Erneuerung nicht nur für die Gemeinschaften der ozeanischen Inselwelt, sondern auch für alle Gläubigen der Welt bringe. 3. Tatsächlich sind alle Gläubigen herausragende Gestalter mit ihrem Zeugnis für die weltweite Sendung im Dienst des Reiches Gottes. Und besonders sind die Priester aufgefordert, in jedem Winkel der Erde die Gute Nachricht von der Liebe Gottes zu verbreiten. Liebe Brüder und Schwestern, mit dem Hinweis darauf, dass heute in Rom der Tag des Seminars gefeiert wird, lade ich euch ein, ein besonderes Gebet um Priesterberufungen zum Herrn zu erheben. Jesus hat gesagt, wir sollen den Vater bitten, dass er Arbeiter für seine Ernte sende: Das wollen wir tun, indem wir die Fürsprache der heiligsten Maria, Königin der Apostel, anrufen, damit in Rom, in Italien und in der ganzen Welt zahlreiche heiligmäßige Berufungen nach dem Bild des Guten Hirten reifen mögen. Zeichen der Hoffnung in der Kirche Generalaudienz am 25. November 1. In der vorangegangenen Katechese haben wir uns mit den „Zeichen der Hoffnung“ befasst, die in unserer Welt vorhanden sind. Heute wollen wir die Überlegungen fortsetzen und den Blick auf einige „Zeichen der Hoffnung“ in der Kirche richten, damit die christlichen Gemeinschaften diese immer besser zu erkennen und ihren Wert zu erschließen vermögen. Es ist in der Tat das Wirken des Heiligen Geistes, das sie hervorbringt, denn „durch die Kraft des Evangeliums läßt er die Kirche allezeit sich verjüngen, erneut sie immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Bräutigam“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Unter den kirchlichen Ereignissen, die unser Jahrhundert nachhaltig geprägt haben, gebührt der erste Platz dem II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil. Durch das Konzil hat die Kirche aus ihrem reichen Vorrat „Neues und Altes“ hervorgeholt (vgl. Mt 13,52) und in gewisser Weise die Gnade eines neuen Pfingsten erfahren (vgl. Ansprache von Johannes XXIII. zum Abschluss der ersten Konzilsperiode, 8.12.1962, III). Genau gesehen, sind die Zeichen der Hoffnung, welche heute die Kirche in ihrer Sendung beleben, eng verbunden mit dieser reichlichen Ausgießung des Heiligen Geistes, welche die Kirche bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils erfahren hat. 2. Das Hören auf das, „was der Geist der Kirche und den Kirchen [...] sagt“ (Ter-tio millennio adveniente, Nr. 23; vgl. Offb 2,7 ff.), zeigt sich in der Annahme der Charismen, die er reichlich austeilt. Ihre Neuentdeckung und Aufwertung hat eine lebendigere Gemeinschaft unter den verschiedenen Berufungen des Volkes Gottes wachsen lassen wie auch einen freudigen, neuen Elan der Evangelisierung. 170 AUDIENZEN UND ANGELUS Besonders drängt der Heilige Geist die Kirche heute dazu, die Berufung und Sendung der gläubigen Laien zu fördern. Ihre Teilnahme und Mitverantwortung am Leben der christlichen Gemeinschaften und ihre vielfältige Präsenz des Apostolats und Dienstes in der Gesellschaft geben uns Anlass, am Anbruch des dritten Jahrtausends hoffnungsvoll eine reife und fruchtbare „Epiphanie des Laientums“ zu erwarten. Eine ähnliche Erwartung gilt der Rolle, welche die Frauen gerufen sind, zu übernehmen. Wie in der bürgerlichen Gesellschaft so offenbart sich auch in der Kirche immer mehr der „Genius der Frau“; es ist notwendig, ihn immer mehr wahrzunehmen in den der Berufung der Frau nach dem Plan Gottes entsprechenden Formen. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass eine der Gaben, die der Geist unserer Zeit schenkt, die Blüte der kirchlichen Bewegungen ist, was ich seit dem Beginn meines Pontifikats fortfahre, als Grund zur Hoffnung für die Kirche und die Gesellschaft hervorzuheben. „Sie sind ein Zeichen für die Freiheit der Formen, in denen sich die eine Kirche verwirklicht, und sicher eine Neuheit, die noch darauf wartet, in ihrer ganzen positiven Wirkung für das Reich Gottes, das in unserer heutigen Geschichte am Werk ist, entsprechend verstanden zu werden“ (Ansprache an die Bewegung „Comunione e Liberazione“, 29.9.1984, Nr. 3; in: DAS[1984], S. 1400). 3. Unser Jahrhundert hat sodann den Samen der ökumenischen Bewegung keimen und wachsen sehen, in der der Heilige Geist die Mitglieder der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sammelt, um Wege des Dialogs zur Wiederherstellung der vollen Einheit zu suchen. Insbesondere durch das II. Vatikanum wurden die Suche nach der Einheit und die ökumenische Sorge als „eine für das Gesamtleben der Kirche notwendige Dimension“ und als vorrangiges Anliegen gewonnen, wozu die katholische Kirche „mit allen ihren Möglichkeiten [...] beitragen will“ (Predigt beim Gottesdienst fiir die Römische Kurie, 28.6.1985, Nm. 4 und 10; in: DASflOSS], S. 1432 und 1440). Darüber hinaus hat sich das Bewusstsein verstärkt, dass die wahre Seele der Bewegung für die Wiederherstellung der Einheit der Christen der geistliche Ökumenis-mus ist, nämlich die Bekehrung des Herzens, das Gebet und die Heiligkeit des Lebens (vgl. Unitatis redintegratio, 8). 4. Unter den zahlreichen anderen Zeichen der Hoffnung ist schließlich „der dem Dialog mit den Religionen und mit der modernen Kultur gewährte Raum“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46) zu nennen. Was das erstere betrifft, genügt es, an die nachgerade erwiesenermaßen prophetische Tragweite der Erklärung Nostra aetate des II. Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen zu denken. Vielfältige Erfahrungen der Begegnung und des Dialogs auf unterschiedlicher Ebene wurden und werden überall auf der Welt zwischen Vertretern der verschiedenen Religionen verwirklicht. Insbesondere ist mir daran gelegen, an die großen Schritte nach vome zu erinnern, die im Dialog mit den Juden, unseren „älteren Brüdern“, gemacht wurden. 171 AUDIENZEN UND ANGELUS Ein großes Zeichen der Hoffnung für die Menschheit ist die Tatsache, dass die Religionen sich mit Vertrauen für den Dialog öffnen und die Dringlichkeit verspüren, ihre Anstrengungen zu vereinen, um dem Fortschritt eine Seele zu geben und zum moralischen Einsatz der Völker beizutragen. Der Glaube an das unablässige Wirken des Geistes lässt uns hoffen, dass auch über diesen Weg gegenseitiger Achtung und Wertschätzung sich für alle die Öffnung für Christus, das wahre Licht, das „jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9), verwirklichen kann. Was den Dialog mit der Kultur betrifft, erweist sich die vom II. Vatikanum gegebene Orientierung als von providentieller Gültigkeit: „Wie es aber im Interesse der Welt liegt, die Kirche als gesellschaftliche Wirklichkeit der Geschichte und als deren Ferment anzuerkennen, so ist sich die Kirche auch darüber im klaren, wie viel sie selbst der Geschichte und Entwicklung der Menschheit verdankt“ (Gaudium et spes, Nr. 44). Die auf diesem Gebiet verwirklichten Kontakte haben unberechtigte Vorurteile bereits hinter sich gelassen. Auch die erneute Aufmerksamkeit, die von verschiedenen Kulturströmungen unserer Zeit der religiösen Erfahrung und insbesondere dem Christentum entgegengebracht wird, drängt uns dazu, den in Richtung einer neuen Begegnung zwischen dem Evangelium und der Kultur eingeschlagenen Weg beharrlich fortzusetzen. 5. In diesen vielfältigen Zeichen der Hoffnung können wir nicht das Wirken des Geistes Gottes übersehen. Aber ich möchte in völliger Abhängigkeit und in Gemeinschaft mit ihm hier auch die Rolle Marias erkennen, die „gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht“ wurde (Lumen Gentium, Nr. 56). Mütterlich tritt sie für die Kirche ein und bewegt sie auf dem Weg der Heiligkeit und der Gehorsamkeit auf den Parakleten zu. Am Anbruch des neuen Jahrtausends gewahren wir mit Freude das zu Tage treten dieses „marianischen Profils“ der Kirche (vgl. Weihnachtsansprache an die Römische Kurie, 22.12.1987, Nr. 2; in: DAST1987], S. 1769), das den tiefsten Gehalt der konziliaren Erneuerung in sich zusammenfasst. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser unvollständigen Aufzählung grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Möge Euch Maria, die ganz vom Heiligen Geist durchdrungen ist, auf Eurem Lebens- und Glaubensweg beschützen und begleiten. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 172 A UDIENZEN UND ANGELUS Jesus begegnet Soldaten An Karabinieri'Offiziersan Wärter und an Soldaten der italienischen Marine: Euch allen wünsche ich bei dieser Gelegenheit von ganzem Herzen, dass ihr euer Leben zu einer echten, ständigen Begegnung mit Christus machen könnt. Das Evangelium zeigt uns, dass es sehr bedeutsame Begegnungen zwischen Jesus und Soldaten gegeben hat. Denken wir z. B. an die Worte, die wir jedes Mal bei der hl, Kommunion wiederholen: „Ich bin nicht würdig Es sind die Worte eines römischen Hauptmanns, der darin seinen Glauben, seine Bewunderung für Jesus Christus, seine tiefe Demut und sein besorgtes Gebet für die Genesung seines Dieners zum Ausdruck brachte (vgl. Mt 8,8; Lk 7,8). Weiter lesen wir in der Apostelgeschichte, dass der erste unter dem Einfluss des Heiligen Geistes Bekehrte -nicht jüdische, sondern heidnische Bekehrte - ein römischer Hauptmann namens Kornelius war (vgl. Apg 10,1-48). Erlöstes Universum geht seiner Vollendung entgegen Angelus am Ersten Adventssonntag, 29. November 1. Mit der Adventszeit beginnt heute ein neues Kirchenjahr. Es ist das Jahr der Kirche, ausgerichtet auf die beiden großen Geheimnisse der Menschwerdung und der Erlösung, Weihnachten und Ostern. Es ist die „Zeit Gottes“, den Menschen geschenkt, damit Werke und Tage sich für die Dimension des Ewigen öffnen. Von dem Augenblick an, wo Gott Mensch geworden und in die Zeit eingetreten ist, hat der Verlauf der Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende seinen Sinn und seine Richtung erhalten: Das ganze, von Gott geschaffene und erlöste Universum ist unterwegs zu seiner im Pascha Christi bereits vorweggenommenen Vollendung. Das alles ist ein Plan der Liebe, und als solcher verwirklicht er sich nicht in einer die Willensfreiheit verneinender Weise, sondern in der Freiheit und somit im Umfeld eines dramatischen Kampfes zwischen Gut und Böse. Jeder Mensch ist berufen, seine bereitwillige Zustimmung zum Plan Gottes zu geben nach dem Vorbild der allerseligsten Maria, die das menschgewordene Wort aufgenommen hat und so zur neuen Eva, Mutter der erlösten Menschheit, wurde. 2. Der Advent, der heute beginnt, ist von wahrlich besonderer Bedeutung, denn er eröffnet das letzte Jahr des zweiten Jahrtausends. Der Blick der Christen und aller Menschen wird auf das schon nahe Jubiläum gezogen, mit dem zweitausend Jahre seit der Menschwerdung des Gottessohnes gefeiert werden. Das Jahr 1999 vollendet die dreijährige, unmittelbare Vorbereitungsfrist für dieses historische geistliche Ereignis: nach dem Christus- und dem Heilig-Geist-Jahr nun das Gottvater-Jahr. Alle lade ich ein, sich auf eine innerliche Pilgerfahrt zu begeben zum Haus des himmlischen Vaters, der voll Erbarmen ist; einen Weg der Bekehrung in der Liebe, im Teilen mit den Ärmsten und im Dialog mit den Brüdern. 173 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. In diesem Zusammenhang versteht sich die Stadtmission, zu der ich aufgerufen habe, um den Römern zu helfen, ihren Glauben im Hinblick auf das Heilige Jahr zu erneuern und die Botschaft Christi jedem Einwohner zu bringen, der in der Umgebung erreicht werden soll, wo er lebt, wirkt, studiert, arbeitet oder leidet. Die zahlreichen Missionare, die mit Erfolg Familienbesuche durchgeführt haben, ermutige ich, diese wichtige Form der Evangelisierung weiter zu festigen; zugleich lade ich sie selbst und alle berufstätigen Christen - Arbeiter, Lehrpersonen, freiberuflich Tätige, Handwerker, Kaufleute - ein, aktive Träger der Mission in dem Bereich zu sein, wo sie ihre eigene Tätigkeit ausüben. Für diesen neuen Abschnitt der Stadtmission habe ich an die gesamte Diözese einen „Brief über das Evangelium von der Arbeit“ [Lettern sul vangelo del lavoro] geschrieben, der am kommenden Fest Mariä Empfängnis veröffentlicht werden wird. Er will ein Zeichen der Hoffnung und eine Einladung zur Zusammenarbeit unter den in verschiedenen Bereichen Berufstätigen sowie auch den leider Arbeitslosen oder auf Arbeitssuche Befindlichen sein. Wir wollen zu Maria, der getreuen Jungfrau, beten, dass sie uns helfe, die Adventszeit gut zu leben. Das Kommen des Herrn soll uns nicht in Gleichgültigkeit oder Hochmut verschlossen, sondern wachsam in der Erwartung und tatkräftig in der Liebe antreffen. Maßnahmen gegen Ausbeutung von Flüchtlingen Die Tragödien der letzten Tage unter den Flüchtlingen in der Adria vor der Küste Apuliens mit zahlreichen Toten oder Vermissten werfen erneut in dramatischer Weise das Problem des illegalen Transfers von Menschen auf, die sich skrupellosen Schiebern anvertrauen in der Hoffnung, den Traum von einem besseren Lebens zu verwirklichen. Während ich für die Schiffbrachopfer bete, kann ich nicht umhin, den entschiedensten Tadel an die Adresse derer zum Ausdruck zu bringen, die aus Gewinnsucht mit dem Elend so vieler armer Leute spekulieren. Diese Toten werden noch auf ihrem Gewissen lasten! Zugleich empfinde ich es als Pflicht, die Regierungen der betroffenen Länder auf ihre Verantwortung hinzuweisen: Es ist dringend notwendig, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um solche unsauberen Geschäfte zu verhindern und würdige Lebensbedingungen für die Menschen zu schaffen, die sonst veranlasst sind, ihr Glück andernorts zu suchen. Schließlich nehme ich die Gelegenheit wahr, um der Bevölkerung des Salento meine Anerkennung und meinen Dank zu besagen, die seit Jahren diesem Problem mit einem unentbehrlichen Beitrag an hochherziger Solidarität begegnet. Die nationale wie die internationale Gemeinschaft möge sie nicht allein lassen bei dem verdienstvollen, aber schwierigen Unternehmen! 174 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Hoffnung — Erwartung und Vorbereitung des Reiches Gottes Generalaudienz am 2. Dezember 1. Der Heilige Geist ist die Quelle der „Hoffnung, die nicht zugrunde gehen läßt“ (vgl. Röm 5,5). In diesem Licht wollen wir heute, nachdem wir einige in unserer Zeit vorhandene „Zeichen der Hoffnung“ untersucht haben, die Bedeutung der christlichen Hoffnung in der Zeit der Erwartung und Vorbereitung auf die Ankunft des Reiches Gottes in Christus am Ende der Zeit vertiefen. Diesbezüglich muss an folgendes erinnert werden, wie ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente betont habe: „Die Grundhaltung der Hoffnung spornt einerseits den Christen dazu an, das Endziel, das seinem ganzen Dasein Sinn und Wert gibt, nicht aus dem Auge zu verlieren, und andererseits bietet sie ihm solide und tiefgehende Beweggründe für den täglichen Einsatz bei der Umgestaltung der Wirklichkeit, die dem Plan Gottes entsprechen soll“ (Nr. 46). 2. Die Hoffnung auf die endgültige Ankunft des Reiches Gottes wie der Einsatz zur Umgestaltung der Welt aus dem Licht des Evangeliums haben in Wirklichkeit ein und dieselbe Quelle in der eschatologischen Gabe des Heiligen Geistes. Als „der erste Anteil des Erbes, das wir erhalten sollen, der Erlösung“ (Eph 1,14), weckt der Geist die Sehnsucht nach dem erfüllten, endgültigen Leben mit Christus und gibt uns zugleich die Kraft, um auf der ganzen Erde den Sauerteig des Reiches Gottes zu verbreiten. Wir haben es hier in gewisser Weise mit einer vorweggenommenen Verwirklichung des Reiches Gottes unter den Menschen durch die Auferstehung Christi zu tun. In ihm, dem menschgewordenen Wort, für uns gestorben und auferstanden, ist der Himmel auf die Erde herabgekommen, und die Erde ist in seiner verherrlichten Menschheit in den Himmel emporgestiegen. Der auferstandene Jesus ist inmitten seines Volkes und im Innersten der Menschengeschichte gegenwärtig. Durch den Heiligen Geist bekleidet er mit sich alle, die im Glauben und in der Liebe sich für ihn öffnen, ja, er verklärt sie nach und nach und lässt sie an seinem verherrlichten Dasein teilhaben. Nun leben und handeln sie in der Welt, den Blick stets auf das Endziel gerichtet: „Ihr seid mit Christus auferweckt“ - ermahnt Paulus - „darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“ (Kol 3,1). Die Gläubigen sind also gerufen, in der Welt Zeugen der Auferstehung Christi und zugleich Erbauer einer neuen Gesellschaft zu sein. 3. Das sakramentale Zeichen par excellence der letzten Wirklichkeiten, in der Kirche schon vorweggenommen und vorverwirklicht, ist die Eucharistie. In ihr „trans-substanziert“ [„wesensverwandelt“] der in der „Epiklese“ angerufene Geist die sinnlich erfassbare Wirklichkeit des Brotes und des Weines in die neue Wirklichkeit des Leibes und des Blutes Christi. In der Eucharistie ist der auferstandene Herr wirklich anwesend, und mit ihm empfangen die Menschheit und das Universum 175 AUDIENZEN UND ANGELUS das Siegel der neuen Schöpfung. In der Eucharistie kostet man die endgültigen Wirklichkeiten, und die Welt beginnt, das zu sein, was sie bei der endzeitlichen Wiederkunft des Herrn sein wird. Die Eucharistie, Höhepunkt des christlichen Lebens, formt nicht nur das persönliche Dasein des Christen, sondern auch das Leben der kirchlichen Gemeinschaft und in gewisser Weise der ganzen Gesellschaft. Denn aus der Eucharistie empfängt das Volk Gottes jene göttliche Kraft, die es zu einem tiefen Leben der Liebesge-meinschaft drängt, welche durch die Teilnahme an dem einen Tisch wirksam in Zeichen gesetzt wird. Daraus folgt der Antrieb, auch die materiellen Güter im Geist der Geschwisterlichkeit zu teilen und auf den Aufbau des Reiches Gottes auszurichten (vgl. Apg 2,42-45). Die Kirche wird auf diese Weise zum „gebrochenen Brot“ für die Welt: für die Menschen, unter denen sie lebt, besonders für die am meisten Bedürftigen. Die Feier der Eucharistie ist Quelle für die verschiedenen Werke der Nächstenliebe und gegenseitigen Hilfe, für das missionarische Wirken und die unterschiedlichen Formen des christlichen Zeugnisses, durch die der Welt geholfen wird, die Berufung der Kirche nach dem Plan Gottes anzunehmen. Da ferner die Eucharistie die Berufung, sich nicht der Mentalität der gegenwärtigen Welt anzupassen und in der Erwartung Christi zu leben, „bis Er kommt“, lebendig erhält, weist sie dem Gottesvolk den Weg zur Reinigung und Vervollkommnung der menschlichen Tätigkeiten, welche sie in das Paschamysterium des Kreuzes und der Auferstehung hineinbringt. 4. So versteht man die wahre Bedeutung christlicher Hoffnung. Wenn wir unseren Blick auf „einen neuen Himmel und eine neue Erde“, wo die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13), richten, darf dies „die Sorge für die Gestaltung dieser Erde nicht abschwächen, auf der uns der wachsende Leib der neuen Menschenfamilie eine umrisshafte Vorstellung von der künftigen Welt geben kann, sondern muß sie im Gegenteil ermutigen“ (Gaudium et spes, Nr. 39). Die von der Christengemeinschaft angebotene Hoffnungsbotschaft muss als ein Sauerteig der Auferstehung in den Einsatz der gläubigen Laien auf kulturellem, sozialem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet eingemengt werden. Wenn es auch wahr ist, dass der irdische Fortschritt eindeutig vom Wachstum des Reiches Gottes zu unterscheiden ist (vgl. ebd.), gilt jedoch ebenso: „Die Liebe wird bleiben wie das, was sie einst getan hat (vgl. 1 Kor 13,8; Kol 3,14)“ (ebd.). Das bedeutet, dass alles, was in der Liebe Christi vollbracht wird, auf die endzeitliche Auferstehung und die Ankunft des Reiches Gottes vorausgreift. 5. Die Spiritualität des Christen erscheint so in ihrem wahren Licht: Sie ist keine Spiritualität der Weltflucht oder Weltvemeinung, aber ebenso wenig beschränkt sie sich auf eine einfache Aktivität in der zeitlichen Ordnung. Durchdrungen vom Geist des Lebens, den der Auferstandene ausgießt, ist sie eine Spiritualität der Umgestaltung der Welt und der Hoffnung auf die Ankunft des Reiches Gottes. Durch sie können die Christen entdecken, dass die Werke des Denkens und der Kunst, der Wissenschaft und der Technik, wenn sie im Geist des Evangeliums ge- 176 AUDIENZEN UND ANGELUS lebt werden, die Ausbreitung des Geistes Gottes in allen irdischen Wirklichkeiten bezeugen. Nicht nur im Gebet, sondern auch bei der täglichen Arbeit, die zur Vorbereitung des Reiches Gottes in der Geschichte geleistet wird, macht sich also laut die Stimme des Geistes und der Braut vernehmbar, die rufen: „Komm! [...] Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,17.20). Es ist der verblüffende Abschluss der Offenbarung des Johannes und - man kann sagen - das christliche Siegel der Geschichte. Grußworte in Deutsch: Mit dem Wunsch für einen segensreichen Advent grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch allen, euren Lieben daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Suche nach Antworten auf entscheidende Fragen Angelus am Zweiten Adventssonntag, 6. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen 15. Oktober ist die Enzyklika Fides et ratio veröffentlicht worden. Sie ist an die Bischöfe der katholischen Kirche gerichtet und behandelt Themen, die von besonderem Interesse sind für alle, die sich mit Philosophie und Theologie beschäftigen. Doch ihr wesentlicher Gehalt geht alle an. Deshalb werde ich heute und an den nächsten Sonntagen auf einige ihrer wichtigsten Aspekte zurückkommen. Die Enzyklika handelt bekanntlich vom Verhältnis von Glaube und Vernunft. Doch letztlich geht es hier um die Wahrheit, der zu dienen beide gerufen sind. Dazu muss vor allem betont werden, dass die Suche nach der Wahrheit ein unausweichliches und kennzeichnendes Bedürfnis des Menschen darstellt. Vom Augenblick an, da er des Gebrauchs der Vernunft fähig ist, ist der Mensch ein Wesen, das fragt. Wir wissen, wie viele - oft ernste und unbequeme - Fragen von Kindern gestellt werden. Einige Fragen kommen aus der Neugierde oder aus der Notwendigkeit, konkrete Probleme zu lösen. Die tieferen entspringen dem Staunen, das der Mensch vor dem Geheimnis seiner selbst und der gesamten Schöpfung verspürt. Oft gehen sie aus dem Leiden hervor. Immer sind sie Ausdruck des Bewusstseins der eigenen Grenzen und des Bemühens, sie zu überwinden. 2. Wir leben in einer Zeit, in der die Menge und die Geschwindigkeit der Information sich in außerordentlichem Maße vermehren. Es besteht die Gefahr, dass der hektische Fluss von Nachrichten über so viele Dinge die Fragen nach den wesentlichen Themen des Daseins erstickt: „Wer bin ich? Woher komme ich und wohin gehe ich? Warum gibt es das Böse? Was wird nach diesem Leben sein?“ (Fides et 177 AUDIENZEN UNDANGELUS ratio, Nr. 1). Fragen, die seit jeher im Mittelpunkt des Interesses von Philosophie und Religion stehen. Berühmt ist dabei der Mahnspruch „Erkenne dich selbst“, der in den Architrav des Tempels von Delphi gemeißelt war. In der Tat: gerade in der mit Leidenschaft und in der richtigen Richtung betriebenen Suche nach der Antwort auf diese Grundfragen zeigt der Mensch sich als „sapiens - weise“. Die Philosophie, die ja „Weisheitsliebe“ bedeutet, wurzelt in dieser Suche nach dem Grundlegenden. Der Glaube seinerseits fürchtet die Tätigkeit der Vernunft nicht, sondern ermutigt sie vielmehr. In der Einleitung der Enzyklika habe ich geschrieben: „Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt.“ 3. Liebe Brüder und Schwestern! Lasst uns auf die heiligste Maria blicken als hohes Vorbild für die Suche nach der Wahrheit. Als Mutter Dessen, der selbst die Weisheit ist, war ihr Leben ein Pilgern in anspruchsvollen Fragen, durch die ihre Vernunft sich dem Licht des Glaubens öffnete. Sie möge uns helfen, dass wir den Fragen, die wirklich zählen, die entscheidend für unser Dasein sind, nicht auswei-chen. Maria nimmt den Weg der Erlösten vorweg Angelus am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember <1> <2> <1> „Tota pulchra es Maria! [Ganz schön bist du, Maria!]“ Mit diesen Worten wendet sich die Kirche am heutigen Hochfest der Unbefleckten Empfängnis an die Mutter Christi. Maria ist die vor der Erbsünde bewahrte Frau, die der Vater dazu bestimmt und auserwählt hat, die Mutter des Erlösers zu sein. Da sie dem Sohn Gottes, der „Glanz der Herrlichkeit des Vaters ist“ (hl. Ambrosius), ein menschliches Antlitz gab, sah die Jungfrau wie kein anderes Geschöpf über sich das Antlitz des Vaters leuchten, reich an Gnade und Erbarmen. Ein außerordentliches Geschenk und ein unbeschreibliches Privileg also ist die Unbefleckte Empfängnis! Dank ihrer nimmt die Gottesmutter, gänzlich vor der Knechtschaft der Sünde bewahrt und zum Gegenstand besonderer Vorliebe Gottes geworden, den Weg der Erlösten, des von Christus geretteten Volkes, in ihrem Leben vorweg. <2> Dieses bedeutungsvolle Marienfest steht im Zusammenhang mit dem Advent, der Zeit der wachsamen und von Gebet getragenen Vorbereitung auf Weihnachten. Diejenige, die mehr als alle anderen den Herrn aufmerksam zu erwarten verstand, begleitet uns und zeigt uns, wie wir unseren Weg auf die Heilige Nacht von Betle-hem zu lebendig und von Taten erfüllt werden lassen können. Mit ihr gehen wir im Gebet durch diese Wochen; und von ihrem leuchtenden Stern geleitet, beschleunigen wir unseren Schritt auf dem geistlichen Weg, der uns dazu hinführt, das Geheimnis der Menschwerdung mit größerer Intensität zu feiern. In 178 AUDIENZEN UND ANGELUS diesem Jahr lässt uns der Advent zudem in das letzte Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 eintreten. Ein Grund mehr, unsere Anstrengungen zu vermehren, damit die Erwartung des Erlösers von noch größerer Wachsamkeit und Hochherzigkeit gekennzeichnet sei. 3. Mit der soeben unter meinem Vorsitz in der Petersbasilika konzelebrierten Eucharistiefeier ist die zehnte Versammlung der Katholischen Aktion Italiens abgeschlossen worden; sie stand im Zeichen des Gedenkens von 130 Jahren seit der Gründung und von 30 Jahren seit der Neufassung des Statuts nach dem II. Vatikanischen Konzil. Wie jedes Jahr erneuern an diesem Tag die der Katholischen Aktion Italiens Angehörenden ihre Mitgliedschaft und legen ihr christliches Engagement in die Hände der seligen Jungfrau, der sie ihre Pläne und ihre Apostolatstätigkeit anvertrauen. Die heilige Mutter des Erlösers möge diese große kirchliche Vereinigung allezeit beschützen und die Arbeit der vergangenen Tage zu dem Thema „Zeugen der Hoffnung in der Stadt des Menschen“ fruchtbar werden lassen. Maria wolle mit beständiger, mütterlicher Vorliebe auch über der Stadt Rom wachen, die ihr an diesem Nachmittag wie jedes Jahr die traditionelle Ehrerbietung auf dem Spanischen Platz erweisen wird. Dieser Wallfahrt, welche einen stimmungsvollen Anlass der Marienverehrung des römischen Volkes bildet, werde - so Gott will - auch ich mich anschließen. Miteinander werden wir so einen weiteren Schritt auf dem geistlichen Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 gehen. Maria, die Makellose Jungfrau, begleite und beschütze uns allezeit! Nach dem Angelus sagte der Papst u. a.: Ich grüße die Pilger italienischer Sprache, insbesondere die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Immaculata in Begleitung von Andrzej Maria Kardinal Deskur. - Die Immaculata wird siegen, weil Christus in ihr gesiegt hat. - Meine Lieben, an diesem hohen Marienfest segne ich euch alle von Herzen, besonders die Priester, die Seminaristen und die Ordensleute. [...] Gelobt sei Jesus Christus! Maria - vom Heiligen Geist geleitete Mutter Generalaudienz am 9. Dezember 1. Als Krönung der Reflexion über den Heiligen Geist erheben wir in dem ihm gewidmeten Jahr auf dem Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum den Blick zu Maria. Das bei der Verkündigung vor 2000 Jahren von ihr bekundete Einverständnis bildet den Ausgangspunkt der neuen Geschichte der Menschheit. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden und hat angefangen, unter uns zu wohnen, als Maria dem Engel gegenüber erklärte: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). 179 AUDIENZEN UNDANGELUS Marias Zusammenwirken mit dem Heiligen Geist, wie es sich bei der Verkündigung und bei der Begegnung mit Elisabet zeigt, drückt sich aus in einer Haltung fortwährender Folgsamkeit gegenüber den Eingebungen des Parakleten. Im Wissen um das Geheimnis ihres göttlichen Sohnes ließ Maria sich vom Geist führen, um sich in einer ihrem Auftrag als Mutter angemessenen Weise zu verhalten. Als wahre Frau des Gebets bat die Jungfrau den Heiligen Geist, das bei der Empfängnis begonnene Werk zu vollenden, damit das Kind zunehme „an Weisheit, Wuchs und Gnade vor Gott und den Menschen“ (vgl. Lk 2,52). Unter diesem Gesichtspunkt bietet sich Maria als ein Vorbild für die Eltern dar, indem sie die Notwendigkeit aufzeigt, beim Heiligen Geist Hilfe zu suchen, um in der schwierigen Aufgabe der Erziehung den rechten Weg zu finden. 2. Die Begebenheit der Darstellung Jesu im Tempel fällt mit einem wichtigen Eingreifen des Heiligen Geistes zusammen. Maria und Josef waren zum Tempel gekommen, um Jesus „darzustellen“, d. h. dem Herrn zu weihen (vgl. Lk 2,22), nach dem Gesetz des Mose, das ein Ablösungsopfer für den Erstgeborenen und eine Reinigung für die Mutter vorschrieb. Bei diesem Ritus, dessen Sinn sie zutiefst erlebten als einen Ausdruck von Herzen kommenden Opfers, wurden sie von den Worten des Simeon erleuchtet, die unter der besonderen Anregung des Geistes gesprochen wurden. Der Bericht des Lukas hebt ausdrücklich den Einfluss des Heiligen Geistes auf das Leben dieses alten Mannes hervor. Er hatte vom Geist die Zusicherung erhalten, dass er nicht sterben werde, ohne den Messias gesehen zu haben. Und so „wurde er vom Geist in den Tempel geführt“ {Lk 2,27) in dem Augenblick, als Maria und Josef das Kind dorthin brachten. Der Heilige Geist führt also diese Begegnung herbei. Er inspiriert den greisen Simeon zu einem Lobgesang, der die Zukunft des Kindes rühmt, das gekommen ist als „ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ {Lk 2,32). Maria und Josef wundem sich über diese Worte, die die Sendung Jesu auf alle Völker ausweiten. Und wiederum der Geist lässt den Simeon eine schmerzhafte Prophezeiung aussprechen: Jesus wird „ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“, und Maria „wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34.35). Durch diese Worte bereitet der Heilige Geist Maria auf die große Prüfung, die auf sie wartet, vor und verleiht dem Ritus der Darstellung des Kindes den Wert eines aus Liebe dargebrachten Opfers. Als Maria ihren Sohn aus den Armen des Simeon entgegennimmt, versteht sie, dass sie ihn empfängt, um ihn aufzuopfem. Ihre Mutterschaft wird sie in das Los Jesu mit hineinziehen, und jede Ablehnung ihm gegenüber wird in ihrem Herzen Widerhall finden. 3. Die Anwesenheit Marias unter dem Kreuz ist das Zeichen, dass die Mutter den vom Heiligen Geist durch den Mund des Simeon vorgezeichneten Leidensweg bis zum äußersten gegangen ist. Auf Golgota wird in den Worten, die Jesus an seine Mutter und an den Lieblingsjünger richtet, ein weiteres Merkmal des Wirkens des Heiligen Geistes offenbar: Er 180 A UDIENZEN UND ANGELUS vermittelt dem Opfer Fruchtbarkeit. Die Worte Jesu zeigen gerade einen „mariani-schen“ Aspekt dieser Fruchtbarkeit: „Frau, siehe, dein Sohn!“ (Joh 19,26). In diesen Worten tritt der Heilige Geist nicht ausdrücklich in Erscheinung. Aber da das Kreuzesgeschehen wie das ganze Leben Christi im Heiligen Geist stattfindet (vgl. Dominum et vivificantem, Nm. 40-41), bittet in eben diesem Geist der Erlöser die Mutter um ihre Einwilligung zum Opfer des Sohnes, damit sie zur Mutter einer Vielzahl von Söhnen werde. Dieser höchsten Hingabe der Mutter Jesu verleiht er unermessliche Frucht: eine neue Mutterschaft, dazu bestimmt, sich auf alle Menschen zu erstrecken. Vom Kreuz wollte der Erlöser Ströme von lebendigem Wasser, nämlich die Fülle des Heiligen Geistes (vgl. Joh 7,38), auf die Menschheit fließen lassen. Sein Wunsch war es jedoch, dass diese Gnadenausgießung mit dem Antlitz einer Mutter, seiner Mutter, verbunden sei. Maria erscheint nun als die neue Eva, Mutter der Lebendigen, oder als Tochter Zion, Mutter der Völker. Das Geschenk der universalen Mutter war in der Erlösungssendung des Messias enthalten: „Danach, als Jesus wußte, daß nun alles vollbracht war ...“, schreibt der Evangelist nach der doppelten Erklärung: „Frau, siehe, dein Sohn!“ und „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-28). Aus dieser Szene lässt sich die Harmonie des göttlichen Planes in Bezug auf die Rolle Marias im Heilswirken des Heiligen Geistes erahnen. Im Geheimnis der Menschwerdung hatte ihre Zusammenarbeit mit dem Geist eine wesentliche Rolle gespielt; auch im Geheimnis der Geburt und Heranbildung der Kinder Gottes begleitet der mütterliche Beitrag von Maria das Wirken des Heiligen Geistes. 4. Im Licht der Erklärung Jesu auf Golgota erhält die Anwesenheit Marias in der Gemeinde in der Erwartung von Pfingsten ihren vollen Wert. Lukas, der die Aufmerksamkeit auf die Rolle Marias bei der Geburt Jesu gelenkt hatte, wollte ihre bedeutsame Anwesenheit bei der Geburt der Kirche hervorheben. Die Gemeinde besteht nicht nur aus den Aposteln und Jüngern, sondern auch aus den Frauen, unter denen Lukas ausdrücklich „Maria“, die „Mutter Jesu“ (Apg 1,14), nennt. Die Bibel bietet uns keine andere Information über Maria nach dem Drama von Golgota. Aber es ist sehr wichtig, zu wissen, dass sie am Leben der ersten Gemeinde und an ihrem beharrlichen, einträchtigen Gebet teilnahm. Zweifellos war sie bei der Ausgießung des Geistes am Pfingsttag anwesend. Der Geist, der bereits in Maria wohnte - hatte er doch Wunder an Gnade in ihr vollbracht -, steigt nun aufs neue in ihr Herz hinab und vermittelt ihr die zur Ausübung ihrer geistlichen Mutterschaft notwendigen Gaben und Charismen. 5. Maria fährt fort, die ihr von Christus anvertraute Mutterschaft in der Kirche auszuüben. In dieser mütterlichen Sendung tritt die niedrige Magd des Herrn nicht in Konkurrenz zu der Rolle des Heiligen Geistes; im Gegenteil, sie ist vom Geist selbst gerufen, in mütterlicher Weise mit ihm zusammenzuwirken. Er ruft im Gedächtnis der Kirche fortwährend die Worte Jesu an den Lieblingsjünger wach: „Siehe, deine Mutter!“ und lädt die Gläubigen ein, Maria zu lieben, wie Christus 181 AUDIENZEN UND ANGELUS sie geliebt hat. Jede Vertiefung der Verbundenheit mit Maria erlaubt dem Geist ein für das Leben der Kirche fruchtbareres Wirken. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Suche nach der Wahrheit ist Suche nach Gott Angelus am Dritten Adventssonntag, 13. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Reflexion über die Enzyklika Fides et ratio fortsetzend, möchte ich heute auf die Existenz der Wahrheit als gemeinsame Voraussetzung für den Glauben und die Vernunft hinweisen. In der Tat, wenn der Mensch fragt, tut er das mit dem Wunsch und der Hoffnung, eine Antwort auf seine Fragen zu finden. Die Suche nach der Wahrheit ist manchmal beschwerlich, fast nie wird sie erschöpfend besessen, und die Erfahrung des Irrtums rät, demütig und tolerant zu sein. Gleichzeitig hat aber keine Daseinsberechtigung ein Skeptizismus, der die Möglichkeit an sich grundsätzlich in Frage stellt, dass der Mensch zur Wahrheit kommen kann. Wo der Skeptizismus Fuß fasst, schwinden feste Urteils- und Unterscheidungskriterien, und das menschliche Dasein droht, den Gefühlen ausgeliefert, seine Grundlage zu verlieren. 2. In Wirklichkeit nämlich spürt der Mensch, wenn er auf die Schwierigkeit trifft, zu Wahrheit und Gewissheit über viele Dinge zu gelangen, dass es Realitäten und Grundprinzipien gibt, über die volle und allgemeine Gewissheit besteht. Solche Wahrheiten sind die Grundbedingung für das Denken, das Dasein und das Zusammenleben. Sie sind das, was uns erlaubt, in Kommunikation zu treten, zu forschen, unsere Irrtümer einzugestehen, zusammenzuleben, zu lieben. Selbst die empirische Wissenschaft weist auf die Existenz der Wahrheit hin. Sie zeigt sich als ein Weg, abgesteckt durch teilweise Errungenschaften und schrittweise Überwindung von Irrtümem. Gerade darum ist jede wahre wissenschaftliche Erkenntnis ein Schritt auf die Fülle der Wahrheit zu. Das gilt auch für die anderen Bereiche des Erkennens. Daher habe ich in der Enzyklika Fides et ratio von einem Kern philosophischer Erkenntnisse gesprochen, die in der Geschichte des Denkens ständig präsent sind und in dem man „so etwas wie ein geistiges Erbe der Menschheit erkennen kann“ (Fides et ratio, Nr. 4). 182 A UDIENZEN UND ANGELUS Ihrerseits widersetzt sich Offenbarung, die von oben kommt und in Christus ihre Fülle hat und uns eine tiefere Kenntnis des Geheimnisses Gottes und seines Heilsplanes erschließt, niemals den mit dem Licht des Verstandes bereits erfassten Wahrheiten; vielmehr prüft, reinigt und festigt sie diese. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Wir wollen der Sorge der heiligen Jungfrau alle diejenigen anvertrauen, die Zeiten der Verwirrung und des Zweifels durchmachen und sich deshalb der Gewissheit und Hoffnung beraubt fühlen. Zugleich wollen wir von Maria die Demut und den Wagemut lernen, um immer auf die Wahrheit zuzugehen und sie mit all unseren Kräften zu suchen und zu bezeugen. Sie möge uns helfen, zu verstehen, dass die Suche nach der Wahrheit letzten Endes Suche nach Gott ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Nun möchte ich einige Initiativen in Erinnerung bringen, die die Christengemeinschaft von Rom betreffen. Zuerst: Heute wird der Tag für die Errichtung von neuen Kirchen an der Peripherie der Stadt begangen. Die Pfarrkirchen sind nicht nur Orte des Kultes, sondern sehr oft Bauten von künstlerischer Schönheit wie auch Zentren der Aggregation und Hilfe für die vielen gesellschaftlichen Bedürfnisse des Gebiets. Mein Wunsch ist es, dass die Solidarität der Gläubigen und aller Römer immer weitherziger werde, damit eine angemessene Präsenz von Pfarrkomplexen in den Stadtrandvierteln gewährleistet werden kann. [...] Schließlich will ich die zahlreichen Kinder grüßen, die mit den Statuen des Jesuskindes und der Krippe auf dem Platz anwesend sind. Meine Lieben, von Herzen segne ich die „Bambinelli“ [Christkinder], die ihr mitgebracht habt. Sie werden die weihnachtliche Friedensbotschaft in eure Schulen und Pfarreien bringen. Die Krippe, die auch hier auf dem Platz aufgebaut wird, lässt uns an Greccio denken, wo der hl. Franz von Assisi die erste Weihnachtsdarstellung ins Leben rief. Gerade heute wird von diesem Ort ein Friedensappell an die Welt gerichtet, dem ich mich gerne anschließe. [...] Gestern ist die Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien abgeschlossen worden. Wir danken für diese große Erfahrung der Kirche und wünschen unseren Mitbrüdem im Bischofsamt eine gute Rückkehr nach Hause, in ihre Heimatorte und auf ihre Inseln. Der Segen des Herrn möge mit ihnen sein; mögen sie frohe Weihnachtstage verbringen. [...] 183 A UDIENZEN UND ANGELUS Vom Vater zum Vater Generalaudienz am 16. Dezember 1. „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Mit diesen Worten Jesu beginnen wir heute einen neuen Katechesezyklus, in dessen Mittelpunkt die Gestalt Gottvaters steht, den Themenvorgaben folgend, die das Schreiben Tertio millennio adveniente zur Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 bietet. Im Zyklus des ersten Jahres haben wir über Jesus Christus, den einzigen Retter, nachgedacht. In der Tat hat das Jubiläum als Feier des Kommens des Gottessohnes in die Menschheitsgeschichte einen stark christologischen Gehalt. Wir haben über die Bedeutung der Zeit meditiert, die mit der Geburt des Erlösers vor zweitausend Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat. Dieses Ereignis, das die christliche Ära einleitet, eröffnet zugleich auch eine neue Phase der Erneuerung der Menschheit und des Universums in der Erwartung des endzeitlichen Kommens Christi. In den Katechesen des zweiten Vorbereitungsjahres für die Feier des Jubiläums haben wir unsere Aufmerksamkeit dann auf den Heiligen Geist, den Jesus vom Vater gesandt hat, gerichtet. Wir haben ihn betrachtet, wie er in der Schöpfung und der Geschichte am Werk ist als Personseiende Liebe und Gabe. Wir haben seine Kraft unterstrichen, die aus dem Chaos einen an Ordnung und Schönheit reichen Kosmos hervorgehen lässt. In Ihm wird göttliches Leben mitgeteilt, in Ihm wird die Geschichte Weg zum Heil. Jetzt wollen wir das dritte Jahr der Vorbereitung auf das unmittelbar bevorstehende Jubiläum als eine Pilgerfahrt zum Haus des Vaters leben. Wir begeben uns also auf den Weg, der, vom Vater ausgehend, die Geschöpfe zum Vater zurückführt nach dem Liebesplan, der in Christus voll offenbart wurde. Der Weg zum Jubiläum soll in einen großen Lobpreis an den Vater einmünden (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 49), so dass in Ihm die ganze Dreifaltigkeit verherrlicht sei. 2. Ausgangspunkt für unsere Reflexion sind die Worte des Evangeliums, die uns Jesus als den Sohn und Offenbarer des Vaters zeigen. Seine Lehre, sein Dienst, seine Lebensweise selbst - alles an ihm verweist auf den Vater (vgl. Joh 5,19.36; 8,28; 14,10;17,6). Der Vater ist der Mittelpunkt des Lebens Jesu, und Jesus ist seinerseits der einzige Weg, um zum Vater zu gelangen. „... niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Jesus ist der Begegnungspunkt der Menschen mit dem Vater, der sich in ihm sichtbar gemacht hat: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?“ (Joh 14,9-10). Das ausdrucksvollste Zeichen dieser Beziehung Jesu zum Vater haben wir in seiner Befindlichkeit als Auferstandener, Höhepunkt seiner Sendung und Grundlage neuen und ewigen Lebens für alle, die an ihn glauben. Doch die Einheit zwischen dem Sohn und dem Vater wie auch die zwischen dem Sohn und den Glaubenden 184 AUDIENZEN UND ANGELUS geht hindurch durch das Geheimnis der „Erhöhung“ Jesu entsprechend einem typischen Ausdruck des Johannesevangeliums. Mit dem Begriff „Erhöhung“ bezeichnet der Evangelist sowohl die Kreuzigung als auch die Verherrlichung Jesu; beide wirken sich auf den Glaubenden aus: so muß der Menschensohn erhöht wer- den, damit jeder, der [an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,14-16). Dieses „ewige Leben“ ist nichts anderes als die Teilhabe der Glaubenden am Leben des auferstandenen Jesus selbst und besteht im Eingebunden-Sein in jenen Kreislauf der Liebe, der den Vater und den Sohn, die eins sind (vgl. Joh 10,30; 17,21-22), verbindet. 3. Die tiefe Gemeinschaft, in der der Vater, der Sohn und die Glaubenden sich begegnen, schließt den Heiligen Geist ein. Er ist nämlich das ewige Band, das den Vater und den Sohn eint und in dieses unaussprechliche Geheimnis der Liebe die Menschen mit einbezieht. Als „Beistand“ gegeben, „wohnt“ der Geist in den Jüngern Christi (vgl. Joh 14,16-17), die Dreifaltigkeit gegenwärtig machend. Nach dem Evangelisten Johannes sagt Jesus gerade im Kontext der Verheißung des Pa-rakleten: „An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin ich euch“ (Joh 14,20). Der Heilige Geist ist derjenige, der den Menschen in das Geheimnis des dreifältigen Lebens einführt. Als „Geist der Wahrheit“ (Joh 15,26; 16,13) wirkt er im Innersten der Glaubenden, um die Wahrheit, die Christus ist, in ihrem Herzen leuchten zu lassen. 4. Auch Paulus hebt dieses unser Ausgerichtet-Sein auf den Vater durch den Geist Christi, der in uns wohnt, hervor. Für den Apostel handelt es sich um eine wirkliche Sohnschaft, die es uns erlaubt, Gottvater mit demselben vertraulichen Namen, den Jesus gebraucht hat: „Abba“ (vgl. Rom 8,15), anzurufen. In diese neue Dimension unserer Beziehung zu Gott mit einbezogen ist die ganze Schöpfung, die „sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes (wartet)“ {Röm 8,19). Ja, die Schöpfung „seufzt (bis zum heutigen Tag) und (liegt) in Geburtswehen“ (Röm 8,22) in Erwartung der vollkommenen Erlösung, welche die Harmonie des Kosmos in Christus wiederherstellen und vollenden wird. In der Beschreibung dieses Geheimnisses, das die Menschen und die gesamte Schöpfung mit dem Vater vereint, bringt der Apostel die Funktion Christi und das Wirken des Geistes zum Ausdruck. Durch Christus, „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), ist in der Tat alles geschaffen. Er ist „der Ursprung, der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,18). In ihm wird alles „vereint“, alles im Himmel und auf Erden (vgl. Eph 1,10), ihm kommt es zu, es dem Vater zu übergeben (vgl. 1 Kor 15,24), damit Gott herrscht „über alles und in allem“ (1 Kor 15,28). Der Weg des Menschen und der Welt zum Vater ist von der Kraft des Heiligen Geistes getragen, der sich unserer Schwachheit annimmt und „für uns ein [tritt] mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26). 185 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Neue Testament führt uns so mit großer Klarheit in diese Bewegung ein, die vom Vater zum Vater geht. Sie wollen wir mit besonderer Aufmerksamkeit betrachten in diesem letzten Vorbereitungsjahr für das Große Jubiläum. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Pilgergruppe der Hausmusik der Pfarrei Sankt Margareth aus Altkirchen besonders willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Auch an Weihnachten ist das Leid nicht auszublenden Angelus am Vierten Adventssonntag, 20. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. In wenigen Tagen ist Weihnachten. In den Familien sind eifrige Vorbereitungen in Gang. Auch auf diesem Platz bringen uns die Errichtung des Stalles und der zum Himmel ragende, bereits mit Lichtem geschmückte Baum die Nähe eines empfin-dungs- und stimmungsreichen Festes zu Bewusstsein. Mit meinen herzlichsten Wünschen für euch alle geht mein Aufruf an einen jeden, nicht bei einer äußerlichen Sichtweise von Weihnachten stehen zu bleiben und es auf ein Brauchtums-Fest einzuengen, sondern dessen tiefe Wahrheit neu zu entdecken: dass der Sohn Gottes zu uns gekommen ist in der Niedrigkeit unseres Fleisches. Es ist nötig, dass wir in uns die Haltung der Jungfrau Maria - eine Haltung des Staunens und fassungsloser Bewunderung - vor dem Geheimnis lebendig werden lassen. Möge Weihnachten alle zur Begegnung mit Gott führen und in jedem Herzen Gefühle gegenseitiger Vergebung und mitmenschlicher Solidarität wecken. 2. Die Weihnachtsatmosphäre verstärkt noch das Leiden über das, was in diesen Tagen der Bevölkerung des Irak widerfahren ist, deren Drama niemand gleichgültig lassen kann. Mit meinem tiefen Schmerz über die Lage dieser Bevölkerung verbindet sich die Bitterkeit, feststellen zu müssen, wie oft die Hoffnungen enttäuscht werden, die man auf die Gültigkeit und Kraft des internationalen Rechtes und auf die Organisationen, die dessen Anwendung garantieren sollen, setzt. Ein weiteres Mal wiederhole ich: Der Krieg ist noch nie ein geeignetes Mittel für die Lösung der Probleme unter den Nationen gewesen und wird es niemals sein! Mehr den je muss also das irakische Volk im Mittelpunkt der Sorge derer stehen, die im Irak und anderswo die Pflicht haben, die Krise zu lösen. An alle richtet sich 186 A UDIENZEN UND ANGELUS mein besorgter Appell, dass die Solidarität unter den Menschen und die Beachtung der internationalen Ordnung den Sieg davontragen. Nach dem Angelus sagte der Papst u. a.: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger aus Bad Säckingen, die in diesem Jahr den Weihnachtsbaum gestiftet haben. Mit der Schwarzwaldtanne bereitet ihr allen eine große Freude. Gottes Segen an eure Landsleute und frohe Weihnachten! [-] Gottes Bundesschluss mit den Menschen Generalaudienz am 23. Dezember 1. „Immanuel, du unser König und Richter, Sehnsucht der Völker und ihr Erlöser: Komm und rette uns, Herr, unser Gott“. So lädt die Liturgie uns ein, den Herrn anzumfen heute, am Vortag der Vigil von Weihnachten, während der Advent sich bereits dem Ende zuneigt. Wir haben in diesen Wochen die Erwartung Israels neu erlebt, wie sie in so vielen Schriften der Propheten bezeugt ist: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf (Jes 9,1-2). Durch die Fleischwerdung des Wortes hat der Schöpfer den Pakt eines ewigen Bundes mit den Menschen besiegelt: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Wie sollte man nicht Dankbarkeit empfinden gegenüber dem Vater, der seinen eigenen Sohn hingibt, den geliebten, an dem er Gefallen fmdet (vgl. Mt 3,17), und ihn, den das ganze All nicht fassen kann, in den engen Schoß eines Geschöpfes legt? 2. In der Stille der Heiligen Nacht enthüllt das Geheimnis der Gottesmutterschaft Marias das lichtvolle und freundliche Antlitz des Vaters. Seine Züge zärtlicher Sorge für die Armen und Sünder treten bereits in dem wehrlosen Kind zutage, das in der Grotte im Arm der Jungfrau liegt. Liebe Brüder und Schwestern, ich spreche jedem von euch sowie euren Lieben die innigsten Wünsche für ein glückliches und gnadenreiches Weihnachtsfest aus. Möge das Licht des Erlösers, der kommt, um uns das zärtliche und barmherzige Antlitz des Vaters zu offenbaren, im Leben aller Glaubenden erstrahlen und der Welt das Geschenk göttlichen Friedens bringen. 187 AUDIENZEN UND ANGELUS Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! „O Gott mit uns, Immanuel. Du Fürst des Hauses Israel, o Hoffnung aller Völker du: komm, führ uns deinem Frieden zu.“ Mit diesen Worten erbittet die Kirche heute die Ankunft des Herrn. Wir stimmen in dieses Gebet ein und erflehen das Kommen des Friedensfürsten. Von Herzen wünsche ich Euch ein friedvolles Weihnachtsfest im Kreise Eurer Lieben. Der Segen, der von der Krippe ausgeht, möge hinüberstrahlen ins neue Jahr. Dazu erteile ich Euch und allen, die über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen. Zeugnis geben für das menschgewordene Wort Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. „O Heiland, reiß die Himmel auf“: Dieser Ruf hat uns durch die Adventszeit begleitet. In der Heiligen Nacht hat der Himmel sich geöffnet, und der Immanuel ist zu uns herabgekommen: Im menschgewordenen Wort können wir endlich das er-barmungsvolle Antlitz des himmlischen Vaters betrachten. Als erste betrachteten es Maria und Josef zusammen mit den Hirten, dann die Sterndeuter, die Apostel und alle, die ihm auf den Straßen von Galiläa und von Judäa begegneten. Nach ihnen sahen die Heiligen aller Zeiten im Glauben „den Himmel offen“. Als erster unter den Märtyrern der hl. Stephanus, dessen Fest wir heute feiern. Er gab sein Leben, um seine Treue zum Erlöser zu bezeugen. In der Finsternis der Verfolgung erschien ihm der Herr als leuchtender Stern, der das Dunkel des Bösen überwindet, die Hoffnung wieder entzündet und den neuen Tag ankündigt: das ewige Leben. 2. Das Gedächtnis des ersten Märtyrers Stephanus verlängert so in gewissem Sinn die Freude von Weihnachten. Seine mutige und treue Entscheidung für Jesus spornt uns an, das Evangelium konsequent zu bezeugen, so wie er es getan hat, der, erfüllt vom Heiligen Geist, Christus im Leben und im Tod nachgefolgt ist. Sein Vorbild sei insbesondere denen ein Halt, die auch heute um des Glaubens willen harten Prüfungen ausgesetzt sind, damit in ihnen der Mut zur vollen Treue zum Herrn niemals nachlasse. Die Jungfrau Maria, schweigsame Zeugin des Geheimnisses der Menschwerdung und beständige Stütze der Heiligen und Märtyrer, möge ihre Fürbitte für uns einlegen, dass wir in die Mitte unseres Lebens Jesus Christus 188 AUDIENZEN UND ANGELUS zu stellen vermögen, den wir in diesen Tagen in der Einfachheit und Niedrigkeit der Krippe betrachten. Nur eine Gesellschaft von Familien hat Zukunft Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Heiligen Familie, 27. Dezember l.In der freudigen Atmosphäre von Weihnachten lässt uns die Kirche, die mit neuem Erstaunen das Geheimnis von Immanuel - Gott-mit-uns - lebt, heute die Heilige Familie von Nazaret betrachten. Aus der Betrachtung dieses wundervollen Vorbildes schöpft die Kirche Werte, um sie den Frauen und Männern aller Zeiten und aller Kulturen anzubieten. „O Familie von Nazaret, lebendiges Bild der Kirche Gottes!“ Mit diesen Worten erkennt die Christengemeinde in der familiären Gemeinschaft von Jesus, Maria und Josef eine wahre „Lebensregel“: Je mehr die Kirche das „Liebesbündnis“ zu verwirklichen weiß, das sich in der Heiligen Familie kundtut, umso besser wird sie ihre Sendung erfüllen, Ferment zu sein, damit „die Menschen in Christus eine einzige Familie bilden“ (vgl. Ad gentes, Nr. 1). 2. Von der Heiligen Familie strahlt ein Licht der Hoffnung auch auf die Wirklichkeit der Familie von heute. Im Bewusstsein dessen hat sich der Päpstliche Rat für die Familie schon jetzt ans Werk gemacht, um das dritte „Welttreffen der Familien“ vorzubereiten, das am 14. und 15. Oktober des Jahres 2000 in Rom im Rahmen des Großen Jubiläums stattfinden wird. Die Vorbereitung hat das Leitwort zum Mittelpunkt: „Die Kinder, Frühling der Kirche und der Gesellschaft.“ Das letzte Treffen war in Rio de Janeiro. Und das erste, vor vier Jahren, war in Rom. Das bevorstehende ist also das dritte. Ja, gerade in Nazaret brach der Frühling des menschlichen Lebens des Gottessohnes an in dem Augenblick, wo Er durch den Heiligen Geist im jungfräulichen Schoß Marias empfangen wurde. In den gastlichen Mauern des Hauses von Nazaret entfaltete sich in Freude die Kindheit Jesu: Er „wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). 3. Das Geheimnis von Nazaret lehrt somit jede Familie, ihren Kindern das Leben zu schenken und sie aufzuziehen und dabei auf wunderbare Weise am Werk des Schöpfers mitzuarbeiten und der Welt mit jedem Kind ein neues Lächeln zu schenken. In der geeinten Familie bringen die Kinder ihr Dasein dadurch zur Reife, dass sie die bedeutsamste und reichste Erfahrung von unentgeltlicher Liebe, Treue, gegenseitiger Achtung und Verteidigung des Lebens machen. Auf die Familie von Nazaret blicken die Familien von heute, um dem Vorbild von Maria und Josef in ihrer liebevollen Sorge für das menschgewordene Wort die geeigneten Richtlinien für die täglichen Lebensentscheidungen zu entnehmen! Im 189 AUDIENZEN UND ANGELUS Licht des in dieser unübertrefflichen Schule Gelernten wird jede Familie sich auf dem Weg zur vollen Verwirklichung des Planes Gottes orientieren können. Soziale Kreativität Anläßlich des Festes der Heiligen Familie möchte ich gerne auf ein interessantes soziales Projekt unter dem Namen „Aggiungi un posta a tavola“ [Deckt einen Teller mehr ein] hinweisen. Einsame, notleidende, obdachlose Menschen werden zu Neujahr von gastfreundlichen Familien eingeladen, die die Türen ihres Hauses für sie öffnen. Vom „Osservatorio“ in Mailand angeregt, ist diese Initiative auch in Rom und anderswo in Ausbreitung begriffen: Ich wünsche von Herzen, dass die Zahl derer wachse, die sich ihr anschließen, nicht nur um Notleidenden einen frohen Tag zu verschaffen, sondern auch um auf diese Weise eine Freundschaft und fruchtbare Zusammenarbeit aufzubauen. 190 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen REISEN 1. Pastoralbesuch im mittelitalienischen Erdbebengebiet (3. Januar) Verbundenheit erleichtert den Wiederaufbau Auszüge aus der Ansprache an die Bevölkerung von Annifo am 3. Januar Liebe Brüder und Schwestern! ... Während ich im Hubschrauber hierher nach Annifo, zur ersten Station der Reise, flog, die mich dann nach Cesi und nach Assisi führen wird, war ich betroffen von dem Bild der Zerstörung, das sich meinen Augen darbot, als ich auf das Gebiet des Apennin in Umbrien und den Marken blickte. Von Cascia und Norcia bis Spoleto, von Fabriano und Macerata bis Camerino, von Foligno bis Assisi ist man beeindruckt und tief ergriffen beim Anblick von Häusern, Kirchen und geschichtlich bedeutsamen Gebäuden, die in wenigen Augenblicken zu Ruinen und Trümmerhaufen geworden sind. Von Herzen grüße ich die Bevölkerung dieser an Kunst und Kultur reichen Gebiete, die zu besuchen mir nicht möglich ist. Ich konnte persönlich feststellen, wie tief das Erdbeben diese Gegend, ihr Erbe an Denkmälern, die Stätten der Arbeit und des Lebens, die Symbole der religiösen und kulturellen Identität dieser Landstriche gezeichnet hat. Hier in Annifo haben die besonders heftigen Erdstöße das bewohnte Zentrum fast völlig zerstört. Nur sieben Häuser blieben stehen: eine Situation, die leider nicht sehr verschieden ist von der in vielen Ortschaften der Umgebung, sowohl in Umbrien wie in den Marken. Wie sollte man in den zerstörten Häusern, Kirchen, Straßen und Plätzen nicht Sinnbilder verwundeter Vertrautheit, verletzter menschlicher Bande, unterbrochener historischer Beständigkeit und verlorenen Sicherheitsgefühls sehen? Wie nicht die Angst derer erwägen, die mit ihrer Wohnung die Frucht ihrer Ersparnisse und der Opfer von Jahren ihres Lebens Zusammenstürzen sahen? Und wie nicht an die Kranken denken, die noch mehr ihre Schwäche und ihr Alleinsein spürten, der schützenden Wärme des Hauses und der Liebe der Angehörigen entzogen? Was soll man schließlich von der Verlorenheit der Kleinen sagen, die plötzlich der gewohnten Umwelt ihres Lebens und ihrer Spiele entrissen und dem Unbekannten und Unbehaglichen behelfsmäßiger Unterkünfte ausgesetzt wurden? In diesem Augenblick gilt mein Gedenken sodann vor allem denen, die in diesen tragischen Ereignissen den Tod gefunden haben. Ich vertraue sie dem Herrn an und habe den Wunsch, das Andenken an sie möge für alle eine Aufforderung zum Einsatz sein, um so bald wie möglich die Umwelt, in der sie gelebt, gearbeitet, gebetet und geliebt haben, wieder aufzubauen. Liebe Brüder und Schwestern! Das Erdbeben, das euch anfangs Schwäche und Hilflosigkeit empfinden ließ, hat aus euren Herzen nicht das Kostbarste wegge- 193 REISEN nommen: das Erbe an christlichen und menschlichen Werten, die eure Gemeinschaften seit Jahrhunderten geeint halten. Das Erdbeben hat sogar in erstaunlicher Weise die menschlichen und geistlichen Reichtümer zum Vorschein kommen lassen, über die ihr verfügt. Bewundernswerte Gesten von Güte, Solidarität und geschwisterlichem Teilen, Werke von Kleinen und Erwachsenen, von Personen an verantwortlicher Stelle und von einfachen Bürgern, das alles hat in euren Vierteln das tägliche Leben nach dem Erdbeben gekennzeichnet. Zwischen den Ruinen eurer Ortschaften schreibt ihr eine der bedeutungsvollsten Seiten eurer Geschichte. Setzt mit Vertrauen euren Weg vereint fort! Schaut offenen Sinnes der Zukunft entgegen. Das Weihnachtsgeheimnis, das wir in diesen Tagen betrachten, erinnert uns daran, dass der Herr der „Emmanuel“, der Gott-mit-uns, ist, der Gott, der zu uns gekommen ist, um bei uns zu bleiben. Diese vom christlichen Glauben genährte Betrachtung, ein kostbares Erbe, das euch von euren Vätern übergeben wurde und das der Angelpunkt im Leben eurer Gemeinden ist, helfe euch gerade in dieser besonderen Zeit, unerschütterlich auf die göttliche Vorsehung zu vertrauen und in tätigem Bemühen die Hoffnung und eine geschwisterliche und solidarische Liebe zu pflegen ... Solidarität in der Not leisten und erfahren Ansprache an die Bevölkerung von Cesi am 3. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nach dem Besuch in Annifo bin ich nun bei euch in Cesi, um in Gedanken zusammen mit euch alle zu umarmen, die in den Marken vom Erdbeben betroffen wurden. Ich grüße den Bischof von Camerino und den Vorsitzenden der Regionalen Bischofskonferenz, den Erzbischof von Fermo. Ich grüße den Pfarrer und die ganze Gemeinde dieser Ortschaft, deren Wohnungen praktisch fast alle zerstört sind. Von Herzen denke ich auch an die Einwohner der anderen Zentren, in denen Kirchen und Wohnungen zusammengestürzt oder unbenutzbar geworden sind. Im Geist gehe ich zu allen Familien, zu den Kranken, zu den alten Menschen und zu den Kindern. Allen, besonders denen, die von Trostlosigkeit erfasst sind, möchte ich sagen: Mut! Mut! Der Herr ist nahe! Auch der Papst ist euch nahe! Ich bin euch nahe seit dem ersten Augenblick, als ich die Nachricht über dieses verheerende Erdbeben erfuhr. Ich habe für euch gebetet und tue es weiterhin. Heute aber, seht, bin ich mitten unter euch, wenn auch nur für kurze Zeit, um euch meine Solidarität zu bezeigen. Am Beginn eines neuen Jahres komme ich zu euch im Namen jenes Gottes, der sich dafür entschieden hat, in unserer gebrechlichen Menschheit zu wohnen, um sie mit einer neuen und unbesiegbaren, weil auf dem Glauben gegründeten Hoffnung zu erfüllen. 2. Die Prüfungen des Lebens lassen uns das Vorläufige unseres menschlichen Daseins erfahren. Sie erinnern uns daran, dass wir nur vorübergehend auf Erden sind 194 REISEN und dass unsere Heimat nicht hier unten, sondern bei Gott ist. In dieser weihnachtlichen Zeit aber wiederholt die Liturgie, dass Gott, der Schöpfer und Herr aller Dinge, nicht fern von uns ist, selbst wenn das Gegenteil zuzutreffen scheint. Er ist solidarisch mit unseren Leiden: Er ist gekommen, um unter uns zu wohnen, verborgen in unseren menschlichen Verhältnissen, weil er sie mit der Liebe erfüllen will, die Quelle und letzter Sinn jedes Daseins ist. Der Psalmist sagt: „Gott ist uns Zuflucht und Stärke, ein bewährter Helfer in allen Nöten. Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Erde auch wankt, wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres“ (Ps 45/46,2-3). Inmitten aller Erschütterungen verliert der Glaubende nicht das Bewusstsein der stärkenden Gegenwart des Herrn. Auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, werdet, von ihm gestützt und gestärkt, nicht nur materiell eure Ortschaften wieder aufbauen können, sondern auch die geistliche Energie zu einer echten inneren und gemeinschaftlichen Erneuerung aufbringen. 3. In den Tagen, die das ruhige und arbeitsame Leben dieser Gegenden erschüttert haben, gab eure Bevölkerung das einzigartige Zeugnis einer Würde, die allgemeine Bewunderung hervorrief. Die materiellen Schäden haben eure Anhänglichkeit an diese Regionen nicht abgeschwächt. Im Gegenteil, die von der großen Mehrheit der Geschädigten getroffene Entscheidung, an ihren Wohnorten zu bleiben, zeigt, dass die erlittene Prüfung den Sinn für die eigene Identität und Zugehörigkeit noch stärker gemacht hat. Eine Ermutigung in diesem Sinn war sicherlich die Geburt zahlreicher Kinder in diesen Monaten, eine Freude für viele vom Erdbeben betroffene Gemeinden. Von hier aus möchte ich alle Kinder grüßen, die für diese Gegenden die Verheißung von Zukunft und Leben sind. Einige von ihnen habe ich schon treffen können, und nun möchte ich mich in Gedanken von diesem kleinen Zentrum im Apennin von Umbrien und den Marken aus an alle Kinder der Marken und Umbriens wenden. In der festlichen Atmosphäre der weihnachtlichen Feiern grüße und umarme ich sie von Herzen! Liebe Kinder, der Herr segne euch, lasse euch gut und mutig aufwachsen, und schenke euch und euren Lieben viel unbeschwerte Freude. Nach Jahren werden vielleicht diese während des Erdbebens geborenen Kinder von ihren Eltern hören: „Du bist im Augenblick des Erdbebens geboren und wusstest nichts davon.“ Ja, so geht es im Leben. Ich bin im Augenblick des Krieges zwischen Polen und dem kommunistischen Russland geboren, und auch ich habe nichts davon gewusst. Aber ich habe große Bewunderung und Dankbarkeit denen gegenüber bewahrt, die während dieses Krieges Vertrauen hatten und dann gesiegt haben. Das war sehr wichtig. Es war im Jahre 1920. 4. Neben den Kindern sehe ich die Eltern: die Familien, denen ich meine Bewunderung zum Ausdruck bringe wegen ihres Einsatzes, mit dem sie auf die harte Prüfung eines schweren, lang andauernden Erdbebens reagiert haben. Viele von ihnen leben im Notstand, in provisorischen Unterkünften. Möge doch diesen Familien nie unser aller Hilfe fehlen. In dieser Hinsicht muss ich die erstaunliche, großzügige Antwort unterstreichen, die das Erdbeben auch über die Grenzen der betroffe- 195 REISEN nen Regionen hinaus hervorgerufen hat. Ja, liebe Brüder und Schwestern, in diesen Monaten habt ihr auf ein weitreichendes Netz der Solidarität zählen können, das euch geholfen hat, euch weniger allein zu fühlen. Trotz der schwierigen Bedingungen, unter denen - infolge der Jahreszeit und der nicht immer leichten Kommunikation - gearbeitet wurde, hat der Einsatz aller es nun schon ermöglicht, in fast jedem Zentrum die allemötigsten Dienste wieder instand zu setzen. Besonders bedeutsam war ebenfalls die Anwesenheit vieler Freiwilliger aus allen Teilen Italiens, die mit den vom Erdbeben Geschädigten Unbequemlichkeiten und Sorgen, Spannungen und Hoffnungen geteilt haben. Einzigartig hat sich auch die Solidarität vieler Menschen gezeigt, die auf verschiedene Weisen materielle Hilfe schickten, sowie zahllose Beweise geistlicher Nähe und liebevoller Anteilnahme. Unter den verschiedenen bei diesem Werk eingesetzten Organisationen möchte ich besonders die Arbeit der Caritas weiter ermutigen, die die Dienste der Solidarität im Namen der kirchlichen Gemeinschaft koordiniert. Ich möchte meine Wertschätzung für alles, was getan wurde, zum Ausdruck bringen und den zuständigen Obrigkeiten Mut zusprechen, auf dem begonnenen Weg weiterzugehen, um rechtzeitig die notwendigen Initiativen zur Finanzierung und Koordinierung des Aufbauwerkes in die Tat umzusetzen. Mit den Glückwünschen zum neuen Jahr verbinde ich den Wunsch, dass man so bald wie möglich zum gewohnten Leben zurückkehren könne: die nach erdbebensicheren Kriterien wiederaufgebauten Häuser, Kirchen und öffentlichen Gebäude werden das Zeichen der Rückkehr zum Normalen sein und vor allem Zeichen einer bleibenden, zukunftsgerichteten geistigen Identität. Liebe Brüder und Schwestern, ich fordere euch auf, diesen Wettstreit hochherziger Geschwisterlichkeit fortzusetzen. Ich rufe den beständigen Schutz Marias, der Heiligen Jungfrau, auf euch herab und erteile allen in herzlicher Liebe meinen Segen. Assisi — Zeichen von Frieden und Brüderlichkeit in Vergangenheit und Zukunft Ansprache an die Bewohner von Assisi am 3. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nach kurzem Aufenthalt in den kleinen Zentren Annifo und Cesi, von wo aus ich in Gedanken alle anderen von der Tragödie des Erdbebens betroffenen Orte umarmen wollte, bin ich nun hier in Assisi, in dieser eurer Stadt, in der die Zeichen einer so harten Prüfung deutlich sichtbar sind. Ich bin bei euch, um jedem konkret meine Nähe und die der ganzen kirchlichen Gemeinschaft zu bezeigen. Schon von Bologna aus, wo ich mich am Tag nach den ersten Erdstößen beim Eucharistischen Kongress befand, habe ich meine Solidarität mit den vom Erdbeben Betroffenen zum Ausdruck gebracht. Von da an habe ich unaufhörlich mit teilnehmender Sorge täglich ihr Ergehen verfolgt und bin nun dem Herrn dankbar, dass er mir heute 196 REISEN Gelegenheit gibt, bei euch zu sein und euch meine liebende Anteilnahme zu bekräftigen. Einen herzlichen Gruß richte ich vor allem an den Hirten dieser geliebten Diözese, den lieben Msgr. Sergio Goretti, dem ich für seine an mich gerichteten herzlichen Worte danke, und an alle Bischöfe der Erdbebenzone, besonders den Erzbischof von Spoleto und den Bischof von Fabriano, in deren Diözesen ich nicht kommen konnte, die ich aber gerne hier treffen wollte, zusammen mit einigen Pfarrern in Vertretung der Bevölkerung ihrer Gebiete. Ich grüße auch die Gemeinschaft der Konventual-Minderbrüder, die mit so viel Liebe die Hüter dieser Patriarchalbasilika sind. Mein ehrerbietiger Gruß gilt dem Herrn Ministerpräsidenten, dem Sekretär des Ministerrats und dem Staatssekretär für die Koordination des Zivilschutzes, den Präsidenten der Regionen Umbrien und Marken, dem Bürgermeister von Assisi, den Bürgermeistern der zahlreichen anderen vom Erdbeben betroffenen Orte und allen anwesenden zivilen, militärischen und religiösen Obrigkeiten. Ich weiß gut, wie sehr das Erdbeben das kostbare menschliche und künstlerische Erbe gefährdet hat, das dieses euer Land kennzeichnet, liebe Brüder und Schwestern. Ebenso gut kenne ich aber auch euren festen Entschluss, angesichts dieser, wenn auch zahlreichen und großen Schwierigkeiten nicht der Entmutigung nachzugeben. Der Papst ist heute hier, um euch zu sagen, dass er mit euch ist und euch in eurem Vorhaben zu erneutem Einsatz in dem schwierigen Werk des Wiederaufbaus bestärken möchte. 2. Von dieser Anhöhe aus, die so viel Franziskanisches aufzuweisen hat, schweift der Blick über das Tal und den Bergabhängen entlang und drängt dazu, in Gedanken alle die Orte - die kleinen Gebirgsdörfer und die großen Zentren, wie z. B. Nocera Umbra und Gualdo Tadino -, die das Erdbeben betroffen hat, liebend zu umfangen. Die Unbequemlichkeiten sind im wesentlichen die gleichen; ähnlich sind auch die Beschädigungen an den Häusern und den Kunst- und Kulturdenkmälern. Zu dem Leid derer, die liebe Menschen verloren haben, kommt das von jenen hinzu, die in einem Augenblick das mit den Opfern eines ganzen Lebens Erkaufte zugmnde gehen sahen und die nun versucht sind, der Entmutigung nachzugeben. Hier sind mehr denn je die Worte aktuell: Franziskus, geh und stelle mein Haus wieder her! Es muss aber anerkannt werden, dass in den Tagen der wiederholten Erdstöße das Zeugnis von Würde und Anhänglichkeit an ihr Land, das die Menschen Umbriens und der Marken gegeben haben, bei allen große Bewunderung hervorgerufen hat. Liebe Brüder und Schwestern, möge diese eure vorbildliche Haltung nicht nachlas-sen! Die Seelenstärke, die Gaben der Arbeitsamkeit, die traditionelle Unternehmungslust, die euch auszeichnen, sollen nicht schwächer werden! Ich wünsche und hoffe, dass sie vielmehr wie neu gefestigt aus der Prüfung hervorgehen und in tatkräftiger, konkreter Zusammenarbeit, die eine rasche Wiederherstellung garantiert, zum Ausdruck kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich lebhafte Wertschätzung bekunden für den hochherzigen Beitrag, den die Freiwilligen und viele Mitarbeiter auf verschiedenen 197 REISEN Ebenen bei Hilfs- und Aufbaudiensten geleistet haben. Ich ermutige jeden, die Bemühungen zu intensivieren, um das begonnene Werk fortzusetzen. Der Glaube sagt uns, dass das, was zugunsten von jemand getan wird, der sich in Not und Leid befindet, an Christus selbst getan ist (vgl. Mt 25,40). Nach Überwindung der Notstandsphase eröffnet sich jetzt die des Wiederaufbaus. Das soeben begonnene Jahr sei das Jahr der Wiedergeburt und des sozialen und wirtschaftlichen Aufschwungs dieser Zone! Mit Befriedigung nehme ich die von den örtlichen und regionalen Verwaltungsbehörden unternommenen Initiativen zur Kenntnis wie auch die beträchtlichen Leistungen, welche die italienische Regierung beschlossen hat, um euren dringendsten Bedürfnissen entgegenzukommen. Ich wünsche und hoffe, alles möge in kurzer Zeit Wirklichkeit werden, damit das Panorama der Städte und Dörfer, die heute weithin von Schutthaufen und zerrütteten Straßen gezeichnet sind, dank der notwendigen Restaurierungsarbeiten und der Wiederherstellung der Wohnungen, der Kirchen und der beschädigten Denkmäler wieder so eindrucksvoll wie vordem wird. 3. Ich bin hierher nach Assisi gekommen, um am Grab des „Poverello“ zu beten. Von diesem der franziskanischen Tradition heiligen und vom Erdbeben schwer geschädigten Ort aus, von dieser Basilika aus, auf die Männer und Frauen der ganzen Welt bewundernd schauen, erhebe ich ein inständiges Gebet zum Herrn für die Opfer des Erdbebens, für ihre Familien und für alle, die noch immer in schwierigen Situationen leben. Ich bitte auch für die Arbeiter und die Freiwilligen, die sich mit äußerster Hingabe in dem verdienstvollen Hilfswerk für die Obdachlosen einset-zen. Der Herr stärke alle, und lasse jeden seine Unterstützung spüren! Der hl. Franziskus, der seraphische Sohn dieses Landes, hat mit seinem Leben den Wert der Solidarität und des mit Liebe den Bedürftigen erwiesenen Dienstes bezeugt. Klara, die demütige, dieser Stadt entsprossene Heilige, hat hier ihr ganzes Leben verbracht, indem sie im Gebet die apostolischen Mühen der Arbeiter für den Frieden und Verkünder des Evangeliums begleitete. Wie sollten wir sie in diesen schwierigen Monaten der Prüfung nicht unter uns anwesend fühlen? Sicherlich segnen und unterstützen sie vom Himmel aus den emsigen, hochherzigen Wetteifer, bei dem Leute aus jedem Winkel Italiens sich Seite an Seite mit der vom Erdbeben betroffenen Bevölkerung einsetzen. Zugleich fordern sie euch alle auf, liebe Brüder und Schwestern, der schwierigen Lage, die ihr jetzt durchmacht, im Geist des Evangeliums entgegenzutreten. Es hat im Leben von Franziskus und Klara nicht an Augenblicken des Leidens und der Einsamkeit gefehlt. Man braucht nur an die vielen Krankheiten, Entbehrungen und Ängste zu denken, die in der mystischen Umarmung mit dem Gekreuzigten auf dem Monte Verna und in der beständigen Anbetung der Eucharistie ihren Höhepunkt fanden. Die franziskanische Botschaft über den Wert, den Entbehrung und Schmerz im Licht des Evangeliums annehmen, möge euch helfen, auch in den schmerzvollen Ereignissen dieser Monate die Verfügungen eines Vaters zu erkennen und anzunehmen, der immer voll Liebe ist, auch wenn er Prüfungen zulässt. 198 REISEN 4. Liebe Brüder und Schwestern! Wir sind in der Atmosphäre der weihnachtlichen Feste, und vor einigen Tagen haben wir ein neues Jahr begonnen. Ich möchte jedem von euch herzliche Segenswünsche für 1998 entbieten. Möge es das Jahr der Hoffnung und der Solidarität sein - quod Deus avertat a nobis - nicht ein Erdbebenjahr. Assisi wird, dessen bin ich sicher, wie auch die anderen vom Erdbeben betroffenen Städte und Ortschaften bald wieder bezaubernd und eindrucksvoll sein. Sie werden sehr bald in der wiedererlangten Schönheit ihrer Monumente erstrahlen. So werden sie noch besser ihrer natürlichen Berufung entsprechen können, für die Kirche, für Italien und für die ganze Welt Zeichen von Frieden und Brüderlichkeit zu sein. Mögen Franziskus und Klara von Assisi für die geprüften Menschen Kraft vom Herrn erlangen, mögen sie vielen für Geist und Herz Licht und Wärme erbitten, damit sich bald verwirklichen lässt, was die Hoffnung aller ist. Mit diesem Wunsch erteile ich von Herzen allen hier Versammelten, denen, die im Leid sind, den Freiwilligen und denen, die in verschiedener Weise am Wiederaufbauwerk beteiligt sind, wie auch allen Bewohnern Umbriens und der Marken einen besonderen und liebevollen Segen. Ein gutes Neues Jahr! Ich dachte, mein erster Besuch in diesem Jahr würde der nach Kuba sein, nun ist es aber Assisi! Man hätte für heute auch Regen voraussehen können. Statt dessen danken wir Gott für die Sonne, die Sonne des hl. Franziskus! 199 REISEN 2. Pastoraireise nach Kuba (21. bis 26. Januar) Öffnung der Welt für Kuba — Öffnung Kubas für die Welt Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Havanna am 21. Januar Herr Präsident, Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, verehrte Vertreter der Regierung und des Diplomatischen Korps, meine lieben Brüder und Schwestern in Kuba! 1. Mein Dank gilt Gott, dem Herrn der Geschichte und unseres Schicksals, dass er es mir gestattet hat, in dieses Land zu kommen, welches von Christoph Kolumbus als „das schönste Land“ beschrieben wurde, „das das menschliche Auge je gesehen hat“. Ich komme nun auf diese Insel, wo vor mehr als fünfhundert Jahren das Kreuz Christi aufgerichtet wurde: Dieses Kreuz wird bis auf den heutigen Tag wie ein Schatz in der Pfarrkirche von Baracoa im äußersten Osten des Landes gehütet. Alle grüße ich jetzt von ganzem Herzen und mit großer Ergriffenheit. Nun ist der lang ersehnte Tag endlich gekommen, dass ich der vor langer Zeit ausgesprochenen Einladung seitens der kubanischen Bischöfe Folge leisten kann. Auch der Herr Präsident der Republik ließ mir eine solche Einladung zukommen, die er persönlich im Vatikan erneuerte anlässlich seines Besuches im November 1996. Es erfüllt mich mit Zufriedenheit, dass ich diese Nation besuchen und unter Ihnen weilen kann, um einige Tage voller Glauben, Hoffnung und Liebe mit Ihnen zu verbringen. 2. Es ist mir eine besondere Freude, meinen Gruß in erster Linie dem Herrn Präsidenten, Dr. Fidel Castro Ruz, zu entrichten, der selbst hierher gekommen ist, um mich zu empfangen, und dem ich für diese persönliche Geste und für die Willkommensworte, die er an mich richtete, meinen besonderen Dank zum Ausdruck bringen möchte. Ebenfalls möchte ich den übrigen hier anwesenden Regierungsvertre-tem sowie dem Diplomatischen Korps und allen jenen meine Anerkennung aussprechen, die ihre wertvolle Zusammenarbeit zur Vorbereitung dieses Pastoralbe-suches zur Verfügung stellten. Ganz innig möchte ich nun aber meine Brüder im Bischofsamt begrüßen, darunter vor allem Kardinal Jaime Lucas Ortega y Alamino, den Erzbischof von Havanna, sowie jeden einzelnen der übrigen kubanischen Bischöfe. Auch begrüßen möchte ich alle jene, die aus anderen Ländern hierher gekommen sind, um an den Veranstaltungen dieses Pastoralbesuches teilzunehmen: Mögen sie die engen Bande der Gemeinschaft und Zuneigung ihrer Teilkirchen mit der kubanischen Kirche erneuern und stärken, wie dies schon viele Male geschehen ist. Bei diesem Gruß ist mein 200 REISEN Herz auch ganz besonders den geliebten Priestern und Diakonen, den Ordensleuten, Katecheten sowie allen Gläubigen zugetan, in deren Schuld ich vor dem Herrn als Hirt und Diener der gesamten Kirche stehe (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). In Ihnen allen sehe ich das Abbild dieser so geliebten Ortskirche, die in meinem Herzen immerzu präsent ist, mit der ich mich sehr solidarisch fühle und deren Bestrebungen und berechtigten Wünschen ich nahe bin. Gebe Gott, dass dieser Pastoral-besuch, der heute beginnt, dazu diene, alle zu ermutigen, dass sie alle ihre Kräfte aufbringen, um diese Erwartungen durch das persönliche Engagement aller Kubaner und mit der Hilfe des Heiligen Geistes zu erlangen. Sie sind - ja müssen es sein - die Hauptgestalter Ihrer persönlichen wie auch nationalen Geschichte. In diesem Sinne grüße ich also das ganze kubanische Volk und wende mich ohne Ausnahme an alle: an Männer und Frauen, Alt und lung, an die Heranwachsenden und die Kinder, an alle, die ich im Laufe dieses Besuches treffen werde sowie an alle jene, die aus verschiedenen Gründen nicht an den jeweiligen Veranstaltungen teilnehmen können. 3. Ich komme bei dieser Apostolischen Reise im Namen des Herrn, um Sie im Glauben zu stärken, in der Hoffnung zu festigen und in der Liebe zu ermutigen. Mit Ihnen möchte ich Ihre tiefe Religiosität, Ihre Sehnsüchte, Ihre Freuden und Leiden teilen und als Glieder einer einzigen großen Familie zusammen das Mysterium der göttlichen Liebe feiern, um es noch tiefer im Leben und in der Geschichte dieses edlen Volkes gegenwärtig werden zu lassen - eines Volkes, das nach Gott und den geistigen Werten dürstet, welche die Kirche in den fünf Jahrhunderten ihrer Präsenz auf dieser Insel niemals aufgehört hat zu verbreiten. Ich komme als Pilger der Liebe, der Wahrheit und der Hoffnung mit dem Wunsch, dem Werk der Evangelisierung einen neuen Anstoß zu geben, das diese Ortskirche selbst unter Schwierigkeiten mit Vitalität und apostolischer Dynamik fortführt, während sie dem Dritten Christlichen Jahrtausend entgegengeht. 4. Bei der Ausübung meines Amtes habe ich nie aufgehört, die Wahrheit über Jesus Christus zu verkünden, der uns die Wahrheit über den Menschen, seine Sendung in der Welt, die Größe seines Schicksals und seine unantastbare Würde offenbart hat. In dieser Hinsicht ist der Dienst am Menschen der Weg der Kirche. Ich komme heute zu Ihnen, um mit Ihnen meine tiefe Überzeugung zu teilen, dass die Botschaft des Evangeliums zu Liebe, Hingabe, Opfer und Verzeihung führt; somit ist ein Volk, das diesen Weg beschreitet, ein Volk mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Daher möchte ich gleich zu Anfang meiner Anwesenheit unter Ihnen mit der gleichen Kraft wie zu Beginn meines Pontifikates ausrufen: „Haben Sie keine Angst, Christus Ihr Herz zu öffnen“, lassen Sie ihn in Ihr Leben, Ihre Familien, Ihre Gesellschaft eintreten, damit auf diese Weise alles erneuert werde. Die Kirche wiederholt diesen Ruf, den sie an alle ohne Ausnahme richtet, an die einzelnen, an die Familien, an die Völker: Sie mögen in der treuen Nachfolge Christi den vollen Sinn ihres Lebens finden, sich in den Dienst des Nächsten begeben und die Bezie- 201 REISEN hungen in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft verwandeln, was sich stets zum Wohl des Vaterlandes und der Gesellschaft auswirken wird. 5. Die Kirche in Kuba hat immer Christus verkündet, auch wenn sie es gelegentlich unter Priestermangel und schwierigen Umständen tun musste. Ich möchte an dieser Stelle den vielen kubanischen Gläubigen meine Anerkennung zum Ausdruck bringen, die Christus, der Kirche und dem Papst treu geblieben sind, die den von ihren Vorvätern übernommenen unverfälschten religiösen Traditionen Respekt erwiesen haben und in ihren Sehnsüchten und Leiden den Wert und die unverrückbare Gesinnung des Opfers bezeugt haben. All das wurde durch die Solidarität vergolten, die andere kirchliche Gemeinschaften in Amerika und der ganzen Welt bei zahlreichen Gelegenheiten bezeigt haben. Heute wie immer wünscht die kubanische Kirche über den nötigen Freiraum verfügen zu können, um weiterhin allen dienen zu können im Einklang mit der Sendung und der Lehre Jesu Christi. Geliebte Söhne und Töchter der Katholischen Kirche in Kuba: Ich weiß wohl, wie lange Sie auf den Augenblick meines Besuchs gewartet haben, und Sie wissen, wie sehr ich ihn herbeigesehnt habe. Daher begleite ich meine besten Wünsche für dieses Land mit dem Gebet, dass Kuba allen eine Atmosphäre der Freiheit, des gegenseitigen Vertrauens, sozialer Gerechtigkeit und dauerhaften Friedens bieten kann. Möge Kuba mit all seinen großartigen Möglichkeiten sich für die Welt öffnen, und möge die Welt sich für Kuba öffnen, damit dieses Volk, das wie jeder Mensch und jede Nation auf der Suche nach der Wahrheit ist, für den Fortschritt arbeitet und sich nach Eintracht und Frieden sehnt, mit Hoffnung in die Zukunft blicken kann. 6. Im Vertrauen auf den Herrn und in Einheit verbunden mit den gebebten Söhnen und Töchtern dieses Landes Kuba danke ich von ganzem Herzen für diese freundliche Aufnahme, mit der mein Pastoralbesuch nun beginnt, den ich dem mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau, der „Virgen de la Caridad del Cobre“, anheim stelle. Von Herzen segne ich alle, ganz besonders die Armen und Kranken, die Ausgegrenzten und alle, die an Leib oder Seele leiden. Gelobt sei Jesus Christus! - Herzlichen Dank! Wirkungsvoller Lebensschutz beginnt in einer gesunden Familie Predigt bei der Eucharistiefeier im Kulturinstitut für Leibeserziehung „Manuel Fajardo“ in Santa Clara am 22. Januar 1. „Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst“ (Dtn 6,6-7). Wir haben uns hier auf dem Sportgelände des Kulturinstitutes für Leibeserziehung „Manuel Fajardo“ versammelt, das heute in einen riesigen offenen Tempel ver- 202 REISEN wandelt ist. Bei dieser Begegnung wollen wir Gott für das große Geschenk der Familie danken. Bereits auf der ersten Seite der Bibel stellt uns der heilige Verfasser diese Institution vor: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). In diesem Sinne sind also die Menschen in ihrer Zweiheit der Geschlechter wie Gott selbst und nach seinem Willen Quelle des Lebens: „Seid fruchtbar und vermehrt euch“ (Gen 1,28). Deshalb ist die Familie dazu berufen, am Plan Gottes und bei seinem Schöpfungswerk durch die Verbindung der ehelichen Liebe zwischen Mann und Frau mitzuwirken, und wie uns der hl. Paulus sagt, ist dieses Band auch ein Zeichen für die Vereinigung Christi mit seiner Kirche (vgl. Eph 5,32). 2. Liebe Brüder und Schwestern, es ist mir eine große Freude, Msgr. Fernando Prego Casal, den Bischof von Santa Clara, sowie die Herren Kardinale und die übrigen Bischöfe, die Priester und Diakone und die Ordensangehörigen und natürlich alle gläubigen Laien begrüßen zu können. Auch möchte ich meine Grußworte an die zivile Obrigkeit richten. Ganz besonders aber wende ich mich heute an die hier anwesenden Familien, die entschlossen ihr Vorhaben erklären und bekräftigen, den göttlichen Heilsplan in ihrem Leben zu verwirklichen. 3. Die Institution der Familie birgt in Kuba einen reichen Schatz an Tugenden, der die kreolischen Familien vergangener Zeiten auszeichnete, deren Mitglieder sich sehr in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens engagierten und das Land prägten, ohne Opfer und Gegnerschaften zu scheuen. Jene Familien gründeten fest auf den christlichen Grundsätzen sowie auf ihrem Sinn für familiäre Solidarität und Achtung vor dem Leben. Sie waren wahre Gemeinschaften gegenseitiger Zuneigung, der Lebensfreude, des Vertrauens, der Sicherheit und der gefassten Versöhnung. Auch zeichneten sie sich aus - wie auch viele Familien heute - durch die Einheit, den tiefen Respekt vor den Älteren, durch die hohe Auffassung von Verantwortung, die aufrichtige Ehrfurcht vor der väterlichen und mütterlichen Autorität, ihren Frohsinn und Optimismus sowohl in der Armut als auch im Reichtum, durch ihren Wunsch, für eine bessere Welt zu kämpfen, und vor allem durch den tiefen Glauben und das Gottvertrauen. Auch in Kuba müssen die Familien den Herausfordemngen begegnen, unter denen momentan so viele Familien in der Welt leiden. Zahlreich sind die Mitglieder jener Familien, die dafür gekämpft und das eigene Leben eingesetzt haben, um ein besseres Leben zu erlangen, in dem sie die unerlässlichen Menschenrechte garantiert sahen: das Recht auf Arbeit, Ernährung, Wohnung, Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit und Teilhabe am sozialen Leben, die Freiheit zu Vereinigung und die Freiheit, der eigenen Bemfung zu folgen. Die Familie, grundlegende Keimzelle der Gesellschaft und Garantie für deren Stabilität, leidet aber trotz allem auch unter den Krisen, welche die Gesellschaft selbst heimsuchen. Das geschieht, wenn die Eheleute in kulturellen und wirtschaftlichen Systemen leben, die unter der irrigen Erscheinungsform von Freiheit und Fortschritt eine lebensfeindliche Mentalität 203 REISEN fördern oder sogar verteidigen und auf diese Weise die Eheleute dazu anleiten, auf Methoden der Geburtenkontrolle zurückzugreifen, die nicht mit der Menschenwürde vereinbar sind. Das führt bis hin zur Abtreibung, die, abgesehen von einem verabscheuungswürdigen Verbrechen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 51), stets eine absurde Verarmung des Menschen und der Gesellschaft selbst ist. Angesichts dieser Tatsache lehrt die Kirche, dass Gott den Menschen die Aufgabe anvertraut hat, das Leben auf eine menschenwürdige Weise weiterzugeben als eine Frucht der Verantwortung und der gegenseitigen ehelichen Liebe. Manchmal wird die Mutterschaft als ein Rückschritt und eine Einschränkung der Freiheit der Frau aufgefasst. Dies ist aber eine Verzerrung der wahren fraulichen Natur und Würde. Die Kinder werden nicht mehr als das angesehen, was sie sind -nämlich als ein großes Gottesgeschenk -, sondern als etwas, gegen das man sich verteidigen muss. Die soziale Situation in diesem geliebten Land hat nicht wenige Schwierigkeiten für die familiäre Stabilität mit sich gebracht: materieller Notstand - ein zu geringes Einkommen oder begrenzte Kaufkraft -, Unzufriedenheit aus ideologischen Gründen sowie die Attraktivität der Konsumgesellschaft. Diese Schwierigkeiten haben, verbunden mit gewissen Arbeitsmaßnahmen oder anderer Art, ein Problem hervorgerufen, das in Kuba seit Jahren schwelt: die gewaltsame Trennung der Familien und die Emigration, die ganze Familien auseinandergeris-sen und Leid unter einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung gesät hat. Erfahrungen, die nicht immer akzeptiert werden und sich mitunter traumatisch auswirken, sind die Trennung von den Kindern noch im Kindesalter - weit weg von Fleim und Familie wegen der Ausbildung - und der Ersatz der Eltemrolle. Sie kommen in Situationen, die als trauriges Resultat das Umsichgreifen von Promiskuität, ethischer Verarmung, Oberflächlichkeit, voreheliche Beziehungen im Kindesalter und den bequemen Rückgriff auf die Abtreibung als Lösung mit sich bringen. All das lässt tiefe und negative Spuren in den Jugendlichen zurück, die dazu berufen sind, die wahren moralischen Werte zur Konsolidierung einer besseren Gesellschaft zu verkörpern. 4. Der Weg, der zu beschreiten ist, um diese Übel zu besiegen, ist kein anderer als Jesus Christus, seine Lehre und sein Beispiel der umfassenden Liebe, die uns rettet. Keine Ideologie kann seine unendliche Weisheit und Macht ersetzen. Deshalb ist es notwendig, die religiösen Werte in Familie und Gesellschaft wieder aufzugreifen, indem man das Üben der Tugenden fördert, welche für die Anfänge der kubanischen Nation prägend waren; und zwar müssen diese gezielt beim Prozess des Aufbaues ihrer Zukunft eingesetzt werden „mit allen und zum Wohle aller“, wie es Jose Marti forderte. Familie, Schule und Kirche müssen eine Erziehungsgemeinschaft bilden, in der die Kinder Kubas „an Menschlichkeit wachsen können“. Habt keine Furcht, öffnet eure Familien und Schulen für die Werte des Evangeliums Jesu Christi, denn diese sind für kein soziales Vorhaben eine Gefahr. 5. Joseph erschien „im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter“ (Mt 2,13). Das geoffenbarte Wort zeigt uns, wie Gott die 204 REISEN Familie beschützen und vor allen Gefahren bewahren will. Deshalb versucht die Kirche, durch den Heiligen Geist bestärkt und erleuchtet, ihre Kinder zu verteidigen und ihnen sowie allen Menschen guten Willens die Wahrheit über die grundlegenden Werte der christlichen Ehe und Familie nahe zu bringen. Und so verkündet sie, wie es ihre unumgängliche Pflicht ist, die Heiligkeit dieses Sakramentes und dessen moralische Ansprüche zur Rettung der Würde eines jeden Menschen. Die Ehe mit ihrem Charakter ausschließlicher und beständiger Vereinigung ist heilig, weil sie ihren Ursprung in Gott hat. Die Christen werden des göttlichen Schöpfungsplanes durch den Empfang des Ehesakramentes teilhaftig und erlangen die Gnade, die sie benötigen, um ihre Sendung zu erfüllen, ihre Kinder zu erziehen und heranzubilden und um der Berufung zur Heiligkeit zu folgen. Es ist eine Verbindung, die sich von allen anderen menschlichen Vereinigungen unterscheidet, denn sie gründet auf der Hingabe und gegenseitigen Annahme der Eheleute mit dem Ziel, „ein Fleisch zu werden“ (Gen 2,24). Sie leben in einer Lebens- und Lie-besgemeinschaft, deren Berufung es ist, ein „Heiligtum des Lebens zu sein“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 59). Durch ihre treue und beharrliche Verbindung tragen die Eheleute zum Wohl der Institution Familie bei und zeigen, dass Mann und Frau die Fähigkeit besitzen, sich gegenseitig für immer zu schenken, ohne dass etwa dieses freiwillige und immerwährende Geschenk die Freiheit aufheben würde, da nämlich in der Ehe die eigene Persönlichkeit unverändert bleiben und sich nach dem großen Gesetz der Liebe entwickeln muss: Einer schenkt sich dem anderen, um sich gemeinsam der Aufgabe hinzugeben, die Gott ihnen anvertraut. Wenn der Mensch der Mittelpunkt aller sozialen Einrichtungen ist, dann muss auch die Familie, erste Stätte der Sozialisation, eine Gemeinschaft von freien und verantwortungsbewussten Personen sein, die ihre Ehe als Projekt der Liebe führen, die stets zu vervollkommnen ist und für die gesamte Gesellschaft Vitalität und Dynamik mit sich bringt. 6. In einer Ehe erschöpft sich der Dienst am Leben nicht in der Empfängnis, sondern wird durch die Erziehung der neuen Generation weitergeführt. Die Eltern, die den Kindern das Leben geschenkt haben, sind auch unter allen Umständen dazu verpflichtet, die Nachkommenschaft zu erziehen. Konsequenterweise sind sie auch als die ersten und hauptsächlichen Erzieher ihrer Kinder anzusehen. Diese Erziehungspflicht ist so wichtig, dass, wenn sie ausfällt, sie schwerlich zu ersetzen ist (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3). Es handelt sich hierbei um eine Pflicht und um ein unersetzliches und unveräußerliches Recht. Es trifft wohl zu, dass im Erziehungsbereich der staatlichen Autorität Rechte und Pflichten zukommen, da sie dem Gemeinwohl zu dienen hat; aber trotzdem gibt das dem Staat nicht das Recht, die Eltern zu ersetzen. Deshalb müssen die Eltern, ohne darauf zu warten, dass andere sie in ihren Verantwortungsbereichen ersetzen, die pädagogische Orientierung für ihre Kinder, die ethischen und bürgerlichen Inhalte und die religiöse Inspiration, mit denen sie ihre Kinder ganzheitlich erziehen wollen, selbst wählen können. Wartet nicht darauf, dass euch alles vorgesetzt wird. 205 REISEN Übernehmt selbst euren Erziehungsauftrag, indem ihr geeignete Orte und Mittel innerhalb der Gesellschaft sucht und schafft. Außerdem sollte auch dafür gesorgt werden, dass die Familien ein würdiges und einiges Zuhause haben, so dass sie ihren Kindern, ohne sich sorgen zu müssen, eine ethische Erziehung zukommen lassen und ihnen eine Umgebung bieten können, die zur Weitergabe der hohen Ideale und zur Ausübung ihres Glaubens geeignet ist. 7. Liebe Brüder und Schwestern, liebe Eheleute und Eltern, liebe Kinder, ich wollte einige wesentliche Aspekte in Erinnerung bringen, die Gott für Ehe und Familie vorgesehen hat, um euch so zu helfen, diesen Weg der Heiligkeit, zu dem viele berufen sind, großzügig und mit Hingabe im Leben gehen zu können. Nehmt mit Liebe das Wort Gottes auf, das in dieser Eucharistiefeier verkündet wurde. Im Antwortpsalm haben wir gehört: „Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und der auf seinen Wegen geht [...] Wie junge Ölbäume sind deine Kinder, rings um deinen Tisch [...] So wird der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet und ehrt“ (Ps 128,1.3.4). Die Bemfung zum Ehe- und Familienleben ist groß, und sie ist vom Wort Gottes und dem Vorbild der Heiligen Familie von Nazaret inspiriert. Liebe Kubaner, seid dem göttlichen Wort und diesem Modell treu! Liebe Ehemänner und Ehefrauen, liebe Väter und Mütter, liebe Familien dieses geschätzten Kuba, bewahrt in eurem Leben dieses feinsinnige Beispiel mit Hilfe der Gnade, die euch beim Empfang des Ehesakramentes zuteil wurde! Möge Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist in euren Häusern wohnen. So tragen die katholischen Familien Kubas entschieden zum großen göttlichen Heilsplan für die Menschen in diesem gesegneten Land bei, das euer Vaterland und eure Nation ist. Kuba, trage Sorge für deine Familien, auf dass du dein Herz heil bewahrst! Möge Maria, die „Virgen de la Caridad“ von Cobre, Mutter aller Kubaner und Mutter der Familie von Nazaret durch ihre Fürsprache für alle kubanischen Familien eintreten, damit diese - erneuert, belebt und in ihren Schwierigkeiten unterstützt - ein friedvolles und ruhiges Leben führen und ihre Probleme und Schwierigkeiten bewältigen können und damit alle ihre Mitglieder das Heil erlangen, das von Jesus Christus kommt, welcher der Herr der Geschichte und des Menschengeschlechtes ist. Ihm sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Ich möchte die Worte eures Dichters Jose Marti wiederholen: Beim Prozess des Aufbaues der eigenen Zukunft „mit allen und zum Wohle aller“, sollten Familie, Schule und Kirche eine Erziehungsgemeinschaft bilden, in der die Kinder Kubas „an Menschlichkeit wachsen können“. Zum Schluss der Eucharistiefeier wandte der Papst sich mit folgenden Worten an die Anwesenden: Für mich war es eine Freude, die erste heilige Messe in Kuba zu feiern, hier in Santa Clara. Wir standen unter dem Blick des Bildes der „Virgen de la Caridad“. Wir sind vereint wie eine große Familie, die Kirche, gebildet aus vielen Familien, die kleine Kirchen sind. Gott ist groß, und ihr wisst, dass er auch der eure ist. Das Bild dieser Versammlung ist sehr schön, und ihre Schönheit vergrößert sich, wenn 206 REISEN man sieht, dass das Band, das uns verbindet, der Glaube ist. Tragt meinen Gruß zu allen, und seid gewiss, dass in eurem Zuhause über die Erinnerung an diese schöne Feier hinaus die Zuneigung und Liebe des Papstes bleiben. Der hl. Josef, Patron der Familie, und die hl. Klara, die dieser Stadt ihren Namen gab, werden euch geneigt sein und eure Fürsprecher beim Herrn sein. Gott segne euch alle. Die eigene Persönlichkeit in Liebe und Verantwortung entfalten Botschaft an die kubanischen Jugendlichen vom 23. Januar Liebe kubanische Jugendliche! I. „Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte ...“ (Mk 10,21). So berichtet uns das Evangelium von der Begegnung zwischen Jesus und dem reichen Jüngling. So blickt der Herr auf jeden Menschen. Mit seinem liebevollen Blick schaut er auch heute in die Gesichtszüge der kubanischen Jugend. In seinem Namen umarme ich Euch, denn in Euch sehe ich die lebendige Hoffnung der Kirche und des kubanischen Vaterlandes. Euch möchte ich den herzlichen Gruß und die aufrichtige Zuneigung aller jungen Christen in den verschiedenen Ländern und Kontinenten übermitteln, die ich in Ausübung meines Amtes als Nachfolger Petri besuchen konnte. Auch sie gehen wie Ihr unter Freude und Hoffnung, Trauer und Angst auf die Zukunft zu, wie das II. Vatikanische Konzil sagt. Als Bote der Wahrheit und der Hoffnung bin ich nach Kuba gekommen, um Euch die Frohe Botschaft zu bringen, um Euch Kunde zu bringen „von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Rom 8,39). Nur diese Liebe vermag die Nacht der menschlichen Einsamkeit zu erleuchten; sie allein ist imstande, die Hoffnung der Menschen auf der Suche nach dem Glück zu stärken. Christus bietet Euch seine Freundschaft an Christus hat uns gesagt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ Ich habe „euch Freunde genannt“ (Joh 15,13-15). Er bietet Euch seine Freundschaft an. Er hat sein Leben hingegeben, damit alle, die auf seinen Ruf hören wollen, wirklich seine Freunde seien. Es handelt sich um eine tiefe, aufrichtige, treue und radikale Freundschaft - eben eine richtige Freundschaft. So stellt man richtige Beziehungen zu den Jugendlichen her, ist doch eine Jugend ohne Freundschaft arm und kraftlos. Die Pflege der Freundschaft verlangt Hingabe im Dienst wahrer Liebe an den Freunden. Ohne Opferbereitschaft kann es also keine wahre Freundschaft geben, keine gesunde Jugend, kein Land mit Zukunft und keine wahre Religion. 207 REISEN Hört daher auf die Stimme Christi! In Eurem Leben begegnet Euch Christus und sagt zu Euch: „Folgt mir nach!“. Verschließt Euch seiner Liebe nicht, geht nicht an ihm vorbei, sondern nehmt sein Wort auf. Jeder von Euch hat einen Ruf von ihm erhalten; er kennt den Namen eines jeden. Lasst Euch von Christus führen auf der Suche nach dem, was Euch helfen kann, Euch in Fülle zu verwirklichen. Öffnet Christus die Türen Eures Herzens und Eures Lebens, denn „er ist der wahre Held, demütig und weise, der Prophet der Wahrheit und der Liebe, der Begleiter und Freund der Jugend“ (vgl. Botschaft des II. Vatikanischen Konzils an die Jugendlichen). 2. Die Werte der kubanischen Jugendlichen sind mir wohl bekannt: die Aufrichtigkeit in den Beziehungen, die Zuverlässigkeit in den Unternehmungen, der gastfreundliche Umgang mit allen Menschen, die Liebe zur Freiheit. Ich weiß, dass Ihr als Kinder der überschwenglichen karibischen Erde Euch im Übermaß auszeichnet durch künstlerische und kreative Fähigkeit, ein fröhliches und zu Taten drängendes Gemüt, durch die stete Bereitschaft, Großes und Erhabenes zum Wohl des Landes zu tun, aber auch durch eine gesunde leidenschaftliche Hingabe zu den Dingen, die Euch interessieren, und durch die Fähigkeit, Gegensätze und Schranken mit Leichtigkeit zu überwinden. Diese Werte treten noch deutlicher zutage, wenn sie auf Freiräume und tiefe Motivationen stoßen. Außerdem konnte ich mich mit Ergriffenheit und Bewunderung von Eurer Treue zu dem von den Vorfahren empfangenen Glauben überzeugen, der so oft während der letzten Jahrzehnte, in denen die Stimme der Kirche zum Verstummen gebracht schien, auf dem Schoß der Mütter und Großmütter weitergegeben wurde. Dennoch bedroht der Schatten der schrecklichen Wertekrise, welche die Welt heute erschüttert, auch die Jugend dieser freundlichen Insel. Es breitet sich eine gefährliche Identitätskrise aus, die die Jugendlichen dazu bringt, ohne Sinn, ohne Richtung oder Ziel für die Zukunft zu leben, gefangen im Unmittelbaren. Relativismus, religiöse Gleichgültigkeit und Mangel an moralischen Dimensionen kommen auf, während die Versuchung gegeben ist, sich den Götzen der Konsumgesellschaft mit ihrem vergänglichen Glanz hinzugeben. Auch alles, was von außerhalb des Landes kommt, scheint zu blenden. Andererseits haben die öffentlichen Strukturen der Erziehung, des künstlerischen, literarischen und humanistischen Schaffens sowie der wissenschaftlichen und technologischen Forschung ebenso wie ein großes Aufgebot von Schulen und Lehrern dazu beigetragen, eine beachtliche Sorge für die Suche nach dem Wahren, die Verteidigung des Schönen und die Bewahrung des Guten entstehen zu lassen. Angesichts dessen haben sich jedoch viele von Euch die Frage gestellt: Warum ist es bei einer solchen Vielfalt von Mitteln und Institutionen nicht möglich, das angestrebte Ziel vollends zu erreichen? Die Antwort ist nicht allein bei den Strukturen, den Mitteln und Institutionen, dem politischen System oder in dem Handelsembargo zu suchen, wenngleich ein solches in jedem Fall zu verurteilen ist, da es den schädigt, der am meisten bedürftig 208 REISEN ist. Diese Ursachen sind nur ein Teil der Antwort, lassen aber den Kern des Problems unberührt. 3. Was kann ich Euch sagen, Jugendliche Kubas, die Ihr oft in schwierigen materiellen Verhältnissen lebt, manchmal frustriert in Euren berechtigten Plänen und daher in gewissem Sinn auch Eurer Hoffnung beraubt? Lasst Euch vom Geist leiten, und kämpft mit der Kraft des auferstandenen Christus, um nicht der Versuchung jeder Form von Flucht aus der Welt und der Gesellschaft zu verfallen und nicht unterzugehen angesichts fehlender Hoffnungen. Denn das würde Euch zur Selbstzerstörung Eurer Persönlichkeit führen durch Alkoholismus, Drogen, Missbrauch der Sexualität und Prostitution, ständige Suche nach neuen Reizen und Flucht zu Sekten, entfremdenden spiritualistischen Kulten oder Gruppen, die der Kultur und Tradition Eurer Heimat völlig fremd sind. Was heißt: stark sein? „Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (7 Kor 16,13-14). Doch was bedeutet stark sein? Es bedeutet, das Böse in seinen vielen Formen zu besiegen. Das schlimmste Übel ist die Sünde, die zahlloses Leid verursacht. Sie kann auch in uns sitzen und unser Verhalten negativ beeinflussen. Wenn es daher recht ist, sich im Kampf gegen das Böse in seinen öffentlichen und sozialen Erscheinungsformen einzusetzen, ist es für die Gläubigen auch geboten, an erster Stelle die Sünde, die Wurzel jeder Art von Bösem, die im Herzen des Menschen sitzen kann, zu bekämpfen und mit der Hilfe Gottes ihren Versuchungen Widerstand zu leisten. Seid gewiss, dass Gott Eure Jugend nicht einengt noch für die Jugendlichen ein Leben ohne Freude will - im Gegenteil! Seine Macht ist eine Energie, die zur Entwicklung der gesamten Person führt: des Körpers, des Geistes und der Gefühle; zum Wachsen des Glaubens, zur Ausweitung der konkreten Liebe auf Euch selbst, auf den Nächsten und auf die irdischen und geistlichen Wirklichkeiten. Wenn Ihr Euch der göttlichen Initiative zu öffnen versteht, werdet Ihr in Euch die Kraft des „Großen Lebenden, des ewig jungen Christus“ erfahren (vgl. Botschaft des II. Vatikanischen Konzils an die Jugendlichen). Jesus will, dass Ihr das Leben habt und dass Ihr es in Fülle habt (vgl. Joh 10,10). Das Leben, das uns in Gott geoffenbart wird, gibt, wenngleich es manchmal schwierig scheinen mag, der Entwicklung des Menschen Orientierung und Sinn. Die Traditionen der Kirche, die Praxis der Sakramente und die ständige Suche nach Hilfe im Gebet sind keine Pflichten und Rituale, die es zu erfüllen gilt, sondern vielmehr unerschöpfliche Quellen der Gnade, die für die Jugend Nahrung sind und sie fruchtbar machen für die Entwicklung von Tugend, Mut zum Apostolat und wahrer Hoffnung. 4. Tugend ist die innere Kraft, die einen antreibt, sich aus Liebe zum Guten aufzu-opfem, und den Menschen befähigt, nicht nur gute Taten zu vollbringen, sondern darüber hinaus sein Bestes zu geben. Mit tugendhaften Jugendlichen wird ein Land 209 REISEN groß. Aus diesem Grund, und weil die Zukunft Kubas von Euch abhängt, davon, wie Ihr Euren Charakter formt, wie Ihr Euren Einsatz zur Umwandlung der gegebenen Wirklichkeit lebt, sage ich Euch: Stellt Euch den großen Herausforderungen der Gegenwart mit Stärke und Mäßigung, mit Gerechtigkeit und Klugheit; kehrt zurück zu den kubanischen und christlichen Wurzeln und tut alles, was möglich ist, um eine immer würdigere und freiere Zukunft aufzubauen! Vergesst nicht, dass Verantwortung Teil der Freiheit ist. Außerdem definiert sich die Persönlichkeit hauptsächlich durch Übernahme von Verantwortung gegenüber den anderen und der Geschichte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 55). Niemand darf sich der Herausforderung der Zeit entziehen, in die er mit seinem Leben gestellt ist. Nehmt den Platz ein, der Euch gebührt in der großen Völkerfamilie dieses Kontinents und der ganzen Welt: nicht als die Letzten, die darum bitten, aufgenommen zu werden, sondern als diejenigen, die mit vollem Recht eine reiche und große Tradition mit sich bringen, deren Ursprünge im Christentum wurzeln. Konkrete Verantwortung übernehmen Ich möchte auch von Verantwortung zu Euch sprechen. Verantwortung stellt die mutige Antwort derjenigen dar, die ihr Leben nicht vergeuden wollen, sondern im Gegenteil Hauptgestalter der persönlichen und sozialen Geschichte sein wollen. Ich lade Euch ein, konkrete Verantwortung zu übernehmen, mag sie auch von geringer und bescheidener Bedeutung sein, die jedoch, mit Ausdauer unternommen, zu einem großen Beweis von Liebe und einem sicheren Weg persönlicher Heiligung werden soll. Übernehmt Verantwortung in Euren Familien, im Leben Eurer Gemeinden, im Geflecht der zivilen Gesellschaft und auch - zum gegebenen Zeitpunkt - in den Entscheidungsstrukturen der Nation. Es gibt keine echte Verantwortung für das Vaterland ohne die Erfüllung von Pflichten und Verantwortungen in der Familie, der Universität, der Fabrik oder auf dem Feld, in der Welt der Kultur und im Sport, in den verschiedenen Bereichen, in denen die Nation Realität wird und die zivile Gesellschaft mit der progressiven Kreativität der menschlichen Person verflochten ist. Es kann keine Verantwortung im Glauben geben ohne die aktive und mutige Präsenz in allen Bereichen der Gesellschaft, in denen Christus und die Kirche Gestalt annehmen. Die Christen müssen von der bloßen Präsenz zu einer Belebung dieser Bereiche von innen her mit der erneuernden Kraft des Heiligen Geistes übergehen. Die Rolle der Kirche Das beste Erbe, das man künftigen Generationen überlassen kann, ist die Vermittlung der höheren Werte des Geistes. Es geht nicht nur darum, einige davon zu bewahren, sondern vielmehr um die Förderung einer sittlichen und staatsbürgerlichen Bildung, die dazu verhilft, neue Werte aufzunehmen und den eigenen Charakter und die Seele der Gesellschaft auf der Grundlage einer Erziehung zu Freiheit, sozi- 210 REISEN aler Gerechtigkeit und Verantwortung neu zu formen. Auf diesem Weg bietet die Kirche als „Expertin in Menschlichkeit“ sich an, die Jugendlichen zu begleiten, indem sie ihnen hilft, den Kurs für ihr Leben in Freiheit und mit reifer Entscheidung zu bestimmen, und ihnen die nötigen Mittel bereitstellt, um Herz und Seele für das Transzendente zu öffnen. Die Öffnung für das Geheimnis des Übernatürlichen wird Euch zur Entdeckung von unendlicher Güte, unvergleichlicher Schönheit und höchster Wahrheit führen; das entspricht dem Bild, das Gott in jeden Menschen hineingelegt hat. 5. Ich möchte nun bei einem lebenswichtigen Aspekt für die Zukunft verweilen. Die Kirche in Eurem Land versteht sich nicht nur im Dienst der Katholiken, sondern aller Kubaner. Um besser dienen zu können, braucht sie dringend Priester, die Söhne dieses Volkes sind und, den Spuren der Apostel folgend, das Evangelium verkünden und ihren Brüdern und Schwestern die Früchte der Erlösung vermitteln. Ebenso braucht sie Männer und Frauen, die Christus ihr Leben weihen und sich selbstlos dem Dienst der Nächstenliebe widmen; sie braucht kontemplative Menschen, die die Gnade und das Erbarmen Gottes auf sein Volk herab flehen. Alle haben die Verantwortung, dass sie jeden Tag die überzeugende, sanfte und anspruchsvolle Einladung Jesu annehmen, der von uns will, dass wir den Herrn der Ernte bitten, Arbeiter für seine Ernte auszusenden (vgl. Mt 9,38). Die Gerufenen haben die Verantwortung, frei und in einer Gesinnung tiefer persönlicher Hingabe auf die demütige, ins Innerste des Herzens dringende Stimme Christi zu antworten, der heute wie gestern und zu jeder Zeit sagt: Komm und folge mir! Familiengründung auf soliden Fundamenten Jugendliche Kubas! Jesus, dessen Menschwerdung sich in der Familie von Maria und Josef ereignete, offenbart und heiligt die Familie als Heiligtum des Lebens und Grandzelle der Gesellschaft. Er heiligt sie durch das Sakrament der Ehe und begründet sie als „das Zentrum und das Herz der Zivilisation der Liebe“ (Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 13). Die meisten von Euch sind gerufen, eine Familie zu gründen. Wie viele Situationen persönlichen und gesellschaftlichen Unbehagens haben ihren Ursprung in den Schwierigkeiten, den Krisen und dem Scheitern der Familie! Bereitet Euch gut vor, damit Ihr in Zukunft eine gesunde und friedliche Familie errichten könnt, in der durch offenen Dialog und gegenseitiges Verständnis ein aufbauendes Klima der Eintracht herrscht. Scheidung ist niemals eine Lösung, sondern ein Scheitern, das es zu vermeiden gilt. Fördert daher alles, was der Heiligkeit, der Einheit und der Stabilität der auf unauflösbarer Ehe begründeten und für das kostbare Geschenk des Lebens offenen Familie zugute kommt. „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie erträgt alles, glaubt alles, 211 REISEN hofft alles, hält allem stand“ (1 Kor 13,4.5.7). Die wahre Liebe, die der Apostel Paulus im Hohenlied des 1. Korintherbriefs besingt, ist anspruchsvoll. Ihre Schönheit liegt gerade in ihrem hohen Anspruch. Nur wer im Namen der Liebe von sich selbst zu fordern weiß, kann von anderen Liebe verlangen. Es ist notwendig, dass die Jugendlichen von heute diese Liebe entdecken, denn in ihr liegt das wirklich solide Fundament der Familie. Weist entschlossen jeden Ersatz wie die sogenannte „freie Liebe“ zurück! Wie viele Familien sind durch sie zerstört worden! Vergesst nicht, dass blindlings dem Impuls des Gefühls zu folgen sehr oft bedeutet, Sklave seiner Leidenschaften zu sein. Maria als Leitbild für die Jugend Kubas 6. Gestattet mir, Euch auch von Maria zu sprechen, der jungen Frau, die die vollste Zustimmung zum Willen Gottes in sich verwirklicht hat und gerade deshalb zum Vorbild höchster christlicher Vollkommenheit wurde. Sie hatte Vertrauen auf Gott: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (.Lk 1,45). Gestärkt durch das von Gott empfangene Wort, das sie in ihrem Herzen bewahrte (vgl. ZI 2,51), überwand sie den Egoismus und besiegte das Böse. Die Liebe machte sie zu demütigem und konkretem Dienst am Nächsten bereit. An sie wendet sich auch heute die Kirche und ruft sie unablässig als Beistand und als Vorbild selbstloser Nächstenliebe an. Auf sie richtet die Jugend Kubas ihren Blick, um ein Leitbild für die Verteidigung und Förderung des Lebens, ein Vorbild der Zärtlichkeit, Stärke im Leid, Reinheit des Lebens und gesunder Fröhlichkeit zu finden. Empfehlt Maria Eure Herzen an, liebe Jungen und Mädchen, die Ihr die Gegenwart und Zukunft dieser in langen Jahren schwer geprüften Christengemeinden seid. Trennt Euch nie von Maria, und geht Euren Weg mit ihr. So werdet Ihr heilig: Denn, wenn Ihr Maria, gestärkt durch ihren Beistand, nacheifert, werdet Ihr das Wort der Verheißung aufnehmen und sorgsam in Euch hüten; dann werdet Ihr Boten der Neuevangelisierung für eine selbst erneuerte Gesellschaft sein, ein Kuba der Versöhnung und Liebe. Liebe Jugendliche! Die Kirche vertraut Euch und zählt auf Euch. Erleuchtet vom Licht des Lebens der Heiligen und anderer Zeugen des Evangeliums, geleitet durch den seelsorglichen Dienst Eurer Bischöfe, sollt Ihr einander helfen, Euren Glauben zu stärken und Apostel des Jahres 2000 zu sein. Macht der Welt bekannt, dass Christus uns einlädt, uns zu freuen, und dass das wahre Glück darin besteht, sich aus Liebe zu den Brüdern hinzugeben. Möge der Herr allen jungen Söhnen und Töchtern der geliebten kubanischen Nation weiterhin reichliche Gaben des Friedens und der Begeisterung zukommen lassen! Das wünscht Euch der Papst mit lebendiger Hoffnung. Ich segne Euch von Herzen. Camagüey, am 23. Januar 1998 212 REISEN Gerechtigkeit und Wahrheit - Liebe und Verantwortung Grundwerte für Lebensziele junger Christen Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Plaza Ignacio Agramonte in Camagüey am 23. Januar 1. „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute“ (Röm 12,21). Die jungen Kubaner versammeln sich heute mit dem Papst, um ihren Glauben zu feiern und das Wort Gottes zu hören. Er ist nämlich der Weg, um den Werken des Bösen und der Finsternis zu entgehen und um die Waffen des Lichtes anzulegen und das Gute zu tun. Darum freue ich mich, diese Begegnung mit euch allen auf diesem großen Platz zu haben, wo sich auf dem Altar das Opfer Jesu Christi erneuern wird. Diese Stätte, die den Namen von Ignacio Agramonte mit dem Beinamen „El Bayadero“ trägt, erinnert uns an einen beliebten Volkshelden, der - motiviert durch seinen christlichen Glauben - jene Werte in seinem Leben verwirklichte, die alle Männer und Frauen guten Willens auszeichnen, nämlich Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Treue und Gerechtigkeitsliebe. Er war ein guter Ehemann, ein guter Familienvater und ein guter Freund und ein Verteidiger der Menschenwürde angesichts der Sklaverei. 2. Vor allem möchte ich ganz herzlich Msgr. Adolfo Rodrfguez Herrera begrüßen, den Oberhirten dieser Diözesankirche, sowie seinen Weihbischof, Msgr. Juan Gar-cfa Rodrfguez, und alle anderen anwesenden Bischöfe und Priester, die durch ihr Pastorales Wirken die Jugend Kubas ermutigen und zu Christus führen, dem Erlöser und dem Freund, der uns niemals enttäuscht. Die Begegnung mit ihm führt zur Umkehr und zu einzigartiger Freude und lässt uns ausrufen, wie es die Jünger nach der Auferstehung taten: „Wir haben den Herrn gesehen“ (Joh 20,25). Auch begrüße ich die Vertreter der zivilen Obrigkeit, die zu dieser Messfeier gekommen sind, und ich danke ihnen für die Zusammenarbeit zum Gelingen dieser Begegnung, dessen Hauptgäste die Jugendlichen sind. Von ganzem Herzen wende ich mich nun an euch, liebe kubanische Jugendliche, die Hoffnung der Kirche und des Vaterlandes, und ich stelle euch Christus vor, damit ihr ihn wiedererkennt und ihm ganz entschieden nachfolgt. Er gibt euch das Leben, er zeigt euch den Weg und führt euch in die Wahrheit ein, indem er euch dazu ermutigt, den Weg gemeinsam und solidarisch zu gehen mit Freude und in Frieden, als lebendige Glieder seines mystischen Leibes, der die Kirche ist. 3. „Wie geht ein junger Mann seinen Pfad ohne Tadel? Wenn er sich hält an dein Wort“ (Ps 119,9). Der Psalm gibt uns die Antwort auf die Frage, die jeder junge Mensch sich stellen muss, wenn er ein würdiges, ehrenvolles und seinen Umständen gemäßes Leben führen will. Deshalb ist Jesus der einzige Weg. Die Talente, die ihr vom Herrn empfangen habt und die zur Hingabe, zur wahren Liebe und Großherzigkeit führen, werden Früchte bringen, wenn man nicht nur von materiellen und vergänglichen Dingen lebt, „sondern von jedem Wort, das aus Gottes 213 REISEN Mund kommt“ (Mt 4,4). Deshalb, liebe Jugendliche, möchte ich euch dazu ermutigen, dass ihr die Liebe Christi zu spüren sucht in dem Bewusstsein, was er alles für euch und für die ganze Menschheit - Männer und Frauen aller Zeiten - getan hat. Wenn ihr euch von ihm geliebt fühlt, dann werdet ihr auch fähig sein, wahrhaft zu lieben. Wenn ihr eine innige Gemeinschaft mit ihm empfindet, die durch den Empfang seines Leibes, das Hören seines Wortes, die Freude seines Verzeihens und seines Erbarmens begleitet werden soll, dann werdet ihr es ihm auch gleichtun und auf diese Weise, so lehrt es der Psalmist, ein „reines Leben“ führen können. Was ist aber nun ein reines Leben? Es bedeutet, sein eigenes Dasein nach den moralischen Grundsätzen des Evangeliums zu führen, die die Kirche lehrt. Zur Zeit ist es leider für viele leicht, einem moralischen Relativismus und einem Identitätsverlust zu verfallen, unter denen viele Jugendliche leiden. Sie sind Opfer von Kultur-mustem ohne Sinn oder ohne Ideologie, die keine höheren und verbindlichen moralischen Normen anbieten. Dieser moralische Relativismus erzeugt Egoismus, Trennung, Ausgestoßensein, Diskriminierung, Furcht und Misstrauen den anderen gegenüber. Besonders dann, wenn ein junger Mensch „auf seine Weise“ lebt, idealisiert er das Fremde, er lässt sich von einem ungezügelten Materialismus verführen, verliert die eigenen Wurzeln und strebt nach einem Aussteigerdasein. Deshalb erklärt auch die Leere, die diese Verhaltensweisen erzeugen, die vielen Übel, von welchen die Jugend heute umgeben ist: Alkoholismus, irrig gelebte Sexualität, Drogenkonsum, Prostitution, die sich hinter vielerlei Gründen verbirgt und deren Ursachen nicht immer persönlich begründet sind. Auch erklärt sie Motivationen, die auf Genuss und egoistischen Auffassungen gründen, auf Opportunismus, auf dem Fehlen eines ernsthaften Lebensplanes, in dem es für eine beständige Ehe keinen Platz gibt, sie erklärt auch die Ablehnung jeglicher gesetzlicher Autorität, das Verlangen nach Flucht und nach Emigration, um so vor seiner Verpflichtung und Verantwortung in eine falsche Welt zu fliehen, deren Grundlage die Entfremdung und Entwurzelung ist. Angesichts dieser Situation weiß ein junger Christ, der danach strebt, ein „reines Leben“ - durch den Glauben gefestigt - zu führen, dass er von Christus berufen und auserwählt ist, in der wahren Freiheit der Kinder Gottes zu leben, die nicht wenige Herausforderungen mit sich bringt. Deshalb weiß er in der Annahme der Gnade, dass er mit seinem steten Bemühen Zeugnis für Christus ablegen muss, um ein rechtschaffenes und ihm treues Leben zu gestalten. Der Glaube und das ethische Handeln sind miteinander verbunden. In der Tat führt uns dieses erhaltene Geschenk zur ständigen Umkehr, um so Christus nachzuahmen und seine göttlichen Verheißungen zu erhalten. Die Christen müssen mitunter - und sogar manchmal auf heroische Weise -Verdrängung und gar Verfolgung erdulden, um die grandlegenden Werte zu achten, die ein reines Leben ausmachen. Dies liegt daran, dass diese moralische Entscheidung den Verhaltensweisen der Welt entgegengesetzt ist. Dieses Zeugnis des Kreuzes Christi im alltäglichen Leben ist aber auch eine sichere und fruchtbringende Saat, die neue Christen hervorbringt. Ein absolut humanes und aufopferndes Leben mit Christus hat eben diesen Preis der Großherzigkeit und Hingabe. 214 REISEN Liebe Jugendliche, das Zeugnis eines Christen, ein „würdiges Leben“, hat in den Augen Gottes diesen Preis. Wenn ihr nicht bereit seid, ihn zu bezahlen, überkommt euch die Daseinsleere und das Fehlen eines Planes für ein würdiges und verantwortungsvolles Leben mit all seinen Konsequenzen. Die Kirche hat die Pflicht, eine moralische, gesellschaftliche und religiöse Bildung zu vermitteln, die den jungen Kubanern hilft, in den menschlichen und christlichen Werten zu wachsen, und zwar ohne Furcht und in der Beharrlichkeit erzieherischen Wirkens. Das braucht Zeit, Mittel und Einrichtungen, die dieser Saat der Tugend und Geistigkeit zum Wohle der Kirche und der Nation eigen sind. 4. „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (.Mk 10,17). Im Evangelium, das wir gehört haben, stellt ein junger Mann Jesus die Frage, was er „tun“ müsse, und der Meister antwortet ihm liebevoll, wie er zu „sein“ habe. Der junge Mann meint, alle Normen erfüllt zu haben, und Jesus antwortet ihm, dass das Notwendigste sei, alles zu verlassen und ihm nachzufolgen. Das verleiht den Werten Radikalität und Authentizität und gestattet es dem jungen Mann, sich als Mensch und Christ selbst zu verwirklichen. Der Schlüssel dieser Verwirklichung liegt in der Treue, von der der hl. Paulus in der ersten Lesung schreibt. Sie ist gleichsam eine Charakteristik unserer christlichen Identität. Das ist der von Paulus vorgezeichnete Weg der Treue: „Wer gibt, gebe ohne Hintergedanken [...] Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan [...] Seid fröhlich in der Hoffnung [...] Segnet eure Verfolger [...] Seid untereinander eines Sinnes; strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig! Haltet euch nicht selbst für weise! Vergeltet niemand Böses mit Bösem [...] Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,8-21). Liebe Jugendliche, ob gläubig oder nicht, folgt dem Ruf, tugendhaft zu sein. Das heißt, dass ihr innerlich stark, großherzig, reich an Güte, mutig in der Wahrheit, tapfer in der Freiheit, beständig in der Verantwortung, großherzig in der Liebe und unbesiegbar in der Hoffnung sein sollt. Glückseligkeit erreicht man nur durch das Opfer. Sucht nicht draußen, was ihr in euch finden könnt. Erwartet nicht von den anderen das, was ihr selbst im Stande und berufen seid, zu sein und zu tun. Verschiebt den Aufbau einer neuen Gesellschaft nicht auf morgen, in der auch die erhabensten Träume nicht enttäuscht werden und in der ihr selbst die Hauptgestalter eurer Geschichte sein könnt. Denkt daran, dass die menschliche Person und die Achtung vor ihr der Weg zu einer neuen Welt ist. Die Welt und der Mensch ersticken, wenn sie sich nicht Jesus Christus öffnen. Öffnet ihm euer Herz, und beginnt so ein neues Leben, das sich an Gott ausrichtet und euren berechtigten Ansprüchen entspricht, die ihr dem Wahren, dem Guten und dem Schönen gegenüberstellt. Möge Kuba seine Jugendlichen in Tugendhaftigkeit und Freiheit erziehen, damit es eine Zukunft wirklicher und umfassender humaner Entwicklung in einer Atmosphäre dauerhaften Friedens habe. Liebe junge Katholiken: all das stellt ein persönliches und soziales Lebensprogramm dar, gegründet auf Liebe, Demut und Opferbereitschaft, das als letzten Grund hat, „dem Herrn zu dienen“. Ich wünsche euch die Freude, dies zu verwirk- 215 REISEN liehen. Die Bemühungen, die bereits in der Jugendseelsorge unternommen werden, müssen auf dieses Lebensprogramm ausgerichtet werden. Als Hilfe hinterlasse ich euch darum eine schriftliche Botschaft in der Hoffnung, dass diese alle kubanischen Jugendlichen erreicht, die ja die Zukunft der Kirche und des Vaterlandes sind. Eine Zukunft, die bereits in der Gegenwart beginnt, wird auch glücklich sein, wenn sie auf der ganzheitlichen Entwicklung eines jeden einzelnen gründet, und die kann sich nicht ohne Christus vollziehen, sei es dass man Christus an den Rand drängt oder - noch weniger - indem man gegen Christus agiert. Deshalb sage ich nochmals, wie schon zu Beginn meines Pontifikates und auch jetzt bei der Ankunft in Kuba: „Habt keine Angst, Christus eure Herzen zu öffnen.“ Von ganzem Herzen hinterlasse ich euch dieses Motto und diesen Aufruf, und ich bitte euch, ihn mit Mut und apostolischem Eifer an alle übrigen kubanischen Jugendlichen weiterzugeben. Möge der allmächtige Gott und die allerseligste Jungfrau Maria, die „Virgen de la Caridad“ von Cobre, euch dabei helfen, großherzig diesem Ruf zu folgen. Bemühen um eine neue Begegnung von Kirche und Kultur in Kuba Ansprache bei der Begegnung mit der Kulturwelt in der Universität von Havanna am 23. Januar Meine Herren Kardinäle und Bischöfe, verehrte Vertreter der Universität, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir eine große Freude, Ihnen hier an diesem ehrwürdigen Ort, der Universität von Havanna, zu begegnen. Allen entbiete ich meinen herzlichen Gruß. Vor allem möchte ich Kardinal Jaime Ortega y Alamino für seine liebenswürdigen Worte danken, die er an mich gerichtet hat, um mich im Namen aller willkommen zu heißen. Auch danke ich für die freundlichen Willkommensworte des Rektors der Universität hier in der Aula Magna. In ihr befinden sich die sterblichen Überreste des Dieners Gottes, Pater Felix Varela, des großen Priesters und Patrioten, vor denen ich im Gebet verweilte. Vielen Dank, Herr Rektor, dass Sie mich dieser erlesenen Versammlung von Männern und Frauen vorstellen, die sich um die Förderung der naturgemäßen Kultur in dieser edlen Nation Kuba bemühen. 2. Ist doch die Kultur jene besondere Form, durch die die Menschen ihr Verhältnis zur Schöpfung wie auch zu Gott selbst ausdrücken und entwickeln, indem sie all die Werte zusammenfassen, die ein Volk auszeichnen, aber auch die charakteristischen Merkmale, durch die es definiert wird. So verstanden, ist die Kultur von fundamentaler Wichtigkeit für das Leben der Nationen und die Pflege der wahrsten menschlichen Werte. Die Kirche, die den Menschen auf seinem Weg begleitet, die 216 REISEN für das Leben der Gesellschaft offen ist, die Raum für ihre Tätigkeit der Verkündung des Evangeliums sucht, steht der Kultur in Wort und Tat nahe. Die katholische Kirche identifiziert sich mit keiner besonderen Kultur, vielmehr steht sie allen Kulturen mit offenem Geist nahe. Sie bringt mit allem Respekt ihre eigene Sicht vom Menschen und den Werten vor und trägt so zur wachsenden Humanisierung der Gesellschaft bei. Bei der Evangelisierung der Kultur ist es Christus selbst, der durch seine Kirche waltet, denn durch seine Fleischwerdung „geht [er] in die Kultur ein“ und „hält für jede historische Kultur das Geschenk der Läuterung und der Fülle bereit“ (Schlussdokument der 4. Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Santo Domingo [12.-28. Oktober 1992], Nr. 228). „Jede Kultur ist ein Bemühen, über das Geheimnis der Welt und vor allem des Menschen nachzudenken; sie ist eine Weise, der transzendenten Dimension des menschlichen Lebens Ausdruck zu geben“ (Johannes Paul II., Ansprache vor der UNO [5. Oktober 1995], Nr. 9). Indem die Kirche die menschliche Kultur respektiert und fördert, respektiert und fördert sie auch gleichzeitig den Menschen selbst; das heißt sie fördert den Menschen, der sich bemüht, sein Leben etwas menschlicher zu gestalten und es - auch wenn er dabei im Dunkeln tappt - dem verborgenen göttlichen Geheimnis anzunähem. Jede Kultur besitzt einen tiefen Kern religiöser Anschauungen und moralischer Werte, was so etwas wie die „Seele“ einer Kultur darstellt. Und zu dieser Seele möchte Christus mit seiner heilenden Kraft gelangen. Die Evangelisierung der Kultur ist als Erhebung ihrer „religiösen Seele“ zu verstehen, wobei dieser eine neue und mächtige Dynamik eingegossen wird, nämlich die Dynamik des Heiligen Geistes, die sie zur höchsten Umsetzung ihres menschlichen Potentials befähigt. In Christus fühlt sich jede menschliche Kultur zutiefst respektiert, aufgewertet und geliebt; denn jede Kultur ist in ihrem wahrsten Kern stets offen für die Schätze der Erlösung. 3. Kuba besitzt durch seine Geschichte und geographische Lage eine eigene Kultur, bei deren Entstehen es diverse Einflüsse gegeben hat: einen spanischen, der den Katholizismus mit sich gebracht hat; einen afrikanischen, dessen Religiosität vom Christentum durchdrungen wurde; einen auf verschiedene Einwanderergruppen zurückgehenden und einen im eigentlichen Sinn amerikanischen. Es ist nur rechtens, an den Einfluss zu erinnern, den das Seminar „San Carlos y San Ambro-sio“ in Havanna auf die Entwicklung der nationalen Kultur gehabt hat dank Persönlichkeiten wie Jose Agustrn Caballero - von Marti „Vater der Armen und unserer Philosophie“ genannt - und dem Priester Felix Varela, dem wahren Vater der kubanischen Kultur. Die Oberflächlichkeit oder der Antiklerikalismus einiger Bereiche jener Epoche sind nicht wirklich repräsentativ für das, was die wahre Charakteristik dieses Volkes war, das in seiner Geschichte den katholischen Glauben als Quelle der reichen Werte der kubanischen Identität sah, zusammen mit typischen Ausdrucksformen wie Volksliedern, Redeweisen der Landbevölkerung und dem Sprichwortschatz, die einem zutiefst christlichen Mutterboden entspringen: Das alles ist heute ein Reichtum und eine die Nation begründende Realität. 217 REISEN 4. Ein berühmter Sohn dieses Landes ist Pater Felix Varela y Morales, der von vielen als Grundstein der kubanischen Nation betrachtet wird. Er selbst stellt in seiner Person die beste Synthese zwischen christlichem Glauben und kubanischer Kultur dar, die wir uns vorstellen können. Er war Priester in Havanna und zweifelsohne ein Patriot. Er war ein ausgezeichneter Denker und erneuerte im Kuba des 19. Jahrhunderts die pädagogischen Methoden und die Inhalte des philosophischen, juristischen, naturwissenschaftlichen und theologischen Lehrplanes. Er war der Lehrer von Generationen von Kubanern und lehrte, dass man, wenn man auf verantwortungsvolle Weise das eigene Dasein annehmen will, zuerst die schwierige Kunst erlernen muss, richtig und mit dem eigenen Kopf zu denken. Er war der erste, der von Unabhängigkeit in diesem Land sprach. Auch sprach er von Demokratie, die er als das politische Projekt betrachtete, das am harmonischsten mit der Natur in Einklang zu bringen sei. Gleichzeitig hob er auch die Erfordernisse hervor, die sich aus ihr ergeben und von denen zwei ganz besonders erwähnenswert sind: Man braucht Menschen, die zu Freiheit und Verantwortungsbewusstsein erzogen sind, mit einem in ihrem Inneren geformten ethischen Konzept, die das Beste aus dem Erbe der Zivilisation sowie die allzeit gültigen transzendenten Werte in sich aufnehmen, um so in der Lage zu sein, entscheidende Aufgaben im Dienst an der Gemeinschaft zu übernehmen; zum zweiten sollen die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie der Stil des gesellschaftlichen Zusammenlebens angemessenen Raum für jeden Menschen schaffen, um mit der nötigen Achtung und Solidarität die einem zukommende historische Rolle wahmehmen zu können, um dem Rechtsstaat Dynamik zu verleihen, der die wesentliche Garantie allen menschlichen Zusammenlebens ist, das demokratisch sein will. Pater Varela war sich bewusst, dass zu seiner Zeit die Unabhängigkeit noch ein unerreichbares Ideal war, daher widmete er sich der Aufgabe, Menschen mit Gewissen heranzubilden, die weder den Schwachen gegenüber sich überheblich zeigten noch den Mächtigen gegenüber als Schwächlinge auftraten. Aus seinem New Yorker Exil bediente er sich der Mittel, die ihm zur Verfügung standen: der persönlichen Korrespondenz, der Presse und dessen, was wir als sein Meisterwerk bezeichnen können: der Cartas a Elpidio sobre la impiedad, la supersticion y el fa-natismo en sus relaciones con la sociedad [Briefe an Elpidio über die Gottlosigkeit, den Aberglauben und den Fanatismus in ihren Beziehungen zur Gesellschaft] - ein wahres Monument sittlicher Unterweisung, welches sein kostbares Vermächtnis an die kubanische Jugend darstellt. Während der letzten dreißig Jahre seines Lebens fuhr er aus der Feme fort zu unterrichten, da er von seinem Lehrstuhl in Havanna abgesetzt wurde. So rief er eine Schule des Denkens, einen gesellschaftlichen Lebensstil und eine Einstellung gegenüber dem Vaterland ins Leben, die auch heute alle Kubaner erleuchten sollten. Das ganze Leben von Pater Varela war von einer tiefen christlichen Spiritualität geprägt. Sie war seine stärkste Treibkraft, die Quelle all seiner Tugenden und die Wurzel seines Engagements für die Kirche und für Kuba. Sein Leitgedanke war: die Ehre Gottes in allem suchen. Das führte ihn dazu, überzeugt zu sein von der 218 REISEN Kraft der kleinen Dinge, von der Wirksamkeit des Samens der Wahrheit und von der Notwendigkeit, dass Veränderungen sich mit der gebotenen Allmählichkeit vollziehen bis hin zu großen und echten Reformen. Als er sich am Ende seines Lebensweges befand, kurz bevor er seine Augen für das Licht dieser Welt verschließen und für das nie erlöschende wahre Licht öffnen sollte, erfüllte er das Versprechen, das er stets gemacht hatte: „Geleitet durch die Fackel des Glaubens gehe ich dem Grab entgegen, an dessen Rand ich mit Gottes Gnade hoffe, mit dem letzten Atemzug meinen festen Glauben zu bekunden und ein inniges Gebet für das Wohl meines Vaterlandes zu sprechen“ (vgl. Cartas a Elpidio, Bd. I, Brief 6, S. 182). 5. Das ist das Erbe, das Pater Varela hinterlassen hat. Das Wohl seines Vaterlandes bedarf jedoch weiterhin des Lichtes, das keinen Untergang kennt. Dieses Licht ist Christus. Er ist der Weg, der den Menschen zu seiner vollen Dimension führt, der Pfad, der zu einer gerechteren, freieren, menschlicheren und solidarischeren Gesellschaft führt. Die Liebe zu Christus und zu Kuba, die das Leben von Pater Varela erleuchtete, steht ganz am Anfang der kubanischen Kultur. Denken Sie nur an die Fackel, die sich im Wappen dieses Hauses der Studien befindet: Sie ist nicht allein Erinnerung, sondern gleichsam ein Projekt. Die ins Auge gefassten Ziele dieser Universität und ihr Ursprung, ihre Entwicklung und ihr Erbe sind bezeichnend für ihre Berufung als „Mutter der Weisheit und der Freiheit“, Förderin des Glaubens und der Gerechtigkeit, Schmelztiegel von Wissen und Gewissen, Meisterin in Universalität und kubanischer Eigenart. Die von Pater Varela entzündete Fackel sollte die Geschichte des kubanischen Volkes erleuchten. Kurz nach seinem Tod übernahm sie eine weitere Persönlichkeit, die für die kubanische Nation besonders bedeutsam wurde: Jose Marti, Schriftsteller und Meister im wahrsten Sinne des Wortes. Er war zutiefst Demokrat, Verfechter der Unabhängigkeit und Patriot. Er war auch denen ein treuer Freund, die sein politisches Programm nicht teilten. Vor allem aber war er ein Mann des Lichtes, konsequent in seinen ethischen Prinzipien und getragen von einer Spiritualität mit eindeutig christlichen Wurzeln. Er gilt als Fortsetzer des Denkens von Pater Varela, den er selbst „den heiligen Kubaner“ nannte. 6. In dieser Universität werden die sterblichen Überreste von Pater Varela als einer ihrer wertvollsten Schätze aufbewahrt. Auch kann man überall in Kuba Denkmäler sehen, die die Verehrung der Kubaner für Jose Marti hat errichten lassen. Meine Überzeugung ist es, dass dieses Volk von beiden Männern seine menschlichen Tugenden christlichen Ursprungs geerbt hat, denn alle Kubaner haben solidarisch an deren kultureller Prägung teil. Man kann in Kuba von einem fruchtbaren Kulturdialog sprechen, der Garantie für ein harmonischeres Wachstum und für eine Vermehrung von Initiativen und Kreativität der zivilen Gesellschaft ist. In diesem Land sind die meisten Kulturschaffenden - seien sie Katholiken oder nicht, Gläubige oder nicht - Menschen des Dialogs und fähig zu sprechen und zuzuhören. Ich ermutige Sie, sich weiterhin zu bemühen, eine Synthese zu finden, mit der sich alle Kubaner identifizieren können. Suchen Sie weiterhin nach der besten Art, die ku- 219 REISEN banische Identität in innerer und äußerer Ausgewogenheit zu festigen - eine Identität, die vielfältige nationale Traditionen in sich vereint. Wenn die kubanische Kultur für die Wahrheit offen ist, wird sie ihre nationale Identität sichern und an Menschlichkeit gewinnen lassen. Die Kirche und die kulturellen Institutionen dieses Landes sollen einander im Dialog begegnen und so für die Entwicklung der kubanischen Kultur Zusammenarbeiten. Beide haben den gleichen Weg und das gleiche Ziel, nämlich dem Menschen zu dienen, alle Dimensionen seines Geistes zu kultivieren und alle seine gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen von innen her zu befruchten. Die Initiativen, die diesbezüglich bereits bestehen, müssen unterstützt und fortgesetzt werden durch eine Kulturpastoral und einen ständigen Dialog mit den Menschen und Institutionen des intellektuellen Bereichs. Als Pilger bin ich in dieses Land gekommen, das so reich ist an volkstümlichem und christlichem Erbe; ich vertraue darauf, dass die Kubaner künftig eine Zivilisation der Gerechtigkeit und Solidarität, der Freiheit und Wahrheit errichten: eine Zivilisation der Liebe und des Friedens, die nach den Worten von Pater Varela „die Grundlage für das große Gebäude unserer Glückseligkeit sein möge“. Deshalb erlaube ich mir, dieses stets nötige und stets aktuelle Vermächtnis des Vaters der kubanischen Kultur erneut in die Hände der kubanischen Jugend zu legen, die Sendung, die Pater Varela seinen Schülern anvertraut hat: „Sagt ihnen, daß sie die süße Hoffnung des Vaterlandes sind und daß es kein Vaterland ohne Tugend und keine Tugend ohne Gottverbundenheit gibt.“ Virgen de la Caridad del Cobre - Uraltes Symbol der Freiheit in Kuba Predigt bei der heiligen Messe in Santiago de Cuba mit Krönung des Bildes Unserer Lieben Frau von El Cobre am 24. Januar 1. „Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist“ {Ps 33,12). Wir haben mit dem Psalmisten gesungen, dass das Wohl das Volk begleite, das Gott zum Herrn hat. Vor mehr als fünfhundert Jahren, als das Kreuz Christi und somit dessen Heilsbotschaft auf diese Insel kam, begann ein Prozess, der - genährt durch den christlichen Glauben - die charakteristischen Züge dieser Nation geprägt hat. Zu der großen Anzahl der berühmten Menschen dieser Nation gehört unter anderem jener Soldat, der der erste Katechet und Missionar von Macaca war. Zu nennen sind auch der erste kubanische Meister P. Miguel de Veläzquez, der Priester Esteban Salas, Vater der kubanischen Musik, und der berühmte Carlos Manuel de Cespe-des, Vater eurer Heimat, welcher zu Füßen des Bildes Unserer Lieben Frau, der „Virgen de la Caridad del Cobre“, den Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit begann. Zu nennen wäre weiter Antonio de la Caridad Maceo y Grajales, dessen Statue das Panorama dieses Platzes beherrscht, auf dem wir heute diese Liturgie 220 REISEN feiern. Seine Mutter bat ihn vor dem Kruzifix, er möge sich bis zum Äußersten für die Freiheit Kubas aufopfem. Es wären außerdem noch viele berühmte Männer und Frauen zu nennen, die, von ihrem unerschütterlichen Glauben an Gott bewegt, den Weg der Freiheit und Gerechtigkeit als Grundlagen der Würde ihres Volkes wählten. 2. Es ist mir eine Freude, heute in dieser so bedeutenden Erzdiözese zu sein, die den hl. Antonio Maria Claret zu ihren Oberhirten zählen kann. Vor allem entbiete ich meinen herzlichen Gruß dem Erzbischof von Santiago de Cuba und Primas dieser Nation, Msgr. Pedro Meurice Estiu. Auch grüße ich alle anderen anwesenden Kardinäle, Bischöfe, Priester und Diakone, die sich der Aufgabe der Ausbreitung des Gottesreiches in diesem Lande widmen. Ebenfalls grüße ich alle Ordensangehörigen und das ganze gläubige Volk, das heute hier zugegen ist. Auch möchte ich ehrerbietig den Stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates und Minister Raul Castro und die anderen Vertreter aus der Politik und dem öffentlichen Leben grüßen, die an dieser heiligen Messe teilnehmen; ihnen danke ich für ihr Mitwirken bei der Organisation dieser Begegnung. 3. Im Laufe dieser Messfeier werden wir das Bild Unserer Lieben Frau „Virgen de la Caridad del Cobre“ krönen. Von ihrem Heiligtum aus - nicht weit von hier - leitet und führt die Königin und Mutter aller Kubaner ohne Unterschiede der Rasse, politischen Anschauung und Ideologie die Schritte ihrer Kinder wie auch schon in Vergangenheit auf die himmlische Heimat zu und ermutigt sie, so zu leben, dass in der Gesellschaft stets die authentischen moralischen Werte herrschen mögen, welche das reiche geistige Erbe bilden, das eure Vorfahren euch überliefert haben. Ihr wenden wir uns zu und danken ihr mit den Worten ihrer Verwandten Elisabet: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). In diesen Worten liegt das Geheimnis der wahren Glückseligkeit der Menschen und Völker, nämlich zu glauben und zu verkünden, dass der Herr Großes für uns getan hat und dass sein Erbarmen für die an ihn Glaubenden von Geschlecht zu Geschlecht reicht. Das ist die Überzeugung, die Männer und Frauen dazu veranlasst, sich uneigennützig, selbst unter Opfern, dem Dienst am Nächsten zu widmen. Das Beispiel der Bereitwilligkeit Marias zeichnet uns den Weg vor, den wir gehen sollen. Mit ihr vollbringt die Kirche ihre Berufung und Sendung, indem sie Jesus Christus verkündet und dazu ermahnt, das, was er uns sagt, zu tun; aber auch, indem sie eine universale Brüderlichkeit schafft, in der der Mensch Gott Vater nennen kann. 4. Wie die Jungfrau Maria ist auch die Kirche Mutter und Lehrmeisterin in der Nachfolge Christi, Licht für die Völker und Verwalterin des göttlichen Erbarmens. Als Gemeinschaft aller Getauften ist sie auch Ort der Vergebung, des Friedens und der Versöhnung und empfängt mit offenen Armen alle Menschen, um ihnen den wahren Gott zu verkünden. Durch diesen Glaubensdienst hilft die Kirche allen Männern und Frauen dieses geliebten Volkes, den Weg des Guten zu gehen. Die Evangelisierungstätigkeit gewinnt allmählich auf verschiedenen Ebenen immer 221 REISEN mehr Raum; als Beispiel seien die Volksmissionen in Stadtteilen und Dörfern ohne Kirchen genannt. Alle Förderung muss hier auf eine Weiterentwicklung im Sinne des Wohles nicht nur der Katholiken, sondern des ganzen kubanischen Volkes hinzielen, damit es Jesus Christus kennen und lieben lernt. Die Geschichte lehrt, dass ohne Glauben die Tugend verschwindet, die moralischen Werte verdeckt werden, die Wahrheit nicht mehr aufleuchtet, das Leben seinen transzendenten Sinn verliert und der Dienst an der Nation nicht mehr von tiefen Motivationen getragen wird. Diesbezüglich sagte Antonio Maceo, der große und richtungweisende Patriot: „Wer Gott nicht liebt, liebt auch das Vaterland nicht.“ Die Kirche ruft alle dazu auf, den Glauben im eigenen Leben konkret werden zu lassen; denn das ist der beste Weg zur umfassenden Entwicklung des Menschen, der nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde. Es ist der beste Weg, um die wahre Freiheit zu erlangen, die die Anerkennung der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit mit einschließt. Diesbezüglich haben die katholischen Laien das Recht und die Pflicht, sich unter Wahrung der eigenen Identität - um Salz und Ferment in der Gesellschaft, der sie angehören, sein zu können -, gleichberechtigt und zu Dialog und Versöhnung bereit, an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen. Ebenso muss das Wohl der Nation von ihren Bürgern durch friedliche und stufenweise eingesetzte Mittel gefördert und vorangebracht werden. Auf diese Weise wird jede Person - ausgestattet mit Ausdrucksfreiheit, Initiativ- und Vorschlagsrecht innerhalb der zivilen Gesellschaft und im Rahmen angemessener Versammlungsfreiheit - wirksam ihren Beitrag zur Suche nach dem Gemeinwohl leisten können. Eingetaucht in die Gesellschaft, sucht die Kirche nach keinerlei Form politischer Macht, um ihre Sendung zu entfalten; vielmehr möchte sie fruchtbares Ferment des Gemeinwohls sein mit ihrer Präsenz in den gesellschaftlichen Strukturen. Sie schaut in erster Linie auf die menschliche Person und die Gemeinschaft, in der die Menschen leben; sie ist sich bewusst, dass der konkrete Mensch mit seinen Bedürfnissen und Sehnsüchten ihr Weg ist. All das, was die Kirche für sich fordert, stellt sie in den Dienst des Menschen und der Gesellschaft. Christus hat ihr aufgetragen, seine Botschaft allen Völkern zu bringen. Dafür bedarf sie eines gewissen Freiraumes und ausreichender Mittel. Wenn die Kirche ihre Freiheit verteidigt, verteidigt sie die Freiheit jeder Person, die Freiheit der Familie, die Freiheit der verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen, lebendige Realitäten, die ein Recht auf ihren je eigenen Autonomie- und Souveränitätsbereich besitzen (vgl. Centesimus annus, Nr. 45). In diesem Sinne gilt: „Der Christ und die christliche Gemeinde sind tief verwurzelt im Leben der jeweiligen Völker; sie sind Zeugen des Evangeliums auch in der Treue zu ihrer Heimat, zu ihrem Volk, zu ihrer Landeskultur, immer jedoch in der Freiheit, die Christus gebracht hat [...] Die Kirche ist aufgerufen, ihr Zeugnis von Christus zu geben, indem sie mutig und prophetisch Position ergreift gegen die Korruption der politischen und wirtschaftlichen Macht; indem sie selbst weder Ruhm noch materielle Güter sucht; indem sie ihre Güter für den Dienst an den Ärmsten verwendet und zur Einfachheit des Lebens in Christus 222 REISEN einlädt“ (Redemptoris missio, Nr. 43). Das ist eine beständige und bleibende Aussage des sozialen Lehramtes, der sogenannten Soziallehre der Kirche. 5. Ich wollte an diese Aspekte der kirchlichen Sendung erinnern, um Gott dafür zu danken, dass er uns dazu berufen hat, ein Teil dieser Kirche zu sein. In ihr nimmt die Jungfrau Maria einen einzigartigen Platz ein. Ein sichtbarer Ausdruck dafür ist die Krönung des verehrten Bildes der „Virgen de la Caridad del Cobre“. Die kubanische Geschichte ist geprägt von wundervollen Beispielen der Liebe zur Landespatronin, zu deren Füßen drei Figuren, Darstellungen demütiger Vertreter der einheimischen Bevölkerung, zwei Indios und ein dunkelhäutiger „Moreno“, die reiche Vielfalt dieses Volkes symbolisieren. El Cobre, wo das Marienheiligtum steht, war der erste Ort in Kuba, wo die Freiheit für die Sklaven errungen wurde. Liebe Gläubige, vergesst niemals diese großen Ereignisse, in der eure Königin und Mutter eine große Rolle gespielt hat. Mit dem Baldachin des „Familienaltares“ fertigte Cespedes die kubanische Flagge an, vor der Jungfrau warf er sich nieder, bevor er den Freiheitskampf begann. Die tapferen kubanischen Soldaten, die „Mambises“, trugen die Medaille mit dem Abbild der Jungfrau auf ihrer Brust. Der erste Akt des freien Kubas war es, dass die Truppen von General Calixto Garcfa sich 1898 bei der feierlichen heiligen Messe zur „Mambisischen Erklärung der Unabhängigkeit des kubanischen Volkes“ der Jungfrau von El Cobre zu Füßen warfen. Die Pilgerfahrten, die das Bildnis durch die Dörfer der Insel unternahm, waren stets große Glaubens- und Liebesbe-kundungen, bei denen die Menschen der Jungfrau von El Cobre ihre Sehnsüchte und Hoffnungen, ihre Freuden und Leiden vortrugen. Von hier aus möchte ich meinen Gruß auch an alle Kubaner senden, die irgendwo auf der Welt Unsere Liebe Frau von El Cobre verehren: Mit euren Brüdern und Schwestern, die in diesem wunderschönen Land leben, empfehle ich euch ihrem mütterlichen Schutz an und bitte sie, die liebevolle Mutter von allen, sie möge ihre Kinder in Versöhnung und Geschwisterlichkeit zusammenführen. 6. Bevor wir die Krönung vornehmen, möchte ich mich, die ruhmreiche Tradition der Liebe zur gemeinsamen Mutter fortsetzend, heute an sie wenden und sie mit euch allen anrufen: Jungfrau der Liebe von El Cobre, Patronin Kubas! Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade! Du bist die geliebte Tochter des Vaters, die Mutter Christi, unseres Gottes, der lebendige Tempel des Heiligen Geistes. Du trägst in deinem Namen, Jungfrau der Liebe, das Andenken Gottes, der Liebe ist, die Erinnerung an das neue Gebot Jesu, die Besinnung auf den Heiligen Geist: 223 REISEN Liebe, in unsere Herzen ausgegossen, Feuer der Liebe, am Pfingsttag auf die Kirche herabgesandt, Geschenk der vollkommenen Freiheit der Kinder Gottes. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus! Du bist gekommen, unser Volk zu besuchen, und hast bei uns bleiben wollen als Mutter und Herrin von Kuba auf seiner Pilgerfahrt auf den Wegen der Geschichte. Dein Name und dein Bild ist allen Kubanern in der Heimat und in der Fremde in den Geist und das Herz geschrieben als Zeichen der Hoffnung und Mittelpunkt geschwisterlicher Gemeinschaft. Heilige Maria, Mutter Gottes, unsere Mutter! Bitte für uns bei deinem Sohn Jesus Christus, trete für uns ein mit deinem mütterlichen Herzen, das von der Liebe des Geistes überfließt. Vermehre unseren Glauben, belebe unsere Hoffnung, lass die Liebe in uns wachsen und erstarken. Beschirme unsere Familien, beschütze die Jugendlichen und die Kinder, tröste die Leidenden. Sei Mutter der Gläubigen und der Hirten der Kirche, Vorbild und Leitstern der Neuevangelisierung. Mutter der Versöhnung! Vereine dein Volk, das auf dem Erdenrund zerstreut ist. Mache aus der kubanischen Nation eine Familie von Brüdern und Schwestern, damit dieses Volk seinen Geist, sein Herz und sein Leben weit aufreißt für Christus, den einzigen Retter und Erlöser, 224 REISEN der lebt und herrscht mit dem Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen! Am Ende der heiligen Messe gab der Papst die Errichtung eines neues Bistums in Kuba mit folgenden Worten bekannt: Ich hatte die Freude, mit euch allen auf diesem Platz, der Antonio Maceo gewidmet ist, die heilige Messe zu feiern. Mit eurer Anwesenheit hier habt ihr auch ein sichtbares Zeugnis von der Beharrlichkeit und dem Wachstum der Kirche in diesem schönen Land gegeben, die Ausdruck seiner reichen Lebendigkeit sind. Diesbezüglich freut es mich, euch mitzuteilen, dass ich zur besseren Förderung des Wirkens der Kirche in Kuba beschlossen habe, die Diözese Guantänamo-Baracoa zu errichten und zu ihrem ersten Bischof Msgr. Carlos Jesus Patricio Baladrön Valdes, bisher Weihbischof in Havanna, zu ernennen. Ich möchte die Priester und Gläubigen dieses neuen Kirchenbezirks ermutigen, sich beim Aufbau dieser heute entstehenden Teilkirche als lebendige Steine an der Seite ihres Hirten einzusetzen. Lieber Bischof Baladrön, denken Sie an die große Bedeutung der Sendung, die Ihnen jetzt anvertraut wird, und verkünden Sie mit all Ihren Kräften die gute Nachricht Jesu Christi Ihren Diözesanangehörigen. Laden Sie sie zur Eucharistie und den anderen Sakramenten ein, um so in Heiligmäßigkeit und Gerechtigkeit in der Gegenwart des Herrn zu wachsen. Bedeutung und Stellenwert von Not und Leid Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken in El Rincon am 24. Januar 1. Bei meinem Besuch in diesem schönen Land darf natürlich eine Begegnung mit den Leidenden und Kranken nicht versäumt werden, denn Christus steht den Kranken und Leidenden sehr nahe. Ganz herzlich begrüße ich daher alle Kranken und Leidtragenden. Ihr seid im Krankenhaus „Doctor Guillermo Femändez Hemändez Baquero“ untergebracht, das ganz in der Nähe von diesem Wallfahrtsort liegt, der dem hl. Lazarus, dem Freund unseres Herrn, geweiht ist. Mein Gruß an euch gilt selbstverständlich allen Kranken hier in diesem Land Kuba sowie allen alten und einsamen Menschen, ja allen, die an Leib und Seele leiden. Mit meinem Wort möchte ich gerne alle erreichen und so der Mahnung des Herrn folgen, der gesagt hat: „.. ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). Der Papst, die solidarische Kirche sowie die brüderliche Wärme aller Menschen guten Willens leisten euch Beistand. Begrüßen möchte ich auch die Töchter der Nächstenliebe des hl. Vinzenz von Paul, die in diesem Zentrum arbeiten. Sie mögen meinen Gruß stellvertretend für alle Ordensleute entgegennehmen, die sich in Liebe überall auf dieser schönen Insel all denen widmen, die Not leiden, damit ihnen diese Not etwas gelindert wird. Die kirchliche Gemeinschaft ist euch sehr dankbar für euren aufopfernden Dienst. 225 REISEN Ihr tragt so mit eurem besonderen Charisma zur konkreten Sendung bei, denn „das Evangelium wird durch die Liebe wirksam, die Ruhm der Kirche und Zeichen ihrer Treue zum Herrn ist“ (Vita consacrata, Nr. 82). Grüßen möchte ich des weiteren noch die Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger und das ganze Dienstpersonal. Durch ihre Kompetenz beim Gebrauch der Mittel der Wissenschaft opfern sie sich für euch auf, um so Leid und Schmerz zu lindem. Die Kirche schätzt eure Mühen, die vom Geist des Dienstes und der Solidarität dem Nächsten gegenüber beseelt sind. All das erinnert an das Wirken Jesu: Er „heilte alle Kranken“ (Mt 8,16). Die großen Mühen sind mir bekannt, die man in Kuba im sanitären Bereich trotz der wirtschaftlichen Beschränkungen, die dieses Land zu erdulden hat, auf sich nimmt. 2. Als Pilger der Wahrheit und Hoffnung komme ich zu diesem Wallfahrtsort San Läzaro, um Augenzeuge zu sein, welche Bedeutung und welchen Stellenwert das Leid bekommt, wenn man die Kranken und Leidtragenden im tiefen Vertrauen auf den „erbarmungsreichen“ Gott aufnimmt. Dieser Ort ist den Kubanern heilig, weil hier alle jene die Gnade Gottes erfahren, die sich gläubig und mit derselben Sicherheit an Christus wenden, die der hl. Paulus zum Ausdruck brachte: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ (PhilA,\3). In diesem Sinne können wir nun auch die Worte wiederholen, durch welche Martha, die Schwester des Lazarus, ihr Vertrauen Jesus Christus gegenüber zum Ausdruck brachte: ,Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben“ (Joh 11,22). Weiter sprach sie zu ihm: „Ja, Herr, ich glaube, daß du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11,27). 3. Liebe Brüder und Schwestern, jeder Mensch macht auf irgend eine Weise im Laufe seines Lebens die Erfahrung von Leid und Schmerz, und er kommt nicht umhin, dies zu hinterfragen. Der Schmerz ist ein Geheimnis, welches der Vernunft oftmals verborgen bleibt. Es gehört zum Geheimnis des menschlichen Wesens und offenbart sich nur in Jesus Christus, der dem Menschen überhaupt erst dessen eigene Identität offenbart. Nur durch Ihn wird es uns möglich sein, den Sinn des ganzen menschlichen Daseins zu ergründen. In meinem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris ist zu lesen: „Das Leiden kann nicht mit Hilfe einer Gnade von außen, sondern nur von innen her verwandelt und verändert werden [...] Dieser innere Prozeß vollzieht sich jedoch nicht immer auf die gleiche Weise [...] Christus antwortet nicht direkt, und er antwortet nicht in abstrakter Weise auf diese Frage des Menschen nach dem Sinn des Leidens. Der Mensch hört seine rettende Antwort erst, wenn er selbst mehr und mehr an den Leiden Christi teilnimmt. Die Antwort, die er durch diese Teilnahme auf dem Weg der inneren Begegnung mit dem Meister erhält, [...] ist in der Tat vor allem ein Ruf. Sie ist eine Berufung [...]: .Folge mir!“ Komm! Nimm mit deinem Leiden teil an dem Werk der Erlösung der Welt, die durch mein Leiden vollbracht wird! Durch mein Kreuz!“ (Salvifici doloris, Nr. 26). 226 REISEN Das ist der wahre Sinn und Wert aller Arten von Leiden, und zwar der körperlichen, moralischen und geistigen. Das ist die frohe Botschaft, die ich euch mitteilen will. Auf die Fragen der Menschen antwortet der Herr mit einem Ruf, ja mit einer besonderen Berufung, die als solche in der Liebe gründet. Christus kommt nicht zu uns mit Erklärungen und Argumenten, um uns zu beruhigen oder gar zu befremden; er kommt viel mehr, um uns zu sagen: Kommt mit mir. Folgt mir auf dem Weg des Kreuzes. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Jesus Christus geht uns auf dem Weg des Kreuzes allen voran. Er war der Erste, der gelitten hat. Das heißt nicht, dass er will, dass wir leiden, sondern dass wir das Leid mit ihm teilen; denn er will ja, dass wir das Leben haben, ja dass wir es in Fülle haben (vgl. Job 10,10). Das Leid verwandelt sich, wenn wir in uns selbst die Nähe und Solidarität des lebendigen Gottes verspüren: „Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt, als letzter [...] werde ich Gott schauen“ (Ijob 19,25-26). Durch diese Sicherheit werden wir auch den inneren Frieden erlangen, und durch diese tiefe und gelassene geistige Freude, die auf dem Leidensevangelium gründet, werden wir uns der Größe und Würde des Menschen bewusst werden, der bereitwillig leidet und seine Schmerzen „als lebendiges und heiliges Opfer [darbringt], das Gott gefällt“ (Rom 12,1). So ist auch der Leidende keine Belastung mehr für die andergn, sondern er trägt durch sein Leid zum Heil anderer Menschen bei. Es gibt nicht nur physisches Leid, wie zum Beispiel die Krankheit, sondern es gibt auch seelisches Leid, das Leid der Verstoßenen, der Verfolgten oder derer, die im Gefängnis sind wegen verschiedener Delikte oder aus Gewissensgründen, bzw. weil sie ein Friedensideal vertreten, das von der offiziellen Anschauung abweicht. Letztere müssen die Isolierung erdulden, das heißt ein Leid, wofür sie ihr Gewissen nicht verdammt, während sie jedoch wünschten, sich in das aktive Leben ein-zugliedem, das ihnen genügend Freiraum bietet in gegenseitiger Achtung und Toleranz, ihre Meinung frei zu äußern und vorzubringen. Daher möchte ich euch alle ermutigen, dahingehend Anstrengungen zu unternehmen, dass jene, die in Zuchthäusern oder Besserangsanstalten waren, wieder voll in die Gesellschaft eingegliedert werden. Dies wäre ein großes humanitäres Zeichen und ein kleines Samenkorn der Versöhnung. Auch würde das die offiziellen Organe mit Ehren auszeichnen, die dieses Anliegen unterstützen, und es stärkte das friedliche Zusammenleben in diesem Land. Alle Gefangenen sowie ihre Familienangehörigen, die unter der Trennung leiden und sehnlich darauf warten, wieder zusammen zu sein, grüße ich von ganzem Herzen, und ich ermutige sie, sich nicht von Pessimismus und Mutlosigkeit überwältigen zu lassen. Liebe Brüder und Schwestern, die Kubaner brauchen die innere Kraft des tiefen Friedens und jener Freude, die aus dem „Leidensevangelium“ hervorgeht. Bitte opfert in großzügiger Weise euer Leid auf, damit Kuba „Gott von Angesicht zu Angesicht schauen“ kann, das heißt, damit es vom Glanz seines Angesichtes überstrahlt wird und so dem ewigen und universalen Reich entgegengeht. So werden auch wirklich alle in diesem Land aus tiefster Überzeugung heraus einmal sagen 227 REISEN können: „Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt“ (Ijob 19,25-26). Dieser Erlöser ist niemand anders als Jesus Christus, unser Herr. 4. Die christliche Dimension des Leides beschränkt sich nicht nur auf seine tiefe Bedeutung und seinen erlösenden Charakter. Der Schmerz verlangt nach der Liebe, das heißt, er erzeugt Solidarität, Hingabe und Großherzigkeit bei denen, die leiden müssen, und bei denen, die sich berufen fühlen, die Menschen in ihrem Leid zu begleiten und ihnen in ihrer Pein zu helfen. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,29 ff.), von welchem uns das Evangelium der Solidarität mit unseren leidenden Nächsten spricht, „ist ein wesentlicher Bestandteil sittlicher Kultur und menschlicher Zivilisation schlechthin geworden“ (Salvifici doloris, Nr. 29). In der Tat lehrt uns Jesus in diesem Gleichnis ja, dass unsere Nächsten alle jene sind, die uns auf unserem Weg begegnen, ob dies nun verletzte oder sonstige hilfsbedürftige Menschen sind. Allen diesen Menschen wollen wir in ihren Leiden und Sorgen zu Hilfe kommen. Wir wollen ihnen, wenn möglich, angemessene Mittel bereitstellen und uns solange um sie kümmern, bis sie wieder genesen sind. Familie, Schule und übrige Erziehungsorgane sollen, auch wenn dies nur aus humanitären Gründen geschieht, beharrlich Weiterarbeiten, um ein gewisses Feingefühl den Leidenden und Kranken gegenüber, die ja unsere Nächsten sind, zu entwickeln und auszubauen. Dafür ist der barmherzige Samariter ein Symbol. Die vielsagende Botschaft des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter sowie überhaupt des ganzen Evangeliums ist folgende: „Der Mensch muß sich in erster Person dazu aufgerufen fühlen, die Liebe im Bereich des Leidens zu bezeugen. Institutionen sind sehr wichtig und unentbehrlich; doch keine Institution vermag von sich aus das menschliche Herz, das menschliche Mitleid, die menschliche Liebe, die menschliche Initiative zu ersetzen, wenn es darum geht, dem Leiden des anderen zu begegnen“ (Salvifici doloris, Nr. 29). Das bezieht sich auf körperliche Leiden, aber es gilt noch viel mehr für all die vielfältigen moralischen und seelischen Leiden. Wenn also jemand seelisch leidet oder wenn die Seele einer Nation leidet, muss dieser Schmerz zur Solidarität, zur Gerechtigkeit und zur Errichtung der Zivilisation der Wahrheit und der Liebe führen. Ein vielsagendes Zeichen dieses Willens zur Liebe angesichts des Schmerzes und des Todes, angesichts von Gefängnis und Einsamkeit, angesichts der erzwungenen Trennungen innerhalb der Familien bzw. angesichts der Auswanderung, die die Familien spaltet, ist notwendig, dass jede soziale Organisation, jede öffentliche Einrichtung sowie alle, die Verantwortung im Gesundheitswesen, bei der Betreuung der Notleidenden und der Wiedereingliederung von ehemaligen Strafgefangenen tragen, die Rechte der Kranken und Ausgestoßenen, der Gefangenen und derer Familienangehörigen respektieren und ihnen Respekt verschaffen. Das heißt in letzter Instanz, die Rechte aller Menschen, die in irgend einer Form leiden. In diesem Sinne muss der Krankenhaus- und der Gefängnispastoral genügend Freiraum gewährt werden, damit sie ihre Sendung im Dienst an den Kranken, Gefangenen und deren Familien erfüllen kann. 228 REISEN Die Gleichgültigkeit angesichts des menschlichen Leides, die Passivität angesichts der Ursachen, die das Leid auf der Welt hervorrufen, und die unternommenen Gegenmaßnahmen, die jedoch nicht dazu verhelfen, die Wunden der Menschen und Völker von der Wurzel her zu heilen, sind als schwerwiegende Unterlassungen zu bezeichnen. In Anbetracht dieser Tatsache müssen alle Menschen guten Willens innehalten und den Aufschrei der Leidtragenden hören. 5. Liebe Brüder und Schwestern, in den schweren und leidgeprüften Augenblicken unseres persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Lebens helfen uns die Worte Jesu, der betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Der Arme und Leidende findet im Glauben die Kraft Christi, der ihm durch Paulus zuruft: „Meine Gnade genügt dir“ (2 Kor 12,9). Kein Leid und kein Schmerz ist umsonst. Gott nimmt alle diese Opfer an, wie er auch das Opfer seines Sohnes Jesu Christi annahm. Unter dem Kreuz steht die Jungfrau Maria, unsere Mutter, mit offenen Armen, und ihr Herz ist vom Schmerz durchbohrt. Sie ist die Herrin unserer Schmerzen und Hoffnungen. Sie birgt uns in ihrem mütterlichen Schoß voller Gnade und Erbarmen. Sie ist der sichere Pfad zu Christus, der unser Friede, unser Leben und unsere Auferstehung ist. Maria, Mutter aller Leidtragenden, du Erbarmungsreiche in unserer Sterbestunde, du süßer Trost aller Mutlosen, schaue auf deine Kinder, hier in Kuba, die durch ihr Leid hart auf die Probe gestellt werden, und zeige sie Jesus, der gebenedeiten Fracht deines Leibes! Amen. Im Zusammenspiel von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Plaza Jose Marti in Havanna am 25. Januar 1. „Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren des Herrn, eures Gottes. Seid nicht traurig, und weint nicht!“ (Neh 8,9). Mit großer Freude zelebriere ich auf dem Jose-Martf-Platz diese heilige Messe heute, am Sonntag, dem Tag des Herrn, der ja der Ruhe, dem Gebet und dem Familienleben geweiht ist. Das Wort Gottes ruft uns zusammen, damit wir im Glauben wachsen und die Anwesenheit des Auferstandenen mitten unter uns feiern. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“ (1 Kor 12,13). Hier ist vom mystischen Leib Christi die Rede, welcher die Kirche ist. Jesus Christus vereint alle Getauften. Von ihm geht die Bruderliebe sowohl auf die kubanischen als auch auf alle übrigen Katholiken in der Welt über, denn sie alle sind „der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm“ (7 Kor 12,27). Die kubanische Kirche ist also weder allein noch isoliert, sondern sie ist ein Teil der auf der ganzen Welt verbreiteten Universalkirche. 2. Ganz herzlich begrüße ich Kardinal Ortega, den Oberhirten dieser Erzdiözese, und danke ihm für seine freundlichen Worte, durch die er mir zu Beginn dieser 229 REISEN Messfeier die Verhältnisse und Sehnsüchte dargelegt hat, die das Leben dieser kirchlichen Gemeinschaft prägen. Auch begrüße ich alle übrigen anwesenden Kar-dinäle und alle meine Brüder im Bischofsamt hier aus Kuba sowie aus anderen Ländern, die an dieser feierlichen Messe teilnehmen. Ein herzlicher Gruß ergeht auch an alle Priester und Ordensleute sowie an alle so zahlreich hier versammelten Gläubigen. Euch allen möchte ich sagen, dass ich euch im Herrn nahe stehe. Danken möchte ich auch den Vertretern der weltlichen Obrigkeit, die heute hierher gekommen sind und beim Zustandekommen dieses Besuches so kooperativ waren. 3. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk4,18). Jeder, der Gott dient, muss in seinem Leben diese Worte, die Jesus in Nazaret aussprach, zu den seinen machen. Nun, da ich bei euch sein kann, möchte ich euch die gute Nachricht von der Hoffnung auf Gott bringen, und ich überbringe euch, da ich im Dienste des Evangeliums stehe, jene Botschaft der Liebe und der Solidarität, die Jesus Christus in seiner Ankunft den Menschen aller Zeiten gebracht hat. Es handelt sich hierbei keinesfalls um eine Ideologie oder gar um ein neues wirtschaftliches bzw. politisches System, sondern um einen Weg wahren Friedens und wahrer Gerechtigkeit und Freiheit. 4. Die ökonomischen und politischen Systeme, die in den letzten zwei Jahrhunderten aufeinander folgten, haben oftmals die Konfrontation zur Methode gemacht. Aber auch in ihrem Konzept waren bereits die Keime der Opposition und Entzweiung vorhanden. Davon war natürlich auch die Auffassung vom Menschen und den zwischenmenschlichen Beziehungen zutiefst betroffen. Einige dieser Systeme wollten sogar die Religion auf eine bloße Privatsphäre reduziert wissen und sprachen ihr jeglichen Einfluss und jegliche soziale Relevanz ab. In diesem Zusammenhang sollte man auch daran erinnern, dass ein moderner Staat aus dem Atheismus oder der Religion kein politisches Konzept machen darf. Der Staat muss, fern von allem Fanatismus und extremen Säkularismus, ein ruhiges soziales Klima und eine adäquate Gesetzgebung fördern, so dass es jeder Person und jeder Religionsgemeinschaft möglich ist, frei ihren Glauben zu leben und ihn auch im öffentlichen Leben auszuüben. Sie sollen auf genügend Mittel und Freiraum zählen können, um durch ihren spirituellen, moralischen und zivilen Reichtum zur Lebensweise des jeweiligen Landes beizutragen. Auch ist darauf aufmerksam zu machen, dass verschiedener Orts eine Art kapitalistischer Neoliberalismus aufkommt, der die Menschen den blinden Mächten des Wirtschaftsmarktes unterjocht und die Entwicklung der Völker beeinträchtigt, indem er von seinem Machtzentrum aus durch unerträgliche Belastungen auf die weniger entwickelten Länder einwirkt. So bürdet man den Ländern unhaltbare Wirtschaftsprogramme auf, und zwar als Bedingung für neue Hilfeleistungen. Man kann also im Verein der Länder eine übertriebene Bereicherung einiger weniger Nationen zu Lasten der wachsenden Verarmung vieler anderer Nationen beobachten, das heißt, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. 230 REISEN 5. Liebe Brüder und Schwestern, die Kirche ist Meisterin in Sachen Menschlichkeit. Deshalb stellt sie diesen Systemen die Kultur der Liebe und des Lebens entgegen und versucht so, der Menschheit die Hoffnung auf die verwandelnde Kraft der Liebe zurückzugeben, einer Liebe, die in der von Christus gewünschten Einheit gelebt werden soll. Daher ist auch der Weg der Versöhnung und des Dialoges, ja der Weg der brüderlichen Nächstenliebe einzuschlagen, auf dem alle Menschen unsere Nächsten sind. Die Kirche zeigt der Welt bei der Durchführung ihrer Mission eine neue Gerechtigkeit, nämlich die Gerechtigkeit des Gottesreiches (vgl. Mt 6,33). Bei den verschiedensten Anlässen bezog ich mich auf soziale Themen, und es ist nur billig und recht, weiterhin davon zu sprechen, solange es auf der Welt eine Gerechtigkeit gibt, auch wenn sie noch so gering ist. Würde die Kirche das nicht tun, dann wäre sie ihrer von Christus übertragenen Mission nicht treu. Es steht also der Mensch auf dem Spiel, und zwar die konkrete Person. Wenn auch die Zeiten und Umstände sich ändern, so gibt es immer Menschen, die der Stimme der Kirche bedürfen, um auf ihre Not, ihre Pein und ihr Elend aufmerksam zu machen. Wer sich in dieser Situation befindet, kann sich darauf verlassen, nicht betrogen zu werden; denn die Kirche ist auf seiner Seite, und auch der Papst schließt alle, die unter Ungerechtigkeit zu leiden haben, in sein Herz ein und versucht, sie durch seine Worte zu ermutigen. Die Lehren Jesu sind auch an der Schwelle des Dritten Jahrtausends noch aktuell und gelten auch für euch, meine lieben Brüder und Schwestern. Bei der Suche nach der Gerechtigkeit des Himmelreiches können wir uns nicht von Schwierigkeiten und Unverständnis aufhalten lassen. Wenn wir die Einladung unseres Meisters zu Gerechtigkeit, Dienst und Nächstenliebe als Frohbotschaft erst einmal angenommen haben, dann wird sich auch unser Herz öffnen, unsere Kriterien werden sich ändern, und eine Kultur der Liebe und des Lebens wird entstehen. Das ist die große Veränderung, die die Gesellschaft braucht und erwartet, aber dies wird erst erreicht werden, wenn zuvor eine Bekehrung der Herzen stattfindet, und zwar bei jedem einzelnen von uns. Das ist die Bedingung für die notwendigen Veränderungen innerhalb der Gesellschaftsstrukturen. 6. „Der Geist des Herrn [...] hat mich gesandt, [...] damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde, [...] damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setzte“ (Lk 4,18). Die frohe Botschaft Jesus wird von einer Ankündigung der Freiheit begleitet und stützt sich auf das solide Fundament der Wahrheit: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,31-32). Die Wahrheit, auf die sich Jesus bezieht, ist nicht nur ein intellektuelles Verständnis der Realität, sondern es ist die Wahrheit über den Menschen und seine transzendente Dimension, es ist die Wahrheit über dessen Rechte und Pflichten, über dessen Größe und Grenzen. Es ist dieselbe Wahrheit, die Jesus durch sein Leben verkündet, die er vor Pilatus im Wort und vor Herodes durch sein Schweigen wieder bekräftigt; es ist dieselbe Wahrheit, 231 REISEN die ihn letztlich bis zum heilbringenden Kreuz und bis zu seiner glorreichen Auferstehung führte. Freiheit, die nicht auf der Wahrheit gründet, beeinträchtigt so auch den Menschen und macht ihn sogar manchmal zum Objekt, anstatt zum Subjekt seiner sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Umgebung, indem sie ihm fast keine Möglichkeit zur Initiative für seine persönliche Entwicklung lässt. Diese Freiheit kann aber anderseits auch individualistische Züge annehmen, das heißt, man schließt sich in seinen eigenen Egoismus ein, so dass man keine Notiz von der Freiheit der anderen nimmt. Die Eroberung der Freiheit in Verantwortung ist eine unumgängliche Aufgabe für alle Menschen. Für die Christen ist die Freiheit der Kinder Gottes nicht nur eine Gabe und Aufgabe, sondern sie zu erlangen bedeutet ein unschätzbares Zeugnis und ein echter Beitrag auf dem Weg der Befreiung des ganzen Menschengeschlechtes. Diese Befreiung beschränkt sich nicht auf soziale und politische Aspekte, sondern sie erfährt ihre Fülle erst in der Ausübung der Gewissensfreiheit. Diese ist die Basis und das Fundament aller übrigen Menschenrechte. Für viele der heutzutage bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systeme ist die größte Herausforderung immer noch das Zusammenspiel von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, von Freiheit und Solidarität, ohne dass das eine oder andere als minderwertig betrachtet wird. In diesem Sinne stellt die Soziallehre der Kirche die Bemühung dar, über dieses Verhältnis zu reflektieren und Vorschläge einzubringen, wodurch versucht werden soll, die Beziehungen zwischen den unveräußerlichen Rechten aller Menschen und den sozialen Ansprüchen zu beleuchten und in Einklang zu bringen, so dass der Mensch seine tiefsten Bestrebungen und seine Selbstverwirklichung in jeder Hinsicht als Kind Gottes und als Bürger einer Gesellschaft erlangen kann. Daher muss das katholische Laientum durch die Umsetzung der kirchlichen Soziallehre in den verschiedenen, allen Menschen guten Willens offenstehenden Lebensbereichen zu dieser Selbstverwirklichung beitragen. 7. In der heute vorgetragenen Evangelienperikope ist die Gerechtigkeit aufs Engste mit der Wahrheit verbunden. Das fällt auch in den klaren Gedankengängen der Väter eurer Heimat auf. Der Diener Gottes Pater Felix Varela, der von seinem christlichen Glauben und seiner Treue zum Priesteramt beseelt war, säte den Samen der Gerechtigkeit und Freiheit im Herzen des kubanischen Volkes aus. Er selbst träumte davon, diese Saat in einem freien und unabhängigen Kuba aufgehen zu sehen. Auch die Lehre von Jose Marti über die Liebe zu allen Menschen hat ihre tiefen Wurzeln im Evangelium. Durch sie überwindet er den falschen Konflikt zwischen Glauben an Gott und Liebe und Dienst für das Vaterland. Diese hochgestellte Persönlichkeit schreibt: „Rein und selbstlos, verfolgt und gemartert, poetisch und schlicht ist die Religion des Nazareners, womit er alle ehrenhafte Menschen beeindruckte [...] Jedes Volk braucht Religiosität. Es ist nicht nur von seinem Wesen her religiös, sondern es muss es auch zu seinem eigenen Nutzen sein [...] Ein Volk, das nicht religiös ist, stirbt aus, weil seine Tugendhaftigkeit durch nichts genährt wer- 232 REISEN den kann. Die menschliche Ungerechtigkeit innerhalb der Tugendhaftigkeit ist abstoßend, es ist notwendig, dass die himmlische Gerechtigkeit ihr als Garant beistehe.“ Wie wir ja wissen, hat Kuba ein christliche Seele und somit auch eine universale Berufung. Das Land ist berufen, seine Isolation zu überwinden und sich der Welt zu öffnen, so, wie auch die Welt auf dieses Land, sein Volk und seine Kinder zugehen muss, die ohne Zweifel seinen größten Reichtum darstellen. Nun, da wir an der Schwelle des Dritten Christlichen Jahrtausends stehen, ist die Stunde gekommen, neue Wege einzuschlagen, welche die Zeit der Erneuerung fordert, in der wir heute leben! 8. Liebe Brüder und Schwestern, Gott hat dieses Volk wahrhaft mit Menschen gesegnet, die das nationale Gewissen bilden. Es sind deutliche und unerschütterliche Exponenten des christlichen Glaubens sowie die wertvollste Stütze der Tugend und der Liebe. Heute geben sich die Bischöfe zusammen mit ihren Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien die größte Mühe, Brücken zu schlagen, um sich so in Geist und Herz näher zu kommen. Sie tun dies, indem sie den Frieden fördern und konsolidieren und indem sie eine Zivilisation der Liebe und Gerechtigkeit vorbereiten. Mitten unter euch bin ich nun als Botschafter der Wahrheit und der Hoffnung. Deshalb möchte ich meinen Aufruf wiederholen, euch von Jesus Christus erleuchten zu lassen und ohne Vorbehalt den Glanz seiner Wahrheit zu akzeptieren, auf dass alle den Weg der Einheit auf der Grundlage der Liebe und der Solidarität einschlagen können. Mögen dabei auch Diskriminierungen, Isolation und Konfrontation vermieden werden, die ja dem Willen Gottes, der die Liebe ist, entgegengesetzt sind. Es erleuchte der Heilige Geist diejenigen mit seinen Gaben, die in den verschiedenen Bereichen Verantwortung für dieses Volk tragen, welches mir immer am Herzen liegt. Möge auch die „Virgen de la Caridad“ von Cobre, die Königin Kubas, für ihre Kinder die Gaben des Friedens, des Fortschrittes und der Glückseligkeit erlangen. Einheit - Hoffnung der Kirche und der Menschheit Angelus in Havanna am 25. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir haben soeben die heilige Messe auf diesem Platz gefeiert, der Zeuge der großen Ereignisse der kubanischen Geschichte sowie des Alltags der Menschen in dieser wunderschönen Stadt Havanna ist, die verdientermaßen den Namen „Llave del Nuevo Mundo - Schlüssel zur Neuen Welt“ trägt. So möchte ich euch nun alle ganz herzlich grüßen, da wir uns vorbereiten, den Engel des Herrn, das Gebet zu Ehren Unserer Lieben Frau, zu beten. 233 REISEN 2. Heute beschließen wir die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Der Wunsch, zur vollen Einheit unter allen Christgläubigen zu gelangen, begleitet die Kirche fortwährend auf ihrem Pilgerweg; er wird besonders dringlich in diesem dem Heiligen Geist gewidmeten Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Eintracht und Einheit, Gegenstand der Hoffnung der Kirche und auch der Menschheit, sind immer noch fern; es handelt sich aber um Gaben des Heiligen Geistes, um die wir unermüdlich bitten sollen. 3. Unsere Liebe Frau, „Virgen de la Caridad del Cobre“, Königin und Patronin von Kuba, begleitet jedes einzelne ihrer Kinder in diesem Land mit ihrer mütterlichen Anwesenheit. Ihr, deren Bildnis alle Diözesen und Pfarreien besucht hat, vertraue ich die Sehnsüchte und Hoffnungen dieses edlen Volkes an und bitte sie um ihren Beistand und Schutz für das Werk der Neuevangelisierung auf dieser Insel, damit die Christen ihren Glauben konsequent und eifrig leben und diejenigen ihn wiederfinden, die ihn verloren haben. Möge Kuba in Frieden und Wohlstand leben! Jungfrau Maria, Mutter der Menschen und der Völker: Bevor ich nach Rom an das Grab des Apostel Petrus zurückkehre, empfehle ich dir noch einmal deine Söhne und Töchter in Kuba an. Ich gehe in dem tröstenden Wissen, dass sie in deinem mütterlichen Schoß geborgen sind. Ich bitte dich, dass du ihnen immerzu „Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes“, zeigen mögest. Schaue stets in Barmherzigkeit auf sie herab, und befreie sie durch deine Fürsprache beim göttlichen Erlöser von ihren Leiden; bewahre sie vor allem Bösen, und erfülle sie mit deiner Liebe. Dialog der Liebe und der Wahrheit Botschaft zur ökumenischen Begegnung in der Apostolischen Nuntiatur am 25. Januar 1. An diesem bedeutenden Tag ist es mir eine Freude, Sie, die Vertreter des Kirchenrates von Kuba und die Vertreter von verschiedenen christlichen Konfessionen hier zu empfangen. Auch ist es mir eine Freude, die kleine Abordnung der jüdischen Gemeinde zu empfangen, die an dem besagten Kirchenrat als Beobachter teilnimmt. Sie alle begrüße ich von ganzem Herzen und versichere Ihnen, dass es für mich wirklich eine große Freude ist, Menschen zu begegnen, mit denen wir den Glauben an den wahren und lebendigen Gott gemeinsam haben. In dieser besonderen Atmosphäre möchten wir am liebsten mit dem Psalmisten ausrafen: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Als Botschafter der Hoffnung und der Wahrheit bin ich in dieses Land gekommen, auch um die Hirten und Gläubigen der verschiedenen Diözesen dieses Landes im Glauben zu ermutigen und zu stärken (vgl. Lk 22,32). Doch wünschte ich, dass mein Gruß gleichsam als ein konkretes Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen 234 REISEN alle Einwohner dieses Landes erreichte. Bei diesem Kubabesuch durfte natürlich eine Begegnung mit Ihnen nicht fehlen, denn das ist ja mittlerweile schon zur Tradition bei meinen apostolischen Reisen geworden. So können wir unsere Sehnsucht nach der Wiederherstellung der vollen Einheit aller Christen miteinander teilen und unsere Zusammenarbeit im Hinblick auf einen umfassenden Fortschritt des kubani-sthen Volkes unter Berücksichtigung der spirituellen und transzendenten Werte des Glaubens vertiefen. Das ist dank der gemeinsamen Hoffnung auf das Heil möglich, das Gott uns verheißen und in Jesus Christus, dem Heiland des Menschengeschlechtes, geoffenbart hat. 2. Heute ist das Fest der Bekehrung des hl. Paulus. Der Apostel, der „von Christus ergriffen worden“ ist (Phil 3,12), setzte seither seine ganze Energie für die Verkündigung des Evangeliums an alle Völker ein. Diese Woche endet die Gebetsoktav für die Einheit der Christen, die wir dieses Jahr unter dem Motto „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an“ (Rom 8,26) begangen haben. Mit dieser Initiative, die bereits vor vielen Jahren begonnen hat und immer mehr Bedeutung erlangt hat, will man nicht nur die Aufmerksamkeit aller Christen auf den Wert der ökumenischen Bewegung lenken, sondern auch auf praktische und unmissverständliche Weise unterstreichen, auf welche Pfeiler sich alle Aktivitäten zu stützen haben. Diesem Umstand habe ich es zu verdanken, dass ich in diesem Land, das so sehr vom christlichen Glauben geprägt ist, aufs neue die unwiderrufliche Aufgabe der Kirche bekräftigen kann, in ihrem Streben nach der vollen Einheit der Jünger Christi nicht nachzulassen und ständig mit Ihm zu wiederholen: „Alle sollen eins sein, [...] Vater“ (Joh 17,21), auf dass wir so seinem Willen Gehorsam leisten. Das darf in keinem Winkel der Kirche ausbleiben, egal in welcher soziologischen Situation sie sich gerade befindet. Es ist zwar richtig, dass jedes Land von seiner eigenen Kultur und religiösen Geschichte her bestimmt ist, so dass die ökumenischen Aktivitäten überall je nach Ort verschieden sind, aber trotzdem ist es - unabhängig von all dem - sehr wichtig, dass das Verhältnis der Menschen, die den gleichen Glauben an Gott teilen, stets ein brüderliches ist. Weder irgend welche historische Zufälligkeiten noch ideologische oder kulturelle Voraussetzungen dürfen dieses Verhältnis stören. Dessen Inhalt und Zweck darf einzig und allein der Dienst an der von Christus gewollten Einheit sein. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es bei der Rückkehr zur vollen Einheit besonders Liebe, Mut und Hoffnung braucht, die dem beharrlichen Gebet entspringen. Dies ist die Quelle aller wahrlich vom Herrn inspirierten Aufgaben. Durch das Gebet fördern wir die Reinigung unserer Herzen und die innere Umkehr. Das ist deshalb notwendig, damit wir das Wirken des Heiligen Geistes erkennen. Er lenkt uns alle, die Kirche und auch den Lauf der Geschichte. Gleichzeitig muss auch die Eintracht gefördert werden, denn sie verwandelt unseren Willen und macht ihn bereit für die Eingebungen des Geistes. So wird ein immer lebendigerer Glaube gepflegt und gefördert. Der Heilige Geist hat auch die ökumenische Bewegung inspiriert, und ihm sind auch die bemerkenswerten Fortschritte diesbezüglich zuzu- 235 REISEN schreiben. Überwunden sind die Zeiten, da die Beziehungen zwischen den Konfessionen von gegenseitiger Gleichgültigkeit gezeichnet waren, die sich mancherorts sogar in offene Feindschaft verwandelte. 3. Das intensive Sich-Beschäftigen mit dem Einheitsanliegen der Christenheit ist eines der Hoffnungszeichen in diesem ausgehenden Jahrhundert (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Das gilt auch für die kubanischen Christen, die nicht nur dazu aufgerufen sind, in einem Geist der gegenseitigen Achtung den Dialog fortzusetzen, sondern ebenfalls im gegenseitigen Einvernehmen bei gemeinsamen Projekten zusammenzuarbeiten, vor allem wenn es sich um Projekte handelt, die der Gesamtbevölkerung zum Fortschritt in Sachen Friedensprozess dienen und ihr dabei helfen, die wesentlichen Werte des Evangeliums zu fördern, welche der menschlichen Person erst ihre Würde verleihen und das Zusammenleben gerechter und solidarischer werden lassen. Wir sind alle dazu aufgerufen, den täglichen Dialog der Liebe aufrechtzuerhalten, der in den Dialog der Wahrheit mündet und der kubanischen Gesellschaft das wahre Bild Christi vermittelt. Das fördert in der Gesellschaft auch die Erkenntnis der eigenen Heilsmission zur Rettung aller Menschen. 4. Ganz besonders möchte ich die Jüdische Gemeinde begrüßen, die heute hier vertreten ist. Ihre Anwesenheit ist der selbstsprechende Beweis für einen brüderlichen Dialog, der darauf ausgerichtet ist, sich gegenseitig besser kennen zu lernen. Dies wurde von katholischer Seite bereits auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gewünscht, und diesem Wunsch wird heute ja auch immer mehr Rechnung getragen. Wir teilen mit Ihnen ein gemeinsames geistliches Erbe, das seine Wurzeln tief in der Heiligen Schrift hat. Möge Gott, der Schöpfer und Retter, unsere Mühen auf diesem gemeinsamen Weg unterstützen, auf dass wir, durch sein göttliches Wort genährt, im Kult und in der glühenden Liebe zu ihm voranschreiten, und möge dies zum Wohle aller Menschen lange währen und Früchte tragen. 5. Abschließend möchte ich Ihnen noch für ihre Anwesenheit bei dieser Begegnung danken und Gott bitten, dass er Sie alle und ihre Gemeinschaften segne, Sie auf ihren Wegen behüte, wenn Sie seinen Namen Ihren Brüdern und Schwestern verkünden. Möge er Ihnen sein Antlitz inmitten der Gesellschaft zeigen, der Sie alle dienen, und möge er Ihnen allen immer und überall seinen Frieden schenken. Havanna, den 25. Januar 1998, Fest der Bekehrung des hl. Paulus. 236 REISEN Leistet euren Beitrag zur Entwicklung des Landes aus dem Geist des Evangeliums! Ansprache bei der Begegnung mit Klerus, Ordensleuten, Seminaristen und für die Kirche tätigen Laien in der Metropolitankathedrale von Havanna am 25. Januar Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, meine lieben Ordensleute, Seminaristen und Laien! 1. In Anbetracht der wenigen Stunden, die uns bis zur Beendigung dieses Pastoral-besuches noch bleiben, ist es mir eine Freude, euch nun hier zu begegnen. Ihr seid stellvertretend für diejenigen hier, die mit Freude und Hoffnung, mit Kreuz und Opfer die begeisternde Aufgabe der Evangelisierung in diesem Land haben, das so sehr von seiner einzigartigen Geschichte geprägt ist. Für die freundlichen Worte, die Kardinal Jaime Lucas Ortega y Alamino, der Erzbischof von Havanna, an mich gerichtet hat, bedanke ich mich ganz herzlich. Er machte sich zum Sprecher von Empfindungen der Zuneigung und Wertschätzung, die ihr für den Nachfolger des Apostels Petrus hegt. Darauf möchte ich antworten, indem ich meine Bekundung größter Hochachtung im Herrn erneuere und sie auf alle Söhne und Töchter dieser Insel ausweite. 2. Wir finden uns in dieser Metropolitankathedrale zusammen, die der Unbefleckten Empfängnis geweiht ist, und dies an dem Tag, an dem die Liturgie die Bekehrung des hl. Paulus feiert. Nachdem ihm auf dem Weg nach Damaskus der auferstandene Herr erschienen war, wandelte er sich vom Christenverfolger zum furchtlosen und unermüdlichen Apostel Jesu Christi. Sein leuchtendes Beispiel und seine Lehren sollen euch als Leitlinie dienen, um so jeden Tag die unzähligen Hindernisse anzugehen und zu überwinden, die euch bei der Verwirklichung eurer Sendung begegnen, auf dass eure Kräfte und euer Enthusiasmus für die Ausbreitung des Gottesreiches nicht nachlassen. Eure Landesgeschichte kennt zahlreiche Hirten, die in ihrer unerschütterlichen Treue zu Christus und zu seiner Kirche das Volk in allen seinen Lebenslagen begleitet haben. Das Zeugnis ihrer großzügigen Hingabe, ihre Worte bei der Verkündigung des Evangeliums und die Verteidigung der Würde und unaufgebbaren Rechte des Menschen sowie die Förderung des Wohles dieser Nation in jeder Hinsicht sind ein kostbares geistiges Erbe, das es zu bewahren und zu bereichern gilt. Unter anderen bezog ich mich in diesen Tagen auf einen von ihnen, den Diener Gottes, Pater Felix Varela, der stets seinem Priestertum treu und ein aktiver Förderer des Gemeinwohles des ganzen kubanischen Volkes war. Auch möchte ich an den Diener Gottes Jose Olallo erinnern, der dem Hospitalorden des hl. Johannes von Gott angehörte. Er war ein Zeuge der Barmherzigkeit, und sein beispielhaftes Leben im Dienst an den Ärmsten der Armen war fruchtbringendes Vorbild eines Lebens, das dem Herrn geweiht ist. Hoffen wir, dass sein Heiligsprechungsprozess 237 REISEN bald zum Abschluss kommt und er von den Gläubigen angerufen werden kann. Viele andere Kubaner, Männer und Frauen, haben standhafte Beweise des Glaubens, der Beharrlichkeit in ihrer Sendung und der Hingabe an die Sache des Evangeliums gegeben, seien es nun Priester, Ordensleute oder Laien. 3. Liebe Priester! Der Herr lässt reichen Segen kommen über eure tägliche Hingabe im Dienst der Kirche und des Volkes, auch dann, wenn Hindernisse und Schwierigkeiten auftauchen. Deshalb spreche ich euch meine Hochachtung und meinen Dank für eure Antwort auf die göttliche Gnade aus, durch die ihr dazu berufen seid, Menschenfischer zu sein (vgl. Mk 1,17), ohne euch von Müdigkeit und Entmutigung überwältigen zu lassen, die durch das weite Feld der apostolischen Arbeit entstehen. Das kommt durch die beschränkte Priesterzahl und durch die immensen pastoralen Bedürfnisse der Gläubigen, die ihr Herz für das Evangelium öffnen, wie auch bei der vorbereitenden Mission auf meinen Besuch zu sehen war. Verliert nicht die Hoffnung angesichts des Fehlens von materiellen Mitteln für die Mission oder des Mangels an Hilfsgütem, worunter ein Großteil dieses Volkes zu leiden hat. Bleibt stetig dabei, den Ruf des Herrn ernst zu nehmen, der will, dass wir für das Reich Gottes und die Gerechtigkeit arbeiten. Alles übrige wird euch dann hinzugegeben (vgl. Lk 12,31). Soweit es von euch abhängt, setzt weiterhin darauf, in engem Einvernehmen mit euren Bischöfen und als Ausdruck lebendiger kirchlicher Gemeinschaft, die diese Ortskirche auszeichnet, das Gewissen eurer Mitmenschen bei der Entwicklung der menschlichen, ethischen und religiösen Werte zu erhellen. Das Fehlen dieser Werte wirkt sich in weiten Bereichen der Gesellschaft aus, und zwar besonders bei den Jugendlichen, die darum so sehr verletzlich sind. Die Mühen im Apostolat werden noch fruchtbarer werden. Die hoffnungsvollen Zeichen bei der Zunahme der Priesterberufungen und die Einreise neuer Missionare ins Land, für die wir Erleichterung erwarten, werden es mit sich bringen, dass das apostolische Wirken noch mehr Strahlkraft zum daraus folgenden Wohl für alle bekommt. Wir sind uns bewusst, dass unsere „Hilfe vom Herrn kommt“ (Ps 121,2) und dass nur Er die Stütze und Hilfe unseres Lebens ist. Deshalb ermutige ich euch, das tägliche persönliche und längere Gebet niemals zu vernachlässigen. Ihr werdet so immer mehr Christus, dem guten Hirten, gleich werden; denn in ihm werdet ihr die Grundkraft und wahre Ruhe finden (vgl. Mt 11,30). So könnt ihr mit Freuden „den ganzen Tag über die Last der Arbeit und Hitze“ ertragen (vgl. Mt 20,12) und auch das beste Zeugnis für die Förderung der Priester- und Ordensberufungen geben, die so dringend gebraucht werden. Der priesterliche Dienst weitet sich über die Verkündigung des Wortes Gottes und die Feier der Sakramente hinaus - die eure prophetische und kultische Sendung ausmachen - auch auf den karitativen Dienst und die Förderung der Menschlichkeit aus. Daher ist der Priester auch auf den Dienst der Diakone und die Hilfe der Mitglieder von den verschiedenen Orden und unterschiedlicher kirchlicher Vereinigungen angewiesen. Der Herr gebe, dass ihr stets mit Entgegenkommen die 238 REISEN Hilfsmittel erhalten und weiterverteilen könnt, die so viele Schwesterkirchen mit euch teilen wollen, und dass ihr stets auf geeignetste Weise die Not der Brüder und Schwestern zu lindem vermögt und diese Werke auch immer mehr verstanden und geschätzt werden. 4. Für die Anwesenheit geweihter Personen aus den verschiedensten Instituten in diesem Land bin ich sehr dankbar. Seit einigen Jahrzehnten mussten sie allerdings ihre Berufung unter besonderen Bedingungen leben. Auch mussten sie sich, ohne die Besonderheiten ihres Charismas aufzugeben, den herrschenden Umständen anpassen und den pastoralen Erfordernissen der Diözese Rechnung tragen. Dankbar bin ich auch für das verdienstvolle und anerkennenswerte pastorale Wirken und für den Dienst in Christus an den Armen, Kranken und Alten. Es ist zu wünschen, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Kirche ihre eigene Rolle im Unterrichtswesen wieder aufnehmen kann. Denn dies ist eine Aufgabe, die in weiten Teilen der Welt die Ordensinstitute mit großem Eifer und auch zum Wohl der Zivilbevölkerung übernommen haben. Die Kirche erwartet von euch allen das Zeugnis eines durch die evangelischen Räte umgestalteten Daseins (vgl. Vita consecrata, Nr. 20). Ihr seid Zeugen der Liebe durch die Keuschheit, die das Herz weit macht, durch die Armut, die Schranken aufhebt, und durch den Gehorsam, der Gemeinschaft stiftet in eurer Kommunität, in der Kirche und in der Welt. Der Glaube des kubanischen Volkes, dem ihr dient, war seit jeher die Kraftquelle der Kultur dieser Nation. Ihr, die ihr ein geweihtes Leben führt, sucht und fördert immer einen wahrhaften Prozess von Inkulturation des Glaubens, der allen die Verkündigung, die Annahme und das Leben nach dem Evangelium ermöglicht. 5. Liebe Seminaristen, Novizen und Novizinnen! Seid auf eine solide menschliche und christliche Bildung bedacht, bei der das geistliche Leben Vorrang haben soll. So bereitet ihr euch auch besser auf die Ausübung des Apostolates vor, das euch einmal übertragen wird. Schaut mit Hoffnung in die Zukunft, in der ihr besondere Verantwortung zu übernehmen habt. Festigt die Treue zu Christus und seinem Evangelium, die Liebe zur Kirche und die Hingabe an das Gottesvolk. Die beiden Seminare, die in ihrer Aufnahmefähigkeit nicht mehr ausreichen, haben auf bemerkenswerte Weise zur Gewissensbildung der kubanischen Nationalität beigetragen. Möge in diesen bedeutenden Einrichtungen weiterhin die fruchtbare Synthese von Frömmigkeit und Tugend, von Glauben und Kultur und von der Liebe zu Christus und seiner Kirche und der Liebe zum Volk gefördert werden. 6. Den Laien, die stellvertretend für so viele andere hier anwesend sind, danke ich für ihre tägliche Treue, mit der sie dem Ruf des Glaubens im Schoße der Familie folgen und so die Hindernisse überwinden und sich entschlossen dafür einsetzen, dass der Geist des Evangeliums in der Gesellschaft Gestalt annimmt. Ich lade euch ein, euren Glauben durch beständige biblische und katechetische Weiterbildung zu nähren, die euch helfen wird, beharrlich Zeugnis für Christus abzulegen, Schmähungen zu verzeihen, das Recht auszuüben, dem Volk in eurer Eigenschaft als 239 REISEN gläubige Katholiken in allen der Öffentlichkeit bereits zugänglichen Bereichen zu dienen und euch dafür einzusetzen, auch den Zugang zu den Gebieten zu erlangen, die euch noch verschlossen sind. Die Aufgabe einer engagierten Laienschaft besteht genau genommen darin, die Bereiche der Kultur, der Wirtschaft, der Politik und der sozialen Kommunikationsmittel zu öffnen, um durch sie die Wahrheit und die Hoffnung von Christus und den Menschen weiterzugeben. In diesem Sinne ist zu wünschen, dass die katholischen Publikationen und die anderen Initiativen über die nötigen Mittel verfügen können, damit der gesamten kubanischen Gesellschaft besser gedient ist. Ich möchte euch ermutigen, auf diesem Wege weiterzugehen, der ein Ausdruck der Lebendigkeit der Gläubigen und ihrer echten christlichen Berufung zum Dienst an der Wahrheit und an Kuba ist. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Das kubanische Volk braucht euch, weil es Gott braucht, der der Urgrund seines Daseins ist. Ihr seid ein Teil dieses Volkes und sollt ihm daher vor Augen stellen, dass nur Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, dass nur er Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh 6,68-69). Der Papst steht euch nahe und begleitet euch durch sein Gebet und seine Zuneigung, er empfiehlt euch dem mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau „de la Caridad del Cobre“, der Mutter aller Kubaner. Ihr, dem Stern der Neuevangelisierung, vertraue ich all eure Bemühungen und das Wohl dieses freundlichen Landes an. Friede ist Frucht von praktizierter Gerechtigkeit und gewährter Verzeihung Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen Kubas in der Erzbischöflichen Residenz von Havanna am 25. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir wirklich eine große Freude, mit euch, den Bischöfen der katholischen Kirche Kubas, in diesen Augenblicken ernster Besinnung und brüderlicher Begegnung zusammenzukommen, um gemeinsam Freude und Hoffnung, Sehnsüchte und Erwartungen des Gottesvolkes zu teilen, das sich hier in diesem Land auf Pilgerschaft befindet. Vier Diözesen des Landes konnte ich besuchen, wenn ich sie auch im Herzen alle aufgesucht habe. Auch konnte ich mich in diesen Tagen von der Vitalität dieser kirchlichen Gemeinschaften und ihrer Fähigkeit und Bereitschaft, die Gläubigen zu vereinen, persönlich überzeugen. Das ist unter anderem auch eine Frucht der Glaubwürdigkeit, die die Kirche hier durch ihr beharrliches Zeugnis und das passende Wort erreicht hat. Die Einschränkungen der vergangenen Jahre brachten in materieller und personeller Hinsicht Armut mit sich, aber diese Prüfungen haben die Kirche auch bereichert, indem sie zur Kreativität und zu Opfern bei der Ausübung ihres Dienstes drängten. 240 REISEN Das Kreuz, das ihr in diesem Land auf euch genommen habt, hat reiche Frucht gebracht, und dafür bin ich Gott dankbar. Denn nur von Christi Kreuz kommt jene Hoffnung, die nicht trügt, sondern reiche Frucht bringt. Der Glaube wurde in Kuba für lange Zeit auf harte Proben gestellt, die jedoch durch geistige Festigkeit und fürsorgliche Nächstenliebe, aber nicht zuletzt auch im Bewusstsein bestanden wurden, dass der Weg des Kreuzes Mühen bereit hält, die man nur durch Hingabe auf sich nehmen kann, das heißt, indem man Christus folgt, der niemals sein Volk vergisst. In dieser geschichtsträchtigen Stunde freuen wir uns nicht, weil die Ernte eingebracht ist, sondern weil wir, wenn wir recht hinschauen, die Früchte betrachten können, die die Evangelisierung in Kuba hervorgebracht hat. 2. Vor über fünfhundert Jahren wurde das Kreuz Christi in diesem herrlichen und fruchtbaren Land errichtet, und sein Licht, das in der Finsternis leuchtet, hat es ermöglicht, dass der katholische und apostolische Glaube hier Fuß fassen konnte. In der Tat ist dieser Glaube ein echter Bestandteil der kubanischen Identität und Kultur. Viele Einwohner dieses Landes betrachten die Kirche sogar als ihre Mutter, welche durch ihre geistliche Sendung sowie durch die Botschaft des Evangeliums und ihre Soziallehre die ganzheitliche Entwicklung der Person und das menschliche Zusammenleben fördert, welches auf ethischen Prinzipien und echten moralischen Werten gründet. Die das Handeln der Kirche begleitenden äußeren Umstände haben sich allmählich und schrittweise verändert. Das lässt die Hoffnung für die Zukunft wachsen. Trotzdem gibt es immer noch einige dieses Handeln einschränkende Anschauungen, und man versucht, die katholische Kirche auf das gleiche Niveau gewisser kultureller Bekundungen von Religiosität herabzustufen, so etwa nach Art der synkretistischen Kulte, die jedoch, auch wenn sie Respekt verdienen, nicht als Religionen im eigentlichen Sinn betrachtet werden können, sondern eher als eine Ansammlung von Traditionen und Anschauungen. Es gibt viele Erwartungen, und das Vertrauen, das das kubanische Volk in die Kirche setzt, ist groß. Davon konnte ich mich in diesen Tagen selbst überzeugen. Es ist zwar richtig, dass einige dieser Erwartungen die kirchliche Sendung selbst übersteigen, aber trotzdem müssen sie alle im Rahmen des Möglichen von der kirchlichen Gemeinschaft angehört werden. Ihr, liebe Brüder, die ihr unter euren Gläubigen lebt, seid bevorzugte Zeugen dieser Hoffnung des Volkes. Viele dieser Menschen glauben wirklich an Christus, den Sohn Gottes, und sie glauben auch an seine Kirche, die ihnen inmitten ihrer nicht wenigen Schwierigkeiten treu geblieben ist. 3. Es ist mir wohl bewusst, welche Sorgen den Hirten die Tatsache bereitet, dass die Kirche in Kuba immer mehr von denen überfordert und bedrängt wird, die in wachsendem Maße die verschiedensten Dienstleistungen von der Kirche erwarten. Ich weiß auch, dass ihr nicht aufhören könnt, diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, ohne nach den geeigneten Mitteln zu suchen, die es ermöglichen, das in wirkungsvoller Kraft und in der erforderlichen Liebe zu tun. Das heißt nicht, dass ihr deswegen für die Kirche eine Vormachtstellung oder Ausschließlichkeit for- 241 REISEN dert, sondern dass ihr den angemessenen Freiraum einfordert, der euch von rechts wegen dort zusteht, wo sich das soziale Leben des Volkes vollzieht. Ihr zählt auf den nötigen und ausreichenden Freiraum, um euren Brüdern zu dienen. Auf diesem Freiraum müsst ihr weiterhin bestehen, nicht um irgend eine Machtposition zu erlangen - was außerhalb eures Auftrages wäre -, sondern um euer Leistungsvermögen im Dienst an den Mitmenschen auszubauen. Bei diesem Engagement sollt ihr euch in ökumenischem Geiste um die gesunde Zusammenarbeit mit den anderen christlichen Konfessionen bemühen und gleichzeitig auch den offenen Dialog mit den staatlichen Einrichtungen und den autonomen Organisationen der bürgerlichen Gesellschaft suchen, der immer mehr ausgebaut und vertieft werden soll. Die Kirche erhielt von Gott als ihrem Gründer den Auftrag, die Menschen hinzuführen zur Verehrung des wahren und lebendigen Gottes, sein Lob zu singen, seine Wunder zu verkünden und zu bekennen, dass es nur „einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe, einen Gott und Vater aller“ (Eph 4,5) gibt. Aber das Opfer, das Gott wohlfällig ist, ist, wie der Prophet Jesaja sagt, „die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu brechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach“ (58,6-8). In der Tat ist die kulturelle, prophetische und karitative Sendung der Kirche untereinander eng verbunden; denn das prophetische Wort zur Verteidigung der Unterdrückten und der karitative Dienst stellen überhaupt erst einen Zusammenhang zur Gottesverehrung her und verleihen ihr ihre Authentizität. Die Achtung der Religionsfreiheit soll der Kirche den Freiraum, die Einrichtungen und die Mittel für ihr Wirken garantieren, damit sie die drei Dimensionen ihres Auftrages durchführen kann, das heißt, sie muss sich, abgesehen vom Gottesdienst, auch der Verkündigung des Evangeliums und der Verteidigung der Gerechtigkeit und des Friedens widmen können, während sie aber gleichzeitig die Entwicklung und ganzheitliche Verwirklichung der menschlichen Person fördert. Keine dieser Dimensionen darf Einschränkungen unterzogen werden, da sie sich gegenseitig nicht selbst ausschließen. Aber es darf auch keine auf Kosten der anderen überbetont werden. Wenn die Kirche die Religionsfreiheit einfordert, erbittet sie nicht ein Geschenk, ein Privileg oder ein Zugeständnis, das von zufälligen Situationen, politischen Strategien oder der Willkür der Obrigkeiten abhängt, sondern sie fordert die effektive Anerkennung eines unveräußerlichen Rechtes. Dieses Recht darf weder durch das Verhalten der Hirten und Gläubigen beeinflusst werden noch durch den Verzicht auf das Wirken der Weltkirche in den drei Dimensionen; am allerwenigsten aber darf dieses Recht durch ideologische oder wirtschaftliche Faktoren beeinträchtigt werden. Es handelt sich dabei nicht nur um ein Recht der Kirche als Institution, sondern um ein Recht eines jeden Menschen und eines jeden Volkes. Alle 242 REISEN Menschen und Völker werden in dem Maße in ihrer spirituellen Dimension bereichert werden, in dem die Religionsfreiheit anerkannt und angewandt wird. Außerdem hatte ich ja bereits die Gelegenheit, zu unterstreichen, dass „die Religionsfreiheit ein Faktor von großer Bedeutung ist, um das sittlich kohärente Verhalten eines Volkes zu stärken. Die bürgerliche Gesellschaft kann sich auf die Gläubigen verlassen, da sie sich wegen ihrer tiefen Überzeugungen nicht nur nicht von Ideologien und totalitären Strömungen leicht vereinnahmen lassen, sondern sich auch darum bemühen, im Einklang mit ihren Grundanliegen zu handeln“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1988, Nr. 3). 4. Daher, liebe Brüder im Bischofsamt, setzt alles daran, um in jeder Hinsicht die Würde und die schrittweise Vervollkommnung des Menschen zu fördern. Das ist der wichtigste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages zu beschreiten hat (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14). Ihr, liebe Bischöfe von Kuba, habt immer die Wahrheit vom Menschen verkündet; denn das gehört zum Wesenskem des christlichen Glaubens und ist auf unlösliche Weise mit der Wahrheit von Christus und der Kirche verbunden. Auf vielfache Weise wusstet ihr konsequent Zeugnis über Christus abzulegen. Immer dann, wenn ihr den Standpunkt verfochten habt, dass die Menschenwürde über allen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen steht, habt ihr eine moralische Wahrheit verkündet, die den Menschen erhöht und ihn auf den unergründlichen Wegen Gottes zur Begegnung mit Christus, dem Heiland, geleitet. Dem Menschen wollen wir in Christi Namen in Freiheit dienen, ohne dass dieser Dienst durch das Auf und Ab der Geschichte oder bei gewissen Gelegenheiten durch Willkür und Ordnungslosigkeit behindert wird. Wenn die Werteskala sowie die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse umgekehrt werden und das ganze Sozialgefüge eher als ein Mittel zum Zweck betrachtet wird, anstatt es in den Dienst des Menschen zu stellen und es als Mitte und Ziel alles menschlichen Handelns zu respektieren, dann wird seinem Fortbestand sowie seiner transzendentalen Dimension Schaden zugefügt. Der Mensch verfällt dann dem leichtfertigen Konsumismus und versteht seine Freiheit in sehr individualistischer und einschränkender Weise, oder er verfällt einem oberflächlichen Produktionismus, der ihm wenig Raum für seine bürgerliche und politische Freiheit lässt. Keines dieser sozialpolitischen Modelle begünstigt die persönliche Offenheit zur Transzendenz hin, so dass der Mensch bei seiner Suche nach Gott frei bliebe. Deshalb möchte ich euch Mut zusprechen, in eurem Dienst der Verteidigung und Förderung der Menschenwürde fortzufahren, indem ihr den Menschen beharrlich und engagiert verkündet: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. Denn [...] Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Und auch das gehört zum Sendungsauftrag der Kirche, dass „sie sich immer wieder neu die ,Situation1 des Menschen bewußt macht. Sie muß seine Möglichkeiten kennen, die eine immer neue 243 REISEN Richtung nehmen und so zutage treten; zugleich aber muß die Kirche die Bedrohungen kennen, die über dem Menschen hängen“ (Redemptor hominis, Nr. 14). 5. Euer pastorales Feingefühl ist mir wohl bekannt, das euch auch die Kraft gibt, mit der Liebe eines Seelsorgers jene Situationen anzugehen, die das menschliche Leben und seine Würde bedrohen. Ihr sollt euch immer dafür einsetzen, bei euren Gläubigen und überhaupt beim ganzen kubanischen Volk die Wertschätzung des Lebens vom Mutterschoß an zu schaffen, die den Ausweg der Abtreibung als kriminelle Tat immer ausschließt. Arbeitet auf die Förderung und den Schutz der Familie hin, indem ihr deren Heiligkeit sowie die Unauflöslichkeit der christlichen Ehe angesichts des Übels der Trennungen und Scheidungen verkündet, welches der Grund von so viel Leid ist. Unterstützt in pastoraler Liebe die Jugendlichen, die nach besseren Bedingungen streben, um ein persönliches und gesellschaftliches Lebensziel zu erreichen, das auf wahren Werten gründet. Diesem Anteil an der Bevölkerung muss sehr viel Fürsorge zugewendet werden, das heißt, man soll den Jugendlichen eine angemessene katechetische, moralische und gesellschaftliche Ausbildung ermöglichen und das notwendige Vervollkommnen der Seele, damit sie im Stande sind, den Werte- und Sinnverlust in ihrem Leben durch eine solide humane und christliche Erziehung abzustellen. Gemeinsam mit den Priestern - euren ersten und vorzüglichen Mitarbeitern - und mit den Ordensleuten, die in Kuba tätig sind, sollt ihr weiterhin den Sendungsauftrag entfalten, das heißt, ihr sollt die Frohbotschaft Jesu Christi denen nahe bringen, die Durst nach Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit verspüren. Nehmt eure Seminaristen vertrauensvoll auf, und helft ihnen, dass sie sich eine solide intellektuelle, menschliche und geistliche Ausbildung aneignen, die es ihnen erlaubt, es Christus, dem guten Hirten, gleichzutun und seine Kirche und sein Volk zu lieben, dem sie eines Tages bei der Ausübung ihres Amtes mit Enthusiasmus und Großherzigkeit dienen werden; mögen sie die ersten sein, die einmal aus diesem missionarischen Geist Nutzen ziehen werden. Ermutigt die gläubigen Laien, ihre Berufung mutig und beharrlich zu leben, indem sie in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent sind und Zeugnis von der Wahrheit über Jesus Christus und über den Menschen ablegen. Sie sollen vereint mit allen anderen Menschen guten Willens nach Lösungen für die verschiedenen sozialen, moralischen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und spirituellen Probleme suchen, denen die Gesellschaft begegnen muss. Sie sollen sich auf wirkungsvolle Weise und in Demut an den Bemühungen beteiligen, um die manchmal sogar kritischen, alle hier lebenden Menschen betreffenden Situationen zu überwinden, damit die Nation immer menschlichere Lebensbedingungen erzielt. Die katholischen Laien haben, wie alle übrigen Bürger und Schwestern, das Recht und die Pflicht, zum Fortschritt des Landes beizutragen. Der Dialog mit der Gesellschaft und die verantwortungsvolle Teilnahme können neue Wege eröffnen für eine Aktion der Laien, und es ist nur zu wünschen, dass die Laien, die sich bereits engagieren, sich weiterhin durch Studium und praktische Anwendung der kirchlichen Soziallehre darauf vorbereiten, alle Lebensbereiche zu erhellen. 244 REISEN Es ist mir bewusst, dass eure pastoralen Bemühungen versucht haben, auch jene Menschen mit einzubeziehen, die aus verschiedenen Gründen und Umständen ihre Heimat verlassen haben, sich aber dennoch als Landeskinder von Kuba fühlen. Auch diese Mitbürger sollen in dem Maße, in dem sie sich als Kubaner fühlen, mit Gelassenheit und in respektvollem und konstruktivem Geist zum Fortschritt dieses Landes beitragen, indem sie unnötige Konfrontationen vermeiden und ein Klima des positiven Dialogs und gegenseitiger Achtung fördern. Helft ihr ihnen dabei, und verkündet ihnen immer wieder die hohen geistigen Werte in Zusammenarbeit mit anderen Diözesen, damit sie Förderer des Friedens und der Eintracht, der Versöhnung und der Hoffnung sind. Mögen sie effektive und großzügige Solidarität mit ihren kubanischen Brüdern und Schwestern üben, die am meisten Not leiden -denn damit erweisen sie eine tiefe Verwurzelung mit ihrem Ursprungsland. Ich hoffe, dass den kubanischen Bischöfen bei ihrer Seelsorgearbeit immer mehr moderne Mittel zugänglich werden, um auf angemessene Weise ihren Evangelisie-rungs- und Erziehungsauftrag durchzuführen. Ein laizistischer Staat darf den moralischen und erzieherischen Beitrag der Kirche nicht fürchten, sondern er sollte ihn mehr zu schätzen wissen. In diesem Zusammenhang ist es auch normal, dass die Kirche innerhalb der Gesellschaft Zugang zu den modernen sozialen Kommunikationsmitteln wie Radio, Presse und Fernsehen hat und dass sie diesbezüglich über eigene finanzielle Mittel verfügen kann, um allen Menschen den lebendigen und wahren Gott verkündigen zu können. Bei dieser Evangelisierungsarbeit sollten die katholischen Publikationen konsolidiert und bereichert werden; denn dadurch ist der Verkündigung der Wahrheit, und zwar nicht nur den Söhnen und Töchtern der Kirche, sondern überhaupt dem ganzen kubanischen Volk, noch wirkungsvoller gedient. 6. Mein Besuch findet in einem ganz besonderen Moment für das Leben der ganzen Kirche statt. Wir stehen nämlich mitten in der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Als Hirten des Gottesvolkes, welches sich hier in Kuba auf der Pilgerschaft befindet, nehmt ihr Teil an diesem Geist, und durch euren umfassenden Seelsorgeplan ermutigt ihr alle kirchlichen Gemeinschaften, „jenen neuen Frühling christlichen Lebens“ zu erleben, „der von dem Großen Jubeljahr offenbar gemacht werden muß, wenn die Christen fügsam sein sollen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 18). Möge dieser Plan den Anliegen meines Besuches und der Erfahrung der wirklich gelebten, zur Teilnahme bereiten und prophetischen Kirche Kontinuität verleihen, einer Kirche, die sich voll und ganz in den Dienst der ganzheitlichen Förderung der Menschen hier in Kuba stellen will. Das erfordert eine angemessene Unterweisung, die - wie ihr schon im voraus gesagt habt - „den Menschen als Person mit seinen humanen, ethischen, bürgerlichen und religiösen Werten wieder herstellt und ihn befähigt, seine Sendung innerhalb der Kirche und der Gesellschaft zu verwirklichen“ (vgl. IIENEC, Memoria, S. 38). Dazu ist aber „die Schaffung und Erneuerung der Diözesen, Pfarreien und kleinen Gemeinschaften notwendig, welche die 245 REISEN Teilnahme und gemeinsame Verantwortung fördern und in Solidarität und Dienstbereitschaft ihre Sendung zur Evangelisierung leben“ (vgl. ebd.). 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, am Ende dieser Überlegungen möchte ich euch noch versichern, dass ich voller Hoffnung auf die Zukunft nach Rom zurückkehre, nachdem ich mich von der Lebendigkeit dieser Teilkirche überzeugen konnte. Ich bin mir der Größe der Herausforderungen und Anforderungen an euch bewusst, aber ich weiß auch von dem guten Geist, der euch beseelt und die Fähigkeit gibt, ihnen entgegentreten zu können. Darauf vertraue ich und ermutige euch, weiterhin „den Dienst der Versöhnung“ (2 Kor 5,18) zu leisten, damit das euch anvertraute Volk die Schwierigkeiten der Vergangenheit überwinde und auf den Pfaden der Versöhnung aller Kubaner - und zwar ohne Ausnahme - voranschreite. Ihr wisst sehr wohl, dass Verzeihung mit der Gerechtigkeit nicht unvereinbar ist und dass die Zukunft des Landes in Frieden aufgebaut werden muss. Dieser Friede ist die Frucht dieser Gerechtigkeit sowie der angebotenen und angenommenen Verzeihung. Bemüht euch weiter wie der „Freudenbote, der Frieden ankündigt“ (Jes 52,7), damit ein gerechtes und würdiges Zusammenleben gefestigt werden kann, in dem alle ein Klima der Toleranz und gegenseitiger Achtung finden. Als Gottes Mitarbeiter seid ihr auch Ackerfeld und Bau Gottes (vgl. 1 Kor 3,9), damit eure Gläubigen in euch wahren Meister der Wahrheit und engagierten Führern seines Volkes begegnen können, die sich für das materielle, moralische und spirituelle Wohl einsetzen, indem sie stets der Mahnung des Apostels Paulus gewahr sind: „Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor 3,10-11). Den Blick auf unseren Heiland gerichtet, der „derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8), und all unsere Hoffnungen und Sehnsüchte der Mutter Christi und der Kirche anvertrauend, die hier mit dem liebevollen Namen „Nuestra Senora de la Caridad de Cobre“ verehrt wird, erteile ich euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen als Beweis meiner Zuneigung und Zeichen des Dankes. Möge dieser Segen euch stets in eurem Amt begleiten. Havanna, den 25. Januar 1998 246 REISEN Einigung aller Kräfte zur Überwindung von Isolation und Unfreiheit Ansprache beim Abschied am Flughafen von Havanna am 25. Januar Herr Präsident, Herr Kardinal und liebe Brüder im Bischofsamt, verehrte Vertreter der Regierung, geliebte Brüder und Schwestern von Kuba! 1. Einige Tage voller Eindrücke und Empfindungen habe ich zusammen mit dem Volk Gottes erlebt, das hier in diesem schönen Land Kuba auf der Pilgerschaft ist. All das hat tiefe Spuren in mir hinterlassen. Ich nehme die Erinnerung an die Gesichtszüge so vieler Menschen mit, denen ich im Laufe dieser Tage begegnet bin. Dankbar bin ich ihnen für ihre herzliche Gastfreundschaft, die der kubanischen Seele eigen ist. Dankbar bin ich vor allem, dass ich mit euch gemeinsam die intensiven Momente des Gebetes und der Betrachtung während der Messfeiem in Santa Clara, in Camagüey, in Santiago de Cuba und hier in Havanna teilen durfte sowie während der Begegnungen mit der Kulturwelt, aber auch mit der Welt der Schmerzen und nicht zuletzt auch während des Besuches in der Metropolitankathedrale vor ein paar Stunden. 2. Gott bitte ich, dass er alle segnen und belohnen möge, die bei der Verwirklichung dieses so lang ersehnten Pastoralbesuches mitgearbeitet haben. Ihnen, Herr Präsident, sowie allen anderen Regierungsvertretem dieses Landes danke ich für Ihre Anwesenheit hier und für Ihre beim Verlauf dieses Besuches angebotene Mithilfe, an dem so viele wie möglich sei es bei den Feierlichkeiten persönlich teilgenommen oder sie über Rundfunk und Bildschirm mitverfolgt haben. Meinen kubanischen Brüdern im Bischofsamt spreche ich meine hohe Anerkennung für ihre Mühen und ihr pastorales Engagement aus, wodurch sie sowohl meinen Besuch als auch die vorangegangene Volksmission vorbereitet haben. Die unmittelbaren Früchte sind offensichtlich geworden in der herzlichen Aufnahme, die mir hier zuteil wurde und die auf irgendeine Weise auch eine Fortsetzung finden muss. 3. Als Nachfolger des Apostels Petrus und dem Auftrag des Herrn folgend, bin ich als Botschafter der Wahrheit und der Hoffnung hierher gekommen, um euch im Glauben zu stärken und euch eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung in Christus zu hinterlassen. Deshalb ermutige ich euch, gemeinsam, angeregt durch die höchsten moralischen Prinzipien, in der Zusammenarbeit fortzufahren, auf dass die wohlbekannte Tatkraft, die dieses edle Volk auszeichnet, reiche Früchte bringe für das Wohlergehen sowie für geistiges und materielles Fortkommen zum Wohle aller. 4. Bevor ich die Hauptstadt verlasse, möchte ich allen Söhnen und Töchtern dieses Landes noch ein herzliches „Adios“ zurufen: allen in Stadt und Land, den Kindern, 247 REISEN den Jugendlichen, den Alten, den Familien sowie jedem einzelnen. Ich vertraue darauf, dass ihr weiterhin die der kubanischen Seele ureigensten Werte pflegt und fördert und sie in Treue zum Erbe eurer Väter bewahrt und dass ihr weiterhin, auch wenn ihr von Schwierigkeiten umgeben seid, euer Vertrauen auf Gott, euren christlichen Glauben und dessen Eingebundenheit in die Kirche, eure Liebe zur Kultur und den Traditionen der Vorväter und eure Berufung zur Gerechtigkeit und Freiheit zu zeigen wisst. Alle Kubaner sind bei diesem Prozess aufgerufen, in einem Klima gegenseitiger Achtung und mit einem tiefen Sinn für Solidarität zum Gemeinwohl beizutragen. In unserer heutigen Zeit kann keine Nation mehr allein leben. Daher darf das kubanische Volk sich von den Banden zu den anderen Völkern nicht abgeschnitten betrachten, die zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung notwendig sind, besonders dann, wenn die provozierte Isolation sich in unterschiedsloser Weise auf die Bevölkerung auswirkt und die Schwierigkeiten der Schwächsten in grundlegenden Bereichen wie Ernährung, Gesundheitswesen und Erziehung noch vergrößert. Alle können und müssen zu einer Ändemng konkrete Schritte unternehmen. Mögen die Nationen, und zwar besonders jene, die das gleiche christliche Erbe und die gleiche Sprache mit euch teilen, in wirkungsvoller Weise tätig werden, um die Wohltaten der Einheit und Eintracht auszubreiten, Kräfte zu vereinen und Hindernisse zu überwinden, damit das kubanische Volk, Hauptgestalter seiner eigenen Geschichte, internationale Verbindungen unterhalte, die stets das Allgemeinwohl fördern. Auf diese Weise trägt man nämlich dazu bei, die durch die materielle und moralische Armut hervorgerufenen Ängste zu überwinden. Deren Ursachen können u. a. sein: die ungerechte soziale Unterschiedlichkeit, die Beschränkungen fundamentaler Freiheiten, die Entpersönlichung und die Entmutigung des einzelnen sowie restriktive, dem Land von außen auferlegte, ungerechte und moralisch unannehmbare, wirtschaftliche Maßnahmen. 5. Liebe Kubaner, beim Verlassen dieses geliebten Landes nehme ich eine unauslöschliche Erinnerung an diese Tage mit und ein großes Vertrauen in die Zukunft eures Vaterlandes. Möget ihr es mit Freuden aufbauen, geleitet vom Licht des Glaubens, mit der Kraft der Hoffnung sowie mit der Großherzigkeit der brüderlichen Liebe. Mögt ihr so befähigt sein, einen Lebensraum zu schaffen, in dem mehr Freiheit und Pluralismus möglich sind in der Gewissheit, dass Gott euch zutiefst hebt und er seinen Verheißungen treu bleibt. In der Tat, „dafür arbeiten und kämpfen wir, denn wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, den Retter aller Menschen“ (1 Tim 4,10). Möge er euch seinen Segen in Fülle schenken und euch seine Nähe in jedem Augenblick spüren lassen. Gelobt sei Jesus Christus! Am Schluss der Ansprache sagte der Papst: Noch ein letztes Wort über den Regen. Jetzt hat er aufgehört, aber nach meinem Besuch in der Kathedrale von Havanna begann es ziemlich stark zu regnen. Ich 248 REISEN fragte mich, warum es nach diesen Tagen großer Hitze, nach der starken Hitze von Santiago de Cuba, nun Regen gebe. Das könnte ein Zeichen sein: Der kubanische Himmel weint, weil der Papst weggeht, weil er uns verlässt. Doch das wäre eine oberflächliche Hermeneutik. Wenn wir in der Liturgie singen: „Rorate caeli desuper et nubes pluant iustum“ (Tauet Himmel den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab!), dann bedeutet das eine Ermutigung. Das scheint mir eine tiefere Hermeneutik zu sein. Dieser Regen der letzten Stunden meines Aufenthalts in Kuba kann eine Ermutigung bedeuten. Ich möchte wünschen, dass dieser Regen ein gutes Zeichen neuer Ermutigung in eurer Geschichte sei. Vielen Dank. 249 REISEN 3. Pastoraireise nach Nigeria (21. bis 23. März) Wirkliche Bereitschaft zur Versöhnung aufbringen! Ansprache bei der Ankunft in Abuja am 21. März Eure Exzellenz Herr Staatschef General Sani Abacha, sehr geehrte Mitglieder der Regierung, meine Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus Jesus, geliebtes Volk von Nigeria! 1. Mit tiefempfundenem Dank preise ich die göttliche Vorsehung, dass sie mir die Gnade gewährt hat, wieder zu euch zu kommen und noch einmal den Fuß auf dieses gesegnete Land zu setzen! Euch, die ihr euch versammelt habt, um mich zu begrüßen, und allen Söhnen und Töchtern Nigerias entbiete ich herzliche Grüße der Liebe und des Friedens. Ein besonderes Wort des Dankes richte ich an meine Brüder im Bischofsamt für ihre Einladung und an das Staatsoberhaupt und die anderen Persönlichkeiten der Regierung, dass sie diesen Besuch möglich gemacht haben. Ich betrachte ihrer aller heutige Anwesenheit hier als ein Zeichen der Freundschaft und als eine öffentliche Bekundung ihres Wunsches, zusammenzuarbeiten, um dem Wohl der ganzen Nation zu dienen. 2. Ich komme als Freund nach Nigeria, als einer, dem das Geschick eures Landes und ganz Afrikas sehr am Herzen liegt. Der Hauptzweck meines Besuches ist, mit der katholischen Gemeinschaft die Seligsprechung von Pater Cyprian Michael Iwene Tansi zu feiern, des ersten Nigerianers in der Geschichte der Kirche, der offiziell als „Seliger“ verkündet wird. Diese Seligsprechung in eben dem Land, in dem Pater Tansi geboren wurde und sein Priesteramt ausübte, ehrt die ganze nigerianische Nation. Sie gibt allen Nigerianern Gelegenheit, über die Wegweisung und das Selbstverständnis nachzudenken, die das Leben von Pater Tansi der Gesellschaft von heute vorstellt. In ihm und in allen, die ihr Leben voll und ganz dem Dienst an anderen widmen, ist der Weg erkennbar gemacht, auf dem die Nigerianer einer helleren Zukunft für ihr Land entgegengehen sollten. Das Zeugnis, das Pater Tansi gegeben hat, ist in diesem Augenblick der Geschichte Nigerias bedeutsam, in einem Augenblick, der gemeinsames, aufrichtiges Bemühen erfordert, um die Eintracht und die nationale Einheit zu fördern, die Achtung des menschlichen Lebens und der Menschenrechte sicherzustellen, Gerechtigkeit und Entwicklung voranzubringen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, den Armen und Leidenden Hoffnung zu geben, Konflikte durch Dialog 250 REISEN zu lösen und eine wahre und dauernde Solidarität zwischen allen Gesellschaftsschichten herzustellen. 3. Immer noch bringt Gewalt gewissen Völkern Afrikas viel Schmerz und Plage. Wenn ich nach Westafrika komme, dann wenden sich meine Gedanken auch den Menschen in Sierra Leone zu, die in jüngster Vergangenheit so viel gelitten haben. Wir alle wollen hoffen, dass mit der weitergehenden Hilfe derer, die Verantwortung für den Frieden in Afrika tragen, die Rückkehr zu rechtsstaatlicher Ordnung und demokratischer Freiheit den Weg öffnen wird zu einem neuen Zeitabschnitt des Wiederaufbaues und der Entwicklung. In dieser Hinsicht möchte ich die hilfreichen Beiträge Nigerias und anderer Länder in dieser schwierigen Situation gebührend anerkennen. Besonders möchte ich aufrichtig all denen danken, die bei der erfolgreichen Rettungsaktion am katholischen Pastoralzentrum in Makeni zusammengearbeitet haben. Ebenso möchte ich den Menschen in Liberia Mut machen, da sie eine tragische Konfliktsituation durchgestanden haben und dabei sind, ihre Nation wiederaufzubauen. Gerechtigkeit und Friede sind der Weg zu Entwicklung und Fortschritt. Gott stärke alle, die diesen Weg im Dienst der menschlichen Gemeinschaft gehen. 4. Liebe nigerianische Freunde, in eurem eigenen Land seid ihr alle dazu aufgerufen, eure Weisheit und euer Können aufzubieten bei der schwierigen und dringenden Aufgabe, eine Gesellschaft aufzubauen, die all ihre Mitglieder in ihrer Würde, ihren Rechten und ihren Freiheiten respektiert. Das erfordert eine Haltung der Versöhnung und ruft die Regierung und die Bürger dieses Landes auf, sich entschieden dafür zu engagieren, ihr Bestes zum Wohl aller beizutragen. Die Herausforderung, der ihr euch gegenüberseht, ist groß, aber noch größer ist eure Leistungsfähigkeit und Entschlossenheit. Das Leben und das Zeugnis von Pater Tansi erinnern uns an das Wort des Evangeliums: „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Selig alle, die in Nigeria und anderswo in Afrika für echten Frieden tätig sind. Selig in den Augen Gottes sind jene, die am Werk sind, den afrikanischen Kontinent einer neuen Phase der Stabilität, der Versöhnung, der Entwicklung und des Fortschritts entgegenzuführen. Der Enderfolg bei diesem Einsatz wird vom Allmächtigen kommen, dem Herrn des Lebens und der menschlichen Geschichte. In der Gewissheit, dass er euch bei dem Werk, das jetzt vor euch liegt, unterstützt, mache ich mir die Worte des Psal-misten zu eigen: „Der Herr gebe Kraft seinem Volk! Der Herr segne sein Volk mit Frieden!“ (Ps 29,11). Gott segne Nigeria! 251 REISEN Die Nuntiatur - Bindeglied zwischen Orts- und Weltkirche Grußwort bei der Begegnung mit der Bauleitung und den Arbeitern beim Neubau der Nuntiatur in Abuja am 21. März Mein Gruß gilt nun den Architekten, Stefano Deila Rocca und den AIM-Beratem, der Leitung und dem Personal der Baugesellschaft G. Cappa und allen, die so hart daran gearbeitet haben, einen Teil dieses Nuntiaturgebäudes rechtzeitig zu meinem Besuch fertig zu stellen. Die Nuntiatur in Lagos hat 35 Jahre lang guten Dienst getan, doch da wir nun dem dritten Jahrtausend entgegengehen, ist die Zeit gekommen, nach Abuja, der neuen Hauptstadt der Bundesrepublik Nigeria, überzusiedeln. Abuja selbst ist ein Symbol des Wachsens und der Hoffnung für die Zukunft und bietet der Apostolischen Nuntiatur eine zentralere Lage in diesem Land. Die katholische Kirche ist in Nigeria noch relativ jung, aber sie ist voller Vitalität und Begeisterung, und sie blickt mit Vertrauen und Optimismus in die Zukunft. Ihre vom Evangelium unseres Herrn Jesus Christus inspirierte Sendung zu liebendem Dienst an den Männern und Frauen dieser Nation wird aus dieser neuen Apostolischen Nuntiatur, einem sichtbaren Bindeglied mit dem Sitz des Petrus und Zeichen der Einheit der Kirche, großen Nutzen ziehen. Allen, die den Bau dieser Nuntiatur möglich gemacht haben, bringe ich meinen Dank zum Ausdruck, und ich bete, dass der Herr jeden für seine hingebende Arbeit und die vielen damit verbundenen Opfer belohne. Möge die heilige Jungfrau Maria, die Königin von Nigeria, über allen wachen, die hier leben und arbeiten werden. Euch allen, die ihr hier anwesend seid, und euren Familien und euren Lieben erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Problemlösung durch Dialog hat alte Tradition in Afrika Ansprache beim Treffen mit den Vertretern der Muslimführer in Abuja am 22. März Königliche Hoheit Sultan von Sokoto, königliche Hoheiten Emire, verehrte Muslimführer! 1. Obwohl mein Aufenthalt in Nigeria nur sehr kurz ist, möchte ich dennoch nicht auf ein so wichtiges Treffen mit den höchsten Vertretern des Islam in diesem Land verzichten. Erlauben Sie mir, Ihnen für die Annahme der Einladung und Ihre Anwesenheit heute Abend hier zu danken. Gerne nehme ich diese Gelegenheit wahr, um durch Sie die gesamte muslimische Gemeinde Nigerias zu grüßen. Ich danke Ihnen, Königliche Hoheit, für die freundlichen Worte, die Sie auch im Namen Ihrer Hoheiten ausgedrückt haben, auf die ich meinerseits mit einem Gruß des Friedens 252 REISEN antworte, jenes Friedens, dessen wahre Quelle Gott ist, der nach eurer Tradition viele „Schöne Namen“ hat, zu denen auch „al-Salam“, Friede, gehört. Der Grund meines Besuchs ist bekanntlich die feierliche Seligsprechung von Pater Cyprian Michael Iwene Tansi gewesen, einem Sohn eures Landes. Er wurde bestätigt als Vorbild eines Geistlichen, der seine Mitmenschen liebte und sich für sie aufopferte. Das Beispiel von Menschen, die ein heiliges Leben führen, lehrt uns nicht nur, gegenseitig Achtung und Verständnis füreinander zu haben, sondern auch selbst über ethnische und religiöse Schranken hinweg Vorbilder der Güte, der Versöhnung und Zusammenarbeit zu sein für das Wohl des ganzen Landes und zur Verherrlichung Gottes. 2. Als Christen und Muslime teilen wir den Glauben an „den einen Gott ..., den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird“ {Lumen Gentium, Nr. 16). Auch wenn wir unterschiedliche Auffassungen von diesem Einen Gott haben, so sind unsere Bemühungen, seinen Willen zu kennen und zu befolgen, doch durchaus verwandt. Diese religiöse Erwartung allein ist eine geistige Verbindung zwischen Christen und Muslimen, eine Verbindung, die eine feste und weitreichende Grundlage für Zusammenarbeit auf vielen Gebieten schaffen kann. Das ist wichtig, wo immer Christen und Muslime zusammen leben, insbesondere in Nigeria, wo beide Gemeinden so zahlreich vertreten sind. Unter den wesentlichen gemeinsamen Überzeugungen unterstreicht sowohl das Christentum als auch der Islam die Würde jeder menschlichen Person als von Gott für einen besonderen Plan geschaffen. Das veranlasst uns, den Wert des menschlichen Lebens in all seinen Phasen zu achten und die Familie als Seins-Einheit der Gesellschaft zu unterstützen. Folglich sehen wir jeden Missbrauch der schwächeren Gesellschaftsmitglieder, insbesondere von Frauen und Kindern, als Sünde gegen den Schöpfer. Ferner betonen unsere Religionen die Verantwortung des einzelnen Menschen, dem gewissenhaft zu entsprechen, was Gott wirklich von ihm erwartet. Im Hinblick auf die Menschenrechte muss man die beunruhigende Feststellung machen, dass in verschiedenen Teilen der Welt auch heute noch Menschen aus Gewissensgründen und aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt und ihrer Freiheit beraubt werden. Als unschuldige Opfer sind sie ein trauriger Beweis dafür, dass Gewalttätigkeit - und nicht demokratische Grundsätze - vorherrschend ist, dass nicht die Absicht besteht, der Wahrheit und dem Gemeinwohl zu dienen, sondern vielmehr besondere Interessen um jeden Preis zu verteidigen. Unsere beiden Traditionen lehren hingegen eine Ethik, die jenen Individualismus zurückweist, der nur nach der Befriedigung seiner eigenen Anliegen trachtet, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer. Wir glauben, dass die Ressourcen der Erde in den Augen Gottes für alle und nicht nur für einige bestimmt sind. Wir sind uns bewusst, dass die Ausübung von Macht und Autorität als Dienst an der Gemeinschaft zu verstehen ist und dass jede Form von Korruption und Gewalt ein schwerwiegender Angriff auf den Plan Gottes für die Menschenfamilie ist. 253 REISEN Wir teilen so viele Lehren im Hinblick auf Rechtschaffenheit, Wahrheit und Tugend, dass ein tiefes Einvernehmen zwischen uns möglich, in der Tat sogar notwendig ist. In meiner Botschaft an die muslimische Gemeinde in Kaduna, während meines ersten Besuchs in eurem Land von 1982, sagte ich: „Zudem bin ich überzeugt, daß wir [Christen und Muslime] viel Gutes vollbringen könnten, wenn wir uns im Namen Gottes die Hand reichen ... Wir könnten zur Förderung von Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung Zusammenarbeiten“ (14. Februar 1982, Nr. 4). 3. In jeder Gesellschaft kann es zu Streitigkeiten kommen. Gelegentlich nehmen die darauf folgenden Auseinandersetzungen und Konflikte einen religiösen Charakter an. Die Religion als solche wird manchmal bedenkenlos als Auslöser von Feindseligkeiten missbraucht. Nigeria hat solche Konfliktsituationen erlebt, wenn auch dankbar anerkannt werden muss, dass in vielen Teilen des Landes Menschen verschiedener religiöser Traditionen wie gute Nachbarn Seite an Seite in Frieden leben. Ethnische und kulturelle Unterschiede sollten nie als Rechtfertigung für Feindseligkeiten gelten. Vielmehr können diese Unterschiede, wie die verschiedenen Stimmen eines Chors, in harmonischer Eintracht existieren, vorausgesetzt, es besteht wirklich der Wunsch, einander zu achten. Christen und Muslime stimmen überein, dass religiöse Angelegenheiten keinem Zwang unterliegen dürfen. Wir sind verpflichtet, eine Haltung der Offenheit und Achtung gegenüber Anhängern anderer Religionen zu lehren. Aber Religion kann missbraucht werden, und es ist sicherlich Pflicht der religiösen Führungskräfte, sie davor in Schutz zu nehmen. Vor allem immer dann, wenn im Namen von Religion Gewalt angewendet wird, müssen wir jedermann klarmachen, dass es sich in diesen Fällen nicht um wahre Religion handelt. Denn der Allmächtige kann nie die Zerstörung des eigenen Bildes in seinen Kindern zulassen. Von diesem Ort im Herzen Westafrikas aus sage ich mit Nachdruck allen Muslimen das, was ich bereits all meinen Mitbrüdem im Bischofsamt und allen Katholiken nahegelegt habe: Mögen uns Freundschaft und Zusammenarbeit inspirieren! Lasst uns tätig werden für ein neues Zeitalter der Solidarität und des gemeinsamen Dienstes, um der großen Aufgabe des Aufbaues einer besseren, gerechteren und menschlicheren Welt entsprechen zu können! Wenn auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene Schwierigkeiten aufkommen, müssen wir durch Dialog nach Lösungen suchen. Ist das nicht der Weg afrikanischer Tradition? Wenn Nigerianer verschiedener geistiger Herkunft Zusammenkommen, um für die Bedürfnisse des Landes zu beten -jede Gruppe nach ihrer eigenen Tradition -, dann werden sie sich bewusst, dass sie wie ein vereintes Volk zusammenstehen. Auf diesen Wegen erweisen sie wirklich die Ehre dem Allerhöchsten Herrn des Himmels und der Erde. Kardinal Arinze aus Nigeria, er ist römisch-katholischer Kardinal, er ist ein nigerianischer Kardinal. Und er fördert den Dialog mit Muslimen in der ganzen Welt, und er tut das mit seiner Erfahrung im Dialog mit den Muslimen in Nigeria. So sehe ich einen großen Beitrag durch Ihr Land, durch Ihre Gemeinschaft zur umfas- 254 REISEN senden Aktivität und zum Dialog in der Kirche auf der ganzen Welt. Ich danke Ihnen sehr für diese Begegnung. Gottes Heilszusage gilt auch hier und heute! Angelus in Onitsha am 22. März Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Nachdem wir das heilige und Gott wohlgefällige Opfer dargebracht haben - das gleiche, das der sei. Cyprian Michael Iwene Tansi sein ganzes Priesterleben hindurch dargebracht hat - und nachdem wir mit dem eigenen Leib und Blut des Herrn gestärkt wurden, wenden wir uns nun im Gebet des „Angelus“ an die heilige Jungfrau Maria. Heilige Maria, Mutter des Erlösers, wir bereiten uns darauf vor, das zweitausendste Jahresgedächtnis des Kommens deines Sohnes Jesus auf die Welt zu feiern. Er ist der Emmanuel, Gott-mit-uns. So werden wir daran erinnert, dass Gott sein Volk nicht verlässt. Welchen Problemen und Schwierigkeiten wir auch immer begegnen mögen, du lehrst uns, unser Vertrauen und unsere Hoffnung fest auf Gott zu setzen. In ihm haben wir den Mut und die Kraft, nicht nur in widrigen Lagen auszuhalten, sondern auch tatkräftig daran zu arbeiten, dass solche Situationen überwunden werden können und alles wieder in die rechte Ordnung kommt. Heilige Jungfrau, Mutter der Erlösten, wir empfehlen dir die Söhne und Töchter der Kirche, die „Familie des Vaters ist, Bruderliebe des Sohnes, Ebenbild der Dreifaltigkeit“ (Ecclesia in Africa, Nr. 144). Deiner mütterlichen Sorge vertrauen wir die Kranken und die Einsamen an, die Armen und die Hungernden, die Flüchtlinge, die Gefangenen, die alten Menschen, deren Träume nicht in Erfüllung gegangen sind, und die Jugendlichen, deren Bestrebungen in Gefahr sind, nicht zur Erfüllung zu kommen. Dir, du Königin von Nigeria, empfehlen wir jeden Bürger dieses Landes, der nach Gerechtigkeit hungert und dürstet. P. Cyprian Tansi - Vorbild für Versöhnung, die Frieden und Fortschritt in Nigeria fördert Predigt bei der Seligsprechung von P. Cyprian Tansi am 22. März „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5,19). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zum zweitenmal hat Gott mir die Freude geschenkt, hierher nach Onitsha zu kommen, um mit euch das heilige Messopfer zu feiern. Vor sechzehn Jahren habt ihr mich in diesem schönen Land willkommen geheißen, und ich erlebte die Herz- 255 REISEN lichkeit und Begeisterung eines vom Glauben erfüllten Volkes, Männer und Frauen mit Gott versöhnt und voller Eifer, die Frohbotschaft der Erlösung allen, nah und fern, zu verkünden. Der hl. Paulus spricht von „einer neuen Schöpfung in Christus“ (vgl. 2 Kor 5,17). Weiter sagt er: „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung anvertraute ... Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,19-20). Der Apostel berührt hier die Geschichte jedes einzelnen Menschen: durch Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, hat sich Gott mit uns versöhnt. Die gleiche Wahrheit bringt das heutige Evangelium auf noch lebendigere Art und Weise zum Ausdruck. Der hl. Lukas berichtet von einem jungen Mann, der das väterliche Haus verlässt, die schmerzlichen Folgen seines Handelns erfährt und schließlich den Weg der Wiederversöhnung findet. Der junge Mann kehrt zu seinem Vater zurück und sagt: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner“ (Lk 15,18-19). Der Vater empfängt seinen Sohn mit offenen Armen, er ist voller Freude, denn sein Sohn ist zurückgekehrt. Der Vater dieses Gleichnisses ist unser Vater im Himmel, der in Christus alle Menschen mit sich versöhnen möchte. Das ist die von der Kirche verkündete Versöhnung. Als die Bischöfe aus allen Teilen Afrikas zu einer Sonderversammlung der Synode zusammentrafen, um die Probleme dieses Kontinents zu erörtern, betonten sie die Notwendigkeit, die afrikanische Kirche durch das Zeugnis ihrer Söhne und Töchter in einen Ort der echten Versöhnung zu verwandeln (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 79). Wenn die Mitglieder der Kirche sich gegenseitig verziehen und miteinander versöhnt haben, werden sie der Welt die Vergebung und Versöhnung Christi, unseres Friedens (vgl. Eph 2,14), bringen können. „Andernfalls wird die Welt immer mehr einem Schlachtfeld gleichen, wo allein egoistische Interessen zählen und wo das Gesetz der Stärke regiert“ (Ecclesia in Africa, Nr. 79). Heute möchte ich von der Bedeutung der Versöhnung sprechen: Versöhnung mit Gott und Versöhnung der Menschen miteinander - das ist die Aufgabe der Kirche in Nigeria, auf diesem afrikanischen Kontinent, inmitten aller Völker und Nationen der Welt. „Wir sind also Gesandte an Christi Statt... und wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Daher müssen die Katholiken Nigerias in allen Aspekten des Lebens, in öffentlichen und privaten Angelegenheiten, wahre und wirksame Zeugen des Glaubens sein. 2. Heute ist ein Sohn Nigerias, P. Cyprian Michael Iwene Tansi, in jenem Land seliggesprochen worden, in dem er die Frohe Botschaft der Erlösung verkündete und bestrebt war, seine Landsleute mit Gott und miteinander zu versöhnen. In der Tat sind die Kathedrale, in der Pater Tansi zum Priester geweiht wurde, und die Pfarr-gemeinden, in denen er sein geistliches Dienstamt ausübte, nicht weit entfernt von diesem Ort in Oba, wo wir uns heute zusammengefunden haben. Einige jener Personen, denen er das Evangelium verkündete und die Sakramente spendete, sind 256 REISEN heute hier in unserer Mitte - einschließlich Kardinal Francis Arinze, der von Pater Tansi getauft wurde und seine erste Ausbildung in einer von Pater Tansis Schulen erhielt. Voller Freude über dieses Ereignis grüße ich alle, die an der heutigen Liturgiefeier teilnehmen, insbesondere Erzbischof Albert Obiefuna, den Hirten der Ortskirche von Onitsha, und alle Bischöfe Nigerias und der Nachbarländer. Mit ganz besonderer Zuneigung wende ich mich an die Priester, die Ordensleute, Katechisten und Christgläubigen. Ich danke den Mitgliedern anderer christlicher Kirchen, der muslimischen Gemeinde und anderer religiöser Traditionen, die sich uns heute angeschlossen haben, wie auch den verschiedenen bei dieser Feier anwesenden Vertretern der nationalen und lokalen Obrigkeiten. Insbesondere bitte ich Gott, diejenigen zu belohnen, die in harter Arbeit, auf großzügige Art und Weise ihre Zeit, ihre Fähigkeiten und Mittel zur Verfügung stellten und diese Seligsprechung auf nigerianischem Boden ermöglicht haben. Mit den Worten des Psalmisten rufe ich euch alle auf: „Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen“ (Ps 34,4). 3. Leben und Zeugnis Pater Tansis ist eine geistliche Anregung für alle Menschen in Nigeria, das er so sehr liebte. In erster Linie war er ein Mann Gottes: die vielen Stunden vor dem hl. Sakrament erfüllten ihn mit hochherziger und mutiger Liebe. Diejenigen, die ihn gekannt haben, sind Zeugen seiner großen Liebe zu Gott. Jeder, der ihm begegnete, war bewegt von der ihm eigenen Güte. Er war aber auch ein Mann des Volkes: stets waren ihm andere wichtiger als er selbst; seine ganz besondere Aufmerksamkeit galt den pastoralen Bedürfnissen der Familien. Mit großer Sorgfalt bereitete er die zukünftigen Gatten auf das heilige Ehesakrament vor und betonte die Bedeutung der Keuschheit. In jeder Weise setzte er sich für die Förderung der Würde der Frauen ein. Ganz besonderen Wert legte er auf die Erziehung und Bildung der Jugend. Selbst als Bischof Heerey ihn, in der Hoffnung das kontemplative Leben nach Afrika zurückzubringen, zur Verwirklichung seiner mo-nastischen Berufung nach England in die Trappistenabtei von Mount Saint Bemard schickte, vergaß er sein Volk nicht. Nie versäumte er, für die ständige Heiligung der Menschen in seiner Heimat zu beten und zu opfern. Pater Tansi wusste, dass gewissermaßen jeder Mensch ein verlorener Sohn ist. Er wusste, dass alle Männer und Frauen versucht sind, sich von Gott zu lösen, um ein unabhängiges und eigennütziges Leben zu führen. Er wusste, dass sie von der Leere jener Illusion enttäuscht sein würden, die sie so fasziniert hatte, und dass sie schließlich tief im Grund ihres Herzens den Weg zum Haus ihres Vaters wiederfinden würden, (vgl. Reconciliatio et paenitentia, Nr. 5). Er ermutigte die Menschen, ihre Sünden zu bekennen und im Sakrament der Versöhnung die Vergebung Gottes zu erlangen. Er drängte sie, einander zu verzeihen, wie Gott uns verzeiht, und das Geschenk der Versöhnung weiterzugeben, um es auf allen Ebenen im Leben Nigerias Realität werden zu lassen. Pater Tansi versuchte, so zu handeln wie der Vater des Gleichnisses: stets stand er denjenigen zur Verfügung, die sich nach Aussöhnung sehnten. Er war Ausdruck jener Freude, die der wiedererlangten Gemein- 257 REISEN schaft mit Gott entspringt. Er inspirierte die Menschen, den Frieden Christi zu empfangen, und ermutigte sie, das Leben der Gnade mit dem Wort Gottes und der hl. Kommunion zu nähren. 4. „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5,19). Wenn wir von einer mit Gott versöhnten Welt sprechen, dann sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch jede Gemeinschaft gemeint: Familien, Sippen, Stämme, Nationen, Staaten. In seiner Vorsehung schloss Gott einen Bund nach dem anderen mit der Menschheit: zunächst den Bund mit unseren Stammeitem im Garten von Eden; dann den Bund mit Noah nach der Sintflut und schließlich den Bund mit Abraham. Die heutige Lesung aus dem Buch Josua erinnert uns an den Bund mit Israel, als Mose die Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten führte. In Jesus Christus, der durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung den einzelnen Menschen - ebenso wie ganze Nationen - mit dem Vater versöhnte, hat Gott nun den letzten und endgültigen Bund mit der Menschheit besiegelt. Christus ist somit ein Bestandteil der Geschichte aller Nationen. Er ist ein Teil der Geschichte eurer eigenen Nation und dieses afrikanischen Kontinents. Vor über hundert Jahren kamen Missionare in euer Land und verkündeten das Evangelium der Versöhnung, die Frohbotschaft der Erlösung. Eure Vorväter erfuhren so zum erstenmal von dem Geheimnis der Erlösung der Welt, und in Christus wurde ihnen die Teilhabe am Neuen Bund ermöglicht. Auf diese Weise konnte sich der christliche Glaube in dieser Erde festigen und weiterhin wachsen und reiche Früchte tragen. Der sei. Cyprian Michael Tansi ist ein hervorragendes Beispiel dieser Früchte der Heiligkeit, die seit der Erstverkündigung des Evangeliums in Nigeria in der Kirche dieses Landes heranwachsen und reifen konnten. Er empfing das Geschenk des Glaubens durch den eifrigen und hingebungsvollen Einsatz der Missionare, machte die christliche Lebensweise zu seiner eigenen und gab ihr so eine wahrhaft afrikanische und nigerianische Prägung. Auch die Bevölkerung des heutigen Nigerias - junge ebenso wie alte Menschen - ist somit aufgerufen, die in ihrer Mitte gepflanzten und nun reifen geistigen Früchte zu ernten. In diesem Zusammenhang möchte ich der Kirche Nigerias für ihren missionarischen Einsatz im eigenen Land, in Afrika und über die Grenzen des Kontinents hinaus danken und sie weiterhin in ihrer Arbeit bestärken. Das auf dem Evangelium und christlicher Nächstenliebe begründete Zeugnis P. Tansis ist ein geistiges Geschenk dieser Ortskirche an die Weltkirche. 5. Gott hat dieses Land mit menschlichem und natürlichem Reichtum gesegnet, und es ist die Pflicht jedes einzelnen, dafür zu sorgen, dass diese Ressourcen dem Wohl der gesamten Bevölkerung dienen. Alle Nigerianer müssen sich dafür einsetzen, die Gesellschaft von allem zu befreien, was die Würde der menschlichen Person oder die Menschenrechte verletzt. Das bedeutet Unterschiedliches in Einklang bringen, ethnisch bedingte Feindschaften überwinden und die Kunst des Regierens mit Rechtschaffenheit, Leistungsfähigkeit und Kompetenz prägen. Da euer Land einen friedlichen Übergang 258 REISEN zu einer demokratischen Zivilregierung anstrebt, braucht es Politiker - Männer und Frauen die ihrem Volk zutiefst verbunden sind und lieber dienen wollen als sich bedienen zu lassen (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 111). Es darf keine Einschüchterung und Tyrannisierung von Armen und Kranken mehr geben, kein willkürliches Ausschließen von einzelnen oder Gruppen vom politischen Leben, keinen Missbrauch der Amtsgewalt oder Macht. Allein Gerechtigkeit ist der Schlüssel zur Lösung wirtschaftlicher, politischer, kultureller und ideologischer Konflikte; und wahre Gerechtigkeit ist nicht vollkommen ohne Nächstenliebe, ohne demütigen, hochherzigen Dienst am Nächsten. Erst wenn wir die anderen als unsere Brüder und Schwestern sehen, wird es möglich sein, die Spaltungen innerhalb der Gesellschaft und zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen zu heilen. Das ist die Versöhnung, die zu wahrem Frieden und wirklichem Fortschritt in Nigeria und Afrika führt. Diese Versöhnung hat nichts mit Schwäche oder Feigheit zu tun. Im Gegenteil, sie erfordert Mut und manchmal sogar Heroismus: Sie bedeutet sich selbst besiegen, nicht andere. Nie sollte sie als etwas Unehrenhaftes angesehen werden, denn in Wirklichkeit geht es hier um die auf Geduld und Weisheit begründete Kunst des Friedens. 6. Die Stelle aus dem Buch Josua, die wir in der ersten Lesung der heutigen Liturgie vernommen haben, spricht vom Paschafest der Kinder Israels nach ihrem Einzug in das verheißene Land. Sie feierten voll Freude, denn sie sahen mit eigenen Augen, dass sich die Verheißungen Gottes erfüllt hatten. Nach vierzigjähriger Wanderschaft in der Wüste standen sie nun auf jenem Land, das Gott ihnen geschenkt hatte. Das Pascha des Alten Testaments, zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, ist Vorwegnahme und Bild des Pascha im Neuen Testament, das Andenken an die Auferstehung Christi, die wir in jeder Messe in Erinnerung rufen und feiern. Während wir in Erwartung des nährenden und stärkenden Leibes und Blutes Christi vor dem Opferaltar stehen, müssen wir davon überzeugt sein, dass jeder von uns, seiner jeweiligen Stellung im Leben entsprechend, berufen ist, nicht weniger zu tun als das, was P. Tansi tat. Durch Aussöhnung mit Gott müssen wir Werkzeuge der Versöhnung sein, indem wir alle Männer und Frauen wie Brüder und Schwestern behandeln, die zur Mitgliedschaft in der einen Familie Gottes berufen sind. Versöhnung ist zwangsläufig mit Solidarität verbunden, und Solidarität bewirkt wiederum Frieden, dessen Früchte Freude und Eintracht in der Familie, Zusammenarbeit und gesellschaftliche Entwicklung, Wahrheit und Gerechtigkeit im Leben der Nation sind. Möge all das die leuchtende Zukunft Nigerias sein! „Der Gott des Friedens sei mit euch allen! Amen“ (Röm 15,33). 259 REISEN Mitarbeit der Christen an der Demokratisierung des Landes und an der Festigung seiner sozialen Strukturen Predigt bei der Eucharistiefeier in Abuja am 23. März „Ihr seid ... Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Diese Worte aus dem Brief des hl. Paulus an die Epheser erhalten hier in der neuen Bundeshauptstadt Abuja eine ganz besondere Bedeutung. Diese Stadt will auf sehr konkrete Art und Weise den Anbruch einer neuen Epoche für Nigeria und die Nigerianer verdeutlichen, einer Epoche voller Zuversicht, in der jeder Nigerianer - jeder Mann und jede Frau - aufgerufen ist, sich am Aufbau einer neuen Wirklichkeit dieses Landes zu beteiligen. Auch Nigeria versucht, wie der gesamte afrikanische Kontinent, die Bestrebungen seiner Bevölkerung zu realisieren, um die Auswirkungen von Armut, Auseinandersetzungen, Kriegen und Verzweiflung hinter sich zu lassen, die enormen Ressourcen des Kontinents sinnvoll zu nutzen und politische und gesellschaftliche Stabilität zu erzielen. Afrika braucht Hoffnung, Frieden, Freude, Harmonie, Liebe und Einheit, wie bereits die Synodenväter der Sonderversammlung für Afrika betonten (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 40). Das ist es, worum wir Gott in unserem heutigen Gebet hier bitten wollen. Von Abuja aus möchte ich jedem Nigerianer meine Hochachtung und Zuneigung ausdrücken: denjenigen, die bei dieser Eucharistiefeier persönlich anwesend sind, wie auch allen, die dieses Ereignis über Rundfunk und Fernsehen verfolgen. Insbesondere grüße ich Erzbischof John Onaiyekan wie auch alle anderen Bischöfe, die Priester, Ordensleute und Christgläubigen aus den Ortskirchen Nigerias und zahlreichen anderen Regionen Afrikas. Ferner heiße ich die führenden Regierungsmitglieder, die traditionellen Herrscher und andere Obrigkeitsvertreter willkommen, die sich heute morgen hier eingefunden haben. Von Herzen grüße ich auch die in der „Christian Association of Nigeria“ vertretenen Mitglieder anderer christlicher Konfessionen und Kirchlicher Gemeinschaften ebenso wie die mit uns hier versammelten Anhänger anderer Religionen, insbesondere die Mitglieder der muslimischen Gemeinde. 2. Liebe Brüder und Schwestern in Christus, seit meinem letzten Besuch in Nigeria sind sechzehn Jahre vergangen. Die Herzlichkeit eures Empfangs gibt mir wieder das Gefühl, „zu Hause“ zu sein. Sind wir nicht alle, jeder einzelne, berufen, uns in der einen großen Familie Gottes, deren lebendige Glieder wir sind, zu Hause zu fühlen? Das ist es, was der hl. Paulus sagen will, wenn er von uns als „Hausgenossen Gottes“, Mitgliedern der göttlichen Familie, spricht! In der natürlichen Ordnung ist die Familie Fundament und Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft und Gesellschaft. Aus dieser Urzelle, der Familie, entstehen Sippen, Stämme, Völker und Staaten; auch die große Familie afrikanischer 260 REISEN Nationen hat in der aus Mann und Frau, aus Mutter, Vater und Kindern bestehenden menschlichen Familie ihren Ursprung. In der afrikanischen Kultur und Tradition genießt die Familie höchstes Ansehen. Daher ist unter den Völkern Afrikas das Geschenk des neuen Lebens, das empfangen und geboren wird, Anlass zu großer Freude. Die Vorstellung von der Zerstörung menschlichen Lebens im Mutterleib wird auch dann spontan zurückgewiesen, wenn die sogenannten „fortschrittlichen Zivilisationen“ sie in diese Richtung drängen möchten. Die afrikanische Bevölkerung zeigt Achtung für das menschliche Leben bis zu seinem natürlichen Ende und hält für alte Menschen und Angehörige einen Platz im Schoße der Familie bereit (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 43). Die afrikanischen Kulturen besitzen einen scharfen Sinn für Solidarität und Gemeinschaftsleben, insbesondere im Hinblick auf die Großfamilie und die Dorfgemeinschaft (vgl. ebd.). Das sind Zeichen dafür, dass ihr die Bedingungen für jenes „Recht“ und jene „Gerechtigkeit“ erkennt und erfüllt, von denen der Prophet Jesaja in der ersten Lesung spricht (vgl. Jes 56,1). Gerade in den Beziehungen in der Familie und zwischen den Familien werden dieses Recht und diese Gerechtigkeit unmittelbare Realität und konkrete Verpflichtung. 3. Durch die Erhöhung dieser natürlichen Ordnung zu einer übernatürlichen Ordnung werden wir zu Mitgliedern der göttlichen Familie, aufgebaut zu einem geistigen Haus, worin der Geist Gottes wohnt. Wie aber erhält das Natürliche Zugang zum Übernatürlichen? Wie werden wir Mitglieder der Gottesfamilie und heilige Tempel des göttlichen Geistes? Durch die Gnade wird die kulturelle und gesellschaftliche Realität der Familie auf eine höhere Ebene gebracht. Die familiären Beziehungen getaufter Menschen erhalten eine neue Prägung: sie werden eine von Gnade erfüllte Lebens- und Liebes-gemeinschaft im Dienst der größeren Gemeinschaft. Sie bauen die Kirche, die Familie Gottes auf (vgl. Lumen Gentium, Nr. 6). Durch ihre Evangelisierungsaufgabe und ihre aktive Gegenwart in allen Teilen der Welt gibt die Kirche dem Konzept der Familie und infolgedessen dem der Nation als „Familie von Familien“ und dem der Welt als,Nationenfamilie“ neue Bedeutung. Die gestrige Seligsprechung in Onitsha - die erste Feier dieser Art auf nigerianischem Boden - zu Ehren eines der eigenen Söhne Nigerias, verdeutlichte auf wundervolle Weise den universalen Charakter der Familie Gottes, die wahrhaft alle Menschen einschließt. Es war ein Familienfest für die nigerianische Bevölkerung und Nation. Gleichzeitig war es eine Feier für die ganze Familie Gottes: In aller Welt teilte die gesamte Kirche Gottes die Freude der Kirche in Nigeria, die ihr das ermutigende Beispiel vom Leben und Zeugnis des sei. Cyprian Michael Iwene Tansi schenkte. In menschlicher Hinsicht war P. Tansi ein aus Anambra stammender Sohn seines Landes. In der übernatürlichen Ordnung der Gnade aber war er mehr: Ohne seine natürliche Abstammung zu verlieren, wurde er über seinen irdischen Ursprung hinaus nach den Worten des hl. Paulus „Hausgenosse Gottes“, „auf das Fundament 261 REISEN der Apostel und Propheten gebaut, dessen Schlußstein Christus Jesus selbst ist“ (vgl. Eph 2,19-20). Die Gnade „erfüllte ihn im Bethaus Gottes mit Freude“ (vgl. Jes 56,7), und er erkannte, dass dieses Haus Gottes „ein Haus des Gebets für alle Völker“ ist (ebd.). Es ist ein Haus des Gebets für die Hausa, die Yoruba und die Ibo, für die Efik, die Tiv, die Edo, die Gwari und all die anderen Volksgruppen Nigerias, die aufgrund ihrer Vielzahl hier nicht alle einzeln genannt werden können. Und nicht nur für diese Volksgruppen, sondern für alle Völker Afrikas, Europas, Asiens, Ozeaniens und Amerikas „wird mein Haus ein Haus des Gebets für alle Völker genannt werden“! 4. Im heutigen Evangelium zeigt Jesus uns selbst, wie die Familie Gottes zu verstehen ist und wie alle Völker ihr angehören können. Er sagt: „Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mk 3,35). Hiermit offenbart Jesus ein Geheimnis seines Reiches. Er spricht über die Beziehung zu Maria, seiner Mutter. Er liebte sie nicht nur, weil sie seine Mutter war, sondern vor allem, weil sie dem Willen seines himmlischen Vaters stets gehorchte. Bei der Verkündigung sagte sie „Ja“ zum Willen Gottes, der ihr durch den Engel Gabriel kundgetan wurde (vgl. Lk 1,26-38). Stets teilte sie das Leben und die Sendung ihres Sohnes, bis hin zum Fuß des Kreuzes (vgl. Joh 19,25). Wie Maria lernen auch wir, dass die Gnade Christi jede menschliche Beziehung erneuert, erhöht, reinigt und ihr neue Bedeutung gibt: „Durch ihn haben wir alle ... in dem einen Geist Zugang zum Vater ... werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (vgl. Eph 2,18.22). Das ist das geistige Haus Gottes, dessen Aufbau die Missionare vor über hundert Jahren begonnen haben. Nigeria schuldet ihnen tiefe Dankbarkeit für ihre überwiegend in Schulen, Krankenhäusern und auf anderen sozialen Gebieten verrichtete Evangelisierungsarbeit. Dem Beispiel dieser unerschrockenen Verkünder des Gotteswortes folgend, bemüht sich die katholische Kirche Nigerias intensiv um die ganzheitliche Förderung des Menschen. Gott hat die nigerianische Kirche derart reich gesegnet, dass ihre Missionare heute auch außerhalb ihrer Heimatdiözesen, in anderen Teilen Afrikas und anderen Kontinenten, tätig sind. Unter der Führung eurer Bischöfe und Priester muss die gesamte katholische Gemeinschaft diesen Weg fortsetzen und durch einen intensiven ökumenischen und interreligiösen Dialog mit allen Menschen guten Willens Zusammenarbeiten. Zum Aufbau des geistigen Hauses Gottes ruft die Kirche all ihre Glieder auf, sich in treuer Anteilnahme den Notleidenden zu widmen: den armen, kranken und alten Menschen; den Flüchtlingen, die vor Gewalttätigkeiten und Kämpfen in ihren Heimatländern fliehen mussten; den Männern, Frauen und Kindern, die an AIDS erkrankt sind, jener Krankheit, die auf diesem Kontinent und in aller Welt weiterhin zahlreiche Opfer fordert; allen, die Verfolgung, Leid und Armut erdulden müssen. Sie lehrt uns, jede menschliche Person, jedes menschliche Leben zu achten. Sie tritt ein für Gerechtigkeit und Liebe, beharrt gleichermaßen auf Pflichten und auf 262 REISEN Rechten: den Rechten und Pflichten der Bürger, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Regierung und der Bevölkerung. Es gibt grundlegende Menschenrechte, die keinem menschlichen Wesen jemals auf legitime Art und Weise genommen werden können, denn sie sind in der Natur der menschlichen Person selbst verwurzelt und entsprechen den objektiven und unveräußerlichen Anforderungen eines universalen Sittengesetzes. Diese Rechte sollten für jede menschliche Gesellschaft und Organisation von grundlegender und maßgeblicher Bedeutung sein. Die Achtung eines jeden Menschen, seiner Würde und seiner Rechte, sollte stets Inspiration und Leitprinzip eurer Bemühungen um die wachsende Demokratisierung eures Landes und die Festigung seiner sozialen Struktur sein. Die Würde jedes menschlichen Wesens, seine unveräußerlichen Grundrechte, die Unantastbarkeit von Leben, Freiheit und Gerechtigkeit, solidarisches Verhalten und die Zurückweisung jeder Diskriminierung: das sind die wesentlichen Elemente, auf denen ein neues und besseres Nigeria aufgebaut werden muss. 5. Die gesamte Kirche wird bald das zweitausendjährige Jubiläum der Geburt Christi, des fleischgewordenen Wortes Gottes, feiern. Daher sage ich euch: Ihr seid heute die Hoffnung dieser unserer zweitausend Jahre alten Kirche: Da ihr jung im Glauben seid, müsst ihr wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen. Ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. So werdet ihr ein Zeichen Gottes in der Welt sein und in eurem eigenen Land die missionarischen Großtaten der Urkirche neu beleben (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 136). Ziel des Großen Jubeljahrs ist es, jenen Geist der Erneuerung zu beleben, den der Prophet Jesaja verkündete und den Jesus bestätigte: den Armen eine gute Nachricht bringen, den Gefangenen die Entlassung verkünden, den Blinden das Augenlicht wiedergeben und die Zerschlagenen in Freiheit setzen (vgl. Lk 4,18). Möge euer nationales Leben von diesem Geist erfüllt sein. Möge die Übergangsphase eine Zeit der Freiheit, der Vergebung, der Einheit und Solidarität sein! Der sei. Cyprian Michael Tansi hatte erkannt, dass ohne wahre Heiligkeit und wahre Nächstenliebe nichts im Dienst für Gott und für die Heimat Bestand haben kann. Folgt seinem Beispiel. Betet zu ihm, und vertraut ihm die Bedürfnisse eurer Familien und eurer Nation an. In Dankbarkeit für all das, was die Vorsehung Gottes für die Bevölkerung Nigerias vollbringt, wiederholen wir die Worte des Psalmisten: „Singt dem Herrn und preist seinen Namen ... Erzählt bei den Völkern von seiner Herrlichkeit, bei allen Nationen von seinen Wundem!“ (Ps 96,2.3). Amen. 263 REISEN Fördert den Dialog von Kirche und Gesellschaft in Nigeria! Ansprache bei der Begegnung mit den nigerianischen Bischöfen am 23. März Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Das Echo der vor fast vier Jahren von der Bischofssynode einberufenen Sonderversammlung für Afrika haben wir noch lebhaft in Erinnerung. Die Synode war eine Zeit gnadenreicher und fruchtbarer Reflexion über die Stärken und Schwächen der ständig wachsenden und sich entwickelnden katholischen Gemeinschaft dieses Kontinents. Die Synodenväter beschäftigten sich ausführlich und eingehend mit all den komplexen Aufgaben, denen die Kirche in der heutigen Situation gegenübersteht. Im festen Vertrauen auf die Verheißung Gottes und trotz der Schwierigkeiten, mit denen viele Länder zu kämpfen haben, bestätigten sie die Entschlossenheit der Kirche, in allen Afrikanern die Hoffnung auf eine echte Befreiung zu stärken (vgl. Ecclesia inAfrica, Nr. 14). Da auch ihr dieses Ziel anstrebt, möchte ich mich heute mit dieser Botschaft an euch wenden und jene Worte der Ermutigung und Gnade in ihren Mittelpunkt stellen, die der Apostel Paulus vor fast zweitausend Jahren an seinen „geliebten Sohn“ Timotheus richtete: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7). Meine Brüder, auch euer Dienstamt - auf individueller Ebene an den Gläubigen eurer Ortskirchen und auf gemeinschaftlicher Ebene an der Nation als Ganzes -zeigt bereits die Prägung dieses Geistes, und ich möchte euch in eurem Mut und eurer Standhaftigkeit bestärken, damit sie stets Kennzeichen eurer Verkündigung der Erlösung in Jesus Christus bleiben mögen. Das ist nun an der Schwelle des neuen Jahrtausends, in dieser Zeit der Gnade, der „Stunde Afrikas“ (Ecclesia in Africa, Nr. 6), um so dringlicher. Durch eure ständige unerschrockene und entschlossene Fühmng wird es der Kirche Nigerias möglich sein, auf jene Herausforderungen der Neuevangelisierung zu antworten, mit denen ihr in diesem Augenblick eurer Geschichte konfrontiert werdet. Es fällt mir schwer, meiner Freude und Dankbarkeit für den zweiten Besuch in Nigeria und die Möglichkeit, in diesem gesegneten Land die Seligsprechung von Pater Cyprian Michael Iwene Tansi zu feiern, auf angemessene Art und Weise Ausdruck zu geben. Ich danke Erzbischof Obiefuna für seine freundlichen und herzlichen Willkommensworte, mit denen er mich im Namen aller empfangen hat. Nun möchte ich euch, die Bischöfe Nigerias, meinerseits begrüßen und durch euch alle Mitglieder eurer Ortskirchen. Bitte vermittelt euren Priestern, Ordensleuten und Gläubigen - insbesondere den kranken und alten Menschen, Kindern und Jugendlichen - meine Liebe und Achtung. „Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (2 Tim 1,2). 2. Das Werk der Evangelisierung konfrontiert die Kirche mit vielen Hindernissen, aber sie lässt sich nicht entmutigen. Vielmehr fährt sie beharrlich fort, ihren Herrn 264 REISEN auf vielsagende Art und Weise zu bezeugen, und zwar nicht nur durch die spirituelle Sorge, die sie ihren eigenen Kindern zuteil werden lässt, sondern auch durch ihre Verpflichtung gegenüber der nigerianischen Gesellschaft als Ganzes. Ihre Stärke geht in der Tat weit über all ihre menschlichen Ressourcen hinaus - „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft“ (2 Tim 1,7) - , und so vertraut sie darauf, dass Gott die von ihr gepflanzten Keime in eine reiche Ernte verwandeln wird. In Wahrheit kann das Wort Gottes nicht gefesselt werden (vgl. 2 Tim 2,9), und stets wird offensichtlich sein, dass nicht uns, sondern dem „Herrn der Ernte“ (Lk 10,2) Ruhm und Herrlichkeit gebührt. Gleichzeitig aber ist die Bedeutung und Glaubwürdigkeit der kirchlichen Verkündigung der Frohbotschaft eng mit der Glaubwürdigkeit der Verkünder dieser Botschaft verbunden (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 21). Daher müssen jene, die für diesen „Dienst der Versöhnung“ (2 Kor 5,18) berufen sind - sowohl Bischöfe als auch Priester - klar und eindeutig zeigen, dass sie fest an das glauben, was sie predigen. Mein Vorgänger Papst Paul VI. schrieb in diesem Zusammenhang: „Mehr denn je ist das Zeugnis des Lebens eine wesentliche Bedingung für die Tiefenwirkung der Predigt geworden. Durch diese enge Verbindung sind wir bis zu einem gewissen Grade verantwortlich für den Erfolg des Evangeliums, das wir verkünden“ (Evan-gelii nuntiandi, Nr. 76). 3. In Nigeria besteht eine der größten katholischen Gemeinden Afrikas, und die Zahl der Gläubigen nimmt kontinuierlich zu. Diese Tatsache zeugt von der Vitalität und der wachsenden Reife dieser Ortskirche. Ganz besonders vielversprechend ist in dieser Hinsicht auch die steigende Zahl der Berufungen zum Priestertum und Ordensleben. Im Hinblick auf die wesentliche Rolle der Geistlichen als eure ersten Mitarbeiter bei der Erfüllung der apostolischen Sendung der Kirche sollten eure Beziehungen zu ihnen unbedingt von Einheit, Brüderlichkeit und der Wertschätzung ihrer Begabungen geprägt sein. Alle, die durch die Heilige Weihe mit Christus, dem Guten Hirten, gleichgestaltet sind, müssen seine Haltung der vollkommenen Aufopferung um seiner Herde und der Verbreitung des Evangeliums willen teilen. Das priesterliche Leben erfordert tiefe geistliche Bildung und verpflichtet insbesondere zu ständiger persönlicher Umkehr. Euer Leben und das eurer Priester sollte den Geist evangelischer Armut und Loslösung von weltlichen Dingen und Haltungen widerspiegeln. Das Zeichen des Zölibates muss als vollkommene Selbsthingabe an den Herrn und seine Kirche sorgfältig bewahrt werden, und jede Haltung, die Anstoß erregen könnte, sollte sorgfältig vermieden und, falls notwendig, korrigiert werden. Gegenwärtig werden über dreitausend Priesteramtsanwärter in den bereits bestehenden überdiözesanen Priesterseminaren ausgebildet, und ihr plant die Eröffnung weiterer Einrichtungen. Dies macht es leichter, eine bessere Ausbildung der Priesteramtskandidaten zu gewährleisten. Ferner leisten auch die Seminare der Ordensgemeinschaften gute Arbeit und verzeichnen ein gewisses Wachstum. Gerade wenn die Zahlen steigen, bleibt dennoch die sorgfältige Beratung und Leitung bei der Auswahl und Vorbereitung der zum Priestertum in der Kirche Berufenen von 265 REISEN wesentlicher Bedeutung. Seid versichert, dass, wenn eure Seminare den grundlegenden Anforderungen des kirchlichen Programms für die Priesterausbildung entsprechen - insbesondere denjenigen, die im Konzilsdekret Optatam totius und im nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis dargelegt sind -, sie für die kommenden Generationen ausgezeichnete Früchte hervorbringen werden. 4. Vor wenigen Monaten schloss die katholische Bischofskonferenz Nigerias die Ausarbeitung ihres Nationalen Pastoralplans ab, ein Instrument von großem Wert für die Wiederbelebung und Ausrichtung der Neuevangelisierung. Bei der Durchführung dieses Plans werdet ihr stets seine Wirksamkeit prüfen und gemeinsam die notwendigen Änderungen vornehmen müssen, um den verschiedenen pastoralen Anforderungen der Ortskirchen zu entsprechen. Kein wirklich Nationaler Pastoral-plan darf es versäumen, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um im Geist wahrer Zusammenarbeit und kirchlicher Gemeinschaft ethnische und kulturelle Verschiedenheiten in Einklang zu bringen. Eure gemeinschaftliche Förderung pastoraler Projekte wie das „Catholic Institute of West Africa“ ist eine Möglichkeit zur Überwindung solcher Schwierigkeiten. Ich möchte euch ermutigen, die Bischofskonferenz zu einem wirksamen Instrument wachsender Einheit, Solidarität und Zusammenarbeit der fünfundvierzig verschiedenen kirchlichen Verwaltungsbezirke Nigerias zu machen. Angesichts der stets zahlreicheren Berufungen zum priester-lichen und geweihten Leben ermutige ich euch, missionarische Berufungen zu fördern und das Apostolat jener Priester und Ordensleute zu unterstützen, die bemfen sind, ihre missionarische Arbeit außerhalb ihrer Diözese und außerhalb Nigerias zu verrichten. Das sind einige der Aufgaben, denen die Kirche in Nigeria, diese nunmehr reife Kirche, gegenübersteht. In der Tat, das Christentum „ist wirklich in diese gesegnete Erde eingepflanzt“ (Ecclesia in Africa, Nr. 35); Afrika ist zur „neuen Heimat Christi“ geworden (ebd., Nr. 56), und die Afrikaner sind nunmehr Missionare. Eine ganz besondere Art und Weise der Unterstützung für eure Diözesen sind das Zeugnis und die Arbeit vieler Ordensfrauen und -männer, die in uneingeschränkter Selbsthingabe viel zum Leben und zur geistigen Kraft eurer Gemeinschaften beitragen. Ihr besonderes Übereignetsein an Gott macht sie zu außergewöhnlich wirksamen Zeugen der göttlichen Liebe für sein Volk und zu lebendigen Zeichen der Wahrheit, dass „das Reich Gottes nahe ist“ (vgl. Mk 1,15). Sie sind ein unerlässliches Element im Leben und für die Sendung der Kirche in Nigeria: Lasst ihnen stets eure väterliche Sorge und Anteilnahme zuteil werden; steht ihnen nahe, und beschützt ihre Charismen wie eine außerordentliche Gabe des Herrn. An dieser Stelle möchte ich auch ein Wort des Lobes über die wachsende Beteiligung der Gläubigen sagen, die sich für den Aufbau des Gottesreiches in diesem Land einsetzen. Die Überzeugungskraft des kirchlichen Zeugnisses für das Evangelium wird zweifellos mehr und mehr von dem Heranwachsen eines aktiven Laienstandes abhängig sein, der in der Lage ist, den Geist Christi in die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereiche zu bringen und auf zunehmend fachkundigere Art und Weise an der Planung und Verwirklichung pastoraler Initiativen 266 REISEN mitzuwirken. Eure Ortskirchen sind mit Katechisten und „Verkündern des Evangeliums“ gesegnet, die voll Eifer ihre Aufgabe der Verkündigung Christi erfüllen und ihren Brüdern und Schwestern seine „Wege“ zeigen. Ferner sind die besonderen Gaben der Vereinigungen des Laienapostolats und der Gebetsgruppen, soweit sie jede Art von Exklusivität sorgfältig vermeiden, für die Entwicklung eurer Glaubensgemeinschaften von entscheidender Bedeutung. 5. Die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika betrachtete die Evangelisierung der Familie als eine der wichtigsten Prioritäten, denn nur durch die Familie wird die Evangelisierung der afrikanischen Familien möglich sein (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 80). Ferner sind das Ehe- und Familienleben für die Mehrheit der euch anvertrauten Gläubigen der normale Weg zur Heiligkeit. Daher bleiben eure unablässigen Bemühungen, in den Eheleuten das Bewusstsein für die Wahrheit, die Schönheit und die Fülle der Gnade zu wecken, die sie in ihrem neuen gemeinschaftlichen Leben in Christus finden, ein wesentlicher Bestandteil eurer pastora-len Verantwortungen und der sicherste Weg zur Gewährleistung einer wahren Inkulturation des Evangeliums. Auf ähnliche Art und Weise muss jungen Menschen - die Zukunft der Kirche und der Nation - jede Hilfe und Unterstützung bei der Überwindung von Hindernissen zuteil werden, die ihre Entwicklung gefährden könnten: Analphabetentum, Arbeitslosigkeit, Müßiggang, Drogen. Eine ausgezeichnete Antwort auf diese Herausforderungen ist der Aufruf an die Jugendlichen, ihre eigenen Verkünder des Evangeliums zu sein - denn niemand kann diese Aufgabe besser erfüllen als sie selbst. Jungen Menschen sollte geholfen werden, bereits sehr früh den Wert der Selbsthingabe - ein wesentlicher Faktor für die Erlangung persönlicher Reife - zu entdecken. Ich möchte hinzufügen, dass es eure ganz besondere Sorge sein sollte, nichts unversucht zu lassen, um die Jugend Nigerias - vor allem Mädchen und junge Frauen - davor zu schützen, Opfer gewissenloser Ausbeutung zu werden, die sie oft zu ganz besonders entwürdigenden Formen von Sklaverei mit tragischen und vernichtenden Folgen zwingt. Die Synodenväter bestärkten die Kirche Afrikas auch, den Inkulturationsprozess auf aktive Art und Weise zu fördern und dabei zwei wesentliche Kriterien zu beachten: die Vereinbarkeit mit der christlichen Botschaft und die Gemeinschaft mit der Universalkirche (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 62). Daher möchte ich euch ermutigen, auf liturgischer, theologischer und administrativer Ebene alles zu tun, damit euer Volk in wachsendem Maße mit der Kirche vertraut wird und die Kirche ihrerseits mit eurem Volk. Zu diesem Zweck sind ein tieferer Einblick in die traditionelle afrikanische Religion und Kultur und besonnene Beurteilung und Wachsamkeit erforderlich. Möge der Heilige Geist euch in euren Bemühungen geleiten. 6. Die Mitglieder der euch anvertrauten Ortskirchen sind Bürger einer Nation, die nun in ihrem Streben nach politischer und gesellschaftlicher Erneuerung verschiedenen schweren Herausforderungen gegenübersteht. In diesem Zusammenhang wächst die Bedeutung eurer Rolle als Leiter der katholischen Gemeinde, Leiter, die 267 REISEN sich der Erwünschtheit und Dringlichkeit eines konstruktiven Dialogs mit allen Sektoren der Gesellschaft über die gerechten und soliden Grundlagen des gesellschaftlichen Lebens bewusst sind. Ein solcher Dialog, bei dem es darauf ankommt, mit Beharrlichkeit und gutem Willen alle Möglichkeiten der Kommunikation offen zu halten, wird euch nicht daran hindern, die Überzeugungen der Kirche aufrichtig und achtungsvoll vorzubringen, insbesondere im Hinblick auf solch wesentliche Aspekte wie die gerechte und gleiche Behandlung aller Bürger, die Achtung der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und der objektiven sittlichen Wahrheit, der auch die staatliche Gesetzgebung entsprechen sollte. Es kommt darauf an, dass alle Nigerianer Zusammenarbeiten, um auf friedliche Art und Weise und ohne unnötiges Elend für die schwächeren Bevölkerungsschichten die notwendigen Veränderungen durchzusetzen. In dieser Hinsicht sind die eifrigen Bemühungen von Hirten und Gläubigen, in enger Zusammenarbeit mit den Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften, für den positiven Ausgang dieser Übergangszeit von wesentlicher Bedeutung. Wie die Konzilsväter des Zweiten Vatikanums betonten, kommt durch solch gemeinschaftliches Handeln „die Verbundenheit, in der sie [die Christen] schon untereinander vereinigt sind, lebendig zum Ausdruck“, und wenn alle den Dienst für das Gemeinwohl teilen, dann „tritt das Antlitz Christi, des Gottesknechtes, in hellerem Licht zutage“ (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 12). 7. Diese Atmosphäre des Dialogs und der Kooperation muss auch die Muslime guten Willens einbeziehen, denn auch sie „sind willens, den Glauben Abrahams nachzuahmen und nach den Vorschriften der Zehn Gebote zu leben“ (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 66). Während meines heutigen Treffens mit euch, den katholischen Bischöfen Nigerias, wiederhole ich jenen Aufruf, den ich gestern bei meinem Treffen mit den Muslimführem gemacht habe: einen Aufruf nach Frieden, Einvernehmen und Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen. Dem Plan des Schöpfers der einen großen Menschenfamilie entsprechend, der wir alle angehören, sollen wir das Bild Gottes in jedem menschlichen Wesen bezeugen, indem wir jede Person mit ihren entsprechenden Werten und religiösen Traditionen achten und uns gemeinsam für den Fortschritt und die Entwicklung der Menschheit auf allen Ebenen einsetzen. Christen, Muslime und die Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen sollten sich weiterhin aufrichtig um gegenseitiges Einvernehmen bemühen. So werden alle Bürger wirklich frei sein, für das Wohl der nigerianischen Gesellschaft zu arbeiten und „gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“ (Nostra aetate, Nr. 3). 8. „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7). Eben dieser Geist, der Geist unerschütterlicher Hingabe an das Evangelium und des vollen Vertrauens auf die Liebe Gottes, wird euch ermöglichen, jene Sendung zu erfüllen, zu der Gott 268 REISEN euch als Bischöfe berufen hat. Gestärkt im Glauben und in der Hoffnung auf die Heilskraft Jesu, werdet ihr stets besser „die Annahme der Herausforderung erneuern, nämlich in jedem noch so unterschiedlichen Lebensbereich der afrikanischen Völker Heilswerkzeuge sein“ (Ecclesia inAfrica, Nr. 70). Seid gewiss, dass meine Gebete euch stets begleiten werden, und nochmals versichere ich euch meiner Zuneigung und Achtung. Indem ich euch und alle Gläubigen Nigerias dem Schutz der heiligen Jungfrau Maria, der Mutter Gottes und der Kirche, anvertraue, erflehe ich für euch „Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (2 Tim 1,2). Amen. Abuja, Nigeria, am 23. März 1998 Nigeria kann den gestellten Herausforderungen in gemeinsamem Einsatz mutig begegnen Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen „Nnamdi Azikiwe“ von Abuja am 23. März Exzellenz, Herr Staatschef General Sani Abacha, liebe Freunde! 1. Vor mehr als sechzehn Jahren stand ich auf dem Rollfeld des „Murtala-Moham-med“-Flughafens in Lagos und nahm Abschied von Präsident Shehu Shagari und den Führungskräften von Kirche und Staat nach einem unvergesslichen Pastoralbe-such in eurem Land. Ich stellte Fragen: „Werde ich irgendwann in der Zukunft noch einmal nach Nigeria kommen können? Wird es die Vorsehung des allmächtigen und barmherzigen Gottes fügen, daß ich zurückkehren und euren Boden küssen, eure Kinder umarmen, eure Jugendlichen ermuntern und mich noch einmal inmitten all der Liebe und Zuneigung der edlen Menschen eures Landes bewegen darf?“ Ich wiederholte das Gebet und den Wunsch oft in den vergangenen Jahren. Jetzt kann ich Gott danken, dass mein Gebet erhört wurde und ich diesen kurzen, aber doch sehr fruchtbaren, erneuten Besuch in eurem geliebten Land machen konnte. Ich versichere euch, dass auch diese vergangenen kurzen Tage ihren eigenen, ganz besonderen Platz in meiner Erinnerung und in meinem Herzen haben werden, genauso wie ich noch die Erinnerungen an meinen früheren Besuch schätze. 2. Und nun ist wiederum die Zeit für mich gekommen, Abschied zu nehmen. Mein Dank gilt seiner Exzellenz dem Staatsoberhaupt und seinem willigen Team von Regierungsbeamten und -mitabeitem für ihre herzliche Aufnahme und den freundlichen Empfang. Ich danke euch, den katholischen Bischöfen von Nigeria, und allen Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien, die ihr so voll Freude an der Seligsprechung von Pater Cyprian Michael Iwene Tansi teilgenommen habt und an den anderen Geschehen meines kurzen Aufenthaltes bei euch. Ich danke den Pilo- 269 REISEN ten und Fahrern, den Sicherheitskräften und der Friedensgarde, den Damen und Herren der Medien, die ihre Zeit und ihre Erfahrung für das Gelingen dieses Besuches eingesetzt haben. Es ist schon Zeit, Abschied zu nehmen. Ich bringe erneut meine Hochachtung und Dankbarkeit den Vertretern anderer christlicher Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zum Ausdruck, die an diesen Ereignissen Anteil genommen haben. Da wir uns der Schwelle des dritten Jahrtausends nähern, muss unsere ökumenische Freundschaft und Zusammenarbeit immer intensiver werden; eine Haltung des Vertrauens und der Achtung muss alle Jünger Christi kennzeichnen, während wir weiterhin den Weg immer besseren Verstehens und gegenseitiger Unterstützung gehen! Mein Dank gilt auch den Mitgliedern der muslimischen Gemeinschaft für ihre Anwesenheit und Teilnahme. Ich bete, dass der Einsatz von Christen und Muslimen, um Bande gegenseitiger Kenntnis und Achtung zu knüpfen, zunehme und Frucht trage, so dass alle, die an den einen Gott glauben, zum Wohl der Gesellschaft hier in Nigeria und in der ganzen Welt Zusammenarbeiten. Ebenso entbiete ich ein besonderes Wort der Hochschätzung den Anhängern afrikanischer traditioneller Religionen, und ich versichere ihnen, dass die katholische Kirche mit ihren Bemühungen um Inkulturation des Evangeliums die positiven Elemente des religiösen und kulturellen Erbes Afrikas herauszustellen und darauf aufzubauen sucht. 3. Liebe katholische Brüder und Schwestern, ich kenne und habe erneut euren Wunsch erfahren, dass ihr mit all euren Mitbürgern zusammen auf größere Gerechtigkeit und ein besseres Leben für euch selbst und eure Kinder hinarbeiten wollt. Für euer Land ist die Zeit reif, seine materiellen Reichtümer und geistigen Energien so zu sammeln, dass alles, was Trennung verursacht, zurückgelassen und durch Einheit, Solidarität und Frieden ersetzt wird. Viele Schwierigkeiten sind noch durchzustehen, und die harte Arbeit, die vor euch liegt, darf nicht unterschätzt werden. Bei diesem wichtigen Unternehmen seid ihr nicht allein: Der Papst ist mit euch, die katholische Kirche steht euch zur Seite, und Gott selbst wird euch die Kraft und den Mut geben, eine helle und bleibende Zukunft aufzubauen, die gegründet ist auf Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Menschen, jung und alt, gesund und krank, Mann und Frau. Als ich vor sechzehn Jahren von euch Abschied nahm, richtete ich meine letzten Worte an die Kinder von Nigeria und erinnerte sie daran, dass sie von Gott geliebt sind und dass sie die Liebe Gottes widerstrahlen. Jetzt sind diese Kinder Erwachsene, und manche haben schon eigene Kinder. Aber die Botschaft, die ich heute hinterlasse, ist die gleiche, wie ich sie damals hinterließ. Die Kinder und jungen Menschen Afrikas müssen vor den Schrecken und Gräueln bewahrt werden, die über die Tausende von unschuldigen Opfern gekommen sind, die Flüchtlinge werden müssen, dem Hunger preisgegeben sind oder ohne Erbarmen entführt, missbraucht, versklavt oder getötet werden. Wir alle müssen arbeiten für eine Welt, in der kein Kind Frieden und Sicherheit, ein gefestigtes Familienleben und das Recht, ohne Furcht und Angst aufzuwachsen, wird entbehren müssen. 270 REISEN 4. Ich möchte euch wissen lassen, dass ich Nigeria und alle Nigerianer in meine Gebete einschließe. Der allmächtige Gott, der Herr der Geschichte, wird euch die Weisheit und Ausdauer geben, mutig voranzugehen im Werk von Entwicklung und Frieden. Euer Land hat die Ressourcen, um die dem Fortschritt entgegenstehenden Hindernisse aus dem Weg zu räumen und eine Gesellschaft in Gerechtigkeit und Eintracht aufzubauen. Ich möchte auch den Aufruf wiederholen, den ich viele Male an die internationale Gemeinschaft gerichtet habe: Sie möge Afrikas Notlage nicht unbeachtet lassen, sondern immer besser mit euch Zusammenarbeiten und alle Anstrengungen unterstützen, die darauf abzielen, die friedliche Entwicklung und das Wachstum des Kontinents sicherzustellen. Alle Nigerianer müssen auf ihr Land stolz sein können; alle müssen beim Aufbau der Zukunft eine Rolle spielen. Das ist mein Gebet zum Allmächtigen Gott für euch! Gott segne Nigeria und alle Nigerianer! Gott unterstütze alle Völker Afrikas! 271 REISEN 4. Pastoralbesuch in Vercelli und Turin (23/24. Mai) Der selige Secondo Polio — Priester Jesu Christi und Vorbild für uns Predigt bei der Seligsprechung von Don Secondo Polio in der Kathedrale von Vercelli am 23. Mai „Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, daß er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen“ (Apg 1,3). 1. Vierzig Tage! Das Fest der Himmelfahrt Christi beschließt die vierzigtägige Zeit seit dem Auferstehungssonntag. Zwischen Fasten- und Osterzeit besteht eine bedeutsame liturgische Parallele, eine einzigartige geistliche Übereinstimmung, die dem christlichen Leben neue Horizonte eröffnet: Die Fastenzeit führt zur Auferstehung; die vierzig Tage nach Ostern bereiten auf die Himmelfahrt vor. Durch ihren geistigen Bezug zur vierzigjährigen Reise des Volkes Israel ins Gelobte Land unterstreicht die Fastenzeit im Neuen Testament den Weg der Gläubigen hin zum Ostergeheimnis als Höhepunkt und Krönung der Menschheitsgeschichte und der Heilsökonomie. Die vierzig Tage, die der Himmelfahrt vorausgehen, symbolisieren den Weg der Kirche auf Erden zum himmlischen Jerusalem, in das sie schließlich mit ihrem Herrn zusammen eingehen wird. Im Ostergeschehen offenbart Christus die Fülle des unsterblichen Lebens. Am Kreuz lässt er den Tod sterben, und durch seinen Opfertod wirft er ein völlig neues Licht auf das ganze Dasein des Menschen. Dies wird in den liturgischen Texten zum Himmelfahrtstag hervorgehoben, vor allem im Abschnitt aus dem Hebräerbrief, den wir gerade gehört haben: „Es ist dem Menschen bestimmt, ein einziges Mal zu sterben, und dann folgt darauf das Gericht“ (vgl. 9,27). Der auferstandene und in Herrlichkeit verklärte Christus - als ewiger Priester des Neuen Bundes -„ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, ... sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen“ (.Hebr 9,24). Dieses Bewusstsein wächst in der Betrachtung der heiligen Geheimnisse und gibt dem täglichen Leben einen Sinn, indem es dieses Leben ständig auf die letzten und ewigen Dinge hin ausrichtet. Unsere endgültige Wohnung ist der Himmel, aber schon jetzt sind wir berufen, sie auf Erden zu errichten, wie der Apostel Paulus nahe legt: „Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische!“ (Kol 3,1-2). 272 REISEN 1. Das hat Don Secondo Polio getan, und ich freue mich, ihn heute Abend zur Ehre der Altäre erheben zu können. Er stellt eines der Zeugnisse der Gegenwart und des Wirkens des auferstandenen Jesus in der Weltgeschichte dar. Don Secondo ist das Beispiel eines mutigen Priesters, der im Laufe seines kurzen Daseins den Gipfel der Heiligkeit erreichen konnte. Schon am Vorabend seiner Priesterweihe hatte der neue Selige mit nüchterner Entschlossenheit den Vorsatz zum Ausdruck gebracht, das anspruchsvolle Programm des Evangeliums vorbehaltlos in sein Leben aufzunehmen. „Ein Heiliger werden“: Das wurde sein Ideal, seine tägliche Verpflichtung. Von diesem Vorsatz geleitet, lebte er seinen priester-lichen Auftrag sehr intensiv; er suchte ständig den Willen Gottes, um ihn zu befolgen. Die Vorsehung berief ihn zu vielfältigen und mühevollen Aufgaben in der Kirche von Vercelli. In den Diözesanseminaren, wo er als Dozent und Spiritual tätig war, erwies er sich als Erzieher mit besonderen pädagogischen Fähigkeiten. Er machte sich als erster zum Jünger und eifrigen Diener des Wortes Gottes durch eingehendes Studium theologischer Disziplinen und durch eine intensive Predigttätigkeit. Großzügig vermittelte er die göttliche Barmherzigkeit durch die Verwaltung des Sakraments der Versöhnung. Als Assistent der Katholischen Aktion wirkte er mit großer Begeisterung auch unter den Jugendlichen, die er sogar in den Wirren des Krieges als Militärgeistlicher bei den Alpenjägern begleitete. In dieser heldenhaften Aufopferung und Nächstenliebe gab der junge Priester aus Vercelli sein Leben hin und hinterließ so den Militärgeistlichen auf der ganzen Welt ein leuchtendes Beispiel für die Liebe und den Dienst an den Soldaten - und den „Alpini“ selbst ein Vorbild und einen Beschützer im Himmel. Der Aufstieg von Don Secondo zu den Gipfeln der Heiligkeit gründete auf zwei Geheimnissen: einerseits die tiefe Verwurzelung in Gott durch das Gebet und andererseits eine innige Hingabe an Maria, die himmlische Mutter. Aus der ständigen Zwiesprache mit Gott und seiner kindlichen Liebe zu Maria schöpfte er Kraft für seine außerordentliche pastorale Fürsorge, die als die höchste und bedeutendste Synthese seines priesterlichen Dienstes erscheint. Er lebte ausschließlich für seine Brüder und beschloss sein irdisches Dasein am Stephanustag, so als wolle er es jenem eifrigen und „vom Heiligen Geist erfüllten“ Zeugen gleichtun, von dem die Apostelgeschichte spricht (vgl. 7,55). Wir danken dem Herrn, dass er uns diesen Seligen geschenkt hat, und für alle Heiligen und Seligen, die in Christus, dem einzigen Mittler des Heils, eine „Brücke“ zwischen Gott und der Welt schlagen, indem sie die Helligkeit des Himmels auf die Menschheit, die auf den Straßen der Welt pilgert, widerspiegeln und ausstrahlen. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Ich freue mich, an diesem Festtag für die Diözese des hl. Eusebius bei euch sein zu können und diese feierliche Eucharistie für euch zu begehen. Ich grüße alle Anwesenden, vor allem den Oberhirten eurer Erzdiözese, den lieben Msgr. Enrico Massironi. Mit ihm begrüße ich seinen verehrten Vorgänger, Erzbi- 273 REISEN schof Tarcisio Bertone. Ich grüße die Kardinale, die Erzbischöfe und Bischöfe. Ich grüße die Priester, die Ordensleute und die Vertreter der kirchlichen Verbände und Bewegungen. Ein ehrerbietiges Gedenken richte ich an die Vertreter der Regierung und der Zivil- und Militärbehörden mit einem besonderen Wort des Dankes an all jene, die großzügig zur Organisation dieses Pastoralbesuches beigetragen haben. Ich möchte an dieser Stelle des Msgr. Albino Mensa gedenken, der lange Jahre ein einsatzfreudiger und geschätzter Hirte eurer Kirche gewesen ist und am Anfang dieses Jahres in die Ewigkeit abberufen wurde. Ich weiß, wie lebhaft die Erinnerung an seinen apostolischen und von großer Liebe zur Eucharistie durchdrungenen Dienst unter euch ist. „Ich kann in Wahrheit behaupten“ - so schrieb er in seinem ,geistlichen Testament“ - „daß die Eucharistie, als Opfergabe und als Sakrament, mein Leben als Priester und Bischof erleuchtet und schrittweise verwandelt hat!“ Der Herr nehme ihn in sein Reich des Friedens auf, und gewähre ihm den gerechten Lohn, den er seinen treuen Dienern zusichert. 4. Liebe Brüder im Priestertum! Ich möchte mich an diesem Tag - den wir wegen der Seligsprechung eures Mitbruders Don Polio gewissermaßen als „euren Tag“ betrachten könnten - besonders an euch wenden. Don Secondo ist ein Freund und Vorbild für jeden von euch, ein konkretes Beispiel jener Heiligkeit, die durch die täglichen Mühen des Priesteramts erreicht werden kann, ein Vorbild der Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist, der euch sogar die gewöhnlichsten Tätigkeiten eurer seelsorgerischen Aufgabe auf außergewöhnliche Weise ausführen lässt. Don Secondo Polio ist darüber hinaus ein Beispiel für alle Christen, vor allem aber für die Gläubigen eurer Diözese. Er erinnert alle Menschen daran, dass Heiligkeit Gemeinschaft mit Gott, Treue zum Evangelium und Liebe zu den Brüdern ist. Das ganze Gottesvolk ist zur Heiligkeit berufen. Don Polio bezeugt, dass es eine fordernde Aufgabe ist, Jesus nachzufolgen, zugleich aber auch eine Quelle besonderer Freude, denn durch das Kreuz erschließt man sich die Freude, an der Auferstehung teilzuhaben. Das Leben von Don Secondo, in der Gewalt des Krieges hingegeben, verwandelt sich heute in einen dringenden Aufmf zum Frieden, um den sich alle Völker und Nationen gemeinsam bemühen müssen. 5. Wie könnten wir vergessen, dass dieser mutige und an der Schule des Evangeliums herangebildete Priester ein treuer Sohn Marias war? Unser Seliger stärkte seine Liebe zur Seligen Jungfrau aus der Quelle der jahrhundertealten Marienverehrung, die sozusagen den „goldenen Faden“ der christlichen Tradition Vercellis darstellt. Das beweisen die großen Wallfahrtsstätten von Oropa und Crea, die von jenseits der Grenzen aus der Höhe auf eure Gemeinschaft herunterschauen, als ob sie den wachsamen Blick der Mutter über ihre treuen Kinder bildlich darstellen wollten. Das wird außerdem von den vielen Marienheiligtümem und den der Jungfrau geweihten Kirchen unter Beweis gestellt, die sich in der ganzen Umgebung von Ver-celli finden. 274 REISEN Der neue Selige fordert eure Kirchengemeinschaft auf, ihre vertrauensvolle Hingabe an Maria, die Königin aller Heiligen und Mutter der Kirche, zu erneuern. Sie möge das Herz eines jeden von uns zum folgsamen Hören auf den Heiligen Geist bereit machen, vor allem in diesem Jahr, das dem Geist gewidmet ist. Ja, sie soll alle dazu bringen, auf das herannahende Jubeljahr mit dem Wunsch nach einer wahrhaften Erneuerung des persönlichen und gemeinschaftlichen christlichen Lebens zu schauen. 6. Kehren wir zur Himmelfahrt zurück: „Und während er sie segnete, verließ er (Jesus) sie und wurde zum Himmel emporgehoben“ (Lk 24,51). Die Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern endet mit zwei Gesten, die Lukas in den letzten Versen seines Evangeliums, in seiner Erzählung der Himmelfahrt beschreibt: der Abschied des segnenden, auferstandenen Herrn und die Haltung der Apostel. Der Segen des glorreichen Christus weckt in den Jüngern Ehrfurcht und Freude. Das Geheimnis der Himmelfahrt nimmt so die feierliche Form einer zusammengefügten Liturgie an. In Jesus erkennen die Jünger den Herrn, der den Tod besiegt hat, und zugleich verstehen sie die tiefe Bedeutung seiner Sendung. Ihr Herz ist erfüllt mit Staunen und Lob: Es handelt sich also nicht um die Wehmut eines Abschieds, sondern um die Freude über eine wiedergefundene Gegenwart. Jesus entzieht sich dem physischen Auge, um sich den Augen der Herzen seiner Jünger zu zeigen; er befreit sich von den Beschränkungen von Raum und Zeit, um sich dem Menschen jeder Zeit und jeden Ortes zu offenbaren und um allen das Geschenk der Erlösung anzubieten. Wie die Apostel, wie der hl. Eusebius, wie die Schar von Heiligen und Seligen dieser ehrwürdigen Kirche, zu der von heute an auch Don Secondo Polio gehört, so wissen auch wir mit Gewissheit, dass Jesus bei uns ist. Ja, Christus ist mit uns, in uns; er ist bei uns alle Tage und bis ans Ende der Welt. Amen. Ursprung christlichen Daseins ist die Erlösung durch Jesus Christus Predigt bei der Seligsprechung von Teresa Bracco, Giovanni Maria Boccardo, Teresa Grillo Michel am 24. Mai „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (vgl. Apg 1,8). 1. Jesus spricht diese Worte vor seiner Himmelfahrt. Damit zeigt er das zukünftige Programm der Kirche auf, nämlich die Sendung, und ruft alle, die seine Zeugen waren, dazu auf, dieses Programm in die Tat umzusetzen. 275 REISEN Also an erster Stelle die Apostel, die die Ereignisse der Passion „gesehen“ hatten: Sie waren bei seiner Kreuzigung tief erschüttert und haben danach über seine Auferstehung gejubelt. Im österlichen Geheimnis offenbart Christus die ganze Wahrheit seiner Gottessohnschaft und seiner messianischen Sendung. Auf dem Weg nach Emmaus erklärt er den beiden Jüngern, dass der Messias all das erleiden musste, um so in die Herrlichkeit des Vaters zu gelangen (vgl. Lk 24,26). Nun da für ihn der Augenblick gekommen ist, diese Erde zu verlassen und in den Himmel zurückzukehren, bittet er die „Seinen“, Zeugen dieser Ereignisse zu sein „in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“. Die Lehre, die sie verkünden sollen, ist nicht ein abstraktes Ideensystem, sondern das Wort, das eine lebendige Wirklichkeit betrifft. Und gerade kraft dieses Wortes wird sich die Kirche auf der ganzen Welt verbreiten. Dieses Wort wurde von den ersten Zeugen über die Grenzen Palästinas hinausgetragen und brachte eine unermessliche Schar weiterer Zeugen auf der ganzen Welt hervor. Die Namen der meisten von ihnen sind uns unbekannt; das Gedenken an einige von ihnen ist aber in der Kirche noch sehr lebendig. Das gilt zum Beispiel für jene, die heute hier in Turin seliggesprochen werden: Teresa Bracco, Giovanni Maria Boccardo, Teresa Grillo Michel. 2. Don Giovanni Maria Boccardo war einerseits ein Mann tiefer Spiritualität und andererseits ein tatkräftiger Apostel und Förderer des religiösen Lebens und des Laientums, der die Zeichen der Zeit immer aufmerksam zu deuten wusste. Im betenden Hören des Wortes Gottes reifte in ihm ein eifriger und tiefer Glaube. Er schrieb: „Ja, mein Gott, was du willst, will auch ich.“ Und was sollte man zu seinem unermüdlichen Einsatz für die Ärmsten sagen? Er war jedem menschlichen Elend im Geist des hl. Cajetan von Thiene zu begegnen imstande und gab diesen Geist weiter an die Frauenkongregation, die er zur Pflege der Alten und Leidenden und zur Jugenderziehung gegründet hatte. Er machte sich den Ausspruch des Evangeliums zu eigen: „Euch muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen“ (vgl. Mt 6,33). Wie der hl. Pfarrer von Ars, den er sehr verehrte, zeigte er seinen Gemeindemit-gliedem - mit dem Wort und besonders mit seinem Beispiel - den Weg zum Himmel. Am Tag seiner Einsetzung als Pfarrer von Pancalieri sagte er zu den Gläubigen: „Ich komme zu euch, meine Lieben, um zu leben wie einer von euch, wie euer Vater, Bruder und Freund und um die Freuden und das Leid des Lebens mit euch zu teilen ... Ich komme zu euch als Diener aller, und jeder wird über mich verfügen können. Ich werde mich immer dafür glücklich schätzen, daß ich euch dienen kann, und ich möchte nichts weiter, als allen Gutes tun.“ Er bekannte sich immer als ergebener Sohn der Muttergottes und wandte sich mit stetem Vertrauen an sie. Denjenigen, die ihn fragten: „Ist es schwierig, in den Himmel zu kommen?“, antwortete er: „Bete fromm zu Maria, die das ,Tor‘ des Himmels ist, und du wirst hineinkommen.“ Sein Vorbild ist in der Erinnerung der Menschen immer noch lebendig, und von heute an können sie ihn als ihren Fürsprecher im Himmel anrufen. 276 REISEN 3. Eine weitere Zeugin leuchtender Liebe im Geiste des Evangeliums ist Teresa Grillo Michel, die vom Herrn dazu berufen wurde, durch die von ihr gegründeten Kongregation der Kleinen Schwestern der Göttlichen Vorsehung die Liebe vor allem unter den Armen zu verbreiten. Sie stammte aus einer begüterten Adelsfamilie und hatte sich ursprünglich für ihre Berufung in der Ehe entschieden und den Hauptmann der Bersaglieri Giovanni Battista Michel geheiratet. Da sie aber mit nur 36 Jahren Witwe wurde und keine Kinder hatte, spürte sie das innerliche Bedürfnis, sich vollkommen dem Dienst an den Geringsten zu widmen. Sie wurde auf diese Weise zur Mutter vieler Verlassener: Waisen, alte Leute, Kranke. „Die Zahl der Armen nimmt rapide zu, und man möchte einfach die Arme ausbreiten können, um so viele wie möglich unter die Flügel der göttlichen Vorsehung nehmen zu können“: So drückte sie sich aus, als sie den Grundstein zu ihrem Werk in ihrer Geburtsstadt Alessandria legte. Im Mittelpunkt ihres eigenen spirituellen Lebens und des ihrer Mitschwestem steht die Eucharistie, deren Symbol sie deutlich sichtbar auf dem Ordenshabit angebracht sehen wollte. Aus ihren langen Gebeten vor dem Allerheiligsten schöpfte Teresa Inspiration und Unterstützung für ihre tägliche Aufgabe sowie für die mutigen missionarischen Unternehmungen, die sie mehrmals bis nach Brasilien führten. Diese großherzige Tochter Piemonts gehört zu jener Reihe von Heiligen und Seligen, die im Laufe der Jahrhunderte der Welt die Botschaft der göttlichen Liebe durch ihren tatkräftigen Dienst an den bedürftigen Brüdern überbracht haben. Wir danken Gott für das lebendige Zeugnis der Heiligkeit dieser Frau, das eure Region und die ganze Kirche bereichert. 4. Wenn wir bei Giovanni Maria Boccardo und bei Teresa Grillo vor allem ihre Tugend der Nächstenliebe bewundern, so ist Teresa Bracco ein leuchtendes Vorbild der Keuschheit, die sie bis hin zum Martyrium verteidigte und bezeugte. Während des Zweiten Weltkriegs zog sie - zwanzig Jahre alt - es vor, zu sterben, um sich nicht der Gewalt eines Soldaten zu beugen, der sie um ihre Jungfräulichkeit bringen wollte. Diese mutige Einstellung war die logische Konsequenz ihres festen Willens, Christus treu zu bleiben - ein Vorsatz, den sie schon mehrfach zum Ausdruck gebracht hatte. Als sie erfuhr, was in jener Zeit der Unruhen und der Gewalt anderen jungen Frauen widerfahren war, rief sie, ohne zu zögern aus: „Ich möchte lieber sterben als geschändet werden.“ Und dazu kam es im Laufe einer Razzia. Ihr Märtyrertod war die Krönung eines Lebensweges christlicher Reifung, die sich Tag für Tag durch die Kraft der eucha-ristischen Gemeinschaft und aus einer tiefen Verehrung der sei. Jungfrau und Gottesmutter entwickelt hatte. Welch bedeutsames Zeugnis des Evangeliums für die jungen Generationen, die nun in das dritte Jahrtausend eintreten! Welch hoffnungsvolle Botschaft für die Menschen, die dem Zeitgeist trotzen und gegen den Strom schwimmen wollen! Ich möchte diese junge Frau, die heute von der Kirche seliggesprochen wird, vor allem den jungen Leuten nahe bringen, damit sie von ihr den eindeutigen und im täglichen Einsatz bezeugten Glauben lernen, ihre kompromisslose sittliche Konsequenz 277 REISEN und den Mut, wenn nötig auch das Leben hinzugeben, um nicht die Werte zu verraten, die dem Leben seinen Sinn geben. Ich denke an die ländliche Umgebung, in der Teresa aufgewachsen ist, und möchte deshalb an dieser Stelle ein herzliches Grußwort an die Landwirte der Langhe und ganz Piemonts richten, die sich heute so zahlreich hier versammelt haben, um ihr die Ehre zu erweisen und sich ihrer Fürsprache anzuvertrauen. Außerdem möchte ich meinen Gruß an die Nonnen der Kartause der Dreifaltigkeit senden, die sich in der Nähe des Ortes befindet, wo Teresa das Martyrium erlitt. Diese Schwestern sind der Ordensregel treu, die sie zum Gebet und zur Kontemplation in Einsamkeit und Stille verpflichtet, und können deshalb nicht persönlich bei uns sein; sie nehmen aber trotzdem im Geiste an dieser feierlichen Handlung teil. 5. Die Gestalten der neuen Seligen tragen uns in Gedanken zu jenem neuen Himmel, in den unser Herr im Geheimnis seiner Himmelfahrt aufgestiegen ist. Der Hebräerbrief hat uns mit sehr eindrucksvollen Worten darüber berichtet und uns Christus als Hohenpriester vor Augen gestellt, der „nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen (ist), ... sondern in den Himmel selbst, ... um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen“ (Hebr 9,24.26). Diese Aussicht hilft uns, die Botschaft des Grabtuchs von Turin, jenes ergreifenden Abbilds der Passion Christi, besser zu verstehen. Ich danke dem Herrn, der mir die Möglichkeit gegeben hat, nach Turin zurückzukehren, um am heutigen Nachmittag noch einmal dieses außerordentliche Zeugnis der Leiden Jesu betrachten zu können. Mit Freude grüße ich noch einmal alle Anwesenden, beginnend beim Erzbischof von Turin, dem verehrten Kardinal Giovanni Saldarini, zusammen mit den Bischöfen Piemonts und den hier anwesenden Vertretern der Zivilbehörden, wobei ich einen besonderen Gruß an den Vertreter der italienischen Regierung richte. Ich begrüße die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die engagierten Laien und alle, die sich hier eingefunden haben, vor allem die Pilger, die hierher gereist sind, um andächtig dem Grabtuch ihre Ehrfurcht zu erweisen. Das Turiner Grabtuch! Welch beredte Botschaft des Leidens und der Liebe, des Todes und des unsterblichen Lebens! Es hilft uns, die Stationen zu verstehen, die Jesus durchmachen wollte, bevor er in den Himmel auffuhr. Mit seiner dramatischen Ausdruckskraft vermittelt uns dieses kostbare Linnen die bedeutsamste Botschaft für unser Leben: Der Ursprung allen christlichen Daseins ist die Erlösung, die der Retter für uns erwirkt hat, indem er uns Menschen gleichgeworden ist, gelitten hat, gestorben und auferstanden ist. Von all dem spricht das Heilige Grabtuch. Es ist ein einzigartiges Zeugnis. 6. Diese heilbringende Botschaft haben die Seligen, die wir heute zum ersten Mal verehren, aufgenommen und sich zu eigen gemacht. Die Kirche jubelt im Gedenken an sie. Sie jubelt im Heiligen Geist, denn in ihnen erkennt sie schon jetzt die himmlische Heimat, jenes glorreiche Haus Gottes, wo wir alle erwartet werden. „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen ... Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“ (Joh 14,2), hatte Jesus am Vorabend seines Leidens zu den 278 REISEN Jüngern gesagt. Die neuen Seligen haben nun den Platz eingenommen, den der in den Himmel aufgefahrene Jesus für sie vorbereitet hatte. Jetzt sind wir, die wir noch Pilger auf unserem Weg hier auf Erden sind, zum gleichen Einsatz aufgerufen. Nach der Himmelfahrt Jesu fragten zwei Engel die Jünger: „... was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus ... wird ebenso wiederkommen“ (Apg 1,11). Diese Frage ist auch an uns gerichtet: Wir befinden uns in einer Zeit des arbeitsamen und gespannten Wartens auf die glorreiche Wiederkunft Christi. Unser Geist, von lebendiger Hoffnung beseelt, freut sich und jubelt: „Komm, Herr Jesus.“ Und die entsprechende Antwort, die uns das Buch der Offenbarung liefert, erfüllt unser Herz - wie das aller Gläubigen - mit Freude: ,„Ja, ich komme bald.1 Amen“ (Offb 22,20). Leidensbild des Gekreuzigten - Zeichen des Glaubens Regina Caeli in Turin am 24. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir werden nun miteinander das Regina Caeli singen, das Mariengebet, welches uns neu teilhaben lässt an der großen österlichen Freude der Jungfrau angesichts der Auferstehung des Sohnes. Maria begleitet die Gläubigen wachsam auf dem Weg, und eure Stadt trägt viele Zeichen dieses besonderen Schutzes der Gottesmutter. Vor meinen Augen erhebt sich der massive Bau der Kirche „Gran Madre di Dio“ - eine der vielen, welche die Frömmigkeit der Turiner zu Ehren der Gottesmutter errichten ließ. Wie sollte man ferner die kindliche Marienverehrung zahlreicher in Turin beheimateter Heiligen und Seligen vergessen - insbesondere des hl. Johannes Bosco, der stets eine leidenschaftliche Liebe zu ,Maria - Hilfe der Christen“ - pflegte, deren liturgischen Gedenktag wir heute begehen? Maria ist unsere Mutter und eine wirkliche Hilfe für jeden Christen. 2. Spontan gehen heute die Gedanken zu dem Ort, unweit von hier, wo das Grabtuch Christi aufbewahrt wird. Das Leidensbild des Gekreuzigten bringt uns den Augenblick zu Bewusstsein, wo Maria angesichts des unsagbaren Leidens des gekreuzigten Sohnes die größte Prüfung ihres Lebens erlebt und im Glauben bestanden hat. Es ist der Augenblick, in dem Jesus, am Kreuz erhöht, uns ihr als Kinder anvertraut hat. Und Maria hat uns angenommen. Ihrer Mutterliebe vertrauend, bitten wir sie nun um ihre Fürsprache für uns, für die Familien, für die Kranken und Leidenden, für die Erzdiözese und die Stadt Turin, für Italien und für die ganze Welt. Wir bitten sie ganz besonders um ihren Schutz über die Turiner Jugend, vor allem für die zahlreiche Gruppe der hier anwesenden Jungen und Mädchen, die im vergangenen August am Weltjugendtag in Paris teilgenommen haben. Mit ihrer Hilfe möge sich im Leben eines jeden der göttliche Heilsplan verwirklichen, wie es 279 REISEN bei den drei neuen Seligen geschah, die wir heute in der Herrlichkeit des Paradieses betrachten. 3. Schließlich möchte ich meiner Freude Ausdruck geben über den Willen zum Frieden und zur Versöhnung, der bei der gestrigen Volksabstimmung in Irland sichtbar wurde. Von Herzen wünsche ich jenen geliebten Bevölkerungsgruppen, dass sie auf dem eingeschlagenen Weg mutig weitergehen. Das Turiner Grabtuch kündet als einzigartiges Zeugnis von der Liebe des Erlösers Ansprache beim Besuch des Turiner Grabtuches am 24. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Den Blick auf das Grabtuch Christi gerichtet, möchte ich euch alle herzlich grüßen, liebe Gläubige der Kirche von Turin. Ich grüße die Pilger, die während der Zeit dieser Ausstellung aus allen Teilen der Welt kommen, um eines der aufrüt-telndsten Zeichen der leidenden Liebe des Erlösers zu betrachten. Als ich den Dom betrat, der noch die Beschädigungen zeigt, die der schreckliche Brand vor einem Jahr vemrsacht hat, habe ich zunächst in Anbetung vor der Eucharistie innegehalten, dem Sakrament, das im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Kirche steht, das unter dem unbedeutenden Anschein die wahrhafte, wirkliche und substanzhafte Gegenwart Christi verbirgt. Im Licht der Gegenwart Christi unter uns habe ich sodann vor dem Grabtuch Christi verweilt, dem kostbaren Linnen, das uns eine Hilfe sein kann, um das Geheimnis der Liebe des Gottessohnes zu uns besser zu verstehen. Vor dem Grabtuch, dem starken, mitreißenden Bild unaussprechlicher Pein, möchte ich dem Herrn danken für dieses einzigartige Geschenk, das von den Gläubigen liebende Aufmerksamkeit und völlige Bereitschaft zur Nachfolge des Herrn verlangt. 2. Das Turiner Grabtuch ist eine Herausforderung für den Verstand. Es verlangt in erster Linie das Bemühen jedes Menschen, besonders aber des Forschers, um demütig die tiefe Botschaft wahrzunehmen, die es an unsere Vernunft und unser Leben richtet. Die von dem Grabtuch ausgehende geheimnisvolle Faszination drängt danach, sich Fragen zu stellen über die Beziehung zwischen dem heiligen Linnen und der historischen Geschichte Jesu. Da es sich nicht um eine Angelegenheit des Glaubens handelt, besitzt die Kirche keine spezifische Kompetenz, sich zu diesen Fragen zu äußern. Sie vertraut die Aufgabe den Wissenschaftlern an, weiterzuforschen, bis angemessene Antworten auf die Fragen im Zusammenhang mit diesem Leinentuch gefunden werden, in das nach der Überlieferung der Leichnam unseres Erlösers gehüllt wurde, als man ihn vom Kreuz abnahm. Die Kirche fordert sie auf, die Untersuchung des Grabtuches ohne vorgefasste Meinungen vorzunehmen, die 280 REISEN Ergebnisse für selbstverständlich ansehen, die es nicht sind; sie lädt sie ein, innerlich frei zu handeln und sorgfältig bedacht sowohl auf die wissenschaftliche Methodik als auch auf das Empfinden der Gläubigen. 3. Was für den Glaubenden vor allem zählt, ist, dass das Grabtuch Christi ein Spiegel des Evangeliums ist. Wenn man in der Tat über das heilige Linnen nachdenkt, kann man nicht von der Überlegung absehen, dass das in ihm enthaltene Bild einen derart engen Bezug zu dem aufweist, was die vier Evangelien vom Leiden und Tod Christi erzählen, dass jeder empfindsame Mensch sich innerlich ergriffen und bewegt fühlt, wenn er es betrachtet. Wer sich ihm nähert, ist sich auch bewusst, dass das Grabtuch das Herz des Betrachters nicht auf sich gezogen hält, sondern auf den verweist, in dessen Dienst es die liebende Vorsehung des Vaters gestellt hat. Es ist daher berechtigt, das Bewusstsein von der Kostbarkeit dieses Bildes, das alle sehen und das bis heute niemand erklären kann, lebendig zu erhalten. Für jeden denkenden Menschen ist es Anlass zu vertieftem Nachdenken, einem Nachdenken, das sich auch auf das Leben auswirken kann. Das Grabtuch stellt somit ein wirklich einzigartiges Zeichen dar: Es verweist auf Jesus, das wahre Wort des Vaters, und lädt uns ein, unser Dasein nach dem Leben dessen zu gestalten, der sich selbst für uns hingegeben hat. 4. Im Turiner Grabtuch widerspiegelt sich das Bild des menschlichen Leides. Es erinnert den modernen Menschen, der oft vom Wohlstand und den technischen Errungenschaften abgelenkt ist, an das Drama seiner vielen Mitmenschen; es lädt ihn ein, sich Fragen zu stellen über das Geheimnis des Leidens, um dessen Ursachen auf den Grund zu gehen. Der Abdruck des gemarterten Leibes des Gekreuzigten -ein Zeugnis für die schreckliche Fähigkeit des Menschen, seinen Artgenossen Leid und Tod zuzufügen - bietet sich als „das“ Bild des unschuldigen Leidens aller Zeiten dar: der unzähligen Tragödien, welche die vergangene Geschichte gekennzeichnet haben, und der Dramen, die sich in der Welt weiterhin abspielen. Wie sollte man angesichts des Grabtuchs Christi nicht an die Millionen von Menschen denken, die an Hunger sterben; an die Gräueltaten, die in den vielen Kriegen verübt werden, die die Nationen mit Blut beflecken; an die brutale Ausbeutung von Frauen und Kindern; an die Millionen von Menschenwesen, die am Rand der Großstädte, besonders in den Entwicklungsländern, ein demütigendes Dasein im Elend fristen? Wie sollte man nicht mit Entrüstung und Erbarmen all derer gedenken, die nicht in den Genuss der grundlegenden Bürgerrechte kommen; der Opfer von Folter und Terrorismus; der Sklaven krimineller Organisationen? Indem es an solche dramatischen Situationen denken lässt, drängt uns das Grabtuch dazu, aus unserem Egoismus herauszutreten, und führt uns darüber hinaus zur Entdeckung des Geheimnisses des Leidens, das, vom Opfer Christi geheiligt, Heil für die ganze Menschheit schafft. 5. Das Turiner Grabtuch ist auch ein Bild der Liebe Gottes, nicht nur der Sünde des Menschen. Es lädt ein, den eigentlichen Grund des Erlösungstodes Jesu neu zu entdecken. In dem unermesslichen Leiden, das es dokumentiert, wird die Liebe des- 281 REISEN sen, der „die Welt so sehr geliebt [hat], dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (.Joh 3,16), sozusagen greifbar und offenbart ihre überraschenden Dimensionen. Vor ihm können die Gläubigen nicht anders, als in aller Wahrheit auszurufen: „Herr, du hättest mich mehr nicht lieben können!“ und sich unverzüglich bewusst zu werden, dass die Ursache dieses Leidens die Sünde ist: die Sünden aller Menschen. Indem es uns von Liebe und von Sünde spricht, lädt das Grabtuch uns alle ein, das Antlitz der Liebe Gottes unserem Geist einzuprägen, um die schreckliche Wirklichkeit der Sünde daraus zu verbannen. Die Betrachtung jenes gemarterten Leibes hilft dem Menschen von heute, sich von Oberflächlichkeit und Egoismus zu befreien, mit denen er sehr oft an Liebe und Sünde herangeht. Dem Wort Gottes und Jahrhunderten christlichen Bewusstseins zustimmend, will das Grabtuch uns sagen: Glaube an die Liebe Gottes, den größten Schatz, der der Menschheit gegeben ist, und fliehe vor der Sünde, dem größten Unheil der Geschichte! 6. Das Grabtuch Christi ist auch ein Bild der Ohnmacht: der Ohnmacht des Todes, worin die äußerste Konsequenz des Geheimnisses der Menschwerdung offenbar wird. Das Grabtuchleinen drängt uns, uns zu messen mit dem aufwühlendsten Aspekt des Geheimnisses der Menschwerdung, zugleich dem, worin sich erweist, mit welcher Wahrhaftigkeit Gott wirklich Mensch geworden ist und unsere Befindlichkeit in allem geteilt hat außer der Sünde. Jeder ist von dem Gedanken erschüttert, dass nicht einmal der Sohn Gottes der Macht des Todes zu widerstehen vermocht hat; alle sind wir jedoch ergriffen bei dem Gedanken, dass er an unserer menschlichen Befindlichkeit solchen Anteil genommen hat, dass er sich der völligen Ohnmacht des Augenblicks, in dem das Leben verlischt, hat ausliefem wollen. Das ist die Erfahrung vom Karsamstag - ein wichtiger Übergang auf dem Weg Jesu zur Herrlichkeit. Ein leuchtender Strahl geht daraus hervor, der Licht auf das Leiden und den Tod jedes Menschen wirft. Der Glaube erinnert uns daran, dass der Sieg Christi die Gewissheit vermittelt, dass nicht das Grab das letzte Ziel des Daseins ist. Gott beruft uns zur Auferstehung und zu unsterblichem Leben. 7. Das Grabtuch Christi ist ein Bild des Schweigens. Es gibt ein tragisches Schweigen der Kommunikationsunfähigkeit, welches im Tod seinen größten Ausdruck hat, und es gibt das Schweigen der Fruchtbarkeit, das demjenigen eigen ist, der darauf verzichtet, sich nach außen hin Gehör zu verschaffen, um in der inneren Tiefe zu den Wurzeln der Wahrheit und des Lebens zu gelangen. Das Grabtuch drückt nicht nur das Schweigen des Todes aus, sondern auch das mutige, fruchtbare Schweigen der Überwindung des Vergänglichen dank dem völligen Eintauchen in die ewige Gegenwart Gottes. So bietet es uns die ergreifende Bestätigung für die Tatsache, dass der barmherzigen Allmacht unseres Gottes von keiner Macht des Bösen Einhalt geboten wird, sie im Gegenteil selbst die Macht des Bösen in den Dienst des Guten zu stellen vermag. Unsere Zeit hat es nötig, die Fruchtbarkeit des Schweigens wieder zu entdecken, um die Verschwendung von Tönen, Bildern 282 REISEN und leeren Worten zu überwinden, die allzu oft verhindern, dass wir die Stimme Gottes wahmehmen. 8. Liebe Brüder und Schwestern! Euer Erzbischof, der liebe Kardinal Giovanni Saldarini, Päpstlicher Hüter des heiligen Grabtuches, hat für diese feierliche Ausstellung das Leitwort vorgeschlagen: „Alle Menschen werden dein Heil sehen.“ Ja, die Pilgerfahrt, die zahlreiche Mengen in diese Stadt unternehmen, ist wirklich ein „Kommen, um zu sehen“: dieses tragische und leuchtende Zeichen der Passion, das von der Liebe des Erlösers kündet. Dieses Bild des der dramatischen und feierlichen Befindlichkeit des Todes überlassenen Christus ist seit Jahrhunderten Gegenstand bedeutsamer Darstellungen und seit hundert Jahren dank der Fotografie in zahllosen Reproduktionen verbreitet. Es ermutigt dazu, zum Herzen des Geheimnisses von Leben und Tod vorzustoßen, um die große und tröstende Botschaft zu entdecken, die uns durch es übermittelt wird. Das Grabtuch zeigt uns Jesus im Augenblick seiner höchsten Ohnmacht und erinnert uns daran, dass in der Erniedrigung dieses Todes das Heil der ganzen Welt liegt. Das Grabtuch wird somit zur Einladung, jede Erfahrung, einschließlich der des Leidens und der äußersten Ohnmacht, in der Haltung des Glaubenden zu leben, der überzeugt ist, dass die barmherzige Liebe Gottes über alle Armseligkeit, alle Begrenztheit und alle Versuchung zur Verzweiflung siegt. Der Geist Gottes, der in unseren Herzen wohnt, möge in allen die nötige Sehnsucht und Großherzigkeit wecken, um die Botschaft des Turiner Grabtuchs anzunehmen und zum Kriterium für die Ausrichtung des Lebens zu machen. Anima Christi, sanctifica me! - Seele Christi, heilige mich! Corpus Christi, salva me! - Leib Christi, rette mich! Passio Christi, conforta me! - Leiden Christi, stärke mich! Intra tua vulnera, absconde me! - Verbirg in deine Wunden mich! 283 REISEN 5. Pastoralbesuch in Österreich (19. bis 21. Juni) In den kommenden drei Tagen gehöre ich Österreich Ansprache bei der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen Salzburg am 19. Juni Sehr geehrter Herr Bundespräsident! 1. Mit Freude betrete ich heute wiedemm österreichischen Boden. Von Herzen grüße ich alle hohen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die mich hier durch ihre Anwesenheit beehren. Zugleich heiße ich alle Bürgerinnen und Bürger dieses schönen Landes willkommen, das ich als Bischof von Rom nun schon zum dritten Mal besuchen darf. Ich danke Ihnen, verehrter Herr Bundespräsident, für Ihre herzlichen Begrüßungsworte. Mit dem Gefühl brüderlicher Wertschätzung schaue ich auf die Bischöfe dieses Landes und danke ihnen für die erneute Einladung, nach Österreich zu kommen. Pax! Pax vobis! So grüße ich Sie heute mit dem Wunsch des Auferstandenen: Der Friede sei mit Euch. Friede Ihrem Land! Friede der Kirche in Österreich! Friede den Gemeinschaften und Pfarren, Friede den Herzen der Menschen! Friede sei mit Euch allen! 2. Der wahre Friede kommt aus dem Herzen. „Liegst dem Erdteil du inmitten, einem starken Herzen gleich“, heißt es trefflich in Ihrer Bundeshymne. In den vergangenen Jahren hat sich das Land im Herzen Europas in die Weggemeinschaft derer begeben, die sich die Einigung des Kontinents zum Ziel gesetzt haben. Um das neue Europa aufzubauen, werden viele Hände gebraucht, besonders aber Herzen, die nicht nur für Gewinn und Geld schlagen, sondern für Gott um des Menschen willen. Mein Wunsch ist es, dass das Herz Europas stark und gesund bleibe. Deshalb bete ich dafür, das Denken und Handeln aller Bürgerinnen und Bürger Österreichs möge vom festen Willen geleitet sein, die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten und das Leben in allen seinen Formen und Phasen uneingeschränkt zu bejahen. Denn im Reichtum des christlichen Erbes ist es besonders das Verständnis vom Menschen, das die europäische Kultur entscheidend mitgeprägt hat. Zur sinnvollen Planung eines Hauses gehört der richtige Maßstab. Denn wer kein Maß kennt, verfehlt auch das Ziel. Die Architekten des europäischen Hauses können dabei auf das christliche Menschenbild zurückgreifen, das der alten Kultur des Kontinents eingeprägt ist und der viel bewunderten Höhe ihrer Schaffenskraft und Leistung den Boden bereitet hat. Das Verständnis vom Menschen als Bild und Gleichnis Gottes ist daher kein antikes Museumsstück aus längst vergangenen Zeiten. Vielmehr stellt es die Grundlage für ein modernes Europa dar, in dem die zahl- 284 REISEN reichen Bausteine unterschiedlicher Kulturen, Völker und Religionen zur Errichtung des neuen Bauwerks zusammengehalten werden. Ohne diesen Maßstab ist das im Bau befindliche europäische Haus in Gefahr, aus den Fugen zu geraten und auf Dauer keinen Bestand zu haben. 3. Auf diese Weise weitet mein Besuch unseren Blick über die Grenzen dieses Landes auf ganz Europa hinaus, auf alle Völker dieses Kontinents mit ihrer Geschichte, vom Atlantik zum Ural, von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Österreich hat in besonderer Weise dessen Geschicke geteilt und entscheidend mitbeeinflusst. Es zeigt exemplarisch, wie eine Vielzahl von Volksstämmen auf begrenztem Raum spannungsreich Zusammenleben und mit schöpferischer Gestaltungskraft in der Vielfalt Einheit schaffen kann. Auf dem Territorium des heutigen, im Verhältnis zu anderen Ländern kleinen Österreich haben sich die Wesenszüge von Kelten und Romanen, von Germanen, Ungarn und Slawen eingeprägt und in der Bevölkerung lebendig erhalten. So wird Österreich zum Spiegel und Modell für ein vereintes Europa, das nicht ausgrenzt, sondern Platz hat für alle. 4. Veni Creator Spiritus! Komm Schöpfer Geist! Diese Bitte wird wie ein Kehrvers die nächsten Tage durchziehen, die ich in Ihrem geschätzten Land verbringen darf. In den kommenden drei Tagen gehöre ich Österreich! „Komm, Schöpfer Geist, und entzünde in uns das Feuer deiner Liebe!“ Diese Bitte verknüpfe ich mit meinem innigen Dank Ihnen gegenüber, sehr verehrter Herr Bundespräsident, und an Sie, liebe Brüder im Bischofsamt. In der Vorfreude darauf, unsere Gemeinschaft im Glauben und Feiern zu leben, rufe ich den geliebten Bewohnern dieses Landes noch einmal zu: Der Friede sei mit Euch! Frohe Botschaft erhellt auch dunkle Seiten unseres Lebens Predigt bei der Eucharistiefeier im Dom zu Sankt Rupert und Virgil in Salzburg am 19. Juni „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1). 1. Die Worte, die der Psalmist auf Gott im Alten Bund bezieht, dürfen wir heute an unseren Hirten richten, das menschgewordene Wort Gottes: Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Dankbar schauen wir auf den Glauben, der wie ein starker Baum in dieser Gegend Früchte getragen und Geschichte gemacht hat: „Freue dich, Juvavum, denn am Ufer deiner Wasser hat der Herr Bäume gepflanzt, die niemals aufhören, Früchte zu tragen“ (7. Antiphon der Lesehore zum Fest Rupert und Virgil). Das Licht des Glaubens wurde hier wohl zum ersten Mal von dem berühmten Missionar Severin entzündet. Es war am Ende des fünften Jahrhunderts, in einer Zeit, als die römischen Provinzen dem Untergang geweiht waren. Mehr als zwei Jahr- 285 REISEN hunderte sollten vergehen, bis aus der Stadt Worms am Rhein wieder ein guter Hirte den Weg zur kleinen, weithin zerstörten Stadt an der Salzach fand: der Wanderbischof Rupertus. Er baute Kirchen und richtete geistliche Stützpunkte ein. Schon das erste Gotteshaus wurde dem hl. Petras geweiht. Im Jahre 739 war es der hl. Bonifatius, der als Legat des Papstes für Germanien vier Diözesen errichtete: Regensburg, Passau, Freising und Salzburg. Heute sind die Oberhirten dieser altehrwürdigen Diözesen unter uns. So grüße ich neben Erzbischof Georg Eder, der heute unser Gastgeber ist, ganz besonders Herrn Kardinal Friedrich Wetter von München und Freising, Herrn Bischof Manfred Müller von Regensburg und Herrn Bischof Franz Xaver Eder von Passau. Reich an Jahren und Glanz ist die Kirche von Salzburg! Nachdem der hl. Bischof Virgil, der aus Irland kam, den ersten Dom eingeweiht hatte, wurde vor 1200 Jahren durch Papst Leo III. Salzburg zur Metropole erhoben. Die Glanzpunkte der Vergangenheit lassen uns heute am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu mit Recht das Te Deum auf den Herrn anstimmen, der als Guter Hirte die Kirche von Salzburg durch die Jahrhunderte getragen hat. Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. 2. Dieser Tag, an dem ich als Nachfolger des hl. Petrus zum zweiten Mal das „deutsche Rom“ besuchen darf, ist aber nicht nur der Erinnerung an eine stolze Geschichte gewidmet. Er soll jeden einzelnen dazu anregen, sich um eine ehrliche Erneuerung im Glauben und um die entschlossene Bündelung der eigenen Kräfte mit denen der anderen Gläubigen zu bemühen, damit es der neuen Evangelisierung dient. Dabei weitet sich mein Blick über das Gebiet des Salzburger Landes hinaus. Ich grüße den Bundespräsidenten der Republik Österreich, Herrn Thomas Klestil. Ein herzliches Willkommen rufe ich neben den zahlreichen Brüdern im Bischofs- und Priesteramt, die aus Österreich und den Nachbarländern gekommen sind, sowohl dem Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönbom, zu als auch dem Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber von Graz-Seckau. Im Licht der missionarischen Tätigkeit unserer Vorfahren wird uns eines neu bewusst: Wir dürfen den Glauben nicht einschließen in unsere Gotteshäuser. Wir sollen ihn hinaustragen in unsere kleine und große Welt. Der missionarische Einsatz hat in dieser Bischofsstadt eine lange Tradition. Die Bischöfe von Salzburg sind als gute Hirten weit in den Osten gezogen und haben die Frohe Botschaft nach Böhmen, Mähren und Ungarn gebracht. Sie haben ihre Helfer als Missionare ausgesandt bis nach Maribor an der Drau, nach Brixen, an den Lech und zur Donau. Heute ist die Mutterdiözese Salzburg geographisch zwar kleiner geworden. Aber in den Steinen dieses ehrwürdigen Domes und der erhabenen Festung hat sich das eingeprägt, was Salzburg in der Geschichte war und in Zukunft sein soll: ein Missionszentram, das ausstrahlt über die Grenzen der Diözese und des Landes hinaus. Salzburg, du Stadt auf dem Berg gebaut, du trägst in Deinem Namen das Salz: Deine Bewohner mögen auch in Zukunft das Salz des Evangeliums gläubig anneh- 286 REISEN men und durch ihr Zeugnis bestätigen. Denk an das Erbe, das dir die Vergangenheit vermacht hat: das Salz der Heilsbotschaft in das umliegende Gebiet hinauszutragen. Du Sitz des Primas Germaniae, die Geschichte hat dir eine Art Vorsitz in der Mission übertragen: Die Christen dieser Erzdiözese mögen sich der Verpflichtung stets bewusst sein, die ein solches Vorrecht mit sich bringt. Du hast eine Sendung gegenüber den Männern und Frauen, die einen Weg suchen, der sie „zum Ruheplatz am Wasser“ führt. Durch das Zeugnis deiner Gläubigen mögen sie Dem begegnen, der sie auf rechten Pfaden führt, bis sie „auf grünen Auen lagern“ und sich stärken können, (vgl. Ps 23,2-3): Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. 3. „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil“ (Ps 23,4). Wir wissen um die Gefahren, die sich in steilen Tälern bei Dunkelheit stellen. Das geographische Bild ist ein trefflicher Spiegel der Seele. Auch unser Inneres ist tückischen Abgründen ausgesetzt. Wir kennen die Dunkelheiten von Enttäuschungen, Schicksalsschlägen und Glaubenszweifeln. Die jedoch auf Gott vertrauen, finden Schutz und Sicherheit in der Obhut des Guten Hirten: „Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht“ (Ps 23,4). Spielen diese Worte aus der Heiligen Schrift nicht auf die Aufgabe des Lehramtes an, das Christus den Hirten der Kirche anvertraut hat? Dieses Amt ist nicht menschliche Erfindung, um in der Seelsorge Herrschaft auszuüben. Christus selbst hat uns zu diesem Dienst bestellt, damit Sein göttliches Wort aus menschlichem Mund weitergetragen werde und den Menschen „Stock und Stab“, Halt und Orientierung sei. Liebe Schwestern und Brüder! Im Bewusstsein meiner Sendung, die mit meinem Amt als Nachfolger des hl. Petrus verbunden ist, bin ich zu Euch nach Österreich gekommen, um Euch ein Wort des Zuspruchs und der Ermutigung zu bringen. Ich danke Euch für Euer Kommen, in dem ich ein Zeugnis dafür sehe, dass Ihr zu Christus gehören wollt. Wie im Evangelium der Hirte das Schaf auf seinen Schultern trägt, so habe ich auch Euch in den vergangenen Monaten in meinem Herzen getragen. Das Herz des Hirten aus Rom schlägt für Euch alle! Verlasst die Herde des Guten Hirten nicht! Tretet nicht aus, sondern tretet auf - für die Frohe Botschaft, die auch die Dunkelheiten unseres Lebens erleuchten kann: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. 4. Es ist mir ein großes Anliegen, meine Wertschätzung allen gegenüber auszudrücken, die sich unermüdlich dafür einsetzen, dass die Pfarrgemeinden lebendig sind. Die Pfarren sind ja „die Kirche, die inmitten der Häuser ihrer Söhne und Töchter lebt“ (Apostolisches Schreiben Christifideles laici, Nr. 26). Es ist erfreulich, dass sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Vielzahl von Diensten entwickelt hat, denen sich unzählige Laien in hochherziger Weise widmen. Mit hohem 287 REISEN Einsatz an Zeit nehmen sie die Mitverantwortung wahr, die ihnen aufgrund der durch Taufe und Firmung übertragenen Würde zukommt. In der Verschiedenheit der Aufgaben das rechte Mit- und Zueinander zu finden, bereitet mitunter Schwierigkeiten. Gleichheit in der Würde bedeutet in der Herde des Guten Hirten nicht Gleichheit in den Ämtern und Tätigkeiten. So können die besonderen Aufgaben des bischöflichen und priesterlichen Hirtenamtes nicht einfach auf Laien übergehen. Andererseits haben die Hirten die spezifischen Aufgaben der Laien zu achten. Deshalb soll es auch nicht geschehen, dass Laien ihre Dienste an Priester, Diakone oder hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen. Nur wenn jeder den Platz einnimmt, der ihm gebührt, wird der gemeinsame Weg von Hirte und Herde gelingen. Mir liegt sehr daran, Euch, liebe Schwestern und Brüder im Laienstand, meine tiefempfundene Anerkennung auszusprechen. Euer Einsatz ist mit Geld nicht zu bezahlen. Ohne Euch wären unsere Pfarrgemeinden nicht nur ärmer. Ihnen würde etwas Wesentliches fehlen. Ich bitte Euch alle, Euer Apostolat auch in Zukunft ernst zu nehmen, sei es als Lektoren oder Kommunionhelfer, als Mitglieder von Kirchenchören und Gebetsgmppen oder bei der Hinführung der Kinder und Jugendlichen zur Erstkommunion und Firmung. Ausdrücklich ermutige ich die Laien dazu, aufs engste mit ihren Priestern zusammenzuarbeiten. Dabei erinnere ich an die Bedeutung der Pfarrgemeinderäte, in denen die pastora-len Probleme „in gemeinsamer Beratung“ zu prüfen und zu lösen sind (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Wagt den Dialog in Euren Gremien! Nicht vergessen möchte ich die zahllosen Männer und vor allem Frauen, die sich ohne viele Worte, aber mit großer Hingabe im karitativen Bereich aufzehren. Sie kümmern sich um Alte, Kranke und Einsame. Auf diese Weise lassen sie gerade die Menschen auf der Schattenseite des Lebens spüren, was es heißt: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. 5. „Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde“ (Ps 23,5). Auch wenn die Christen nicht gewaltsam verfolgt werden, ist es für sie nicht leicht, Zeugnis zu geben. Vielfach begegnet ihnen die Masse mit Gleichgültigkeit, einer Haltung, die nicht weniger schwer wiegt als offene Feindseligkeit. Die Priester und ihre Mitarbeiter decken den Tisch des Wortes und der Eucharistie. Dabei müssen sie die enttäuschende Erfahrung machen, dass die Zahl der Gäste, die der Einladung folgen, stetig abnimmt. Der Tisch des Wohlstandes und des Konsumismus scheint anziehender zu sein. Deshalb leben viele Zeitgenossen so, als wenn es Gott nicht gäbe. Gleichzeitig haben Formen weitverbreiteter Volksfrömmigkeit überdauert, denen allerdings die Grundlage bewusster Überzeugung fehlt. Deshalb besteht die Gefahr, dass sie in der Konfrontation mit der zunehmenden Säkularisierung austrocknen. Die Gleichgültigkeit gegenüber dem christlichen Erbe ist ebenso gefährlich wie eine offene Feindseligkeit. Nur eine neue Evangelisierung wird die Vertiefung eines reinen und festen Glaubens gewährleisten, der die überkommenen Traditionen in eine befreiende Kraft verwandeln kann. 288 REISEN Haben wir noch Ressourcen, aus denen wir zehren können? Wo liegen die Quellen, aus denen wir schöpfen dürfen? Christen von Österreich, Ihr wisst, wo diese Quellen liegen! Das alte Europa, das zu einer neuen Völkerfamilie zusammenwachsen will, scheint verkrustet. Der Kontinent schickt sich an, die Botschaft, die ihn seit den ersten Jahrhunderten der neuen Zeitrechnung erreicht hat, langsam zu vergessen. In vielen mittel- und osteuropäischen Ländern durfte mehr als fünfzig Jahre lang das Evangelium nicht mehr verkündet werden. Unter diktatorischen Machthabern ohne Gott ist das Licht in den Tabernakeln erloschen. Die Gotteshäuser sind zu Denkmälern vergangener Zeiten erstorben. Heute dürfen wir jedoch feststellen: Diese Herrschaftssysteme sind untergegangen. Doch die alten Quellen fließen weiter in Fülle und Frische: die Heilige Schrift als Ader der Wahrheit; die Sakramente der Kirche, aus denen die Kraft der Gegenwart Christi fließt; das Gebet, bei dem die Seele Atem holen darf aus dem frischen Sauerstoff der Gnade Gottes. 6. Diese Quellen stehen offen für alle. Gerade Ihr, liebe Jugendliche, dürft daraus schöpfen. Ihr sollt wissen: Der Papst zählt auf Euch! Auch wenn Ihr Euch manchmal als kleine Herde fühlt, verliert den Mut nicht: Ihr seid das Kapital des Guten Hirten. Zwölf Männer sind am Anfang in die ganze Welt hinausgezogen. Deshalb traut der Papst Eurer Jugend zu, dem alten Europa wieder ein christliches Gesicht zu geben. Setzt dabei auf Euer persönliches Zeugnis. Ihr seid „ein Brief Christi“ (2 Kor 3,3), Seine Visitenkarte! Wer Euch begegnet, soll wissen, dass er eine gute Adresse hat. Bei der Ausübung meines Hirtenamtes habe ich mich in den verschiedenen Gegenden der Welt immer mehr in die Wahrheit hineingehört, über die ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe: „Der Mensch unserer Zeit vertraut mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien“ (Nr. 42). In der Begegnung mit Euch sollen Eure Altersgenossen spüren, dass etwas Besonderes in Euch steckt, was sie nicht erklären können. Ihr aber kennt es genau - dieses „Etwas“, das der Psalm treffend ausdrückt: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. 7. Aus den nie versiegenden Quellen der Gnade haben die Heiligen geschöpft. Deshalb sind sie wahre Missionare (vgl. Redemptoris missio, Nr. 2). So ist die Geschichte Eurer Heimat auch eine Geschichte Eurer Heiligen. Diese Geschichte reicht bis in die jüngste Vergangenheit. Vor einigen Monaten wurden in Rom die Priester Otto Neururer und Jakob Gapp seliggesprochen. Am Sonntag werde ich in Wien neben zwei weiteren Dienern Gottes Schwester Restituta Kafka zur Ehre der Altäre erheben. In diesen Gestalten wird deutlich, worin jede Hirtenexistenz gipfelt: „Der Gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Wenn die Kirche an dunkle Kapitel der Geschichte erinnert, dann will sie nicht alte Wunden aufreißen, sondern nur das Gedächtnis heilen. Die Täter der Gewalt haben die Bühne verlassen, gekommen sind die Hel- 289 REISEN den der Liebe. Sie haben bezeugt, dass sich gerade in den tragischen Jahren unseres Jahrhunderts, als auch Euer Land vom Bösen mächtig geschüttelt wurde, das Gleichnis vom Guten Hirten erfüllt hat. In ihrem Leben und in ihrem Sterben spiegelt sich ihre Hoffnung wider: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. 8. Liebe Schwestern und Brüder! Euer Oberhirte, Erzbischof Eder, hat mich gebeten, die Statue Unserer Lieben Frau von Fatima zu krönen und die 1200 Jahre alte Erzdiözese Salzburg dem Schutz der Gottesmutter anzuvertrauen. Ich habe diese Bitte gern erfüllt. Eure altehrwürdige Kirche hat die Jungfrau Maria stets aufrichtig und tief verehrt. Ich bin sicher, dass die Gottesmutter Euren Wunsch nicht abweisen wird, Euch als Schutzfrau und Führerin auf Eurem Weg zu begleiten. Ihr vertraue ich Eure Erzdiözese und jeden von Euch an. Maria möge Euch unter ihren Schutzmantel nehmen: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten Unter dem Schutz deines Mantels, Maria, sind unsere Ängste und Sorgen gut aufgehoben. Wir schöpfen wieder Mut und Zuversicht. Wir schauen dich an und lernen von dir, uns neu in vollkommener Hingabe zu überantworten: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. Amen. Weiter gemeinsames Zeugnis geben Grußwort an die Vertreter der Ökumene in Österreich am Schluss der Eucharistiefeier in Salzburg am 19. Juni Am Ende dieses feierlichen Gottesdienstes unter dem Thema „Mission“ ist es mir ein Anliegen, daran zu erinnern, dass die Christen trotz allem, was sie noch trennt, in der Einen Taufe und in der Annahme des Apostolischen Glaubensbekenntnisses verbunden sind. So grüße ich die Mitglieder des Vorstands des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, seinen Vorsitzenden Metropolit Michael von Austria, den Bischof der evangelischen Kirche in Österreich, Magister Herwig Sturm, und die Vertreter der Ökumene vor Ort sehr herzlich. Ich danke Ihnen für die Teilnahme an dieser Feier. Meine besondere Anerkennung gilt auch allen in diesem Lande, die sich in beispielhafter Weise für das Gelingen der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz eingesetzt haben. Möge der mühevolle Weg der Versöhnung mit aller Kraft fortgesetzt werden, damit das gemeinsame Zeugnis der Christen eine Stärkung für alle Menschen guten Willens werde. 290 REISEN Treu zur Heimat und offen für Europa für eine Zukunft in Freiheit und Gerechtigkeit arbeiten Ansprache an die Staatsautoritäten und das Diplomatische Korps in der Hofburg in Wien am 20. Juni Sehr verehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist für mich eine besondere Freude und Ehre, heute mit Ihnen, Herr Bundespräsident, den Mitgliedern der Bundesregierung sowie mit Vertretern des politischen und öffentlichen Lebens der Republik Österreich zusammenzutreffen. Unsere Begegnung unterstreicht ein weiteres Mal das gute partnerschaftliche Verhältnis, das seit langer Zeit zwischen Österreich und dem Hl. Stuhl besteht. Zugleich dürfen wir sichtbar erleben, wie dieses fruchtbare Miteinander eingebunden ist in das weit gespannte Netz diplomatischer Beziehungen, das Österreich zu Staaten auf der ganzen Welt mitknüpft. Ich danke den anwesenden Diplomaten für die Ehre, die Sie mir durch Ihr Erscheinen erweisen und für Ihren Einsatz in der „Kunst des Friedens“. Diese historische Stätte ist ein sehr passender Ort, zunächst den Blick über die Grenzen dieses Landes hinaus zu weiten auf das sich einigende Europa und dessen Einbindung in die Völkerfamilie aller Kontinente, um dann in das Innere Österreichs zu schauen. 2. Mein erster Pastoralbesuch in Österreich im Jahre 1983 wurde mit einer Europa-Vesper eröffnet, die wir im Zeichen des Kreuzes feiern durften. Damals hat Kardinal Franz König den Versammelten zugerufen: „In unserem kleinen Land an der Trennungslinie zweier Welten [...] kann man, muß man von Europa sprechen!“ Als gut sechs Jahre später die Mauer zu bröckeln begann und der Eiserne Vorhang fiel, schien die Trennungslinie zweier Welten der Vergangenheit anzugehören. Dennoch sind seither manche Euphorien verflogen, und viele Hoffnungen wurden enttäuscht. Denn es reicht nicht aus, dem Menschen nur mit materiellen Gütern die Hände zu füllen, wenn sein Herz dabei leer bleibt und keinen Sinn entdeckt. Auch wenn es ihm nicht immer bewusst ist und er kurzlebige oberflächliche Vergnügungen nicht selten der dauerhaften inneren Freude vorzieht, muss er am Ende doch feststellen: Der Mensch lebt nicht nur von Brot und Spielen. 3. Tatsächlich ist die Trennungslinie zweier Welten weder aus der wirtschaftlichen Wirklichkeit noch aus dem Inneren der Menschen gewichen. Sogar in einem gesellschaftlich wohlgeordneten und wirtschaftlich blühenden Land wie Österreich greifen Orientierungslosigkeit und Zukunftsangst um sich. Scheint es nicht, dass sich auch in das bislang bewährte Gebäude der Zusammenarbeit zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, das zum Wohlstand des Landes und 291 REISEN zur Wohlfahrt seiner Bürgerinnen und Bürger wesentlich beigetragen hat, gefährliche Risse eingeschlichen haben? Greifen nicht, wenige Jahre nach dem Votum der Österreicher für den Beitritt zur Europäischen Union, Euro-Skeptizismus und Frustration um sich? 4. In der Geographie Europas ist Österreich nach vielen Jahrzehnten vom Grenzland zum Brückenland geworden. In wenigen Tagen übernimmt es tumusgemäß den Ratsvorsitz in der Europäischen Union. In der Vergangenheit oft Brennpunkt europäischer Geschichte, wird Wien nun zum Zentrum vieler Hoffnungen, vor allem für jene Länder, die gerade dabei sind, Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufzunehmen. Ich hoffe, dass Schritte gelingen, um den Westen und den Osten dieses Kontinents einander näher zu bringen, jene beiden Lungen, ohne die Europa nicht atmen kann. Die Verschiedenheit der östlichen und westlichen Traditionen wird die Kultur Europas bereichern sowie durch deren Bewahrung und gegenseitige Ausleuchtung als Grundlage für die ersehnte geistige Erneuerung dienen. Deshalb sollte vielleicht weniger von einer „Osterweiterung“ als vielmehr von einer „Europäisierung“ des gesamten Kontinents die Rede sein. 5. Lassen Sie mich diesen Gedanken ein wenig vertiefen: Am Anfang meines Pontifikates habe ich den auf dem Petersplatz in Rom versammelten Gläubigen zugerufen: „Öffnet die Tore für Christus!“ (Homilie, 22. Oktober 1978). Heute spreche ich in dieser geschichtlich, kulturell und religiös so bedeutenden Stadt die Einladung an den alten Kontinent noch einmal aus: „Europa, öffne die Tore für Christus!“ Nicht Kühnheit oder Träumerei bewegen mich dazu, sondern Hoffnung und Realismus. Denn europäische Kultur und Kunst, Geschichte und Gegenwart waren und sind noch so sehr vom Christentum geformt, dass es ein völlig entchristlichtes oder gar atheistisches Europa nicht gibt. Davon zeugen nicht nur Kirchen und Klöster in vielen Ländern Europas, Kapellen und Kreuze an den Wegen durch Europa, christliche Gebete und Gesänge in allen europäischen Sprachen. Noch eindringlicher sprechen die zahllosen lebendigen Zeugen: suchende, fragende, glaubende, hoffende und liebende Menschen; Heilige in Geschichte und Gegenwart. 6. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass europäische Geschichte eng mit der Geschichte jenes Volkes verflochten ist, aus dem Jesus Christus hervorgegangen war. In Europa wurde dem jüdischen Volk unaussprechliches Leid zugefügt. Wir können nicht unbedingt davon ausgehen, dass alle Wurzeln dieses Unrechts unwiederbringlich ausgerissen sind. Aussöhnung mit den Juden gehört also zu den Grundpflichten gerade für die Christen in Europa. 7. Noch eine weitere große Aufgabe stellt sich den Baumeistern Europas: aus einer westeuropäischen Wohlstandsinsel eine gesamteuropäische Zone der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu schaffen. Materielle Opfer werden für die wohl- 292 REISEN habenderen Länder unvermeidlich sein, um das unmenschliche Wohlstandsgefälle innerhalb Europas allmählich abzuflachen. Daneben ist geistige Hilfe nötig, um den weiteren Aufbau demokratischer Strukturen und deren Festigung voranzutreiben und eine Kultur der Politik im Sinne rechtsstaatlicher Verhältnisse zu fördern. In diesem Bemühen bietet die Kirche als Orientierung ihre Soziallehre an, in der die Sorge und Verantwortung für den ihr von Christus anvertrauten Menschen im Mittelpunkt steht: „Es handelt sich nicht um einen ,abstrakten“ Menschen, sondern um den realen, ,konkreten“ und geschichtlichen“ Menschen“, den die Kirche nicht verlassen darf (Centesimus annus, Nr. 53). 8. Hier kommt der ganze Globus in den Blick, der sich mehr und mehr zu einem „Weltdorf“ zu entwickeln scheint. Die Rede von der Globalisierung ist heute im Munde vieler, die sich den ökonomischen Prozessen in großen Dimensionen widmen. Wenn die Regionen der Welt wirtschaftlich zusammenrücken, soll dies allerdings nicht mit einer Globalisierung an Armut und Elend verbunden sein, sondern in erster Linie mit einer Globalisierung an Solidarität. Ich bin überzeugt, dass sich Österreich nicht nur aus politischen und ökonomischen Gründen in den Globalisierungsprozess einbringen wird, sondern auch aufgrund der Beziehungen, die dieses Volk mit anderen Nationen verbinden, wie sein beispielhafter Einsatz für die notleidenden Schwestern und Brüder in Südosteuropa ebenso gezeigt hat wie seine stete Unterstützung der Entwicklungsländer. Außerdem erinnere ich an die Bereitschaft Österreichs, seine Türen Menschen aus anderen Ländern zu öffnen, die dort ihrer Religionsfreiheit, ihrer Freiheit der Meinungsäußerung oder der Achtung ihrer Menschenwürde beraubt sind. Auch meine Landsleute haben Ihnen in der Vergangenheit viel zu verdanken. Bleiben Sie der guten Tradition dieses Landes treu! Bewahren Sie sich auch weiterhin die Bereitschaft, Ausländer aufzunehmen, die ihre Heimat verlassen mussten! 9. Mit diesem Wunsch wende ich mich nun einer Frage zu, die immer drängender wird. Nicht nur Sie, die Sie in diesem Land leben und Verantwortung tragen, sehen sich einem Problem gegenüber, das zunehmend die Herzen einzelner, aber und auch ganzer Familien und Gesellschaftsschichten belastet. Ich meine den fortschreitenden Ausschluss vieler, vor allem jugendlicher und älterer Menschen, vom Recht auf Arbeit. Bedingt durch den wirtschaftlichen Wettbewerb, wird trotz positiver Bilanzen der Arbeitsmarkt nicht belebt. Deshalb erachte ich es als meine Pflicht, die Stimme für die Schwächeren zu erheben: Subjekt der Arbeit ist der Mensch als Person! Auch in der modernen Arbeitswelt soll Platz sein für Schwache und weniger Begabte, für Alte und Behinderte und für die vielen jungen Menschen, denen eine entsprechende Ausbildung vorenthalten wird. Selbst das Zeitalter hochentwickelter Techniken darf den Menschen nicht vergessen! Bei der Bewertung seiner Arbeit müsste neben dem objektiven Ergebnis auch Bemühen und Einsatz, Treue und Zuverlässigkeit ins Gewicht fallen. 293 REISEN 10. Damit berühre ich noch einen letzten Themenkreis, der mir sehr am Herzen liegt. Zu den Grundanliegen meines Pontifikats gehört der Aufbau einer „Kultur des Lebens“, die einer sich ausbreitenden „Kultur des Todes“ entgegenwirken soll. Daher werde ich nicht müde, den unbedingten Ichutz des menschlichen Lebens vom Augenblick seiner Empfängnis an bis zum natürlichen Tod einzufordem. Die Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs während der Frist der ersten drei Monate, wie sie in Österreich gilt, bleibt eine blutende Wunde in meinem Herzen. Darüber hinaus stellt sich das Problem der Euthanasie: Auch Sterben ist ein Teil des Lebens. Jeder Mensch hat ein Recht, in Würde zu sterben, wann Gott es will. Wer daran denkt, einem Menschen dieses Recht zu nehmen, nimmt ihm letztlich das Leben. Jeder Mensch hat einen so hohen Wert, dass er mit Geld nie aufzuwiegen ist. Deshalb darf er weder einer schrankenlosen Privatautonomie noch irgendwelchen Sachzwängen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art geopfert werden. Manche ältere Zeitgenossen kennen nicht nur aus den Geschichtsbüchern die dunklen Kapitel, die das zwanzigste Jahrhundert auch in diesem Land geschrieben hat. Wenn das Gesetz Gottes außer acht bleibt, wer kann dann garantieren, dass nicht irgendwann eine menschliche Macht wieder das Recht für sich beansprucht, über den Wert oder Unwert einer Phase menschlichen Lebens zu befinden? Verehrter Herr Bundespräsident! T Sehr geehrte Damen und Herren! C. . 11. Treu zur Heimat und offen für Europa, der Vergangenheit verpflichtet und bereit für die Zukunft - das waren Stichpunkte meiner Gedanken, die ich Ihnen heute vorlegen wollte. Bei allem Stolz, mit dem ich dankbar auf den reichen Schatz des Christentums blicke, bitte ich, dieses Erbe als Angebot zu verstehen, das die Kirche am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends lebendig darstellen möchte. Niemand möchte die Universalisierung dieses Erbes als Sieg oder Bestätigung einer Überlegenheit werten. Das Bekenntnis zu bestimmten Werten soll lediglich auf das Bemühen hindeuten, am Aufbau einer wirklichen universalen menschlichen Gemeinschaft mitarbei-ten zu wollen: einer Gemeinschaft, die keine Trennungslinien verschiedener Welten mehr kennt. So wird es auch von uns Christen abhängen, ob Europa sich bei seinen zeitlichen Bestrebungen in sich und seine Egoismen einkapselt, wobei es auf seine Berufung und seine Rolle in der Geschichte verzichten würde, oder ob es in der Kultur des Lebens, der Liebe und der Hoffnung seine Seele wiederfindet. Österreich im Herzen Europas hat Brückenfunktion. Wie meine Aussage über den Menschen, so ist auch diese Feststellung nicht abstrakt, sondern sehr konkret: Ich wünsche Ihnen allen viel Mut zum Brückenbauen! 294 REISEN Priestertum - Berufung mit Zukunft Predigt bei der Eucharistiefeier am Landhauspark in Sankt Pölten am 20. Juni „Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt“ {Lk 4,18). 1. Das ganze Leben Jesu steht unter dem Einfluss des Heiligen Geistes. Am Anfang ist er es, der die Jungfrau Maria im Geheimnis der Menschwerdung umschattet. Am Jordan ist es wieder der Geist, der auf Jesus herabkommt, während der Vater den geliebten Sohn bezeugt. Dann führt der Geist den Sohn in die Wüste. In der Synagoge von Nazaret bestätigt Jesus von sich selbst: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ {Lk 4,18). Diesen Geist verspricht Jesus den Aposteln als fortwährenden Garanten seiner Gegenwart in ihrer Mitte. Am Kreuz gibt der Sohn den Geist an den Vater zurück (vgl. Joh 19,30). So besiegelt er den Neuen Bund, der aus dem Osterereignis hervorgeht. Am Pfingsttag schließlich gießt er den Heiligen Geist über die Urge-meinde aus, um sie im Glauben zu festigen und die Apostel als lebendige und mutige Zeugen auf die Straßen der Welt hinauszusenden. 2. Von damals bis heute wird der mystische Leib Christi, seine Kirche, auf ihrem Weg durch die Zeit vom Wehen desselben Geistes angetrieben. Die Kirche erleuchtet die Geschichte mit dem glühenden Feuer des Wortes Gottes und reinigt die Herzen der Menschen mit den Strömen reinen Wassers, die aus ihrem Innern fließen (vgl. Ez 36,25). So wird sie „das durch die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Volk“ (Cyprian, De Dom. Orat., 23). In dieser Gemeinschaft des dreifältigen Gottes hat jeder Getaufte die Möglichkeit, unter „dem Gesetz des Geistes, der Leben in Christus Jesus schenkt“ (Rom 8,2), zu leben. Unter der Führung des Geistes tritt der Christ in den „geistlichen Raum“ ein, in dem sich der Dialog mit Gott ereignet. Die Fragen, die der Mensch stellt, sind eigentlich Anrufe, die Gott im Innern des Menschen weckt: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin soll ich gehen? Liebe Schwestern und Brüder! Ihr seid Gesprächspartner Gottes! Seit Ihr in der Taufe zu Christus gehört, hat Gott Euch in Christus zu seinen Söhnen und Töchtern adoptiert. Seid Euch dieser hohen Würde bewusst! Verspielt nicht diese große Ehre! Gott hat mit jedem von Euch einen ganz persönlichen Plan. Sein Auge ist jedem liebend zugewandt. Er schenkt allen immer sein Ohr. Wie ein treusorgender und feinfühliger Vater ist Er Euch nahe. Er gibt Euch das, was Ihr zum neuen Leben braucht: Seinen Heiligen Geist. 3. Mit Eurer Eingliederung in die Kirche habt Ihr nicht nur den Namen „Christen“, „Gesalbte“ erhalten, sondern auch die Salbung des Heiligen Geistes. Deshalb sollt Ihr nicht nur Christen heißen, sondern es in Wahrheit sein. Der Geist Gottes ruht auf Euch. Denn der Herr hat Euch gesalbt (vgl. Lk 4,18). Im neuen Leben, das der Taufe entspringt und sich durch das Wort und die Sakramente entfaltet, finden die Gnadengaben, die Ämter und die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens ihre Nahrung. Schon der Völkerapostel Paulus hat im Blick auf die Gemeinde von 295 REISEN Korinth festgestellt: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur einen Geist“ (.7 Kor 12,4). Neue Berufungen sind auch heute möglich durch den Heiligen Geist. Dafür muss man eine Umgebung schaffen, die dem Hören auf Gottes Anruf förderlich ist. Große Bedeutung kommt dabei den Pfarrgemeinden zu. Wenn dort eine Haltung wahrer Treue zum Herrn gelebt wird und ein Klima tiefer Religiosität und ehrlicher Bereitschaft zum Zeugnis herrscht, ist es für einen Berufenen leichter, mit „Ja“ zu antworten. Die Lebendigkeit einer Pfarrgemeinde wird ja nicht nur an der Anzahl ihrer Aktionen gemessen, sondern an der Tiefe ihres Gebetslebens. Das Hören auf Gottes Wort auf der einen und die Feier und Anbetung der Eucharistie auf der anderen Seite sind die beiden tragenden Säulen, die einer Pfarrgemeinde Halt und Festigkeit geben. Das Klagen über den Mangel an Priestern und Ordensleuten hilft wenig. Berufungen sind menschlich nicht zu „machen“. Berufungen können aber von Gott erbeten werden. Mein Wunsch ist es, dass Ihr den Herrn der Ernte inständig und stetig um neue Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben bittet. 4. Als Jesus am Kreuz seinen Geist an den Vater zurückgab, machte er aus allen Jüngern „ein Reich von Priestern und ein heiliges Volk“ (Ex 19,6). Er baute sie zu einem „geistigen Haus“ auf, „zu einer heiligen Priesterschaft, um geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (7 Petr 2,5). Dies ist das gemeinsame Priestertum, zu dessen Dienst er die Zwölf berufen hat, dass sie „mit ihm seien“ (Mk 3,14). Dann sandte er sie aus, damit sie in seinem Namen und an seiner Stelle handelten. Durch das Amtspriestertum führt Christus bis heute seine Heilssendung ununterbrochen fort. Er hat dafür Bischöfe und Priester eingesetzt, die „in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten, sind; sie verkündigen mit Vollmacht sein Wort, sie wiederholen sein vergebendes Wirken und sein umfassendes Heilsangebot“ (Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 15). Sie sind gesandt, um den Armen eine gute Nachricht zu bringen, um den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht und um die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen (vgl. Lk 4,18). Das Amt in der Kirche ist also keine menschliche Errungenschaft. Es ist eine göttliche Stiftung. Bei aller Anerkennung und Wertschätzung für die kostbaren Dienste der Laien in den Pfarrgemeinden darf man nicht vergessen: Im sakramentalen Bereich kann der Laie nie das ersetzen, was den Priester auszeichnet. Letztlich kann ein Priester nur von einem Priester ersetzt werden. 5. An dieser Stelle grüße ich Herrn Bischof Kurt Krenn, der zusammen mit seinem Weihbischof Heinrich Fasching nicht nur mit Sorgfalt dieses heutige Fest des Glaubens vorbereitet hat, sondern sich mit allen Kräften bemüht, auch in Zukunft den Gläubigen in den vielen Pfarren der ihm anvertrauten Diözese Sankt Pölten Priester zu senden. Nicht vergessen möchte ich Altbischof Franz Zak, der für seinen Nachfolger einen guten Grund gelegt hat. Ich grüße alle Brüder im Bischofsamt, besonders den Met- 296 REISEN ropoliten, Herrn Kardinal Christoph Schönbom, und den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber. Ich freue mich, dass der verehrte Herr Bundespräsident Thomas Klestil bei dieser Feier unter uns ist. Mit ihm grüße ich die Vertreter des politischen und öffentlichen Lebens, die uns die Ehre ihrer Anwesenheit geben. Wenn ich mich an die Priester und Diakone wende, verbinde ich damit ein Wort der Anerkennung und Dankbarkeit: Diese Gefühle weite ich auf alle geweihten Amtsträger aus, die in den verschiedenen Diözesen dieses Landes wirken. Wie in Sankt Pölten, so gibt es auch in den anderen Teilen Österreichs viele, die sich mit unermüdlicher Hingabe in der Seelsorge aufzehren und sich weder Krankheit noch fortgeschrittenem Alter beugen. Mit Bewunderung blicke ich ebenso auf jene Priester, die bereit sind, sich über die ihnen anvertrauten Pfarren hinaus auch um Nachbargemeinden zu kümmern, damit den Gläubigen die Heilsmittel nicht fehlen. Lob gebührt auch den vielen Ordensleuten, die sich in der Seelsorge einsetzen. Zudem möchte ich die Priester nicht vergessen, die aus anderen Ländern kommen; einige davon sind aus meiner Heimat. Sie alle leisten einen wertvollen Beitrag zur Pastoral. Liebe Priester, die jungen Menschen schauen auf Euch. Sie sollen feststellen, dass Ihr trotz Eurer Arbeitslast frohe Diener des Evangeliums seid und in der Wahl Eurer Lebensform Erfüllung und Zufriedenheit findet. An Eurem Zeugnis sollen die jungen Menschen sehen: Das Priestertum ist kein Auslaufmodell, sondern eine Berufung mit Zukunft! Das Priestertum ist eine Berufung mit Zukunft! 6. Wie sollte man hier nicht auch in Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen Geist an die vielen Ordensgemeinschaften denken, die in der Geschichte gerade dieser Diözese für die Seelsorge so wichtig geworden sind! Liebe Brüder und Schwestern, ich grüße Euch aus ganzem Herzen. Ihr lebt nach den evangelischen Räten und bemüht Euch, durch Euer Verhalten den Weg zum Himmelreich zu weisen. Das gottgeweihte Leben gehört ins Herz der Kirche als ein Element, das für die Erfüllung ihrer Sendung entscheidend ist. Es drückt das Wesen christlicher Berufung und die Spannung der ganzen Kirche aus, die als Braut zur Vereinigung mit ihrem einzigen Bräutigam drängt. 7. Nicht vergessen möchte ich die christlichen Eheleute. Auch Eure Lebensform ist eine Berufung! Ich spreche Euch mein Lob aus und ermutige Euch in allen Euren Anstrengungen, aus der Gnade des Ehesakramentes zu leben. Eure Familien mögen „Hauskirchen“ sein, in denen die Kinder lernen, den Glauben zu leben und zu feiern. Ihr Väter und Mütter seid die erste Schule für Eure Kinder. Bemüht Euch um Eintracht im Hause, um den Geist des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, um die regelmäßige Teilnahme am kirchlichen Leben, um Gelassenheit und Stärke bei der Lösung der täglichen Schwierigkeiten. Bittet den Herrn, dass Eure Kinder einmal den Weg wählen, den Gott mit ihnen plant! Lasst ihnen auch die Freiheit, in die radikale Nachfolge Jesu Christi zu treten, wenn sie Gottes Ruf dafür verspüren. Kin- 297 REISEN der sind kein Besitz. Sie sind Euch von Gott für eine bestimmte Zeit anvertraut. Eure Sendung besteht darin, sie in die Freiheit hineinwachsen zu lassen, aus der heraus sie sich verantwortlich binden können. 8. In den Familien entscheidet sich auch die Zukunft von Kirche und Gesellschaft. Neben den vielen pastoralen Initiativen und Hilfen erwähne ich besonders das Internationale Theologische Institut für Studien zu Ehe und Familie, das als junge Pflanze in Gaming eingesetzt wurde und von den Bischöfen Österreichs mitgetragen wird. Gebe Gott, dass daraus ein starker Baum werde, der viele Früchte zugunsten der Wertschätzung von Ehe und Familie hervorbringt. 9. Liebe Schwestern und Brüder! „Wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott“ (vgl. 1 Joh 4,7). Viele unserer Zeitgenossen haben Gott als Vater verloren. Deshalb fehlt ihnen auch die Muttersprache des Glaubens. Helfen wir ihnen, sich in das Alphabet des Glaubens einzulesen. Zuneigung, Anteilnahme und Liebe gehören in den religiösen Grundwortschatz, den jeder versteht. Darauf kann man eine Grammatik des Lebens aufbauen, die dem Menschen hilft, den Plan, den Gott mit ihm hat, im Heiligen Geist zu buchstabieren. Lebt in Taten vor, was Ihr mit Worten lehrt. Zeigt, dass eine Frucht des Geistes auch die Freude ist. An der Schwelle des dritten Jahrtausends muss der Gedanke wieder neu ins Bewusstsein rücken: Wie Gott mit jedem einen Plan hat, so hat er für jeden auch eine Sendung. Ihr seid nicht nur Nachlassverwalter der Vergangenheit, sondern auch Wegbereiter einer Zukunft, in die der Heilige Geist die Kirche führt! Euer Landespatron, der hl. Leopold, möge Euch Vorbild und Fürsprecher sein. Er war nicht nur Vater seiner Familie, sondern auch Landesvater. Sein Gedenkstein, den ich bei meinem letzten Pastoralbesuch in Österreich segnen durfte, steht heute hier in diesem neuen Regierungsviertel. Er soll Euch allen Ansporn und Ermutigung sein! Wir schauen auf die hl. Jungfrau Maria, deren Leben ein Weg im Heiligen Geiste war. Maria, Magna Mater Austriae, dir vertrauen wir die Sorge um die Berufungen in den Priester- und Ordensstand an. Maria, Mutter Gottes, trete bei deinem Sohn für die Kirche in Österreich ein. Bewirke, dass ihr viele junge Menschen geschenkt werden, die bereit sind, sich für die Nachfolge Christi zu entscheiden und sich selbst hinzugeben für das Reich Gottes. Maria, Mutter der Kirche, bitte für uns! Amen. 298 REISEN Helden der Kirche verkünden Christus, den Erlöser Predigt bei der Seligsprechung auf dem Heldenplatz in Wien am 21. Juni 1. „Für wen halten mich die Leute?“ (Lk 9,18) Diese Frage hat Jesus einmal seinen Jüngern gestellt, die mit ihm unterwegs waren. Auch den Christen auf den Straßen unserer Zeit legt Jesus die Frage vor: „Für wen halten mich die Leute?“ Wie vor fast zweitausend Jahren in einem versteckten Winkel der damals bekannten Welt, so scheiden sich auch heute an Jesus die Geister: Die einen billigen ihm die Fähigkeit prophetischer Rede zu. Andere halten ihn für eine großartige Persönlichkeit, ein Idol, das Menschen zu fesseln vermag. Wieder andere trauen ihm sogar zu, eine neue Epoche einzuleiten. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Lk 9,20). Die Frage kann man nicht neutral beantworten. Sie verlangt eine Grundsatzentscheidung und geht alle persönlich an. Auch heute stellt Jesus die Frage: Ihr Katholiken Österreichs, ihr Christen dieses Landes, ihr Bürgerinnen und Bürger, für wen haltet ihr mich? Es ist eine Frage, die aus dem Herzen Jesu kommt. Wer sein eigenes Herz öffnet, der wünscht sich, dass das Gegenüber nicht nur mit dem Kopf antwortet. Die Frage aus dem Herzen Jesu muss uns selbst zu Herzen gehen: Wer bin ich für Euch? Was bedeute ich Euch? Kennt Ihr mich eigentlich? Bekennt Ihr Euch zu mir? Habt Ihr mich lieb? 2. Damals hat Petras als Sprecher der Jünger geantwortet: Wir halten dich „für den Messias Gottes“ (Lk 9,20). Etwas ausführlicher gibt Matthäus das Bekenntnis des Petras wieder: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Heute bekennt der Nachfolger des Apostels Petrus, der ich durch Gottes Gnade bin, stellvertretend für Euch und gemeinsam mit Euch: Du bist der Messias Gottes. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. 3. Im Laufe der Jahrhunderte wurde immer wieder um das richtige Bekenntnis gerangen. Dank sei Petras, dessen Worte einen Maßstab gesetzt haben! An ihm müssen sich die Bemühungen messen lassen, mit denen die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit versucht auszudrücken, was ihr Jesus bedeutet. Dabei genügt das Lippenbekenntnis allein nicht. Die Kenntnis von Schrift und Tradition ist wichtig, das Studium des Katechismus ist wertvoll, aber was nützt das alles, wenn dem Glaubenswissen die Taten fehlen? Das Christusbekenntnis ruft in die Christusnachfolge. Zum richtigen Bekenntnis muss das richtige Leben treten. Rechtgläubigkeit verlangt Glaubwürdigkeit. Diese anspruchsvolle Wahrheit hat Jesus den Seinen gegenüber von Anfang an nicht verschwiegen. Gerade hat Petrus ein außerordentliches Bekenntnis abgelegt. Im gleichen Atemzug müssen er und der ganze Jüngerkreis sich von Jesus erklären lassen, 299 REISEN was ihr Meister sich von ihnen erwartet: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Wie es am Anfang war, so ist es bis heute geblieben: Jesus Christus sucht nicht nur Menschen, die ihm zujubeln. Er sucht Menschen, die ihm nachfolgen. 4. Liebe Schwestern und Brüder! Wer die Geschichte der Kirche mit liebendem Auge betrachtet, darf dankbar entdecken, dass es trotz aller dunklen Punkte und Schattenseiten immer und überall Menschen gegeben hat und gibt, deren Leben neues Licht auf die Glaubwürdigkeit des Evangeliums wirft. Heute wird mir die große Freude geschenkt, drei Christen aus der Kirche Eurer Heimat in das Buch der Seligen eintragen zu dürfen. Jeder von ihnen hat auf eigene Weise das Messiasbekenntnis mit dem persönlichen Lebenszeugnis eingelöst. Alle drei zeigen uns, dass mit „Messias“ nicht nur ein Titel für Christus gemeint ist, sondern die Bereitschaft, an der messianischen Ordnung mitzuarbeiten: Große werden klein, und Schwache kommen zum Zug. Auf dem Heldenplatz, hier und heute, haben nicht die Helden der Welt das Wort, sondern die Helden der Kirche, drei neue Selige. Vor sechzig Jahren hat vom Balkon dieses Platzes aus ein Mensch für sich das Heil proklamiert. Die neuen Seligen haben eine andere Botschaft. Sie sagen uns: Nicht in einem Menschen liegt das Heil, sondern: Heil Christus, dem König und Erlöser! 5. Jakob Kern entstammt einer einfachen Wiener Arbeiterfamilie. Aus seinem Studium im Knabenseminar in Hollabrunn reißt ihn der erste Weltkrieg heraus. Eine schwere Kriegsverletzung macht sein kurzes Leben im Priesterseminar und im Prä-monstratenser-Stift Geras zu einer, wie er selber sagt, „Karwoche“. Um Christi willen hält er sein Leben nicht fest, sondern opfert es bewusst auf für andere. Zunächst wollte er Weltpriester werden. Doch ein Ereignis sollte für ihn andere Weichen stellen: Ein Prämonstratenser verlässt sein Kloster und schließt sich der neu entstandenen, von Rom getrennten tschechischen Nationalkirche an. In diesem traurigen Vorfall entdeckt Jakob Kern seine Berufung: Er will für den Ordensmann Sühne leisten. Gewissermaßen an seiner Stelle tritt Jakob Kern ins Kloster Geras ein. Gott hat das Geschenk des „Stellvertreters“ angenommen. Der sei. Jakob Kern steht vor uns als Zeuge für die Treue zum Priestertum. Ursprünglich war es ein Kindertraum: Schon als kleiner Junge hat er Pfarrer gespielt. Im Laufe seines Lebens ist dieser Wunsch immer reifer geworden. Im Leiden geläutert, ging dem Ordensmann der tiefe Sinn priesterlicher Berufung auf: das eigene Leben mit dem Kreuzesopfer Christi zu vereinen und für das Heil anderer stellvertretend hinzugeben. Möge der sei. Jakob Kern, der ein lebensfroher, „farbtragender“ Student war, vielen jungen Männern Mut machen, dem Ruf Christi zum Priestertum hochherzig zu folgen. Seine Worte von damals sind uns gesagt: „Heute braucht man mehr denn je ganze und heilige Priester. Jedes Gebet, jedes Opfer, jede Mühe und Plage werden, 300 REISEN wenn mit der richtigen Intention verbunden, heiliges Saatgut Gottes, das früher oder später seine Frucht bringt.“ 6. In Wien hat sich vor hundert Jahren P. Anton Maria Schwartz vom Los der Arbeiter anrühren lassen. Vor allem den jungen Menschen in der Ausbildung, den Lehrlingen, widmet er sein Leben. Seine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen vergisst er nie, so dass ihn mit den Bedürftigen aus dem Arbeitermilieu eine Herzensverwandtschaft verbindet. Um ihnen zu helfen, gründet er die „Kongregation der frommen Arbeiter“ nach der Regel des hl. Josef von Kalasanz, die bis heute blüht. Eine große Sehnsucht erfüllt ihn: eine Gesellschaft im Umbruch zu Christus zurückzuführen und sie in Christus zu erneuern. Er hat Verständnis für die Not der Lehrlinge und Arbeiter, denen oft Halt und Orientierung fehlt. Mit Phantasie und Liebe wendet er sich ihnen zu. Er findet Mittel und Wege, „die erste Arbeiterkirche Wiens“ zu bauen. Verborgen und bescheiden, ohne sich abzuheben zwischen Häusern mit kleinen Wohnungen, gleicht das Gotteshaus dem Wirken dessen, der es errichtet und vierzig Jahre lang mit Leben erfüllt hat. Am „Arbeiterapostel“ Wiens schieden sich aber auch die Geister. Vielen ging sein Einsatz zu weit. Andere schlugen ihn für höchste Auszeichnungen vor. Pater Schwartz blieb sich treu und scheute nicht davor zurück, auch mutige Schritte zu wagen. Mit seinen Forderungen nach Ausbildungsplätzen für Jugendliche und nach einem arbeitsfreien Sonntag ist er bis in den Reichstag vorgedrungen. Er hinterlässt uns eine Botschaft: Unternehmt alles, was Euch möglich ist, um den Sonntag zu schützen! Zeigt, dass dieser Tag zu Recht arbeitsfrei bleiben muss, weil er als Tag des Herrn gefeiert wird! Helft vor allem den Jugendlichen, denen das Recht auf Arbeit vorenthalten wird! Wer dafür sorgt, dass die Jugend von heute Brot hat, der trägt dazu bei, dass die Erwachsenen von morgen ihren Kindern Sinn vermitteln können. Ich weiß, dass es dafür keine einfachen Lösungen gibt. Deshalb wiederhole ich ein Wort, unter das der sei. Pater Schwartz seine vielfältigen Bemühungen gestellt hat: „Wir müssen mehr beten.“ 7. Schwester Restituta Kafka war noch nicht volljährig, als sie den Wunsch äußerte, ins Kloster zu gehen. Die Eltern sind dagegen. Aber die junge Frau hält unbeirrt an ihrem Ziel fest, „aus Liebe zu Gott und den Menschen“ Schwester zu werden. Besonders in den Armen und Kranken möchte sie Christus dienen. Bei den „Franziskanerinnen der christlichen Liebe“ findet sie den Weg, ihre Berufung im nüchternen, oft harten Spitalsalltag zu leben. Mit Leib und Seele Krankenschwester, wird sie in Mödling bald zur Institution. Ihre fachliche Kompetenz, ihre Durchsetzungskraft und ihre Herzlichkeit tragen dazu bei, dass sie von vielen nicht mehr Schwester Restituta, sondern Schwester Resoluta genannt wird. Ihr Mut und ihre Unerschrockenheit lassen sie auch vor der nationalsozialistischen Herrschaft nicht schweigen. Schwester Restituta setzt sich über das Verbot der politischen Führung hinweg und lässt in allen Krankenzimmern Kreuze anbringen. Am Aschermittwoch 1942 wird sie von der Gestapo abgeholt. Im Gefängnis beginnt für sie eine mehr als einjährige „Fastenzeit“, die am 30. März 1943 auf dem 301 REISEN Schafott endet. Als letzte Worte sind uns überliefert:,für Christus habe ich gelebt, für Christus will ich sterben.“ An der sei. Schwester Restituta können wir ablesen, zu welchen Höhen innerer Reife ein Mensch an der Hand Gottes geführt werden kann. Für das Bekenntnis zum Kreuz hat sie ihren Kopf hingehalten. Sie hat es im Herzen bewahrt und vor der Hinrichtung noch einmal leise ausgesprochen, als sie den Gefängnispfarrer um ein „Kreuzerl auf die Stirne“ bat. Man kann uns Christen vieles nehmen. Aber das Kreuz als Zeichen des Heils lassen wir uns nicht nehmen. Lassen wir nicht zu, dass man es aus der Öffentlichkeit entfernt! Hören wir auf die Stimme des Gewissens, die uns sagt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ (Apg 5,29). 8. Liebe Schwestern und Brüder! Die heutige Feier bekommt eine europäische Note. Neben dem verehrten Herrn Bundespräsidenten der Republik Österreich, Herrn Thomas Klestil, geben uns auch die Präsidenten von Litauen und Rumänien sowie Vertreter des politischen Lebens aus dem In- und Ausland die Ehre ihrer Anwesenheit. Ich grüße sie herzlich und mit ihnen die Völker, die Sie vertreten. In der Freude, dass uns heute drei neue Selige geschenkt wurden, wende ich mich an alle Schwestern und Brüder des Volkes Gottes, die hier versammelt sind oder sich über Radio und Fernsehen mit uns verbunden haben. Ich grüße den Oberhirten der Erzdiözese Wien, Herrn Kardinal Christoph Schönbom, und den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Herrn Bischof Johann Weber, sowie alle Brüder im Bischofsamt, die aus nah und fern zum Heldenplatz gekommen sind. Nicht vergessen möchte ich die vielen Priester und Diakone, die Ordensleute und die pastoralen Mitarbeiter der Pfarren und Gemeinschaften. Liebe Jugendliche! Einen besonderen Gruß schulde ich heute Euch. Ich freue mich, dass Ihr in so großer Zahl anwesend seid. Wie viele von Euch sind von weither gekommen! Ich meine das nicht nur geographisch ... Aber Ihr seid da: das Geschenk der Jugend, auf die das Leben wartet! Die drei Helden der Kirche, die wir gerade in das Buch der Seligen eingeschrieben haben, können Euch eine Lebenshilfe sein: der junge Jakob Kern, der gerade in seiner Krankheit das Vertrauen der Jugend gewann; Pater Anton Maria Schwartz, der es verstand, die Herzen der Lehrlinge zu erreichen; Schwester Restituta Kafka, die den Mut aufbrachte, für ihre eigene Meinung einzustehen. Sie waren keine „fotokopierten Christen“, sondern jeder für sich war ein Original, unauswechselbar und einzigartig. Sie haben angefangen wie Ihr: als junge Menschen, voller Ideale und auf der Suche nach einem Sinn, für den es sich zu leben lohnt. Noch etwas macht die drei neuen Seligen so anziehend: Ihre Lebensgeschichten zeigen uns, wie sie als Persönlichkeiten nach und nach gereift sind. Auch Euer Leben ist noch keine reife Frucht. Deshalb kommt es darauf an, dass Ihr das Leben pflegt, damit es zur Blüte und Reife kommen kann. Nährt es mit dem Saft des Evangeliums! Haltet es Christus hin, der Sonne des Heiles! Pflanzt das Kreuz in Eurer Leben ein - das Kreuz als wahren Baum des Lebens! 302 REISEN 9. Liebe Schwestern und Brüder! „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Wir werden in wenigen Augenblicken das Glaubensbekenntnis beten. In diesem Bekenntnis, mit dem wir uns in die Gemeinschaft der Apostel und der Überlieferung der Kirche sowie in die Schar der Heiligen und Seligen stellen, soll auch unsere persönliche Antwort Vorkommen. Die Überzeugungskraft der Botschaft ist auch an die Glaubwürdigkeit ihrer Botschafter gebunden. Deshalb fängt die Neuevangelisierung bei uns selber an, bei unserem Lebensstil. Die Kirche von heute braucht keine Teilzeitkatholiken, sondern Vollblutchristen! Die drei neuen Seligen waren es. An ihnen können wir Maß nehmen. Danke, sei. Jakob Kem, für Deine priesterliche Treue! Danke, sei. Pater Anton Maria Schwartz, für Deine Begleitung der Arbeiter! Danke, sei. Schwester Restituta Kafka, für Dein Schwimmen gegen den Strom der Zeit! Ihr Heiligen und Seligen Gottes, bittet für uns. Amen. Neue Selige mögen Vorbild sein Angelus nach der Seligsprechung auf dem Heldenplatz in Wien am 21. Juni Liebe Schwestern und Brüder! Am Ende dieser erhebenden Feier wenden sich unsere Gedanken Maria zu, der Magna Mater Austriae. Seit Jahrhunderten bis heute stellt sich das österreichische Volk unter ihren Schutz und Schirm. Auch die drei neuen Seligen haben sich selbst und ihre Anliegen ihrer mütterlichen Fürbitte an vertraut. Sie haben das Jawort, das Maria auf die Botschaft des Engels gab, für ihre eigene Sendung nachgesprochen: Der sei. P. Anton Maria Schwartz hat „ja“ gesagt zu den täglichen Herausforderungen, die er durch die Seelsorge an den Arbeitern kennenlemte. Der sei. Priester Jakob Kem hat, ja“ gesagt zu Krankheit und Leid, die ihm in jungen Jahren auferlegt wurden. Die sei. Schwester Restituta Kafka hat „ja“ gesagt zum Kreuz, das für sie nicht nur ein Schmuckstück war, sondern zur Lebensform wurde. Die drei neuen Seligen mögen Euch allen Vorbild und Ansporn sein, ,ja“ zu sagen zu dem Weg, den Gott mit Euch gehen will. Anschließend richtete der Papst folgende Grußworte in verschiedenen Sprachen an die Anwesenden: Ungarisch: Herzlich grüße ich die ungarischen Gläubigen, die mit uns zusammen gefeiert haben. Das Zeugnis der drei neuen Seligen stärke sie in der Nachfolge Christi. Polnisch: Herzlich grüße ich meine hier bei dieser Messe anwesenden Landsleute, diejenigen, die in Österreich wohnen, und die, die aus Polen gekommen sind. Die heute 303 REISEN zur Ehre der Altäre erhobenen neuen Seligen mögen für euch bitten. Geht in ihren Spuren, blickt auf ihr Leben, folgt ihren Werken! Tschechisch: Ich richte einen herzlichen Gruß an die Pilger aus der lieben tschechischen Republik und wünsche ihnen, dass sie treue Zeugen ihrer reichen christlichen Tradition seien. Slowakisch: Nun grüße ich die slowakischen Pilger und wünsche von Herzen, jeder möge dem leuchtenden Beispiel der neuen Seligen in immer größerer Treue zu Christus folgen können. Dialog der Kirche nach innen und nach außen -fruchtbringendes Element zum Wohl der Menschheit Ansprache bei der Begegnung mit der Österreichischen Bischofskonferenz in Wien am 21. Juni Meine lieben bischöflichen Mitbrüder! 1. Ich bin dankbar, dass uns diese Begegnung als Möglichkeit geschenkt wird, um im kleinen Kreis über die Verantwortung nachzudenken, die wir als Nachfolger der Apostel auf unseren Schultern tragen. Von Herzen grüße ich Euch alle als Gemeinschaft und jeden einzelnen. Ich mache mir die Worte des hl. Petrus zu eigen: „Gottes Macht behütet Euch durch den Glauben [...]. Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl Ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müßt“ (I Petr 1,5-6). 2. Ihr seid unter vielerlei Hinsicht geprüft worden. Selbst wenn dies nicht der Augenblick ist, um eine allgemeine Wertung vorzunehmen, möchte ich Euch dennoch versichern, dass ich Euch in dieser ganzen Zeitspanne mein besonderes Gebetsgedenken geschenkt habe. Als Wegbegleiter in bedrängter Zeit hat mein Herz in Rom unablässig für Euch geschlagen, denen die Hirtensorge in diesem geschätzten Land übertragen ist. Wenn ich vor dem Allerheiligsten innehielt, habe ich Euch oft vor den Herrn getragen und dabei die Priester, Diakone und Mitarbeiter in der Seelsorge sowie die Euch anvertrauten Männer und Frauen, Alt und Jung, Glaubende, Zweifelnde und Verunsicherte eingeschlossen. Diese ständige Nähe im Geist kann ich nun durch meine Anwesenheit bei Euch auch sichtbar unter Beweis stellen. So sollt Ihr noch mehr spüren, mit welcher Anteilnahme ich Euch zur Seite stehe. Ja, ich verstehe mich als „Helfer zu Eurer Freude“ (2 Kor 1,24). Auf unserem persönlichen Weg ebenso wie auf den Straßen, die sich die Kirche durch die Geschichte bahnt, gibt es Strecken, auf denen es schwer fällt, von der 304 REISEN Freude zu künden. Es gibt Momente, in denen sich durch das Gestrüpp dorniger Probleme die Ausübung unseres Amtes auch deshalb als besonders schwierig erweist, da es Missverständnissen und falschen Deutungen ausgesetzt ist. Wie bedrückend Erfahrungen solcher Art auch empfunden werden, so stehen wir doch unter dem gemeinsamen Auftrag, ,Ereudenboten“ (Röm 10,15) zu sein für Kirche und Welt, mithin für alle, die sich Großes erwarten vom anbrechenden dritten Jahrtausend. In Zeiten, in denen die Würde des Bischofsamtes in erster Linie als Bürde auf unseren Schultern lastet, empfiehlt es sich, das Herz und die Gedanken in dankbarer Erinnerung an den Anfang zurückwandem zu lassen, um dadurch die Gnade wieder zu entfachen, die uns durch die Handauflegung zuteil geworden ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (vgl. 2 Tim 1,6-7). 3. Wenn wir an den Tag zurückdenken, an dem wir durch die Handauflegung zunächst in den priesterlichen und dann in den bischöflichen Dienst eingeweiht wurden, dann wird in uns das beredte Zwiegespräch lebendig, in dem wir vor dem Empfang der Weihe dem Bischof gegenüber unser Adsum gesprochen haben: Hier bin ich. Ich bin bereit. In diesem Zwiegespräch hatten nicht wir selbst das erste Wort. Unser Part lag in der hochherzigen Antwort: Ich bin bereit, mich in den Dienst Gottes zu stellen mit meinen Anlagen und Fähigkeiten, mit meinen Hoffnungen und meinem Bemühen, mit meinem Licht und meinem Schatten. Alles haben wir mitgebracht, als wir freudig Adsum sagten. Dieses Wort der Bereitschaft, das jeder unverwechselbar in seinem eigenen Namen öffentlich ausgesprochen hat, bekam für mich noch eine besondere Bedeutung, als ich es als junger Bischof auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der ökumenischen Versammlung wiederholt habe: Adsu-mus, Domine, Sancte Spiritus! Hier sind wir, Herr, Heiliger Geist! So haben wir alle Sitzungen des Konzils begonnen. In diesem Gebet habe ich erfahren und begriffen, dass das persönliche Adsum in das Adsumus der Gemeinschaft eingebettet ist. Wie Jesus Christus selbst seine Apostel persönlich beim Namen gerufen und sie zugleich als „die Zwölf eingesetzt hat (vgl. Mk 3,13-19), so bilden bis heute die Berufung des Herrn und die hochherzige Antwort des einzelnen die Grundlage für unsere persönliche Hingabe und für die Bildung einer unverbrüchlichen Gemeinschaft, die durch Handauflegung und Gebet besiegelt wird. Der Ruf des Herrn und die Sendung zum gemeinsamen Werk stiften Gemeinschaft. Denn von den Ursprüngen der Kirche an ist der Hirtendienst nicht nur einzelnen individuell aufgetragen, sondern jedem von ihnen als Teil einer Gemeinschaft, die Kollegium heißt. Mit Recht können wir deshalb sprechen: Adsumus. Wir sind bereit. Ein Bischof allein verwirklicht den Plan Christi nicht. Die Bischöfe in Einheit untereinander mit Christus in ihrer Mitte bilden das volle Subjekt des Hirtendienstes in der Kirche, wie es dem Plan ihres Stifters entspricht. 4. Bei der gegenseitigen Verwiesenheit, in der Adsum und Adsumus zueinander stehen, ist es geboten, diese enge Verbindung noch etwas näher auszuleuchten, um 305 REISEN ihre Bedeutung für unsere Tage zu erhellen. Wie jede Gemeinschaft Raum gewähren muss für die Entfaltung des einzelnen, so hat innerhalb des Adsumus auch das unverwechselbare Adsum sein Recht und seinen Platz. Denn bei aller Gemeinsamkeit bedarf es der Ehrfurcht vor der je eigenen Berufung und Sendung. Im Raum des Gemeinsamen soll der einzelne Bischof sich selbst entfalten und die eigene seelsorgerliche Verantwortung wahmehmen können. Abgesehen von den Unterschieden an Fähigkeiten und Charakteren, die sie in ihr bischöfliches Wirken ein-bringen, haben die einzelnen Bischöfe ja eine ihnen eigene Vollmacht inne und heißen daher mit Recht Vorsteher des Volkes, das sie leiten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 27). Diese Vollmacht, die sie im Namen Christi persönlich ausüben, ist jedoch nicht auf das Herrschen ausgerichtet, sondern nimmt Maß am Beispiel des guten Hirten, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen (vgl. Mt 20,28). Jedem Bischof ist deshalb das Wort des hl. Petrus gesagt: „... seid nicht Beherrscher Eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde!“ (7 Petr 5,3). Wenn das Adsumus gebührend Raum für das Adsum des einzelnen lässt, muss es gleichzeitig geprägt sein vom Bemühen aller um Einheit. Andernfalls zerfällt das einzige Lehramt Jesu Christi in ein Vielerlei einzelner Stimmen. Anstelle eines symphonischen Zusammenklangs entsteht ungeordneter Lärm. Das ist denen nicht angemessen, die gemeinsam in der langen Reihe apostolischer Sukzession stehen, deren Anfang im Herrn der Kirche selbst liegt. Das innige Band des einzelnen mit Christus bedeutet Verpflichtung aller füreinander. Deshalb gehört es zum bischöflichen Wirken, einander Beistand zu leisten, Beistand im pastoralen Dienst, Beistand im brüderlichen Austausch, Beistand im öffentlichen Leben und nicht zuletzt Beistand im Gebet füreinander. Denn es tut jedem gut zu wissen, dass er nicht allein steht. Eine wertvolle Hilfe ist dabei das Organ der Bischofskonferenz, die nach dem Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen und durch gegenseitige Beratung unter den Bischöfen „ein heiliges Zusammenwirken der Kräfte zum gemeinsamen Wohl der Kirchen“ fördern soll (Christus Dominus, Nr. 37). Als Hirten der Euch anvertrauten Herden steht Ihr ja gemeinsam vor Gott, aneinander gebunden in der bischöflichen Gemeinschaft, in die jeder sich selbst unverwechselbar einbringt. Ein schönes Zeichen, dass Ihr in Eurer jeweiligen Diözese das in Österreich pilgernde Gottesvolk gemeinsam begleitet, könntet Ihr dadurch setzen, dass Ihr Euch miteinander als Bischofskonferenz für einige Tage zurückzieht und auf den Weg geistlicher Exerzitien begebt. 5. Das Adsumus auf dem Konzil war nicht nur Gebet, sondern gleichzeitig Programm. Wie sich die Bischöfe zu ihren Beratungen als Gebetsgemeinschaft versammelten, so stellten sie sich auch als Dialoggemeinschaft unter den Schutz und Beistand des Heiligen Geistes. So ist es nicht verwunderlich, dass die Beziehung des dreifältigen Gottes zum Menschen wiederholt als dialogisches Geschehen umschrieben wurde (vgl. Gaudium et spes, Nr. 19; Dei Verbum, Nrn. 8.21.25). Im Licht des Heilsgeheimnisses vollzieht sich dann die Sendung der Kirche als dialogische Vermittlung. In Christus, dem einzigen Mittler zwischen Gott und Mensch, 306 REISEN findet die Kirche, sein mystischer Leib, ihren Platz als umfassendes Heilssakrament für die Welt (vgl. Lumen Gentium, Nrn. 1.9.48.59; Gaudium et spes, Nm. 42.45; Ad gentes, Nr. 15; Sacrosanctum Concilium, Nm. 5.26). So ist es der Kirche aufgetragen, sowohl nach innen als auch nach außen einen „Dialog des Heiles“ zu pflegen, damit alle in ihr „den unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) finden können. Für diesen Dialog habe ich mich von Anfang meines Pontifikates an eingesetzt und versucht, während meiner bald zwanzigjährigen Amtszeit zu seinem Gelingen beizutragen (vgl. Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 4). Dabei möchte ich an meinen Vorgänger seligen Angedenkens Papst Paul VI. erinnern, der seine erste Enzyklika Ecclesiam suam dem Thema des aufrichtigen Dialogs gewidmet und im Verlauf seines Pontifikats kompetente und wirkungsvolle Dialogorgane eingeführt hat. Ich war in diesen Jahren bestrebt, mich der bestehenden Einrichtungen zu bedienen, um das Gespräch besonders auf den Gebieten anzustoßen, auf denen es etwas ins Stocken geraten war (vgl. zuletzt Enzyklika Ut unum sint, Nm. 28-39). Mit Anerkennung und Dankbarkeit blicke ich auch auf die zahlreichen Strukturen, die dem Dialog der Kirche nach innen und nach außen auf vielen Feldern eine Form geben und ihn so fmchtbar werden lassen. Auch Ihr habt Euch, liebe Brüder, auf der Ebene Eurer Bischofskonferenz zu einer Initiative entschlossen, die den Dialog anregen und vertiefen soll. Im Dialog für Österreich wollt Ihr die Ortskirchen, denen Ihr vorsteht, die Orden, die geistlichen Gemeinschaften, Bewegungen und Gruppen miteinander ins Gespräch bringen. Zu diesem Zweck habt Ihr den Kreis der möglichen Dialogteilnehmer sehr weit gezogen und Euch an Pfarrge-meinderäte und apostolische Gruppen, an öffentliche Körperschaften und Verbände, an Einzelpersonen und Gemeinschaften gewandt (vgl. Grundtext zum „Dialog für Österreich“, S. 3). 6. Mit dieser Initiative zum Dialog, aus dem Ihr niemand ausschließen wollt, beabsichtigt Ihr, nicht nur eine heute allgemein gepflegte Umgangsform oder eine neutrale Methode zu fördern, um das Zusammentreffen verschiedener Menschen zu erleichtern. Die Palette der Gesprächsformen ist breit. Sie kennt freundschaftlichen Gedankenaustausch, sachliche Erörterung, wissenschaftliche Diskussion oder Prozesse gesellschaftlicher Konsensbildung. Auch wenn das Wort Dialog in den letzten Jahrzehnten unter mancherlei Missverständnis und Entstellung zu leiden hatte, darf man es dennoch nicht von seinem Missbrauch her bestimmen. Der Dialog, den die Kirche führt und zu dem sie einlädt, ist niemals nur eine harmlose Form des Sich-Öffnens auf die Welt hin oder gar eine Spielart oberflächlicher Anpassung. Vielmehr wird damit ein Sprechen und Handeln beschrieben, das vom Tun Gottes gehalten und vom Glauben der Kirche geprägt ist. In diesem Sinn soll der Dialog für Österreich ein „Dialog des Heiles“ werden, der dann zu flach geriete, würde er sich mit einem ausschließlich horizontalen Verlauf begnügen und auf den Austausch von Standpunkten im Sinne eines anregenden Miteinanderredens beschränken. Vielmehr wird er eine vertikale Dimension anstreben, die ihn auf den Erlöser 307 REISEN der Welt und Herrn der Geschichte hinlenkt, der uns mit Gott und untereinander versöhnt (vgl. Enzyklika Ut unum sint, Nr. 35). 7. Ein solcher Dialog ist für alle Beteiligten eine Herausforderung, wirklich eine Art geistliches Experiment. Es geht dämm, auf den anderen zu hören und sich im persönlichen Zeugnis selbst zu öffnen, aber auch im Wagnis zu lernen, den Ausgang des Dialogs Gott zu überlassen. Im Unterschied zu einem Gespräch lockerer Fügung zielt der Dialog auf das gemeinsame Finden und Anerkennen der Wahrheit. Wie oft habt Ihr als Hirten versucht und seid bis heute dabei, die Euch anvertrauten Priester und Laien mit Hilfe des geduldigen Gesprächs in Liebe zur Wahrheit zu führen. Ihr wisst aus Erfahrung, dass ein geglückter Dialog einem zuvor bestehenden offenen Problem oder einer Streitfrage ein Ende zu setzen vermag. Zugleich kennt Ihr aber auch die mitunter schmerzliche Kehrseite Eurer Bemühungen: Statt Wahrheitsfindung und Verständigung kommt das Gespräch nicht über einen substanzlosen Diskurs hinaus, der letztlich an der Wahrheit uninteressiert ist. Eine solche Konzeption entspricht dem Dialog des Heiles nicht. Dieser steht für alle Beteiligten immer unter dem Wort Gottes. Deshalb setzt er ein Minimum an vorgängiger Kommunikationsgemeinschaft und fundamentaler Gemeinsamkeit voraus. Es ist der lebendig überlieferte Glaube der Gesamtkirche, der für alle Partner die Grundlage des Dialogs bildet. Wer diese gemeinsame Basis preisgibt, nimmt jedem Gespräch in der Kirche die Voraussetzung, zum Dialog des Heiles zu werden. Darum wird es immer wieder darauf ankommen, in Erfahrung zu bringen, ob ein bestimmter Dissens möglicherweise auf grundlegende Differenzen zurückzuführen ist. Ist dies der Fall, müssen solche Differenzen im Vorfeld gelöst werden. Ansonsten droht der Dialog entweder in Unverbindlichkeit zu verflachen oder sich in marginalen Spitzfindigkeiten zu verflüchtigen. Jedenfalls kann keiner in ehrlicher Weise eine Rolle in einem dialogischen Prozess übernehmen, wenn er nicht bereit ist, sich der Wahrheit auszusetzen und immer mehr in sie hineinzuwachsen. Öffnung gegenüber der Wahrheit bedeutet Bereitschaft zur Umkehr. Darum wird der Dialog nur dann zur Wahrheit führen, wenn er über den erforderlichen Sachverstand hinaus von Aufrichtigkeit und Freimut, von Aufnahmebereitschaft im Hören der Wahrheit und vom Willen zur Selbstkorrektur gehalten wird. Ohne Bereitschaft, sich zur Wahrheit bekehren zu lassen, verkümmert jeder Dialog. Ein fauler Kompromiss wäre ein Hohn auf ihn. Deshalb muss gewährleistet sein, dass die Zustimmung der Redenden nicht bloß vorgetäuscht oder erschlichen ist, sondern aus deren Herzen kommt. In diesem Zusammenhang trifft Euch Bischöfe die Aufgabe der Unterscheidung, wodurch Ihr zu ,Mitarbeitern für die Wahrheit“ werdet (3 Joh 8). 8. Der Dialog des Heiles ist ein spirituelles Unternehmen: Er vertieft die Einsicht in den Reichtum der kirchlichen Gemeinschaft und die Geheimnishaftigkeit des Glaubens. So eröffnet er denen, die sich ehrlich darauf einlassen, einen frachtbaren 308 REISEN Raum der Kommunikation in der einen Wahrheit. Die Beteiligten erfahren ihn als geistlichen „Austausch von Gaben und Geschenken“ (Lumen Gentium, Nr. 13). Wird der Dialog nach innen überzeugend geführt, bleibt auch seine Wirkung nach außen nicht aus. So ist der Dialog ein pastorales Mittel und dient der Evangelisierung. Denn einem Dialog mit Profil wird es an Strahlkraft nicht mangeln. Selbstverständlich wird er in Ehrlichkeit zu führen sein. Bei aller Offenheit soll das kirchliche Bekenntnis dabei seine Entschiedenheit bewahren. Dialogpartner mit klaren Konturen haben eine hohe Chance, sich verständlich zu machen und dafür auf ehrlichen Respekt zu stoßen, selbst wenn der Dialog in der Sache streckenweise hart und mühsam sein mag und sich das Gegenüber wenigstens zum gegebenen Zeitpunkt nicht in der Lage sieht, den angebotenen Standpunkt anzunehmen. 9. Wenn ich zum Dialog ermutige, steht außer Zweifel, dass ich damit nicht einfach meine, wir sollten noch mehr reden. Es wird ja in unserer Zeit sehr viel gesprochen, und doch verbessert dies die gegenseitige Verständigung oft nicht. Leider gibt es auch das Scheitern des Dialogs. Deshalb möchte ich auf zwei Gefährdungen besonders hinweisen, die Euch sicher nicht unbekannt sind. Die erste Gefahr liegt im Machtanspruch. Er entsteht dort, wo sich Gesprächspartner nicht mehr vom Verstehenwollen leiten lassen, sondern den Raum des Dialogs einzig und allein für sich beanspruchen. Prägt sich diese Linie ein, findet bald kein offener Austausch mehr statt. Die bereichernde Andersheit wird zum kämpferischen Gegensatz, der die Bühne der eigenen monologischen Selbstdarstellung sucht. Zwischen die Gesprächspartner tritt eine kalte Mauer, die in sich geschlossene Welten voneinander trennt. In das redliche gemeinsame Ringen um die Wahrheit mischen sich Ansprüche, Drohungen und Diktate. Dies widerspricht dem Sinn des Heilsdialogs, der im Glaubenden die Bereitschaft beansprucht, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die ihn erfüllt. Dabei soll er sich an die Weisung des Apostels Petrus erinnern, der darauf hingewiesen hat, bescheiden und ehrfürchtig zu bleiben (vgl. 1 Petr 3,15 f.). Eine weitere Gefahr liegt in dem Umstand, dass am laufenden Dialog die öffentliche Meinung beteiligt ist. Die Kirche unserer Zeit möchte immer mehr eine „gläserne Kirche“ sein, transparent und glaubwürdig. Das ist nur zu begrüßen. Wie aber jedes Haus besondere Räume kennt, die nicht allen Gästen von Anfang an zugänglich sind, so darf und soll es auch im häuslichen Dialog der Kirche Räume zu Gesprächen hinter verschlossenen Türen geben, was nichts mit Geheimhaltung, sondern mit gegenseitigem Respekt zum Nutzen der Sache zu tun hat, die untersucht wird. Das Gelingen des Dialogs ist nämlich gefährdet, wenn er sich vor einer unzureichend qualifizierten oder zu wenig vorbereiteten Öffentlichkeit und unter nicht immer unparteiischem Einsatz der Massenmedien abspielt. Eine voreilige oder unangemessene Befassung der Öffentlichkeit kann einen an sich hoffnungsvollen Dialogprozess empfindlich stören. Angesichts dieser Gefährdungen wird es Euch ein Anliegen sein, mit Einfühlsam-keit und Ehrfurcht Eure Dialoge des Heiles fortzuführen. Die Kirche in Österreich 309 REISEN soll immer mehr „Zeichen jener Brüderlichkeit [sein], die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen läßt. Das aber verlangt von uns, daß wir vor allem in der Kirche selbst, bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheit, gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden, Geistliche und Laien. Stärker ist, was die Gläubigen eint, als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe“ (Gaudium etspes, Nr. 92). Liebe Brüder im Bischofsamt! 10. Nachdem ich Euch heute ein wenig mein Herz geöffnet und Euch meine Anliegen und Sorgen im Hinblick auf die Kirche in Eurem geschätzten Land mitgeteilt habe, schließe ich mit dem Aufruf: Gebt dem Heiligen Geist in Euch Raum! Ahmen wir Maria nach, deren ganzes Leben ein Dialog des Heiles war. Im Heiligen Geist hat sie das Wort empfangen, damit es Fleisch werden konnte. Lernen wir von ihr, die still und schweigend bis zum Äußersten unter dem Kreuz stand, als Er Seinen Geist für uns Menschen dahingab. Schauen wir auf sie, die unter den Aposteln betend zugegen war, als diese auf die junge Kirche den Heiligen Geist herabbeteten. Die Jungfrau Maria ist nicht nur unsere Fürsprecherin, sondern Modell für ein Leben im Heiligen Geist. Von ihr können wir lernen, was Mitwirkung am Heil der Welt bedeutet. So werden wir zu Helfern für die Freude und zu Mitarbeitern der Wahrheit. Wie Maria sich als „Magd des Herrn“ (Lk 1,38) verstand, so sollen auch wir uns stets bewusst bleiben, dass wir bescheidene „Diener Christi“ und treue „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ sind (7 Kor 4,1). Ich lege Euch die Bitte ans Herz: Gebt den Dialog nicht auf! Auch in Zukunft werde ich Euch im Gebet nahe sein: Lass alle eins sein, damit Österreich glaube! Mit diesem Wunsch erteile ich Euch von Herzen den Apostolischen Segen. Kranke und Sterbende mit ihrer Angst ernst nehmen und konkrete Hilfe anbieten Botschaft an alle Kranken und alle, die in der Welt der Krankheit und des Leidens leben und arbeiten beim Besuch des Hospizes Rennweg in Wien am 21. Juni An die geliebten Schwestern und Brüder im Caritas Socialis Hospiz Rennweg und an alle, die in der Welt der Krankheit und des Leidens leben und arbeiten 1. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus, der „unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen hat“ (Jes 53,4), grüße ich Euch mit tiefer Zuneigung. Meinem Pastoralbesuch in Österreich würde etwas Wesentliches fehlen, 310 REISEN wäre mir nicht die Gelegenheit zur Begegnung mit Euch Kranken und Leidenden geschenkt. Ich wende mich mit dieser Botschaft an Euch und nütze zugleich die Gelegenheit, um allen, die in den Krankenhäusern, Kliniken, Altenheimen und Hospizen hauptberuflich oder ehrenamtlich tätig sind, meine tiefe Anerkennung für ihren aufopferungsvollen Dienst auszudrücken. Meine Anwesenheit und mein Wort sollen sie in ihrem Einsatz und ihrem Zeugnis stützen. An einem Tag wie heute, an dem ich meine Schritte in das Caritas Socialis Hospiz setzen darf, ist es mir ein Anliegen darzulegen, dass die Begegnung mit dem menschlichen Leid eine Frohe Botschaft in sich birgt. Denn das „Evangelium vom Leiden“ (Apostolisches Schreiben Salvifici doloris, Nr. 25) ist nicht nur in den Heiligen Schriften aufgezeichnet, sondern wird an einem Ort wie diesem täglich neu geschrieben. 2. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Schmerz, Leid, Krankheit und Tod gern aus dem persönlichen und öffentlichen Bewusstsein verdrängt werden. Gleichzeitig jedoch wird das Thema in der Presse, im Fernsehen und auf Tagungen vermehrt aufgegriffen. Die Verdrängung des Sterbens zeigt sich auch darin, dass viele Patienten in Krankenhäusern oder anderen Institutionen außerhalb ihres gewohnten Lebensbereiches sterben. In Wirklichkeit aber wünschen sich die meisten Menschen, ihre Augen auf dieser Erde in ihrer häuslichen Umgebung zu schließen, umsorgt von vertrauten Angehörigen und treuen Freunden. Die Familien fühlen sich jedoch oft seelisch und körperlich überfordert, um diesen Wunsch zu erfüllen. Besonders hart trifft es Alleinstehende, die keinen haben, der ihnen am Ende ihres Lebens seine Nähe schenkt und sie begleitet. Auch wenn sie mit einem Dach über dem Kopf sterben, ihr Herz ist obdachlos. Um dieser Not abzuhelfen, haben sich in den vergangenen Jahren kirchliche, kommunale und private Initiativen gebildet, um die häusliche, aber auch die stationäre Begleitung, medizinische Betreuung und Pflege sowie den seelsorgerlichen Beistand Sterbender besser zu ermöglichen und betroffenen Angehörigen kompetente Hilfen anzubieten. Eine dieser wertvollen Initiativen ist die Hospizbewegung, die im Haus der Caritas Socialis im Rennweg eine beispielhafte Verwirklichung gefunden hat. Dabei haben sich die Schwestern vom Anliegen ihrer Gründerin Hildegard Burjan leiten lassen, die als „charismatische Künderin sozialer Liebe“ an den Brennpunkten menschlicher Not präsent sein wollte. Wer wie ich dieses Hospiz besuchen darf, geht nicht entmutigt nach Hause. Im Gegenteil: Der Besuch ist mehr als eine Besichtigung. Er wird zur Begegnung. Die kranken, leidenden und sterbenden Menschen, die der Besucher hier antrifft, laden ihn durch ihr selbstverständliches Dasein dazu ein, Leiden und Tod nicht totzuschweigen. Er wird ermutigt, die Grenzen des eigenen Lebens wahrzunehmen und sich damit ehrlich auseinander zu setzen. Das Hospiz lässt die Erfahrung reifen, dass Sterben Leben vor dem Tod ist. Hier kann auch der letzte Teil des irdischen Lebens bewusst erlebt und individuell gestaltet werden. Weit davon entfernt, ein „Sterbehaus“ zu sein, wird diese Stätte zu einer Schwelle der Hoffnung, die über das Leiden und den Tod hinausführt. 311 REISEN 3. Die meisten Menschen, denen nach medizinischen Untersuchungen die Diagnose der Unheilbarkeit mitgeteilt wurde, leben in der Angst vor dem Fortschreiten ihrer Krankheit. Zu den momentanen Beschwerden tritt die Furcht vor einer weiteren Verschlechterung. In einer solchen Situation wird für viele der Sinn ihres Lebens brüchig. Sie fürchten sich vor dem möglichen bevorstehenden Leidensweg. Die bedrohliche Zukunft überschattet die noch erträgliche Gegenwart. Wem ein langes und erfülltes Leben geschenkt wird, mag dem Tod vielleicht gelassener entgegensehen und „lebenssatt“ (Gen 25,9) sein Sterben akzeptieren. Für die meisten Menschen jedoch kommt der Tod immer zu früh, auch wenn sie hochbetagt sind. Viele Zeitgenossen wünschen sich einen kurzen und schmerzlosen Tod, andere erbitten sich Zeit zum Abschiednehmen. Fast immer werden Fragen und Ängste, Zweifel und Wünsche die letzte Etappe des Lebensweges begleiten. Selbst den Christen bleibt die Angst vor dem Tod oft nicht erspart, der nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift der letzte Feind ist (vgl. 1 Kor 15,24; Offb 20,14). 4. Das Ende des Lebens stellt dem Menschen tiefgreifende Fragen: Wie mag das Sterben sein? Werde ich allein sein oder liebe Menschen um mich haben? Was erwartet mich danach? Wird mich Gott in seine Arme nehmen? Sich behutsam und sensibel diesen Fragen zu stellen, darin besteht die Aufgabe besonders derer, die im Krankenhaus und im Hospiz tätig sind. Besonders kommt es darauf an, so über Leiden und Tod zu sprechen, dass diese ihre Schrecken verlieren. Denn auch das Sterben ist ein Teil des Lebens. Unsere Zeit ruft geradezu nach Menschen, die dieses Bewusstsein wieder neu zu wecken vermögen. Während es im Mittelalter eine „Kunst des Sterbens“ gab, wird in unseren Tagen auch unter Christen die bewusste Annahme des Sterbens und die Einübung darin nur zögernd gewagt. Zu sehr ist der Mensch darauf ausgerichtet, das Leben auszukosten. Er geht lieber in der Gegenwart auf und lenkt sich durch Arbeit, berufliche Bestätigung und Vergnügen ab. Trotz oder gerade wegen der vorfindlichen Konsum-, Leistungs- und Erlebnisgesellschaft wird jedoch der Durst nach Transzendenz eher noch größer. Auch wenn deren konkrete Jenseitsvorstellungen mitunter sehr diffus zu sein scheinen, gibt es zunehmend weniger Menschen, die glauben, dass mit dem Tod alles aus sei. 5. Zwar verstellt der Tod auch dem Christen den unmittelbaren Einblick in das, was kommen wird, aber er darf sich an die Zusage Christi halten: „Ich lebe, und auch ihr werdet leben“ (vgl. Joh 14,19). Die Worte Jesu und das Zeugnis der Apostel spiegeln in reicher Bildersprache die neue Welt der Auferstehung wider, aus der die Hoffnung spricht: „Dann werden wir alle beim Herrn sein“ (vgl. 1 Thess 4,17). Um den Schwerkranken und Sterbenden diese Botschaft nahe zu bringen, müssen diejenigen, die sich der Patienten annehmen, mit ihrem eigenen Verhalten zeigen, dass ihnen die Worte des Evangeliums ernst sind. Deshalb zählen Sorge und Begleitung von Menschen im Angesicht des Todes zu den wichtigsten Kriterien kirchlicher Glaubwürdigkeit. Denn wer sich in der letzten Phase dieses Lebens von überzeugenden Christen getragen weiß, der kann leichter darauf 312 REISEN vertrauen, dass nach dem Tod Christus als das neue Leben auf ihn wartet. So breitet sich über allem gegenwärtigen Schmerz und Leid der Glanz einer Frohen Botschaft aus: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (7 Kor 13,13). Und die Liebe ist stärker als der Tod (vgl. Hld 8,6). 6. Wie das Wissen, geliebt zu sein, die Angst vor dem Leiden mindern kann, so bewirkt die Achtung vor der Würde des Leidenden, dass er auch in dieser anspruchsvollen und schwierigen Phase des Lebens einen Gewinn für seine menschliche und christliche Reife zu entdecken weiß. Den Menschen vergangener Zeiten war klar, dass das Leiden zum Leben gehört. Dies wurde auch allgemein akzeptiert. Heute zielt das Bestreben eher dahin, das Leiden zu umgehen. Die vielen schmerzstillenden Medikamente sind ein beredtes Beispiel dafür. Ohne die Nützlichkeit, die ihnen in vielen Fällen zukommt, zu schmälern, sollte man jedoch nicht vergessen, dass ein vorschnelles Abstellen des Leidens die Auseinandersetzung mit ihm und die damit verbundene Erlangung einer größeren menschlichen Reife verhindern kann. Damit der Patient auf diesem Weg wachsen kann, braucht er an seiner Seite kompetente Menschen, die ihn wirklich begleiten. Eine Voraussetzung, dem anderen tatsächlich beizustehen, liegt daher im Respekt vor seinem besonderen Leiden und in der Anerkennung der Würde, die der Kranke auch in dem Verfall bewahrt, die das Leiden bisweilen mit sich bringt. 7. Die Hospizarbeit knüpft an dieser Überzeugung an. Sie zielt darauf ab, alte, kranke und sterbende Menschen in ihrer Würde zu achten und ihnen zu helfen, ihr Leiden als Reifungs- und Vollendungsprozess ihres Lebens zu erfassen. Was ich in der Enzyklika Redemptor hominis als Leitmotiv formuliert habe, dass nämlich im Menschen der Weg der Kirche liegt (vgl. Nr. 5), wird im Hospiz eingelöst. Nicht die hochentwickelte Technik der Apparatemedizin steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch in seiner einzigartigen Würde. Die Bereitschaft, die mit Geburt und Tod verfügten Grenzen anzunehmen und zu einer grundlegenden Passivität unseres Lebens „ja“ sagen zu lernen, führt deshalb zu keiner Entfremdung des Menschen. Vielmehr geht es um die Annahme des eigenen Menschseins in seiner vollen Wahrheit und mit den Schätzen, die jeder Phase des irdischen Lebenslaufes je eigen sind. Auch in seiner letzten Gebrochenheit wird ja menschliches Leben niemals „sinnlos“ oder „unnütz“. Gerade von den kranken und sterbenden Patienten wird unserer Gesellschaft ein grundlegender Unterricht erteilt. Diese sieht sich ja den Anfechtungen der modernen Mythen wie Lebenslust, Leistung und Konsumismus ausgesetzt. Die kranken und sterbenden Menschen erinnern uns daran, dass keiner über den Wert oder Unwert des Lebens eines anderen Menschen zu befinden hat, selbst nicht über das eigene. Das Leben ist Geschenk Gottes, ein Gut, über das nur Er allein bestimmen kann. 8. In dieser Perspektive stellt die Entscheidung zum aktiven Töten immer eine Willkür dar, auch wenn man sie als Geste der Solidarität und des Mitleids ausgeben will. Der Kranke erwartet von seinem Nächsten eine Hilfe, um das Leben bis 313 REISEN zuletzt durchzustehen und es in Würde zu beschließen, wann Gott es will. Die künstliche Verlängerung des Lebens um jeden Preis auf der einen und die Beschleunigung des Todes auf der anderen Seite mögen unterschiedlichen Grundeinstellungen entspringen. Sie stimmen aber darin überein, dass sie Leben und Tod als Wirklichkeiten sehen, die vom Menschen selbst in Freiheit zu setzen seien. Diese falsche Sicht gilt es zu überwinden. Es muss wieder klar werden, dass das Leben ein Geschenk ist, das der Mensch in seiner Verantwortung vor Gottes Angesicht führen soll. Hier entspringt der Einsatz für eine humane und christliche Sterbebegleitung, wie sie im Hospiz umgesetzt wird. Von unterschiedlichen Richtungen herkommend, sind Ärzte und Pflegende, Seelsorger und Schwestern, Angehörige und Freunde bestrebt, Kranke und Sterbende zur persönlichen Gestaltung ihrer letzten Lebensphase zu befähigen, so gut dies im Nachlassen ihrer körperlichen und geistigen Kräfte möglich bleibt. Dieses Engagement hat hohen menschlichen und christlichen Wert. Er zielt darauf ab, Gott als „Freund des Lebens“ (Weish 11,26) entdecken und im Leiden die Frohe Botschaft herauslesen zu helfen: „... ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). 9. Diesem Antlitz Gottes, der ein Freund des Lebens und der Menschen ist, begegnen wir vor allem in Jesus von Nazaret. Zu den ausdrucksstärksten Ausfaltungen dieses Evangeliums zählt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Leidende am Straßenrand weckte das Mitleid des Samariters: „Er ging zu ihm hin, goß Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn“ (vgl. Lk 10,33 f.). In der Herberge des barmherzigen Samariters liegt eine der Wurzeln des christlichen Hospizgedankens. Gerade entlang der großen mittelalterlichen Pilgerwege boten die Hospize denen Rast und Ruhe, die unterwegs waren. Den Müden und Erschöpften waren sie Stätten erster Hilfe und Erholung, den Kranken und Sterbenden wurden sie zu Orten des körperlichen und seelischen Beistandes. Bis heute ist die Hospizarbeit diesem Erbe verpflichtet. Wie der barmherzige Samariter auf seinem Weg stehen blieb und den Leidenden umsorgte, so ist es auch den Begleitern der Sterbenden angeraten, innezuhalten, um die Wünsche, Bedürfnisse und Anliegen der Patienten zu erspüren. Aus dieser Wahrnehmung kann eine Vielfalt geistlichen Tuns erwachsen wie das Hören auf das Wort Gottes und das gemeinsame Gebet. Auf menschlicher Ebene tut es gut, sich im Gespräch auszutauschen oder einfach anteilnehmend dazusein, ohne dabei die zahllosen kleinen Dienste und Aufmerksamkeiten zu vergessen, die von Wärme und Zuneigung zeugen. Wie der Samariter den Verletzten mit Öl behandelte, so sollte auch die Kirche das Sakrament der Krankensalbung denen nicht vorenthalten, die es wünschen. Auf dieses Angebot des unverbrüchlichen Zeichens der Nähe Gottes hinzuweisen, gehört zu den Pflichten wahrhaftiger Seelsorge. Denn die palliative Betreuung sterbender Menschen braucht wesentlich ein spirituelles Element. Der Sterbende soll das „Pallium“ spüren, die Ummantelung, in der er sich im Augenblick seines Hinscheidens bergen darf. Wie das Leid des Verletzten das Mitleid des Samariters geweckt hat, so möge aus der 314 REISEN Begegnung mit dem Leiden im Hospiz eine Leidensgemeinschaft aller werden, die einen Patienten auf der Lebensetappe seines Sterbens begleiten. Gefühle der Nähe und Anteilnahme mögen daraus erwachsen, wie sie der wahrhaft christlichen Liebe entsprechen. Denn die Tränen dieser Welt trocknen nur die, die selbst weinen können. Eine besondere Rolle kommt in diesem Haus den Schwestern der Caritas So-cialis zu, denen die Gründerin geschrieben hat: „In den Kranken können wir immer den leidenden Heiland pflegen und so recht mit Ihm verbunden sein“ (Hildegard Burjan, Briefe, 31). Hier findet die Frohe Botschaft ihr Echo: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). 10. Allen, die sich in der Hospizbewegung unermüdlich einsetzen, gilt meine höchste Wertschätzung. Darin schließe ich alle ein, die in Krankenhäusern und Pflegeheimen Dienst tun, und auch jene, die ihre schwerkranken und sterbenden Angehörigen nicht allein lassen. Besonders danke ich den Kranken und Sterbenden, die unsere Lehrer sind, wenn wir das Evangelium vom Leiden besser verstehen wollen. Credo in Vitam. Ich glaube an das Leben. Schwester Leben und Bruder Tod nehmen uns in die Mitte, wenn unser Herz unruhig wird angesichts der letzten Aufgabe, vor die jeder von uns auf dieser Erde einmal gestellt wird: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. [...] Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ {Joh 14,1 f.). Ich segne Euch von ganzem Herzen. Neuaufbruch der Kirche in Österreich mit Vertrauen entgegengehen Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen Schwechat in Wien am 21. Juni Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Liebe Brüder im Bischofsamt! Meine Damen und Herren! 1. Meine dritte Pastoraireise in dieses schöne und geschätzte Land Österreich neigt sich dem Ende zu. Die Stunde des Abschieds ist da. Dankbar und bewegt blicke ich auf die vergangenen Tage in Ihrer Mitte zurück. Ich bin gekommen als Pilger im Glauben, Diener der Freude und Mitarbeiter an der Wahrheit. Reich beschenkt und mit vielen schönen Eindrücken im Herzen kehre ich nun wieder in meine Bischofsstadt Rom zurück. 2. Der Abschied ist Anlass zu einem aufrichtigen und umfassenden „Vergelt’s Gott“. An erster Stelle danke ich Gott, dem Geber alles Guten, für die Tage intensiver geistlicher Begegnung, liturgischen Feiems und gemeinsamer Besinnung für einen neuen Aufbruch der Kirche in Österreich. 315 REISEN Ein besonderes Wort des Dankes gilt meinen geliebten Brüdern im Bischofsamt, die unter Einsatz aller ihrer Kräfte nicht müde werden, sich in diesen nicht immer leichten Zeiten dem Dienst an der Einheit in Wahrheit und Liebe zu widmen. Die Einladung zu dieser Pastoraireise und das Zusammensein mit der Bischofskonferenz, das ich in den vergangenen Tagen erleben durfte, waren für mich ein Zeichen des Trostes und der Ermutigung. Denn sie bestätigen mich darin, dass die Bischöfe in Gemeinschaft untereinander und mit dem Nachfolger des hl. Petrus fest entschlossen sind, zusammen mit den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien die Zukunft der Kirche Österreichs zu gestalten. Mein tiefempfundener Dank gilt auch Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, und damit den Vertretern des öffentlichen Lebens und allen Bürgerinnen und Bürgern dieses geschätzten Landes. Auch diesmal haben Sie mir in wahrhaft hochherziger Weise Ihre Gastfreundschaft gewährt. Dabei möchte ich die ungezählten Helferinnen und Helfer nicht vergessen, die sich seit Wochen mit großer Sorgfalt um den reibungslosen Ablauf dieser Reise gemüht und dabei wohl so manche Überstunde geleistet haben. An dieser Stelle verdienen gerade diejenigen ein Wort der Anerkennung, die im Verborgenen zum Gelingen meines Besuches beigetragen haben: der Sicherheitsund Ordnungsdienst, die Bereitschaft zur Ersten Hilfe und die unzähligen Frauen und Männer, die unauffällig im Hintergrund wirkten. 3. Mit meinem Besuch wollte ich dem Land und der Kirche in Österreich meine tiefempfundene Wertschätzung bekunden und gleichzeitig einige Perspektiven für den Weg in die Zukunft weisen. Während wir uns in Salzburg dem Thema Mission widmeten, haben wir in Sankt Pölten über die Frage der Berufungen nachgedacht. Schließlich wurde es mir geschenkt, dass ich heute morgen in Wien drei Diener Gottes aus Eurem Land in das Buch der Seligen eintragen konnte. Im Laufe der beeindruckenden Feier auf dem Heldenplatz konnte ich wiederum feststellen, dass das „Heldentum der Kirche“ ihre Heiligkeit ist. Die „Helden der Kirche“ sind nicht unbedingt diejenigen, die nach menschlichen Maßstäben bedeutende Seiten der Weltgeschichte geschrieben haben, sondern Frauen und Männer, die in den Augen vieler vielleicht klein erscheinen, aber vor Gott groß sind. In den Reihen der Mächtigen mögen wir sie vergeblich suchen, im Buch des Lebens aber sind ihre Namen groß geschrieben. 4. Die Lebensgeschichten der Seligen und Heiligen sind glaubhafte Dokumente, die auch die Menschen von heute lesen und verstehen. Angesichts der geschichtlichen und geographischen Offenheit Ihres Landes gewinnt dieser Gedanke eine besondere Note. Die Fundamente Österreichs wurden von Märtyrern und Bekennem aus der Zeit des verfallenden Römischen Reiches gelegt. Dann kamen irische Mönche und schottische Missionare aus dem christlichen Westen hierher. Die Slawenapostel Kyrill und Method erreichten mit ihrem Christianisierungswerk den Umkreis von Wien. So lag es nahe, dass ich während meines Aufenthaltes in Ihrem Land, dort, wo der Donaustrom West und Ost miteinander verbindet, an der einsti- 316 REISEN gen Trennungslinie zweier Welten auch auf das Europa der Zukunft zu sprechen kam. Nach der „sanften Revolution“ und dem Fall des Eisernen Vorhangs haben wir Europa neu geschenkt bekommen. Dieses Geschenk ist Aufgabe und Verpflichtung. Europa braucht ein geistiges Antlitz. Bei allen politischen Planungen und ökonomischen Konzepten, die gegenwärtig die Diskussionen beherrschen, gilt es zu bedenken: Europa hat dem Christentum viel zu verdanken. Aber auch das Christentum schuldet Europa vielfachen Dank. Denn von Europa aus wurde es in viele andere Teile der Welt getragen. Deshalb kann und darf sich auch in unseren Tagen Europa seiner geistigen Verantwortung nicht entziehen. Voraussetzung dafür aber ist eine Rückbesinnung auf seine christlichen Ursprünge. Den Christen im Europa der Zukunft kommt also eine hohe Aufgabe zu. 5. Die vielen Gedanken, die mich in diesem Augenblick bewegen, fasse ich nochmals in dem Dankeswort zusammen, das von Herzen kommt: „Vergelt’s Gott!“ Zugleich wünsche ich Ihnen allen: „Segne’s Gott!“ Das gute Wollen im Überlegen und Planen: Gott segne es. Das gute Wort in Begegnungen und Dialogen: Gott segne es. Das gute Vollbringen der Ideen und Vorsätze: Gott segne es. Gott segne das viele Gute in Ihrem Land. Er segne das Gute, das die Kirche in Österreich wirkt. Gott segne Sie alle und jeden einzelnen. „Vergelt’s Gott!“ 317 REISEN 6. Kurzferien in den Alpen (8. bis 22. Juli) Sonntag — Tag des Gotteslobes und innerer Ruhe Angelus in Lorenzago di Cadore am 12. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Euch allen meinen herzlichsten Gruß! Von diesem Ort der Ruhe aus, in der wunderbaren Szenerie der Berge des Cadore, nehme ich das Gespräch über das Apostolische Schreiben Dies Domini wieder auf, das am vergangenen Dienstag veröffentlicht wurde. Insbesondere möchte ich bei einem Aspekt des Sonntags verweilen, der diesen heiligen Tag der Christen mit dem verbindet, was die Bibel vom „Sabbat“ sagt, dem Tag des Herrn im Alten Testament, der noch heute von unseren jüdischen Brüdern als solcher gefeiert wird. Das erste Kapitel der Genesis sagt am Schluss des Berichtes über die Woche der Schöpfung - eine Erzählung, in der sich tiefe Religiosität mit höchster Poesie verbindet: „Gott ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte“, und „segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig“ (Gen 2,2-3). Der „Shabbat“, der biblische Sabbat, ist mit diesem Geheimnis der Ruhe Gottes verbunden. Wenn wir Christen den Tag des Herrn am Sonntag feiern, dann ist es deshalb, weil an diesem Tag die Auferstehung Christi geschah, die die Vollendung der ersten Schöpfung und der Anfang der „Neuschöpfung“ ist. Im auferstandenen Christus hat die „Ruhe“ Gottes ihre volle Verwirklichung. 2. Mit dem Bild Gottes, der ruht, weist die Bibel hin auf das freudvolle Wohlgefallen des Schöpfers angesichts des Werks seiner Hände. Am „siebten Tag“ widmet sich Gott der Betrachtung des Menschen und der Welt. Er tut es mit Bewunderung und Liebe, mit einer Großherzigkeit, die sich im Lauf der Heilsgeschichte bestätigt, wenn der Schöpfer, vor allem in den Ereignissen des Exodus, sich zum Erlöser seines Volkes macht. So ist der „Tag des Herrn“ der Tag, der die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen offenbart. Die Propheten haben keine Bedenken, diese Liebesbeziehung in bräutlichen Begriffen zum Ausdruck zu bringen (vgl. Hos 2,16-24; Jer 2,2 usw.); als Schöpfer hat Gott sich zum „Bräutigam“ der Menschheit gemacht, und die Menschwerdung seines Sohnes wird den Höhepunkt dieses mystischen Ehebundes bilden. Am Sonntag ist der Christ eingeladen, diesen freudigen Blick Gottes neu zu entdecken und sich davon gleichsam umfangen und beschützt zu fühlen. Unser Leben läuft im Zeitalter der Technik Gefahr, immer mehr anonym und im Produktionsprozess funktional zu werden. So wird der Mensch unfähig, die Schönheiten der Schöpfung zu genießen, und noch weniger wird es ihm gelingen, darin den Wider- 318 REISEN schein von Gottes Antlitz zu erkennen. Die Christen halten jeden Sonntag ein wenig inne, nicht nur aus einem rechtmäßigen Bedürfnis nach Ruhe, sondern vor allem, um das Werk Gottes, des Schöpfers und Erlösers, zu feiern. Aus dieser Feier fließen Gründe zu Freude und Hoffnung, die dem Alltagsleben neuen Geschmack geben und ein lebenswichtiges Gegenmittel gegen den Überdruss, das Gefühl der Sinnlosigkeit und die Verzweiflung bilden, wovon man sich manchmal versucht fühlen kann. 3. Meine Seele preist die Größe des Herrn! Loben wir den Herrn mit den Worten der Heiligen Jungfrau, die die Kirche als die „tota pulchra“, die „ganz Schöne“ betrachtet, als die Frau, in der sich die Schönheit der ersten Schöpfung und die der Neuschöpfung vereinigen. Sie helfe uns, dass wir uns der Gaben Gottes bewusst werden und dass der Sonntag immer mehr der Tag werde, an dem die einzelnen und die Familien sich zur Eucharistiefeier versammeln und einen Ruhetag voll christlicher Freude und Solidarität verbringen und das Lob des Herrn mit dem gleichen Empfinden singen, wie es im Herzen Marias lebendig war. Dank für gewährte Gastfreundschaft Worte des Papstes nach dem Angelus: l.Ich grüße euch und danke euch für eure Anwesenheit, liebe Schwestern und Brüder der Diözesen Belluno-Feltre und Treviso [...] Besonders wende ich mich an Bischof Pietro Brollo und danke ihm für die freundlichen Worte, die er soeben an mich gerichtet hat. Wie ihn, so grüße ich auch herzlich die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die in der Diözesangemeinschaft von Belluno-Feltre arbeiten, die Seminaristen, die Schwestern und den Lehrkörper des Seminars, die Vertreter aller Pfarren und der Diözesan-Jugendpastoral, den Pastoralrat und den Rat für die Laienvereinigungen, der die Verbände und die Bewegungen vertritt, den Diözesanrat der Katholischen Aktion und der Mesnervereinigung. Ein besonders herzliches Grußwort gilt den Kranken [...] Ich weiß, dass eure Diözese sich auf das Jubiläum des Jahres 2000 mit einer großen Mission in allen Pfarren vorbereitet. Ich fordere alle Priester, Ordensleute und Laien auf, sich mit Freude verfügbar zu machen, um Christus, den Erlöser, zu verkündigen und zu bezeugen. [...] 2. Nun wende ich mich an Bischof Paolo Magnani von Treviso, der mir so herzlich dieses Haus, ein Eigentum der Kirche von Treviso, zur Verfügung gestellt hat. Mein Gruß gilt auch den Priestern seiner Diözese, den ständigen Diakonen und ihren Familien, wie auch dem Diözesanrat der Katholischen Aktion, den Verantwortlichen und den Jugendlichen der Katholischen Aktion der Jugend, den Pfadfindern, dem Laienrat und den Gläubigen aus verschiedenen Pfarren. Besonders denke ich auch an die Gruppe katholischer Einwanderer, begleitet von der Mi-grantenpastoral, an die Kranken und Behinderten, deren Anwesenheit für mich ein willkommenes Geschenk ist. In diesem Augenblick muss ich unbedingt an Bischof 319 REISEN Mistrorigo erinnern, der mir als erster dieses Haus zur Verfügung angeboten hat. [...] Noch zwei kleine Bemerkungen. Die erste gilt dem Regen, der noch nicht eingetroffen ist, und das ist gut so - aber auch wenn es Regen gibt, wird er geradeso willkommen sein. Die zweite Bemerkung betrifft den Chor, um ihm zu sagen, dass er sehr gut gesungen hat. Und die Gebirgslieder stehen immer höher im Wert. Sie haben doppelten Wert, weil sie einen weit fort tragen, ins Gebirge. Und nun euch allen einen guten Sonntag und eine gute Woche! Das Leben einsetzen und ihm einen Sinn geben Angelus in Bomo im Val Camonica am 19. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Mit großer Freude bin ich heute hier in Bomo, das wunderbar von diesen mächtig und majestätisch zum Himmel aufragenden Bergen umrahmt ist. Ich grüße euch alle herzlich, ihr lieben Einwohner von Bomo, und ich danke euch für euren Empfang. Ich grüße die Feriengäste, die im Sommer kommen, um frische Luft zu atmen und in euren Pinienwäldem und euren Bergen Erholung zu suchen. Weiterhin grüße ich das ganze, an religiösen Traditionen und Naturschönheiten reiche Camo-nicatal. Ein besonderer Gmß gilt dem Bischof von Brescia, Bmno Foresti, Weihbischof Vigilio Olmi und eurem Pfarrer Giuseppe Maffi. Und ich freue mich auch, meinen engen Mitarbeiter, den geschätzten Erzbischof Giovanni Battista Re, hier in seiner Heimat zu treffen. 2. Liebe Bomeser, ihr habt mich vor eurer Pfarrkirche empfangen, die oberhalb eurer Häuser das Bild beherrscht und ein vielsagender Hinweis auf euren Glauben und eure Geschichte ist. Von diesem Punkt aus, der euch lieb ist, möchte ich euch allen sagen: Liebt euren Glauben, bezeugt ihn mit Freude, betätigt ihn in der Bruderliebe, in hochherzigem Verzeihen und in gegenseitiger solidarischer Hilfe. An jene, die der Kirche fern stehen oder nicht glauben, möchte ich diese Einladung richten: Habt keine Angst, Gott zu suchen, denn Er sucht euch und liebt euch. Den Jugendlichen, welche die Hoffnung für das dritte Jahrtausend sind, möchte ich sodann sagen: Setzt euer Leben richtig ein; es ist ein Talent, das ihr fruchtbringend nutzen müsst. Denkt daran, dass man nur einmal lebt. Da ich gerade von den jungen Leuten spreche, möchte ich auch gerne in Erinnerung rufen, dass Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI., in seinen Jugendjahren die Sommerferien mit seinen Eltern hier in Bomo zu verbringen pflegte. Im Jahre 1920 feierte er wenige Wochen nach seiner Priesterweihe die heilige Messe in dieser eurer Kirche. Dieses Jahr ist sein hundertster Geburtstag. In Erwartung des feierlichen Gedenkens an ihn im September in Brescia möchte ich euch jetzt auffordem, dämm zu beten, dass viele Jungen und Mädchen aus der Gemeinde Bomo, aus dem Camonicatal und aus der ganzen Diözese Brescia seinem 320 REISEN Beispiel folgen und wie er in Treue zum Herrn den Weg des Priestertums oder des geweihten Lebens gehen. 3. Liebe Schwestern und Brüder, in dieser herrlichen Landschaft ist es leichter, den Blick zum Schöpfer zu erheben und ihn wegen seiner Werke zu loben. Im Apostolischen Schreiben Dies Domini habe ich hervorgehoben, dass gerade dieser kontemplative Blick den Sonntag, den Tag des Herrn, kennzeichnen muss. Ich möchte wünschen, dass die Ferien eine geeignete Zeit seien, um den christlichen Sinn des Sonntags wiederzuentdecken, den Tag der Ruhe, aber vor allem des gemeinsamen Gebetes; den Tag, an dem der auferstandene Christus uns neu mit Freude und Hoffnung erfüllt; den Tag, der dem Menschen zu seinem Wohl geschenkt ist. Die Muttergottes, an die wir nun unser Angelusgebet richten, möge uns bei dieser Aufgabe geistlicher Vertiefung helfen, und sie stehe euch allen bei, den Glauben und die Treue zu jenen christlichen Werten, die zu den Wurzeln von Bomo und den an Religiosität und aktiver Treue zum Evangelium reichen Überlieferungen dieser eurer Täler gehören, immer wieder neu zu beleben. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Meinen herzlichsten Gruß möchte ich an die alten Menschen und die Kranken richten, denen ich mich besonders nahe fühle. Ferner denke ich an die Jungen und Mädchen des „Grest“, die dank der jeden Sommer von der Pfarre organisierten Aktion gemeinsam eine Zeit gesunder Ruhe und Ausspannung zubringen können. Ich wünsche ihnen, diese Ferienzeit möge allen die Möglichkeit bieten, sich in Zusammenarbeit und im Geist der Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit des Zusammenseins mit den Altersgenossen zu freuen. Gern sage ich dann auch den hier anwesenden Kindern von Tschernobyl und Weißrussland einen herzlichen Gruß und ebenso der Gruppe von Familien, die sie nun schon seit einigen Jahren aufnehmen und ihnen einen frohen und ihre Wiederherstellung fördernden Aufenthalt bieten. Ich spreche ihnen meine Anerkennung aus und ermutige gern zu diesen Initiativen tatkräftiger Solidarität, die dazu beitragen, dass man sich als Bewohner eines einzigen großen gemeinsamen Hauses fühlt. Herzlich danke ich auch den Gebirgsjägern, die zum geordneten Zustandekommen dieses kurzen, aber bereichernden Treffens beigetragen haben. Allen wünsche ich eine frohe Sommerzeit in den Bergen von Bomo und im Camo-nicatal. 321 REISEN 7. Pastoralbesuch in Brescia (20. September) Papst Paul VI. und Giuseppe Tovini - Zeugen gelebter Berufung in der Nachfolge Christi Angelus in Brescia am 20. September 1. Giuseppe Tovini, dieser Christ und Laie, den ich heute die Freude hatte, selig zu sprechen, steht vor uns und spricht zu uns mit dem Beispiel seines Lebens, das ganz der Verteidigung und Förderung der sittlichen und geistlichen Werte gewidmet war, die für die Erneuerung der Gesellschaft unerlässlich sind. Er hatte es verstanden, die Berufung des Ehemannes und Vaters mit dem Engagement in zahlreichen katholischen Initiativen in Einklang zu bringen: Wenn es dämm ging, den harten Kampf aufzunehmen, um dem Evangelium im schwierigen politischen und gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit treu zu bleiben, setzte er auf die Fürsprache Marias, die er von Kindheit an zu verehren gelernt hatte. Ihrem Mutterherzen vertraute er die Probleme der Erzieher, der Arbeiter und der Jugendlichen an; bei Ihr bezog er Inspiration für die Erfüllung seiner Vaterpflichten; auf Sie vertraute er stets in der Krankheit und in den vielen Augenblicken der Prüfung. Heute lädt dieser neue Selige auch euch ein, den Blick auf die zärtliche Mutter der göttlichen Gnade zu richten, um bei Ihr die nötige Kraft zu schöpfen, um Christus in allen Lebenslagen zu folgen. 2. Die Marienverehrung, welche das gebildete, christliche Milieu der Gegend von Brescia kennzeichnete, prägte auch das Leben des Dieners Gottes Paul VI., dessen wir bei den heute zu Ende gehenden Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag seiner Geburt gedacht haben. Ich erinnere mich an diesen meinen verehrten Vorgänger mit großer Zuneigung und weise gerne darauf hin, dass er von den jüngsten Jahren an gelernt hatte, sich Maria anzuvertrauen, begünstigt durch die Nähe seines Hauses zum Heiligtum der „Madonna delle Grazie - Mutter der Gnade“. In diesem Heiligtum feierte er die erste Messe, und er kehrte, sooft er konnte, dorthin zurück, um mit der Mutter des Herrn das Magnifikat zu singen für das große Geschenk des Priestertums. Seine Bemfung war gerade in dieser Atmosphäre inniger Marienverehrung gereift, wie er selbst bekannte. Intensiver und offenkundiger wurde die Liebe zur Muttergottes in ihm während seines Pontifikats. Er ließ sie in unzählige Dokumente und Ansprachen einfließen. Das Zeugnis von Papst Paul VI. und von Giuseppe Tovini möge uns allen zur Ermutigung dienen, stets auf die heilige Jungfrau zu vertrauen und in Ihr den sicheren Weg zu finden, der zu Christus führt, dem Eckstein, auf dem allein es möglich ist, die ersehnte Zivilisation der Liebe aufzubauen. 322 REISEN Am Schluss des Angelusgebets sagte der Papst nach dem Apostolischen Segen u. a. noch: [...] Es sei mir gestattet, hinzuzufügen, dass die Kirche heute auch die koreanischen Märtyrer feiert, die ich vor vielen Jahren in Seoul die Freude hatte, zur Ehre der Altäre zu erheben. Sie traten für das Evangelium ein - gelegen oder ungelegen Predigt zum Abschluss der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Papst Paul VI. und zur Seligsprechung von Giuseppe Tovini am 20. September 1. „Petrus, liebst du mich?“ (vgl. Joh 21,15). In dieser festlichen Eucharistiefeier zum Abschluss des hundertsten Gedenkjahres der Geburt des Dieners Gottes Paul VI. wurde das Evangelium verkündet, in welchem Christus den Petrus fragt, ob er ihn liebe. Bevor er ihm die Aufgabe und die Sendung anvertraut, dem Apostelkollegium vorzustehen und Fundament der Einheit der Kirche zu sein, unterzieht Christus den Petrus einer Prüfung seiner Liebe. Er fragt ihn: „Liebst du mich?“, weil der Dienst, zu dem er ihn berufen will, ein Dienst der Liebe zu Gott, zur Kirche, zur Menschheit ist. In der ersten Lesung haben wir die Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört: „Der Herr ...hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe“ ('Jes 61,6). Sie erinnern uns an das Zeugnis, das Giuseppe Tovini für das Evangelium gegeben hat, den zur Ehre der Altäre zu erheben ich heute die Ehre habe. Er starb im gleichen Jahr, in welchem Giovanni Battista Montini geboren wurde. Der zukünftige Papst wird des öfteren bezeugen, dass er aus dem Mund seines Vaters und von Freunden der Familie wiederholt zahlreiche Episoden über To-vinis Eifer für die katholische Sache und über die von ihm, zusammen mit anderen wagemutigen Brescianem unternommenen Initiativen gehört hat. Ich freue mich, dass die Seligsprechung dieser so hervorragenden Persönlichkeit gerade beim Abschluss des hundertsten Gedächtnisjahres der Geburt Pauls VI. stattfand. In Liebe grüße ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr an dieser festlichen Eucharistiefeier teilnehmt. Ich grüße den Bischof von Brescia, den lieben Msgr. Bruno Foresti, Kardinal Martini und alle Bischöfe der Lombardei sowie auch die Bischöfe, die als Gäste hier sind. Ein besonderer Gruß gilt Erzbischof Giovanni Battista Re, der in diesem Landstrich geboren und im Seminar von Brescia ausgebildet wurde. Mit ihm grüße ich auch Bischof Pasquale Macchi, der viele Jahre lang Sondersekretär Papst Pauls VI. war. In Ehrerbietung grüße ich ebenfalls den Vertreter der Regierung und alle anwesenden Obrigkeiten. Mit tiefer Zuneigung grüße ich dich, Stadt Brescia, so reich an christlich inspirierten Werken; ich grüße deine Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und die sehr zahlreichen Laien, die sich in den verschiedenen kirchlichen und zivilen Aufgaben ausgezeichnet haben und sich weiterhin durch ihren religiösen, sozialen und kulturellen Einsatz auszeichnen. 323 REISEN 2. „Petrus, liebst du mich?“ Wir können sagen, dass das ganze Leben Pauls VI. eine Antwort auf diese Frage Christi war: eine große Prüfung der Liebe zu Gott, zur Kirche und zu den Menschen. Er liebte Gott als den entgegenkommenden, besorgten Vater und zeigte in den bedeutenden Ereignissen seines Lebens, besonders bei schwierigen und leidvollen Aufgaben, stets einen starken Sinn für die göttliche Vaterschaft. Als Erzbischof von Mailand beschloss er, eine Volksmission zu halten, um der christlichen Tradition der Stadt neuen Schwung zu geben. Dazu wählte er als grundlegendes Thema: „Gott ist Vater.“ In dem Augenblick sodann, der seine irdischen Tage am 6. August vor 20 Jahren in Castel Gandolfo zum Abschluss brachte, wollte er als letztes Gebet das Vaterunser sprechen. Und was soll man von seiner leidenschaftlichen Liebe zu Christus sagen? Seine Frömmigkeit war wesentlich christozentrisch. In der Predigt zum Anfang seines Pontifikats erklärte er, den Namen Paulus gewählt zu haben, weil dieser Apostel „Christus über alles liebte, aufs höchste wünschte und bestrebt war, das Evangelium Christi zu allen Völkern zu bringen, und für den Namen Christi sein Leben opferte“ (30. Juni 1963, Insegnamenti I[1963]24,25). Und bei anderer Gelegenheit sagte er, dass es unmöglich ist, von Christus abzusehen, „wenn wir etwas Sicheres, Ganzes, Offenbartes über Gott wissen wollen; oder besser, wenn wir eine lebendige, unmittelbare und echte Beziehung zu Gott haben wollen“ (Generalaudienz, 18. Dez. 1968, in Insegnamenti VI[1968]660). 3. Mit der Liebe zu Gott, dem Vater, und zu Christus, dem Meister, verband Paul VI. eine intensive Liebe zur Kirche, für die er all seine physische, intellektuelle und spirituelle Kraft verzehrte, wie sein ergreifendes Bekenntnis bezeugt, das er in Pensiero alla morte abgelegt hat: „Die Kirche .. .ich kann wohl sagen, daß ich sie immer geliebt habe; ...und daß ich, wie mir scheint, immer für sie, nicht für etwas anderes gelebt habe“ (Veröffentlichung des „Istituto Paolo VI“, Brescia 1988, S. 28-29). Aus dieser Liebe zu Christus und zur Kirche entsprang wie spontan seine leidenschaftliche pastorale Liebe zum Menschen und ließ ihn scharfsichtig intuitiv die Sorgen und Erwartungen seiner Zeit erkennen. Wenige wussten, so wie er, die Ängste, den Wagemut, die Anstrengungen und Bestrebungen der Menschen unseres Jahrhunderts zu deuten. Er wollte an ihrer Seite gehen, darum machte er sich zum Pilger auf ihren Straßen, begegnete ihnen da, wo sie leben und kämpfen, um eine Welt aufzubauen, die der Würde eines jeden Menschen mehr Aufmerksamkeit und Achtung entgegenbringt. Er wollte Diener einer Kirche sein, die den Armen das Evangelium bringt und die berufen ist, zusammen mit jedem Menschen guten Willens jene „Zivilisation der Liebe“ aufzubauen, in der den Geringsten nicht nur die Überbleibsel des ökonomischen und zivilen Fortschritts zufallen, sondern wo Gerechtigkeit und Solidarität herrschen müssen. 324 REISEN 4. Diese einzigartige Feinfühligkeit des Montini-Papstes für die großen sozialen Fragen unseres Jahrhunderts haben die Wurzeln in seiner Brescianer Herkunft. In seiner eigenen Familie und dann während seiner in Brescia verbrachten Jugendjahre atmete er jenes Klima und jenen Eifer für Initiativen, der aus dem Katholizismus Brescias einen der bedeutendsten Bezugspunkte der katholischen Präsenz im sozialen und politischen Leben des Landes machte. Zu Beginn des Pontifikats wandte Paul VI. sich an seine Landsleute und gab seiner Dankesschuld mit den Worten Ausdruck: „Brescia! Die Stadt, der ich nicht nur von Geburt aus entstamme, sondern die mir auch einen so großen Anteil an bürgerlicher, spiritueller und menschlicher Tradition geschenkt und mich überdies gelehrt hat, was es bedeutet, in dieser Welt zu leben. Und sie bot mir immer ein Bild, das, wie ich glaube, tragend war für die späteren Erfahrungen, die mir die Göttliche Vorsehung im Lauf der Jahre zugedacht hat“ {Ansprache an eine Pilgergruppe aus Mailand und Brescia, 29.06.1963, vgl. Insegnamenti I[1963]647). 5. Ein großer Zeuge für das Evangelium, das im sozialen und wirtschaftlichen Leben im Italien des vorigen Jahrhunderts Gestalt angenommen hat, ist bestimmt der sei. Giuseppe Tovini. Er zeichnet sich aus durch seine kraftvolle Persönlichkeit, seine tiefe Familien- und Laienspiritualität und seinen aufopfernden Einsatz zur besseren Gestaltung der Gesellschaft. Bei näherem Zusehen besteht zwischen Tro-vini und Giovanni Battista Montini ein tiefinneres geistliches und ideelles Band. In der Tat schrieb der Papst selbst über Tovini: „Das Andenken, das er unter denen hinterlassen hatte, die ich als erste kennen lernte und achtete, war so lebhaft und gegenwärtig, daß ich sehr oft Bemerkungen und Lobreden über seine einzigartige Person und seine vielgestaltige Tätigkeit hören konnte; ich hörte staunend bewundernde Äußerungen über seine Tugenden und betrübte Klagen über seinen frühzeitigen Tod“ (Vorwort von Giovanni Battista Montini zur Biographie von Giuseppe Tovini, verfasst von P. Antonio Cistellini, 1953,1. Teil). 6. Leidenschaftlich, loyal und aktiv im sozialen und politischen Leben, verkündete Giuseppe Tovini mit seinem Leben die christliche Botschaft und stand dabei immer treu zu den Weisungen des kirchlichen Lehramts. Seine beständige Sorge war die Verteidigung des Glaubens, in der Überzeugung, dass - wie er bei einem Kongress bekräftigte - „unsere Kinder ohne Glauben niemals reich, mit dem Glauben aber nie arm sein werden“. Er lebte in einer für Italien und auch für die Kirche schwierigen Stunde der Geschichte, und es war ihm klar, dass dem Ruf Gottes unmöglich voll und ganz entsprochen werden konnte ohne einen großzügigen und selbstlosen Einsatz für die sozialen Probleme. Er hatte einen prophetischen Blick und antwortete mit apostolischer Kühnheit auf die Erfordernisse der Zeit, die, im Licht der neuen Formen von Diskriminierung, von den Gläubigen einen wirksameren Einsatz im zeitlichen Bereich verlangten. Seine juristische Kompetenz und die ihn kennzeichnende berufliche Disziplin machten es ihm leicht, den Anstoß zu zahlreichen sozialen Organisationen zu geben und darin führend zu sein. Auch Aufgaben politischer Art übernahm er in Ci- 325 REISEN vidate Camuno und Brescia und hatte dabei den Wunsch, die christliche Lehre und Moral unter das Volk zu bringen. Als Priorität erachtete er den Einsatz für die Erziehung. Unter seinen zahlreichen Initiativen zeichnen ihn besonders die zur Verteidigung der Schule und der Freiheit des Unterrichts aus. Mit bescheidenen Mitteln und großem Mut setzte er sich unermüdlich dafür ein, in Brescia und in Italien der Gesellschaft ihr Ureigenstes, nämlich ihr religiöses und moralisches Erbe, zu erhalten. Tovinis aufrechte und konsequente Haltung hatte ihre Wurzeln in seinem tiefen, lebendigen Verhältnis zu Gott, das seine ständige Nahrung in der Eucharistie, der Betrachtung und der Verehrung der Heiligen Jungfrau fand. Aus dem Hinhören auf Gott im täglichen Gebet empfing er das Licht und die Kraft für die großen sozialen und politischen Schlachten, die er durchzufechten hatte, um die christlichen Werte zu retten. Die Kirche des hl. Lukas mit dem schönen Bild der Immakulata, wo sich jetzt seine sterbliche Hülle befindet, ist Zeuge seiner Frömmigkeit. An der Schwelle des dritten Jahrtausends ist uns Giuseppe Tovini, den wir heute in der Herrlichkeit des Himmels betrachten, ein Ansporn. Besonders euch, ihr lieben Gläubigen von Brescia und von Italien, fordere ich auf, auf diesen großen Sozialapostel zu schauen, der denen, die in der Gesellschaft seiner Zeit ohne Stimme waren, Hoffnung zu geben wusste. Sein Beispiel sei für alle eine Anregung und' Er-mutigung, auch heute und immer hochherzig dafür zu arbeiten, damit die Anforderungen des Evangeliums verteidigt werden und Verbreitung finden. Er schütze euch vom Himmel aus und unterstütze euch durch seine Fürsprache. Liebe Brescianer, ihr habt ein großes religiöses und ziviles Erbe empfangen: bewahrt es als unvergleichlichen Schatz, und gebt aktiv dafür Zeugnis mit der Genialität und Konsequenz, mit der Treue und Ausdauer, durch die sich Paul VI. und Giuseppe Tovini ausgezeichnet haben. 7. „Ich habe den guten Kampf gekämpft ... der Herr stand mir zur Seite“ (2 Tim 4,7.17). Diese Worte der zweiten Lesung der Messe fassen die geistliche Erfahrung der beiden Persönlichkeiten zusammen, deren wir heute mit gläubiger Bewunderung gedenken. Wir danken Gott für ihr Zeugnis: Es ist ein kostbares Geschenk nicht nur für Brescia, sondern für Italien und für die ganze Menschheit. Die Erinnerung an sie darf nicht im Lauf der Zeit verblassen. Auf verschiedenen Gebieten und mit verschiedenen Verantwortungen haben sie so viel Gutes gesät und den guten Kampf gekämpft: den Kampf für die Wahrheit und für die Zivilisation der Liebe. Maria, die Mutter der Kirche, helfe uns, ihr Erbe zu übernehmen und ihren Spuren zu folgen, damit auch uns, wie dem Apostel Petrus, gewährt sei, Christus zu antworten: „Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebe“ (vgl. Joh 21,17). Amen! 326 REISEN Eine Lanze für Familie und Erziehung brechen Ansprache an die Vertreter der Familien- und Schulpastoral in der Kathedrale von Brescia am 20. September Liebe Brüder und Schwestern, Verantwortliche und Mitarbeiter der Familienpastoral und der Schulseelsorge! 1. Im Rahmen meines kurzen Besuchs bei eurer Ortskirche hat die Begegnung mit euch eine besondere Bedeutung, und sie macht mir große Freude, denn heute gedenkt die Stadt Brescia Papst Pauls VI. zum 100. Jahrestag seiner Geburt und freut sich über die Seligsprechung von Giuseppe Tovini; beide waren berühmte Söhne eurer Gegend. Gerade über die Themen, mit denen ihr euch vorrangig befasst, nämlich die Förderung der Familie und die Erziehung der Jugend, haben sie uns ihre Botschaft hinterlassen. Der neue Selige spricht davon mit dem Beispiel seines eigenen Lebens. Er war in der Tat ein vorbildlicher Ehemann, Vater von zehn Kindern, und er wusste seine Familie zu einer wahren „Hauskirche“ zu machen, reich an Gebet und Gemeinsamkeit. Was die Erziehung betrifft, zeichnete er sich in seinem weltlich-bürgerlichen Einsatz als unermüdlicher Initiator von Projekten zugunsten eines von der christlichen Wahrheit beseelten Schulwesens aus. 2. Eine andere verdienstvolle Rolle spielte in diesen beiden wichtigen Bereichen auch Papst Paul VI. In seinem Lehramt räumte er der Familie einen vorrangigen Platz ein, sowohl als Erzbischof von Mailand als auch als Hirte der Weltkirche. Seine Aufmerksamkeit gegenüber dieser Thematik gründete in der Erfahrung seiner eigenen Familie, die von sehr edlen Beziehungen und von einer intensiven Spiritualität gekennzeichnet war. Diese zwei Gestalten mussten unweigerlich in der Kirche von Brescia Spuren hinterlassen. Zu Recht gedenkt sie ihrer deshalb heute mit verständlichem Stolz und lässt sich von ihnen anregen, um ihrer pastoralen Tätigkeit, vor allem auf dem Gebiet der Familie und der Schule, neuen Schwung zu geben. Um bei der Familie zu beginnen: Wie könnte man vergessen, dass es sich dabei um ein Thema von grundsätzlicher und wesentlicher Bedeutung handelt? Dieses Bewusstsein erfüllt uns auch mit Verantwortungsgefühl, vor allem wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass heute - im Rahmen einer raschen Veränderung der Verhaltensnormen und eines verbreiteten ethischen Relativismus - gerade die Familie einem verderblichen Druck ausgesetzt ist, der sie an der Basis angreift. Unter diesen Umständen empfindet es die Kirche als ihre Pflicht, auf die Fixpunkte der ehelichen und familiären Ethik hinzuweisen. Sie tut dies nicht in dem Anspruch, eine eigene „Ordnung“ durchzusetzen, sondern vielmehr in der Überzeugung, dem Gewissen erneut eine Wahrheit vor Augen zu stellen, die alle in ihrem Innern verstehen können. 327 REISEN Zu dieser Wahrheit, die der sei. Giuseppe Tovini beispielhaft vorgelebt und der Diener Gottes Paul VI. massgeblich erläutert hat, möchten wir nun ein paar kurze Betrachtungen anstellen, um sie mit immer größerem Engagement in unseren Worten und Werken bezeugen zu können. 3. Es ist heute dringender denn je, den Sinn für die Ehe zurückzugewinnen als Lie-besbündnis, wodurch ein Mann und eine Frau sich öffentlich und für immer vereinen im Hinblick auf eine gegenseitige Vervollständigung und auf einen verantwortlichen Dienst für das Leben. Solcherart ist die Ehe von Anfang an in den Plan Gottes eingefügt. Auf diesen ursprünglichen Charakter bezieht sich auch Jesus, wenn er sich gegen die Freizügigkeit ausspricht, die sich sogar im mosaischen Gesetz durchgesetzt hatte. Über die Zulässigkeit der Scheidung befragt, antwortet Jesus: „Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mk 10,6-9). Dieses Wort des Herrn ist sicher sehr fordernd. Aber wie sollten wir leugnen, dass es den tiefen Sinn echter ehelicher Liebe am besten zum Ausdruck bringt? Als „echte“ Liebe kann sie keiner zeitlichen Begrenzung unterworfen und den jeweiligen Umständen oder - schlimmer noch - Launen ausgeliefert sein. Als „eheliche“ Liebe erstreckt sie sich auf das ganze Dasein der Partner, sie achtet und ergänzt ihre jeweilige Männlichkeit oder Weiblichkeit. Dieses Wort Jesu ist also anspruchsvoll, aber wahr. Es erhält außerdem besonderes Gewicht, wenn wir es aus dem Blickwinkel der Kinder heraus betrachten, deren Rechte nur dieses Wort umfassend schützen kann, indem es ihre psychische und körperliche Reifung in einem harmonischen und ruhigen Umfeld fördert. Deshalb ist es wichtig, die jungen Generationen zu einer Auffassung der Liebe in wahrhaft menschlicher Weise zu erziehen. Auch in ihrer sexuellen Dimension wird sie dann für die Gläubigen zu einem Element jenes „wahren Gottesdienstes“ (vgl. Rom 12,1),von dem Paulus in seinem Brief an die Römer spricht. Liebe Brüder und Schwestern! Wir müssen den Menschen aufs Neue die Schönheit einer nach dem Plan Gottes gelebten Ehe nahe bringen und uns dafür einsetzen, dass der Wert dieser Einrichtung, die für das menschliche Zusammenleben grundlegend und unverzichtbar ist, sich in den Gewissen, in der Kultur und selbst in der Gesetzgebung wieder behaupten kann. 4. Ebenso dringend ist es, den Eheleuten zu helfen, die Verbindung zwischen dem gegenseitigen Sich-Schenken und dem Dienst für das Leben zu erfassen: Diese Verbindung ist Teil der tiefen Logik der Liebe in ihrer zweifachen Dimension der Einheit und der Fruchtbarkeit, die in die biologische und psychologische Struktur des Mannes und der Frau eingeprägt ist. Wenn wir heute Papst Pauls VI. gedenken, wollen wir uns deshalb auch an seine erleuchtenden Lehren über dieses delikate und umstrittene Thema erinnern, die er vor dreißig Jahren in seiner Enzyklika Humane vitae niederschrieb. Seine Absicht war damit nicht so sehr, irgend etwas zu 328 REISEN verbieten, sondern eher die erhabene Sendung der Eheleute hervorzuheben, die sie im Geschenk des Lebens an neue Geschöpfe zu Mitarbeitern Gottes macht. Leben schenken ist eine allerhöchste Aufgabe, die mit Großzügigkeit und zugleich - wie wir in der Enzyklika lesen - mit jenem Verantwortungsgefühl erfüllt werden soll, das es den Partnern erlaubt, und manchmal sogar von ihnen verlangen könnte, die Geburten zeitlich auseinander zu rücken - aufgrund von Kriterien zur besonnenen Bewertung des Wohles der Eheleute, der Familie und der Kinder selbst. Diese verantwortungsvolle Entscheidung macht zwar den Verkehr zwischen den Partnern während der unfruchtbaren Zeiträume nicht unerlaubt, aber sie rechtfertigt sicherlich nicht eine künstliche Trennung zwischen einigender und prokreativer Dimension, die beide - gemäss spezifischer biologischer Gesetze - zum ehelichen Akt gehören. Die Herrschaft des Menschen über den eigenen Körper, und insbesondere über die eigene Zeugungsfähigkeit als solche - bestätigt Paul VI. nachdrücklich -ist nicht unbegrenzt! 5. Diese Lehre wartet auf tüchtige Boten, die den Männern und Frauen von heute ihren ganzen anthropologischen Reichtum näher bringen können. Die Hirten sollen sich nicht davor fürchten, dem leuchtenden Vorbild Pauls VI. zu folgen, sich von seinem Mut leiten zu lassen und gegen den Strom zu schwimmen. Die Laien sollten ihrerseits auf die vielen Beispiele der Heiligkeit schauen, an denen sie sich orientieren können. Die heutige Seligsprechung von Giuseppe Tovini stellt vor allem für euch Brescianer eine Anregung zu einem noch stärkeren Einsatz dar, der im übrigen eurer Tradition voll entspricht. Ihr habt nämlich wohlverstanden, dass der Plan Gottes für die Ehe nicht nur verkündet werden soll, sondern auch in einem konkreten Erziehungsprojekt für Jugendliche, Verlobte, Eheleute selbst und Familien vermittelt werden muss. Stellt deshalb die besten Erfahrungen eurer seelsorgerischen Tradition heraus und entwickelt sie! Es war damals eine glückliche Eingebung, als das wohlverdiente „Instituto Profamilia“ gegründet wurde, um einen erzieherischen Prozess zufestigen, der von der Pubertät bis in die Reifezeit einer Familie reichen sollte. Auch die Tätigkeit der „Equipes Notre Dame“ und des „Movimento Famiglie Nu-ove“ hat sich als wirksam und fruchtbar erwiesen. Des weiteren sind die Dienstleistungen der christlich orientierten Beratungsstellen und des diözesanen Beratungszentrums für Paare und Familien zu loben sowie die Rolle, die verschiedene Eltemverbände im Rahmen des Erziehungswesens und der Schule spielen, oder die Bereitschaft mehrerer Ordensgemeinschaften, sich um problematische Familiensituationen zu kümmern. Vielversprechend ist auch die Gründung des ,Forum pro-vinciale delle Associazioni familiari“, das auf die Stärkung und Manifestierung der sozialen und politischen Persönlichkeit der Familie als solche abzielt. Nicht vergessen dürfen wir schließlich die aktive Solidarität zahlreicher Familienverbände in Bezug auf die familiären Gemeinschaften, die wegen schwerer Krankheit, Behinderungen oder sozialer Notstände mit großen Problemen zu kämpfen haben. 329 REISEN 6. Die Kirche und die Gesellschaft von Brescia verfügen über so viele Ressourcen! Dieser Einsatz für die Familie wird umso wirksamer sein, wenn er auf die enge Zusammenarbeit zwischen allen Erziehungseinrichtungen, die auf echten menschlichen und christlichen Werten gründen, zurückgreifen kann. Es fehlt uns hier an Zeit, um die Rolle der Schule ausführlicher zu erörtern. Ich überlasse dieses Thema also euren eigenen Betrachtungen, die sich auf diesem Gebiet schon als sehr aufmerksam und tatkräftig erwiesen haben, und möchte in diesem Zusammenhang nur auf die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Familie hinweisen -vor allem in dieser Epoche der Geschichte, wo die Zersplitterung der Kultur und die Vielfalt der von den Massenmedien verbreiteten Botschaften die Familie immer einsamer machen und ihre Erziehungsaufgabe erheblich erschweren. Dieses Thema betrifft jede Art von Schule, angefangen bei den staatlichen Schulen, in dem Maße, wie sie noch verankert sind in den sittlichen Werten, die in das Herz eines jeden Menschen eingeschrieben sind und sich zum großen Teil in der Verfassung finden, auf die sich das Leben des italienischen Volkes stützt. Gleichzeitig setzt eben die Dringlichkeit der Zusammenarbeit zwischen Schule und Familie voraus, dass den Familien - auch durch angemessene Förderung - konkret Gelegenheit gegeben wird, die Erziehungseinrichtung und den Schultyp auszuwählen, den sie für das Wachstum ihrer Kinder für am geeignetsten halten. Das Engagement des seligen Giuseppe Tovini für die christliche Ausrichtung der staatlichen Schulen und für die Behauptung der katholischen Schulen ist ein Zeugnis, das auch heute nichts von seiner Aktualität verloren hat. Es soll genügen, auf seine Gründung der Zeitschrift „Scuola italiana modema“ hinzuweisen, die in über hundert Jahren - dank des verdienten Verlages „Editrice La Scuola“ - vielen Grundschullehrern in ihrer Erziehungsaufgabe geholfen hat und heute noch hilft. 7. Also mutig voran, Kirche von Brescia! Nur Mut, liebe Verantwortliche für Schule und Familie! Euer Auftrag ist heute schwieriger geworden, er bleibt aber wichtig und dringend. Ihr seid aufgerufen, euren Beitrag zum Aufbau von gesunden, motivierten, innerlich reichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu leisten. Die Familien in schwierigen Lebenslagen, denen die herzliche und tatkräftige Aufmerksamkeit der gesamten Kirchengemeinde gelten soll, müssen mit eurer Unterstützung rechnen können. Mit eurer Hilfe können viele Männer und Frauen, viele Jugendliche und Familien das Geschenk des Glaubens, und damit ihre Lebensfreude, wiederfinden. Die Madonna delle Grazie, die für die Spiritualität der Stadt Brescia so wichtig ist, erbitte für euch die dazu nötige göttliche Hilfe. Das Andenken an Paul VI. und das Vorbild des sei. Giuseppe Tovini mögen euren Vorsätzen den nötigen Elan geben. Von Herzen segne ich euch alle. 330 REISEN 8. Pastoralbesuch in Kroatien (2. bis 10. Oktober) Jeder trägt eine ganz besondere Verantwortung für sein Heimatland Ansprache an die Bevölkerung von Zagreb am 2. Oktober 1. Liebe Einwohner von Zagreb und ganz Kroatien, liebe Jugendliche und Familien: Frieden sei mit euch! Hier, vor dieser majestätischen Kathedrale, diesem Denkmal des Glaubens und der Kunst, wo die sterblichen Reste des Dieners Gottes Kardinal Alojzije Stepinac aufbewahrt werden, grüße ich euch im Namen des auferstandenen Christus, des einzigen Erlösers der Welt, und richte an euch alle meine herzliche Umarmung! Meine Gedanken dehne ich auf alle Bewohner dieses Landes aus, und ich freue mich, ihren edlen Kulturtraditionen meine Ehre erweisen zu können. Besonders wende ich mich an euch Christen, die ihr nach den Worten des Apostels Petrus stets bereit sein sollt, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15). Ich danke der göttlichen Vorsehung, die meine Schritte geleitet und mich erneut hierher nach Kroatien geführt hat. Ganz spontan kommen mir dabei die Worte eines kroatischen Dichters in den Sinn: „Hier sind alle Leute meine Brüder / ich fühle mich wirklich wie zuhause“ (D. Domjanic, Kaj). Eigentlich möchte ich jeden Einwohner dieser Nation, welcher sozialen Gruppe er auch immer angehört, persönlich begrüßen können: Landwirte und Arbeiter, Hausfrauen und Freiberufliche, Seeleute und Fischer, Büroangestellte und Vertreter der Kultur und Wissenschaft; von den Jüngsten bis hin zu den Ältesten und den Kranken. Möge mein Friedensund Hoffnungswunsch alle erreichen! 2. Mit besonderer Herzlichkeit wende ich mich an euch Jugendliche, die ihr so zahlreich gekommen seid, um mich bei meiner Ankunft in eurem Land zu empfangen. Ich freue mich sehr darüber, dass meine Pilgerreise hierher im Zeichen der Jugend beginnt. Ihr Lieben! Mit euch grüße ich die Zukunft dieser Region und der Kirche in Kroatien. Heute klopft Christus an die Tür eures Herzens: Nehmt ihn auf! Er hat die richtige Antwort auf eure Erwartungen. Mit ihm und unter den liebevollen Blicken der Jungfrau Maria könnt ihr den Plan für eure Zukunft kreativ entwerfen. Lasst euch vom Evangelium inspirieren! Im Lichte seiner Lehre könnt ihr ein gesundes kritisches Bewusstsein in Bezug auf die von der Mode auferlegten Konformismen entwickeln und die befreiende Neuheit der Seligpreisungen in euer Lebensumfeld einbringen. Lernt, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, ohne vor- 331 REISEN schnelle Urteile zu fällen. Das ist die Weisheit, von der jede gereifte Persönlichkeit geprägt sein muss. 3. Der Bürger, und besonders der Gläubige, trägt eine ganz besondere Verantwortung für sein Heimatland. Euer Land erwartet von euch einen bedeutenden Beitrag in den verschiedenen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens. Seine Zukunft wird sich in dem Maße positiv verändern, wie jeder von euch in der Lage ist, sich selbst zu verbessern. Das Leben der Menschen auf Erden bringt vielerlei Schwierigkeiten mit sich: Man kann sicherlich nicht dagegen Abhilfe schaffen, indem man seine Zuflucht in Hedonismus, Konsumdenken, Drogen oder Alkohol sucht. Ich lege euch nahe, solche Widrigkeiten mit Mut anzugehen und die Lösung dazu im Licht des Evangeliums zu suchen. Lernt auch die Möglichkeiten des Glaubens neu zu entdecken, um daraus die Kraft zu einem mutigen und konsequenten Zeugnis zu schöpfen. Der Diener Gottes Kardinal Alojzije Stepinac, den ich morgen - nach Gottes Willen - zur Ehre der Altäre erheben werde, empfahl den Jugendlichen seiner Zeit: „Paßt auf euch auf, und reift immer weiter heran, denn ohne gereifte und sittlich solide Menschen kann man nichts ausrichten. Die größten Patrioten sind nicht die, die am lautesten schreien, sondern jene, die das Gesetz Gottes am gewissenhaftesten erfüllen“ (Predigten Ansprachen, Botschaften, Zagreb 1996, S. 97). Euer jugendlicher und von einer tiefen Beziehung zu Gott beseelter Enthusiasmus soll nie nachlassen. Diesbezüglich hatte selbst Kardinal Stepinac seinen Priestern empfohlen: „Haltet allen Kleinmut von unserer Jugend fern, als sei es eine schlimme Krankheit; er ist in der Tat eines Katholiken unwürdig, denn dieser kann sich eines wahrhaft großen Namens rühmen, des Namens unseres Gottes“ (Briefe aus der Gefangenschaft, Zagreb 1998, S. 310). 4. Es war mein großer Wunsch, eine zweite Reise nach Kroatien zu unternehmen, um die Wallfahrt des Glaubens, der Hoffnung und des Friedens weiterzuführen, die im September 1994 begonnen hatte. Zum Glück ist heute hier der Krieg zu Ende. Mein Wunsch ist, dass es in diesem edlen Land nie wieder Krieg gebe. Möge es -zusammen mit der ganzen Region - zu einer Stätte des Friedens werden: eines wahren und dauerhaften Friedens, dessen Voraussetzungen immer Gerechtigkeit, gegenseitige Achtung und Zusammenleben verschiedenartiger Menschen und Kulturen sind. Als wesentlicher Bestandteil Europas hat Kroatien einen leidvollen Abschnitt seiner Geschichte und die schrecklichen Tragödien des 20. Jahrhunderts hinter sich gelassen, um auf das nächste Jahrtausend mit einer brennenden Sehnsucht nach Frieden, Freiheit, Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu schauen. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Worte meines Vorgängers Pius XII. seligen Angedenkens zitieren, die er am 24. Dezember 1939 sprach: „Eine grundsätzliche Forderung für einen gerechten und ehrenhaften Frieden ist die Gewähr des Rechtes auf Leben und Unabhängigkeit aller Nationen, egal ob groß oder klein, mächtig oder schwach“ (vgl. AAS, XXXII[1940] 10). Diese Worte 332 REISEN behalten auch in der Perspektive des neuen Jahrtausends, das nun schon vor unserer Tür steht, ihren ganzen Wert. Sie verpflichten allerdings auch jede einzelne Nation, ihre Rechtsordnung gemäß den Anforderungen eines Rechtsstaats zu modellieren - dank der wachsenden Achtung für die Ansprüche der Würde aller Bürger, aus denen der jeweilige Staat besteht. Mein Wunsch ist, dass die grundlegenden Menschenrechte in diesem Land immer breitere Anerkennung und Aufnahme finden, angefangen beim Recht auf Leben vom allerersten Augenblick an bis hin zu seinem natürlichen Untergang. Der Zivilisationsgrad einer Nation ergibt sich aus ihrer Fürsorge für ihre schwächeren und glückloseren Mitglieder und aus ihrem Engagement deren Rehabilitation und volle Eingliederung in das Sozialleben zu fördern. 5. In diesem Prozess zur Förderung des Menschen fühlt sich die Kirche auf den Plan gerufen. Sie weiß allerdings sehr wohl, dass ihre erste und hauptsächliche Pflicht darin besteht, durch die Verkündigung des Evangeliums und die Formung der Gewissen zu diesem Prozess beizutragen. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe zählt sie auf jeden von euch, liebe Gläubige, die ihr mir zuhört: Sie rechnet mit eurem Zeugnis und, mehr noch, mit eurem Gebet, denn im Gebet öffnet man sich der ständigen und heilbringenden Gegenwart Gottes im Leben einer jeden Person und eines jeden Volkes. Die Gemeinschaft mit Gott stärkt den Mut der Hoffnung im Innern der Menschen. Möge jeder von euch die unermesslichen Schätze, die im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet verborgen sind, neu entdecken! Ich wünsche mir von Herzen, dass die Bevölkerung Kroatiens auch in Zukunft Christus treu bleibt. In dieser Treue liegt das Geheimnis der wahren Freiheit, denn „zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (vgl. Gal 5,1). Und die Freiheit, wie ein Dichter eures Landes beschreibt, „ist ein Geschenk, in dem der allerhöchste Gott uns alle Schätze gegeben hat“ (I. Gundulic, Dubravka). 6. Also auf Wiedersehen bis morgen in Marija Bistrica! Jetzt rufe ich den Segen Gottes und den Schutz der seligen Jungfrau Maria herab auf alle Anwesenden, auf jene, die durch Funk und Fernsehen mit uns verbunden sind, und auf alle Einwohner des Landes. Der Herr gewähre euch beharrlichen Glauben, arbeitsame Eintracht und weise Entscheidungen, die nach dem Gemeinwohl streben. Und möge der wunderschöne Gruß, mit dem auch ich mich nun an euch wende, immer auf euren Lippen bleiben: Gelobt seien Jesus und Maria! 333 REISEN Zweck der Kultur ist der Einsatz für das wahre Wohl der Person Botschaft zur Begegnung mit Vertretern aus Kultur und Wissenschaft in der Apostolischen Nuntiatur in Zagreb vom 3. Oktober Verehrte Damen und Herrn! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude nehme ich an diesem Treffen teil, das mir Gelegenheit gibt, euch hochachtungsvoll und herzlichst zu grüßen. In diesem Augenblick gelten meine Gedanken auch euren Kollegen, die sich in allen Teilen eures Landes auf den verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten einer edlen und mühevollen Aufgabe widmen: der Suche nach dem Wahren. Auch sie grüße ich von ganzem Herzen. Meinem Wunsch entsprechend ist diese kurze, für mich aber bedeutsame Begegnung mit euch, den Vertretern der kulturellen und wissenschaftlichen Welt, in das Programm meines Pastoralbesuchs in Kroatien eingefügt worden, um auch auf diese Art und Weise die Hochachtung und Anerkennung der Kirche für die intellektuelle Tätigkeit als Ausdruck der Kreativität des menschlichen Geistes zu bekräftigen. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, um die reiche kulturelle Tradition zu ehren, die eure kroatische Nation durch das Zeugnis ihrer alten und tiefen Empfänglichkeit für das Gute, das Wahre und Schöne auszeichnet. Den heutigen Anlass nutzend, möchte ich gemeinsam mit euch über jenen besonderen Beitrag nachdenken, den Christen, als Menschen kultureller und wissenschaftlicher Prägung, für die weitere Entwicklung eines wahren Humanismus in eurer Heimat und innerhalb der großen Völkerfamilie, leisten sollten, denn es ist Aufgabe des Christen, das Licht des Evangeliums in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, und somit auch im kulturellen Bereich, weiterzugeben. Im Laufe der Jahrhunderte hat das Christentum entscheidend zur kulturellen Bildung eures Volkes beigetragen. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends dürfen demnach jene lebendigen Kräfte nicht fehlen, die, in vollem Einklang mit dem christlichen Ursprung eurer Nation, neue Impulse zur Förderung und Entwicklung ihres kulturellen Erbguts geben. 2. Kroatien lebt wie auch Europa und die übrige Welt eine Zeit des tiefen Wandels, die anregende Perspektiven bietet, uns aber auch vor keineswegs unwesentliche Probleme stellt. Diese Veränderungen erfordern eine angemessene Antwort, die von der tiefen Wahrheit des Menschen und der notwendigen Achtung der seiner Natur entsprechenden moralischen Werte ausgeht. In der Tat kann es ohne die Achtung der ethischen Dimension der Kultur, der wissenschaftlichen Forschung, der gesamten menschlichen Tätigkeit keinen wahren Fortschritt geben. Der heutige ethische Relativismus und die auf ihm begründete Eintrübung der sittlichen Werte fördern das Aufkommen von Haltungen, die die 334 REISEN Würde des Menschen verletzen, was wiederum ein ernstes Hindernis für die humanistische Entwicklung der menschlichen Person in den verschiedenen Lebensbereichen darstellt. Ferner besteht kein Zweifel daran, dass das Wohl des einzelnen Menschen, das grundlegende Ziel aller kulturellen und wissenschaftlichen Bestrebungen, nie von der Berücksichtigung des Gemeinwohls getrennt werden kann. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich gerne an die unübersehbaren Worte im Saal des Großen Rates von Dubrovnik: „Obliti privatorum, publica curate.“ Möge die Arbeit der von wahren Werten inspirierten Denkern und Wissenschaftlern stets als hochherziger und selbstloser Dienst am Menschen und an der Gesellschaft verstanden und nie zu Zwecken missbraucht werden, die diesem höchsten Ziel entgegenwirken. 3. Zweck der Kultur ist vor allem der Einsatz für das wahre Wohl der Person; daher ist es durchaus nicht verwunderlich, dass die Gesellschaft - zu seiner Förderung - die Kirche an ihrer Seite findet. Auch für sie ist das Ziel ihrer pastoralen Sorge der Mensch, „der eine und ganze Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen“ (Gaudium et spes, Nr. 3). Es ist der Dienst am Menschen, der die Kirche mit der Welt der Wissenschaft und der Kultur verbindet. Diese Begegnung hat sich im Laufe der Jahrhunderte als außergewöhnlich fruchtbar erwiesen. Das Evangelium mit seinem Reichtum erleuchtender Wahrheit über die verschiedenen Aspekte der menschlichen Existenz bereicherte auf wesentliche Art und Weise die auf geistiger Ebene erarbeiteten Antworten und ermöglichte somit eine größere Übereinstimmung mit den innigsten Hoffnungen des menschlichen Herzens. Trotz der in gewissen Zeiten vorherrschenden Verständnislosigkeit hat die Kirche stets große Sensibilität für die Werte der Kultur und Forschung gezeigt. Auch eure Geschichte beweist das: Als eure Vorfahren im 7. Jahrhundert durch den Empfang des Taufsakraments Mitglieder der Kirche wurden, öffnete sich ihnen damit auch der Weg in die Welt westlicher Kultur. Seit jener Zeit ist in Kroatien ein konstanter kultureller und wissenschaftlicher Fortschritt zu verzeichnen, den die Kirche in entscheidender Form beeinflusst. Allen bekannt ist ihr wesentlicher Beitrag auf dem Gebiet der Philosophie, der Literatur, der Musik, des Theaters, der Wissenschaften und der Kunst; ihr Verdienst ist bekanntlich auch die Gründung von Schulen jeder Art: von den Grundschulen bis hin zu den Tempeln der Wissenschaft, den Universitäten. Auch in Zukunft wird die Kirche diese Haltung bewahren, die sie als Bestandteil ihres Dienstes für die Verkündigung der Evangeliumsbotschaft erachtet. In dieser Region, wo seit Jahrhunderten unterschiedliche Weltanschauungen auf-einandertreffen, wollen wir uns weiterhin gemeinsam - im Geist der Achtung und der Versöhnung - für die Kultur einsetzen, ohne auf nutzlosen Gegensätzlichkeiten zu beharren. Das bedeutet aber nicht, dass deshalb auf die jeweilige Identität und Kultur verzichtet werden soll. Der Ursprung, das Erbe und die Identität jedes Vol- 335 REISEN kes sind in allem, was sie als wirklich menschlich auszeichnen, ein großer Reichtum für die internationale Gemeinschaft. 4. Das seit Anfang dieses Jahrzehnts in Kroatien herrschende Klima der Freiheit und Demokratie ermöglicht die Wiedereinführung der theologischen Fakultät in den Hochschulen des Landes, was in wesentlicher Form zur Förderung des Dialogs zwischen Kultur, Wissenschaft und Glauben beitragen wird. Die Universität ist in der Tat die beste Umgebung für einen Dialog, dessen positive Auswirkungen der Formung neuer Generationen zugute kommen werden, deren moralische Haltung und aktive Eingliederung in die Gesellschaft sie lenken können. Mögen eure Schulen und insbesondere eure Universitäten wahre „Geistesschmieden“ sein, um hervorragende und kompetente Vertreter der verschiedenen Wissensgebiete aber auch Menschen auszubilden, die sich ihrer großen Aufgabe, dem Dienst am Menschen, zutiefst bewusst sind. Zu den Früchten der dynamischen Beziehung zwischen Glauben und Vernunft gehört zweifellos ein neues ethisches und spirituelles Aufblühen in eurem Land, das jahrzehntelang den zerstörerischen Auswirkungen des atheistischen Materialismus ausgesetzt war. Dieses erneute Aufblühen der Werte ist der beste Schutz gegen die konsumorientierten und hedonistischen Herausforderungen unseres Zeitalters. Von diesen festen, grundlegenden Werten ausgehend, kann sich somit der Mensch, die Familie und die Gesellschaft der Wahrheit entsprechend aufbauen, und mit dem Blick auf jene ewige Bestimmung gerichtet, die Gott für jeden Menschen vorgesehen hat, sich der Freude und der Hoffnung öffnen. Auf diese Weise kann in Zukunft der für unser Zeitalter so dramatische Bruch zwischen Kultur und Evangelium vermieden werden (vgl. Paul VI. Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Eine Kultur, die Gott ablehnt, kann nicht als vollauf menschlich definiert werden, denn sie verbannt denjenigen aus ihrem Horizont, der den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, ihn durch das Opfer Christi erlöst und durch die Salbung des Heiligen Geistes geheiligt hat. Daher muss der Mensch, all seinen Dimensionen entsprechend, Mittelpunkt jeder Kulturform und Anhaltspunkt jeder wissenschaftlichen Arbeit sein. 5. Gott hat euch ein herrliches Land geschenkt, dessen Nationalhymne mit den Worten: „Unsere schöne Heimat“ beginnt. Sind sie nicht ein deutlicher Hinweis auf unsere Pflicht, die Natur zu achten und jenen Lebensraum mit Verantwortungsbewusstsein zu behandeln, den die Vorsehung dem Menschen geschenkt hat? Die Welt ist wie eine Bühne, auf der jeder aufgerufen ist, seine Rolle zum Lobpreis des Schöpfergottes und Erlösers zu übernehmen. Nach wahrer Weisheit dürstend, nach der Kenntnis des Universums und den Gesetzen, die es regeln, fasziniert von dem Wahren, Guten und Schönen, seid ihr auf der Suche nach der „Erstursache“ von allem: Gott, Quell jeder Wahrheit, der in seiner Weisheit alles erhellt und lenkt, was existiert. Möge das Wort Gottes eure Bemühungen zur Erforschung jener Wege erleuchten, die zur Wahrheit führen. Werdet aus tiefer Liebe zu ihr, bei der Erfüllung eurer täglichen Arbeit, ihre be- 336 REISEN geisterten Ergründer und die eifrigen Mitarbeiter derjenigen, die auf der Suche nach ihr sind. 6. Schließlich noch ein besonderes Wort an die Männer und Frauen aus Wissenschaft und Kultur, die sich zum Christentum bekennen: Ihnen ist die unermüdliche Evangelisierung jenes Bereiches anvertraut, in dem sie ihre Tätigkeit ausüben. Mögen ihre Herzen für die Impulse des Heiligen Geistes offen sein, jenes „Geistes der Wahrheit“, der „in die ganze Wahrheit“ (vgl. Joh 16,13) führt. Diese wichtige Aufgabe erfordert die unablässige Vertiefung dessen, was mit der Zustimmung zum Glauben an Christus verbunden ist, das „wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9), „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (7 Kor 1,24), denn „alles ist durch ihn und auf ihn hingeschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,16-17). Möge jeder mit Würde diese wichtige Aufgabe übernehmen und sich bemühen, ihr mit Hochherzigkeit zu entsprechen. Dem Schutz der heiligsten Mutter Gottes, die die Kirche als Thron der Weisheit verehrt, vertraue ich all jene an, die in tiefer Aufrichtigkeit nach der Wahrheit suchen und erteile allen den Segen Gottes. Zagreb, am 3. Oktober 1998, im XX. Jahr meines Pontifikates Joannes Paulus PP. II Nachtrag Nach Überreichung der Botschaft, die verlesen wurde, sprach der Papst die folgenden Worte: Diese Begegnung war notwendig, um den Reichtum einer Realität hervorzuheben, die sich Kroatien nennt. Dieser Reichtum kommt insbesondere auf kultureller Ebene zum Ausdmck. Neben der Natur stellt auch die Kultur die Anwesenheit der menschlichen Personen und Nationen dieser Erde in den Vordergrund. Sie, meine Damen und Herrn, haben diesen Reichtum nur kurz dargestellt, denn hier ist es nicht möglich, auf Einzelheiten einzugehen; ich glaube aber, dass Einzelheiten an sich auch von großer Bedeutung sind. Ich danke Ihnen von Herzen für dieses Treffen und wünsche Ihnen auch weiterhin viel Erfolg auf dem Weg Ihrer jeweiligen professionellen Berufungen. Gute Nacht. 337 REISEN Ein einzigartiges Zeugnis, das Licht ausstrahlt und Hoffnung gibt Predigt bei der Seligsprechung von Kardinal Alojzije Stepinac in Marija Bistrica am 3. Oktober 1. „Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Die eben vernommenen Worte Christi führen uns unmittelbar zum Kern des Mysteriums, das wir nun feiern. In ihnen kommt gewissermaßen das gesamte Osterereignis zum Ausdruck: Sie sprechen vom Kreuzestod des Erlösers am Karfreitag und richten unsere Aufmerksamkeit gleichzeitig auch auf den Ostermorgen. Jeden Tag während der heiligen Messe, nach der Segnung von Brot und Wein, erinnern wir mit folgenden Worten an dieses Mysterium: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Das „Weizenkom, das in die Erde fällt“, ist vor allem Christus, der auf Golgota starb und in der Erde begraben wurde, um allen das Leben zu schenken. Aber dieses Geheimnis vom Tod und vom Leben verwirklicht sich auch im Erdendasein der Jünger Christi: auch für sie ist das „In-die-Weltgeworfen-Sein“, um in ihr zu sterben, die Voraussetzung für jede wahre geistige Fruchtbarkeit. War das nicht auch das Geheimnis unseres unvergesslichen und unvergessenen Erzbischofs, Kardinal Alojzije Stepinac, den wir heute im Glanz der Seligkeit sehen? Er teilte das Ostergeheimnis auf ganz besondere Art und Weise: als Weizenkom „fiel er auf die Erde“, auf diese kroatische Erde, und sein Tod erbrachte Früchte, reiche Früchte, „...wer aber sein Leben in der Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben“ (Joh 12,25). Die Worte des soeben verlesenen zweiten Korintherbriefs stehen in enger Verbindung zu dem heutigen Ereignis. Der hl. Paulus schreibt: „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil“ (2 Kor 1,5). Ist diese Aussage nicht ein bedeutsamer Kommentar der Worte Christi über das sterbende Weizenkom? Denjenigen, die intensiv am Leiden Christi teilnehmen, wird dank seines Opfers auch der starke Trost zuteil, der jener Fülle des Guten entspringt, dessen Ursprung das Kreuz ist. 2. „Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Fracht“ (Joh 12,24). Voll Freude danken wir Gott heute für die neue Fracht der Heiligkeit, die uns die kroatische Erde in der Person des Märtyrers Alojzije Stepinac, Erzbischof von Zagreb und Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, schenkt. Im Laufe der Jahrhunderte, bereits zur Zeit des römischen Reiches, hat diese Region zahlreiche Märtyrer hervorgebracht, wie beispielsweise Venanzius, Domnius, Anastasia, Quirinus, Eusebius, Pollio, Maurus und viele andere. In späteren Jahrhunderten kommen Nikolaus Tavelic und Markus von Krizevci hinzu wie auch zahlreiche Glaubensbekenner zur Zeit der türkischen Herrschaft, bis hin zu denje- 338 REISEN nigen unserer heutigen Epoche, unter denen die leuchtende Persönlichkeit von Kardinal Stepinac hervortritt. Durch ihr Opfer, vereint mit dem Leiden Christi, haben sie ein einzigartiges Zeugnis gegeben, das auch im Laufe der Zeit nichts von seiner Bedeutsamkeit einbüßt, sondern weiterhin Licht ausstrahlt und Hoffnung gibt. An ihrer Seite haben auch zahlreiche andere Hirten und einfache Gläubige, Männer und Frauen, ihre Treue zu Christus mit dem Blut bezeugt. Sie gehören zu der Vielzahl derjenigen, die mit weißen Gewändern und Palmzweigen in den Händen vor dem Thron des Lamms stehen (vgl. Ojfb 7,9). Der sei. Alojzije Stepinac hat nicht im wahrsten Sinn des Wortes sein Blut vergossen. Ursache seines Todes war die lange schmerz- und leidvolle Zeit: in den letzten 15 Jahren seines Lebens war er andauernden Quälereien und Schikanen ausgesetzt, die ihn jedoch nicht am mutigen Einsatz seines Lebens zur Bezeugung des Evangeliums und der Einheit der Kirche hinderten. „Er legte sein Los in die Hände Gottes“ (vgl. Ps 16,5). 3. Lediglich 38 Jahre sind seit dem Leben und Tod von Kardinal Stepinac vergangen. Wir alle kennen die Umstände seines Todes. Viele der hier Anwesenden können aus eigener Erfahrung bezeugen, wie sehr die Bevölkerungen Kroatiens und vieler anderer Nationen des Kontinents in jenen Jahren das Leid Christi geteilt haben. Heute, eingedenk der Worte des Apostels, wollen wir allen, die in diesen Gebieten leben, von ganzem Herzen wünschen, dass ihnen nach dem Leid nun der Trost des gekreuzigten und auferstandenen Christus reichlich zuteil werde. Die heutige Seligsprechung ist für uns alle zweifellos ein ganz besonderer Grund des Trostes. Diese feierliche Zeremonie findet im kroatischen Nationalsanktuarium von Marija Bistrica am ersten Samstag im Oktober statt. Unter den Augen der heiligsten Jungfrau wird ein bedeutender Sohn dieses gesegneten Landes am hundertsten Jahrestag seiner Geburt seliggesprochen. Das ist ein historischer Augenblick im Leben der Kirche und eurer Nation. Der Kardinalerzbischof von Zagreb, einer der herausragendsten Persönlichkeiten der katholischen Kirche, geht nun, nachdem er in körperlicher und geistiger Hinsicht die Grausamkeit des kommunistischen Systems erdulden musste, mit den leuchtenden Zeichen des Martyriums in die Erinnerung seiner Mitbürger ein. Auf Anregung der Bischöfe eures Landes findet die Seligsprechung von Kardinal Stepinac hier, im Sanktuarium von Marija Bistrica, statt. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, wie wichtig für Polen - zur Zeit der kommunistischen Herrschaft - das Heiligtum von Jasna Göra war, zu dem das Hirtenamt des Dieners Gottes, Kardinal Stefan Wyszynski, eine ganz besondere Beziehung hatte. Es ist nicht verwunderlich, dass das Sanktuarium, in dem wir uns nun befinden, oder das in Solona, wohin ich morgen reisen werde, für euch einen ähnlichen Wert hat. Seit langem war es mein Wunsch, das Heiligtum von Marija Bistrica zu besuchen. Deshalb bin ich gerne auf die Anregung des kroatischen Episkopats eingegangen und vollziehe heute an diesem bedeutsamen Ort die feierliche Seligsprechung. 339 REISEN Von Herzen grüße ich die hier versammelten kroatischen Bischöfe, insbesondere den verehrten Kardinal Franjo Kuharic und den Erzbischof von Zagreb und Präsidenten der Kroatischen Bischofskonferenz, Josip Bozanic. Ferner begrüße ich die Kardinale Sodano, Meisner, Puljic, Schönbom, Ambrozic und Korec, alle Erzbischöfe und Bischöfe aus verschiedenen Ländern, die bei diesem Anlass nicht fehlen wollten. Mein herzlicher Gruß gilt auch den Priestern, Ordensleuten und allen Christgläubigen, ebenso wie den bei dieser Feier anwesenden Vertretern anderer Religionen. Mit ganz besonderer Ehrerbietung wende ich mich an den Staatspräsidenten, den Regierungschef und an die Vertreter der zivilen und militärischen Obrigkeiten des Landes, deren Anwesenheit uns Ehre erweist. 4. „Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach“ (Joh 12,26). Für den sei. Aloj-zije Stepinac war der Gute Hirt der alleinige Lehrmeister, an dessen Beispiel er bis zuletzt sein Verhalten orientierte, indem er schließlich sein Leben für jene Herde opferte, die ihm in einem besonders schwierigen Zeitabschnitt unserer Geschichte anvertraut worden war. Die Person dieses neuen Seligen ist gewissermaßen die Synthese jener Tragödie, von der die kroatische Bevölkerung und Europa im Laufe dieses von drei Übeln heimgesuchten Jahrhunderts - dem Faschismus, dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus - betroffen waren. Er teilt nun die Freuden des Himmels, umgeben von all jenen, die, wie er, den guten Kampf geführt und ihren Glauben im „Schmelztiegel des Leidens“ gefestigt haben. In tiefem Vertrauen bitten wir ihn heute um seine Fürsprache. In dieser Hinsicht sind jene Worte von Bedeutung, die der neue Selige 1943 während des zweiten Weltkriegs zum Ausdruck brachte, als Europa sich in der Umklammerung unerhörter Gewalttätigkeit befand: „Welches System unterstützt die katholische Kirche heute, während die ganze Welt für eine neue Ordnung kämpft? Jede Ungerechtigkeit, das Töten Unschuldiger, das Niederbrennen friedlicher Dörfer, die Zerstörung der mühevollen Arbeit der Armen, ... verurteilend, erwidern wir: die Kirche unterstützt dieses System, das so alt ist wie die Zehn Gebote Gottes. Wir sind für jenes System, das nicht auf vergänglichen Tafeln geschrieben wurde, sondern vielmehr mit dem Finger des lebendigen Gottes in das Gewissen der Menschen eingeschrieben worden ist“ (Predigten, Ansprachen, Botschaften, Zagreb 1996, 179-180). 5. „Vater, verherrliche deinen Namen!“ (Joh 12,28). Durch seine menschliche und geistliche Haltung war der sei. Alojzije Stepinac eine Art Wegweiser für sein Volk, an dem es sich orientieren konnte. Die wesentlichen Punkte dieses Wegs waren der Glaube an Gott, die Achtung des Menschen, Liebe und Vergebung für alle, Einheit mit der vom Nachfolger Petri geführten Kirche. Er war sich sehr wohl bewusst, dass man nicht um die Wahrheit feilschen kann, denn sie ist keine Handelsware. Daher nahm er lieber Leid und 340 REISEN Schmerz auf sich, anstatt seinem Gewissen untreu zu werden und das Christus und der Kirche gegebene Versprechen zu brechen. Er war nicht der einzige mutige Zeuge. An seiner Seite standen andere, die, zur Wahrung der Einheit der Kirche und zur Verteidigung der Freiheit, bereitwillig mit ihm das harte Los der Haft, Misshandlung und sogar Folter geteilt haben. Dieser Schar hochherziger Menschen - Bischöfe, Priester, Ordensleute, Christgläubige - gilt heute unsere Bewunderung und dankbare Anerkennung. Mögen wir uns ihre dringende Aufforderung zur Vergebung und Aussöhnung zu eigen machen. Vergeben und versöhnen bedeutet, den Geist von Hass, Groll und Rachsucht befreien; es bedeutet, auch denjenigen als Bruder anzuerkennen, der uns Unrecht getan hat; es bedeutet, sich nicht vom Bösen besiegen zu lassen, sondern das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm 12,21). 6. „Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes“ (2 Kor 1,3), für dieses neue Geschenk seiner Gnade. Gepriesen sei der eingeborene Sohn Gottes und Erlöser der Welt für sein glorreiches Kreuz, das durch den Erzbischof von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepi-nac, einen solch herrlichen Sieg errungen hat. Sei gepriesen, Geist des Vaters und des Sohnes, „Paraklet“, der du deine Heiligkeit in den Menschen stets offenbarst und dein Heilswerk unablässig fortsetzt. Dreieiniger Gott, heute möchte ich dir für den starken Glauben deines Volkes danken, den es trotz zahlreicher Hindernisse im Laufe der Jahrhunderte bewahrt hat. Ich danke dir für die zahllosen Märtyrer und Bekenner, Männer und Frauen jeden Alters, die in diesem gesegneten Land erblühen konnten! „Vater, verherrliche deinen Namen!“ (Joh 12,28). Lob sei Jesus und Maria! Gemeinsames Handeln in gegenseitigem Einvernehmen ist gefragt Ansprache bei der Begegnung mit der Kroatischen Bischofskonferenz in Split am 4. Oktober Geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, nach der gestrigen Seligsprechung des eifrigen und mutigen Hirten dieses Landes, Alojzije Stepinac, in Marija Bistrica, mit euch zusammenzukommen. Von Herzen grüße ich euch alle und danke euch für das furchtlose Zeugnis, das ihr besonders in den letzen Jahren, als dieses Land auf tragische Weise heimgesucht wurde, vor der gesamten Kirche und vor der Welt immer wieder abgelegt habt. Durch euch möchte ich auch gerne den Priestern und Diakonen meine herzlichsten Segenswünsche zukommen lassen, die ja zusammen mit euch die täglichen Mühen 341 REISEN des Apostolates teilen. Ebenso will ich aber auch den Ordensmännem und -frauen sowie all jenen meine tiefe Wertschätzung gegenüber zum Ausdruck bringen, die täglich Zeugnis für das Evangelium abgelegt und ihr Leben in den Dienst Gottes und der Brüder und Schwestern gestellt haben. Setzt euren Dienst an diesem Teil des Gottesvolkes mutig fort, um derentwillen ihr ja in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri als Priester, Hirten und Meister eingesetzt worden seid. Auch rufe ich euch dazu auf, weiterhin das Beispiel all derer nachzuahmen, die auf den Spuren des Guten Hirten ihr eigenes Leben für die Herde Christi hingegeben und für das Zustandekommen der kirchlichen Einheit gewirkt haben, wie zum Beispiel der Selige Alojzije Stepinac. 2. Die Gemeinschaft aller Gläubigen ist der ausdrückliche Wille unseres Erlösers. Sie ist wesentliches Element aller apostolischen Tätigkeiten und Fundament der Evangelisierung. Möge Gott euch „die Einmütigkeit, die Jesus Christus entspricht“, gewähren, „damit ihr“ ihn „einträchtig und mit einem Munde preist“ (vgl. Röm 15,5-6) und sein Reich unter eurem Volk errichtet. Die kroatische Kirche soll die aus verschiedenen Kräften zusammengesetzte Gemeinschaft wieder konsolidieren, um ihre Ziele zu erreichen, die ihr im heutigen Klima der Freiheit und Demokratie gesetzt sind. Für die Initiativen, die ihr zur Förderung der aufrichtigen Zusammenarbeit der verschiedenen kirchlichen Gruppen ergriffen habt, kann ich euch nur Mut zusprechen. Auch rufe ich euch dazu auf, die spirituelle Bereitschaft zur Gemeinschaft und zum Gehorsam euch Bischöfen gegenüber immer mehr zu vertiefen. Eine solche Geisteshaltung wird der gesamten christlichen Gemeinschaft zugute kommen. Die Fähigkeit zum gegenseitigen Einvernehmen und gemeinsamen Handeln wird trotz der Achtung der rechtmäßigen Ansprüche eines jeden einzelnen reiche Früchte in Glauben, Hoffnung und Liebe zeitigen, was auch gleichzeitig vor den Augen der Welt ein großartiges Zeugnis für die Einheit in Christus darstellt. Geliebte Brüder im Bischofsamt, „nur das mit dem Bischof geeinte Volk und die ihrem Hirten anhängende Herde [bildet] die Kirche“ (Cyprian, Epist. 66, 8: CSEL, 3, 2, 733). Deshalb möchte ich euch Mut zusprechen für euren täglichen Einsatz, durch den ihr die kirchliche Gemeinschaft in all ihren Bereichen zu festigen versucht. Euer Anliegen ist es, dass Klerus und Gläubige an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten festhalten (vgl. Apg 2,42). Bleibt stets untereinander vereint, und haltet die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom und den anderen Mitgliedern des Bischofskollegiums - vor allem aber mit den Bischöfen Bosniens und der Herzegowina - aufrecht. 3. Die Hauptaufgabe eurer Kirche in dieser historischen Stunde ist es, immer wieder das Evangelium Christi in allen Gesellschaftsbereichen zu verkünden. Es ist dies ein Unterfangen, das die Mobilisierung aller vorhandenen Kräfte innerhalb der Kirche, jeden Einsatz aller Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien verlangt. Euer Land sowie auch andere Länder Osteuropas müssten in den letzten Jahrzehnten die bitteren Erfahrungen des materialistischen Atheismus hinnehmen. Heute 342 REISEN jedoch lebt ihr in einem ganz neuen demokratischen Klima und solltet daher auch einen starken Impuls zur Neuevangelisierung geben, damit der Mensch, die Familie und die Gesellschaft nicht irregeführt werden und dem Konsumismus und Hedonismus erliegen. Deshalb sollen jene Werte bezeugt und verkündet werden, die zum authentischen und von Freude erfüllten Leben führen. Diese Werte sind auf das Herz des Menschen ausgerichtet und erfüllen es mit Hoffnung auf das zukünftige Erbe, das Gott seinen Kindern bereitet hat. So ist also auch die kroatische Kirche dazu aufgerufen, ihre eigenen religiösen und kulturellen Wurzeln wieder zu entdecken, damit sie gefasst und vertrauensvoll die nahe Schwelle des neuen Jahrtausends übertrete. Ein weiterer Impuls zur Neuevangelisiemng entsteht heutzutage auch durch den ökumenischen Dialog mit den anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften. Werdet nicht müde, im Einklang mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils einen solchen Dialog nach Kräften zu fördern in der Hoffnung, eines Tages vor der Welt ein gemeinsames Zeugnis von Christus abzulegen. Gleichzeitig sollt ihr auch dem interreligiösen Gespräch einen gewissen Stellenwert einräumen, dessen Ziel es ist, unnötige Verständnislosigkeit zu eliminieren und den gegenseitigen Respekt und die Zusammenarbeit im Dienst am Menschen zu erleichtern. Bei all euren Vorhaben und Aktivitäten darf das intensive Gebet sowie die aktive und überzeugte Teilnahme als einzelne, als Familie und als Gemeinschaft an den Sakramenten der Kirche - in besonderer Weise am Altarsakrament - nie fehlen. In dieser Zeit großer Veränderungen und Umwälzungen braucht Kroatien Männer und Frauen, die von lebendigem Glauben erfüllt sind und es verstehen, von der Liebe Gottes zu den Menschen Zeugnis abzulegen sowie die Bereitschaft kundzutun, ihre Kräfte in den Dienst des Evangeliums zu stellen. Euer Land braucht Apostel, die auf die Menschen zugehen, um ihnen die Frohbotschaft nahe zu bringen; euer Land braucht betende Menschen, die unaufhörlich ihren Lobgesang der Allerheiligsten Dreifaltigkeit emporbringen und zu „Gott, unserem Retter“, flehen, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (vgl. 1 Tim 2,4). Außerdem braucht euer Land auch gläubige Laien, die vor Staat und Gesellschaft für das Evangelium Zeugnis ablegen. Ihnen kommt in der Tat die Aufgabe zu, jene Bereiche zum Wohl der gesamten Gesellschaft mit dem Geist Christi zu durchdringen. 4. Um auf solche Herausforderungen eine entsprechende Antwort zu finden, muss ein besonderer Akzent auf die Ausbildung des Priester- und Ordensnachwuchses sowie auf die Unterweisung aller gelegt werden, die im Weinberg des Herrn tätig sind. In diesem Sinne ist es auch notwendig, die pastoralen Berufungen zu fördern. Von den Priestern wird erwartet, dass sie authentische, konsequente und mit Freude erfüllte Zeugen Christi und seines Evangeliums sind und sich mit den bei der Weihe übernommenen Aufgaben identifizieren. Apostolischer Eifer und pasto-rale Aktivität wollen durch Gebet und Betrachtung genährt und gestützt werden, so dass jeder selbst auch das nachleben kann, was er selbst predigt und täglich in der 343 REISEN Feier der Heiligen Mysterien und im Singen des Gotteslobes begeht. In diesem Zusammenhang ist der Zölibat, durch den der Priester sich selbst Gott zum Geschenk macht, ein vorbehaltloses Zeugnis der Annahme des Planes, den der himmlische Vater mit ihm vorhat. Gott hat diesen Plan seiner Liebe zu uns und in ständiger Gemeinschaft mit Christus, dem Guten Hirten, geschaffen. Die Spiritualität wird auch durch die verschiedenen Formen der Volksfrömmigkeit und kirchlichen Traditionen, wie regelmäßige Beichte, Meditation, eucharistische Anbetung, Kreuzweg und Rosenkranzgebet, bereichert werden. Aufgabe des Bischofs ist es unter anderem auch, die Ordensleute in ihrer totalen Hingabe an den Herrn zu unterstützen, indem er sie dazu ermutigt, das jeweilige Ordenscharisma großzügig zu leben und umzusetzen und stets in Einheit mit ihrer Ortskirche, aber auch mit der Universalkirche zu handeln. 5. Es sollte auch die angemessene Art und Weise gefunden werden, den Menschen unserer Tage zu helfen, damit sie das große Vorhaben, das Gott mit uns hat, verstehen und annehmen. In der Tat bedürfen wir Menschen von heute des rechten Verständnisses, jene Würde, die uns Gott geschenkt hat, zu unserer eigenen zu machen. Er hat uns nach seinem Abbild geschaffen (vgl. Gen 1,26-27) und uns durch das Blut Christi erlöst (vgl. Apg 5,9). In eurer Seelsorge soll die Familie als „Hauskirche“ einen besonderen Stellenwert einnehmen, denn „die Zukunft der Welt und der Kirche führt über die Familie“ (.Familiaris consortio, Nr. 75). Sie wird im Stande sein, auf die Herausforderungen und Hinterhalte der heutigen Welt in dem Maß zu reagieren, in dem sie sich für Gott zu öffnen wissen und das „Geheimnis der Einheit und der fruchtbaren Liebe zwischen Christus und der Kirche“ (Lumen Gentium, Nr. 11) leben und in die Tat umsetzen. Eine Familie, in der „die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sind“ (ebd.), stellt auch in der heutigen Welt einen wertvollen Missionsbeitrag dar, indem sie - dem Beispiel der heiligen Familie von Na-zaret folgend - zu einem Ort des Glaubens und der Liebe wird. Die Menschen unserer Zeit brauchen einen klaren Naturbegriff und eine richtige Auffassung von der Berufung der Familie. Werdet daher nicht müde, sie den christlichen Ehe- und Familienbegriff zu lehren, und versucht, im Licht des Gotteswortes, die Aufgaben, die die heutige Zeit an uns stellt, zu vertiefen. Es soll euer aller Anliegen sein, durch die Mithilfe von Menschen, die auf diesem Gebiet erfahren und für solche Aufgaben entsprechend ausgebildet sind, eine intensive und sichere Familienpastoral zu fördern, bei der die Verteidigung des Lebens gemäß der Lehre der Kirche den erforderlichen Stellenwert einnimmt (vgl. Familiaris consortio, Nr. 36). Sorgt dafür, dass alle jene, die in diesem Seelsorgebereich tätig sind, eine adäquate Ausbildung bekommen, damit sie unverzüglich den Erwartungen der Verlobten und Verheirateten nachkommen können. Steht jenen Familien bei, die sich in Schwierigkeiten befinden, trachtet stets danach, dass das Wesen der Familie als Lebens- und Liebesgemeinschaft im Glauben gewahrt bleibt, besonders dann, wenn sie sich in sozialen und finanziellen Nöten befinden oder von Leid heimgesucht werden. 344 REISEN Aber es darf auch die Jugendpastoral nicht vergessen werden, denn der Jugend gehört die Zukunft, und wenn die Jugendlichen gut ausgebildet werden, so sind sie auch im Stande, gute Familien zu gründen, welche dadurch wiederum befähigt werden, ihren Kindern eine gute Erziehung angedeihen zulassen. Die Familienpastoral mit besonderem Augenmerk auf die Jugend präsentiert sich auf diese Weise sozusagen als ein Programm zur Erbauung der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft. Die Förderung der Menschen- und Familienwürde, die Förderung des Rechts auf Leben, das heutzutage besonders in Frage gestellt wird, sowie des Rechts auf Verteidigung der schwächsten Gesellschaftsschicht müssen bei eurer apostolischen Fürsorge einen besonderen Stellenwert mit dem Ziel einnehmen, dem modernen Kroatien „eine Seele zu geben“. Angesichts der sich verbreitenden „Kultur des Todes“, die sich vor allem in der Praxis der Abtreibung und der ständig wachsenden Befürwortung der Euthanasie zeigt, ist es das Gebot der Stunde, eine neue „Kultur des Lebens“ zu fördern. In diesem Sinne sind seelsorgliche Initiativen notwendig, die darauf ausgerichtet sind, den Männern und Frauen von heute zu helfen, die tiefe Bedeutung des Lebens wiederzuentdecken. Es geht hierbei nicht nur um junges und gesundes Leben, sondern auch um das Leben derer, die von Krankheit gezeichnet sind. Diesbezüglich bietet das Wort Gottes die wahre und endgültige Antwort. Die Verteidigung des Lebens gehört zur Mission der Kirche. In der Tat „ist Gott in sich unendlich vollkommen und glücklich. In einem aus reiner Güte gefaßten Ratschluß hat er den Menschen aus freiem Willen erschaffen, damit dieser an seinem glückseligen Leben teilhabe. Deswegen ist er dem Menschen jederzeit und überall nahe“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1). Heute wie gestern besteht für unsere Brüder und Schwestern die Notwendigkeit, Christus kennen zu lernen, der vom Vater gesandt wurde und der den Herzen der Menschen den Keim zu neuem und ewigen Leben, nämlich zum Leben als Kinder Gottes, eingepflanzt hat. Was diesen Bereich der Seelsorge anbelangt, so muss die Aufmerksamkeit auf die Ordnung gerichtet werden, der Gott den Menschen und die ganze Schöpfung unterstellt hat. 6. Geliebte Brüder im Bischofsamt, mögen die Kirchen, denen ihr vorsteht, stets vom Heiligen Geist geführt werden und ihr Handeln stets vom Ihm inspiriert sein. Mit euch gemeinsam flehe ich nun um den Schutz der Allerheiligsten Gottesmutter, der Königin Kroatiens sowie um die Fürsprache aller Heiligen und Seligen dieses Landes. Mögen diese Bitten durch einen besonderen Apostolischen Segen begleitet sein, den ich nun auf euch alle, auf euren Klerus, auf eure Ordensleute und auf alle Gläubigen eurer Diözesen herabrufe. 345 REISEN In Bildung und Erziehung Christus den Menschen nahe bringen Ansprache im Sanktuarium der „Muttergottes von der Insel“ in Solin beim Treffen mit Katecheten und Vertretern kirchlicher Bewegungen am 4. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Diese vor seiner Rückkehr zum Vater gesprochenen Worte Christi sind das Motto meines Pastoral-besuchs, der nun seinem Ende zugeht. Bereits zur Zeit der Apostel konnten diese Worte hier vernommen werden. Durch das Wirken des Heiligen Geistes in den Herzen der kroatischen Bevölkerung bewahren sie auch heute noch all ihre Kraft. Nach der gestrigen Seligsprechung des Märtyrers Alojzije Stepinac in Marija Bistrica bin ich heute hier in Salona. Zweck dieser apostolischen Reise war die geistige Verbindung der Glaubens- und Gebetsstätten eures Volkes, in Erinnerung an das seit den ersten Jahrhunderten bis in unsere heutige Zeit abgelegte Zeugnis für Christus. Auf uns blickt die „Muttergottes von der Insel“, die Muttergottes des großen kroatischen Taufversprechens, im marianischen Protosanktuarium Kroatiens. Wir haben uns heute an jenem Ort versammelt, an dem wichtige Andenken eures Glaubens aufbewahrt werden, die bis in die entfernte Vergangenheit eures Volkes zurückgehen. Dieser Ort hat eine besondere Bedeutung in der Geschichte der kroatischen Katholiken und der kroatischen Nation. Hier ist die Quelle eurer Identität; hier sind eure tiefen christlichen Wurzeln. Dieser Ort bezeugt die Treue der Katholiken dieser Region zu Christus und seiner Kirche. 2. Von ganzem Herzen danke ich dem Metropolitanerzbischof Msgr. Ante Juric für seine freundlichen Willkommensworte. Ferner grüße ich die Kardinale Franjo Ku-haric und Vinko Puljic wie auch alle anderen Mitbrüder im Bischofsamt, den Klerus, Ordensmänner und Ordensfrauen, die Lehrer, die Vertreter kirchlicher Vereinigungen und Bewegungen und vor allem die hier so zahlreich versammelte Jugend. Meine Lieben, ich möchte ein Wort der Hoffnung an euch richten und euch entladen, in der Kirche stets bereitwillig auf die Anregungen des Heiligen Geistes zu antworten, damit jeder in seinem eigenen Lebens- und Arbeitsbereich ein wirksames Zeugnis für Christus ablegen kann. „Ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und ihr alle wißt es ,ihr wißt die Wahrheit“1 (vgl. 1 Joh 2,20-21). Der sei. Alojzije Stepinac war ein außerordentliches Beispiel des christlichen Zeugnisses. Er erfüllte seinen Evangelisierungsauftrag vor allem durch die für die Kirche erlittenen Qualen und besiegelte seine Glaubensbotschaft mit dem Tod. Um die Freiheit und Einheit der Kirche zu verteidigen, nahm er eine lange Haft auf sich 346 REISEN und verzichtete auf die Freiheit. Keine Ketten konnten ihn daran hindern, das Wort Gottes frei zu verkünden. 3. Liebe Vertreter der kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, Christgläubige haben ihren eigenen Platz in der Kirche. Kraft der Taufe ist ein jeder entsprechend der von Gott geschenkten Gaben berufen, an der einen und universalen Sendung der Kirche mitzuwirken (vgl. Lumen Gentium, Nm. 33, 38; Apostolicam actuosi-tatem, Nr. 3). Daher muss jede Art von Ausschließlichkeit vermieden und ein gesunder Pluralismus der Vereinigungsformen gefördert werden, damit sich jene Charismen frei entfalten können, die der Heilige Geist für den Aufbau des Gottesreiches und das Wohl der Menschheit unermüdlich in der Kirche austeilt. Die Kirche in Kroatien setzt große Hoffnung auf euch. „Löscht den Geist nicht aus!“ (1 Thess 5,19). Die euch geschenkten Charismen müssen dem Wohl aller dienen, damit alles wie in einem einzigen lebendigen und gesunden Leib vor sich gehe (vgl. 1 Kor 12,12-27; Röm 12,4-5). „Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade“ (Röm 12,6). Die besondere Aufgabe der kirchlichen Laienbewegungen und -Vereinigungen ist die Förderang und Unterstützung der kirchlichen Gemeinschaft unter der Leitung des Bischofs, „sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“ (Lumen Gentium, Nr. 23). Keine kirchliche Gemeinschaft ist ohne die Gemeinschaft mit dem Bischof möglich. „Episcopo attendite, ut et Deus vobis attendat“ (Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an Polykarph, 6,1: Funk 1,250). 4. Liebe Lehrer, ihr habt den wunderbaren Auftrag, die Jugendlichen zu formen und ihnen Beispiel und Führung zu sein. Ihr wisst, dass jedes Erziehungsprojekt reich an geistigen, menschlichen und kulturellen Werten sein muss, um den ihm eigenen Zweck erfüllen zu können. Wie ich unlängst betont habe, „kann die Schule sich nicht darauf beschränken, jungen Menschen Kenntnisse in verschiedenen Wissensgebieten zu vermitteln; sie muss ihnen auch helfen, den Sinn des Lebens in der richtigen Richtung zu suchen“ (vgl. Angelus, 13. September 1998). Je mehr für die Erziehung und Bildung der neuen Generationen getan wird, um so mehr sind optimale Voraussetzungen für die Zukunft der Kirche und der Nation gegeben. Ohne gute Erziehung der neuen Generationen werden sich weder für die Zukunft der Ortskirche noch der Nation aussichtsreiche Möglichkeiten eröffnen. Form und Richtung der Zukunft sind weitgehend von euch Erziehern abhängig. Das II. Vatikanische Konzil betont: „das künftige Schicksal der Menschheit ruht in den Händen jener, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 31). Junge Menschen brauchen das Zeugnis selbstloser Liebe und vertrauensvoller Geduld. Mögen eben diese Liebe und Geduld eure stärksten Argumente sein. Möge euch stets die göttliche Erziehungslehre Jesu Christi inspirieren, der im Evangelium unser Lehrmeister wurde. Während ich euch aufrafe, bei der Erfüllung eurer Pflicht stets euer Bestes zu geben, möchte ich gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Gesell- 347 REISEN Schaft euren beruflichen Einsatz schätzen und auf angemessene Art und Weise anerkennen möge. Ferner möchte ich euch die tiefe Hochachtung der Kirche ausdrü-cken für euren wertvollen Dienst auf einem so schwierigen und grundlegenden Gebiet wie dem der Bildung jener, die sich auf das Leben vorbereiten. 5. An euch, liebe Katecheten und Religionslehrer möchte ich ein ganz spezielles Wort richten. Ihr seid berufen, in den Schulen und Pfarrgemeinden den jungen Generationen Christus nahe zu bringen, damit sie ihm nachfolgen und seine Zeugen sein können. Ihr seid berufen, der Jugend zu helfen, sich in die Kirche und die Gesellschaft einzugliedem und, im Licht des Evangeliums, jene Schwierigkeiten zu überwinden, denen sie bei ihrem menschlichen und spirituellen Reifen begegnen. Während er mit jungen Menschen über den Grund des Lebens und der Hoffnung spricht, ist der Katechet aufgerufen, ihnen auf eingehende und klare Weise von Gott und der Heilsgeschichte zu berichten, die im Tod und in der Auferstehung Jesu Christi ihren Höhepunkt erreicht. Im Mittelpunkt der Arbeit des Katecheten oder Religionslehrers steht die Verkündigung des Gotteswortes, um den Glauben zu wecken und ihn reifen zu lassen. Die Katechese und die Religionsstunde müssen eine Gelegenheit für jenes Zeugnis sein, das eine wahre, tiefe und den Glauben nährende Verbindung zwischen Lehrer und Schüler herstellt. 6. Noch ein Wort möchte ich erwähnen, vielleicht das wichtigste von allen. Es gilt euch, liebe Jugendliche. Es ist nur ein kurzes, aber wesentliches Wort: Jesus Christus ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (vgl. Joh 14,6). Er enttäuscht niemanden, er ist der beste Freund der Jugendlichen. Lasst euch von ihm ergreifen (vgl. Phil 3,12), um Protagonisten eines wirklich bedeutsamen Lebens zu sein, Protagonisten eines großen und herrlichen Abenteuers, erfüllt von Liebe zu Gott und dem Nächsten (vgl. Mt 22,31-40). In euren Händen liegt die Zukunft: die eure, aber auch die der Kirche und eurer Heimat. Schwere Verantwortungen erwarten euch, aber ihr werdet euren Aufgaben gewachsen sein, wenn ihr euch nun mit Hilfe eurer Familien, der Kirche und der Bildungseinrichtungen entsprechend vorbereitet. Möget ihr euren Platz in der Kirche und der Gesellschaft finden und hochherzig jene Aufgaben übernehmen, die euch nun innerhalb und außerhalb der Familie anvertraut werden. Das ist die beste Art und Weise, um euch auf die zukünftigen Aufgaben vorzubereiten. Vergesst nie, dass jede Lebensweise, die nicht dem Plan Gottes für die Menschheit entspricht, früher oder später zum Scheitern verurteilt ist. Nur mit Gott und durch Gott kann sich der Mensch vollkommen entfalten und jene Fülle erreichen, auf die er in der Tiefe seines Herzens hingeordnet ist. Von einem eurer Dichter stammen folgende Worte: „Felix, qui semper vitae bene computat usum“ (M. Marulic, Carmen de doctrina Domini nostri Iesu Christi pen-dentis in Cruce, v. 77). Ausschlaggebend ist die Entscheidung für die wahren, nicht die vergänglichen Werte, für die ganze, nicht die halbe oder falsche Wahrheit. Misstraut denjenigen, die euch einfache Lösungen versprechen. Ohne Opfer kann nichts Großes aufgebaut werden. 348 REISEN 7. Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Ein letzter Gruß an alle, insbesondere an euch, die Bevölkerung Salonas: seid stolz auf die Schätze des Glaubens, die die Geschichte euch anvertraut hat. Möget ihr sie sorgsam hüten. Mit den Worten des sei. Alojzije Stepinac möchte ich mich von euch verabschieden: „Ihr seid der Namen eurer Väter nicht würdig, wenn ihr es zulassen würdet, von jenem Fels getrennt zu sein, auf dem Christus seine Kirche auferbaut hat“ (Auszug aus dem Testament von 1957). Ihr, die dem Fleisch nach zu unserem Heil die Mutter des fleischgewordenen Wortes ist, vertraue ich euch alle an. Möge die „Muttergottes von der Insel“ in diesem ihrem altehrwürdigen Sanktuarium auf kroatischem Boden über euch, eure Familien, eure Heimat wachen und, nunmehr auf der Schwelle des neuen Jahrtausends, in eurem Zeugnis für Christus unterstützen! Allen spende ich meinen Segen! Gelobt seien Jesus und Maria! Freiheit braucht ihre Sicherung durch Einhaltung der Grundrechte Predigt bei der Eucharistiefeier in „Znjan“-Split am 4. Oktober 1. „Wir sind unnütze Sklaven“ (Lk 17,10). Sicherlich hallte das Echo dieser Worte in den Herzen der Apostel wider, als sie sich aufmachten und, seinem Befehl folgend, das Evangelium in aller Welt verkündeten. Dem Reich Gottes dienend gingen sie von Stadt zu Stadt, von Region zu Region, stets mit den Worten Jesu im Herzen: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ {Lk 17,10). Dieses Bewusstsein gaben sie an ihre Jünger weiter, auch an jene, die als erste das Adriatische Meer überquerten und das Evangelium in das römische Dalmatien bis nach Pannonien brachten, zu jenen Völkern, die im damaligen Zeitalter diesen schönen Küstenstreifen und andere nicht minder reizvolle Gebiete bewohnten. So verbreitete sich der Glaube unter euren Vorfahren, die ihn ihrerseits an euch weitergegeben haben. Dieser lange Entwicklungsprozess beginnt zur Zeit des hl. Paulus und erhält mit dem Eintreffen kroatischer Völker im 7. Jahrhundert neue Impulse. Heute wollen wir der Allerheiligsten Dreifaltigkeit für die Taufe danken, die eure Vorfahren erhalten haben. Aus dem Orient und aus Italien - aus Rom - kommend, gelangte das Christentum nach Kroatien und formte die Tradition eures Landes. Diese Erinnerung weckt in uns ein Gefühl tiefster Dankbarkeit für dieses zweifache Geschenk der göttlichen Vorsehung: vor allem für das Geschenk der Berufung zum Glauben, aber auch für das der Früchte, die in eurer Kultur und Tradition heranreifen konnten. 349 REISEN Im Laufe der Jahrhunderte entstanden an der kroatischen Küste herrliche Bauwerke, die zu allen Zeiten die Bewunderung zahlloser Menschen hervorriefen. Alle konnten dieses außerordentliche Gut in seiner zauberhaften Umgebung genießen. Kriege haben jedoch einen Teil dieses Reichtums zerstört oder beschädigt und zu seinem tiefen Bedauern kann sich das menschliche Auge nicht mehr an ihm erfreuen. 2. „Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“. Das Wort Jesu wirft unweigerlich Fragen auf: haben wir wirklich unsere Schuldigkeit getan? Was sollen wir nun tun? Welche Aufgaben haben wir vor uns? Welche Mittel und welche Kräfte stehen uns zur Verfügung? Diese komplexen Fragen erfordern ausführliche Antworten. Wir stellen uns heute diese Fragen als Christen, als Jünger Christi, und in diesem Bewusstsein lesen wir auch die Stelle aus dem Brief des hl. Paulus an Timotheus. In seinem Schreiben erwähnt der Apostel die Namen einiger Jünger und spricht auch von Titus und dessen Mission in Dalmatien. Titus gehörte also zu den ersten, die diese Gebiete evangelisierten, ein besonderes Zeugnis jener apostolischen Sorge, das Evangelium bis hierhin, in eure Heimat, zu tragen. Die Worte des Apostels Paulus, eines nunmehr hochbetagten Paulus, offenbaren jenen apostolischen Eifer, der ihn sein Leben lang erfüllt hat. Nun ist für ihn der Augenblick seines Aufbruchs gekommen (vgl. 2 Tim 4,6). An seinen Jünger schreibt er: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten“ (2 Tim 4,7). Ein Zeugnis aber auch ein Testament. In dieser Hinsicht sind seine abschließenden Worte von größerer Bedeutung: „der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören“ (2 Tim 4,17). Mögen all jene, die heute, am Ende des zweiten Jahrtausends, das Werk der Evangelisierung fortsetzen, hieraus Erleuchtung und Trost schöpfen. In diesem göttlichen und gleichsam menschlichen Werk müssen wir uns auf die Kraft des Herrn berufen. Auf der Schwelle des neuen Jahrtausends sprechen wir berechtigterweise von der Dringlichkeit der Neuevangelisierung: neu in der Methode, aber identisch im Hinblick auf die Wahrheiten, die wir verkünden. Die Neuevangelisierung ist heute eine enorme Aufgabe: inhaltlich und bestimmungsmäßig von universalem Charakter, muss sie sich in der Form differenzieren und den Erfordernissen der verschiedenen Örtlichkeiten angepasst sein. Wie sehr spüren wir doch die Notwendigkeit des göttlichen Eingreifens, das uns in unserer Nichtigkeit stützt. Lasst uns beten, damit die Kirche eures katholischen Landes mit Gottes Hilfe die Anforderungen und Aufgaben der Neuevangelisierung erkennen und ihren Einsatz im Hinblick auf das „Tertio millennio adveniente“ orientieren möge. 3. Ich danke dem Metropolitanerzbischof Msgr. Ante Juric für die Willkommensworte, die er als Gastgeber zu Beginn dieser Eucharistiefeier im Namen aller Anwesenden und aller Menschen guten Willens dieser teuren kroatischen Regionen an mich gerichtet hat. 350 REISEN Ferner grüße ich den Bischof der Kirchenprovinz Split-Makarska wie auch alle anderen kroatischen Bischöfe und insbesondere Kardinal Franjo Kuharic. Dankbar heiße ich auch die Hirten der Kirche aus dem nahen Bosnien-Herzegowina willkommen: den Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic, in Begleitung von Weihbischof Msgr. Pero Sudar, den Bischof von Mostar-Duvno und den apostolischen Administrator von Trebinje-Mrkan, Msgr. Ratko Peric, den Bischof von Banja Luka, Msgr. Franjo Komarica. Ferner grüße ich auch alle anderen hier anwesenden Bischöfe. Es freut mich sehr, auch den serbisch-orthodoxen Metropolit Jovan und den lutheranischen Bischof Deutsch hier begrüßen zu können. Unser Gebet vereint uns um Jesus. Gleichsam grüße ich auch die Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften, die hier mit uns versammelt sind. Schließlich grüße ich den Präsidenten der Republik, den Regierungschef und die Vertreter staatlicher und militärischer Obrigkeiten, die die heutige Feier mit uns teilen wollten. 4. Meine Lieben, Spalato und Salona sind die zweite und letzte Etappe meines Pastoralbesuchs in Kroatien. Beide Städte hatten - im römischen Zeitalter und auch später - eine ganz besondere Bedeutung für die Entwicklung des Christentums in dieser Region und erinnern an die lange, außerordentliche Geschichte ihres Glaubens, von der Zeit der Apostel bis in die Gegenwart. „Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn“ (Lk 17,6), sagt uns Christus in dem eben verlesenen Evangelium. Durch die Gnade Gottes konnte dieses Samenkorn des Glaubens keimen und wachsen und schließlich ein großer Baum werden und reiche Früchte der Heiligkeit tragen. Auch in den härtesten Zeiten eurer Geschichte fehlte es nicht an Männern und Frauen, die unermüdlich wiederholten: „Der katholische Glaube ist meine Berufung“ (Diener Gottes Ivan Merz, aus Positio super vita, virtutibus et fama sanctitatis, Rom 1998, S. 477); Männer und Frauen, die den Glauben zu ihrem Lebensprogramm gemacht haben. So war es für den Märtyrer Domnio zur römischen Zeit und für zahlreiche andere unter türkischer Besatzung bis zum sei. Alojzije Stepinac unserer heutigen Zeit. Die Entscheidung eurer Vorväter, den katholischen Glauben anzunehmen, jenen Glauben, den die heiligen Apostel Petrus und Paulus verkündeten und bekannten, war von entscheidender Bedeutung für die religiöse und gesellschaftliche Entwicklung eurer Nation. ,Dieses Ereignis war von größter Wichtigkeit für die Bevölkerung Kroatiens, denn von jenem Augenblick an nahmen sie mit großer Bereitschaft das Evangelium Christi auf, so wie es von Rom verbreitet und gelehrt wird. Der katholische Glaube hat das Leben des kroatischen Volkes durchtränkt“: so schrieben eure Bischöfe (Pastoralbrief vom 16. März 1939) im Hinblick auf das für 1941 vorgesehene Jubiläum der Evangelisierung Kroatiens, das dann aber aufgrund jener Ereignisse vertagt werden musste, die euer Land, Europa und die übrige Welt erschüttert haben. 5. Dieses Erbgut ist verpflichtend. In meinem Brief an euch zum Branimir-Jahr, eine der Stationen der Jubiläumsfeierlichkeiten anlässlich der Bekehrung eures 351 REISEN Volkes, schrieb ich: „Durch eure Beharrlichkeit habt ihr eine Art Bündnis mit Christus und seiner Kirche geschlossen: an diesem Bündnis müßt ihr festhalten auch wenn die Zeiten gegen euch sind. Möget ihr stets so bleiben wie seit jenem glorreichen Jahr 879“ (15. Mai 1979). Diese Worte wiederhole ich auch heute, in dem neuen gesellschaftlichen und politischen Klima eures Landes. Der Herr hat nicht versäumt, eure Tage mit Hoffnung zu erleuchten (vgl. Eph 1,17-18), und nun lässt uns die gewonnene Freiheit und Demokratie berechtigterweise auf einen neuen Frühling des Glaubens auf kroatischem Boden hoffen. Die Kirche hat heute die Möglichkeit, zahlreiche Hilfsmittel zur Evangelisierung einzusetzen und alle Bereiche der Gesellschaft zu erreichen. Das ist eine willkommene Gelegenheit, die die göttliche Vorsehung dieser Generation zur Verkündigung des Evangeliums bietet, um Jesus Christus, den alleinigen Erlöser der Welt, zu bezeugen und so zum Aufbau einer menschengerechten Gesellschaft beizutragen. Die Christen Kroatiens sind heute auf sehr konkrete Art und Weise aufgerufen, ihrer Heimat ein neues Gesicht zu geben, insbesondere müssen sie sich für die Wiederherstellung der durch die totalitären Regierungsformen der Vergangenheit und die jüngsten heftigen Konflikte angegriffenen ethischen und sittlichen Werte einsetzen. Diese Aufgabe erfordert viel Kraft und Entschlossenheit. Aber es handelt sich um eine Aufgabe großer Dringlichkeit, denn ohne Werte ist weder wahre Freiheit noch wahre Demokratie möglich. Grundlegende Werte sind die Achtung des menschlichen Lebens, der Rechte und der Würde des Menschen wie auch der Völker. Der Christ ist sich jener besonderen Verantwortung für sein Heimatland und die Förderung des Gemeinwohls bewusst, die er mit den anderen Bürgern teilt. Der Glaube verpflichtet uns stets zum Dienst an den anderen, den Mitbürgern, die wir als unsere Brüder sehen. Ohne ein intensives Glaubensleben, ohne ein auf dem Evangelium begründetes und von Liebe zu Gott und dem Nächsten erfülltes Leben, nach dem Beispiel Jesu Christi, kann unser Zeugnis nicht wirksam sein. Zeugnis ablegen bedeutet für den Christen anderen die Wunder der Liebe Gottes offenbaren und gemeinsam mit den Brüdern jenes Reich aufbauen, für das die Kirche „Keim und Anfang auf Erden“ ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 5). 6. „Wir sind unnütze Sklaven“. Der Glaube sucht nach nichts Außergewöhnlichem, aber im Hinblick auf das Reich ist er bemüht, den Brüdern zu dienen. Seine Größe ist die Demut: „Wir sind unnütze Sklaven“. Demütiger Glaube ist wahrer Glaube. Und kleiner aber wahrer Glaube kann „wie ein Senfkorn“ Außergewöhnliches erwirken. Wie oft ist das in dieser Region Wirklichkeit geworden! Möge die Zukunft diese Worte des Herrn erneut bestätigen, damit das Evangelium stets reiche Früchte der Heiligkeit unter den kommenden Generationen hervorbringen werde. Möge der Herr der Geschichte jene inständigen Bitten erhören, die sich heute aus dieser kroatischen Region erheben, und das Gebet derer, die den heiligen Namen Gottes bekennen und dem großen auf der Taufe begründeten Bündnis ihrer Vorväter treu bleiben wollen. 352 REISEN Gestützt auf den Glauben an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist möge dieses Volk fähig sein, seine Zukunft auf jenen alten, bereits in apostolischen Zeiten entstandenen christlichen Wurzeln aufzubauen! Gelobt seien Jesus und Maria! Johannes Paul II. forderte internationale Hilfe für Kosovo ein Angelus in Split am 4. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! Am Ende dieser konzelebrierten Eucharistiefeier wenden sich unsere Gedanken der Gottesmutter zu, die an vielen Orten dieses kroatischen Landes in großen und kleinen ihr geweihten Heiligtümern angerufen und verehrt wird. Wir wenden uns an sie mit den Worten, mit denen ihr der Engel die frohe Botschaft des von Gott der Menschheit bereiteten Heiles brachte. Nach der gestrigen Pilgerfahrt nach Marija Bistrica werde ich mich heute Nachmittag zum Heiligtum Unserer Lieben Frau von der Insel in Solin, tausendjähriges Zeugnis des Glaubens eures Volkes, begeben. 2. In dem Licht, das vom liebreichen Angesicht Marias ausgeht, richte ich einen besonderen Gruß an die geliebten Bewohner von Split, die das 1700jährige Bestehen ihrer Stadt feiern. Ebenso grüße ich die Gläubigen der Kirchenprovinz Split-Makarska und alle anderen Gläubigen, die mit ihren Hirten zu dieser heiligen Messe gekommen sind. In besonderer Weise fühle ich mich all denen nahe, die heute noch besorgt auf sichere Nachricht über das Schicksal von Angehörigen harren, die im Laufe des jüngsten Krieges vermisst sind. Nahe bin ich auch den durch die Kriegsgewalt aus ihren Wohnungen Vertriebenen, die noch nicht in diese zurückkehren konnten oder, falls sie zurückgekehrt sind, der Hilfe bedürfen, um die Instandsetzungsarbeiten ihres Heims zu vollenden, um dort wieder zu einem ruhigen Familienleben zu finden. Und wie sollte man hier nicht mit banger Anteilnahme der Tragödie gedenken, die sich im nicht fernen Gebiet des Kosovo abspielt? Mögen Verständnis, gegenseitige Achtung, Vergebung und Versöhnung anstelle von Gewalt und Zerstörung treten. Zum Erreichen dieses Ziels ist es notwendig, dass die internationale Gemeinschaft es mit großem Sinn für Solidarität nicht an der rechtzeitigen Hilfe fehlen lässt. 3. Wir vertrauen diese Anliegen der Fürsprache der allerseligsten Mutter Gottes an und erbitten ihren Schutz für eure Familien, für die Kranken und Alten, für alle, die unter den Folgen des jüngsten Konflikts leiden, für eure Dörfer und Städte. Wir bitten die heilige Jungfrau für ganz Südosteuropa, dass die Völker, die dort leben, endlich untereinander versöhnt, Frieden kennen und mit gleichen Rechten und Pflichten am Leben der großen Menschheitsfamilie teilnehmen können. 353 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben. BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aus der Gerechtigkeit des einzelnen erwächst der Frieden für alle Botschaft vom 8. Dezember 1997 zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1998 1. Die Gerechtigkeit geht mit dem Frieden Hand in Hand und steht mit ihm in konstanter und dynamischer Beziehung. Gerechtigkeit und Frieden haben das Wohl des einzelnen und aller zum Ziel und erfordern deshalb Ordnung und Wahrheit. Wenn der eine bedroht ist, wanken beide; verletzt man die Gerechtigkeit, setzt man auch den Frieden aufs Spiel. Die Gerechtigkeit des einzelnen und der Frieden aller sind miteinander eng verbunden. Deshalb möchte ich mich in der vorliegenden Botschaft zum Welttag des Friedens vor allem an die Staatsoberhäupter wenden, wobei ich mir immer gegenwärtig halte, dass die Welt von heute in vielen Regionen von Spannungen, Gewalttätigkeit und Konflikten gezeichnet ist, aber nach neuen Gefügen und stabileren Gleichgewichten sucht im Hinblick auf einen wahren und dauerhaften Frieden für die ganze Menschheit. Gerechtigkeit und Frieden sind keine abstrakten Begriffe oder femliegende Ideale; sie sind dem Herzen jeder Person als gemeinsames Erbe eingepflanzt. Einzelpersonen, Familien, Gemeinschaften und Nationen, alle sind aufgerufen, in der Gerechtigkeit zu leben und für den Frieden zu wirken. Keiner kann sich dieser Verantwortung entziehen. In diesem Augenblick denke ich an diejenigen, die wider Willen in schmerzliche Konflikte verwickelt sind: die Ausgegrenzten, die Armen und die Opfer aller Art von Ausbeutung. Sie sind Menschen, die am eigenen Leib den Mangel an Frieden und die schmerzlichen Auswirkungen der Ungerechtigkeit verspüren. Wer könnte angesichts ihrer Sehnsucht nach einem in Gerechtigkeit und wahrem Frieden wurzelnden Leben gleichgültig bleiben? Es ist die Pflicht aller, dafür zu sorgen, dass ihnen das ermöglicht wird: Volle Gerechtigkeit herrscht erst dann, wenn alle an ihr gleicher weise Anteil haben können. Die Gerechtigkeit ist gleichzeitig eine moralische Tugend und ein Begriff des Gesetzes. Manchmal wird sie mit verbundenen Augen dargestellt; in Wirklichkeit gehört es sich gerade für die Gerechtigkeit, aufmerksam darüber zu wachen, dass das Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten gesichert ist und die gerechte Aufteilung der Kosten und Nutzen gefördert wird. Die Gerechtigkeit baut auf, sie zerstört nicht; sie versöhnt und trachtet nicht nach Rache. Genau genommen hat sie ihre tiefste Wurzel in der Liebe, die ihren höchsten Ausdruck in der Barmherzigkeit findet. Darum wird die Gerechtigkeit, wenn sie sich von der barmherzigen Liebe trennt, kalt und zerstörerisch. Die Gerechtigkeit ist eine dynamische und lebendige Tugend: Sie schützt und fördert die unschätzbare Würde der Person und sorgt sich um das Gemeinwohl, weil sie Hüterin der Beziehungen zwischen den einzelnen und den Völkern ist. Der 357 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch lebt nicht allein, sondern steht vom ersten Augenblick seines Daseins an mit den anderen in Beziehung, so dass sein Wohl als Einzelmensch und das der Gesellschaft miteinander fortschreiten: Zwischen diesen beiden Aspekten besteht ein empfindliches Gleichgewicht. Die Gerechtigkeit gründet auf der Achtung der Menschenrechte 2. Die menschliche Person ist von Natur aus mit allgemeinen, unantastbaren und unveräußerlichen Rechten ausgestattet. Aber diese sind nicht für sich allein da. Mein verehrungswürdiger Vorgänger Papst Johannes XXIII. sagt dazu, dass die Person „sowohl Rechte als auch Pflichten hat, die unmittelbar und gleichzeitig aus seiner Natur selbst erwachsen“. <3> Auf dem richtigen anthropologischen Fundament dieser Rechte und Pflichten sowie auf ihrer engen wechselseitigen Beziehung gründet der ganze Schutzwall des Friedens. <3> Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), I: AAS 55(1963)259. Diese Menschenrechte wurden in den letzten Jahrhunderten in verschiedenen maßgebenden Deklarationen wie auch in verbindlichen Gesetzgebungen formuliert. Ihre Proklamation wird in der Geschichte der nach Gerechtigkeit und Freiheit strebenden Völker und Nationen mit berechtigtem Stolz erwähnt, auch aus dem Grand, weil sie nach offensichtlichen Verletzungen der Würde von einzelnen und von ganzen Völkern oft als ein Wendepunkt erlebt wurde. Vor fünfzig Jahren, nach einem Krieg, der für manche Völker sogar die Verneinung des Rechtes auf Dasein bedeutete, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet. Es handelte sich um einen formalen Akt, zu dem man nach der traurigen Kriegserfahrung gelangt war, angetrieben von dem Willen, feierlich allen Personen und Völkern die gleichen Rechte zuzuerkennen. In diesem Dokument ist die folgende Bekräftigung zu lesen, die dem Lauf der Zeit standgehalten hat: „Die Anerkennung der allen Mitgliedern der Menschheitsfamilie angeborenen Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte bildet das Fundament der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt.“ <4> Nicht weniger Aufmerksamkeit verdienen die Worte, mit denen das Dokument endet: „Nichts in der vorliegenden Erklärung darf in dem Sinn ausgelegt werden, daß es ein Recht irgendeines Staates, einer Gruppe oder Person impliziert, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Tat zu begehen, die auf die Zerstörung einiger in ihr formulierten Rechte und Freiheiten abzielt.“ <5> Es ist tragisch, dass diese Anordnung auch heute noch offenkundig verletzt wird, sei es durch Unterdrückung, Konflikte, Korruption oder in noch heimtückischerer Weise durch den Versuch, selbst die in der Allgemeinen Erklärung enthaltenen Formulierungen neu zu interpretieren, indem man sogar bewusst ihren Sinn verdreht. Die Erklärung ist unverkürzt dem Geist und dem Buchstaben nach einzuhalten. Sie <4> Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Präambel. <5> Ebd„ Art. 30. 358 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bleibt - wie Papst Paul VI. ehrwürdigen Andenkens zu sagen pflegte - einer der rühmlichsten Verdienste der Vereinten Nationen, „besonders wenn man an die Bedeutung denkt, die ihr als sicherer Weg zum Frieden zugeschrieben wird“. <6> Anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der in diesem Jahr feierlich begangen wird, ist es angebracht, daran zu erinnern, dass „die Förderung und der Schutz der Menschenrechte ein Gegenstand von vorrangiger Bedeutung für die internationale Gemeinschaft ist“. <7> Auf diesem Jahrestag lasten jedoch die Schatten mancher Vorbehalte, die im Hinblick auf zwei wesentliche Eigenschaften des Begriffs der Menschenrechte selbst angemeldet wurden, und zwar in Bezug auf ihre Universalität und auf ihre Unteilbarkeit. Diese Wesensmerkmale müssen entschieden bekräftigt werden, um die Kritikpunkte derer zu widerlegen, die das Argument der kulturellen Besonderheit dazu benützen wollen, um Verletzungen der Menschenrechte zu verdecken, wie auch derer, die den Begriff der Menschenwürde aushöhlen, indem sie den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten jeden gesetzlichen Gehalt absprechen. Universalität und Unteilbarkeit sind zwei Grundprinzipien, die jedenfalls die Forderung voraussetzen, die Menschenrechte in den verschiedenen Kulturen zu verwurzeln und ihr gesetzliches Profil zu vertiefen, um ihre volle Respektierung sicherzustellen. <6> Botschaft an den Präsidenten der 28. Vollversammlung der Vereinten Nationen anlässlich des 25. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10. Dezember 1973): AAS 65(1973)674. <7> Erklärung von Wien, Weltkonferenz über die Menschenrechte (Juni 1993), Präambel. Die Achtung der Menschenrechte bedeutet nicht nur ihren Schutz auf gesetzlicher Ebene, sondern muss alle Aspekte berücksichtigen, die aus dem Begriff der Menschenwürde erwachsen, die die Grundlage jeden Rechtes ist. Aus dieser Sicht wird es besonders wichtig, dem Erziehungsbereich die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Außerdem muss man auf die Förderung der Menschenrechte achten: Sie ist die Frucht der Liebe zur menschlichen Person als solcher, weil die Liebe „über das hinausgeht, was die Gerechtigkeit zu leisten vermag“. <8> Insbesondere im Hinblick auf diese Förderung bedarf es weiterer Anstrengungen, um die Rechte der Familie zu schützen, die „der natürliche und grundlegende Baustein der Gesellschaft“ <9> ist. <8> n. Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 78. ^ Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 16 § 3. Vgl. Charta der Familienrechte (22. Oktober 1983) in: O.R. dt., Nr. 48 (2. Dezember 1983), S. 1,4-5. Globalisierung in Solidarität 3. Die ausgedehnten geopolitischen Wandlungen, die 1989 aufeinander folgten, wurden von wahren Umwälzungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich begleitet. Die Globalisierung der Wirtschaft und Finanzen ist nunmehr Wirklichkeit geworden, und die Auswirkungen der mit der Informatiktechnologie verbundenen rapiden Fortschritte sind immer greifbarer wahrzunehmen. Wir stehen an 359 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Schwelle eines neuen Zeitalters, das große Hoffnungen und beunruhigende Fragen mit sich bringt. Welche Folgen werden sich aus den gegenwärtig stattfindenden Wandlungen ergeben? Werden alle Menschen aus einem weltumspannenden Markt Nutzen ziehen können? Werden schließlich alle die Möglichkeit haben, im Frieden zu leben? Werden die Beziehungen zwischen den Staaten ausgewogener sein, oder werden die zwischen Völkern und Nationen bestehenden wirtschaftlichen Wettbewerbe und Rivalitäten die Menschheit in eine noch viel unsicherere Lage bringen? Um eine gerechtere Gesellschaft und einen stabileren Frieden in einer Welt auf dem Weg zur Globalisierung zu erzielen, ist es dringende Pflicht der internationalen Organisationen, dazu beizutragen, dass das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl gefördert wird. Zu diesem Zweck darf man aber nie die menschliche Person außer acht lassen, die in den Mittelpunkt jedes sozialen Projektes zu stellen ist. Nur so können die Vereinten Nationen zu einer wahren „Familie der Nationen“ werden, wie es ihrem ursprünglichen Auftrag entspricht, „den sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen in einer größeren Freiheit zu fördern“. <10> Das ist der Weg, um eine Weltgemeinschaft aufzubauen, die auf „gegenseitigem Vertrauen, gegenseitiger Unterstützung und gegenseitiger Achtung“ <11> gegründet ist. Die Herausforderung besteht also darin, eine Globalisierung in Solidarität, eine Globalisierung ohne Ausgrenzung zu sichern. Das ist eine offensichtliche Pflicht der Gerechtigkeit, die beachtliche moralische Implikationen in sich birgt, wenn das wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Leben der Nationen gestaltet werden soll. Statut der Vereinten Nationen, Präambel. Johannes Paul II., Ansprache an die 50. Generalversammlung der Vereinten Nationen (5. Oktober 1995), Nr. 14 in: O.R. dt., Nr. 41 (13. Oktober 1995), S. 4. Die schwere Last der Auslandsverschuldung 4. Auf Grund ihres schwachen finanziellen und wirtschaftlichen Potentials laufen manche Nationen und ganze Weltregionen Gefahr, aus einer sich weltweit zusammenschließenden Wirtschaft ausgeschlossen zu werden. Andere haben zwar größere Ressourcen, können aber aus verschiedenen Gründen daraus leider keinen Nutzen ziehen: wegen Unruhen, interner Konflikte, wegen des Mangels an angemessenen Strukturen, der Umweltverschmutzung, der verbreiteten Korruption, der Kriminalität und aus noch anderen Gründen. Globalisierung muss sich mit Solidarität verbinden. Deshalb müssen besondere Mittel bereitgestellt werden, mit deren Hilfe Länder, die aus eigenen Kräften dem Weltmarkt nicht beitreten können, ihre derzeitige benachteiligte Lage zu überwinden vermögen. Dies ist man ihnen um der Gerechtigkeit willen schuldig. In einer wahren „Familie der Nationen“ darf niemand ausgeschlossen werden; im Gegenteil, der Schwächste, der Zerbrech- 9 360 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lichste muss unterstützt werden, damit er seine Leistungsfähigkeit voll entfalten kann. Hier denke ich an eine der größten Schwierigkeiten, die die ärmeren Nationen heute überwinden müssen. Ich möchte auf die schwere Last der Auslandsverschuldung eingehen, die die Wirtschaft dieser Völker beeinträchtigt, indem sie ihren sozialen und politischen Fortschritt bremst. In dieser Hinsicht haben jüngste Initiativen der internationalen Finanzinstitutionen einen bedeutenden Versuch zur koordinierten Reduzierung dieses Schuldenberges unternommen. Ich wünsche von Herzen, dass man auf diesem Weg unter flexibler Anwendung der vorgesehenen Bedingungen weiter so fortschreite, dass alle dazu berechtigten Nationen vor Beginn des Jahres 2000 daraus Nutzen ziehen können. Die reicheren Länder können dazu viel beitragen, indem sie bei der Anwendung der genannten Initiativen ihre Unterstützung anbieten. Die Schuldenfrage gehört zu einem weiterreichenden Problem: die anhaltende, oftmals auch äußerste Armut und die wachsenden neuen Ungleichheiten, die den Globalisierungsprozess begleiten. Wenn das Ziel eine Globalisierung ohne Ausgrenzung ist, kann man eine Welt nicht mehr ertragen, in der Steinreiche und Allerärmste Seite an Seite leben, Besitzlose ohne das Lebensnotwendigste und Leute, die hemmungslos das vergeuden, was andere notwendig brauchen. Solche Kontraste sind eine Beleidigung für die Würde der menschlichen Person. Es mangelt gewiss nicht an geeigneten Mitteln, um der Not abzuhelfen, wie z. B. die Förderung konsistenter sozialer und produktiver Investitionen seitens aller weltwirtschaftlichen Instanzen. Das setzt jedoch voraus, dass die internationale Gemeinschaft mit der nötigen Entschlossenheit handeln will. Lobenswerte Schritte wurden in dieser Richtung bereits unternommen, aber eine dauernde Lösung erfordert die konzertierte Anstrengung aller, einschließlich die der betroffenen Staaten selbst. Gefragt ist eine Kultur, auf dem Boden des Gesetzes zu handeln 5. Was ist über die im Innern der Nationen bestehenden schwerwiegenden Ungleichheiten zu sagen? Äußerste Armut ist, wo immer sie auftritt, die erste Ungerechtigkeit. Sie auszumerzen muss für alle auf nationaler und internationaler Ebene Priorität genießen. Man darf auch das Laster der Korruption nicht verschweigen, das die gesellschaftliche und politische Entwicklung vieler Völker unterminiert. Sie ist ein wachsendes Phänomen, das sich heimtückisch in viele Sektoren der Gesellschaft einschleicht, wobei das Gesetz umgangen und die Regeln der Gerechtigkeit und Wahrheit missachtet werden. Die Korruption ist schwer zu bekämpfen, weil sie vielfältige Formen annimmt: Wird sie in einem Bereich getilgt, tritt sie bisweilen in einem anderen wieder auf. Man braucht schon Mut, um sie nur anzuprangem. Um sie zu tilgen, bedarf es des zähen Willens der Obrigkeiten wie auch der hochherzigen Mithilfe aller Bürger, die von einem ausgeprägten moralischen Gewissen gestützt sind. 361 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwere Verantwortung in diesem Kampf haben offenkundig die öffentlichen Amtsträger. Ihre Aufgabe ist es, sich für die gerechte Anwendung des Gesetzes und die Transparenz in allen Handlungen der öffentlichen Verwaltung einzusetzen. Zum Dienst an den Bürgern bestellt, ist der Staat der Verwalter der Güter eines Volkes, die er zugunsten des Gemeinwohls einsetzen soll. Gutes Regieren erfordert pünktliche Kontrolle und volle Korrektheit aller wirtschaftlichen und finanziellen Transaktionen. Auf keinen Fall darf es erlaubt sein, dass die für das Gemeinwohl bestimmten Mittel anderen Interessen privater oder sogar krimineller Natur dienen. Die betrügerische Verwendung der öffentlichen Geldmittel trifft besonders die Armen, die als erste unter dem Mangel der Grunddienste leiden, die für die Entfaltung der Person unerlässlich sind. Wenn dann die Korruption in die Verwaltung der Gerichtsbarkeit eindringt, sind es wiederum die Armen, die die Folgen am deutlichsten zu spüren bekommen: Verzögerungen, fehlerhafte Leistung, Notstände in der Struktur und Mangel an angemessenem Schutz. Oft bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den Missstand zu ertragen. Besonders schwere Formen der Ungerechtigkeit 6. Es gibt noch andere Formen von Ungerechtigkeit, die den Frieden gefährden. Ich möchte hier zwei davon nennen: vor allem die fehlenden Mittel für einen gerecht verteilten Zugang zum Kredit. Die Armen sind oft gezwungen, den normalen wirtschaftlichen Kreisläufen femzubleiben oder sich an skrupellose Geldverleiher zu wenden, die übertriebene Zinsen verlangen; das hat die Verschlechterung einer schon von sich aus misslichen Lage zufolge. Deshalb ist es die Pflicht aller, sich dafür einzusetzen, dass ihnen der Zugang zum Kredit mit gleichen Bedingungen und günstigen Zinsen ermöglicht wird. In der Tat gibt es in verschiedenen Teilen der Welt bereits finanzielle Institutionen, die den Mikrokredit mit günstigen Bedingungen für Personen in Schwierigkeiten anwenden. Diese Initiativen sind zu ermutigen, denn das ist der Weg, auf dem man die schändliche Plage des Wuchers an der Wurzel fassen kann: dass man dafür sorgt, dass die für die menschenwürdige Entwicklung der Familien und Gemeinschaften notwendigen finanziellen Mittel allen zugänglich sind. Und was ist über die leider zunehmende Epidemie der Gewalt gegenüber Frauen, Mädchen und Jungen zu sagen? Sie ist heute eine der weitest verbreiteten Verletzungen der Menschenrechte und tragischerweise zu einer Kriegswaffe und einem Instrument des Schreckens geworden: als Geiseln genommene Frauen, barbarisch ermordete Minderjährige. Hinzu kommt die Gewalt der Zwangsprostitution und der Kinderpomographie wie auch die Ausbeutung der Arbeitskraft von Mindeijäh-rigen unter den Bedingungen der Sklaverei. Um zu helfen, diese Formen der Gewalt aufzuhalten, sind konkrete Initiativen notwendig, insbesondere angemessene gesetzliche Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. Eine schwierige Arbeit durch Erziehung und kulturelle Förderung scheint hier geboten, damit, wie ich häufig in früheren Botschaften betonte, die Würde jeder Person anerkannt und 362 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geachtet wird. Denn eine Komponente darf in dem ethisch-kulturellen Erbe der ganzen Menschheit und jeder einzelnen Person auf keinen Fall fehlen: das Bewusstsein, dass die Menschen in ihrer Würde alle gleich sind, dass sie denselben Respekt verdienen und dass sie Personen mit gleichen Rechten und Pflichten sind. Frieden in Gerechtigkeit bauen ist Aufgabe aller und jedes einzelnen 7. Der Frieden für alle erwächst aus der Gerechtigkeit des einzelnen. Niemand kann sich einer für die Menschheit so entscheidenden und wichtigen Aufgabe entziehen. Sie ruft jeden Mann und jede Frau zum Einsatz auf, entsprechend der jeweiligen Kompetenz und Verantwortung. Ich appelliere vor allem an euch, Staatsoberhäupter und Verantwortliche der Nationen, denen die höchste Überwachung des Rechtsstaates in den einzelnen Ländern übertragen ist. Dieses hohe Amt auszuüben ist gewiss nicht leicht, aber es ist eine eurer vordringlichsten Aufgaben. Mögen die Staatsordnungen, denen ihr dient, Gerechtigkeit garantieren und Ansporn sein für die fortschreitende Entwicklung des Bürgersinns. Frieden in Gerechtigkeit bauen erfordert außerdem die Mithilfe aller gesellschaftlicher Kategorien, jede im eigenen Bereich und im Zusammenwirken mit den anderen Gliedern der Gemeinschaft. Ich ermutige besonders euch Lehrer, die ihr in der Bildung und Erziehung der jungen Generationen auf allen Ebenen tätig seid: Bildet sie heran nach den moralischen und gesellschaftlichen Werten, indem ihr in ihnen einen ausgeprägten Sinn für die Rechte und Pflichten weckt, ausgehend von der Schulgemeinschaft selbst. Zur Gerechtigkeit erziehen, um dadurch zum Frieden zu erziehen: Das ist eine eurer vorrangigsten Aufgaben. Für den Bildungsweg ist die Familie unersetzlich, die das günstigste Umfeld für die menschliche Formung der jungen Generationen darstellt. Von eurem Beispiel, liebe Eltern, hängt zum großen Teil die moralische Haltung eurer Kinder ab: Sie erwerben sie durch den Stil der Beziehungen, den ihr innerhalb und außerhalb der Familie bestimmt. Die Familie ist die erste Lebensschule, und die in ihr erworbenen Charaktereigenschaften sind entscheidend für die zukünftige Entwicklung der Person. Schließlich sage ich zu euch, liebe Jugendlichen auf der ganzen Welt, die ihr spontan nach Gerechtigkeit und Frieden trachtet: Haltet das Streben nach diesen Idealen aufrecht, und habt die Geduld und Ausdauer, sie in Euren konkreten Lebensumständen zu verwirklichen. Seid bereit, den Versuchungen von gesetzwidrigen Seitenwegen mit trügerischen Vorspiegelungen von Erfolg oder Reichtum zu widerstehen; habt hingegen das Gespür für das, was recht und wahr ist, auch wenn diese Ausrichtung Opfer verlangt und dazu verpflichtet, gegen den Strom zu schwimmen. So „erwächst aus der Gerechtigkeit des einzelnen der Frieden für alle“. 363 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Bereitschaft zum Teilen als Weg zum Frieden 8. Mit großen Schritten naht das Jubiläum des Jahres 2000, eine Zeit, die besonders Gott, dem Herrn der Geschichte, gewidmet wird; ein Anruf für alle im Hinblick auf die vollkommene Abhängigkeit des Geschöpfes vom Schöpfer. Aber in der biblischen Tradition war es auch eine Zeit der Sklavenbefreiung, der Landrückgabe an den rechtmäßigen Eigentümer, des Schuldenerlasses und der konsequenten Wiederherstellung der Formen von Gleichheit unter allen Volksangehörigen. Es ist deshalb eine günstige Zeit, um jene Gerechtigkeit zu verwirklichen, die zum Frieden führt. Kraft des Glaubens an Gott, der die Liebe ist, und der Teilhabe an der universalen Erlösung Christi sind die Christen gerufen, sich gerecht zu verhalten und mit allen in Frieden zu leben, weil „Jesus uns nicht einfach den Frieden geschenkt hat. Er hat uns seinen Frieden zusammen mit seiner Gerechtigkeit gegeben. Weil er Frieden und Gerechtigkeit ist, kann er unser Frieden und unsere Gerechtigkeit werden“. <12> Ich habe diese Worte vor fast zwanzig Jahren gesprochen, aber vor dem Hintergrund der derzeitigen tiefgreifenden Wandlungen wird ihr Sinn noch konkreter und aktueller. <12> Johannes Paul II., Homilie im Yankee Stadium von New York (2. Oktober 1979), Nr. I: AAS 71 (1979) 1169. Das Zeugnis des Christen, die Liebe zu den Armen, Schwachen und Leidenden ist heute mehr denn je gefragt. Diesen anspruchsvollen Auftrag zu erfüllen erfordert eine totale Umkehrung der scheinbaren Werte, die dazu verleiten, das eigene Wohl zu suchen: die Macht, das Vergnügen, die skrupellose Bereicherung. Ja, gerade zu dieser radikalen Umkehr sind die Jünger Christi aufgerufen. Diejenigen, die sich diesen Weg zu gehen bemühen, werden wahrhaftig „Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17) erfahren und „als Frucht den Frieden und die Gerechtigkeit“ kosten (Hebr 12,11). Für die Christen in aller Welt möchte ich die Mahnung des U. Vatikanischen Konzils wiederholen: „Zuerst muß man den Forderangen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist.“ <13> Eine wirklich solidarische Gesellschaft wird dadurch aufgebaut, dass sich die Wohlhabenden nicht darauf beschränken, von ihrem Überfluss zu geben, um den Armen zu helfen. Es genügt auch nicht, materielle Güter anzubieten: Gefordert wird Bereitschaft zum Teilen, so dass die Möglichkeit, den Brüdern und Schwestern in Not eigene Hilfe und Aufmerksamkeit zu widmen, als Ehrensache betrachtet werden kann. Sowohl an die Christen als auch die Anhänger anderer Religionen und an viele Männer und Frauen guten Willens erhebt sich heute der Ruf zu einem einfachen Lebensstil als Voraussetzung dazu, dass die gerechte Verteilung der Güter der Schöpfung Gottes Wirklichkeit werden kann. Wer in Not lebt, kann nicht länger warten: Jetzt braucht er das Lebensnotwendige und hat deshalb ein Recht darauf, es sofort zu bekommen. <13> Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 8. 364 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Heilige Geist wirkt in der Welt 9. Am ersten Adventssonntag hat das zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 begonnen. Es ist dem Heiligen Geist gewidmet. Der Geist der Hoffnung wirkt in der Welt. Er ist gegenwärtig im selbstlosen Dienst dessen, der an der Seite der Ausgegrenzten und Leidenden arbeitet, der die Einwanderer und Hüchtlinge aufnimmt, der sich mutig weigert, eine Person oder ganze Gruppe aus ethnischen, kulturellen und religiösen Gründen abzuweisen; er ist ganz besonders gegenwärtig im hochherzigen Handeln derer, die mit Geduld und Ausdauer den Frieden und die Versöhnung unter denen weiter fördern, die einst Feinde und Gegner waren. Auch diese sind Zeichen der Hoffnung, die dazu ermutigen, die Gerechtigkeit zu suchen, die zum Frieden führt. Der Kern der Botschaft des Evangeliums ist Christus, der Frieden und die Versöhnung für alle. Sein Antlitz erhelle den Weg der Menschheit, die sich anschickt, die Schwelle des 3. Jahrtausends zu überschreiten. Seine Gerechtigkeit und sein Frieden mögen allen Menschen ohne Ausnahme geschenkt werden! „... dann wird die Wüste zum Garten, und der Garten wird zu einem Wald. In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer“ (Jes 32,15-17). Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1997 Joannes Paulus PP. II Förderung der Gerechtigkeit und Aufbau des Friedens gehören zusammen Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 1. „Als die Fülle der Zeit kam“ (vgl. Gal 4,4). Diese Worte des hl. Paulus an die Galater entsprechen sehr gut dem Charakter der heutigen Messfeier. Das neue Jahr hat soeben begonnen. Nach dem bürgerlichen Kalender ist heute der erste Tag des Jahres 1998; nach dem liturgischen Kalender feiern wir das Hochfest der Gottesmutter Maria. Mit der christlichen Tradition hat sich in der Welt die Gewohnheit verbreitet, die Zeitrechnung bei der Geburt Christi zu beginnen. An diesem Tag verbinden sich also die weltliche und die kirchliche Dimension zum gemeinsamen Feiern. Während die Kirche die Oktav von Weihnachten festlich begeht, feiert die bürgerliche Welt den ersten Tag eines neuen Sonnenjahres. Auf diese Weise zeigt sich Jahr für 365 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahr stufenweise jene „Fülle der Zeit“, von der der Apostel spricht: ein über Jahrhunderte und Jahrtausende fortschreitender Ablauf, der am Ende der Welt seine definitive Erfüllung finden wird. 2. Wir feiern den Oktavtag von Weihnachten. Acht Tage lang haben wir, den Berichten der Evangelien folgend, in der Liturgie das große Ereignis der Geburt Jesu von neuem erlebt. Heute schildert uns der hl. Lukas noch einmal die wesentlichen Aspekte der weihnachüichen Szene in Betlehem. Die heutige Erzählung ist in der Tat synthetischer als die, die in der Weihnachtsnacht verkündet wird. Sie bekräftigt und vervollständigt gewissermaßen den Text des Briefes an die Galater. Der Apostel schreibt: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4,4-7). Dieser wundervolle Brief des hl. Paulus bringt vollkommen das zum Ausdruck, was man als die „Weihnachtstheologie“ bezeichnen kann. Eine Theologie ähnlich derjenigen, die der Evangelist Johannes darlegt, wenn er im Prolog des vierten Evangeliums schreibt: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ „Allen“, die ihn aufnahmen, gab er Macht, „Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,14.12). Der hl. Paulus verdeutlicht die gleiche Wahrheit, aber er vervollständigt sie gewissermaßen. Das ist die große Botschaft der heutigen Liturgie: der Mensch wird durch die Geburt des Gottessohnes zum Adoptivkind Gottes. Dem Menschen wird diese Kindschaft durch den Heiligen Geist zuteil - den Geist des Sohnes -, den Gott in unsere Herzen ausgegossen hat. Durch das Geschenk des Heiligen Geistes können wir sagen: Abba, Vater! So versucht der hl. Paulus zu erklären, worauf unsere Adoptivkindschaft beruht und wie sie zum Ausdruck kommt. 3. Mit Hilfe des hl. Paulus und des Apostels Johannes, die uns bei unserer theologischen Reflexion über die Geburt des Herrn unterstützen, wird uns besser verständlich, warum wir bei unserer Zeitrechnung von der Geburt Christi ausgehen. Die Geschichte ist in Jahrhunderte und Jahrtausende „vor“ und „nach“ Christus eingeteilt, da das Ereignis von Betlehem das grundlegende Maß der menschlichen Zeit ist. Die Geburt Jesu ist der Mittelpunkt der Zeit. Die Heilige Nacht ist zum wesentlichen Anhaltspunkt der Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende geworden, in denen sich das Heilswirken Gottes entfaltet. Die Ankunft Christi in der Welt ist wichtig im Hinblick auf die Menschheitsgeschichte, aber von noch größerer Bedeutung ist sie im Zusammenhang mit der Erlösung des Menschen. Jesus von Nazaret hat sich bereitwillig der zeitlichen Begrenzung unterworfen und sie ein für allemal der Ewigkeit geöffnet. Durch sein Leben, insbesondere seinen Tod und seine Auferstehung, hat Christus eindeutig offenbart, dass die menschliche Existenz nicht „auf den Tod hingeordnet“ und 366 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dazu bestimmt ist, sich in ihm zu erschöpfen. Der Mensch existiert nicht „für den Tod“, sondern „für die Unsterblichkeit“. Durch die heutige Liturgie wird diese grundlegende Wahrheit über die ewige Bestimmung des Menschen am Anfang jedes neuen Jahres erneut dargelegt. Auf diese Weise werden der Wert und die rechte Dimension jedes Zeitalters wie auch der unaufhaltsam verstreichenden Zeit hervorgehoben. 4. Im Hinblick auf den Wert und die Bedeutung der menschlichen Zeit im Licht des Glaubens feiert die Kirche den Auftakt des neuen Jahres im Zeichen des Gebets für den Frieden. In der Hoffnung, dass die gesamte Menschheit mit größerer Entschlossenheit und Eintracht den Weg der Gerechtigkeit und Wiederversöhnung gehen wird, grüße ich mit Freude die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter, die bei diesem feierlichen Messopfer anwesend sind. Von Herzen wende ich mich auch an den Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Roger Etchegaray, und alle Mitarbeiter dieses Dikasteriums, denen die besondere Aufgabe anvertraut ist, der Sorge des Papstes und des Apostolischen Stuhls über die verschiedenen von Spannungen und Kriegen gekennzeichneten Situationen Ausdruck zu verleihen und den unermüdlichen Einsatz der Kirche für den Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren Welt zu bezeugen. In der Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag habe ich auf ein Thema einge-hen wollen, an dem mir besonders viel liegt: die enge Verbindung zwischen der Förderung der Gerechtigkeit und dem Aufbau des Friedens. In Wirklichkeit - so heißt es in dem für diesen Tag gewählten Thema - „entspringt aus der Gerechtigkeit jedes einzelnen der Frieden für alle“. In meinem Aufruf an die Staatsoberhäupter und alle Menschen guten Willens habe ich hervorgehoben, dass das Bemühen um Frieden mit dem Streben nach Gerechtigkeit Hand in Hand gehen muss. Dieser Verantwortung kann sich niemand entziehen. „Gerechtigkeit und Frieden sind keine abstrakten Begriffe oder femliegende Ideale; sie sind dem Herzen jeder Person als gemeinsames Erbe eingepflanzt. Einzelpersonen, Familien, Gemeinschaften und Nationen, alle sind aufgerufen, in der Gerechtigkeit zu leben und für den Frieden zu wirken. Keiner kann sich dieser Verantwortung entziehen“ (Nr. 1). Möge die hl. Jungfrau, die wir an diesem ersten Tag des Jahres mit dem Namen „Gottesmutter“ anrufen, ihren liebevollen Blick auf die ganze Welt richten. Mögen sich die Menschen aller Kontinente dank ihrer mütterlichen Fürsprache als Brüder betrachten und ihre Herzen für die Aufnahme ihres Sohnes Jesus bereit machen. Christus ist der wahre Frieden, der die Menschen untereinander und die gesamte Menschheit mit Gott versöhnt. 5. „Gott segne uns und lasse sein Antlitz über uns leuchten“ (vgl. Antwortpsalm). Die Heilsgeschichte kommt im Segen Gottes für die Schöpfung, die Menschheit und das Volk der Gläubigen deutlich zum Ausdruck. Dieser Segen wird im Ablauf des Erlösungsgeschehens ständig erneuert und bekräftigt. Bereits im Buch Genesis sehen wir, wie Gott an den einander folgenden Tagen der Schöpfung alles, was er 367 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erschaffen hat, segnet. Auf ganz besondere Art und Weise segnet er den nach seinem Abbild geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,1-2,4). Heute, am ersten Tag des Jahres, erneuert die Liturgie mit den Worten Moses gewissermaßen den Segen des Schöpfers, der die Geschichte der Menschheit von Anfang an kennzeichnet: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (.Num 6,24-26). Hiermit segnet Gott das nun beginnende Jahr und uns, die wir im Begriff sind, einen weiteren Teilabschnitt der Zeit, ein wertvolles Geschenk Gottes, zu leben. Die Kirche beginnt, gewissermaßen als fürsorgliche Hand des göttlichen Vaters, dieses neue Jahr mit einem besonderen an jeden Menschen gerichteten Segen. Sie sagt: Der Herr segne und behüte dich! Ja, möge Gott unser Leben mit den Früchten des Guten füllen und der ganzen Welt Gerechtigkeit und Frieden schenken! Amen! Diener Christi - Träger des Lichtes der Welt Predigt bei der Bischofsweihe am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1. „Surge, illuminare Jerusalem, quia venit lumen tuum“ (Jes 60,1). Nimm das Licht auf, Jerusalem! Nimm den auf, der selbst Licht ist: „Gott von Gott, Licht vom Licht..., gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, er hat Fleisch angenommen von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden“ (Großes Glaubensbekenntnis). Jerusalem, nimm dieses Licht auf! Dieses „Licht leuchtet in der Finsternis“ (Joh 1,5), und die Menschen sehen es schon von weitem. Schaut, sie sind auf die Reise gegangen. Sie folgen dem Stern und gehen auf dieses Licht zu, das sich in Christus offenbart hat. Sie gehen, sie suchen den Weg, sie fragen. Schließlich geraten sie an den Hof Herodes. Sie erkundigen sich, wo der König der Juden geboren ist: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Mt 2,2). 2. Beschütze dein Licht, Jerusalem! Der in Betlehem Geborene ist in Gefahr. Hero-des hat erfahren, dass ein König geboren ist und überlegt sofort, wie er denjenigen beseitigen könnte, den er als einen Thronanwärter betrachtet. Aber Jesus wird aus dieser Bedrohung gerettet und flieht mit seiner Familie nach Ägypten, weit weg von der mörderischen Hand des Königs. Später wird er nach Nazaret zurückkehren und mit dreißig Jahren zu lehren beginnen. Dann werden alle erkennen, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und es wird auch ersichtlich, dass „die Seinen ihn nicht aufnahmen“ (Joh 1,11). 368 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jerusalem, du hast das Licht der Welt nicht verteidigt. Du hast Christus einen schmachvollen Tod bereitet. Er wurde gekreuzigt, dann vom Kreuz abgenommen und ins Grab gelegt. Nach Sonnenuntergang ist das „patibulum crucis“ auf Golgota geblieben. Jerusalem, du hast dein Licht nicht verteidigt. „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (vgl. Joh 1,5). Aber seht! Am dritten Tage ist Christus auferstanden. Die Finsternis des Todes hat ihn nicht zurückhalten können. „Surge, illuminare Jerusalem.“ Jerusalem, werde Licht zusammen mit dem, der vom Grab zurückgekehrt ist. Nimm den erstandenen König auf, der gekommen ist, das Reich Gottes zu verkünden, und der es auf der Erde wunderbar gegründet hat! 3. Teile dein Licht, Jerusalem! Teile dieses Licht, das in der Finsternis leuchtet, mit allen Menschen. Richte deine Einladung an alle; sei für die ganze Menschheit der Stern, der ihr den Weg in ein neues christliches Jahrtausend zeigt, so wie er seinerzeit die drei Weisen aus dem Morgenland zum Stall in Betlehem leitete. Lade alle ein, damit „die Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz“ (Jes 60,3). Teile dein Licht! Dieses Licht, das in dir leuchtete, sollst du mit allen Menschen und mit allen Nationen der Erde teilen. In dieser Perspektive wende ich mich an euch, liebe Brüder, die ihr heute die Bischofsweihe empfangt: Seid treue Diener der Neuevangelisierung, die das Licht Christi in der Welt verbreitet. Du, Msgr. Mario Francesco Pompedda, der du seit vielen Jahren im Dienst des Hl. Stuhls stehst: Erfülle auch weiterhin deine Aufgabe als Dekan des Gerichts der Römischen Rota mit der Kompetenz, die dich auszeichnet, und widme dich der Anwendung kanonischer Gerechtigkeit mit seelsorgerischem Geist. Du, Msgr. Marco Dino Brogi: Übernimm vertrauensvoll deine neuen Aufgaben als Apostolischer Nuntius im Sudan und Apostolischer Delegat in Somalia, und sei Zeuge der Aufmerksamkeit des Papstes gegenüber jenen Kirchen, die Christus und das Evangelium nicht ohne Schwierigkeiten und Notlagen verkünden. Dir, Msgr. Peter Kwaku Atuahene, ist der Auftrag anvertraut, das Licht Christi nach Ghana, in die Diözese Goaso zu bringen, deren erster Bischof du bist. Du, Msgr. Filippo Strofaldi, wirst es dagegen in die italienische Diözese Ischia tragen. Und du, Msgr. Wiktor Skworc, wirst es in der Diözese Tamow, in Polen, verbreiten. Die Kirche mft dich, Msgr. Franco della Valle, auf, das Licht des Evangeliums als erster Bischof von Jurna in Brasilien zu verbreiten. Sie sendet dich, Msgr. Angelito R. Lampon, um deine missionarische Berufung in Jolo (Philippinen) in die Tat umzusetzen als Nachfolger deines Mitbruders, des verstorbenen Msgr. Benjamin de Jesus, der vor elf Monaten in der Nähe der Kathedrale grausam ermordet wurde. Du, Msgr. Tomislav Koljatic Maroevic, wirst als Weihbischof den Erzbischof von Concepciön, in Chile, bei seinem pastoralen Auftrag unterstützen. 369 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und du, Msgr. Francesco Saverio Salerno, wirst als Sekretär der Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten des Hl. Stuhls deine Arbeit im Dienste des Apostolischen Stuhls im verwaltungstechnischen Bereich fortsetzen. Jedem von euch, meine Lieben, gilt meine herzliche Umarmung, zusammen mit der Versicherung meines Gedenkens im Gebet und mit einem besonderen Segen, der euch bei eurem kirchlichen Dienst immer begleiten soll. 4. Jerusalem, dies ist der Tag deiner Epiphanie! Die Heiligen Drei Könige, die dein Licht als erste erkannt haben, bringen dir, dem Erlöser der Welt, ihre Gaben dar. Sie stellen sie vor dich, der du Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott bist, gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; dir, durch den alles geschaffen ist; dir, der du durch den Heiligen Geist Mensch geworden bist und in der Jungfrau Maria Fleisch angenommen hast. Die Augen der Weisen haben genau dich geschaut. Und dich sehen heute auch unsere Augen, wenn sie das „mysterium“ der heiligen Epiphanie betrachten. „Surge, illuminare Jerusalem, quia venit lumen tuum“ (Jes 60,1). Amen! Bereitschaft zum Dienst an Kirche und Volk in Rumänien Ansprache bei der Sonderaudienz zum 60jährigen Bestehen des Päpstlichen Rumänischen Kollegs in Rom am 9. Januar Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Verantwortliche und Studenten des Rumänischen Kollegs! 1. „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Zusammen mit der allerseligsten Jungfrau Maria, der himmlischen Patronin des Kollegs, wollen wir anlässlich dessen sechzigjährigen Bestehens diesen Lobeshymnus zum Herrn erheben zum Dank für alle im Lauf dieser Zeit erhaltenen Gaben. Insbesondere gedenken wir des großartigen Werkes meines Vorgängers, Papst Pius XI. seligen Angedenkens, der in stetem Interesse für die Bedürfnisse der katholischen Ostkirchen auf dem römischen Gianicolo-Hügel ein Kolleg für Priesteramtskandidaten aus der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien errichten ließ. Dieses Institut, das nicht zuletzt dank eines großzügigen finanziellen Beitrags des Papstes gebaut werden konnte, sollte den Studenten eine angemessene liturgische und geistliche Ausbildung im rumänisch-byzantinischen Ritus ermöglichen und ihnen zugleich Kenntnis vom Reichtum der Weltkirche vermitteln. Es waren Zeiten großer Hoffnung für die orientalischen Katholiken in jenem Teil Europas; es galt, sie zu unterstützen und auf den Weg zu einer immer sichereren Entwicklung zu führen. Obwohl die tragischen Ereignisse der Folgezeit mit der In- 370 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haftierung von Bischöfen, Priestern und Laien diese Kirchen im Innersten erschütterten, fuhren sie dennoch fort, Christus zu dienen - in fester Wahrung der Verbindung mit dem Stuhl Petri. Wie sollte man in diesem Zusammenhang nicht an zwei bedeutende, noch lebende Zeugen erinnern: Kardinal Alexandru Todea und Erzbischof Ioan Ploscaru; beide bezahlten einen hohen Preis für die Verteidigung der Rechte der Kirche und ihr Eintreten für die Gewissensfreiheit! 2. Während dieser ganzen schwierigen Zeit beherbergte das Kolleg Studenten anderer orientalischer Kirchen, behielt jedoch auch immer eine symbolische Präsenz von rumänischen griechisch-katholischen Priestern bei. Es wurde so zu einem Zeichen der Hoffnung in Erwartung besserer Zeiten und einem Bezugspunkt für die rumänische Gemeinde in der Diaspora. Liebe Priester und Seminaristen! Mit dem Fall der atheistischen Regime und dem Ende der Verfolgungen konntet ihr nach Rom kommen und in den Mauern des Kollegs Aufnahme finden, das euer Zuhause in der Ewigen Stadt ist. Haltet die Erinnerung an diese historischen Tatsachen stets wach, damit ihr das Anliegen eines brüderlichen Neubeginns lebendig in euch tragt. Das wird euch helfen, die Wahrheit zu bezeugen, und anspomen zu großherzigem Dienst im Sinne des Evangeliums zum Wohl jedes Menschen und der ganzen Gesellschaft. Eure Ausbildung soll unter Berücksichtigung ihres wahrhaft orientalischen Charakters der Tradition eurer Väter folgen und sich mit weisem Weitblick den Erfordernissen einer neuen Zeit öffnen. Der Beitrag jener mmänischen Christen, die in der byzantinischen Tradition stehen und deshalb einerseits an den Reichtümem des christlichen Ostens teilhaben und andererseits der europäischen Kultur zugehören, bereichert nicht nur die Kirche, sondern Europa selbst. Aus einer derartigen Begegnung können in der Tat Erfahrungen von großem Wert hervorgehen nicht nur auf religiösem Gebiet, sondern auch für den Fortschritt des Denkens und des Lebens der Gesellschaft. 3. „Alle Weisheit stammt vom Herrn, und ewig ist sie bei ihm“ (Sir 1,1). Euer Kollegsleben soll seinen Mittelpunkt in der Liturgie haben, die es dem Menschen erlaubt, in die göttlichen Geheimnisse einzutreten, und ihn in die Wirklichkeit Gottes einführt. Trachtet danach, sie gut zu kennen und sie so zu lieben, dass sie für euch zur Quelle geistiger Kraft wird. Feiert sie mit dem Herzen auf lebendige Weise; lotet ihren theologischen und geistlichen Gehalt aus. Ferner wird euch die Vertiefung der Heiligen Schrift und der Werke der Kirchenväter zu einem besseren Verständnis dessen, was der Schlüssel aller wahren Theologie ist, verhelfen. Dank dieser Schule von bleibendem Wert, die auch für die orthodoxen Brüder Gegenstand der Verehrung und des Studiums ist, werdet ihr, fest in den Wurzeln der Kirche verankert, zugleich fähig sein, die Ereignisse unserer Zeit mit einem alten und stets neuen Licht zu beleuchten. Der Herr ruft euch, ihm in eurem Land zu dienen und allen die Wahrheit des Evangeliums zu bringen, die jeden Menschen von der Knechtschaft der Sünde befreit, 371 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vom moralischen Relativismus und dem Streben nach Reichtum um jeden Preis und ihn den Schwierigkeiten des gegenwärtigen Augenblicks entschlossener entgegentreten lässt. Ich weiß, dass die griechisch-katholische Kirche in Rumänien ihre Sendung unter oft schwierigen Lebensbedingungen erfüllt, da sie mit einem anhaltenden Mangel an Strukturen zu kämpfen hat. Ich weiß aber auch, dass zunehmend neue Einrichtungen im Bau sind, um die Gemeinden mit geeigneten Räumlichkeiten für das Gebet und die pastorale Tätigkeit auszustatten, wobei man auf eine künstlerische Gestaltung des Gotteshauses bedacht ist, die den Anschluss an die Tradition sucht, ohne freilich heutiges Kulturempfinden außer acht zu lassen. 4. Liebe Brüder! Ich möchte auch bei diesem Anlass den Bischöfen und dem ganzen Eparchial- und Ordensklerus Rumäniens meinen lebhaften Dank aussprechen für den selbstlosen Einsatz, mit dem sie den Gläubigen die Sakramente spenden, ihnen in Augenblicken der Prüfung Trost und Beistand bieten und dabei stets die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Lebens lehren. Dem Herrn vertraue ich den Weg eurer Kirche und die Aussichten für ihre Zukunft an. Insbesondere rufe ich den göttlichen Beistand auf die Arbeiten des vierten Provinzialkonzils herab, das letztes Jahr begonnen hat. Angesichts der radikalen Umwälzungen, von denen die rumänische Gesellschaft betroffen ist, hat diese Versammlung die Aufgabe, pastorale Zielsetzungen und Methoden zu überdenken, um die Sendung der Gläubigen bewusster und aktiver zu gestalten. Eure kirchliche Gemeinschaft wird so die nötige Kraft für das Zeugnis finden, das sie in der Treue und der Erneuerung zu geben berufen ist, während sie sich anschickt, das Große Jubeljahr 2000 und die 300 Jahre ihrer wiedergefundenen Einheit mit dem Römischen Stuhl zu feiern. Mit großer Freude richte ich zu Beginn des neuen Jahres an alle meine besten Wünsche und bitte euch, euren Eparchien meinen herzlichen Gruß zu überbringen. Jedem von euch erteile ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Gemeinsam dem Leben einen Sinn geben und nicht Verrat an der Menschlichkeit üben! Ansprache beim Empfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 10. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Die gemeinsame Aufwartung des Diplomatischen Korps zu Beginn eines neuen Jahres nimmt immer den Charakter bewegender Feierlichkeit und herzlicher Vertrautheit an. Verbindlich danke ich Ihrem Doyen, Herrn Botschafter Atembina-Te-Bombo, der mir Ihre freundschaftlichen Wünsche mit seiner höflichen Gefälligkeit 372 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dargebracht und mit großer Feinfühligkeit klare Aspekte meiner apostolischen Sendung hervorgehoben hat. Lassen wir zu Beginn dieses Jahres 1998 das Licht, das am Geburtstag des Gotteskindes über der Welt aufgegangen ist, für alle Menschen von heute leuchten. Seinem Wesen nach ist dieses Licht universal, seine Klarheit strahlt unterschiedslos über allen. Es enthüllt unsere Erfolge und Misserfolge in der Verwaltung der Schöpfung und bei unseren Aufgaben im Dienst an der Gesellschaft. 2. Glücklicherweise fehlt es nicht an positiven Ergebnissen. In Mittel- und Osteuropa ist der Demokratisierungsprozess weitergegangen, und jene Länder sind dabei, sich Schritt für Schritt von der Last und den Zwängen des Totalitarismus von gestern zu befreien. Hoffen wir, dass dieser Fortschritt überall von Bestand sein wird! Ganz in unserer Nähe erlebt Bosnien-Herzegowina - so gut, wie es eben geht - einen relativen Frieden; allerdings haben die jüngsten Kommunalwahlen die Unsicherheit des Befriedungsprozesses zwischen den verschiedenen Gemeinschaften bewiesen. In dieser Hinsicht möchte ich die internationale Gemeinschaft dringend auffordem, ihre Bemühungen für die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Wohnungen und für die Achtung der grundlegenden Rechte der drei Völkergruppen, aus denen das Land besteht, fortzusetzen. Es handelt sich dabei nämlich um notwendige Voraussetzungen für die Lebensfähigkeit dieses Landes: Mein unvergesslicher Pasto-ralbesuch in Sarajevo im vergangenen Frühling erlaubte es mir, diese Tatsache noch klarer zu erkennen. Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten sowie die Anstrengungen für Währungsstabilität sollten zu einer weiterführenden gegenseitigen Bereicherung der Völker führen unter Achtung der Identität und der Geschichte eines jeden von ihnen. Es geht in gewisser Weise darum, den Schatz an Werten zu teilen, zu dessen Entfaltung jede Nation beigetragen hat: die Würde des Menschen, seine grundlegenden und unantastbaren Rechte, Unverletzlichkeit des Lebens, Freiheit und Gerechtigkeit, Sinn für Solidarität und Ablehnung der Ausschließung. Bleiben wir in Europa: In Nordirland haben die seit vielen Jahren streitenden Parteien ihren Dialog wiederaufgenommen, und diese Entwicklung gilt es zu fördern. Mögen alle den Mut der Beharrlichkeit haben, um die gegenwärtigen Klippen zu überwinden, sowohl in diesem Land als auch anderswo in Europa! In Lateinamerika wurde der Demokratisierungsprozess fortgesetzt, auch wenn dieser Weg hier und da von ins Gegenteil gerichteten Wirkungen behindert wurde, wie es die tragischen Ereignisse in der mexikanischen Provinz Chiapas wenige Tage vor Weihnachten gezeigt haben. Gegen Ende dieses Monats werde ich - so Gott will - eine Pastoraireise nach Kuba unternehmen. Der erste Besuch eines Nachfolgers Petri auf dieser Insel wird mir die Gelegenheit geben, nicht nur die so mutigen Katholiken dieses Landes zu bestärken, sondern auch alle ihre Landsleute in ihren Bemühungen für den Aufbau eines immer gerechteren und solidarischeren Heimatlandes, wo jeder seinen Platz finden und sich in seinen rechtmäßigen Ambitionen anerkannt sehen kann. 373 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was Asien betrifft, wo über die Hälfte aller Menschen lebt, so müssen wir den Gesprächen zwischen den zwei koreanischen Staaten, die momentan in Genf stattfinden, unseren Beifall spenden. Ein Erfolg dieser Absprachen würde die Lage in der ganzen Region erheblich entspannen und zweifellos einen konstruktiven Dialog zwischen weiteren, noch geteilten und gegnerischen Ländern dieser Gegend fördern und sie dazu bringen, eine Dynamik der Solidarität und des Friedens einzuleiten. Die Einbrüche im Finanzwesen, die in allerletzter Zeit in bestimmten Ländern dieses Erdteils Schlagzeilen gemacht haben, rufen zu ernsthaftem Nachdenken über die Moralität des wirtschaftlichen und finanziellen Austauschs auf, der in den vergangenen Jahren zu einer bedenkenswerten Entwicklung in Asien geführt hat. Eine größere Aufmerksamkeit für soziale Gerechtigkeit und vor allem für die Achtung der ortsansässigen Kulturen könnte in Zukunft böse Überraschungen, deren Opfer zu guter Letzt immer die einfache Bevölkerung ist, vermeiden. Ich brauche nicht besonders hervorzuheben und an das Interesse zu erinnern, mit dem der Papst und seine Mitarbeiter die Entwicklung der Lage in China verfolgen mit dem Wunsch, dass sie die Aufnahme ausgeglichener Beziehungen zum Hl. Stuhl fördern möge. Dies würde den chinesischen Katholiken erlauben, ihren Glauben zu leben und voll in die Gemeinschaft der ganzen Kirche auf ihrem Weg zum Großen Jubeljahr eingegliedert zu sein. Meine Gedanken gehen auch an die Kirche in Vietnam, die sich weiterhin bessere Lebensumstände erhofft. Ich darf außerdem nicht die Einwohner von Ost-Timor vergessen, speziell die Söhne und Töchter der Kirche dieses Landes, die immer noch auf ein friedlicheres Dasein warten, um mit etwas mehr Hoffnung in die Zukunft blicken zu können. An dieser Stelle möchte ich einen herzlichen Gruß an die Mongolei richten, die den Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, engere Beziehungen zum Apostolischen Stuhl zu knüpfen. 3. Allgemeiner betrachtet, möchte ich unter den positiven Aspekten unserer Bilanz das in der Welt wachsende Bewusstsein für die Fragen der Erhaltung einer menschenwürdigen Umwelt festhalten oder auch den internationalen Konsens, der vor knapp einem Monat die Unterzeichnung eines Abkommens über das Verbot von Anti-Personen-Minen in Ottawa ermöglicht hat. Im übrigen schickt sich der Hl. Stuhl gerade dazu an, dieses Abkommen zu ratifizieren. All dies legt einen immer greifbareren Respekt gegenüber dem menschlichen Wesen an den Tag, das in seiner individuellen und gemeinschaftlichen Dimension und in seiner Rolle als Verwalter der Schöpfung betrachtet wird; dies entspricht außerdem der Überzeugung, dass wir nur miteinander - und nie gegeneinander - zufrieden sein können. Die internationale Gemeinschaft hat zahlreiche Initiativen zugunsten der Kinder ergriffen, die leider allzu oft in ihrer Unschuld verletzt werden. Diese Maßnahmen und der Kampf gegen die organisierte Kriminalität oder den Drogenhandel sowie die Bemühungen zur Bekämpfung des verabscheuungswürdigen Menschenhandels in all seinen Formen zeigen sehr gut, dass es mit politischem 374 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Willen möglich ist, sich den Ursachen der Zügellosigkeit zu widersetzen, die den Menschen nur allzu oft entstellen. All diese Fortschritte bedürfen umso mehr einer Konsolidierung, da die Welt um uns in stetem Wandel begriffen ist und dieser Wandel jederzeit aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, entweder durch einen unvorhergesehenen Konflikt, durch eine plötzliche Wirtschaftskrise oder durch die negativen Auswirkungen der besorgniserregenden Ausdehnung der Armut. 4. Die Unbeständigkeit unserer Gesellschaft wird uns auf schmerzliche Weise durch „die Krisenherde“ bewusst, die weiterhin im engsten Blickwinkel der Aktualität bleiben und erneut das freudige Klima der Feierlichkeiten der vergangenen Tage gedämpft haben. Ich denke dabei in erster Linie an Algerien, das praktisch jeden Tag von fürchterlichen Massakern in Trauer versetzt wird. Das Land ist wahrlich als ganzes zur Geisel dieser unmenschlichen Gewalt geworden, die durch keinen politischen Grund, und noch weniger durch irgendeine religiöse Motivation, gerechtfertigt werden kann. Ich möchte noch einmal allen Menschen in aller Deutlichkeit sagen, dass niemand im Namen Gottes töten darf, denn das ist ein Missbrauch des Namens Gottes und eine Gotteslästerung. Es wäre angebracht, dass alle Menschen guten Willens, im Land selbst und anderswo, sich zusammentun, damit die Stimme derer, die an den Dialog und die Brüderlichkeit glauben, endüch gehört wird. Und ich bin davon überzeugt, dass die Mehrheit des algerischen Volkes aus solchen Leuten besteht. Auch die Situation im Sudan erlaubt es noch nicht, von Frieden und Versöhnung zu reden. Außerdem werden die Christen in diesem Land immer noch schwer diskriminiert. Der Hl. Stuhl hat deshalb schon oft bei den Zivilbehörden vorgesprochen, aber es ist leider noch keine bemerkenswerte Verbesserung feststellbar. Der Frieden scheint sich vom Nahen Osten femzuhalten: Der 1991 in Madrid begonnene Friedensprozess schwebt irgendwie in der Luft, wenn er nicht von zweifelhaften oder sogar gewalttätigen Initiativen untergraben wird. Ich denke in diesem Augenblick an all jene Menschen - Israelis und Palästinenser -, die in den vergangenen Jahren die Hoffnung gehegt hatten, endlich Gerechtigkeit, Sicherheit, Frieden und eine normale Alltäglichkeit im Heiligen Land zu erleben. Wie ist es heute um diesen Friedenswillen bestellt? Die Grundsätze der Konferenz von Madrid und die Richtlinien der Versammlung von Oslo im Jahr 1993 haben den Weg zum Frieden geebnet. Auch heute noch bleiben sie die einzig gültigen Instrumente, um auf diesem Weg fortschreiten zu können. Es ist in keiner Weise notwendig, sich auf andere Wege zu begeben. Ich möchte Ihnen - und durch Sie der ganzen internationalen Gemeinschaft - versichern, dass der Hl. Stuhl seinerseits den Dialog mit allen betroffenen Parteien fortsetzen wird, um den Willen zur Rettung des Friedens und zur Heilung der durch Ungerechtigkeit verursachten Wunden auf beiden Seiten zu stärken. Der Hl. Stuhl widmet dieser Region der Erde seine stete Aufmerksamkeit, und er entfaltet seine Tätigkeit gemäß den Grundsätzen, die ihn schon immer geleitet haben. Insbeson- 375 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dere richtet der Papst in diesen Jahren, die der Feier des Jubeljahrs 2000 vorausgehen, seinen Blick auf Jerusalem, die Heilige Stadt unter allen anderen Städten, und er betet jeden Tag dafür, dass sie bald und für immer - zusammen mit Betlehem und Nazaret - ein Ort der Gerechtigkeit und des Friedens wird, wo Juden, Christen und Moslems endlich gemeinsam unter dem Blick Gottes voranschreiten können. Von dort nicht weit entfernt ist ein ganzes Volk Opfer einer Umzingelung, die es in völlig unsichere Lebensbedingungen versetzt: Ich spreche von unseren Brüdern im Irak, die einem erbarmungslosen Embargo unterworfen sind. Wenn ich die Hilferufe höre, die den Hl. Stuhl ständig erreichen, muss ich an das Gewissen all der Menschen appellieren, die - im Irak und in anderen Nationen - politische, wirtschaftliche und strategische Überlegungen vor das grundlegende Wohl der Bevölkerung setzen, und ich fordere sie auf, ihr Mitgefühl unter Beweis zu stellen. Die Schwachen und Unschuldigen können nicht für die Fehler büßen, die sie nicht zu verantworten haben. Ich bete also dafür, dass dieses Land seine Würde wiederfinden möge, dass es eine normale Entwicklung erfährt und so in der Lage ist, im Rahmen des internationalen Rechts und der weltweiten Solidarität wieder fruchtbare Beziehungen zu anderen Völkern zu knüpfen. Wir dürfen das Drama der kurdischen Bevölkerung, das in diesen Tagen die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hat, nicht mit Stillschweigen übergehen: Das notwendige Mitleid gegenüber den Flüchtlingen in ihrer verzweifelten Lage darf uns nicht Millionen ihrer Brüder vergessen lassen, die auf der Suche nach sicheren und würdigen Lebensbedingungen sind. Schließlich fühle ich mich verpflichtet, Ihre Aufmerksamkeit auf die Tragödie der Bevölkerung im mittleren Teil Afrikas zu lenken. In den vergangenen Monaten haben wir eine regionale Umbildung der ethnischen und politischen Gegebenheiten erlebt. Sie alle kennen die Ereignisse, die sich in Ruanda, Burundi, in der Demokratischen Republik Kongo und in jüngster Zeit in Kongo-Brazzaville zugetragen haben. Ich werde deshalb hier nicht die Tatsachen aufzählen, sondern im wesentlichen nur auf einige der Prüfungen hinweisen, die der Bevölkerung auferlegt werden: Kampfhandlungen, Vertreibung von Menschen, das Flüchtlingsdrama, ungenügende sanitäre Bedingungen, mangelhafte Rechtsprechung ... Angesichts solcher Situationen kann niemand ein ruhiges Gewissen bewahren. Auch heute noch kommt es unter größtem Stillschweigen zu Einschüchterung und Mord. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle an die politisch Verantwortlichen dieser Länder wenden: Wenn die gewaltsame Machtergreifung zur Regel wird, wenn der Ethnozentrismus auch in Zukunft alles durchdringt, wenn die demokratische Vertretung systematisch aus dem Spiel gelassen wird, wenn Korruption und Waffenhandel auch weiterhin wüten, dann wird Afrika nie Frieden und Entwicklung kennen, und die zukünftigen Generationen werden ein schonungsloses Urteil über diese Ereignisse der afrikanischen Geschichte fällen. Auch möchte ich an die Solidarität der Länder dieses Kontinents appellieren. Die Afrikaner sollen nicht alles von der Hilfe von außen erwarten. Unter ihnen gibt es viele Männer und Frauen mit den erforderlichen menschlichen und intellektuellen 376 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fähigkeiten, um diese Herausforderungen unserer Zeit aufnehmen und die Gesellschaften angemessen leiten zu können. Aber es besteht ein Bedürfnis nach mehr „afrikanischer“ Solidarität, um die Länder in schwierigen Situationen zu unterstützen, auch damit ihnen keine diskriminierenden Maßnahmen oder Sanktionen auferlegt werden. Sie sollten sich bei der Analyse und Evaluierung der politischen Möglichkeiten gegenseitig helfen und sich außerdem bereit erklären, nicht an Waffenlieferungen beteiligt zu sein. Die Länder dieses Erdteils sollten vielmehr die Befriedung und Versöhnung fördern, wenn nötig auch durch den Einsatz von Friedenstruppen, die aus afrikanischen Soldaten bestehen. Dann wird die Glaubwürdigkeit Afrikas in den Augen der Welt zunehmen, und die internationale Hilfe wird zweifellos ergiebiger gewährt, bei gleichzeitiger Achtung der Souveränität der verschiedenen Nationen. Die territorialen Differenzen, die wirtschaftlichen Initiativen und die Menschenrechte müssen die Energien der Afrikaner dringend mobilisieren für gerechte und friedliche Lösungen, die Afrika in die Lage versetzen, das 21. Jahrhundert mit größeren Vorteilen und mehr Vertrauen zu beginnen. 5. Im Grunde genommen, offenbaren all diese Probleme, wie verwundbar die Frau und der Mann in diesem ausgehenden Jahrhundert sind. Es ist sicherlich zu begrüßen, dass sich beispielsweise die internationalen Organisationen immer mehr darum bemühen, die Kriterien zur Verbesserung der Lebensqualität aufzuzeigen und konkrete Initiativen zu ergreifen. Der Apostolische Stuhl fühlt sich solidarisch mit dieser Tätigkeit der multilateralen Diplomatie, an der er sich durch seine Beobachter beteiligt. In diesem Zusammenhang möchte ich an diesem Morgen nur die Tatsache erwähnen, dass der Hl. Stuhl organisch an der Arbeit der Welthandelsorganisation beteiligt ist mit dem Ziel, den menschlichen und geistlichen Fortschritt in einem für die Entwicklung der Völker lebenswichtigen Bereich zu fördern. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass unsere Zeitgenossen oft Ideologien unterworfen sind; diese zwingen ihnen Gesellschaftsformen oder Verhaltensweisen auf, die über alles entscheiden wollen, über Leben und Tod, über die Intimsphäre und die Gedankenwelt, über Zeugung und genetisches Erbgut. Die Natur ist nur noch ein einfacher Werkstoff, der für jedes Experiment zur Verfügung steht. Man hat manchmal den Eindruck, dass das Leben nur im Hinblick auf seine Nützlichkeit oder das Wohlbehagen, das es verschaffen kann, gewürdigt wird, und dass das Leid als bedeutungslos abgetan wird. Man vernachlässigt den behinderten oder alten Menschen, weil er lästig ist, man hält das ungeborene Kind allzu oft für einen Eindringling in ein Dasein, das im Hinblick auf subjektive und eigennützige Interessen geplant wurde. Abtreibung oder Euthanasie scheinen deshalb bald akzeptable „Lösungen“ zu sein. Die katholische Kirche - und die Mehrzahl der geistlichen Familien - weiß aus eigener Erfahrung, dass der Mensch dazu fähig ist, seine Menschlichkeit zu verraten. Man muss ihn also aufklären und begleiten, damit er auf seinen Irrwegen trotzdem immer die Quellen des Lebens und der Ordnung, die der Schöpfer ins Innerste seines Wesens eingeschrieben hat, wiederfinden kann. Dort, wo der Mensch geboren wird, leidet und stirbt, wird die Kirche ihrerseits immer gegenwärtig sein, um ihm 377 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN klarzumachen, dass ihn in dem Moment, da er die Erfahrung seiner eigenen Endlichkeit macht, jemand ruft, um ihn aufzunehmen und um seiner vergänglichen Existenz einen Sinn zu geben. Im Bewusstsein meiner Verantwortung als Hirte im Dienst der Weltkirche habe ich oft Gelegenheit gehabt, in den Dokumenten meines Lehramtes an die absolute Würde des Menschen - vom Zeitpunkt der Zeugung bis zum letzten Atemzug - zu erinnern sowie an den geheiligten Charakter der Familie als bevorzugter Ort für den Schutz und die Entfaltung der Person, an die Größe und Schönheit der verantwortlichen Vater- und Mutterschaft und an die erhabenen Zielsetzungen der Medizin und der wissenschaftlichen Forschung. Diese Aspekte drängen sich dem Gewissen der Gläubigen auf. Wenn der Mensch Gefahr läuft, als Objekt betrachtet zu werden, das man nach eigenem Ermessen verwandeln oder beherrschen kann, wenn man in ihm nicht mehr das Abbild Gottes erkennt, wenn die Fähigkeit zur Aufopferung und Liebe wissentlich verschleiert wird, wenn Egoismus und Profitdenken zur vorrangigen Motivation des Wirtschaftslebens werden, dann ist alles möglich, und dann sind wir nicht weit von der Barbarei entfernt. Exzellenzen, meine Damen und Herren! Diese Überlegungen sind Ihnen vertraut, denn Sie sind die täglichen Zeugen der Tätigkeit des Papstes und seiner Mitarbeiter. Ich habe sie trotzdem noch einmal zu Ihrer Betrachtung vortragen wollen, denn man hat oft den Eindruck, dass die Verantwortlichen der Gesellschaften und der internationalen Organisationen sich von einem neuen Sprachgebrauch beeinflussen lassen, der von den neuen Technologien gebilligt scheint und der von gewissen Gesetzgebungen zugelassen oder sogar bestätigt wird. In Wirklichkeit handelt es sich um den Ausdruck von Ideologien oder Machtgruppen, die dazu neigen, allen Menschen ihre eigenen Auffassungen und Verhaltensformen aufzuzwingen. Der soziale Frieden wird davon empfindlich ausgezehrt, und die Bürger verlieren ihre Bezugspunkte. Die Garanten für Gesetzmäßigkeit und sozialen Zusammenhalt in jedem Land sowie die Leiter der Organisationen, die für das Wohl der Nationengemeinschaft ins Leben gerufen wurden, können der Frage über die Treue zum ungeschriebenen Gesetz des menschlichen Gewissens nicht ausweichen. Schon in der Antike war davon die Rede, und sie ist für alle - Gläubige und Nichtgläubige - die Gmndlage und universale Gewähr der Menschenwürde und des Gemeinschaftslebens. Zu diesem Thema kann ich nur das wiederaufnehmen, was ich erst kürzlich dazu geschrieben habe: „Wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, [dann können] die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke mißbraucht werden“ (Centesimus annus, Nr. 46). Vor dem Gewissen „gibt es für niemanden Privilegien oder Ausnahmen. Ob einer der Herr der Welt oder der Letzte, ,Elendste“ auf Erden ist, macht keinen Unterschied: Vor den sittlichen Ansprüchen sind wir alle absolut gleich“ (Veritatis splendor, Nr. 96). 6. Damit, Exzellenzen, meine Damen und Herren, möchte ich meine Rede abschließen. Auf jeden von Ihnen, auf Ihre Familien, die Verantwortungsträger Ihrer 378 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Länder und Ihre Mitbürger rufe ich den Schutz Gottes für das ganze, vor kurzem begonnene Jahr herab. Der allmächtige Gott möge jedem von uns helfen, neue Wege aufzuzeigen, auf denen die Menschen sich begegnen und die sie zusammen gehen können! Dies ist das Gebet, das ich jeden Tag zu Gott für die gesamte Menschheit erhebe, damit sie dieses Namens immer würdiger sei! Evangelium vom Leben: Bekenntnis — Hilfeleistung -Zuwendung Brief an die deutschen Bischöfe vom 11. Januar Gruß und Apostolischen Segen! Am 27. Mai 1997 haben wir entsprechend der Bitte von Herrn Bischof Karl Lehmann, dem Vorsitzenden Eurer Bischofskonferenz, miteinander die Fragen über die rechte Zuordnung der katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen zur staatlich geregelten Beratung gemäß dem Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21. August 1995 besprochen und vertieft. Noch einmal danke ich Euch für diese Begegnung, in der Ihr Euer lebendiges Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Evangelium des Lebens sowie Eure Bereitschaft, in Einheit mit dem Nachfolger Petri die richtige Entscheidung zu finden, zum Ausdruck gebracht habt. In den seither vergangenen Monaten habe ich die verschiedenen Gesichtspunkte der Frage erneut studiert, mich weiter über sie beraten und das Problem im Gebet vor den Herrn getragen. So möchte ich heute, wie am Ende der Gespräche angekündigt, die erzielten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen und gemäß meiner Verantwortung als oberster Hirte der Kirche einige Richtlinien für das künftige Verhalten in den umstrittenen Punkten geben. 2. Eure Bischofskonferenz setzt sich seit Jahrzehnten in unmissverständlicher Weise ein, um die Botschaft von der unantastbaren Würde des menschlichen Lebens in Wort und Tat zu bezeugen. Denn obgleich das Recht auf Leben in der Verfassung Eures geschätzten Landes eine klare Anerkennung findet, hat der Gesetzgeber die Tötung ungeborener Kinder dennoch in bestimmten Fällen legalisiert, in anderen Fällen für straffrei erklärt, auch wenn dabei der Charakter der Unrechtmäßigkeit gewahrt bleibt. Eure Bischofskonferenz hat sich zu Recht mit dem früheren und dem jetzt geltenden Abtreibungsgesetz nicht abgefunden, sondern freimütig und unerschrocken gegen die Abtreibung Stellung genommen. In vielen Ansprachen, Erklärungen, ökumenischen Initiativen und anderen Beiträgen, unter denen besonders das Hirtenwort Menschenwürde und Menschenrechte von allem Anfang an vom 26. September 1996 zu erwähnen ist, habt Ihr den Wert des menschlichen Lebens von der Empfängnis an verkündet und verteidigt. 379 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Kampf um das ungeborene Leben muss sich die Kirche in unseren Tagen immer mehr von der sie umgebenden Umwelt unterscheiden. Sie hat dies von ihren Anfängen an getan (vgl. Brief an Diognet 5.1-6.2) und tut es bis heute. „Bei der Verkündigung dieses Evangeliums dürfen wir nicht Feindseligkeit und Unpopularität fürchten, wenn wir jeden Kompromiß und jede Zweideutigkeit ablehnen, die uns der Denkweise dieser Welt angleichen würde (vgl. Röm 12,2). Wir sollen in der Welt, aber nicht von der Welt sein (vgl. Joh 15,19; 17,16) mit der Kraft, die uns von Christus kommt, der durch seinen Tod und seine Auferstehung die Welt besiegt hat (vgl. Joh 16,33)“ (Evangelium vitae, Nr. 82). Durch Eure vielfältigen Bemühungen im Dienst am Leben habt Ihr diese Worte in die Tat umgesetzt und dazu beigetragen, dass die Haltung der Kirche zur Frage des Lebensschutzes den Bürgern Eures Landes von Kindesbeinen an vertraut ist. Ich möchte Euch aus ganzem Herzen meine Wertschätzung und meine volle Anerkennung für diesen unermüdlichen Einsatz aussprechen. Ebenso danke ich allen, die in der Öffentlichkeit das Lebensrecht eines jeden Menschen verteidigen. Besondere Erwähnung verdienen dabei die Politiker, die sich in Vergangenheit und Gegenwart nicht scheuen, die Stimme für das Leben der ungeborenen Kinder zu erheben. 3. Neben einigen positiven Aussagen über den Lebensschutz und über die Notwendigkeit der Beratung sieht das Gesetz vom 21. August 1995 vor, dass die Abtreibung bei Vorliegen einer sehr vage umschriebenen „medizinischen Indikation“ bis zur Geburt rechtmäßig ist. Diese Bestimmung habt Ihr zu Recht heftig kritisiert. Ebenso ist die Legalisierung der Abtreibung bei Vorliegen einer „kriminologischen Indikation“ für gläubige Christen und für alle Menschen mit wachem Gewissen völlig unannehmbar. Ich bitte Euch, weiterhin alle möglichen Schritte zur Änderung dieser gesetzlichen Verfügungen zu unternehmen. 4. Nun wende ich mich den neuen Gesetzesbestimmungen über die Beratung der schwangeren Frauen in Not zu, weil diese bekanntlich für die kirchliche Sendung im Dienst am Leben und für das Verhältnis von Kirche und Staat in Eurem Land von erheblicher Bedeutung sind. Aufgrund meiner Besorgnis über die neuen Bestimmungen fühlte ich mich verpflichtet, am 21. September 1995 in einem persönlichen Brief einige Grundsätze in Erinnerung zu rufen, die in dieser Sache sehr wichtig sind. Ich lenkte Eure Aufmerksamkeit unter anderem darauf, dass die positive gesetzliche Definition der Beratung im Sinn des Lebensschutzes durch gewisse zweideutige Formulierungen abgeschwächt wird und dass die von den Beraterinnen auszustellende Beratungsbescheinigung nunmehr einen anderen juristischen Stellenwert hat als in der vorigen gesetzlichen Regelung. Ich ersuchte Euch, die kirchliche Beratungstätigkeit neu zu definieren und dabei darauf zu achten, dass die Freiheit der Kirche nicht beeinträchtigt wird und kirchliche Einrichtungen nicht für die Tötung unschuldiger Kinder mitverantwortlich gemacht werden können. In den Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien habt Ihr das Ziel der kirchlichen Beratung gegenüber dem Gesetz weiter im Sinn des unbedingten Lebensschutzes prä- 380 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zisiert. Durch diese und andere Maßnahmen habt Ihr den kirchlichen Beratungsstellen ein deutliches eigenes Profil gegeben. Im Ringen um die staatliche Anerkennung der Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien in den einzelnen Ländern ist die eigenständige Position der Kirche in der Frage weiter zutage getreten. 5. Umstritten blieb die Problematik der Beratungsbescheinigung, die gewiss nicht aus dem Beratungskonzept herausgelöst werden kann, aber sorgsam gemäß ihrer objektiven rechtlichen Bedeutung zu bewerten ist. In der Ansprache vom 22. Juni 1996 während meiner Pastoraireise in Deutschland stellte ich fest: „Von unserem Glauben her ist klar, daß von kirchlichen Institutionen nichts getan werden darf, was in irgendeiner Form der Rechtfertigung der Abtreibung dienen kann.“ Um in der Frage des Beratungsscheines eine Lösung zu finden, kam es - in Fortführung einer ersten Unterredung am 5. Dezember 1995 - am 4. April 1997 zu einem zweiten Gespräch zwischen einer Delegation Eurer Bischofskonferenz und Vertretern der Kongregation für die Glaubenslehre, bei dem trotz einer grundlegenden Einmütigkeit in der Lehre der Kirche zum Lebensschutz und in der Verurteilung der Abtreibung wie auch in der Notwendigkeit einer umfassenden Beratung schwangerer Frauen in Not die strittige Frage der Beratungsbescheinigung nicht endgültig gelöst werden konnte. Während der Begegnung am 27. Mai 1997 wurden alle zu berücksichtigenden. Elemente noch einmal in einer brüderlichen Atmosphäre freimütig und offen vorgetragen. In meinem Auftrag, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), richte ich mich nun wiederum an Euch, liebe Mitbrüder. Es geht nämlich um eine pastorale Frage mit offenkundigen lehrmäßigen Implikationen, die für die Kirche und für die Gesellschaft in Deutschland und weit darüber hinaus von Bedeutung ist. Auch wenn die gesetzliche Situation in Eurem Land einzigartig ist, so betrifft das Problem, wie wir das Evangelium des Lebens in der pluralistischen Welt von heute wirksam und glaubwürdig verkünden, doch die Kirche insgesamt. Der Auftrag, das Leben in allen seinen Phasen zu schützen, lässt keine Abstriche zu. Daraus folgt, dass die Botschaft und die Handlungsweise der Kirche in der Frage der Abtreibung in ihrem wesentlichen Gehalt in allen Ländern dieselben sein müssen. 6. Ihr legt großen Wert darauf, dass die katholischen Beratungsstellen in der Schwangerenberatung öffentlich präsent bleiben, um durch eine zielorientierte Beratung viele ungeborene Kinder vor der Tötung zu retten und den Frauen in schwierigen Lebenssituationen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Seite zu stehen. Ihr unterstreicht, dass die Kirche in dieser Frage - um der ungeborenen Kinder willen - die vom Staat eröffneten Spielräume zugunsten des Lebens und der Beratung so weit wie möglich nützen muss und nicht die Verantwortung auf sich nehmen kann, mögliche Hilfeleistungen unterlassen zu haben. Ich unterstütze Euch in diesem Anliegen und hoffe sehr, dass die kirchliche Beratung kraftvoll weitergeführt werden kann. Die Qualität dieser Beratung, die sowohl den Wert des ungeborenen Lebens wie auch die Schwierigkeiten der schwangeren Frau ganz ernst nimmt und eine Lösung auf der Basis von Wahrheit und Liebe anstrebt, wird 381 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gewissen vieler Ratsuchender anrühren und für die Gesellschaft ein mahnender Aufruf sein. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Einsatz der katholischen Beraterinnen der Caritas und des Sozial di enstes katholischer Frauen sowie einiger anderer Beratungsstellen ausdrücklich hervorheben. Ich kenne den guten Willen der Beraterinnen und weiß um ihre Mühen und Sorgen. Ich möchte ihnen aufrichtig für ihr Engagement danken und sie bitten, weiterhin für jene zu kämpfen, die keine Stimme haben und ihr Lebensrecht noch nicht selber verteidigen können. 7. Was nun die Frage der Beratungsbescheinigung betrifft, möchte ich wiederholen, was ich Euch schon im Brief vom 21. September 1995 geschrieben habe: „Sie bestätigt, daß eine Beratung stattgefunden hat, ist aber zugleich ein notwendiges Dokument für die straffreie Abtreibung in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft.“ Ihr selber habt diese widersprüchliche Bedeutung des Beratungsscheines, die im Gesetz verankert ist, mehrmals als „Dilemma“ bezeichnet. Das „Dilemma“ besteht darin, dass die Bescheinigung die Beratung zugunsten des Lebensschutzes bestätigt, aber zugleich die notwendige Bedingung für die straffreie Durchführung der Abtreibung bleibt, auch wenn sie gewiss nicht deren entscheidende Ursache ist. Der positive Text, den Ihr dem von katholischen Stellen ausgestellten Beratungsschein gegeben habt, kann diese widersprüchliche Spannung nicht grundsätzlich beheben. Die Frau kann den Schein aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen dazu gebrauchen, um nach einer dreitägigen Frist ihr Kind straffrei und in öffentlichen Einrichtungen und zum Teil auch mit öffentlichen Mitteln abtreiben zu lassen. Es ist nicht zu übersehen, dass der gesetzlich geforderte Beratungsschein, der gewiss zuerst die Pflichtberatung sicherstellen will, faktisch eine Schlüsselfunktion für die Durchführung straffreier Abtreibungen erhalten hat. Die katholischen Beraterinnen und die Kirche, in deren Auftrag die Beraterinnen in vielen Fällen handeln, geraten dadurch in eine Situation, die mit ihrer Grundauffassung in der Frage des Lebensschutzes und dem Ziel ihrer Beratung in Konflikt steht. Gegen ihre Absicht werden sie in den Vollzug eines Gesetzes verwickelt, der zur Tötung unschuldiger Menschen führt und vielen zum Ärgernis gereicht. Nach gründlicher Abwägung aller Argumente kann ich mich der Auffassung nicht entziehen, dass hier eine Zweideutigkeit besteht, welche die Klarheit und Entschiedenheit des Zeugnisses der Kirche und ihrer Beratungsstellen verdunkelt. Deshalb möchte ich Euch, liebe Brüder, eindringlich bitten, Wege zu finden, dass ein Schein solcher Art in den kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen nicht mehr ausgestellt wird. Ich ersuche Euch aber, dies auf jeden Fall so zu tun, dass die Kirche auf wirksame Weise in der Beratung der hilfesuchenden Frauen präsent bleibt. 8. Verehrte Mitbrüder! Ich weiß, dass die Bitte, die ich an Euch richte, ein nicht leichtes Problem anrührt. Schon seit langem und verstärkt seit der Begegnung vom 27. Mai 1997 ist von vielen Seiten, auch von Menschen, die sich für die Kirche und in der Kirche einsetzen, nachdrücklich vor einem solchen Entscheid gewarnt 382 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN worden, der die Frauen in Konfliktsituationen ohne den Beistand der Glaubensgemeinschaft lasse. Ebenso nachdrücklich ist freilich auch von gläubigen Menschen aller Schichten und Stände angemahnt worden, dass der Schein die Kirche in die Tötung unschuldiger Kinder verwickelt und ihren unbedingten Widerspruch gegen die Abtreibung weniger glaubwürdig macht. Ich habe beide Stimmen sehr ernst genommen und respektiere die leidenschaftliche Suche nach dem rechten Weg der Kirche in dieser wichtigen Sache auf beiden Seiten, fühle mich aber um der Würde des Lebens willen gedrängt, die oben dargelegte Bitte an Euch zu richten. Zugleich anerkenne ich, dass die Kirche sich ihrer öffentlichen Verantwortung nicht entziehen kann, am allerwenigsten da, wo es um das Leben und die Würde des Menschen geht, den Gott geschaffen und für den Christus gelitten hat. Das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz bietet viele Möglichkeiten, um in der Beratung präsent zu bleiben; die Präsenz der Kirche darf letztlich nicht vom Angebot des Scheins abhängen. Nicht nur der Zwang einer gesetzlichen Vorschrift darf es sein, der die Frauen zu den kirchlichen Beratungsstellen führt, sondern vor allem die sachliche Kompetenz, die menschliche Zuwendung und die Bereitschaft zu konkreter Hilfe, die darin anzutreffen sind. Ich vertraue darauf, dass Ihr mit den vielfältigen Möglichkeiten Eurer Institutionen und Eurer Organisationen, mit dem reichen Potential an intellektuellen Kräften wie an Innovationsfähigkeit und Kreativität Wege finden werdet, die Präsenz der Kirche in der Beratung nicht nur nicht vermindern zu lassen, sondern noch zu verstärken. Ich bin davon überzeugt, dass Ihr in der geistigen Auseinandersetzung, die in der Gesellschaft Eures Landes bereits stattfindet und die nun folgen wird, alle Eure Kräfte mobilisieren könnt, um den Weg der Kirche nach innen und nach außen verständlich zu machen, so dass er auch dort wenigstens Respekt findet, wo man nicht glaubt, ihn billigen zu können. Dass die Kirche den Weg des Gesetzgebers in einem konkreten Punkt nicht mitgehen kann, wird ein Zeichen sein, das gerade im Widerspruch zur Schärfung des öffentlichen Gewissens beiträgt und damit letztlich auch dem Wohl des Staates dient: „Das Evangelium vom Leben ist nicht ausschließlich für die Gläubigen da: es ist für alle da [...] Unser Handeln als ,Volk des Lebens und für das Leben verlangt daher, richtig ausgelegt und mit Sympathie aufgenommen zu werden. Wenn die Kirche die unbedingte Achtung vor dem Recht auf Leben jedes unschuldigen Menschen - von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod - zu einer der Säulen erklärt, auf die sich jede bürgerliche Gesellschaft stützt, ,will sie lediglich einen humanen Staat fördern. Einen Staat, der die Verteidigung der Grundrechte der menschlichen Person, besonders der schwächsten, als seine vorrangige Pflicht anerkennt“ (Evangelium vitae, Nr. 101). Noch einmal danke ich Euch für Euer vielfältiges Bemühen, das Leben der ungeborenen Kinder zu schützen, und ebenso für Eure Bereitschaft, die katholische Beratungstätigkeit neu zu umschreiben. Ich empfehle die Euch anvertrauten Gläubigen - im besonderen die in der Beratung engagierten Frauen und Männer sowie 383 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alle schwangeren Frauen in Not - Maria, der Mutter vom Guten Rat, und erteile Euch von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 11. Januar 1998, dem Fest der Taufe des Herrn. Joannes Paulus PP. II Das Sakrament der Taufe - persönliches Geschenk und gemeinsame Verpflichtung des Glaubens Predigt bei der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle am Fest der Taufe des Herrn, 11. Januar 1. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Lk 3,22). Mit diesen Worten, die wir heute in der Liturgiefeier vernehmen, weist der Vater die Menschen hin auf seinen Sohn und offenbart dessen Sendung als von Gott Geweihter, als Messias. Am Weihnachtsfest haben wir mit Staunen und tiefer Freude das Offenbarwerden betrachtet, wie „die Gnade Gottes erschienen ist, um alle Menschen zu retten“ (vgl. Tit 2,11), die Gnade, sichtbar geworden im Angesicht des Jesuskindes, des Sohnes Gottes, der durch das Wirken des Heiligen Geistes von Maria, der Jungfrau, als Mensch geboren wurde. Und dann bekamen wir die ersten Offenbarungen Christi, des „wahren Lichtes, das jeden Menschen erleuchtet“ (vgl. Joh 1,9), zu Gesicht. Zuerst erstrahlte es den Hirten in der Heiligen Nacht und dann den Magiern, den ersten aus den Völkern zum Glauben Berufenen, die sich im Licht des Sterns, den sie am Himmel entdeckt hatten, auf den Weg machten und nach Betlehem kamen, um den Neugeborenen anzubeten (vgl. Mt 2,2). Mit dem öffentlichen Auftreten Jesu am Jordan wird auch zum ersten Mal die dreifältige Natur Gottes kundgetan: Jesus, vom Vater als der geliebte Sohn bezeichnet, und der Heilige Geist, der herabkommt und auf ihm bleibt. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Heute habe ich wiederum die Freude, einige Neugeborene aufzunehmen, um ihnen das Sakrament der Taufe zu spenden. In diesem Jahr sind es zehn Jungen und neun Mädchen; sie kommen aus Italien, Brasilien, Mexiko und Polen. Herzlich begrüße und beglückwünsche ich euch, liebe Eltern, Paten und Patinnen. Ihr wisst, dass dieses Sakrament, vom auferstandenen Christus eingesetzt (vgl. Mt 28,18-19), das erste der christlichen Initiation und gewissermaßen das Eingangstor zum Leben aus dem Heiligen Geist ist. In diesem Sakrament wird der Täufling vom Vater im Heiligen Geist geweiht zum Bild Christi, des Neuen Menschen, und er wird Glied der Kirche, seines Mystischen Leibes. 384 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Taufe wird „Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Heiligen Geist“ (Tit 3,5) genannt, Geburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, ohne die niemand „in das Reich Gottes kommen kann“ (vgl. Joh 3,5). Sie wird auch „Erleuchtung“ genannt, weil diejenigen, die sie empfangen, ,4m Geist erleuchtet werden“ (hl. Justinus, Apologia, 1,61,12: PG 6,344; Texte der Kirchenväter, Bd. 4, Kösel-Verlag, München 1964, S. 252). Der hl. Gregor von Nazianz sagt: Die Taufe „ist die schönste und herrlichste der Gaben Gottes ... Wir nennen sie Geschenk, Gnadengabe, Taufe, Erleuchtung, Gewand der Unverweslichkeit, Bad der Wiedergeburt, Siegel. Alles was kostbar. Geschenk, weil sie solchen gegeben wird, die vorher dazu nichts beigetragen haben; Taufe, weil sogar Schuldnern; Taufe, weil im Wasser die Sünde mitbegraben wird; Salbung als priesterlich und königlich - denn diese Stände waren die Gesalbten; Erleuchtung als Klarheit; Gewand als Verhüllung der Schande; Siegel als Bewahrung und Zeichen der Herrschaft“ {Reden, 40, 3-4: PG 36, 361; Ausgewählte Schriften, BKV, Kempten 1874, S. 50). 3. Mit Freude richte ich den Blick auf diese Kinder, denen heute das Sakrament der Taufe gespendet wird, hier in der Sixtinischen Kapelle. Ihre Zugehörigkeit zu christlichen Gemeinden verschiedener Länder stellt das Universale der Berufung zum Glauben ins Licht. Sie sind, wie wiederum der hl. Augustinus sagt, „neu der Kirche Geborene, freundliche Gabe des Vaters, fruchtbare Ernte der Mutter [Kirche], gottesfürchtige Sprößlinge, neuer Schwarm, Blüte unseres Eltemamtes ... meine Freude und mein Kranz“ {Reden, VIII, 1,4: PL 46,838; Mysterium des neuen Lebens, hrsg. vom Instituten Liturgicum, Salzburg [o. J.]), S. 38. Die heutige Feier lädt uns alle dazu ein, erneut an die Verpflichtungen zu denken, die wir mit der Taufe auf uns genommen haben, unseren Entschluss zu erneuern und die Flamme des Glaubens stets brennend zu halten, um immer mehr geliebte Kinder des Vaters zu werden. Besonders wende ich mich an euch, liebe Eltern: Von der christlichen Gemeinschaft unterstützt und mit Hilfe der Paten und Patinnen werdet ihr diese eure Kinder zum Glauben erziehen und sie führen auf ihrem Weg zur vollen christlichen Reife. Möge die Heilige Familie von Nazaret euch in dieser erhabenen Sendung stets beistehen. 4. Wir richten unsere Bitte an den Heiligen Geist, dem dieses zweite Jahr der Vorbereitung auf das Jubeljahr zweitausend geweiht ist. Wie er am Jordanfluss auf Jesus herabkam, so möge er heute über alle diese Kinder kommen und sie mit seinem Licht und seiner Kraft führen, dass sie auf ihrem Lebensweg dem Leben Christi folgen. Wir vertrauen diese Neugeborenen und ihre Angehörigen Maria, dem Heiligtum des Heiligen Geistes, an. Mögen sie fähig sein, das Wort Gottes zu hören und zu befolgen. Vom eucharistischen Brot genährt, mögen sie Gott und den Nächsten so 385 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu lieben wissen, wie der göttliche Meister es uns gelehrt hat, und so Erben des Himmelreiches werden. Historische und kulturelle Vielfalt belebt die Stadt auch heute Grußwort an die römische Bevölkerung beim Besuch auf dem Kapitol am 15. Januar Liebe Brüder und Schwestern! Bürger von Rom! 1. Soeben bin ich im Senatorenpalast mit denen zusammengetroffen, die auf verschiedene Weise im kommunalen Verwaltungsdienst tätig sind. Nun möchte ich hier oben von Michelangelos Freitreppe aus, auf diesem Hügel, den Cicero als die „Felsenburg aller Völker“ ansah (Catil. 4,6,11), ganz Rom in herzlicher Zuneigung gleichsam in die Arme schließen. Liebe Römer, ganz zu Recht dürfen wir diesen heutigen Besuch historisch nennen: Wir sind dabei, miteinander in die Annalen von Rom, der zivilen und geistigen Hauptstadt, auf die die ganze Menschheit blickt, eine neue Seite voller Pläne und Hoffnungen zu schreiben. Ich danke euch für eure Anwesenheit und für euren Empfang. Sie bestätigen und bereichern unsere Freundschaft. Und Dank für den wirklich begeisterten Gruß, den ihr dem Papst entbietet, der gekommen ist, um dem Kapitol einen Besuch abzustatten, dem Haus aller Römer und daher auch dem seinen. Der Herr, der ihn an der Spitze der katholischen Kirche haben wollte, hat ihn darum zum „Römer“ gemacht, „civis romanus“, zum römischen Bürger, der Anteil hat an den Freuden und Leiden dieser herrlichen Stadt, an ihren Erwartungen und an ihren Errungenschaften. „Totius orbis urbs celeberrima“ - [des ganzen Erdkreises berühmteste Stadt], In Krakau hieß es „Cracovia totius Poloniae urbs celeberrima“ - [Krakau, die berühmteste Stadt ganz Polens], Hier müssen wir sagen: „Totius orbis, orbis terra-rum, urbs celeberrima.“ Aber kann man denn heute noch Latein? 2. Meine Gedanken gelten allen Römern, sie gelten vor allem euch, ihr Jungen und Mädchen, die ihr die Zukunft Roms seid. Ich sage euch: Liebt eure Stadt! Seid stolz auf ihre Geschichte und auf ihre geistige Berufung! Seid bereit, eine Zukunft aufzubauen, die ihrer ruhmreichen Vergangenheit würdig ist! In Liebe grüße ich euch, die ihr körperlich oder geistig zu leiden habt und schwere Stunden durchmachen müsst: Mögt ihr Unterstützung finden durch den traditionellen Geist der Solidarität, der die Bevölkerung der Stadt Rom auszeichnet. Seid herzlich gegrüßt auch ihr, römische Bürger, die ihr anderen religiösen Traditionen angehört: Ihr, Juden, Erben des Glaubens Abrahams, die ihr seit Jahrhunderten teilnehmt am geistigen und bürgerlichen Leben Roms; ihr, Brüder und 386 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwestern anderer christlicher Konfessionen, und ihr, Gläubige der muslimischen Religion. Die gemeinsame Anbetung des Allerhöchsten sei uns ein Antrieb zur gegenseitigen Achtung, und mache alle zu tatkräftigen Erbauern einer offenen und solidarischen Gesellschaft. In Ehrerbietung grüße ich euch, Brüder und Schwestern, die ihr sagt, eine nichtreligiöse Lebensanschauung zu haben, und alle, die mit euch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind: Liebe zur Wahrheit, sittliche Disziplin und eine ausgewogene Einstellung gegenüber den Glaubenden tragen dazu bei, Rom zu einem Modell respektvollen Zusammenlebens zwischen Männern und Frauen verschiedener Religionen und verschiedener Ideale zu machen. In Freundschaft denke ich an euch, Brüder und Schwestern, die ihr aus fernen Ländern kommt und seit kurzem das Leben der Stadt teilt: Möge eure Anwesenheit eine Bereicherung für das gastliche und friedliche Gesicht Roms sein. Und nun richte ich zum Abschluss meinen väterlichen Gruß an euch, Brüder und Schwestern von Rom, und an eure Familien: Bleibt den unvergänglichen Werten unserer vom katholischen Glauben belebten Zivilisation treu! Während wir uns anschicken, die Schwelle des Großen Jubeljahres zu überschreiten, möge uns das Andenken der Märtyrer, der Heiligen und aller, die im Lauf der Jahrhunderte zur Größe Roms beigetragen haben, Hilfe sein. Es ist ein Gedenken von Freiheit, Treue, Zivilisation. Es muss weiterleben im Herzen der Bewohner Roms im dritten Jahrtausend. Das ist mein Wunsch und mein Gebet, das ich zu Gott erhebe, dessen Schutz ich auf dieses Volk herabrufe, das ich liebe und das ich von ganzem Herzen segne. Roma felix - glückliches Rom! Rom. — Hüterin von Glaube, Kultur und Menschlichkeit Ansprache an die römische Stadtverwaltung beim Besuch auf dem Kapitol am 15. Januar Herr Bürgermeister! Meine Herren Assessoren und Stadträte! Alle anwesenden Obrigkeiten! l.Das erste Empfinden, das wegen des mir zuteil gewordenen herzlichen Empfangs natürlich von Herzen kommt, findet heute seinen Ausdruck in einem bewegten Dank: Ich danke Ihnen allen für Ihre Anwesenheit; vor allem danke ich dem Herrn Bürgermeister, der mich schon seit langem mit liebenswürdiger Höflichkeit in diesen historischen Palast, den Sitz des hohen Magistrats der Stadt, eingeladen hat. Er hat sich freundlicherweise zu Ihrem Sprecher gemacht und die Bedeutung meines heutigen Besuchs hervorgehoben. Auch ich hegte den Wunsch, auf diesen Hügel zu kommen, der im Lauf der Jahrhunderte Wiege, Sitz und Wahrzeichen der Geschichte und der Sendung Roms geworden ist. Und da bin ich heute nun endlich unter Ihnen, um der Realität und der 387 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufung dieser Stadt meine Ehrerbietung zu bezeigen. Zu Anfang eines jeden Jahres empfange ich für gewöhnlich zum Austausch der Glückwünsche die Vertreter der Stadtverwaltung im Vatikan. Heute nun bin ich es, der kommt, um Ihnen, sehr geehrte Herren, einen Besuch zu machen und Ihnen die guten Wünsche zum neuen, eben begonnenen Jahr zu entbieten und das freundschaftliche Gespräch fortzusetzen, das sich seit dem Tag meiner Wahl zum Bischof von Rom angebahnt und bei vielen Begegnungen mit den römischen Bürgern und mit ihren Vertretern noch vertieft hat. Ich muss gestehen, dass der prachtvolle Rahmen dieses historischen, nach Julius Cäsar benannten Saales, die Anwesenheit des Papstes in einer feierlichen Sitzung des Stadtrats und die Atmosphäre des nahenden neuen Jahrtausends mich in ihren Bann ziehen und diesem Treffen noch größere Bedeutung verleihen: Es bietet sich als Gelegenheit zu einer rückschauenden Bilanz an und zugleich als Aufforderung, einen einhelligen Plan für den zukünftigen Weg auszuarbeiten. 2. Die Vertreter des römischen Volkes, der Nachfolger des Petrus, das Kapitol: In ihnen sind die wesentlichen Gestalter der besonderen und einmaligen Berufung Roms zusammengefasst, das, wie der Herr Bürgermeister erwähnte, nicht von der „Verknüpfung“ einer solchen Präsenz absehen kann. An dieser so sehr die Geschichte und die Ruhmesblätter der Stadt wachrufenden Stätte sind heute morgen die derzeitigen Sprecher ihrer Jahrtausende alten Tradition zu einer Begegnung zusammengekommen. Das zivile Rom und das christliche Rom finden sich hier wiederum zusammen, nicht einander entgegengesetzt, nicht zwischen zwei Möglichkeiten die Wahl lassend, sondern in der Begeisterung für diese Stadt miteinander vereint unter Achtung der verschiedenen Zuständigkeiten und mit dem Wunsch, das Gesicht Roms der ganzen Welt als Beispiel vorzustellen. In dieser festlichen Stunde denke ich an die letzten Päpste, die das Kapitol besucht haben. Pius IX. kam kurz vor der Annektierung Roms an den italienischen Staat hierher, in einer von verwickelten und leidvollen Verhältnissen gezeichneten Zeit. Paul VI. begab sich am 16. April 1966, nach der letzten Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils, auf diesen Hügel, um der Stadt für die den Konzilsvä-tem erwiesene Gastfreundschaft zu danken. Schon als Erzbischof von Mailand hatte er am 10. Oktober 1962, unmittelbar vor der Eröffnung der ökumenischen Versammlung, Gelegenheit gehabt, hier eine bedeutende Rede über „Rom und das Konzil“ zu halten. Mit seiner Anwesenheit an dieser Stätte leitete er in einem von gärenden Unruhen erfüllten historischen Augenblick einen neuen Stil des Dialogs mit der Stadt und mit ihren Vertretern ein. Wenn man die vergangenen Jahre und die Fülle von Veränderungen durchgeht, die in diesen Jahrzehnten rasch aufeinander folgten, dann denkt man ganz spontan an die göttliche Vorsehung, die mit unerforschlicher Weisheit die zuweilen unsicheren Schritte der Menschen lenkt und die Anstrengungen der Menschen guten Willens fruchtbar macht. Wie viele Umgestaltungen haben das Leben der Stadt gekennzeichnet! Von der Hauptstadt des Kirchenstaates zur Hauptstadt des Italienischen Staates; von der Stadt innerhalb der Aurelianischen Mauer zur Metropole 388 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von etwa drei Millionen Einwohnern; von einem menschlich homogenen Umfeld zu einer Gemeinschaft aus vielen Völkern, in der neben der katholischen Sicht auch Lebensanschauungen bestehen, die von anderen religiösen Bekenntnissen oder auch von nichtreligiösen Lebensauffassungen inspiriert sind. Das menschliche Gesicht der Stadt ist zutiefst umgestaltet. Mit dem Durchbruch verschiedener kultureller und sozialer Modelle und einer neuen Sensibilität ist das Zusammenleben in der Stadt komplexer, offener, kosmopolitischer, aber auch problematischer geworden: neben anerkannt positiven Aspekten fehlt es leider auch nicht an Schwierigkeiten und Besorgnissen. Neben Lichtblicken und Hoffnungszeichen fehlt es nicht an Schattenseiten im Panorama einer Stadt, die dazu berufen ist, auch im kommenden Jahrtausend eine Leuchte der Kultur, „Jüngerin der Wahrheit“ (vgl. Leo d. Gr., Tract. septem et nonciginta), und „gastfreundliche Mutter der Völker“ (vgl. Prudentius, Peristephanon, carme 11, 191) zu sein. 3. Kurz zuvor sprach ich von der konstruktiven Beziehung zwischen dem Bischof von Rom und seinem Volk, die durch die veränderten sozialen, politischen und religiösen Bedingungen nie schwächer geworden ist. Vielmehr haben verschiedene Ereignisse, wie der Untergang der zeitlichen Macht, die Unterzeichnung der Lateranverträge, die tragische Erfahrung des Krieges und die neue, durch das II. Vatikanische Ökumenische Konzil geförderte Zeit, dieses Verhältnis noch herzlicher und dynamischer gemacht. Der heutige Besuch bezeichnet einen weiteren Abschnitt dieser gemeinsamen Geschichte. Angesichts der Veränderungen, die für die Stadt von Bedeutung waren und weiterhin von Bedeutung sein werden, möchte auch ich die von Wahrheit und Menschlichkeit erfüllten Worte, die mein verehrter Vorgänger Paul VI. hier gesprochen hat, wiederholen und sie bestätigen: „Unsere Liebe ist nicht geringer geworden ... unsere Liebe hat noch zugenommen!“ (Paul VI., Insegnamenti IV, S. 179). Die achtungsvolle und liebevolle Beziehung, die in den häufigen Pfarreibesuchen und in Zusammenkünften mit den römischen Gläubigen zum Ausdruck kommt und sich verstärkt, nimmt täglich zu. Sie festigt sich dank der großmütigen und beständigen Sorge des Kardinalvikars, seines Stellvertreters, der Weihbischöfe, der Priester, Ordensleute und Laien, aller, die in verschiedenen Aufgaben bei der Neuevangelisierung Zusammenarbeiten. Ich denke an die dreihundertachtundzwanzig römischen Pfarreien, die es in den Vierteln und Vororten der Stadt gibt, manchmal ohne angemessene Strukturen. Ich denke an die Ordensgemeinschaften, an die katholischen Schulen, an Pflege- und Lürsorgeeinrichtungen, an die Laienverbände und -bewegungen und an die Lreiwilligen auf den verschiedenartigen Gebieten. Sie bilden eine erstaunliche und tröstliche Hilfe in unserer Stadt, in der sonst die Gefahr von Anonymität und Einsamkeit noch häufiger und verhängnisvoller wäre. Dabei handelt es sich um eine Liebe, die ganz konkret die Menschen erreichen will, alle Menschen. Sie gibt ihnen Motive zur Hoffnung, macht kulturelle Angebote, bietet Hilfe und Unterstützung in moralischen und materiellen Schwierigkeiten an, stellt Räume zur Gastfreundschaft bereit, gibt Gelegenheit zum Gehört- und 389 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verstandenwerden und zu geschwisterlicher Begegnung. Es ist eine Liebe voll Aufmerksamkeit für die wechselnde Realität, für die Mühe des Alltäglichen, für die moralischen Gefahren, die es auch in dieser unserer Stadt Rom gibt. 4. Gerade um den negativen Erscheinungen entgegenzutreten, die das Gesicht Roms zu entstellen drohen, habe ich die christliche Gemeinschaft zusammengerufen und ihr die Aufgabe übertragen, im Hinblick auf das Heilige Jahr Zweitausend der Stadt durch die Stadtmission noch eine besondere Zuwendung an Liebe zu schenken. Ich wünsche und hoffe, dass durch sie die Stadt sich innerlich und sichtbar erneuert zum Großen Jubiläum so vorstellt, dass sie den Pilgern ihr eigentliches, christliches Gesicht zeigt als Anzeichen eines friedvollen und hoffnungsvollen Zeitalters für die ganze Menschheit. Rom und das Jubiläum: zwei Wirklichkeiten, die aufeinander hinweisen und sich gegenseitig erklären! Rom spiegelt sich im Jubiläum wider, und das Jubiläum bringt eine Beziehung zur Wirklichkeit Roms zum Ausdruck. Die Feier stellt aufs neue den Glauben an Jesus Christus vor Augen, der hier vom Apostel Petrus verkündet und bezeugt wurde. Sie erinnert an das Erfordernis, die tatsächliche Gleichheit der Rechte zwischen allen Menschen wiederherzustellen im Licht des Gesetzes und der Gerechtigkeit Gottes; sie mahnt zur Überwindung der Spaltungen und ihrer Ursachen, um eine wahre Gemeinschaft unter allen Menschen herzustellen. Mit seiner zivilen und religiösen Geschichte und seiner „katholischen“ Dimension ruft Rom wunderbar diese Werte ins Gedächtnis. Es ist der Sitz des Apostelfürsten und seines Nachfolgers; es wacht über die Gedenkstätten des Martyriums der hll. Petrus und Paulus; es ist als Heimat des Rechts und der lateinischen und christlichen Kultur bekannt; es ist geschätzt als Stadt universal offener Gastfreundschaft. Wegen dieser einzigartigen Übereinstimmungen ist Rom berufen, die Gnade des Jubiläums beispielhaft zu leben. Gewiss ist es die Aufgabe der Christen, dieser Kirche, die nach dem bekannten Ausspruch des hl. Ignatius von Antiochien „den Vorsitz in der Liebe führt“ (Brief an die Römer, ed. Funk 1901, 235), ein erneuertes und gereinigtes Gesicht zu geben, damit es immer besser das Licht Christi widerstrahle. Doch die besondere Verbindung zwischen Rom und dem Jubiläum muss auch die zivilen Obrigkeiten besonders besorgt sein lassen um die Förderung des städtischen Zusammenlebens und einer Lebensqualität, die des Menschen und der Berufung unserer Stadt würdig ist. Bei meinem heutigen Besuch haben Sie mir nicht nur einen Stein aus dem Flavi-schen Amphitheater zum Geschenk gemacht, sondern Sie haben auch einen Gedächtnisstein in diesem Ratssaal enthüllt. Für Ihre Freundlichkeit danke ich Ihnen herzlich und bringe zugleich meinen Wunsch zum Ausdruck, diese symbolische Geste möge ein bleibendes Zeichen einer neuen Ära gemeinsamen Einsatzes für den menschlichen und zivilen Fortschritt unserer Stadt sein. 390 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Den Blick auf das Jahr Zweitausend gerichtet, wende ich mich jetzt an dich, Rom, das auf dem Weg des Evangeliums an die Schwelle eines neuen Jahrtausends zu führen, der Herr mich berufen hat! Der Herr hat dir, Rom, die Aufgabe anvertraut, in der Welt „die Erste unter den Städten“ zu sein, ein Leuchtturm der Zivilisation und des Glaubens. Sei auf der Höhe deiner ehrenvollen Vergangenheit, des Evangeliums, das dir anvertraut wurde, der Märtyrer und der Heiligen, die deinen Namen groß gemacht haben. Öffne, Rom, die Reichtümer deines Herzens und deiner Jahrtausende alten Geschichte für Christus. Fürchte dich nicht, Er erniedrigt nicht deine Freiheit und deine Größe. Er liebt dich und möchte dich deiner zivilen und religiösen Berufung würdig machen, damit du weiterhin die Schätze des Glaubens, der Kultur und der Menschlichkeit an deine Söhne und Töchter und an die Menschen unserer Zeit austeilst. Mögen die Pilger des Großen Jubiläums, wenn sie mit deinem Glauben, mit den vielsagenden Zeugnissen deiner Nächstenliebe und mit dem geordneten Ablauf deines täglichen Lebens in Berührung kommen, darin Hilfe finden, um an die neue Zivilisation der Liebe zu glauben und darauf zu hoffen. Ich vertraue dich, Rom, der Sorge und dem Schutz Marias, „Salus populi Romani“, und der Fürsprache der heiligen Patrone Petrus und Paulus an. Rom, du Stadt, die weder die Zeit noch die Dynamik des Fortschritts fürchtet, Rom, Kreuzungspunkt, wo sich Friede und Zivilisation begegnen; Rom, mein Rom, ich segne dich, und mit dir segne ich deine Söhne und Töchter und alle deine Pläne zum Guten! Am Schluss seiner Ansprache fügte der Papst noch hinzu: Roma, wenn man deinen Namen von rückwärts liest, lautet er: „amor“, Liebe. So sagt ein polnischer Dichter: „Wenn du sagst: Roma, dann erhältst du die Antwort: Amor.“ Ja, das stimmt. Das ist eine Feststellung zum Abschluss und auch ein Glückwunsch für Rom bei dem heutigen, so bedeutenden Anlass. Danke! Bedeutung der Katakomben für das Heilige Jahr Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für sakrale Archäologie am 16. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gerne treffe ich mit euch bei dieser Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für sakrale Archäologie zusammen. Von Herzen grüße ich jeden von euch und danke insbesondere Msgr. Francesco Marchisano für die Worte, die er als euer Sprecher an mich gerichtet und mit denen er den wichtigen Gegenstand eurer Arbeit erläutert hat: die christlichen Katakomben und das Heilige Jahr. 391 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor allem möchte ich meine Anerkennung und Dankbarkeit für den von euch geleisteten wertvollen Dienst zum Ausdruck bringen, der im Zusammenhang mit dem Jubiläum noch größere Bedeutung erhält, sowohl im Hinblick auf archäologische Entdeckungen und Restaurierungen wie auch auf die unmittelbar auf das Heilige Jahr ausgerichteten Initiativen. Wie bereits mehrfach betont wurde, sind die Katakomben im Zusammenhang mit dem 2000jährigen Jubiläum von großer Bedeutung. 2. Schon seit einigen Jahren widmet ihr euch überall in Italien der Restaurierung und Vorbereitung zahlreicher christlicher Katakomben. Die Arbeiten betreffen insbesondere die der Öffentlichkeit zugänglichen römischen Katakomben: San Cal-listo, San Sebastiano, Domitilla und Priscilla, Sant’ Agnese, wo bereits Vorkehrungen getroffen wurden oder getroffen werden, um dem erwarteten Pilgerstrom besser entsprechen zu können. Zur Steigerung der Kapazität der zur Besichtigung freigegebenen Friedhöfe werden außerdem Vorbereitungen für die Eröffnung einer sechsten, nach den hll. Petrus und Marcellinus benannten Katakombe auf der Via Casilina getroffen. Eure Aufmerksamkeit richtet sich natürlich auf den pastoralen Wert dieser berühmten frühchristlichen Monumente. Zu diesem Zweck werden die mit der Führung der Pilger beauftragten Personen entsprechend vorbereitet. Die mit angemessenen Erklärungen begleiteten, ausführlichen und in didaktischer, wissenschaftlicher und spiritueller Hinsicht aktuellen Führungen werden somit auch wirksame Gelegenheiten der Katechese - Anregung zu tiefer Reflexion über die Botschaft des Evangeliums. Diese Rückkehr zu den Anfängen, die uns die ältesten, von den ersten Christen gegründeten Friedhöfe ermöglichen, passt ausgezeichnet in den Plan der „Neuevangelisierung“, der die gesamte Kirche mit großem Eifer dem dritten Jahrtausend entgegengehen sieht. 3. Als ausdrucksvolles Zeugnis des christlichen Lebens der ersten Jahrhunderte sind die Katakomben eine immerwährende Schule des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. In den unterirdischen Gängen herrscht eine eindrucksvolle und ergreifende Atmosphäre. Der Blick verweilt auf langen Reihen unzähliger Grabstätten und der Einfachheit, die sie alle verbindet. Die Gräber sind mit den Vornamen der Verstorbenen beschriftet. Beim Lesen dieser Namen meint man, ebenso viele Stimmen zu hören, die auf einen eschatologischen Ruf antworten, und wir werden an die Worte des Laktanz erinnert: „Unter uns gibt es weder Diener noch Herren; nur weil wir alle gleich sind, können wir uns Brüder nennen“ (vgl. Divinae Institutiones, 5,15). Die Katakomben sprechen von der Solidarität der Brüder im Glauben: die Spenden eines jeden ermöglichten die Bestattung aller Verstorbenen, auch der ärmsten, die die Mittel für den Kauf und das Herrichten des Grabmals nicht aufbringen konnten. Diese kollektive Barmherzigkeit gehörte zu den Stärken der frühchristlichen Gemeinden und schützte sie gegen die Versuchung, zu den alten Religionsformen zurückzukehren. 392 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die Katakomben vermitteln somit dem Pilger dieses untrennbar mit Glaube und Hoffnung verbundene Gefühl der Solidarität. Schon der Begriff „coemeterium“ -Ruhestätte - sagt aus, dass die Katakomben als regelrechte Ruhestätten der Gemeinschaft galten, wo alle christlichen Brüder, ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihres Berufes, in solidarischer Einheit ruhten und die endgültige Auferstehung erwarteten. Aus diesem Grund waren die Katakomben durchaus keine traurigen Orte, sondern mit Fresken, Mosaiken und Skulpturen ausgeschmückt, um das Labyrinth dunkler Gänge zu beleben und durch die Darstellung von Blumen, Vögeln und Bäumen das am Ende aller Zeiten erwartete Paradies zu versinnbildlichen. Die auf den Gräbern der Christen häufig erscheinenden bedeutsamen Worte: „in Frieden“ sind ein klares Zeugnis all ihrer Hoffnung. Auch die Symbole auf den zur Abdeckung der Gräber verwendeten Platten sind einfach, aber durchaus nicht ohne Bedeutung. Der Anker, das Schiff und der Fisch sind Ausdruck der Stärke des Glaubens an Christus. Das christliche Leben wird als ein Durchqueren der stürmischen See gesehen, das in dem ersehnten Hafen der Ewigkeit endet. Der Fisch ist gleichbedeutend mit Christus und symbolisiert das Sakrament der Taufe, wie Tertullian schreibt, der die Gläubigen mit „pisciculi“ vergleicht, die durch ihre Geburt und ihr Dasein im Wasser das Heil erlangen (vgl. De baptismo, 1,3). 5. In den Katakomben befinden sich auch die Gräber der ersten Märtyrer, der Zeugen eines klaren und festen Glaubens, der ihnen als „Streiter Gottes“ erlaubte, die schwerste Prüfung siegreich zu bestehen. Viele Märtyrergräber befinden sich noch in den Katakomben, und Generationen von Gläubigen haben vor ihnen im Gebet verweilt. Auch die Pilger des Jubiläumsjahres 2000 werden die Gräber dieser Märtyrer besuchen und, zu den alten Verteidigern des Glaubens betend, sich in Gedanken den „neuen Märtyrern“ zuwenden, jenen Christen, die in jüngster Vergangenheit oder auch in der heutigen Zeit Gewalttätigkeiten, Übergriffen und Verständnislosigkeit ausgesetzt sind, weil sie Christus und seinem Evangelium treu bleiben wollen. In der Stille der Katakomben kann der Pilger des Jahres 2000 seine religiöse Identität wiederfinden oder wiederbeleben, indem er eine Art geistigen Weg geht, der ihn, von den ersten Zeugnissen des Glaubens ausgehend, zu den Beweggründen und Anforderungen der neuen Evangelisierung führt. Meine Lieben, möge euch das Bewusstsein dieser eben erwähnten, euch aber wohl-bekannten Werte bei eurem besonderen kirchlichen und kulturellen Dienst unterstützen. Zu diesem Zweck erbitte ich für euch den fürsorglichen Beistand der heiligen Maria und spende allen und den euch nahestehenden Personen von ganzem Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. 393 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erkenntnis der Humanwissenschaften im Licht der Offenbarung, der Tradition und des Lehramtes bewerten Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Rota Romana am 17. Januar 1. Mit Interesse bin ich den Worten gefolgt, die Sie, verehrter Bruder, als Dekan der Rota Romana im Namen der Richter und der höheren und einfachen Beamten des Gerichtshofes, der Band Verteidiger und der Rotaanwälte, der Studenten des „Studio Rotae“ und der bei dieser besonderen Audienz anlässlich der Eröffnung des Gerichtsjahres anwesenden Familienangehörigen gesprochen haben. Ich danke Ihnen für die zum Ausdruck gebrachten Empfindungen, und ich möchte auch bei dieser Gelegenheit meine Glückwünsche zu Ihrer Erhebung zur erzbischöflichen Würde wiederholen. Sie ist ein Ausdruck der Wertschätzung Ihnen gegenüber und eine Würdigung der Tätigkeit des jahrhundertealten Gerichtshofes der Rota Romana. Ich kenne sehr wohl die kompetente Zusammenarbeit, die Ihr Gerichtshof dem Nachfolger des Petrus bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Gerichtsbereich leistet. Es ist eine wertvolle Tätigkeit, die nicht ohne Opfer von den Menschen geleistet wird, die auf dem Gebiet der Rechtspflege hochqualifiziert und ständig dämm bemüht sind, die Arbeitsweise des Gerichtes den pastoralen Notwendigkeiten unserer Zeit anzupassen. Der Herr Dekan hat gebührend daran erinnert, dass in diesem Jahre 1998 neunzig Jahre vergangen sind seit der Veröffentlichung der Konstitution Sapienti consilio, mit der mein verehrter Vorgänger, der hl. Pius X., bei der Neuordnung der Römischen Kurie Funktion, Jurisdiktion und Zuständigkeit Ihres Gerichtes neu definierte. Ganz zu Recht hat er diesen Anlass in Erinnerung gerufen als Ausgangspunkt für einen kurzen Rückblick auf das Vergangene und vor allem, um die zukünftigen Aufgaben im Blick auf die sich abzeichnenden Erfordernisse zu umreißen. 2. Heute ist mir Gelegenheit gegeben, euch einige Überlegungen vorzutragen, an erster Stelle über Gestalt und Stellung des Rechtswesens und folglich des Richters in der Kirche, und zweitens über einige Probleme, die konkreter und unmittelbarer eure richterliche Arbeit betreffen. Um den Sinn des Rechtes und der richterlichen Gewalt in der Kirche zu verstehen, in deren Geheimnis als „communio“ die sichtbare Gesellschaft und der mystische Leib Christi eine einzige Wirklichkeit bilden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8), scheint es angebracht zu sein, beim heutigen Treffen an erster Stelle das übernatürliche Wesen der Kirche und ihre eigentliche und unaufgebbare Zielsetzung zu betonen. Der Herr hat sie gegründet als Verlängemng und Verwirklichung seines universalen Heilswerkes durch die Jahrhunderte hin, und dieses Heilswerk gibt dem Menschen auch seine ursprüngliche Würde als vernunftbegabtes, nach Gottes Bild und Gleichnis erschaffenes Wesen zurück. Alles hat Sinn, alles hat Grund, alles hat 394 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wert im Werk des mystischen Leibes Christi ausschließlich in der Richtlinie und in der Finalität der Erlösung aller Menschen. Im Leben als „communio“ der „kirchlichen Gesellschaft“, die in der Zeit ein Zeichen des ewigen Lebens bildet, das in der Dreifaltigkeit strömt, sind die Glieder durch das Geschenk der göttlichen Liebe in den übernatürlichen Stand erhoben, der erlangt wurde und immer wieder neu erworben wird durch die Wirksamkeit der unendlichen Verdienste Christi, des fleischgewordenen Wortes. Getreu der Lehre des II. Vatikanischen Konzils, bestätigt der Katechismus der Katholischen Kirche, dass die Kirche aufgrund ihres Ursprungs eine einzige ist. Es heißt in Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 813: „Huius mysterii supremum exemplar et principium est in Trinitate Personarum unitas unius Dei Patris et Filii in Spiritu Sancto“ (Unitatis redintegratio, Nr. 2; „Höchstes Vorbild und Urbild dieses Geheimnisses ist die Einheit des einzigen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen“). Zugleich aber bestätigt dieser Katechismus: „Omnes qui filii Dei sumus et unam familiam in Christo constitui-mus, dum in mutua caritate et una Sanctissimae Trinitatis laude invicem communi-camus, intimae Ecclesiae vocationi correspondemus“ („Wir alle, die wir Kinder Gottes sind und eine Familie in Christus bilden, entsprechen, sofern wir in gegenseitiger Liebe und in dem einen Lob der Heiligsten Dreifaltigkeit miteinander Gemeinschaft haben, der innersten Berufung der Kirche“ Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 959; Lumen Gentium, Nr. 51). So kann es also nicht anders sein, als dass der kirchliche Richter als echter „sacer-dos iuris“ in der kirchlichen Gemeinschaft berufen ist, ein wahres „officium cari-tatis et unitatis“ auszuüben. In höchstem Maße fordernd und zugleich von hoher geistlicher Dichte ist also eure Aufgabe, da ihr für jeden Menschen, und noch mehr für die „Christgläubigen“, tatsächlich zu Ausübenden einer einzigartigen Diakonie werdet. Es ist gerade die korrekte Anwendung des kanonischen Rechtes, die die Gnade des sakramentalen Lebens voraussetzt, um diese Einheit in der Liebe zu fördern. Denn das Recht in der Kirche könnte keine andere Interpretation, keine andere Bedeutung und keinen anderen Wert haben, ohne dass die wesentliche Finalität der Kirche selbst verfehlt würde. Von dieser Perspektive und dieser höchsten Zweckbestimmung darf also keine gerichtliche Tätigkeit ausgenommen werden, die sich vor diesem Gericht hier vollzieht. 3. Das gilt, ausgehend von den strafrechtlichen Verfahren, in denen das Wiederherstellen der kirchlichen Einheit die Wiederherstellung einer vollen Gemeinschaft in der Liebe bedeutet, über Prozesse in Streitverfahren bis hin zu den komplexen Verfahren von vitaler Bedeutung, die den Status von Personen betreffen, und an erster Stelle die Gültigkeit des Ehebandes. Es wäre überflüssig, hier daran zu erinnern, dass auch der „Modus“, womit die kirchlichen Prozesse geführt werden, in angemessenen Verhaltensweisen diesen Hauch der Liebe ausdrücken muss. Wenn wir uns den Richter vorstellen, der im Namen der Kirche der Lebenssituation eines Gläubigen, der sich vertrauensvoll an 395 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihn gewandt hat, begegnet, sie vor Gericht verhandelt und beurteilt, wie sollten wir da nicht an das Bild des Guten Hirten denken, wie er sich zu dem verlorenen, schmerzgebeugten Schaf hinneigt? Im Grunde ist es auch der Geist des kanonischen Rechtes selbst, der diese Finalität der Einheit in der Liebe ausdrückt und verwirklicht: dessen muss man sich sowohl hinsichtlich der Interpretation und Anwendung seiner einzelnen Canones bewusst bleiben als auch - und vor allem - hinsichtlich der Treue zu jenen lehramtsmäßigen Prinzipien, die als notwendige Grundlage den Canones Bedeutung geben und sie substanziieren. In diesem Sinn schrieb ich in der Konstitution Sacrae discipli-nae leges, mit der ich den Codex des kanonischen Rechtes 1983 promulgierte: „Quod si fieri nequit, ut imago Ecclesiae per doctrinam Concilii descripta perfecte in linguam canonisticam convertatur, nihilominus ad hanc ipsam imaginem semper Codex est referendus tamquam ad primarium exemplum, cuius lineamenta is in se, quantum fieri potest, suapte natura exprimere debet“, AAS 75(1983) XI. („Auch wenn es unmöglich ist, das in der Lehre des Konzils beschriebene Bild der Kirche erschöpfend in die kanonistische Sprache zu übertragen, so muß doch der Codex sich immer auf dieses Bild wie auf ein vorrangiges Beispiel beziehen, dessen Züge er soweit wie möglich gemäß seiner Natur ausdrücken muß.“) 4. In dieser Hinsicht ist besonders an die Anträge zu denken, die in den der Rota Romana und den Gerichten der ganzen Kirche zur Prüfung unterbreiteten Prozessen überwiegend sind: Ich beziehe mich auf die Ehenichtigkeitsverfahren. In ihnen muss der euch anvertraute „Dienst der Liebe und der Einheit“ sowohl auf der doktrinären wie auf der prozessualen Ebene als solcher zum Ausdruck kommen. Hauptsächlich auf diesem Gebiet tritt die besondere Funktion der Rota Romana in Erscheinung als Gestaltende einer weisen und eindeutigen Rechtsprechung, an die - bewährt und exemplarisch - die anderen kirchlichen Gerichte sich angleichen müssen. Keinen anderen Sinn hätte die nunmehr zeitlich angemessene Veröffentlichung eurer gerichtlichen Entscheidungen, die sowohl die Materie des substantiven Rechtes als auch prozessuale Probleme betreffen. Die Rotaurteile tragen über den Wert der für die betreffenden Parteien gültigen Einzelentscheidungen hinaus dazu bei, das Eherecht richtig zu verstehen und zu vertiefen. Damm ist es gerechtfertigt, dass in ihnen da, wo es um den natürlichen Ehebegriff mit den ihm eigenen Pflichten und Rechten geht, und noch mehr, wo sie die sakramentale Wirklichkeit der unter Getauften geschlossenen Ehe betreffen, stets auf die unverzichtbaren Prinzipien der katholischen Lehre verwiesen wird. Hier kommt einem die Mahnung des Paulus an Timotheus in den Sinn: „Praedica verbum, insta opportune, importune ... Erit enim tempus, cum sanam doctrinam non sustinebunt“ (2 Tim 4,2.3). „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht ... Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt.“ Eine zweifellos gültige Mahnung auch für unsere Tage. 5. Meinem Empfinden als Hirten ist das quälende, dramatische Problem jener Gläubigen nicht fremd, deren Ehe nicht aus eigener Schuld gescheitert ist und die, 396 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN noch bevor sie ein etwaiges Urteil der Kirche erhalten, das legitim die Nichtigkeit der Ehe erklärt, neue Verbindungen eingehen, für die sie wünschen, sie mögen vor dem Diener der Kirche gesegnet und geweiht werden. Schon andere Male habe ich eure Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit gelenkt, dass keine rein formale Verfahrensnorm ein Hindernis dafür darstellen sollte, solche Situationen in Liebe und Billigkeit zu lösen: Geist und Buchstabe des geltenden Codex des kanonischen Rechtes gehen in diese Richtung. Aber mit ebenso großer pastoraler Sorge ist mir die Notwendigkeit gegenwärtig, dass die Eheprozesse sorgfältig und zügig durchgeführt werden, wie es ihre Natur erfordert. In dieser Absicht und zu dem Zweck, eine immer bessere Verwaltung der Gerechtigkeit sowohl in ihren substantiellen als auch in prozessualen Profilen zu fördern, habe ich eine Interdikasteriale Kommission eingerichtet, die beauftragt ist, den Entwurf zu einer Instruktion über die Abwicklung der die Ehesachen betreffenden Prozesse auszuarbeiten. 6. Doch bei diesen unabdingbaren Forderungen von Wahrheit und Gerechtigkeit bedeutet das „officium caritatis et unitatis“, dem meine bisherigen Überlegungen galten, nie einen Zustand intellektueller Untätigkeit aufgrund dessen man von der Person, die Gegenstand eurer Urteile ist, einen aus ihrer geschichtlichen und anthropologischen Wirklichkeit entwurzelten Begriff hat, der begrenzt und sogar infiziert von einer kulturell an den einen oder anderen Teil der Welt gebundenen Sicht ist. Die Probleme auf dem Gebiet der Ehe, auf die der Herr Dekan zu Beginn hinwies, erfordern vor allem von euch, die ihr das ordentliche Berufungsgericht des Hl. Stuhls bildet, eine verständige Beachtung in Bezug auf den Fortschritt der Humanwissenschaften im Licht der christlichen Offenbarung, der Tradition und des authentischen Lehramtes der Kirche. Haltet in Ehren, was uns die Vergangenheit an gesunder Kultur und Lehre überliefert hat, aber nehmt auch mit Unterscheidung das an, was die Gegenwart uns an Gutem und Rechtem anbietet. Ja lasst euch stets nur von dem höchsten Kriterium der Suche nach der Wahrheit leiten, ohne zu meinen, die Richtigkeit der Lösungen sei an die bloße Erhaltung unwesentlicher menschlicher Aspekte gebunden, auch nicht an den eitlen Wunsch nach Neuem, das nicht mit der Wahrheit in Einklang steht. Insbesondere kann das rechte Verständnis des „Ehekonsenses“, Grundlage und Ursache des Ehebundes, in all seinen Aspekten und all seinen Implikationen nicht auf ausschließlichem Weg in bereits erworbene Schemata gezwängt werden, die zweifellos heute noch gültig sind, aber mit fortschreitender Vertiefung der anthropologischen und juristischen Wissenschaften vervollkommnet werden können. Auch in seiner Autonomie und epistemologischen und doktrinalen Besonderheit muss das kanonische Recht, vor allem heute, vom Beitrag der anderen moralischen, historischen und religiösen Disziplinen Gebrauch machen. Bei diesem schwierigen interdisziplinären Prozess bildet die Treue zu der über die Ehe und die Familie geoffenbarten und vom Lehramt der Kirche authentisch inter- 397 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pretierten Wahrheit immer den definitiven Bezugspunkt und den echten Antrieb zu einer tiefgreifenden Erneuerung auf diesem Sektor des kirchlichen Lebens. So werden die vollen neunzig Jahre Tätigkeit der wiedererrichteten Rota ein Grund zu neuem Aufschwung auf die Zukunft hin in einer idealen Erwartung, dass sich auch in sichtbarer Weise im Volke Gottes, das die Kirche ist, die Einheit in der Liebe verwirklichen möge. Der Geist der Wahrheit erleuchte euch in eurem schwierigen Amt, das ein Dienst an den Brüdern und Schwestern ist, die sich an euch wenden, und mein Segen, den ich euch in Liebe erteile, sei Zeichen und Unterpfand des ständigen und weisen göttlichen Beistandes. Brennende Kerzen - Zeichen der Hingabe und wegweisendes Licht für Suchende Predigt am Fest der Darstellung des Herrn im Tempel (2. Welttag des Geweihten Lebens), 2. Februar 1. Lumen ad revelationem gentium! „ein Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32). Diese Worte erklingen im Tempel von Jerusalem, als Maria und Josef vierzig Tage nach der Geburt Jesu kommen, um ihn „dem Herrn zu weihen“ (Lk 2,22). Der Evangelist Lukas unterstreicht den Gegensatz zwischen dem bescheidenen, demütigen Auftreten des Eltempaares und der glanzvollen Größe des Ereignisses, wie es von Simeon und Anna wahrgenommen wird. So scheint er sagen zu wollen, dass der Tempel selbst das Kommen des Kindes erwartete. Es ist in der Tat der ganze Alte Bund, der im prophetischen Verhalten der beiden Greise die Freude über die Begegnung mit dem Erlöser zum Ausdruck bringt. Simeon und Anna, beide in Erwartung des Messias, beide vom Heiligen Geist angeregt, begeben sich in den Tempel, während Maria und Josef im Gehorsam gegenüber der Vorschrift des Gesetzes Jesus dorthin tragen. Beim Anblick des Kindes erkennen Simeon und Anna in ihm intuitiv den Erwarteten, und wie in Ekstase ruft Simeon aus: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,29-32). 2. Lumen ad revelationem gentium! Simeon, ein Mann des Alten Bundes, ein Mann aus dem Tempel in Jerusalem, drückt mit seinen inspirierten Worten die Überzeugung aus, dass dieses Licht nicht nur für Israel bestimmt ist, sondern auch für die Heiden und für alle Völker der Erde. In Simeons Armen umfängt das „Alte“ der Welt den Glanz der ewigen „Jugend“ Gottes. Im Hintergrund aber zeichnet sich schon der Schatten des Kreuzes ab, denn die Finsternis wird dieses Licht zurückweisen. Und so prophezeit Simeon, 398 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu Maria gewandt: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). 3. Lumen ad revelationem gentium! Die Worte von Simeons Lobgesang erklingen in so vielen Tempeln des Neuen Bundes, wo die Jünger Christi allabendlich mit dem Beten der Komplet das liturgische Stundengebet beenden. Auf diese Weise nimmt die Kirche, das Volk des Neuen Bundes, sozusagen das letzte Wort des Alten Bundes auf und verkündet die Erfüllung der göttlichen Verheißung. Sie tut kund, dass das „Licht, das die Heiden erleuchtet“, sich über die ganze Erde ausgebreitet hat und überall im Erlösungswerk Christi gegenwärtig ist. Das liturgische Stundengebet lässt uns zusammen mit dem Lobgesang des Simeon die letzten Worte wiederholen, die Christus am Kreuz gesprochen hat: In mcinus tuas, Domine, commendo spiritum meum - „Vater, in deine Hände leg ich voll Vertrauen meinen Geist“ (vgl. Lk 23,46). Es lädt uns also auch ein, mit Staunen und Dankbarkeit die Heilstat Christi, des „Lichtes, das die Heiden erleuchtet“, im Hinblick auf die Menschheit zu betrachten: Redemisti nos, Domine, Deus veritatis - „Du hast uns erlöst, Herr, du treuer Gott.“ So verkündet die Kirche, dass die von den Propheten erwartete und von Simeon im Tempel von Jerusalem angekündigte Erlösung der Welt vollbracht ist. 4. Lumen ad revelationem gentium! Heute gehen auch wir mit brennenden Kerzen Dem entgegen, der „das Licht der Welt“ ist, und wir nehmen Ihn in seiner Kirche auf mit dem ganzen Schwung unseres Taufglaubens. Denen, die aufrichtig diesen Glauben bekennen, ist die letzte und endgültige „Begegnung“ mit dem Herrn in seinem Reich verheißen. In der polnischen Überlieferung, wie auch in der anderer Länder, haben diese geweihten Kerzen eine besondere Bedeutung: Nach Hause gebracht, werden sie in Augenblicken der Gefahr, bei Gewittern und Naturkatastrophen angezündet als Zeichen dafür, dass man sich selbst, die Familie und Hab und Gut dem göttlichen Schutz anvertraut. Damm heißen diese Kerzen auf polnisch „gromnice“, das heißt: Kerzen, die den Blitz femhalten und vor Schaden schützen, und dieses Fest hat den Namen „Candelora“ (wörtlich: Santa Maria delle Candele, „Maria von den Kerzen“ [gromnice]). Noch ausdrucksvoller ist der Brauch, die am heutigen Tag geweihte Kerze dem Christen auf dem Totenbett in die Hand zu geben, damit sie ihm bei den letzten Schritten seines Weges zur Ewigkeit leuchte. Mit dieser Geste will man bestätigen, dass der Sterbende, dem Licht des Glaubens folgend, darauf wartet, in die ewigen Wohnungen einzutreten, wo man „weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne braucht“. „Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten“ (vgl. Offb 22,5). 399 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diesen Eintritt ins Reich des Lichtes weist auch der heutige Antwortpsalm hin: „Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt der König der Herrlichkeit“ (Ps 23/24,7). Es sind Worte, die sich unmittelbar auf Jesus Christus beziehen, der, auf den Armen seiner Eltern getragen, in den Tempel des Alten Bundes kommt. Wir dürfen sie aber analog auf jeden Gläubigen beziehen, der die Schwelle der Ewigkeit überschreitet, getragen auf den Armen der Kirche. Die Gläubigen begleiten seinen letzten Schritt und beten: „Das ewige Licht leuchte ihm!“, auf dass die Engel und die Heiligen ihn aufnehmen mögen und Christus, der Erlöser des Menschen, ihn mit seinem ewigen Licht umgebe. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Heute begehen wir den zweiten Welttag des geweihten Lebens. Er möchte in der Kirche neue Aufmerksamkeit wecken für das Geschenk der Berufung zum geweihten Leben. Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, liebe Mitglieder der Säkularinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens, der Herr hat euch zu seiner engeren und besonderen Nachfolge berufen! In unserer von Verweltlichung und Materialismus beherrschten Zeit seid ihr in eurer totalen und endgültigen Hingabe an Christus das Zeichen eines zur Logik der Welt alternativen, weil radikal vom Evangelium inspirierten und auf die kommenden eschatologischen Wirklichkeiten ausgerichteten Lebens. Bleibt dieser eurer besonderen Berufung immer treu! Ich möchte euch heute erneut meine Liebe und meine Achtung zum Ausdmck bringen. Besonders grüße ich Kardinal Edoardo Martlnez Somalo, den Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens, der den Vorsitz bei dieser Eucharistiefeier hat. Mit ihm grüße ich die Mitglieder des Dikasteriums und alle, die im Dienst des geweihten Lebens wirken. Besonders denke ich an euch, ihr jungen Aspiranten und Aspirantinnen des geweihten Lebens, an euch, Männer und Frauen, die ihr in den einzelnen Ordensgemeinschaften und Säkularinstituten Profess abgelegt habt, und an euch, die ihr infolge vorgerückten Alters oder Krankheit dazu berufen seid, der Sache des Evangeliums den kostbaren Beitrag eures Leidens anzubieten. Allen wiederhole ich mit den Worten des Apostolischen Schreibens Vita consecrata: „Ihr wißt, wem ihr Glauben geschenkt habt (vgl. 2 Tim 1,12): Gebt ihm alles! ... Lebt die Treue zu eurer Verpflichtung gegenüber Gott in gegenseitiger Erbauung und Hilfe ... Vergeht nicht, daß ihr in ganz besonderer Weise sagen könnt und müßt, daß ihr nicht nur von Christus seid, sondern daß ,ihr Christus geworden seid1 „(Vita consecrata, Nr. 109). Die brennenden Kerzen, die alle im ersten Teil dieser feierlichen Liturgie in Händen hielten, sind ein Ausdmck für die wachsame Aufmerksamkeit auf den Herrn, die das Leben eines jeden Gläubigen kennzeichnen muss, besonders derer, die der Herr zu einer besonderen Sendung in der Kirche ruft. Sie sind ein eindringlicher Ruf, der Welt Christus zu bezeugen, das Licht, das nicht untergeht: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). 400 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder und Schwestern, möge eure restlose Treue zum armen, keuschen und gehorsamen Christus für alle, denen ihr begegnet, eine Quelle des Lichtes und der Hoffnung sein. 6. Lumen ad revelationem gentium! Maria, die den Willen des Vaters erfüllt hat, bereit im Gehorsam, mutig in der Armut, empfangsbereit in der fruchtbaren Jungfräulichkeit, erwirke von Jesus, dass „alle, die die Gabe empfangen haben, ihm im geweihten Leben zu folgen, von ihm in einer verklärten Existenz Zeugnis geben können, indem sie mit allen anderen Brüdern und Schwestern voll Freude auf die himmlische Heimat und auf das nie erlöschende Licht zugehen“ (Vita consecrata, Nr. 112). Gelobt sei Jesus Christus! Ein Leben im Dienst an der Jugend und den Laien Predigt bei den Exequien für Eduardo Francisco Kardinal Pironio am 7. Februar 1. „... es ist der Wille meines Vaters, daß alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und daß ich sie auferwecke am Letzten Tag“ (.Joh 6,40). Die Verheißung Christi, die wir soeben im Evangelium gehört haben, öffnet unser Herz für die Hoffnung: Er, der Herr des Lebens, ist gekommen, damit „nichts zugrunde gehe von dem, was der Vater ihm gegeben hat“. Angesichts des Todes-verspürt der Mensch gerade diese Furcht, verloren zu sein. Sein Herz ist unruhig, all seine Sicherheit wird bedenklich, und das Dunkel des Unbekannten bringt ihn in Bestürzung. Das Wort Christi wird dann zum einzigen Schlüssel, das Rätsel des Todes zu lösen. Es ist das Licht, das den Weg des Lebens erhellt und jedem Augenblick Wert gibt, auch dem Schmerz, dem Leiden und der letzten Loslösung. „Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, haben das ewige Leben“, bekräftigt Jesus. An ihn glauben heißt, seinem Wort vertrauen, allein auf die Macht seiner barmherzigen Liebe zählend. Diese Erwägungen, liebe Brüder und Schwestern, steigen spontan in unserem Herzen auf, während wir betend beim Leichnam unseres Bruders, des lieben Kardinals Eduardo Francisco Pironio, verweilen, den wir heute zur letzten Ruhestätte begleiten. Er war ein Zeuge für diesen mutigen Glauben, der auf Gott zu vertrauen weiß, auch wenn er nach den geheimnisvollen Plänen Seiner Vorsehung Prüfung zulässt. 2. Ja, dieser unser verehrter Bruder hat mit unerschütterlichem Glauben an die Verheißungen des Erlösers geglaubt. Sein geistliches Testament beginnt mit folgenden Worten: „Ich wurde getauft im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit; ich habe durch die Barmherzigkeit Gottes fest an sie geglaubt und ihre liebende Gegenwart in der Armut meiner Seele verspürt. Nun gehe ich ein in die ,Freude mei- 401 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nes Herrn in das unmittelbare Schauen ,von Angesicht zu Angesicht der Dreifaltigkeit. Bisher ,war ich auf dem Pilgerweg, fern vom Herrn, jetzt ,sehe ich Ihn, wie Er ist. Ich bin glücklich. Magnificat!“ Er hat seinen Glauben auf dem Schoß seiner Mutter gelernt, einer Frau von gediegener, wenn auch einfacher christlicher Bildung, die ihren Kindern den wahren, dem Evangelium gemäßen Sinn des Daseins ins Herz einzuprägen verstand. „In der Geschichte meiner Familie“ - so sagte der verstorbene Kardinal eines Tages -„gab es Wunderbares. Als meine Mutter ihren ersten Sohn bekam, war sie kaum achtzehn Jahre alt und wurde schwer krank. Als sie genesen war, sagten die Ärzte ihr, sie könne keine Kinder mehr bekommen, ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Sie beriet sich damals mit dem Weihbischof von La Plata, der zu ihr sagte: ,Die Ärzte können sich irren. Geben Sie sich in die Hände Gottes, und erfüllen Sie Ihre Pflichten als Ehefrau. Meine Mutter brachte dann noch einundzwanzig Kinder zur Welt. Ich bin der Letztgeborene, und sie lebte bis zum Alter von zweiundachtzig Jahren. Aber hier endet die Geschichte noch nicht. In den folgenden Jahren wurde ich nämlich zum Weihbischof von La Plata ernannt, gerade an die Stelle dessen, der meine Mutter gesegnet hatte. Am Tag meiner Bischofsweihe“ - fährt Kardinal Pironio fort - „übergab mir der Erzbischof das Brustkreuz jenes Bischofs als Geschenk, ohne etwas von der Geschichte zu wissen, die dahinter steckte. Als ich ihm gestand, daß ich dem Inhaber dieses Kreuzes das Leben verdanke, weinte er.“ Ich habe diese vom Kardinal selbst erzählte Episode wiedergeben wollen, weil sie die Gründe erkennen lassen, die seinen Glaubensweg gestützt haben. Sein Leben war ein Lied des Glaubens an den Gott des Lebens. So sagt er auch in seinem geistlichen Testament: „Wie schön ist es, zu leben! Du hast uns, Herr, für das Leben gemacht. Ich liebe es, ich bringe es dar, ich erwarte es. Du bist das Leben, wie Du immer meine Wahrheit und mein Weg warst.“ 3. Wir haben soeben die Worte aus dem Brief des hl. Petrus gehört: Ihr seid „voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müßt [...] So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi“ (1 Petr 1,6-7). Diese Worte geben genau den priesterli-chen Dienst von Kardinal Pironio wieder. Er hat seinen Glauben in Freude bezeugt: in der Freude, Priester zu sein, und stets mit dem Wunsch, „diese Freude als mein bestes Testament und mein Erbe den Jugendlichen von heute zu übermitteln“, wie er selbst es uns schriftlich hinterlassen hat. Freude, dem Evangelium zu dienen, in den verschiedenen und mühevollen Aufgaben, die ihm übertragen wurden. Am 3.Dezember 1920 geboren, wurde er in der Basilika Unserer Lieben Frau von Lujän am 5. Dezember 1943 zum Priester geweiht. In seinen ersten Dienstjahren entfaltete er eine intensive Erziehungs- und Lehrtätigkeit am Seminar von Buenos Aires. Beim II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil wurde er gebeten, als Peritus an den Konzilsarbeiten teilzunehmen. 1964 stellte Paul VI. ihn dem Erzbischof von La Plata als Weihbischof zur Seite. Dann wurde er zum Apostolischen Administrator von Avellaneda und Generalsekretär des CELAM (Lateinamerikanischer Bischofsrat) ernannt, dessen Präsident er auch wurde. Danach erhielt er die Beförde- 402 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung auf den Bischofssitz von Mar del Plata. Paul VI. hatte den Wunsch, ihn zur Seite zu haben, und vertraute ihm die damalige Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute an. 1976 erhob er ihn zur Kardinalswürde. Ich selbst berief ihn am 8. April 1984 zur Leitung des Päpstlichen Rats für die Laien. Dort arbeitete er mit immer jugendlicher Begeisterung und gründlicher Sachkenntnis bis zum 20. August 1996. 4. Sein Dienst für die Kirche nahm also nach und nach einen immer weiteren und universalen Umfang an: zuerst war es eine Diözese in Argentinien, dann der lateinamerikanische Kontinent und schließlich, an die Römische Kurie berufen, die ganze katholische Gemeinschaft. Hier in Rom setzte er seinen pastoralen Stil wie immer fort und zeigte dabei eine ausgesprochene Liebe zu den Ordensleuten und zu den Laien, insbesondere zu den Jugendlichen. In seinem geistlichen Testament schrieb er: „Wie liebe ich die Ordensmänner und Ordensfrauen und alle geweihten Laien in der Welt! Wie bitte ich Maria, die heilige Jungfrau, für sie! Wie opfere ich heute mit Freude mein Leben auf, damit sie treu seien! Ich liebe sie sehr, ich umarme und segne sie.“ Und weiter: „Ich danke Gott, daß ich meine geringen Kräfte und Talente in der Hingabe an die geliebten Laien verbrauchen durfte, deren Freundschaft und deren Zeugnis mich geistlich bereichert haben.“ Wie könnten wir den großen Beitrag vergessen, den er zur Feier der Weltjugendtage leistete? Ich möchte diesem Bruder, der mir bei der Ausübung meines Petrusamtes eine bedeutende Hilfe war, hier öffentlich meinen herzlichen Dank zum Ausdruck bringen. 5. Diese seine unaufhörliche Mitarbeit wurde noch mehr zum Apostolat in seinen letzten, von der Krankheit gezeichneten Jahren. Der Apostel Petrus hat uns soeben vom Glauben gesprochen, der „wertvoller ist als Gold“, und er hat uns daran erinnert, dass wir uns nicht wundem sollen, wenn wir der Prüfung unterworfen werden, denn auch dieses Metall, das „doch vergänglich ist“, wird „im Feuer geprüft“ (vglJ Petr 1,7). Kardinal Pironios Glaube wurde im Schmelztiegel des Leidens hart geprüft. Durch eine schwere Krankheit physisch geschwächt, wusste er die belastende Erprobung, die ihm abverlangt wurde, ergeben und geduldig anzunehmen. Diese Beschwernis ließ ihn schreiben: „Ich danke dem Herrn für das Privileg des Kreuzes. Ich bin glücklich, daß ich viel gelitten habe. Nur mißfällt es mir, daß ich nicht gut gelitten habe und mein Kreuz nicht immer schweigend durchkostet habe. Ich wünsche mir, daß zumindest jetzt mein Kreuz beginne, leuchtend und fruchtbar zu werden.“ Und noch beim Verlöschen seines Lebens wusste er aus dem Glauben jenen Optimismus und jene Hoffnung zu ziehen, die sein ganzes Leben gekennzeichnet haben. Gern wiederholte er: „Alles ist dein Eigentum, Herr, du Freund des Lebens“ (vgl. Weish 11,26), und sein Wahlspruch als Kardinal war wie das Siegel dazu: „Christus in euch, die Hoffnung auf die Herrlichkeit.“ 6. Wenn wir die erlesene Seele dieses lieben Bruders der Barmherzigkeit des Herrn empfehlen, machen wir uns die Worte aus dem Buch der Weisheit zu eigen, die wir 403 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gehört haben: Du, Herr, „siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren“ (11,23). Kardinal Pironio hatte ein waches Bewusstsein von menschlicher Schwäche: In seinem geistlichen Testament, das uns bei dieser Betrachtung geleitet hat, bittet er mehrmals um Vergebung. Er bittet mit Demut und Vertrauen darum. Vor der Heiligkeit Gottes kann jedes menschliche Geschöpf nur an die Brust klopfen und bekennen: „Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst“ (Weish 11,23). Jetzt, da er ins Haus des Vaters geht, begleiten wir den Verstorbenen mit unserem Gebet. Wir vertrauen ihn Maria an, der Mutter der Hoffnung und der Freude, die er sehr verehrte. Als seine Tage sich neigten und es Zeit war, die Segel für die letzte Reise zu lösen, schrieb er in seinem Testament: „Ahe umarme ich von ganzem Herzen zum letzten Mal im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Alle lege ich ins Herz Marias, der armen, kontemplativen, treuen Jungfrau. Ave Maria! Ich bitte sie: Zeige uns nach diesem Elend Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes!“ Möge die Muttergottes ihn in ihre Arme nehmen und in die ewige Wohnung führen, die der Herr seinen treuen Dienern bereitet. Und du, lieber Bruder, ruhe in Frieden! Amen. Heil der Kranken - Trösterin der Betrübten Botschaft vom 29. Juni 1997 zum Welttag der Kranken am 11. Februar 1998 Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Feier des nächsten Welttages der Kranken wird am 11. Februar 1998 am Wallfahrtsort Loreto stattfinden. Der gewählte Ort erinnert an den Augenblick, wo das Göttliche Wort im Schoß der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist Fleisch annahm, und die Wahl dieses Ortes lädt dazu ein, den Blick auf das Geheimnis der Menschwerdung zu richten. Bei meinen wiederholten Pilgerfahrten zu diesem „ersten international bedeutsamen, der Jungfrau Maria geweihten Heiligtum und einige Jahrhunderte lang echtes marianisches Zentrum der Christenheit“ (Schreiben an Erzbischof Pasquale Mac-chi, Päpstlicher Legat für den Wallfahrtsort Loreto, 15.8.1993, in: O.R. dt., 22.10.1993, S. 10), habe ich immer die besondere Nähe der Kranken empfunden, die in großer Zahl und mit Vertrauen dorthin kommen. Wo auch „könnten sie schließlich bessere Aufnahme finden als im Hause derer, die die Lauretanische Litanei uns als ,Heil der Kranken' und ,Trösterin der Betrübten* anrufen lässt?“ (vgl. ebd.). Die Wahl von Loreto passt daher gut zu der langen Tradition liebevoller Aufmerksamkeit der Kirche gegenüber dem ertragenen körperlichen oder geistigen Leid. Sie wird es nicht versäumen, das Gebet zu unterstützen, das die Gläubigen, auf die Fürbitte Marias vertrauend, für die Kranken zum Herrn erheben. Das bedeutsame 404 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Treffen gibt im übrigen der kirchlichen Gemeinschaft Gelegenheit, in frommer Sammlung vor dem Heiligen Haus zu verweilen - der „Ikone“ eines Ereignisses und eines grundlegenden Geheimnisses wie es die Menschwerdung des Göttlichen Wortes ist um das Licht und die Kraft des Geistes zu empfangen, der das Herz des Menschen in eine Stätte der Hoffnung verwandelt. 2. „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Mehr als anderswo kann einem im Heiligtum von Loreto der tiefe Sinn dieser Worte des Evangelisten Johannes aufgehen. In den Mauern des Heiligen Hauses spricht Jesus Christus, der „Gott mit uns“, mit besonderer Eindringlichkeit zu uns von der Liebe des Vaters (vgl. Joh 3,16), die in der erlösenden Menschwerdung ihren höchsten Ausdruck gefunden hat. Auf der Suche nach dem Menschen ist Gott selbst Mensch geworden und hat eine Brücke geschlagen zwischen der göttlichen Transzendenz und der menschlichen Beschaffenheit. „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich ... und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8). Christus ist nicht gekommen, um unsere Leiden wegzunehmen, sondern um sie mit uns zu teilen und ihnen, indem er sie auf sich nahm, Heilswert zu verleihen: indem er die menschliche Beschaffenheit, ihre Grenzen und ihre Schmerzen mit uns teilte, hat er sie erlöst. Das von ihm vollbrachte Heil, das in Krankenheilungen schon symbolisch angekündigt war, öffnet für alle, die sich in der schwierigen Zeit des Leidens befinden, Horizonte der Hoffnung. Hochherzige Hingabe - vertrauende Demut 3. „Durch den Heiligen Geist.“ Das Geheimnis der Menschwerdung ist Werk des Geistes, der in der Dreifaltigkeit „die ,Liebe in Person1 ist, das ungeschaffene Geschenk, das die ewige Quelle allen Schenkens Gottes in der Schöpfungsordnung ist sowie unmittelbarer Ursprung und gewissermaßen Subjekt der Selbstmitteilung Gottes in der Gnadenordnung“ (Enzyklika Dominum et vivificantem, Nr. 50). Ihm ist das Jahr 1998 gewidmet, das zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000. Ausgegossen in unsere Herzen, lässt der Heilige Geist uns auf unaussprechliche Weise den „nahen Gott“ wahmehmen, der uns von Christus offenbart wurde: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Er ist der wahre Hüter der Hoffnung aller menschlichen Geschöpfe und insbesondere derer, die „die Erstlingsgabe des Geistes haben“ und „die Erlösung des Leibes erwarten“ (vgl. Röm 8,23). Im Herzen des Menschen wird der Heilige Geist - wie es die liturgische Sequenz am Hochfest Pfingsten verkündet - ein wahrer „Vater der Armen, Geber der Gaben, Licht der Herzen“; er wird ein „lieber Gast der Seele“, der in Ermüdung „Ruhe“ bringt, „Schutz“ in der Hitze des Tages, „Trost“ inmitten der Unruhen, Kämpfe und Gefahren einer jeden Zeit. Er ist der Geist, der dem Menschenherzen die Kraft gibt, schwierigen Situationen entgegenzutreten und sie zu überwinden. 405 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. „Im Schoß der Jungfrau Maria.“ Wenn man die Mauern des Heiligen Hauses betrachtet, dann meint man darin noch das Echo der Worte zu vernehmen, mit denen die Mutter des Herrn ihre Zustimmung gegeben und ihr Mitwirken zum Heilsplan Gottes angeboten hat: „Siehe“ - hochherzige Hingabe, - „es geschehe“ - vertrauende Demut. Zur reinen „Aufnahmefähigkeit für Gott“ geworden, hat Maria aus ihrem Leben ein beständiges Mitwirken zu dem von ihrem Sohn Jesus vollbrachten Heilswerk gemacht. In diesem zweiten Jahr der Vorbereitung auf das Jubiläum muss Maria betrachtet und nachgeahmt werden „insbesondere als Frau, die der Stimme des Geistes gehorsam ist, als Frau der Stille und des Zuhörens, als Frau der Hoffnung, die wie Abraham den Willen Gottes anzunehmen wußte ,voll Hoffnung gegen alle Hoffnung1 (Röm 4,18)“ (Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 48). Mit ihrer Zusicherung, „Magd des Herrn“ zu sein, weiß Maria, dass sie sich auch in den Dienst seiner Liebe zu den Menschen stellt. Durch ihr Beispiel hilft sie begreifen, dass die bedingungslose Annahme der Souveränität Gottes den Menschen zu einer Haltung vollkommener Verfügbarkeit bringt. So wird die Jungfrau zum Bild der wachen Aufmerksamkeit und des Mitleids gegenüber dem, der leidet. Bezeichnenderweise macht sie sich, nachdem sie mit großmütiger Bereitschaft die Botschaft des Engels angenommen hat, eilends auf, um Elisabet Dienst zu leisten. Später wird sie in der peinlichen Lage der Brautleute in Kana in Galiläa den Ruf erkennen, ihnen zu Hilfe zu kommen. So wird sie ein deutlicher Widerschein der vorsorgenden Liebe Gottes. Am stärksten wird sich der Dienst der Jungfrau offenbaren in der Teilnahme am Leiden und am Tod des Sohnes, wenn sie zu Füßen des Kreuzes die Sendung empfangen wird, Mutter der Kirche zu sein. Im Blick auf sie, das „Heil der Kranken“, haben im Lauf der Jahrhunderte viele Christen gelernt, ihren Dienst an den Kranken mit mütterlicher Güte zu erfüllen. Würde der menschlichen Person schützen 5. Die Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung, zu der man im Haus von Loreto so ganz unmittelbar angeregt wird, belebt aufs neue den Glauben an das Heilswerk Gottes, der in Christus den Menschen von der Sünde und vom Tod befreit und ihm das Herz geöffnet hat für die Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde (vgl. 2 Petr 3,13). In einer von Leiden, Widersprüchen, Egoismen und Gewalttätigkeiten gequälten Welt lebt der Gläubige in dem Bewusstsein, dass „die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22), und er übernimmt die Aufgabe, mit seinem Wort und seinem Leben ein Zeuge für den auferstandenen Christus zu sein. Aus diesem Grund habe ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente die Gläubigen aufgefordert, „die Anzeichen von Hoffnung“ zu schätzen und hervorzuheben, „die trotz der Schatten, die sie oft vor unseren Augen verbergen, in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts vorhanden sind“, und den „von der Wis- 406 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN senschaft, der Technik und vor allem von der Medizin im Dienst am menschlichen Leben erzielten Fortschritten“ (Nr. 46) besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Doch die Erfolge, die in der Bekämpfung der Krankheiten und zur Linderung der Leiden erreicht wurden, dürfen nicht die vielen Situationen vergessen lassen, in denen die zentrale Stellung und die Würde der menschlichen Person verkannt und mit Füßen getreten werden, wie es geschieht, wenn das Gesundheitswesen nach Begriffen des Gewinns und nicht als solidarischer Dienst betrachtet wird, wenn die Familie bei Problemen der Gesundheit allein gelassen wird oder wenn die schwächsten Gesellschaftsschichten gezwungen sind, die Folgen ungerechter Nichtbeachtung und Diskriminierung zu tragen. Anlässlich dieses Welttages der Kranken möchte ich die kirchliche Gemeinschaft auffordem, wieder neu die Aufgabe in Angriff zu nehmen, die darauf abzielt, die menschliche Gesellschaft in ein „Haus der Hoffnung“ umzuwandeln, in Zusammenarbeit mit allen Glaubenden und den Menschen guten Willens. Teilhabe am heilbringenden Leiden Christi 6. Diese Aufgabe verlangt von der kirchlichen Gemeinschaft, dass sie als „Com-munio“ lebt.: Nur da, wo Männer und Frauen durch Hören des Gotteswortes, Gebet und Feier der Sakramente „ein Herz und eine Seele“ werden, entwickeln sich brüderliche Solidarität und Güterteilung und wird das Wirklichkeit, was der hl. Paulus an die Christen von Korinth schrieb: „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26). Während sie sich auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet, ist die Kirche aufgerufen, ihre Bemühungen zu verstärken, um die von den Worten des Apostels angemahnte „Communio“ in konkrete Pläne umzusetzen. Diözesen, Pfarren und alle kirchlichen Gemeinschaften mögen sich dafür einsetzen, die Themen von Gesundheit und Krankheit im Licht des Evangeliums zur Sprache zu bringen; sie sollen Mut machen zur Förderung und zur Verteidigung des Lebens und der Würde der menschlichen Person, von der Empfängnis an bis zu ihrem natürlichen Ende; sie sollen die bevorzugte Option für die Armen und Ausgegrenzten konkret und sichtbar werden lassen, und unter diesen mögen sie die Opfer der neuen sozialen Krankheiten, die Behinderten, die chronisch Kranken und die Sterbenden mit liebevoller Aufmerksamkeit umgeben wie auch jene, die durch politische und soziale Wirren gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen und in misslichen oder sogar unmenschlichen Verhältnissen zu leben. Gemeinschaften, die die echte ,Diakonie“ des Evangeliums dadurch zu leben verstehen, dass sie im Armen und Kranken „ihren Herrn und Meister“ sehen, sind eine mutige Verkündigung der Auferstehung und tragen dazu bei, die Hoffnung auf das endgültige Kommen des Gottesreiches wirksam zu erneuern. 7. Liebe Kranke, in der kirchlichen Gemeinschaft ist euch ein besonderer Platz Vorbehalten. Der Zustand des Leidens, in dem ihr lebt, und der Wunsch, die Gesundheit wiederzuerlangen, machen euch besonders empfänglich für den Wert der 407 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hoffnung. Ich empfehle der Fürbitte Marias euer Verlangen nach dem Wohlbefinden des Leibes und des Geistes, und ich fordere euch auf, dieses Verlangen zu erhellen und zu erhöhen durch die göttliche Tugend der Hoffnung, ein Geschenk Christi. Sie wird euch helfen, dem Leiden neue Bedeutung zu geben, indem es in einen Heilsweg verwandelt wird, in eine Gelegenheit zu Evangelisierung und Erlösung. In der Tat kann „das Leid für den Menschen und die Gesellschaft auch einen positiven Sinn“ haben. „Weil es bestimmt ist, zu einer Form der Teilhabe am heilbringenden Leiden Christi und an seiner Auferstehungsfreude zu werden, wird es für die Kirche zur heilbringenden Kraft, die ihrem Aufbau dient“ (Christifideles laici, Nr. 54; vgl. Salvifici doloris, Nr. 23). Als Abbild des Leidens Christi und vom Heiligen Geist erfüllt, wird eure Leidenserfahrung die siegreiche Kraft der Auferstehung verkündigen. 8. Die Betrachtung des Heiligen Hauses lässt uns natürlich bei der Familie von Na-zaret innehalten. Bei ihr fehlte es nicht an Prüfungen: In einem liturgischen Hymnus wird sie „im Leiden erfahren“ genannt (Römisches Brevier, Lesehore am Hochfest der Heiligen Familie). Doch an dieser „heiligen und freundlichen Wohnstätte“ (ebd.) war auch die reinste Freude daheim. Ich wünsche mir, aus diesem Heim möge das Geschenk der Gelassenheit und des Vertrauens zu jeder menschlichen Familie gelangen, die vom Leiden verwundet ist. Während ich die kirchliche und die bürgerliche Gemeinschaft auffordere, sich um die schwierige Lage zu kümmern, in der sich viele Familien befinden, denen die Last der Krankheit eines Angehörigen auferlegt ist, erinnere ich daran, dass das Gebot des Herrn, die Kranken zu besuchen, sich vor allem an die Familienangehörigen des Kranken richtet. Im Geist liebevoller Selbsthingabe getan und vom Glauben, vom Gebet und von den Sakramenten unterstützt, kann die Krankenhilfe in der Familie zu einem unersetzlichen Heilmittel für den Kranken werden und für alle zu einer Gelegenheit, kostbare menschliche und geistige Werte zu entdecken. 9. In diesem Zusammenhang richte ich einen besonderen Gedanken an diejenigen, die beruflich oder als Freiwillige im Krankendienst stehen oder pastoralen Dienst bei den Kranken leisten und ihnen in ihren Bedürfnissen beständig nahe sind. Ich möchte sie auffordem, immer eine hohe Auffassung von der ihnen anvertrauten Aufgabe zu haben, ohne sich je von Schwierigkeiten und Unverständnis entmutigen zu lassen. Im Krankendienst sich einsetzen heißt nicht nur, das Übel bekämpfen, sondern vor allem, die Qualität des menschlichen Lebens fördern. Der Christ sodann, der sich bewusst ist, dass „die Ehre Gottes der lebendige Mensch“ ist, ehrt Gott im menschlichen Leib, sowohl in den erhebenden Aspekten der Kraft, der Vitalität und der Schönheit, als auch in denen der Schwäche und des Verfalls. Er verkündet stets den transzendenten Wert der menschlichen Person, deren Würde auch in der Erfahrung des Schmerzes, der Krankheit und des Altems unangetastet bleibt. Dank des Glaubens an den Sieg Christi über den Tod erwartet er mit Vertrauen den Augenblick, in dem der Herr „unseren armseligen Leib verwandeln wird in die 408 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann“ (Phil 3,21). Im Unterschied zu denen, die ,Jeeine Hoffnung haben“ (vgl. 1 Thess 4,13), weiß der Gläubige, dass die Zeit des Leidens eine Chance zu neuem Leben, zu Gnade und Auferstehung in sich schließt. Er bringt diese Gewissheit zum Ausdruck durch seinen Einsatz im Pflegedienst, durch die Fähigkeit zu Aufnahme und Begleitung, durch die im Gebet und in den Sakramenten übermittelte Anteilnahme am Leben Christi. Dem Kranken und dem Sterbenden beistehen, dem „äußeren Menschen“ helfen, der aufgerieben wird, damit der „innere Mensch“ Tag für Tag erneuert werde (vgl. 2 Kor 4,16) - heißt das nicht, am Prozess der Auferstehung mitwirken, den der Herr mit dem Ostergeheimnis in die Geschichte der Menschen gebracht hat und der seine volle Erfüllung am Ende der Zeiten finden wird? Heißt es nicht, Rechenschaft geben von der Hoffnung (vgl. 7 Petr 3,15), die uns geschenkt wurde? In jeder getrockneten Träne liegt schon eine Ankündigung der letzten Zeiten, eine Vorwegnahme der letzten Erfüllung (vgl. Offb 21,4 und Jes 25,8). Dessen bewusst, bemüht sich die christliche Gemeinschaft, den Kranken zu helfen und die Lebensqualität zu fördern in Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens. Sie verwirklicht diese ihre erlesene Sendung im Dienst am Menschen sowohl in respektvoller und fester Konfrontation mit den Kräften, die andere moralische Vorstellungen haben, als auch in tätigem Beitrag zur Gesetzgebung über die Umwelt, zur Unterstützung einer gerechten Verteilung der sanitären Hilfsmittel und in der Förderung einer größeren Solidarität zwischen reichen und armen Völkern (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 46). 10. Maria, der Trösterin der Betrübten, vertraue ich alle an, die körperlich und geistig leiden, zusammen mit denen, die im Krankendienst arbeiten, und allen, die sich großherzig der Hilfe für die Kranken widmen. Auf Dich, lauretanische Jungfrau, richten wir vertrauensvoll unseren Blick. Von Dir, „Leben, Güte, unsere Hoffnung“, erbitten wir die Gnade, dass wir das Nahen des dritten Jahrtausends mit denselben Empfindungen erwarten mögen, die dein Herz erfüllten, als du die Geburt deines Sohnes Jesus erwartetest. Dein Schutz befreie uns von Pessimismus und lasse uns mitten in den Schatten unserer Zeit die leuchtenden Spuren der Gegenwart des Herrn erkennen. Deiner mütterlichen Zärtlichkeit vertrauen wir die Tränen, die Seufzer und die Hoffnungen der Kranken an. Möge sich auf ihre Wunden der wohltuende Balsam des Trostes und der Hoffnung legen. Möge ihr Schmerz, mit den Schmerzen Jesu verbunden, zum Werkzeug der Erlösung werden. Dein Beispiel leite uns an, aus unserem Leben ein fortwährendes Lob der Liebe Gottes zu machen. Mache uns aufmerksam für die Bedürfnisse der anderen, eifrig darauf bedacht, den Leidenden Hilfe zu bringen, mache uns fähig, die zu begleiten, die einsam sind, und lass uns Hoffnung aufbauen, wo sich menschliche Tragödien abspielen. 409 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Überall, auf frohen oder traurigen Strecken unseres Weges, zeige uns mit der Liebe der Mutter „deinen Sohn Jesus, o gütige, o milde, o liebe Jungfrau Maria“. Amen. Aus dem Vatikan, den 29. Juni 1997, Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Joannes Paulus PP. II Soziale Dimension der Freundschaft mit Gott neu gestalten! Ansprache bei der Audienz zum Abschluss des Zweiten Treffens des Zentralkomitees für das Jubeljahr mit den Delegierten der Episkopate am 12. Februar Meine Herren Kardinale, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Laiengläubige! 1. Es ist mir eine Freude, euch zum Abschluss des zweiten Treffens des Zentralkomitees mit den Delegierten für das Jubeljahr, die im Auftrag der verschiedenen Episkopate hierher gekommen sind, empfangen zu können. Ich grüße zuerst Kardinal Roger Etchegaray, den Präsidenten des Zentralkomitees, die Kardinale des Vorstandes, Msgr. Crescenzio Sepe, den neuemannten Generalsekretär, die Mitglieder des Zentralkomitees sowie die Delegierten der Bischofskonferenzen. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die brüderlichen Delegierten der nichtkatholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Allen gilt der Ausdmck meiner Würdigung für ihre aktive Teilnahme! Eurem Treffen kommt eine besondere Bedeutung zu aufgrund der dadurch gebotenen Gelegenheit, die Seelsorgsplanungen im Hinblick auf die Feier des Jubeljahrs schärfer zu umreißen, indem eine (vorläufige) Zeitfolge und ein konkretes Projekt zur Aufnahme der Pilger ausgearbeitet werden. Ich möchte euch zu der Großherzigkeit beglückwünschen, mit der ihr in dieser Zeit vor dem Jubeljahr tätig seid: Ihr liefert wertvolle und erhellende Beiträge, die darauf abzielen, die Feierlichkeiten des Heiligen Jahres bedeutsamer und in geistlicher Hinsicht fruchtbarer zu machen. 2. Der Weg zu diesem historischen Ereignis wird zusehends kürzer, und der Augenblick der Öffnung der Heiligen Pforte, mit dem ein Jahr der Gnade und Versöhnung für die ganze Kirche beginnen wird, rückt immer näher. Darum sind die Bemühungen um die äußerliche Organisation sehr zu loben. Sie müssen allerdings von einer inneren Vorbereitung begleitet sein, die das Herz für die Aufnahme der Gaben des Herrn bereit macht. Es handelt sich in erster Linie darum, den Sinn für Gott wiederzuentdecken und seine Herrschaft über die Schöpfung und die Geschichte anzuerkennen. Daher rührt die Überprüfung, der ein jeder seine Gedanken und Entscheidungen mit aufrichtiger Überzeugung und Liebe un- 410 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN terwerfen wird, in dem Wunsch, die Fülle der übernatürlichen Barmherzigkeit zu erreichen. 3. Das Gedenken der zweitausend Jahre seit der Geburt Christi führt uns zum Mittelpunkt des Geheimnisses der Erlösung zurück: „Apparuit gratia Dei et Salvatori nostri, Jesu Christi“ {Tit 2,11.13). Gott ruft alle Menschen ohne Ausnahme auf, an den Früchten des Heilswerkes teilzuhaben, das sich auf der Erde durch das geheimnisvolle Wirken des Heiligen Geistes erfüllt und verbreitet. Das Große Jubeljahr lädt uns ein, diese Zeit der Gnade neu zu erleben in dem Bewusstsein, dass dem Geschenk des Heils die Bekehrung des Herzens entsprechen muss. Denn durch diese Bekehrung versöhnt sich der Mensch mit dem Vater und geht wieder in die Gemeinschaft seiner Liebe ein. Die Umkehr wäre allerdings nicht echt, wenn sie nicht auch zur Versöhnung mit den Brüdern, die Söhne desselben Vater sind, führen würde. Das ist die soziale Dimension der wiedergefundenen Freundschaft mit Gott: Sie umfasst die Mitglieder der eigenen Familie, sie dehnt sich auf das Arbeitsmilieu aus, sie durchdringt die ganze bürgerliche Gemeinschaft. Der Herr nimmt uns auf mit seiner Vergebung und überträgt uns zugleich den Auftrag, Sauerteig des Friedens und der Einheit in unserem ganzen Umfeld zu sein. 4. Das Wiederentdecken dieses Gnadenreichtums, der uns in Christus geboten wird, und seine Aufnahme im persönlichen Leben erfordern einen angemessenen Weg der geistlichen Vorbereitung: Wir versuchen, das in diesen Jahren zu verwirklichen, und euch ist das Programm für diese Jahre, das ich der ganzen Kirche empfohlen habe, wohlbekannt. Ich habe jeden Christen einladen wollen, zuallererst seinen Glauben an das Geheimnis Gottes als Dreifaltigkeit neu zu beleben und das Mysterium unseres Erlösers Jesus Christus zu vertiefen. Nur so kann das auf der Erde pilgernde Gottesvolk den Enthusiasmus des Glaubens wiederfinden und neu anfachen. Jeder Christ wird die Erfahrung der Begegnung mit Christus, dem Meister und Hirten, dem Priester und Leiter eines jeden Gewissens, auskosten können. Das wird die Gläubigen dazu bereit machen, das Geschenk eines neuen Pfingsten zu empfangen, damit sie in das dritte Jahrtausend eintreten können mit dem stärkeren Wunsch, die ewig aktuelle Wahrheit wiederzuentdecken, nämlich dass Gott-Vater durch den menschgewordenen Sohn nicht nur zum Menschen spricht, sondern ihn sucht und liebt. 5. Die euch anvertraute Aufgabe ist wichtig. In jedem eurer Länder ist die Erwartung schon zu spüren. Es entstehen Wissbegier und Hoffnungen, vor allem aber steigert sich der Wunsch nach einem echten, innerlichen und vom Licht des Evangeliums erleuchteten Frieden. Deshalb müssen die Worte der Hoffnung zu allen Menschen dringen: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ {Mt 11,28). Macht euch also zu leidenschaftlichen Förderern von verschiedenen Initiativen, die darauf abzielen, den christlichen und nichtchristlichen Völkern eurer Länder die Botschaft des Großen Jubeljahrs zu vermitteln. Setzt euch dafür ein, dass die Pas- 411 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN toralpläne, die sich auf die Sakramente, das Wort Gottes, die Beteiligung am liturgischen Leben, das Gebet, das wesentliche Thema des ökumenischen Dialogs und auf die Begegnungen mit den Nichtchristen beziehen, bekannt werden und Anwendung finden. Vermittelt Informationen und Nachrichten, haltet den Dialog mit euren Gemeinschaften aufrecht, und berücksichtigt die Erwartungen eines jeden Volkes. Tut alles, damit der Übergang ins dritte Jahrtausend eine Zeit der Erneuerung und Gnade für alle sei. 6. Wie inzwischen allgemein bekannt, unterscheidet sich das Heilige Jahr 2000 von den anderen Jubeljahren, weil es gleichzeitig in Rom, im Heiligen Land und in den Ortskirchen gefeiert wird. Die Durchführung eines jeden Jubeljahrs beinhaltet auch das Konzept der „Pilgerreise“. Sie ist ein uralter religiöser Brauch und findet sich bei fast allen Völkern und Religionen, vor allem zum Zweck der Buße. Die Pilgerfahrt spiegelt die letztendliche Bestimmung des Menschen wider. Der Christ weiß, dass die Erde nicht seine letzte Wohnstätte ist, weil er sich auf dem Weg zu einem anderen Ziel befindet, das seine wahre Heimat darstellt. Deshalb unterstreicht die Pilgerreise nach Rom, ins Heilige Land und zu den heiligen Stätten in den verschiedenen Diözesen, dass unser ganzes Leben ein Zu-Gott-Gehen ist. Damit die Pilgerreise Frucht bringt, ist es erforderlich, dass wichtige Zeiten des Gebets, bedeutende Akte der Buße und Umkehr und Gesten brüderlicher Nächstenliebe, die als lebendiger Ausdruck der Liebe Gottes verstanden werden können, gewährleistet sind. In diesem Geist wird das Jubeljahr eine gute Gelegenheit sein, damit der Raum der Nächstenliebe in jeder Ortskirche, jedem Verband und jeder kirchlichen Gruppe weiter wird. Das konkrete Zeichen der Nächstenliebe wird darauf hinweisen, dass auf dem Weg der erwünschten Erneuerung schon wichtige Schritte als Vorboten des Friedens und der universalen Brüderlichkeit unternommen worden sind. Ihr habt den Auftrag, angemessene Initiativen in diesem Sinn auf einsichtige Weise ins Leben zu rufen, während die Kirche von Rom die Aufgabe hat, euch mit offenen Armen, großherzig und mit tatkräftiger und großzügiger Freundschaft aufzunehmen. Der Stuhl Petri, der „den Vorsitz hat über die Gemeinschaft der Liebe“, möchte in diesem Wettbewerb der Solidarität, der alle auf der ganzen Welt verbreiteten Kirchen einbezieht, präsent sein und aktiv teilnehmen. Man muss heutzutage eine besondere Aufmerksamkeit für die Gerechtigkeit und die Förderung des sozialen Fortschritts entwickeln. Wir sind alle davon überzeugt, dass es unsere Pflicht ist, nach Wegen zur Überwindung von Spannungen außerhalb der Logik des Konflikts zu suchen, und dass es möglich ist, sie zu finden. Wir meinen außerdem, dass Projekte ausgearbeitet werden können, welche die schwere wirtschaftliche Situation nicht weniger Staaten zu lösen vermögen, so dass ganze Völker aus Versklavung und unmenschlichem Elend befreit werden. 7. Das Jubeljahr ist ein von der Vorsehung gewolltes kirchliches Ereignis. Es ist aber nicht Selbstzweck, sondern ein Mittel - im feierlichen Gedenken an die 412 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschwerdung des Gottessohnes, unseres Heils um die Christen zur Bekehrung und zur innerlichen Erneuerung anzuregen. Im Glauben gestärkt, können sie die Botschaft des Evangeliums mit neuem Schwung verkünden und darauf hinwei-sen, dass in der Aufnahme dieser Botschaft der Weg zum Aufbau einer menschlicheren, weil christlicheren Welt zu finden ist. Ich möchte der seligen Jungfrau euren hingebungsvollen Dienst zur Vorbereitung dieses großen Kirchenereignisses anvertrauen in dem Wunsch, dass es reiche Früchte zum Wohle der Kirche und der ganzen Welt erbringe. Und ich muss euch sagen, dass ein großes Interesse für das Jubiläum besteht nicht nur unter den Bischöfen in aller Welt, sondern auch unter den Politikern. Die Jahreszahl 2000 ruft eine bestimmte Haltung, eine Öffnung hervor. Wir können sagen, dass das christliche Gedächtnis der Völker und der Welt zum Vorschein kommt. Ich möchte dieses Treffen beschließen, indem ich mit euch den „Engel des Herrn“ bete, denn es ist das Gebet der Inkarnation. Mit Zuneigung und Dankbarkeit erteile ich euch den Apostolischen Segen. Petrinisches und marianisches Profil der Kirche ergänzen sich Botschaft an die zum 21. geistlichen Treffen in Castel Gandolfo versammelten Bischöfe der Bewegung ,Eokolare der Einheit“ vom 14. Februar Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Mit Freude richte ich bei Gelegenheit Eures geistlichen Treffens einen herzlichen brüderlichen Gruß an Euch. Aus verschiedenen Teilen der Welt seid Ihr zusammengekommen, um das Band kirchlicher Gemeinschaft unter Euch und mit dem Nachfolger des Petras zu vertiefen und angesichts Eurer jeweiligen pastoralen Erfahrungen über einige besondere Aspekte der Spiritualität der Bewegung „Fo-kolare der Einheit“ nachzudenken. Dieses Euer jährliches Treffen bietet mir die günstige Gelegenheit, jedem Teilnehmer die Zusicherung meiner geistlichen Nähe und meines Gebetsgedenkens zukommen zu lassen, auf dass Christus selbst - der, wie der Brief an die Hebräer betont, „der erhabene Hirt seiner Schafe“ (Hebr 13,20) ist - den intensiven Arbeiten dieser Tage mit seiner Gnade beistehe und Euch bei Eurem täglichen bischöflichen Dienst begleite. 2. Dieses Euer Treffen stellt sich in den Kontext des Vorbereitungsweges auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Wir haben nun schon entschlossen den Anfang zum zweiten Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum gemacht. Die Kirche ist aufgerufen, in besonderer Weise über den Heiligen Geist und über seine heiligende Gegenwart innerhalb der Gemeinschaft der Jünger Christi nachzuden- 413 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ken. Wie ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente bemerkt habe, erhält der gleiche Geist, der in der Kirche die Vielfalt der Charismen und Dienste erweckt, mit der ihm eigenen göttlichen Kraft die innere Verbundenheit der verschiedenen Glieder aufrecht und beseelt die Gemeinschaft des ganzen Leibes Christi. „Die Einheit des Leibes Christi beruht auf der Wirkung des Geistes, wird vom apostolischen Dienst gewährleistet und von der gegenseitigen Liebe beseelt (vgl. 1 Kor 13,1-8)“ (Nr. 47). Die vertiefenden Reflexionen Eurer Versammlung, bereichert auch durch den umfassenden pastoralen Erfahrungsaustausch, sind eine wertvolle Gelegenheit, auf sehr intensive und lebensnahe Weise die Bedeutung der effektiven und affektiven Kollegialität und der kirchlichen Gemeinschaft zu erfassen, wie sie in dem Euch übertragenen apostolischen Dienst konkret gelebt wird. 3. Das Thema, das Ihr für das diesjährige Treffen gewählt habt - „Auf dem Weg zur Einheit der Nationen und zur Einheit der Völker hin“ -, liegt in der Linie der Lehren des II. Vatikanischen Konzils. Das Konzil hat ja mit besonderer Aufmerksamkeit die universale Sendung der Kirche betrachtet, die für die weiten Horizonte der heutigen Welt offen und berufen ist, für sie „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1) zu sein. Schon die Verschiedenheit der Gebiete, aus denen Ihr kommt und in denen dem Evangelium zu dienen Ihr berufen seid, lässt ganz offensichtlich die „Katholizität“ der Kirche als das aus Menschen verschiedener Nationen gebildete eine Volk Gottes erkennen, das von Christus erlöst und vom Geist beseelt ist. Auf dem Weg zur vollen Einheit der Christen, wonach, wenn auch unter vielen Spannungen und Schwierigkeiten, die von der göttlichen Vorsehung geleitete Geschichte trachtet, sind die Nachfolger der Apostel berufen, einen eigenen, besonderen Beitrag zu leisten durch das dreifache Amt, den ihnen von Christus anvertrauten Teil der Herde zu lehren, zu leiten und zu heiligen. 4. Liebe ehrwürdige Brüder! In Eurem Dienst der Animation leite und unterstütze Euch die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria. Das Bild von Maria - mit Petrus und den andern Aposteln im Abendmahlssaal versammelten in Erwartung des Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,12) - hebt deutlich hervor, dass die apostolische Sendung und die Sendung der Mutter Gottes zutiefst miteinander verbunden sind und einander ergänzen. Das Ideal der Heiligkeit, auf das hin die ganze Sendung der Kirche ausgerichtet ist, findet sich in Maria bereits vorgebildet. Die Kirche besitzt also neben dem „petrinischen Profil“ ein unersetzliches „maria-nisches Profil“: das erstere zeigt die ihr von Christus übertragene apostolische und pastorale Sendung, das letztere bringt ihre Heiligkeit und ihre absolute Treue zum göttlichen Heilsplan zum Ausdruck. „Dieses Band zwischen den beiden Charakterisierungen der Kirche, nämlich dem marianischen und dem Petrusprofil, ist also eng, tief und komplementär“ (Weihnachtsansprache an die Römische Kurie, 1987; in: O.R. dt., 15.1.1988, 10). 414 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wünsche Euren christlichen Gemeinschaften, dass sie getreu dieses doppelte Profd der Kirche darstellen mögen, das „marianiscbe“ und das „Petrusprofil“. Die geistlichen Früchte Eures Treffens vertraue ich der mütterlichen Hilfe der Jungfrau Maria an, der Königin der Apostel und Mutter der Einheit, und jedem von Euch erteile ich in Liebe meinen Segen. Aus dem Vatikan am 14. Februar, Fest der hll. Cyrill und Method, Patrone Europas, 1998, im zwanzigsten Jahr des Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Fachliche und persönliche Vorbereitung auf das Große Jubiläumsjahr Ansprache an die Mitarbeiter der Polizeidienststelle beim Vatikan am 14. Februar Herr Präfekt, meine Herren Polizeibeamten und Angestellten der Aufsichtsbehörde für Öffentliche Sicherheit beim Vatikan, der Verkehrspolizei und anderer Sondereinheiten sowie der Quästur von Rom! 1. Ich freue mich, euch bei diesem stets willkommenen Anlass zu Beginn des neuen Jahres zu empfangen. Er gibt mir Gelegenheit, euch, die ihr von Seiten des italienischen Staates beauftragt seid, Sicherheit und Ordnung rings um den Papst und den Vatikan zu gewährleisten, einen herzlichen und dankbaren Gruß zu entbieten. Vor allem danke ich dem Herrn Präfekten Enrico Marinelli für die in aller Namen gesprochenen Worte, mit denen er auch die Hauptziele eurer Arbeit dargestellt hat. Einen herzlichen Dank möchte ich an jeden von euch richten für den wertvollen Dienst, den ihr leistet, und für die Einsatzfreude, womit ihr ihn erfüllt. Eure Tätigkeit entspricht nicht nur einer sachlichen Notwendigkeit, sondern sie ist auch wichtig für das Zustandekommen der Zusammenarbeit zwischen den zivilen Obrigkeiten und dem Bischof von Rom, dessen Sendung sich in konzentrischen Kreisen im Vatikan, in Rom, in Italien und in der ganzen Welt abspielt. Es ist eine geistliche Sendung im Dienst des Evangeliums, aber als solche verteidigt und fördert sie die Würde des ganzen Menschen und aller Menschen. 2. Der universale Dienst des Papstes weist Augenblicke von einzigartiger Bedeutung auf bei Gelegenheit der Jubiläumsfeierlichkeiten, und so wird es in außergewöhnlicher Weise im Heiligen Jahr Zweitausend geschehen, dem ersten Jahrtausendjubiläum des christlichen Zeitalters. In den Worten des Herrn Präfekten ist ganz deutlich geworden, wie das Herannahen dieses Ereignisses euch emsig an der Vorbereitungsarbeit findet. Ich spreche euch dafür meine lebhafte Hochschätzung aus und zugleich herzlichen Dank. Vor 415 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allem möchte ich euch den Geist voller Zusammenarbeit bei dem bestätigen, was im Hinblick auf dieses geschichtliche Ereignis in eure Zuständigkeit fällt. Gestattet mir, euch in diesem Zusammenhang einen Gedanken vorzulegen, der spontan aus dem Herzen des Hirten kommt. Ihr wisst gut, dass das Heilige Jahr vor allem eine in geistlicher Hinsicht bedeutsame Zeit ist, ein Jahr der Versöhnung mit Gott, ein Jahr, das dazu geeignet ist, den Herrn wieder an die Stelle zu setzen, die ihm gebührt, das heißt an den ersten Platz der Werteskala, in die Mitte des persönlichen und des gemeinschaftlichen Lebens. Möge jeder Gläubige das Jubiläum in dieser Perspektive sehen können, die dann die echte Begründung für die praktischen Unternehmungen bietet, für das konkrete Handeln nach Verantwortlichkeiten und Obliegenheiten eines jeden. Ich wünsche euch auch, dass ihr euch geistlich in bester Weise auf das Große Jubiläum vorbereiten könnt. Das wird euch auch bei eurer Tätigkeit von Nutzen sein und euch zu einem hochqualifizierten Dienst befähigen, sei es in sozusagen „technischer“ Hinsicht wie in den Motivationen und im Stil. Die berufliche Tüchtigkeit wird dabei gewinnen, und vor allem werdet ihr selbst Nutzen davon haben, wenn es euch gelingt, eure Leistungen mit mehr Freude und Schwung zu vollziehen. 3. Meine Lieben, während wir mit großen Schritten dem historischen Ereignis entgegengehen, wollen wir aber nicht die gewöhnliche Pflicht aus dem Auge verlieren: gerade hier, in der guten Erfüllung der ermüdenden und sich immer wiederholenden Pflichten eines jeden Tages zeigt sich die Rechtschaffenheit der Person und der Grad ihrer menschlichen und beruflichen Reife. Ich wünsche euch, dass ihr stets so arbeitet, zur Ehre Gottes, zum Wohl des Vaterlandes und aus Liebe zu euren Familien, denen ich ein besonderes Gebetsgedenken verspreche. Mit diesen Wünschen rufe ich den mütterlichen Schutz Marias auf euch herab und segne euch von Herzen. Die wiedergefundene Brüderlichkeit unter den Christen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen am 19. Februar Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt! 1. Schon mehrmals habe ich die Hoffnung ausgedrückt, dass sich die Christen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, wenn schon nicht in völliger Einheit, so doch näher an der Überwindung ihrer Schwierigkeiten zusammenfinden können (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Die Vollversammlung eures Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen untersucht die Tätigkeit der vergangenen zwei Jahre und hat ihre Betrachtungen in diesen Blickwinkel stellen wollen. In meiner Enzyklika Ut unum sint wollte ich besonders auf die Bedeutung einer der Früchte der ökumenischen Bewegung hinweisen: die wiedergefundene Brüderlich- 416 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit unter den Christen. Ich selbst erfahre sie ständig auf meinen apostolischen Reisen durch die ganze Welt. Unabhängig von den bestehenden Unterschieden und von der Triftigkeit der trennenden Elemente, haben die Christen ein neues Bewusstsein dafür entwickelt, dass sie untereinander Brüder sind. Ich frage euch: Ist darin etwa nicht die Wiederherstellung einer grundsätzlich christlichen Einstellung zu erkennen? Und setzt man dadurch etwa nicht die vorrangige Anforderung des Gebots in die Tat um, das Jesus als das „seine“ bezeichnet hat (vgl. Joh 15,12)? Wenn uns bewusst ist, dass wir Brüder sind, sollen wir uns auch als Brüder beurteilen, selbst im Falle von Uneinigkeit; wir sind aufgefordert, unter den verschiedenen Umständen, wo wir uns durch unser persönliches und gemeinschaftliches Leben treffen, als Brüder zu behandeln. In diesem Bereich ist ständiger Fortschritt notwendig. Wir können uns nicht mit Zwischenetappen begnügen, die vielleicht erforderlich, aber auf dem spirituellen und kirchlichen Weg, auf dem wir uns befinden, immer unzureichend sind. Das Ziel, zu dem unser Herr Jesus Christus uns ruft und uns leitet und wo er uns erwartet, ist die vollkommene Einheit mit all jenen, die die Taufe empfangen haben und dadurch am einzigen mystischen Leib teilhaben. 2. In dieser Atmosphäre wiedergefundener Einheit erhält eure Betrachtung über die gegenwärtigen Beziehungen zwischen den Kirchen und den christlichen Gemeinschaften ihren ganzen Sinn. Dasselbe gilt für die Dialoge auf theologischer Ebene. Der Dialog der Nächstenliebe liegt ihnen zugrunde, und er muss sie auch in Zukunft begleiten und nähren. Es ist nötig, den Dialog der Nächstenliebe zu vertiefen, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich in der Vergangenheit ergeben haben, die heute existieren und auf die wir auch in Zukunft stoßen werden. Auch in diesem Kontext, auf diesem intellektuellen Weg, ist es geboten, schrittweise vorzugehen. Die schon erzielten Fortschritte erfüllen uns mit Freude; sie sind derart, dass sie die wiedergefundene Brüderlichkeit in Wahrhaftigkeit wachsen lassen. Es handelt sich allerdings nur um Etappen, und wir können uns nicht mit deren Erreichung begnügen. Unsere Schritte sollen uns auf diesem Weg weiter vorwärts bringen. Wir wollen uns gegenseitig helfen. Wir sollten den Mut aufbringen, um diese Suche in der Wahrheit und in der Treue zu demjenigen, der die Wahrheit ist, fortzuführen. Die Zielsetzung dabei ist die volle Gemeinschaft, die er zwischen uns herrschen sehen will. Vor zweitausend Jahren hat er uns aufgetragen, sein Kommen einmütig zu bezeugen. In unserer Zeit, wo wir die Welt anregen, anzuerkennen, dass Christus „das wahre Licht [ist], das jeden Menschen erleuchtet“ (.Joh 1,9), wollen wir unserer Aktion neuen Schwung geben, um den Willen unseres einzigen Meisters und Herrn zur Einheit vollkommen zu verwirklichen. Die Fortschritte im Dialog der Nächstenliebe und der Bekehrung oder die im Dialog über das Lehramt zu verzeichnen sind, erfüllen das Herz mit Dankbarkeit und Hoffnung: Dankbarkeit für alles, was uns gegeben wurde und gegeben wird; Hoffnung zu dem, der allein all das zur Erfüllung bringt, was nur er unter uns wirken konnte und kann. 417 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Im Laufe eurer Vollversammlung habt ihr also die in den vergangenen zwei Jahren geleistete Tätigkeit überprüft. Ihr konntet die Aspekte heraussteilen, die korrigiert, und die, die intensiviert werden sollten. Auch habt ihr euch in die Zukunft orientiert. Die ökumenische Ausbildung der Menschen, die sich in den kommenden Jahren einem seelsorgerischen Amt widmen werden, nimmt in dieser Zukunftsperspektive eine ganz besondere Bedeutung an. Die Verarbeitung des Lehramts des Zweiten Vatikanischen Konzils über Kirche und Ökumene ist die Voraussetzung, die es den vorläufigen Ergebnissen des Dialogs ermöglicht, auf gesunde Art verbreitet zu werden. Wie ich selbst schon gesagt habe, „dürfen [sie] nicht Aussagen der bilateralen Kommissionen bleiben, sondern müssen Gemeingut werden“ (Ut unurn sint, Nr. 80). Die Verantwortlichen für die pastorale Tätigkeit sollen einen umfassenden Überblick über die ökumenische Aktivität, ihre Grundsätze und ihre Erfordernisse erwerben. Das wird das Mittel und der Zusammenhang sein, der es ihnen erlaubt, das schon Getane einzuordnen und zu verstehen, entgegenzunehmen und streng zu überprüfen. So werden sie die Gläubigen informieren und in die Einstellung der Dankbarkeit und Hoffnung einbeziehen können. Sie werden Vereinfachungen und ungelegene Eile zu vermeiden wissen. Sie werden den Gläubigen helfen, sich den Rhythmen anzupassen, die der Heilige Geist der von ihm in der Kirche geweckten Bewegung eingibt, und sie ermutigen, ihre ökumenische Bekehrung zu vertiefen und in der wiedergefundenen Brüderlichkeit zu wachsen. Sie werden sie auffordem, ihr Gebet zu verstärken, damit die Zeit der vollständigen Einheit bald anbrechen möge. 4. Ich danke euch für die von euch während der Versammlung geleistete Arbeit und für euren hingebungsvollen Dienst für die Einheit. Deshalb möchte ich euch an die Worte des hl. Cyprian erinnern, womit ich meine Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene beschlossen habe: „Gott nimmt das Opfer dessen nicht an, der in Zwietracht lebt, ja er befiehlt ihm, wegzugehen vom Altar und sich zuerst mit seinem Bruder zu versöhnen. Nur so werden unsere Gebete vom Frieden inspiriert sein, und Gott wird sie annehmen. Das größte Opfer, das wir Gott darbringen können, ist unser Friede und die brüderliche Eintracht, ist das von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelte Volk“ (De Dominica orati-one, Nr. 23). „Sollten wir zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht mit erneutem Schwung und reiferem Bewußtsein den Herrn inständig um die Gnade bitten, uns alle auf dieses Opfer der Einheit vorzubereiten?“ {Ut unum sint, Nr. 102). Diese Anrufung erneuere ich mit tiefer Teilnahme, und ich bitte den Herrn, alles, was ihr tut, zu unterstützen, um den Dienst für die Einheit zu fördern, den der Bischof von Rom im Vertrauen auf das Werk der göttlichen Barmherzigkeit tut. Mit diesen Gefühlen erteile ich euch allen von ganzem Herzen meinen Segen. 418 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ökumenismus des Lebens und des Gebets Ansprache an das gemeinsame Komitee des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen und der Konferenz der Europäischen Kirchen am 20. Februar Herr Kardinal, liebe Brüder in Christus! 1. Es ist mir eine Freude, euch anlässlich der römischen Tagung vom gemeinsamen Komitee des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und der Konferenz der Europäischen Kirchen (KEK) hier zu empfangen. Ich freue mich über euer brüderliches Treffen und über die zahlreichen ökumenischen Veranstaltungen zur Betrachtung, zum Gebet und zur Brüderlichkeit, die in verschiedenen Ländern Europas regelmäßig stattfinden. In der Perspektive des Großen Jubeljahrs, für das ich die aktive Teilnahme der Gesamtheit der Christen erhoffe, ist die ständige Aufmerksamkeit der europäischen Kirchen für die Sache der Ökumene ein ermutigendes Zeichen auf dem Weg zur Einheit der Christen. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil hat der ökumenischen Bewegung neuen Antrieb gegeben und die Bedeutung des Dialogs zwischen Brüdern unter der Leitung des Heiligen Geistes hervorgehoben; auch ist es notwendig, dass die Christen ihre gemeinsame Nächstenliebe und ihr Verlangen nach Bekehrung zum Ausdruck bringen, um ihre Treulosigkeiten, die Quelle und Ursprung der Spaltungen sind, zu überwinden und damit sie „vollkommen gemäß dem Evangelium leben“ (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3). „Das Engagement für die Ökumene muß sich daher auf die Umkehr der Herzen und auf das Gebet stützen, was auch zur notwendigen Läuterung der geschichtlichen Erinnerung führen wird“ (Ut unum sint, Nr. 2). Um die noch bestehenden Hindernisse und Ressentiments aus dem Weg zu räumen, ist es angezeigt, sich immer mehr für einen Ökumenismus des Lebens und Gebets zu engagieren, und es ist nützlich, gemeinsame Projekte in die Tat umzusetzen, wobei die von den verschiedenen christlichen Konfessionen eigens entwickelten Tätigkeiten berücksichtigt werden sollen. Dank eines ständig gestärkten spirituellen Lebens werden sich die Christen und christlichen Gemeinschaften vom Heiligen Geist leiten lassen. Er wird sie zur vollkommenen Wahrheit führen und ihnen Mut zu ihren Vorhaben geben. Heute mehr denn je werden wir von Christus dazu gedrängt, und „das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends spornt alle zu einer Gewissensprüfung und zu passenden ökumenischen Initiativen an“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). 3. Zum Glück sind die ökumenischen Fragen inzwischen zu einem wesentlichen Teil der theologischen Studienpläne in den Seminaren, in den kirchlichen Lehreinrichtungen und in der ständigen Fortbildung geworden. So werden all jene, die in ihrer eigenen Kirche eine christliche Ausbildung erhalten, für das aufgeschlossen sein, was die Einheit der Christen fördern kann, und sie werden sich um eine aktive Teilnahme daran bemühen. Sie werden ihren Brüdern dabei helfen, eine bessere 419 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kenntnis der anderen christlichen Kirchen zu erwerben, denn diese ist auf dem Weg der Brüderlichkeit und Einheit unentbehrlich. Auch freue ich mich darüber, dass der Austausch von Professoren und Studenten zwischen den diversen Ausbildungsorten sowie zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen fortgeführt und noch weiter ausgebaut wird. 4. Bei euren Treffen und bei den Versammlungen - zuerst in Basel und dann in Graz - habt ihr euer Anliegen zu einer Annäherung zwischen West und Ost des europäischen Kontinents, der im Laufe dieses Jahrhunderts allzu lange geteilt und verletzt war, zum Ausdruck gebracht. Die christlichen Gemeinschaften der verschiedenen Konfessionen sind aufgerufen, ihre Ängste zu überwinden, und nunmehr eingeladen, den Weg zur vollen Einheit mutig einzuschlagen, ihren geistlichen Reichtum weiterzugeben und ihn im vertrauensvollen Austausch zu teilen. So werden die Christen ihre Schätze spirituellen Lebens auch den Menschen unserer Zeit eröffnen, die dadurch dem Herrn noch tiefgründiger begegnen können; sie werden auch zur Versammlung aller auf der ganzen Welt verstreuten Kinder Gottes in der Einheit beitragen, nach dem Willen Christi selbst (vgl. Joh 17,11-23). Dieses Teilen führt ohne jeden Zweifel zu einer immer größeren Achtung der besonderen Empfindungen und des pastoralen Vorgehens jeder christlichen Konfession, die in einer spezifischen Geschichte und Tradition wurzeln. 5. Das Programm eures Treffens beinhaltet die Untersuchung von Modemisie-rungsprojekten, um der Ökumene mehr Schwung zu geben, und ihr befragt euch auch über Methode, Kriterien und Inhalt neuer Formen der Zusammenarbeit, die im Licht der schon gesammelten Erfahrungen unternommen werden sollen. Möge Europa - dank des Dialogs zwischen den Verantwortlichen der verschiedenen Kirchen und unter Achtung der Wahrheit - zum Schmelztiegel einer immer intensiveren Suche nach der Einheit unter den Christen dieses Kontinents sein und - noch weiter gefasst - unter all jenen, die auf der ganzen Welt verstreut sind! Die Jünger Christi sind insgesamt eingeladen, das Evangelium in den Kulturen von heute deutlich zu verkünden; sie sollen sich auch darum bemühen, ihren Beitrag zur Gesellschaft auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene zu leisten, indem sie zu Triebfedern des Aufbaus unseres Erdteils werden, bei gleichzeitiger Achtung der Schöpfung und der rechtmäßigen Unabhängigkeit in der Leitung der irdischen Gegebenheiten. Europa ist gegenwärtig mit dem Problem der Aufnahme und Integration von Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften konfrontiert, die andere religiöse Traditionen mitbringen; das betrifft insbesondere den Islam und die asiatischen Religionen; die christlichen Kirchen müssen eine Einstellung vertrauensvoller Offenheit zum Ausdruck bringen und entschlossen den Weg des „Dialogs des Lebens“ ein-schlagen, zu dem ich schon bei anderer Gelegenheit die katholischen Gläubigen und unsere muslimischen Freunde aufgefordert habe; dieser Dialog macht den Weg frei für den gemeinsamen Dienst der Menschen in mehreren Bereichen (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 12). Um diese Herausforderung aufzunehmen, arbeitet 420 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr zusammen und fördert außerdem die Zusammenarbeit zwischen den Gläubigen, um angemessen auf die sozialen Fragen, zu reagieren, denen die Menschen von heute gegenüberstehen; man darf nicht die Konflikte vergessen, die manche Völker unseres Kontinents heimsuchen, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Familien anfällig machen, sowie die Verletzungen der Würde und Rechte der Personen und Völker, vor allem jene, die sich gegen Frauen und Kinder richten. „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir. [...] Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,11.21). Dieses Gebet des Herrn ist heute auch das unsrige. Es erinnert uns daran, dass das Zeugnis der Einheit ein wesentliches Element einer wahrhaften und tiefen Evangelisierung ist. Durch ihre Einheit in derselben Kirche werden die Jünger Christi ihre Brüder zur Entdeckung des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit als vollkommene Gemeinschaft der Liebe führen. Wir müssen rastlos sein solange wir nicht -fügsam gegenüber dem Heiligen Geist - folgender Bitte Christi entsprechen: „Alle sollen eins sein!“ Zum Abschluss unseres Treffens rufe ich auf euch die Unterstützung des Heiligen Geistes herab, dessen Früchte ,Hiebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue“ sind (Gal 5,22) und der alle Dinge neu macht; ich spreche euch meine besten Wünsche für eure Arbeit aus und erbitte für euch, für eure Mitarbeiter und für jene, die eurer pastoralen Fürsorge anvertraut sind, den Segen Gottes. Ganzheitliche Gesundheitsförderung der Frau gefordert Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Konferenz zum Thema „Women’s Health Issues“ am 20. Februar Verehrte Damen und Herren! 1. Mit Freude beglückwünsche ich die Universitä Cattolica del Sacro Cuore - die hier durch ihren Rektor, Professor Adriano Bausola, vertreten ist, den Leiter des Instituts für Bioethik der gleichen Universität, Msgr. Elio Sgreccia, und den Leiter des Center of Medical Ethics der Georgetown University - zur Einberufung dieser internationalen Konferenz über ein Thema von größter Aktualität für die Gesellschaft und die Kirche: die Gesundheit der Frau. Die Reflexion über dieses Argument ist in der Tat eine Pflicht und Dankesschuld nicht nur hinsichtlich der Würde jeder Frau, deren Anspruch auf Fürsorge und Zugang zu gesundheitsfördernden Mitteln und Strukturen anerkannt werden muss, sondern auch aufgrund ihrer besonderen Rolle in der Familie und der Gesellschaft. In dieser Hinsicht soll vor allem an jene zahlreichen Frauen - Kinder, junge Mädchen, Ehefrauen, Mütter und alternde Frauen - erinnert werden, die in Armut leben, nur über mangelhafte medizinische Unterstützung verfügen können und in 421 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vielen Teilen der Welt, oft in durch Naturkatastrophen und Kriege erschwerten Situationen, die Last für den Unterhalt der Familie tragen. 2. In der Botschaft an die Generalsekretärin der TV. Weltfrauenkonferenz in Peking habe ich die Aufmerksamkeit auf die „schreckliche Ausbeutung von Frauen und Mädchen gelenkt, die in jedem Teil der Welt existiert“, und ferner darauf hingewiesen, dass „die öffentliche Meinung erst jetzt beginnt, sich über die unmenschlichen Bedingungen klar zu werden, unter denen Frauen und Kinder oft zu arbeiten gezwungen sind, besonders in den weniger entwickelten Gebieten unseres Planeten“ (vgl. Nr. 7, 26. Mai 1995). Grundlegend für jede Gesellschaft ist die Gewährleistung dieser Rechte und dass wirtschaftlich hochentwickelte und vielfach im Überfluss lebende Gesellschaften ihre Aufmerksamkeit und Hilfe diesen Menschen zuwenden. Das ist aber nicht möglich ohne eine angemessene und entsprechende Anerkennung der Rolle der Frau, ihrer Würde und der Bedeutung ihres besonderen Beitrags für den Fortschritt der Gesellschaft, wo sie lebt: „Wenn Frauen die Möglichkeit haben, ihre Gaben voll an die ganze Gemeinschaft weiterzugeben, erfährt die Art und Weise, wie sich die Gesellschaft versteht und organisiert, eine positive Veränderung“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1995, Nr. 9). 3. Ganz besonders bedeutsam erscheint mir, dass sich eure internationale Konferenz mit allen die Gesundheit der Frau betreffenden Dimensionen befasst hat: Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten, die Achtung ihrer körperlichen Unversehrtheit und Fortpflanzungsfähigkeit, die psychologischen und geistigen Aspekte der unterschiedlichen Situationen, in denen sie sich befinden mag. In der Tat verbreitet sich ein Gesundheitskonzept, das paradoxerweise ihre Bedeutung - vor allem im Hinblick auf die Frau - gleichzeitig hervorhebt und beeinträchtigt. Gesundheit ist nämlich als Streben nach „vollem körperlichen, psychologischen und gesellschaftlichen Wohlbefinden und nicht nur als Fehlen eines Krankheitszustands“ definiert worden. Wenn Wohlbefinden aber aus rein hedonistischer Sicht betrachtet wird, ohne Berücksichtigung moralischer, geistiger und religiöser Werte, dann kann diese an sich edle Bestrebung auf einen begrenzten Horizont beschränkt sein, der ihre Wirksamkeit mindert und negative Auswirkungen für die Gesundheit selbst verursacht. Diese einseitige Interpretation von Gesundheitsförderung als Wohlbefinden bewirkte, dass auch in wesentlichen politischen Dokumenten die Mutterschaft selbst als Belastung und Krankheit angesehen und somit, im Namen von Gesundheit und Lebensqualität, die Voraussetzung für die Rechtfertigung von Empfängnisverhütung, Sterilisierung, Abtreibung und sogar Euthanasie geschaffen wurde. Diese falsche Sichtweise muss berichtigt werden, denn „ohne die feste Entschlossenheit, das Leben, jedes menschliche Leben, in jeder Phase und jeder Situation zu achten, zu verteidigen, zu lieben und ihm zu dienen, wird es weder für Frauen noch Männer jemals Gerechtigkeit, Gleichheit, Entwicklung und Frieden geben“ (vgl. ebd., Nr. 7; vgl. Evangelium vitae, Nr. 87). 422 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die Förderung eines wahren und globalen gesundheitlichen Gleichgewichts der Frau bedeutet, ihr zu helfen, das physische, psychologische und gesellschaftliche Wohl auf harmonische Art und Weise mit den moralischen und geistigen Werten zu verbinden. Unter diesem Gesichtspunkt der Entfaltung der Persönlichkeit und der besonderen Persönlichkeit der Frau, in der sich die bräutliche und mütterliche Hingabefähigkeit in der Familie oder im geweihten Leben verwirklicht und in der Gemeinschaftssinn zum Ausdruck kommt, ist die Gesundheit gleichzeitig grundlegende Bedingung und Dimension der Person. Aufgrund dessen muss das Gesundheitskonzept auf einer vollendeten anthropologischen Sichtweise begründet sein, die die Achtung des Lebens und der Würde der menschlichen Person, jeder menschlichen Person, als unverzichtbare Werte betrachtet. Die Gesundheitsförderung kann daher den ontologischen Wert der Person und ihre persönliche Würde nicht außer acht lassen: Auch in Situationen mangelnder körperlicher oder geistiger Gesundheit bewahrt der Mensch stets seine volle Würde. 5. Lür die Gesundheitsförderung der Frau nimmt die Fortpflanzungsdimension eine besondere Stellung ein, sowohl im Hinblick auf die Entfaltung der weiblichen Persönlichkeit als auch in Anbetracht ihrer eventuellen Aufgabe als Mutter. Die Förderung der gesunden Fortpflanzungsfähigkeit der Frau schließt somit primäre Vorbeugungsmaßnahmen gegen jene Krankheiten ein, die ihre Fruchtbarkeit gefährden können, therapeutischen, beratenden und unterstützenden Einsatz zur Wahrung der Unversehrtheit des weiblichen Organismus oder zur Wiederherstellung seiner Funktionsfähigkeit; nie kann sie jedoch ein Verletzen der Würde der weiblichen Person oder des ungeborenen Lebens bedeuten. In dieser Hinsicht ist die moralische Verpflichtung der Frau selbst stets von großer Bedeutung, denn sie muss die Werte ihrer eigenen Körperhaftigkeit im täglichen Verhalten annehmen und achten und mit den gesundheitlichen Anforderungen in Einklang bringen. Diese ganzheitliche Gesundheitsförderung der Frau betrifft notwendigerweise auch die Gesellschaft, was aber nur durch den Beitrag der Frauen selbst geschehen kann: Wie ich an die Generalsekretärin der IV. Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen schrieb, „erkennt die Kirche an, daß der Beitrag der Frauen zum Wohle und Fortschritt der Gesellschaft nicht hoch genug zu bemessen ist, und die Kirche erwartet von den Frauen, daß sie noch mehr tun, um die Gesellschaft von dem tödlichen Virus der Erniedrigung und der Gewalt zu retten, die heutzutage eine dramatische Zunahme verzeichnen“ (Nr. 5). 6. Es ist der gesamte kulturelle und gesellschaftliche Horizont und vor allem der der Gesundheitsfürsorge, welcher - unter der Mitverantwortung des Mannes und für das Wohl der Familie und der menschlichen Gemeinschaft selbst - der Würde der Frau wieder angepasst werden muss. An dieser Stelle möchte ich nochmals allen Frauen danken wie bereits in jenem 1995 speziell an sie gerichteten Brief anlässlich des Internationalen Jahres der Frau: Mein Dank gilt Müttern und Ehefrauen, Töchtern und Schwestern, berufstä- 423 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tigen Frauen und jenen im Ordensstand. Zusätzlich möchte ich heute auch den im medizinischen Bereich tätigen Frauen danken, die sich stets zahlreicher für die Förderung der Gesundheit anderer einsetzen und somit auf ganz besondere Art und Weise zu Flütem des Lebens werden. Es ist meine Hoffnung, dass alle Menschen, die Gesellschaft insgesamt und die politischen Autoritäten für das gesundheitliche Wohl jeder Frau und jedes Mannes beitragen werden zur Gewährleistung einer der Würde der menschlichen Person entsprechenden Kultur. Mit diesem Wunsch erteile ich allen meinen Segen. Öffentliches Konsistorium auf dem Petersplatz -ein bewegendes Ereignis sichtbarer Weltkirche Ansprache am 21. Februar „Eure Ältesten ermahne ich, da ich ein Älterer bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi und auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird“ (1 Petr 5,1). 1. Diese Worte des Apostels Petrus mache ich mir zu eigen, wenn ich mich an euch wende, liebe und geschätzte Brüder, die ich die Freude gehabt habe, in das Kardinalskollegium aufzunehmen. Diese Worte greifen unser radikales Verwurzeln als „Ältere“ im Mysterium Christi, des Hauptes und Hirten, auf. Durch unsere volle Teilhabe am heiligen Stand sind wir in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung. Wir sind gerufen, das Wort mit Vollmacht zu verkünden, die Gesten der Versöhnung und das Angebot der Rettung zu wiederholen und den liebevollen Eifer bis zur eigenen Selbsthingabe für die Herde auszuüben (vgl. Pastores dabo vo-bis, Nr. 15). Dieses Verwurzeln in Christus erhält heute, verehrte Brüder, in euch eine weitere Spezifikation, da ihr mit der Erhebung zum Purpur zu einem Dienst in der Kirche mit noch höherer Verantwortung und in engster Zusammenarbeit mit dem Bischof von Rom gerufen und befähigt seid. Was heute auf dem Petersplatz stattfindet, ist also der Ruf zu einem noch verbindlicheren Dienst, da wir im Evangelium gehört haben, „und werbei euch der erste sein will, soll der Sklave aller sein“ (Mk 10,44). Gott gebührt das Auserwählen, dem Menschen das Dienen. Ist nicht vielleicht eben dieses Primat des Petrus als Dienst an der Einheit, der Stärke, der Katholizität, dem Verkündigungsdienst der Kirche zu verstehen? Der Nachfolger Petri ist gemäß dem Ausdruck des hl. Gregors des Großen der Diener der Diener Gottes. Und die Kardinäle sind seine ersten Berater und Mitarbeiter in der Führung der Weltkirche: Sie sind „seine“ Bischöfe, „seine“ Priester, „seine“ Diakone - nicht einfach nur in der bescheidenen Ausdehnung der Stadt, sondern beim Weiden des gesamten Volkes Gottes, in dem der Bischofssitz von Rom „den Vorsitz in der Liebe fühlt“ (vgl. hl. Ignatius, An die Römer, 1,1; in: Schriften des 424 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Urchristentums. Die Apostolischen Väter, hg. v. J.A. Fischer, 10. Aufl., Darmstadt 1983, S. 183). 2. Mit diesen Gedanken grüße ich die geschätzten anwesenden Kardinale, die im Kardinalskollegium und insbesondere in diesem öffentlichen Konsistorium in starker Weise die Einheit der Katholischen Kirche in der Universalität ihrer Herkunft und in der Vielfalt ihrer Dienste, sozusagen die „Symphonie“ der Kirche, darstellen. Mit ihnen teile ich die Freude, heute 20 neue Mitbrüder aufzunehmen. Sie kommen aus 13 Ländern und vier Kontinenten und haben einen hervorragenden Beweis ihrer Treue zu Christus und der Kirche erbracht. Die einen im unmittelbaren Dienst des Apostolischen Stuhls, die anderen in der Leitung wichtiger Bistümer. Ich danke insbesondere Kardinal Jorge Arturo Medina Estevez für die Worte, mit denen er sich zum Wortführer der gemeinsamen Empfindungen in diesem so bedeutsamen Augenblick gemacht hat. In diesem Augenblick ist es mir auch wichtig, S.E. Josef Uhac, um den wir trauern, ein Gebetsgedenken zu widmen. Ihn hat der Gott aller Gnade - wie der Apostel Petrus schreibt - kurz vor seiner Ernennung zu sich gerufen, um ihm eine ganz andere Krone anzubieten: die der ewigen Ehre in Christus (vgl. 1 Petr 5,10). Ich wünsche gleichzeitig auch mitzuteilen, dass ich zwei weitere Bischöfe in pectore zu Kardinälen ernannt habe. 3. Der heutige Festakt findet im Laufe des Jahres des Hl. Geistes statt - eines Jahres der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 nach dem von dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio aclveniente, das die Vorschläge des denkwürdigen außerordentlichen Konsistoriums vom Juni 1994 zusammenfasste und ausarbeitete, vorgegebenen Weg. Welches bessere kirchliche und geistliche Umfeld könnte es geben, um für die neuen Kardinäle die Gaben des Heiligen Geistes zu erflehen, „der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,2)? Wer benötigt den reichlichen Trost dieser Gaben mehr als sie, um den vom Herrn erhaltenen Auftrag zu vollbringen? Wer ist sich mehr als sie der Tatsache bewusst, dass „der Geist ... auch für unsere Zeit die Hauptkraft der Neuevangelisierung ist“ und „daß die Einheit des Leibes Christi auf der Wirkung des Geistes beruht, vom apostolischen Dienst gewährleistet und von der gegenseitigen Liebe beseelt wird“ (Tertio millennio adveniente, Nm. 45.47)? Möge, geschätzte Brüder, der Heilige Geist vollkommen in euch verweilen, euch erfüllen mit göttlichem Trost und euch eurerseits zu Tröstern derer machen, die sich in Kummer befinden. Insbesondere zu Tröstern der am meisten geprüften Glieder der Kirche, der Gemeinschaften, die am meisten bedrängt werden aufgrund des Evangeliums. Möget ihr ihnen mit dem Apostel Paulus sagen: „Sind wir aber in Not, so ist es zu eurem Trost und Heil, und werden wir getröstet, so geschieht auch das zu eurem Trost; er wird wirksam, wenn ihr geduldig die gleichen Leiden ertragt, die auch wir ertragen“ (2 Kor 1,6). 425 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Verehrte Brüder, ihr seid zu Kardinalen kreiert, während wir uns nunmehr in großen Schritten auf das Dritte Jahrtausend des Christlichen Zeitalters zu bewegen. Wir sehen bereits am Horizont die Umrisse der Heiligen Pforte des Großen Jubiläums des Jahres 2000. Dies gibt eurer Mission einen außerordentlichen Wert und Bedeutung. Ihr seid nämlich mit den anderen Mitgliedern des Kardinalskollegiums aufgerufen, dem Papst zu helfen, das Schiff des Petrus auf dieses historische Ereignis hinzu-steuem. Ich zähle auf eure Unterstützung und euren erleuchteten und erfahrenen Rat, um die Kirche in der letzten Vorbereitungsphase auf das Heilige Jahr zu lenken. Gemeinsam mit euch richte ich den Blick über die Schwelle des Jahres 2000 hinaus und erflehe vom Herrn den Überfluss der Gaben des Heiligen Geistes für die gesamte Kirche, auf dass der „Frühling“ des Zweiten Vatikanischen Konzils im neuen Jahrtausend seinen „Sommer“ finde, sozusagen seine Entwicklung zur Reife. Die Sendung, zu der Gott euch heute ruft, erfordert aufmerksame und stete Einsicht. Deshalb ermahne ich euch, immer mehr Männer Gottes zu sein, aufmerksame Hörer seines Wortes, die in der Lage sind, dieses Licht im christlichen Volk und unter den Menschen guten Willens wieder erstrahlen zu lassen. Nur vom Licht des Evangeliums gestützt, kann die Kirche mit sicherer Hoffnung den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft begegnen. 5. Ich heiße nun die Familienangehörigen der neuen Kardinäle wie die Gruppen aus den verschiedenen Herkunftskirchen und auch die Vertretungen der Regierungen und Vereinigungen willkommen, die an diesem feierlichen kirchlichen Akt haben teilnehmen wollen. Liebe Schwestern und Brüder, sehr geehrte Damen und Herren, ich danke euch für eure Anwesenheit, die Ausdruck eurer Verbundenheit und Wertschätzung ist, die euch mit den Erzbischöfen und Bischöfen verbindet, die ich in das Kardinalskollegium berufen habe. Ich sehe in euch ebenso wie in ihnen das Bild der Universalität der Kirche und ein beredtes Zeichen der Gemeinschaft zwischen Laien und Ordensleuten und ihren Hirten, zwischen Priestern und Diakonen und ihren Bischöfen. Von heute an werden die neuen Kardinäle noch mehr eurer geistlichen Unterstützung bedürfen: Begleitet sie immer im Gebet, wie ihr es bereits tut. 6. Morgen werde ich die Freude haben, das Fest der Kathedra des hl. Apostels Petrus gemeinsam mit den neuen Kardinälen, denen ich den Ring überreichen werde, mit besonderer Feierlichkeit zu zelebrieren. Ich möchte in diesem Augenblick den himmlischen Beistand des Apostelfürsten erflehen: Er, der seine ganze Unwürdigkeit angesichts des Ruhmes seines Herrn fühlte, möge für einen jeden von euch die Demut des Herzens erreichen, die unabdingbar ist, um jeden Tag die euch anvertraute hohe Aufgabe aufs neue als Geschenk anzunehmen. Petrus, der Christus folgte und Menschenfischer wurde, möge für euch die tägliche Erkenntnis der Berufung erreichen, in einmaliger Weise am Dienst seines Nachfolgers teilzuhaben. 426 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petrus, der in dieser Stadt sein Zeugnis für Christus mit seinem Blut besiegelte, möge für euch erreichen, dass ihr euer Leben für das Evangelium hingebt und so Früchte bringt für das Reich Gottes. Maria, der Königin der Apostel, vertraue ich euch und euren kirchlichen Dienst an: Ihre geistliche Gegenwart möge jetzt in diesem unseren Abendmahlssaal Unterpfand des stetigen Ausgießens des Heiligen Geistes für euch sein. Durch diesen werdet ihr allen in den verschiedenen Sprachen der Welt verkünden können, dass Jesus Christus der Herr ist zur Ehre Gottes des Vaters. Amen. Die neuen Kardinäle - Repräsentanten geistlichen Reichtums und verschiedener Charismen der Kirche Predigt bei der Übergabe des Ringes an die Kardinäle am Fest der Kathedra des hl. Petrus, 22. Februar 1. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ {Mt 16,18). Die Worte Christi an den Apostel Petrus in Cäsarea Philippi werfen ein klares Licht auf die grundlegenden Elemente der heutigen Feier. Vor allem bildet das Fest der Kathedra des hl. Petrus einen sehr bedeutsamen Jahrestag für diese Basilika, das Herz der katholischen Welt und täglich das Ziel zahlreicher Pilger. Sodann gibt die Überreichung des Ringes an die neuen Kardinäle, die ich gestern im öffentlichen Konsistorium zu kreieren die Freude hatte, dieser Liturgiefeier noch eine weitere große Bedeutung. Der Abschnitt aus dem Evangelium stellt uns Petrus vor, der, von einer göttlichen Inspiration angeregt, sich voll und ganz zu Jesus als dem verheißenen Messias und Sohn Gottes bekennt. Christus antwortet auf dieses klare Bekenntnis des Glaubens, das Petrus auch im Namen der anderen Apostel ausspricht, mit der Offenbarung der Sendung, die er ihm übertragen will, nämlich: der „Fels“ zu sein, auf dem das ganze geistige Bauwerk der Kirche errichtet ist. „Du bist Petrus!“ Das Petrus und seinen Nachfolgern anvertraute Amt: fester Felsen zu sein, auf dem die kirchliche Gemeinschaft gründet, bildet die Gewähr für die Einheit der Kirche, es bewahrt das heilige Erbe des Glaubens unversehrt und ist Fundament für die Gemeinschaft aller zum Gottesvolk Gehörenden. Daher lädt das heutige liturgische Fest dazu ein, über den „Petrusdienst“ des Bischofs von Rom gegenüber der Universalkirche nachzudenken. Mit der Kathedra des Petrus sind in besonderer Weise die Kardinäle verbunden. Sie bilden den „Senat“ der Kirche, die Hauptmitarbeiter des Papstes im universalen Hirtendienst. So ist also eine ganz besondere Fügung der Vorsehung die Tatsache, dass wir heute zusammen mit dem Fest der Kathedra des Petrus die Erweiterung des Kardinalskollegiums durch die Ernennung von zwanzig neuen Mitgliedern feiern, von Bischöfen, die in ihrem hochherzigen und treuen Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft ihre Weisheit und einen tiefen Geist der Gemeinschaft mit dem Apos- 427 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tolischen Stuhl bekundet haben. Sie alle vertrauen wir dem Herrn im Gebet an, damit ihr Zeugnis für das Evangelium weiterhin ein leuchtendes Beispiel für das ganze Volk Gottes sei. 2. Jeder von ihnen hat gewiss die Worte des Apostels Petrus wie an sich selbst gerichtet aufgenommen: „Eure Ältesten ermahne ich, da ich ein Ältester bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi und auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird: Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes“ (7 Petr 5,1-2). Die „Ältesten“, die Priester der Kirche, müssen eifrige, besorgte Hilten der „Herde Gottes“ sein. Das ist die innere Haltung, mit der der Nachfolger des Petrus sich anschickt, bei diesem feierlichen Anlass den neuen Purpurträgem den Kardinalsring zu überreichen, das Zeichen für das besondere Band des Gelöbnisses, das sie von nun an mit der Kirche von Rom verbindet, die in der Liebe den Vorsitz hat. Euch, liebe und ehrwürdige Brüder, wird die Sendung übertragen, dem Geist und der Absicht nach eng mit dem Papst verbunden, Zeugen der Leiden zu sein, die Christus noch heute in seinem mystischen Leib auf sich nimmt; und zugleich seid ihr berufen, mit dem Wort und mit dem Leben die Hoffnung zu verkünden, die nicht enttäuscht. Aus dreizehn Nationen in verschiedenen Kontinenten kommend, werdet ihr nunmehr in die Kirche von Rom inkardiniert. Auf diese Weise kommt ein vortrefflicher Austausch von Gaben zustande zwischen der Kirche in dieser Stadt und den Kirchen, die in den verschiedenen Teilen der Welt auf dem Pilgerweg sind. Ihr bietet der Kirche von Rom die unterschiedlichen Charismen und den geistlichen Reichtum eurer christlichen Gemeinschaften an, die aufgrund ihrer alten Tradition ehrwürdig oder aufgrund der Frische und der Vitalität ihrer Energien bewundernswert sind. Die Kirche von Petrus und Paulus ihrerseits zeigt ganz leuchtend das Gesicht ihrer Katholizität und weitet durch den qualifizierten kirchlichen Dienst der Hirten, die zur Kardinalswürde und -Verantwortung berufen sind, ihre eigene pastorale Sorge aus auf die christlichen Gemeinschaften der ganzen Welt. Auf diese Weise bildet das Kardinalskollegium - wie Papst Paul VI. in dem Konsistorium sagte, bei dem ich selbst den Purpur erhielt - sozusagen das „Presbyterium dell’Orbe“, die „Priesterschaft des Erdkreises“ (Predigt zur Überreichung des Kardinalsringes, 29. Juni 1967: vgl. Insegnamenti, V[1967]352). 3. „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes ... seid Vorbilder für die Herde!“ (1 Petr 5,2-3). Wenn ihr nun ein Teil dieses hohen kirchlichen Senats werdet, übernehmt ihr, ehrwürdige Brüder, die Verantwortung als Hirten der Kirche in einer neuen und höheren Würde. Es wird euch nicht nur das Amt anvertraut, den Papst zu wählen, sondern auch das, mit ihm die Sorge für das ganze christliche Volk zu teilen. Ihr seid schon reich an Verdiensten wegen des großmütigen, eifrigen Wirkens im bischöflichen Dienst in bedeutenden Diözesen in so vielen Teilen der Welt oder in der Hingabe an den Dienst des Apostolischen Stuhls in verschiedenen stark beanspruchenden Aufgaben. Die neue Würde, zu der ihr jetzt durch die 428 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ernennung zum Kardinal berufen seid, will Hochschätzung für eure tägliche Arbeit auf Gottes Ackerfeld bekunden und den Gemeinschaften und den Ländern, aus denen ihr kommt und deren würdige Vertreter in der Kirche ihr seid, Ehre erweisen. Gleichzeitig überträgt sie euch neue und bedeutendere Verantwortungen und verlangt von euch ein Mehr an Verfügbarkeit für Christus und für seinen ganzen mystischen Leib. Diese neue Verwurzelung in Christus und in die Kirche verpflichtet euch zu einem mutigeren Dienst für das Evangelium und einer rückhaltlosen Hingabe an die Brüder. Sie verlangt ebenso vollkommene Verfügbarkeit bis zum Blutvergießen, wie es symbolisch in der Purpurfarbe eures Talars zum Ausdruck kommt. „Usque ad sanguinis effusionem ...“ Diese radikale Bereitschaft, das Leben für Christus hinzugeben, wird beständig genährt von einem festen und demütigen Glauben. Seid euch der Sendung bewusst, die der Herr euch heute anvertraut! Stützt euch auf Ihn! Gott ist seinen Zusagen treu. Wirkt immer für Ihn in der Gewissheit, dass, wie der Apostel Petrus sagt, „wenn dann der oberste Hirt erscheint, ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen werdet“ (vgl. 1 Petr 5,4). 4. „Ich werde meine Schafe auf die Weide führen ... Die verlorengegangenen Tiere will ich suchen, die vertriebenen zurückbringen“ (Ez 34,15-16). Lasst euch nicht entmutigen von den unvermeidlichen Schwierigkeiten des Lebens! Der Prophet Ezechiel versichert uns, wie wir in der ersten Lesung gehört haben, dass der Herr selbst sich um sein Volk kümmert. Ihr seid berufen, sichtbare Zeichen dieser Sorge Gottes für sein Erbe zu werden, indem ihr Christus, den Guten Hirten, nachahmt, der die durch die Sünde zerstreute Menschheit in einer einzigen Herde um sich sammelt. Und wie sollte man nicht hervorheben, dass diese Aufgabe, die Herde Christi zu weiden, euch in einem ganz besonderen Augenblick der Geschichte der Kirche und der Menschheit übertragen wird? Wir leben in einem epochalen Übergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend, dessen Anbruch wir nun schon mit großen Schritten herannahen sehen: Wir nähern uns dem Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend. In jedem Teil der Welt sind eifrige apostolische und missionarische Initiativen im Gang, um diesen Anlass zu einer Gelegenheit innerer Erneuerung für alle Gläubigen zu machen. Möge dieser historische Wegabschnitt einen außergewöhnlichen Frühling der Hoffnung für die Gläubigen und für die ganze Menschheit an-zeigen! 5. Diese unsere Wünsche wollen wir der Jungfrau Maria anvertrauen. Sie ist von Anfang an immer in der christlichen Gemeinschaft zugegen, wenn diese, im Gebet gesammelt oder hingegeben an die Verkündigung des Evangeliums an alle, das Kommen Christi, des Herrn der Geschichte, erwartet und vorbereitet. Ihr vertrauen wir euren neuen kirchlichen Dienst an, ehrwürdige Brüder, im Blick auf das große Ereignis des Jubiläums; in ihre Mutterhände legen wir die Erwartungen und Hoffnungen eines jeden Gläubigen und der ganzen Menschheit. Amen. 429 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das menschliche Genom: die Persönlichkeit des Menschen und die Gesellschaft der Zukunft Ansprache an die Päpstliche Akademie für das Leben am 24. Februar Sehr geehrte Damen und Herren! 1. An Sie alle, die ordentlichen und korrespondierenden Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben, richte ich meinen Gruß, und dem Präsidenten, Professor Juan de Dios Vial Correa möchte ich von Herzen für seine freundlichen Worte danken. Ferner grüße ich den stellvertretenden Präsidenten, Msgr. Elio Sgreccia, der sich so großzügig für Ihre angesehene Institution einsetzt. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, meine Freude und Anerkennung für das zum Ausdruck zu bringen, was die Akademie seit ihrer Gründung für die Erfüllung ihrer Aufgabe der Förderung und Verteidigung eines so grundlegenden Wertes wie das Leben getan hat. 2. Es freut mich, dass Sie für Ihre vierte Generalversammlung das Thema: „Das menschliche Genom: die Persönlichkeit des Menschen und die Gesellschaft der Zukunft“ gewählt haben. Auf dem wunderbaren Weg des menschlichen Geistes zur Ergründung des Universums konnten in diesen Jahren auf dem Sektor der Genetik ganz besonders eindrucksvolle Fortschritte verzeichnet werden, denn sie geben dem Menschen Einblick in die tiefsten Geheimnisse seiner eigenen Körperhaftig-keit. Das menschliche Genom ist gewissermaßen der letzte Kontinent, der jetzt erforscht wird. In diesem nun zu Ende gehenden, von zahlreichen Konflikten und Errungenschaften gekennzeichneten Jahrtausend konnten die Menschen aufgrund der geographischen Forschungsuntemehmungen und der Entdeckungen sich gegenseitig kennen lernen und in gewisser Weise näherkommen. Der menschliche Forschungsgeist hat auch wesentliche Errungenschaften im Bereich der Physik verzeichnen können, bis hin zu den neuesten Erkenntnissen über die Struktur der Bestandteile von Atomen. Aufgrund der Kenntnisse auf dem Sektor der Genetik und der Molekularbiologie gewinnt die Wissenschaft nun Einblick in die innersten Verflechtungen des Lebens und in die Mechanismen, die jeden einzelnen Menschen kennzeichnen und die Kontinuität der Arten gewährleisten. 3. Diese Errungenschaften verdeutlichen mehr und mehr die Herrlichkeit des Schöpfers, da sie dem Menschen erlauben, die innere Ordnung der Schöpfung zu erkennen und die Wunder nicht nur seines Körpers zu schätzen, sondern auch seines Intellekts, in dem sich gewissermaßen das Licht des göttlichen Wortes widerspiegelt, denn „alles ist durch das Wort geworden“ (Joh 1,3). Unser modernes Zeitalter jedoch tendiert dazu, nach Wissen zu streben, nicht so sehr, um die Dinge bewundernd zu betrachten, sondern um die Macht über die Dinge zu steigern. Wissen und Können verflechten sich mehr und mehr in einer Logik, die den Menschen zu seinem eigenen Gefangenen machen kann. Im Fall der 430 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erforschung des menschlichen Genoms könnte diese Logik dazu führen, in die innere Struktur des menschlichen Lebens selbst einzugreifen mit der Aussicht, den Körper, und letzten Endes die Person und die zukünftigen Generationen, zu unterwerfen, auszuwählen und zu manipulieren. Daher hat Ihre Akademie für das Leben recht daran getan, über die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet des menschlichen Genoms nachzudenken in der Absicht, ihrer Arbeit eine auf der Würde der menschlichen Person begründete anthropologische Gmndlage zu geben. 4. Das Genom erscheint als das strukturierende und konstruktive Element des menschlichen Körpers in seinen individuellen wie auch in seinen vererbbaren Eigenschaften: Es bestimmt und bedingt die Zugehörigkeit zur Spezies „Mensch“, die Erbanlagen und die biologischen und somatischen Merkmale des Individuums. Sein Einfluss auf die Struktur des leibhaftigen Wesens ist vom Augenblick der Zeugung bis zum natürlichen Tod von entscheidender Bedeutung. Aufgrund dieser inneren Wahrheit des Genoms, die bereits bei der Zeugung gegenwärtig ist, wenn sich das Erbgut des Vaters mit dem der Mutter verbindet, hat die Kirche es sich zur Aufgabe gemacht, die menschliche Würde jedes Individuums vom ersten Augenblick seiner Existenz an zu verteidigen. Die Vertiefung der anthropologischen Aspekte führt uns zu der Erkenntnis, dass kraft der grundlegenden Einheit von Körper und Geist das menschliche Genom nicht nur eine biologische Bedeutung hat; es ist Träger einer anthropologischen Würde, deren Fundament die geistige, es erfüllende und belebende Seele ist. Daher ist jede Art von Manipulierung des Genoms, die sich gegen das Wohl der menschlichen Person als körperlich-geistige Einheit richtet, unzulässig; ebenso unzulässig ist die Diskriminierung menschlicher Wesen aufgrund eventueller vor oder nach der Geburt auftretender genetischer Schäden. 5. Die katholische Kirche, die in dem von Christus erlösten Menschen ihren Weg erkennt (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14), drängt auch auf eine gesetzliche Anerkennung der Würde der menschlichen Person vom Augenblick ihrer Zeugung an. Ferner fordert sie alle verantwortlichen Politiker und die Wissenschaftler auf, das Wohl des Menschen durch eine Forschung zu fördern, die auch auf dem genetischen Sektor um angemessene Therapien bemüht ist, sofern sie durchführbar und nicht mit unverhältnismäßig großen Risiken verbunden sind. Nach Angaben der Wissenschaftler selbst ist dies bei therapeutischen Eingriffen in das Genom der Körperzellen möglich, nicht aber in das der Keimzellen und das des frühen Embryonalstadiums. Ich fühle mich verpflichtet, an dieser Stelle auf die besorgniserregende Ausbreitung eines kulturellen Klimas hinzuweisen, das die pränatale Diagnostik in eine Richtung treibt, die nicht mehr die der Therapie zur bestmöglichen Aufnahme des ungeborenen Lebens ist, sondern vielmehr die der Diskriminierung jener, die sich bei vorgeburtlichen Untersuchungen nicht als gesund erweisen. Augenblicklich besteht ein schweres Missverhältnis zwischen den sich progressiv entwickelnden dia- 431 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gnostischen Fähigkeiten und den geringen therapeutischen Möglichkeiten: diese Tatsache stellt die Familien vor schwerwiegende ethische Probleme; sie brauchen Unterstützung bei der Aufnahme des werdenden Lebens auch wenn sich heraussteilen sollte, dass es von Behinderungen oder Missbildungen gekennzeichnet ist. 6. In diesem Zusammenhang ist es geboten, das Aufkommen und die Ausbreitung einer neuen Selektiveugenik zu brandmarken, die die Beseitigung der von einer Krankheit befallenen Embryonen und Föten veranlasst. Gelegentlich werden für diese Selektion unhaltbare Theorien über den anthropologischen und ethischen Unterschied der verschiedenen Entwicklungsstufen des pränatalen Lebens benutzt: die sog. „Gradualität der Humanisation des Fötus“. Manchmal wird an eine irrige Auffassung der Lebensqualität appelliert, die, wie man sagt, mehr gelten sollte als die Heiligkeit des Lebens. In diesem Zusammenhang muss gefordert werden, dass die in den internationalen Abkommen und Erklärungen verkündeten Rechte zum Schutz des menschlichen Genoms und zur Gewährleistung des Anspruchs aller auf das Leben für jedes menschliche Wesen vom Moment seiner Zeugung an gelten, ohne jede Diskriminierung, seien es Diskriminierungen, die mit genetischen Schäden oder physischen Missbildungen in Verbindung gebracht werden, oder solche im Hinblick auf die verschiedenen Entwicklungsphasen des menschlichen Lebens. Daher ist, angesichts nahezu grenzenloser diagnostischer Möglichkeiten, die durch den Plan der „Sequenzierung“ des menschlichen Genoms erschlossen werden, ein verstärkter Rechtsschutz dringend erforderlich. 7. Je mehr die Kenntnis und die Fähigkeit zum Eingriff zunimmt, um so mehr müssen wir uns der Werte bewusst sein, die auf dem Spiel stehen. Daher hoffe ich, dass die Eroberung dieses neuen wissenschaftlichen Kontinents, nämlich des menschlichen Genoms, die Erschließung neuer Möglichkeiten zur Bekämpfung von Krankheiten bedeutet und niemals zur Fördemng einer selektiven Orientierung dienen wird. In dieser Hinsicht wäre es von großem Nutzen, wenn die internationalen wissenschaftlichen Organisationen die erhofften Vorteile der genetischen Forschung auch den Bevölkerungen der Entwicklungsländer zur Veifügung stellen würden. Auf diese Weise könnte eine weitere Quelle der Ungleichheit vermieden werden, auch in Anbetracht der Tatsache, dass die für diese Forschungsprogramme notwendigen enormen finanziellen Mittel, wie einige meinen, in erster Linie zur Bekämpfung heilbarer Krankheiten und jener anhaltenden wirtschaftlichen Not verwendet werden könnten, von der große Teile der Menschheit betroffen sind. Man kann wohl schon jetzt mit Sicherheit sagen, dass die zukünftige Gesellschaft der Würde der menschlichen Person und der Gleichberechtigung unter den Völkern dann entsprechen kann, wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf das Wohl aller ausgerichtet werden, das stets auf dem Wohl jeder einzelnen Person begründet ist und die Mitwirkung aller, heute insbesondere die der Wissenschaftler, erfordert. 432 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von ganzem Herzen spende ich allen meinen Segen und bitte den Herrn um seine Unterstützung für Ihre Arbeit im Hinblick auf einen stets gezielteren und wirksameren Dienst für die grundlegende Sache des menschlichen Lebens. Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, denn ich war arm, aus gestoßen, ... und ihr habt mich aufgenommen! Botschaft vom 9. September 1997 für die Fastenzeit 1998 Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Fastenzeit vergegenwärtigt uns jedes Jahr das Geheimnis, dass Christus „vom Geist in die Wüste geführt wurde“ (Lfc4,l). Mit dieser einzigartigen Erfahrung bezeugte Jesus seine völlige Hingabe an den Willen des Vaters. Die Kirche räumt den Gläubigen diese liturgische Zeit ein, damit sie sich innerlich durch das Wort Gottes erneuern und in ihrem Leben die Liebe bezeugen, die Christus ins Herz des Glaubenden gießt. In diesem Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum betrachtet die Kirche das Geheimnis des Heiligen Geistes. Von ihm lässt sie sich „in die Wüste“ führen, um mit Jesus die Gebrechlichkeit des Geschaffenseins, aber auch die Nähe des rettenden Gottes zu erfahren. Der Prophet Hosea schreibt: „Ich werde sie an mich ziehen, ich werde sie in die Wüste führen und zu ihrem Herzen reden“ {Hos 2,16). Die Fastenzeit ist ein Weg der Umkehr, damit wir Gott in unserem Leben begegnen. Die Wüste meint ja den Ort der Trockenheit und des Todes; sie ist ein Synonym für die Einsamkeit, aber auch für die Abhängigkeit von Gott, die Sammlung und das Wesentliche. Die Wüste erfahren heißt für den Christen, das Kleinsein der eigenen Person vor Gott zu erkennen und sensibler zu werden für die Gegenwart der Armen. 2. In diesem Jahr möchte ich allen Gläubigen die Worte aus dem Matthäusevangelium zur Überlegung vorlegen: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, denn ich war arm, ausgestoßen, und ihr habt mich aufgenommen“ (vgl. Mt 5,34-36). Armut hat verschiedene Bedeutungen. Zunächst besteht sie im Fehlen der nötigen materiellen Mittel. Diese Armut, die für viele unserer Brüder und Schwestern im Elend endet, ist ein Skandal. Sie zeigt sich in unterschiedlichen Formen und ist mit allerlei schmerzlichen Erscheinungen verbunden: Mangel des notwendigen Lebensunterhaltes und der unerlässlichen medizinischen Versorgung; Fehlen einer Wohnung oder ihre Unangemessenheit mit der daraus folgenden Promiskuität; Verdrängung der Schwächsten aus der Gesellschaft und der Arbeitslosen aus dem Produktionsprozess; Vereinsamung dessen, der niemanden hat, auf den er sich verlassen kann; die Situation des heimatlosen Flüchtlings und dessen, der den Krieg und seine Wunden aushalten muss; unangemessene Gehaltsfestlegung; das Fehlen einer Familie mit seinen bedrückenden Folgen wie Drogen und Gewalttä- 433 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tigkeit. Der Mangel des Lebensnotwendigen demütigt den Menschen und stellt ein Drama dar, das den nicht gleichgültig lassen kann, der die Möglichkeit hat, einzugreifen. Es gibt auch eine andere, gleicher weise schwerwiegende Armut: Sie besteht nicht im Fehlen materieller Mittel, sondern im Mangel an geistiger Nahrung, an der Antwort auf die wesentlichen Fragen, an Hoffnung für die eigene Existenz. Diese Armut, die geistiger Art ist, verursacht sehr große Leiden. Vor unser aller Augen liegen die oft tragischen Folgen eines sinnentleerten Lebens. Diese Form der Armut zeigt sich vor allem in den Bereichen, in denen der Mensch im Wohlstand lebt, materiell gesättigt, aber ohne geistige Orientierung ist. Es bewahrheitet sich das Wort des Herrn: „Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“ (vgl. Mt 4,4). Der Mensch verlangt im Innersten seines Herzens nach Sinn, nach Liebe. Dieser Armut antwortet die von der Tat bezeugte Verkündigung des Evangeliums, das rettet; das Licht in die Dunkelheit des Leidens bringt, weil es die Liebe und das Erbarmen Gottes mitteilt. Letzüich ist es der Hunger nach Gott, der den Menschen verzehrt. Ohne die Stärkung, die von Gott kommt, bleibt das menschliche Wesen sich selbst überlassen, hilflos und der Quelle authentischen Lebens beraubt. Seit jeher bekämpft die Kirche alle Formen der Armut, weil sie als Mutter sich darum kümmert, dass jeder Mensch seine Würde als Gotteskind leben kann. Die Fastenzeit ist besonders geeignet, die Mitglieder der Kirche an diesen ihren Einsatz zugunsten der Brüder und Schwestern zu erinnern. 3. Die Hl. Schrift ist voll von Aufrufen zur Sorge um die Armen, in denen Gott begegnet. „Wer dem Armen Hilfe erweist, leiht dem Herrn aus, der ihm die gute Tat vergilt“ (Spr 19,17). Die Offenbarung lehrt uns im Neuen Testament, den Armen nicht zu verachten, da sich Christus mit ihm identifiziert. In den reichen Ländern und in einer Welt, die immer mehr von einem alle Lebensbereiche umfassenden, praktischen Materialismus gekennzeichnet ist, dürfen wir nicht die schwerwiegenden Worte vergessen, mit denen Jesus die Reichen mahnt (vgl. Mt 19,23-24; Lk 6,24-25; Lk 16,19-31). Vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass er selbst „sich arm gemacht hat“, damit „wir durch seine Armut reich werden“ (vgl. 2 Kor 8,9). Der Sohn Gottes „entäußerte sich, nahm Knechtsgestalt an ... erniedrigte sich und wurde gehorsam bis zum Tod, bis zum Tode am Kreuz“ (Phil 2,7-8). Die Annahme der ganzen menschlichen Wirklichkeit in allen ihren Aspekten -die Armut, das Leiden und den Tod inbegriffen - bewirkt, dass jeder Mensch in Christus sich wiederfinden kann. Christus, der sich arm gemacht hat, wollte sich mit jedem Armen identifizieren. Christus selbst, dessen Wort sich das Thema dieser Botschaft verdankt, segnet beim Weltgericht den, der im Notleidenden sein Bild erkennt: ,Jedes Mal, wenn ihr dies einem meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr es mir getan“ (vgl. Mt 25,40). Wer Gott wirklich liebt, nimmt den Armen auf. Er weiß, dass Gott arm und dem Menschen bis zum Äußersten gleich wurde. Die Aufnahme des Armen bezeugt zugleich die Authentizität der Liebe zu 434 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus - wie sie etwa der hl. Franziskus zeigt, wenn er den Aussätzigen küsst, weil er in ihm den leidenden Christus erkannt hat. 4. Jeder Christ weiß sich gerufen, die Not und die Schwierigkeiten des anderen zu teilen, in dem sich Gott verbirgt. Aber das Sich-Öffnen für die Bedürfnisse des anderen beinhaltet seine aufrichtige Annahme, die nur aus einer persönlichen Haltung der Armut im Geiste möglich ist. Es gibt in der Tat nicht nur eine Armut unter negativem Vorzeichen. Es gibt auch eine von Gott gesegnete Armut. Diese wird vom Evangelium „selig“ genannt (Mt 5,3). In ihr anerkennt der Christ, dass das eigene Heil ausschließlich von Gott kommt; er ist bereit, den anderen anzunehmen und ihm zu dienen, indem er ihn „höher einschätzt als sich selbst“ (vgl. Phil 2,3). Die Haltung der geistlichen Armut ist Frucht des reinen Herzens, das Gott schenkt. In der Fastenzeit soll diese Frucht durch konkrete Bereitschaft zur Reife gelangen -durch Verfügbarkeit, Aufmerksamkeit gegenüber dem andern, Gemeinschaft mit ihm, Einsatz im Kampf gegen den Stolz, der uns gegen den Nächsten verschließt. Sensibilität gegen den Mitmenschen ist auch geboten, weil wir in unserer Epoche vor verschiedenen Formen der Ablehnung des anderen stehen. Sie zeigen sich auf schwerwiegende Weise im Problem der Millionen von Flüchtlingen und Asylanten; im Phänomen der Intoleranz der Rasse auch gegenüber Personen, deren einzige „Schuld“ darin besteht, dass sie Arbeit und bessere Lebensbedingungen außerhalb ihrer Heimat suchen; in der Angst vor allem, was anders ist und deshalb als Bedrohung angesehen wird. Das Wort des Herrn gewinnt neue Aktualität angesichts der Nöte von Personen, die eine Wohnung suchen, die für einen Arbeitsplatz kämpfen, die eine Ausbildung für ihre Kinder fordern. Ihre Aufnahme ist eine Herausforderung für die christliche Gemeinschaft, die sich einsetzen muss, dass jeder Mensch in angemessenen Lebensbedingungen seine Würde als Gotteskind entfalten kann. Ich rufe jeden Christen in dieser Zeit der Buße dazu auf, seiner persönlichen Umkehr durch ein konkretes Zeichen Ausdruck zu verleihen, indem er die Liebe zu den Notleidenden bezeugt und in ihnen das Gesicht Christi erkennt, der gleichsam von Du zu Du wiederholt: „Ich war arm, ausgestoßen, ... und du hast mich aufgenommen.“ 5. Für viele Personen wird gerade durch diesen Einsatz das Licht der Hoffnung neu aufleuchten. Wenn die Kirche mit Christus dem Hilfsbedürftigen dient, gibt sie den Herzen statt des Übels und des Leides, statt der Sünde und des Todes eine neue Hoffnung. Denn das Übel, das uns bedrückt, die vielen Probleme, die unermessliche Zahl der Leidenden sind menschlich gesehen ein unüberschreitbarer Abgrund. Die Kirche bietet zum Wenden der Not ihre Hilfe an, auch die materielle. Aber sie weiß, dass sie mehr geben kann und muss: Das, was man vor allem von ihr erwartet, ist ein Wort der Hoffnung. Dort wo die materiellen Mittel nicht in der Lage sind, das Elend zu lindem, etwa bei Krankheiten des Leibes und des Geistes, verkündigt die Kirche den Armen eine Hoffnung, die von Christus kommt. In dieser Zeit der Vorbereitung auf Ostern will 435 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ich diese Botschaft wiederholen. Wenn die Kirche in der Vorbereitung des Großen Jubiläums dieses Jahr der Tugend der Hoffnung widmet, möchte ich erneut allen Menschen, insbesondere den Verlassenen, Leidenden, Ausgestoßenen, die Worte der Ostersequenz versichern: „Christus, meine Hoffnung, ist auferstanden.“ Christus hat das Böse besiegt, das den Menschen zur Hässlichkeit zwingt; die Sünde, die ihm das Herz im Egoismus verschließt; die Angst vor dem Tode, der ihn bedroht. Im Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi erblicken wir ein Licht für jeden Menschen. Die gegenwärtige Fastenbotschaft ist eine Einladung, die Augen für die Armut der vielen zu öffnen. Diese Botschaft möchte auch einen Weg angeben, zu Ostern Christus zu begegnen, der sich als Speise reicht und unseren Herzen Vertrauen und Hoffnung gibt. Möge deshalb die Fastenzeit dieses Jahres 1998 jeden Christen mit dem Sohne Gottes in die Armut eintreten lassen, damit er so im Dienste des Notleidenden ein Werkzeug seiner Liebe werde. Aus dem Vatikan am 9. September 1997 Joannes Paulus PP. II Buße vermittelt neue Perspektiven des Lebens Predigt am Aschermittwoch, 25. Februar 1. „... Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen ... Kehrt um zum Herrn eurem Gott!“ (Joel 2,12-13). Mit den Worten des alten Propheten führt uns heute die Liturgie des Aschermittwochs nach vorausgegangener Bußprozession in die Fastenzeit ein, eine Zeit der Gnade und der geistlichen Erneuerung. „Kehrt um, bekehrt euch ...“ Zu Beginn der vierzig Tage zielen diese eindringlichen Rufe darauf ab, einen einzigartigen Dialog zwischen Gott und dem Menschen herzustellen. Vor dem Herrn, der zur Bekehrung auffordert, macht sich der Mensch das Gebet Davids zu eigen und bekennt demütig seine Sünden: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde! Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt ... Verbirg dein Gesicht vor meinen Sünden, tilge all meine Frevel!“ (Ps 50[51],3-6.11). 2. Der Psalmist beschränkt sich nicht darauf, seine Schuld zu bekennen und um deren Vergebung zu bitten; er erwartet von der Güte des Herrn vor allem die innere Erneuerung: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 50[51],12). Vom Heiligen Geist über die zerstörende Macht der Sünde erleuchtet, bittet er darum, ein neues Geschöpf zu werden, in gewissem Sinn neu erschaffen zu werden. 436 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und gerade das ist die Gnade der Erlösung! Angesichts der Sünde, die das Herz des Menschen entstellt, beugt sich der Herr über sein Geschöpf, um den rettenden Dialog wieder mit ihm anzuknüpfen und ihm neue Perspektiven des Lebens und der Hoffnung zu eröffnen. Vor allem in der Fastenzeit führt die Kirche zum tieferen Erfassen dieses Heilsgeheimnisses. Dem Sünder, der sich Fragen stellt über seine Lage und über die Möglichkeit, das Erbarmen Gottes wiederzuerlangen, antwortet die Liturgie heute mit den Worten des Apostels aus dem zweiten Brief an die Korinther: „[Gott] hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (5,21). In Christus ist den Glaubenden die grenzenlose Liebe des himmlischen Vaters zu jedem Menschen verkündet und angeboten. 3. Hier vernehmen wir das Echo von dem, was Jesaja von fern im Hinblick auf den Gottesknecht ankündigte: „Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen“ (Jes 53,6). Gott erhört die Hilferufe der Sünder, die mit David zusammen flehen: „Erschaffe mir Gott, ein reines Herz!“ Jesus, der leidende Gottesknecht, nimmt das Kreuz, das die Last aller Menschensünden verkörpert, auf seine Schultern und geht nach Kal-varia, um durch seinen Tod das Werk der Erlösung zu erfüllen. Der gekreuzigte Jesus ist das Bild der grenzenlosen Barmherzigkeit Gottes jedem Menschen gegenüber. Um uns daran zu erinnern, dass „wir durch seine Wunden geheilt sind“ (vgl. Jes 53,5), und um in uns den Abscheu gegen die Sünde wachzurufen, lädt die Kirche uns ein, während der Fastenzeit nach frommem Brauch oft betend den Kreuzweg zu gehen. Für uns hier in Rom ist von besonderer Bedeutung das Kreuzweggebet am Karfreitag am Kolosseum. Es gibt uns Gelegenheit, die machtvolle Wahrheit von der Erlösung durch das Kreuz mit Händen zu greifen, wenn wir den Spuren der ersten Märtyrer der Stadt Rom nachgehen. 4. „Verbirg dein Gesicht vor meinen Sünden, tilge all meine Frevel ... ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen“ (.Ps 50[51],11.19). Tief bewegend ist dieser Flehruf der Fastenzeit! Der von Gott als sein Abbild ihm ähnlich erschaffene Mensch ruft: „Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt“ (Ps 50[51],6). Durch die Gnade dieser Bußzeit erleuchtet, spürt er die Last des begangenen Bösen und begreift, dass nur Gott ihn befreien kann. So ruft er aus der Tiefe seines Elends mit David aus: „Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde! Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen.“ Von der Sünde niedergedrückt, beschwört er die Barmherzigkeit Gottes, appelliert er an seine Bundestreue und bittet ihn, sein Versprechen wahr zu machen: „Tilge alle meine Frevel!“ (Ps 50[51], 11). Zu Beginn der Fastenzeit wollen wir beten, dass wir in der „Zeit der Gnade“ dieser vierzig Tage die Einladung der Kirche zur Bekehrung annehmen. Wir wollen beten, dass während dieses Weges auf Ostern zu in der Kirche und in der Menschheit 437 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Heilsdialog zwischen Gott und dem Menschen, wie er uns in der Aschermitt-wochsliturgie vorgestellt wird, neu in Erinnerung kommt. Beten wir, dass die Herzen sich zum Dialog mit Gott bereitmachen. Er hat für jeden ein besonderes Wort der Vergebung und des Heils. Möge jedes Herz sich zum Hören auf Gott öffnen, um in seinem Wort die Gründe für die Hoffnung, die nicht enttäuscht, wiederzuentdecken. Amen. Wege für das Wirken des Heiligen Geistes eröffnen! Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom am 26. Februar 1. Von ganzem Herzen grüße ich euch, liebe Priester der Diözese Rom, die Pfarrer, ihre Kapläne, Diakone und Ständige Diakone sowie all jene, die in anderen Diensten tätig sind, und freue mich über eure Teilnahme an diesem unseren traditionellen und familiären Treffen. Der Kardinalvikar hat in seinem Begrüßungswort die wichtigsten Aspekte der derzeitigen missionarischen Initiative der Kirche Roms erläutert, und euer Zeugnis, die Schilderungen eurer unmittelbaren Erfahrungen in den verschiedenen Pastoralbereichen, haben das Bild weiter vervollständigt. In der Tat nähert sich die Stadtmission in dieser Zeit ihrem Höhepunkt. Zahlreiche Pfarrgemeinden haben bereits mit der Familienmission begonnen, die ich selbst am Sonntag, den 1. Februar mit meinem Besuch einer Familie der Pfarrgemeinde von Sacro Cuore di Gesü im Stadtteil Prati eröffnet habe. Andere sind dabei, gleiche Initiativen zu ergreifen, nun zu Beginn der Fastenzeit, die in diesem Jahr auf ganz besondere Weise der Mission gewidmet ist. 2. Dieses zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum ist dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Anwesenheit geweiht. Mit Freude erinnere ich mich an jenen 30. November, den ersten Adventssonntag, an dem ich mit euch und allen Missionaren der Diözese Roms die Eröffnung des dem Heiligen Geist gewidmeten Jahres gefeiert und den Pfarrgemeinden und den einzelnen Missionaren das Missionskreuz übergeben habe. Bereits in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente schrieb ich: „Der Geist ist auch für unsere Zeit die Hauptkraft der Neuevangelisierung“ (Nr. 45). Aber für Rom bedeutet die Stadtmission die konkrete Verwirklichung der großen Aufgabe der Neuevangelisierung. Daher gilt für sie in vollem Maße das, was ich im gleichen Abschnitt des Apostolischen Schreibens hinzufügte: „Es wird also darauf ankommen, den Geist als den wiederzuentdecken, der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen lässt.“ 3. Liebe Priester, heute möchte ich mit euch über die inneren Bande nachdenken, die unser Priestertum mit dem Heiligen Geist und der Mission verbinden. Kehren 438 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wir zum Augenblick unserer Priesterweihe zurück, als der weihende Bischof die Ausgießung des Geistes der Heiligkeit auf uns herabrief. Damals erneuerte sich in uns das, was der auferstandene Jesus noch am Abend des Osterfestes an seinen Jüngern vollbracht hatte: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,21-23). Kraft der Gabe des Heiligen Geistes haben die Jünger den Mut gefunden, im Namen des Herrn in aller Welt Ihn, seine Heilsbotschaft und sein Reich zu verkünden und überall die ersten christlichen Gemeinden zu gründen. Diese Gabe des Geistes ist in uns noch genauso lebendig und wirksam, nichts ihrer erneuernden und heiligenden Kraft ist verlorengegangen. Der Geist wirkt in allen Gläubigen, die, dem Ruf des Herrn folgend, zu Missionaren werden, und voll Freude sieht man, wie viele Laien und Ordensfrauen auf diesen Ruf antworten und sich mit großer Selbstlosigkeit der Stadtmission widmen. Heute aber wiederholt der Papst das, was er euch bereits vor zwei Jahren anlässlich dieses Treffens gesagt hat, nämlich, dass ihr als die ersten Mitarbeiter der Bischöfe auch diejenigen seid, denen in erster Linie der Dienst anvertraut ist, das Evangelium allen Menschen zu verkündigen. Die Stadtmission braucht Priester, die wahre Verkünder des Evangeliums und glaubhafte Zeugen des Glaubens sind: das ist es, was der Bischof von Rom von euch erwartet, liebe Brüder. Die besondere Ausgießung des Heiligen Geistes, die uns bei der Priesterweihe zuteil wurde, nach der, die wir bereits bei der Taufe und der Firmung empfangen haben, ist Ursprung und Grundlage jener besonderen Aufgabe, die uns in der Mission und der Evangelisation anvertraut wird. 4. Demnach sind wir aufgemfen, als erste an jener Dynamik, an jener der Mission eigenen spirituellen Bewegung teilzuhaben. Wie ich bereits vor zwei Jahren betonte, müssen wir uns mit unserem priesterlichen Wesen, unserer Seele, mit unserem Gebet und schließlich mit unserem täglichen pastoralen Dienst für sie einset-zen. Allein der Geist kann das in uns bewirken, denn die Mission ist ein Liebesdienst, dessen Wirksamkeit letzten Endes auf der Kraft der Liebe beruht: unser Erfolg als Missionare wird von der Fähigkeit abhängig sein, zu bezeugen, dass Gott jeden Menschen, diese Stadt und die gesamte Menschheit liebt und erlösen will. Aber der Heilige Geist ist in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit die für sich selbständige Liebe. „Denn“, so schreibt der Apostel Paulus: „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (vgl. Rom 5,5). In Wirklichkeit befähigt uns der Heilige Geist, den Nächsten wie auch unser eigenes Leben mit den Augen Gottes zu sehen, die Brüder mit der gleichen Liebe zu lieben wie unser Herr Jesus, sie zu verstehen, ihnen zu verzeihen, zu helfen und sie zu trösten, ihnen in jeder Situation, in größter Freude und größtem Leid, wirklich nahe zu stehen, und das nicht etwa auf beliebige Art und Weise, sondern als Zeugen Christi und Väter des Glaubens. Während wir gemeinsam mit den Laienmissionaren von Haus zu Haus, von Familie zu Familie gehen, vermitteln wir ein Zei- 439 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen der Zuversicht und der Hoffnung, geben wir müden oder mutlosen Seelen neue Kraft, werden wir geschwächte oder vom Zerbrechen bedrohte Familienbande festigen können und ein greifbares Zeichen der Tatsache vermitteln, dass Gott niemanden vergisst. 5. Aber der Heilige Geist, liebe Priester, begleitet, führt und unterstützt uns nicht nur auf dem Weg der Mission. Er geht uns auch - und vor allem - voran, denn der Geist ist auf geheimnisvolle Art und Weise gegenwärtig und wirkt im Herzen, im Gewissen und im Leben jeder Frau und jedes Mannes. Der Geist kennt keine Grenzen. Durch sein geheimnisvolles und stilles Wirken im Inneren eines jeden einzelnen bereitet er jeden Menschen innerlich auf Christus und sein Evangelium vor. Wenn wir also, liebe Brüder, an die Tür eines Hauses oder eines Herzens klopfen, dann ist uns der Geist bereits vorangegangen, und auch wenn für denjenigen, der uns zuhört, die Botschaft Christi neu und unbekannt ist, so kann sie jedoch seinem Herzen nie gänzlich fremd sein. Liebe Brüder, eine pessimistische Haltung im Hinblick auf die Möglichkeiten oder die Wirksamkeit der Mission bedeutet gewissermaßen eine Sünde gegen den Heiligen Geist, mangelndes Vertrauen in seine Anwesenheit und sein Wirken. 6. Während wir uns dem Großen Jubeljahr nähern, zeichnen sich stets deutlicher jene Momente der Gnade ab, die der Geist für die Kirche und die Menschheit, insbesondere für diese Kirche und diese Stadt Rom, vorbereitet. Gemeint sind der Internationale Eucharistische Kongress, der Weltjugendtag, das Jubiläum der Familien, das Jubiläum der Priester und andere vorgesehene und erwartete Ereignisse. Die Stadtmission bereitet uns selbst und unsere Gläubigen darauf vor, diese Begebenheiten in ihrer eigentlichen Bedeutung der Gnade, des Glaubens und der Umkehr zu leben. Daher müssen wir inständig zum Heiligen Geist beten, denn wir sind uns sehr wohl bewusst, dass nur er fähig ist, die Herzen zu erneuern und Glauben und Gnade zu schenken. Angesichts der diesjährigen Verpflichtungen im Hinblick auf das komplexe Ereignis des Großen Jubeljahres sind die Familienbesuche, die ihr in dieser Fastenzeit durchführen werdet, die beste Vorbereitung auf jenes große Jubiläum der Familien, dessen Ziel es ist, Christus in den Mittelpunkt des familiären Lebens zu stellen und so der Familie ihre wahre und unveräußerliche menschliche und christliche Würde zurückzugeben. Ebenso gilt auch die „Mission der Jugend“ - ein spezielles Ziel der Stadtmission -als Vorbereitung des Weltjugendtags im Jahr 2000. Bereits am diesjährigen Palmsonntag werden junge Franzosen den Jugendlichen Italiens und Roms auf dem Petersplatz jenes Kreuz des Heiligen Jahres überreichen, das von Kontinent zu Kontinent und von Nation zu Nation, von Rom nach Buenos Aires, von Santiago de Compostela nach Tschenstochau, von Denver nach Manila, von Paris wieder nach Rom gepilgert ist. Auch das für den am Donnerstag vor Palmsonntag geplante besondere Treffen der römischen Jugend mit dem Papst wird in diesem Jahr erstmalig im Freien stattfinden, auf dem Platz vor der Basilika S. Giovanni, der Kathe- 440 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN drale Roms: denn wir möchten möglichst alle Jugendlichen empfangen können, die jedes Jahr und immer zahlreicher teilnehmen, und die missionarische Öffnung dieses an alle jungen Menschen Roms gerichtete Ereignis unterstreichen. 7. Liebe Priester, neben seiner christologischen Ausrichtung hat das Große Jubiläum auch „eine pneumatologische Ausrichtung; denn das Geheimnis der Menschwerdung vollzog sich ,durch das Wirken des Heiligen Geistes“1 (Dominum et vivificantem, Nr. 50). Wie wir sehr wohl wissen, vollzog es sich im Schoß der Jungfrau Maria, mit ihrer freien, unmittelbaren und vollkommenen Zustimmung. Somit gilt Maria „als Frau, die der Stimme des Geistes gehorsam ist, als Frau der Stille und des Zuhörens, als Frau der Hoffnung, die wie Abraham den Willen Gottes anzunehmen wußte ,voll Hoffnung gegen alle Hoffnung“ {Röm 4,18)“ (Tertio millennio aclveniente, Nr. 48). Unsere Anrufung des Heiligen Geistes kann somit nicht von unserem Vertrauen auf Maria losgelöst werden, von unserem Vertrauen auf diejenige, die mein verehrter Vorgänger Paul VI. als,Stern der Evangelisierung“ bezeichnete. Ihrer Obhut vertrauen wir somit unser Priestertum und die Stadtmission an. In diesem Sinne erteile ich allen von ganzem Herzen meinen Segen. Am Ende seiner Ansprache fügte der Papst hinzu: Ich möchte noch hinzufügen, dass unsere heutige Begegnung auf einen sehr guten Zeitpunkt fällt. Was haben wir am vergangenen Sonntag in Rom erlebt, am Fest der Kathedra des hl. Petrus? Die neuen Kardinäle wurden kreiert. Aber was sind die Kardinäle? Es sind in der großen Mehrzahl „Pfarrer“ in Rom. Einige, nämlich sieben, sind suburbikarische Bischöfe. Sechs sind Diakone der verschiedenen Dia-konien, deren Zahl wechselt. Vornehmlich kommt das Amt des Diakons im Kardinalskollegium den römischen Dikasterien zu. Die Präfekten sind Diakone, aber nicht alle. Einige sind Bischöfe, wie die Kardinäle Ratzinger und Sodano, aber der größere Teil sind Diakone. Die übrigen, die große Mehrheit, sind römische „Pfarrer“. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass jede römische Pfarre ein Kardinalssitz ist. Mir scheint, dass immer mehr römische Pfarreien einen Kardinaltitel haben, weil die Zahl der Kardinäle angestiegen ist. Dann hat der Papst die Anwesenden aufgerufen, für Kardinal Poletti zu beten. Er sagte: Gedenken wir jetzt des Kardinals Ugo Poletti, der oft aus diesem Anlass am Donnerstag nach Aschermittwoch unter uns weilte. Zum Schluss der Begegnung wünschte der Papst den Anwesenden: Eine gute Fastenzeit und Frohe Ostern! 441 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Forschung für die Entwicklung von Methoden natürlicher Fruchtbarkeitsregelung Botschaft an Frau Professor Anna Cappella, Leiterin des Studien- und Forschungszentrums für natürliche Fruchtbarkeitsregelung vom 27. Februar 1. Mit großer Freude habe ich von der Initiative dieses Zentrums erfahren, anlässlich des 30. Jahrestags der Enzyklika Humanae vitae meines verehrten Vorgängers und Gottesdieners Paul VI. ein nationales Studientreffen zu organisieren. Vor allem grüße ich Sie, verehrte Frau Professor, ebenso wie die Verantwortlichen, die in der Forschung tätigen Mitarbeiter und das gesamte Personal dieser verdienstvollen von Ihnen geleiteten Einrichtung, und gleichzeitig möchte ich meine Hochachtung und Dankbarkeit ausdrücken für den in diesen Jahren geleisteten wertvollen Beitrag zum Schutz und zur Förderung des menschlichen Lebens in seinem Anfangsstadium. Ferner gilt mein Gruß auch den Kongressteilnehmern und Referenten: allen wünsche ich viel Erfolg bei der Vertiefung der kirchlichen Lehre über die „Wahrheit“ jenes ehelichen Aktes der Liebe, der die Ehegatten zu Teilhabern des göttlichen Schöpfungswerks macht. 2. Die Wahrheit dieses Aktes beruht auf seinem Ausdruck der gegenseitigen personalen Hingabe der Ehegatten, einer Hingabe, die nur vollkommen sein kann im ganzheitlichen uneingeschränkten Sichschenken. In jenem ihre Liebe zum Ausdruck bringenden Akt sind die Ehegatten in personaler Ganzheit zur gegenseitigen Hingabe berufen: kein Aspekt ihres Wesens kann von dieser Ganzhingabe ausgeschlossen sein. Daher ist jede zur Empfängnisverhütung dienende Handlung in sich unerlaubt, denn sie bewirkt eine wesentliche Einschränkung innerhalb dieses gegenseitigen Sichschenkens und zerreißt jene „untrennbare Verbindung“ zwischen der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes, Vereinigung und Fortpflanzung, die Papst Paul VI. betonte, von Gott gewollt und in die Natur des Menschen eingeschrieben ist (vgl. Humanae vitae, Nr. 12). Dieser Denkweise entsprechend, betonte der große Papst mit Recht den „wesentlichen Unterschied“ zwischen Empfängnisverhütung und der Anwendung natürlicher Methoden im Hinblick auf eine „verantwortliche Fortpflanzung“. Es handelt sich um einen Unterschied anthropologischer Art, der letzten Endes zwei sich gegenseitig ausschließende Vorstellungen von Person und menschlicher Sexualität betrifft (vgl. Familiaris consortio, Nr. 32). Häufig werden im heutigen Denken die natürlichen Methoden zur Geburtenregelung von der ihnen eigenen ethischen Dimension getrennt und lediglich im Hinblick auf ihren funktionellen Aspekt berücksichtigt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der wesentliche Unterschied zwischen ihnen und den künstlichen Methoden nicht mehr wahrgenommen wird und man sie folglich als eine andere Form von Empfängnisverhütung sieht. Keinesfalls können diese Methoden aber auf diese Art und Weise betrachtet und angewendet werden. Im Gegenteil, nur in der Logik des gegenseitigen Sichschenkens zwischen Mann und Frau kann die natürliche Fruchtbarkeitsregelung richtig verstanden und 442 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als Ausdruck einer wahren und gegenseitigen Liebes- und Lebensgemeinschaft wirklich gelebt werden. In diesem Zusammenhang lohnt es sich zu wiederholen, dass die Person nie als Mittel zum Zweck betrachtet werden darf; vor allem nie als Mittel zum „Genuss“. Sie ist und muss ausschließlich das Ziel jeder Handlung sein. Nur dann entspricht ihre Handlungsweise der wahren Würde des Menschen (vgl. Humanae vitae, Nr. 12). 3. Die Kirche ist sich der unterschiedlichen Probleme bewusst, denen die Eheleute vor allem im heutigen gesellschaftlichen Kontext nicht nur bei der Verwirklichung, sondern auch im Verstehen der sie betreffenden sittlichen Norm begegnen. Als Mutter unterstützt die Kirche die mit Schwierigkeiten konfrontierten Ehepaare, indem sie die Gatten daran erinnert, dass der Weg zur Lösung ihrer Probleme einzig und allein die volle Achtung der Wahrheit ihrer Liebe sein kann. Paul VI. betonte in Humanae vitae: „In keinem Punkte Abstriche an der Heilslehre Christi zu machen ist hohe Form seelsorglicher Liebe“ (Nr. 29). Die Kirche stellt den Gatten jene Gnadengaben zur Verfügung, die uns Christus durch die Erlösung geschenkt hat, und fordert sie auf, mit stets neuem Vertrauen von ihnen Gebrauch zu machen. Insbesondere bestärkt sie die Eheleute, um die Gabe des Heiligen Geistes zu bitten, die dank der Wirksamkeit des ihnen eigenen Sakraments in ihre Herzen ausgegossen wird: dieser Gnade entspringt jene innere, für die Erfüllung ihrer zahlreichen Aufgaben notwendige Kraft, angefangen von der Pflicht, der Wahrheit der ehelichen Liebe entsprechend zu handeln. Gleichzeitig fördert die Kirche die wissenschaftliche Forschung, den Einsatz von Ärzten, Pflegepersonal und Pastoralarbeitem, damit den Eheleuten all jene Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, die sich als wirksame Unterstützung zur vollen Verwirklichung ihrer Berufung erweisen können (vgl. Humanae vitae, Nm. 23-27). In diesem Zusammenhang muss auch die wertvolle Arbeit gesehen werden, die Zentren wie das Ihre, verehrte Frau Professor, fördern und mit lobenswertem Eifer weiterhin anregen. Während ich Ihnen meine Hochachtung für die Sensibilisierungsarbeit ausdrücke, die das Institut durch die Förderung von Konferenzen, Seminaren, Tagungen und Kursen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene verwirklicht, möchte ich gleichzeitig die Gelegenheit wahmehmen und die Bedeutung der Studien- und Forschungsarbeit hervorheben, die, wie ihr Name bezeichnenderweise bereits sagt, auch zu den Zielsetzungen der Einrichtung gehört. Einerseits ist es notwendig, im medizinischen Bereich für die Verbreitung der grundlegenden wissenschaftlichen Kenntnisse zu sorgen, von denen die Entwicklung der Methoden zur natürlichen Fruchtbarkeitsregelung ausgeht, und andererseits muss das Studium und die Erforschung der Natur der biochemischen und biophysischen Vorgänge gefördert werden, die die Fruchtbarkeitsperioden begleiten und erkennbar machen und somit eine einfachere und sichere Verwirklichung der verantwortlichen Elternschaft ermöglichen. 4. Ich vertraue darauf, dass die fachkundigen Beiträge der an diesem nationalen Studientreffen teilnehmenden Wissenschaftler für die Forschungsarbeit auf diesem 443 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebiet von Nutzen sein werden. Die stets fortschrittlicheren wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in Verbindung mit der Achtung der von der Kirche vertretenen moralischen Werte zweifellos auf wirksame Art und Weise zur Anerkennung jener Sichtweise beitragen, die Liebe als vorbehaltloses und vollkommenes gegenseitiges Sichschenken und Fruchtbarkeit als jenen Reichtum erachtet, den wir mit Dankbarkeit aus den Händen des Schöpfergottes empfangen. Während ich für Sie, die Konferenzteilnehmer, und alle, die mit diesem Zentrum in Verbindung stehen, Maria, die Mutter der Schönen Liebe, und den hl. Josef, den Beschützer des Erlösers, um ihren unablässigen Schutz bitte, spende ich als Zeichen meiner dankbaren Zuneigung den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 27. Februar 1998 Joannes Paulus PP. II Bewegung geistiger Erneuerung für Europa und die Welt Botschaft an die zisterziensische Familie zur 900-Jahr-Feier der Gründung der Abtei Citeaux vom 6. März 1. In diesem Jahr, in dem die Abtei Citeaux die Freude hat, die 900-Jahr-Feier ihrer Gründung zu begehen, schätze ich mich glücklich, an der Freude und Danksagung der großen zisterziensischen Familie teilzunehmen, die bei diesem Ereignis aus den Quellen ihres Gründungscharismas schöpfen will, um darin die Verheißungen einer neuen Vitalität zu erkennen. 2. Beim Näherkommen des dritten Jahrtausends, da die ganze Kirche sich auf das Große Jubiläum vorbereitet, gedenken wir des prophetischen Werkes von Robert de Molesme und seiner Gefährten, die 1098 das „Neukloster“ errichteten, um ihrem glühenden Wunsch zu entsprechen, „sich in Zukunft enger und vollkommener an die Regel des sei. Benedikt zu binden“ (Petit exorde), sie im Licht der früheren Tradition neu zu lesen und sie, die Zeichen der Zeit erkennend, neu aufleuchten zu lassen. Indem sie die monastischen Anforderungen ihrem ursprünglichen Geist getreuer lebten, vermochten sie die innere Ausgeglichenheit zu finden, die zu einer Gottsuche in Demut, Gehorsam und gutem Eifer notwendig ist. In der Tat lassen die Gründer von Citeaux, Robert, Alberich und Stephan, durch die treue Beobachtung der Regel des hl. Benedikt in ihrer Reinheit und Strenge eine neue Form monastischen Lebens entstehen. Ihr Ordensleben wird ganz auf die Erfahrung des lebendigen Gottes hin ausgerichtet sein. Und zu dieser Erfahrung werden sie kommen, wenn sie sich mit ihren Brüdern daranmachen, Christus in der dem Evangelium gemäßen Einfachheit und Armut nachzufolgen. Auf dem Weg der Einsamkeit werden sie für Gott zu leben und eine brüderliche Gemeinschaft 444 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufzubauen suchen. In Entäußerung und einem strengen, arbeitsamen Leben werden sie sich bemühen, das Wachsen des neuen Menschen zu fördern. 3. Das Charisma von Citeaux, das schnell Verbreitung findet, leistet einen sehr bedeutenden Beitrag zur Geschichte der Spiritualität und der Kultur im Abendland. Vom 12. Jh. an sind die bereits bestehenden vierhundert Klöster Brennpunkte intensiven geistlichen Lebens in ganz Europa. Den Gründern und ihren Schülern -insbesondere Bernhard von Clairvaux, Wilhelm von Saint-Thierry, Guerricus von Igny, Aelred von Rievaulx, Isaak von Stella, Amadeus von Lausanne, Gilbert von Hoyland, Balduin von Ford, Johannes von Ford und Adam von Perseigne - bietet die Regel in hervorragender Weise Führung und Rat für das innere Leben. Bei Benedikt entdecken sie eine reichhaltige Lehre über die Demut, den Gehorsam, die Liebe und die Gottesfurcht; und darüber hinaus finden sie die Anregung, unmittelbar aus der Quelle des Evangeliums und derjenigen der Kirchenväter zu schöpfen. Sehr schnell haben die Zisterzienser eine tiefe Spiritualität entwickelt, gegründet auf einer soliden theologischen Anthropologie, in deren Mitte der Mensch als Bild Gottes und in seiner Gottähnlichkeit steht. Ebenso werden sich noch andere Aspekte des geistlichen Lebens entfalten, die schon beim hl. Benedikt angedeutet sind, wie die Selbsterkenntnis, die Lehre über die Liebe und über die mystische Kontemplation. Die „dominici scola servitii“ (Schule für den Dienst des Herrn) wird auch eine „scola caritatis“ (Schule der Liebe). Hier lässt sich in der Fähigkeit des Menschen, zu lieben und, von der Vernunft geleitet, frei auf die Liebe Antwort zu geben, eine vertiefte Sicht vom Sinn des menschlichen Daseins erkennen. Dieser Humanismus ist in Gottes Plan und Ordnung und in der Gnade grundgelegt, insbesondere in der Menschwerdung in ihrer menschlichsten Dimension. 4. Die zisterziensische Reform wird auch eine tiefgreifende Erneuerung der Liturgie erkennen lassen: Sie vereinfacht und vereinheitlicht sie. Heute bringen Mönche und Nonnen in den Gottesdiensten ihrer Gemeinschaften, die von Erhabenheit und Nüchternheit geprägt sind, lichtvoll ihre Berufung zum Gotteslob und zur Fürbitte für die Kirche und für die Welt zum Ausdruck - in Gemeinschaft mit dem Gebet aller Gläubigen. In der Eucharistie und im liturgischen Stundengebet, die das Geheimnis Christi entfalten und die wahre Natur der Kirche offenbaren, zeigen sie auf vorzügliche Weise ihre tiefe Verbundenheit mit dem Herrn und seinem Heilswerk. Wenn sie darin - in ruhiger Ausgeglichenheit mit ihrem Arbeitsleben - ihre tägliche Nahrung finden, dann geben sie nachdrücklich Zeugnis für das, was die Daseinsberechtigung ihrer besonderen Sendung unter den Menschen ausmacht. Ebenso entfaltet sich die zisterziensische Kunst, in den Dienst des monastischen Lebens gestellt, in harmonischer Schönheit in den Bauwerken, die die Pracht und Herrlichkeit Gottes verkünden. Durch ihre Eleganz und ihren Verzicht auf alles, was der Begegnung mit dem Schöpfer nicht förderlich ist, führt sie den Menschen Gott entgegen, um ihn Gottes Erhabenheit und Güte verkosten zu lassen. Sie trägt auch dazu bei, ins Gebet einzudringen und die Innerlichkeit zu pflegen, die zur Erkenntnis des Herrn führt. 445 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüder und Schwestern, die Ihr Anteil am zisterziensischen Erbe habt, ich fordere Euch auf, weiterhin eifrig und mitreißend Euer „Gott-Suchen“ zu bezeugen durch die Feier der Liturgie als Quelle und Höhepunkt Eures monastischen Lebens, durch die „lectio divina“, das beharrliche Hören und Meditieren des in Demut und Freude aufgenommenen Wortes Gottes, wie auch durch die Pflege häufigen stillen Betens, entsprechend der Einladung Eures Vaters St. Benedikt. Ihr werdet darin eine unerschöpfliche Quelle inneren Friedens finden, den freigebig mit allen zu teilen, Euch ein Anliegen sein wird. 5. Unsere Zeit hat wieder eine Vorliebe für das spirituelle und kulturelle zisterzien-sische Erbe, das in Euren Klöstern zum Ausdruck kommt. Sie haben viele Besonderheiten hinsichtlich ihrer Geschichte, des Umfeldes ihrer Präsenz oder ihrer Art und Weise, auf die Erwartungen der Ortskirchen Antwort zu geben. Bei vielen Menschen können dank der Gastfreundschaft, die ihnen in Euren Klöstern geboten wird, wesentliche spirituelle Fragen Ausdruck finden und tiefer angegangen werden. In einer Gesellschaft, in der - besonders für die Jüngsten - die fundamentalsten Anhaltspunkte im Verschwinden begriffen sind, kann eine geschwisterliche Gemeinschaft des Glaubens als stabiler Pol wahrgenommen werden. Söhne und Töchter von Citeaux, die Kirche erwartet von Euch, dass Eure Klöster, Eurer Berufung entsprechend, unter den Menschen von heute „ein ausdrucksvolles Zeichen von Gemeinschaft“ seien, „ein einladender Aufenthaltsort für diejenigen, die Gott und die Welt des Geistes suchen, ... Glaubensschulen und wahre Werkstätten für Studium, Dialog und Kultur zum Aufbau des kirchlichen Lebens und auch, in Erwartung der himmlischen Stadt, zum Aufbau der irdischen“ (Vita consecrata, Nr. 6). Ich möchte Euch auch Mut machen, den Umständen entsprechend klug und in prophetischem Sinn die Mitbeteiligung von gläubigen Laien an Eurer geistlichen Familie zu erwägen, etwa in Form von „assoziierten Mitgliedern“ oder auch, den Bedürfnissen bestimmter kultureller Umfelder entprechend, in Form von zeitlich befristeter Teilnahme am Gemeinschaftsleben (vgl. Vita consecrata, Nr. 56) und der kontemplativen Lebensform - unter der Bedingung, dass die Identität Eures eigenen monastischen Lebens darunter nicht Schaden leidet. 6. Die Gedächtnisfeier der Gründung von Citeaux ruft uns auch den Stellenwert dieser großen Bewegung geistiger Erneuerung an den christlichen Wurzeln Europas in Erinnerung. Mit Freude erfahre ich, dass im Lauf dieses Jubiläumsjahres mehrfach dieser Aspekt des zisterziensischen Erbes hervorgehoben werden soll. Die Fruchtbarkeit Eures Charismas beschränkt sich nicht auf Eure monastischen Gemeinschaften, sondern ist tatsächlich ein gemeinsamer Reichtum der ganzen Christenheit geworden. Da nun Europa um seinen Aufbau bemüht ist, möchte ich hoffen, seine Gestalter mögen im Geist von Citeaux die Grundlagen einer tiefen geistigen Erneuerung finden, die dem europäischen Zusammenleben eine Seele gibt. 446 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Der Wunsch nach einem neuen Leben in der Nachfolge Christi, der Citeaux von Anfang an kennzeichnete, bleibt ein geistliches Erfassen von großer Aktualität. In der Tat bietet die Regel durch eine behutsame Ausgeglichenheit unter den verschiedenen traditionellen monastischen Observanzen jedem einen geraden Weg der Vollkommenheit im Geiste des Evangeliums an. In diesen Forderangen finden die Mönche geeignete Werkzeuge, um sie zur „puritas cordis“ (Lauterkeit des Herzens) und zur „unitas Spiritus“ (Einheit des Geistes) mit Gott zu führen. Das wurde vor einiger Zeit von der Synode über das geweihte Leben betont, die die prophetische und geistliche Dimension des Ordenslebens hervorheben wollte. „In unserer heutigen Welt, in der sich die Spuren Gottes oft zu verlieren scheinen, erweist sich ein starkes prophetisches Zeugnis seitens der Personen des geweihten Lebens als dringend notwendig. Es wird vor allem die Bejahung der Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter betreffen, wie diese sich aus der Nachfolge und Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus erkennen läßt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat“ (Vita consecrata, Nr. 85). Wenn sie heute, nach neun Jahrhunderten ununterbrochener, nicht immer von Schicksalsschlägen verschonter Geschichte auf ihre ursprüngliche Inspiration zurückkommt, erkennt die zisterziensische Familie sich in der Gründungsgnade der ersten Väter. Sie entdeckt auch die legitime Verschiedenheit ihrer Traditionen, die ein Reichtum für alle sind und die Vitalität des ursprünglichen Charismas zum Ausdruck bringen. Die Kirche sieht darin das Werk des einen Geistes, ausgehend von einer gleichen Gabe. Bei dieser Gedenkfeier der Gründung von Citeaux fordere ich die Gemeinschaften, die die große zisterziensische Familie bilden, nachdrücklich auf, gemeinsam ins neue Jahrtausend zu gehen in wirklicher Gemeinschaft, in gegenseitigem Vertrauen und in Achtung der von der Geschichte überlieferten Traditionen. Möge diese Gedenkfeier des „Neuklosters“, das über neun Jahrhunderte lang eine so große Ausstrahlung in der Kirche und in der Welt hatte, für alle eine Erinnerung an einen gemeinsamen Anfang und eine gemeinsame Zugehörigkeit sein und Symbol der Einheit, die es stets anzunehmen und aufzubauen gilt! 8. Die Aktualität und Lebenskraft des Charismas von Citeaux wurden an diesem Ende des zweiten Jahrtausends bekundet durch das Zeugnis für das Evangelium, das zahlreiche Söhne und Töchter der zisterziensischen Familie auf besonders bedeutsame Weise abgelegt haben. Ich möchte Pater Cyprian Michael Iwene Tansi erwähnen, den ich gerade in den Tagen der Neunhundertjahrfeier von Citeaux selig zu sprechen die Freude hatte: in Nigeria, seiner Heimat, wo er so sehr dafür gewirkt hat, seinen Landsleuten das Evangelium zu bringen. Das Opfer der Trappisten von Tibhirine ist noch in unseren Herzen gegenwärtig. Als Märtyrer der Liebe Gottes zu allen Menschen sind sie durch die Hingabe ihres Lebens Friedensstifter gewesen. Sie fordern die Jünger Christi auf, den Blick fest auf Gott gerichtet zu halten, die Liebe bis zum Letzten zu leben und sich vor allem daran zu erinnern, dass es ohne Entsagung keine Nachfolge Christi gibt. Bewahrt 447 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr Andenken als ein geistliches Gut, das für die zisterziensische Familie und für die ganze Kirche kostbar ist! 9. Ich wiederhole die Worte des hl. Bernhard: „Wenn Maria Euch beschützt, habt ihr nichts zu fürchten; wenn sie Euch leitet, kennt Ihr keine Müdigkeit; wenn sie Euch gnädig ist, gelangt ihr an Euer Ziel“ (vgl. Zweite Homilie auf das Lob der jungfräulichen Gottesmutter). Ich vertraue Euch Unserer Lieben Frau und Königin von Citeaux an. Insbesondere grüße ich die Kommunität des „Neuklosters“, das auch die 100-Jahr-Feier der Rückkehr der Mönche nach langer Unterbrechung begeht, und sende allen Mitgliedern der zisterziensischen Familie einen liebevollen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 6. März 1998 Joannes Paulus PP. II In der Kraft des Heiligen Geistes Christus verkünden Dankesworte beim Abschluss der Exerzitien im Vatikan am 7. März 1. Am Ende dieser Woche eines intensiven geistlichen Weges möchte ich Kardinal Jan Chryzostom Korec danken. Mit den in diesen nun zu Ende gehenden Exerzitien vorgelegten Erwägungen wollte er uns auf dem traditionellen Pilgerweg der Seele durch die Fastenzeit führen und brachte uns die reichen Quellen des Wortes Gottes und der Liturgie nahe. Im Schweigen der Wüste spürt man deutlicher die wohltuende Gegenwart Gottes, der Großes vorsieht für alle, die bereit sind, an ihn zu glauben und in seinem Licht zu leben. Das Thema der diesjährigen geistlichen Übungen kommt unmittelbar auf den Vorbereitungsweg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 zurück - „Christus gestern, heute und in Ewigkeit“ -, denn die ganze Kirche sieht ja mit erneuter Hoffnung in gespannter Erwartung dem neuen Jahrtausend entgegen. Das Geheimnis Christi erfüllt sie, belebt sie und treibt sie an, dass sie über den steilen Weg der Buße geläutert und rein mit jubelndem Herzen dem Bräutigam, der kommt, entgegengehen kann. 2. Überaus dankbar bin ich dem Exerzitienleiter, der sich zur Stimme gemacht hat für unseren Wunsch, uns auf das Osterfest, zu dem wir auf dem Weg sind, mit Glauben und Liebe vorzubereiten. Die Gedanken, die er uns vorgelegt hat, mündeten in einer Perspektive von Optimismus und Hoffnung. Durch die heilsame Anstrengung des geistlichen Pilgerweges hat er uns geholfen, die Unklarheit zu besiegen, in der ein Mensch befangen ist, der das uns umgebende Geheimnis nicht zu deuten vermag, und hat uns in die Kontemplation der Glaubensgeheimnisse eingeführt, auf die sich unser Leben stützt. Mit unserem herzlichen Dank an ihn verbindet sich die Zusicherung unseres Gebetes für ihn persönlich und für seinen pasto-ralen Dienst. 448 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In slowakischer Sprache sagte der Papst dann: Diesen Dank möchte ich Ihnen, verehrter Bruder, auch in Ihrer Sprache zum Ausdruck bringen. Wie alle Anwesenden, so bin ich Ihnen dankbar für die geistlichen Reflexionen, die Sie dargeboten haben, und vor allem für das Zeugnis mutiger Treue zu Christus, die Sie in schwierigen Jahren bewiesen haben, in denen Sie in Ihrer Heimat zu einem Anhaltspunkt für Priester und Laien geworden sind. Ich freue mich auch, dass die geistlichen Exerzitien für die Römische Kurie zum ersten Mal von einem slowakischen Kardinal gepredigt wurden. Auf die italienische Sprache zurückkommend, fuhr der Papst fort: Ein Wort dankbarer Wertschätzung möchte ich auch an die richten, die diesen geistlichen Weg mitgehen wollten, und ebenso an jene, die die nötigen Vorbereitungen getroffen haben, damit alles ruhig und frachtbringend verlaufen konnte. 3. Wie Mose vom Berg hinabstieg, wo er der faszinierenden und erschreckenden Schönheit Gottes begegnet war, so kehren auch wir nun zurück ins Tal, an unseren täglichen Arbeitsplatz, um die Wunder zu verkünden, die wir betrachtet haben. Der Exerzitienleiter hat uns daran erinnert, dass wir dabei auf die Unterstützung des Heiligen Geistes zählen können. Dank des stillen, aber allmächtigen Wirkens der dritten Person der Dreifaltigkeit kann die Kirche weiterhin mit unverändertem Vertrauen ihren Dienst ausüben und den auf Erden einander folgenden Generationen Christus verkündigen, der immer der Gleiche bleibt, „gestern, heute und in Ewigkeit“. Wir schließen die geistlichen Übungen am ersten Samstag des Monats, der besonders dem Makellosen Herzen Marias geweiht ist. Mit inniger Liebe rufen wir Maria an, die Erste, die Christus in restloser Folgsamkeit gegenüber dem Wirken des Geistes aufgenommen hat. Sie möge uns auf dem Weg durch die Fastenzeit führen und helfen, damit wir es verstehen, dem Herrn des Lebens und der Geschichte beständig treu zu sein. Allen meinen Segen. Menschliche Sehnsucht nach Heilung für Leib und Seele Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 9. März 1. Mit Freude nehme ich an diesem Treffen anlässlich der vierten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst teil und grüße euren Präsidenten, Msgr. Javier Lozano Barragän, dem ich für seine freundlichen Worte danke, mit denen er nicht nur die herzlichen Empfindungen aller, sondern auch den Eifer und die Einsatzbereitschaft eures jungen Dikasteriums zum Ausdruck gebracht hat. 449 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ferner grüße ich auch euch, liebe Mitglieder, Beamte und Konsultoren des Päpstlichen Rates, die bei dieser Audienz anwesend sind. Durch euch vermittle ich meine dankbare Anerkennung auch allen Priestern, Ordensleuten, Ärzten, Wissenschaftlern, Forschem und denen, die mit humanem und kirchlichen Einfühlungsvermögen entsprechend ihren jeweiligen Aufgaben in der komplexen Welt des Gesundheitswesens tätig sind. 2. In diesen Studientagen werdet ihr euch schwierigen Themen zuwenden und mit großer Aufmerksamkeit Problemen und Herausforderungen widmen, die die Vielschichtigkeit des Gesundheitswesens auf pastoraler Ebene bereitet. Diese ersten dreizehn Jahre eifriger und dynamischer Arbeit eures Dikasteriums auf einem schwierigen und oft problematischen Gebiet haben die Notwendigkeit und Dringlichkeit seines kirchlichen Dienstes bestätigt. Mit dankbarer Anerkennung denke ich an die zahlreichen Erfolge, die, aufgrund eurer konstanten Bemühungen, zur Unterstützung der bewundernswerten, ja teilweise heroischen Bereitschaft von Ärzten, Schwestern und Seelsorgern im Krankendienst erzielt werden konnten. Die auf der kirchlichen Liebe begründete Krankenpastoral, deren außerordentliche Zeugen viele Heilige waren, insbesondere der hl. Johannes von Gott und der hl. Kamillus de Lellis, erlebte dank der Arbeit der im Krankendienst tätigen Ordenshäuser und religiösen Einrichtungen im Lauf der Jahrhunderte eine außerordentliche Blütezeit. Heute wird sie von jenem Organ koordiniert und gefördert, dem ihr euren verschiedenen Aufgaben entsprechend angehört. Ich selbst habe dieses Institut 1985 gegründet und es der Initiative von Kardinal Fiorenzo Angelini unterstellt, dessen intensiven Einsatz ich nochmals mit Achtung und Dankbarkeit erwähnen möchte. 3. Durch die Fortsetzung dieses wertvollen Erbes habt ihr euch mit Verantwortung und Liebe jener Aufgaben angenommen, die das Gründungsdokument dem Di-kasterium überträgt. Mit großem Eifer widmet ihr euch somit großen gesundheitlichen Problemen und unterstützt diejenigen, die sich der Kranken und Leidenden annehmen, damit ihr Dienst den stets neuen Anforderungen auf diesem schwierigen Sektor stets besser entsprechen kann. Insbesondere stellt ihr eure Mitarbeit den Ortskirchen zur Verfügung, um dem im Krankendienst tätigen Pflegepersonal angemessenen geistlichen Beistand und die Möglichkeit zu bieten, die Kenntnis der kirchlichen Lehre hinsichtlich der moralischen Aspekte der Krankheit und den Sinn des menschlichen Leidens zu vertiefen. Ferner verfolgt euer Dikasterium mit großer Aufmerksamkeit die theoretischen und praktischen Probleme der Medizin wie auch auf legislativer Ebene das Ausarbeiten von Bestimmungen zur Regelung des Gesundheitswesens mit dem Ziel, die Achtung der Würde aller Menschen in jeder Situation zu gewährleisten. Leider wird die positive Einflussnahme zum Schutz und zur Verteidigung der Gesundheit nicht nur von zahlreichen alten und neuen pathogenen Faktoren beeinträchtigt, die das Leben auf Erden bedrohen, sondern in manchen Fällen auch durch die Mentalität und das Verhalten der Menschen. Rücksichtslosigkeit, Ge- 450 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN walttätigkeit, Krieg, Drogen, Entführungen, das Ausgrenzen von Immigranten, Abtreibung und Euthanasie sind Angriffe auf das Leben, die einzig und allein vom Menschen selbst ausgehen. Die totalitären Ideologien, die den Menschen zu einem Objekt erniedrigt und grundlegende Menschenrechte mit Füßen getreten und ignoriert haben, finden besorgniserregende Entsprechungen in gewissen Instrumentalisierungen biotechnologischer Möglichkeiten. Sie manipulieren das Leben im Namen jenes grenzenlosen Dominierungsstrebens, das Bestrebungen und Hoffnungen entstellt und mehr Sorgen und Leid bewirkt. 4. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (vgl. Joh 10,10); als Hüter und Verkünder der Heilsbotschaft betrachtet die Kirche diese lebendigen und anregenden Worte Jesu als ihr Programm. Dieser Sendung entspricht auch euer Programm, dessen Mittelpunkt die Wahrung der Gesundheit des Menschen ist. Es kommt darauf an, dass die Auffassung von Gesundheit nicht nur auf das Fehlen von Krankheiten oder momentanen organischen Funktionsstörungen beschränkt ist. Gesundheit betrifft das ganzheitliche Wohl der Person, ihren biophysischen, psychischen und spirituellen Zustand. Sie schließt daher gewissermaßen auch ihre Anpassung an die Umgebung ein, in der sie lebt und arbeitet. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Die von euch angestrebten Ziele - wie beispielsweise die Verteidigung der Würde der menschlichen Person in ihrem leiblichen und geistigen Leben; die Förderung von Studien und Forschungsinitiativen auf dem Gesundheitssektor; die Anregung angemessener gesundheitspolitischer Maßnahmen; die Animation der Kranken-pastoral - sind die konkrete Antwort auf jenen Auftrag, den Jesus seiner Kirche übertragen hat: dem Leben dienen! Es ist meine Pflicht, euch in der Erfüllung dieser Aufgabe zu bestärken. 5. Die Inkarnation des Wortes hat all unsere Schwächen geheilt und die menschliche Natur erhöht, ihr übernatürliche Würde gegeben und durch das Wirken des Heiligen Geistes das erlöste Volk einen Leib und eine Seele werden lassen. Daher wird jede vom Geist des Glaubens und brüderlicher Behutsamkeit gekennzeichnete Betreuung des kranken Menschen, sowohl in den modernsten Krankenhäusern als auch in den einfachen Strukturen der Entwicklungsländer, im wahrsten Sinn ein Akt des Glaubens. Wenn sich die Betreuung des kranken Menschen in einem Kontext personaler Achtung vollzieht, dann ist sie nicht lediglich auf die ärztliche Behandlung oder den chirurgischen Eingriff beschränkt, sondern vielmehr bemüht, den Menschen ganzheitlich zu heilen, ihm ein harmonisches inneres Gleichgewicht, Lebenslust, die Freude der Liebe und der Gemeinschaft zurückzugeben. Diese Ziele verfolgt in der komplexen und vielschichtigen Welt des Gesundheitswesens auch euer Dikasterium in Zusammenarbeit mit ähnlichen pastoralen Einrichtungen der Ortskirchen, die den Dienst der in Krankenhäusern tätigen Seelsor- 451 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ger und Schwestern wie auch den hochherzigen Einsatz freiwilliger Helfer koordinieren. Das gemeinsame Ziel ist die Achtung jedes menschlichen Lebens, das, auch dann, wenn seine Funktionen und organische Integrität eingeschränkt sind, die ihm eigene Würde bewahrt. 6. Von ganzem Herzen hoffe ich, dass es euch in den kommenden Tagen gelingen wird, angemessene Arbeitsprogramme zur Verwirklichung der speziellen Zielsetzungen des Päpstlichen Rates zu formulieren, der es nicht versäumen wird, in der Vorbereitungszeit auf das „Große 2000jährige Jubiläum“ seiner ganz besonderen Aufgabe nachzukommen. So kann den Gläubigen geholfen werden zu erkennen, dass „Leiden eine besondere Kraft in sich birgt, die den Menschen innerlich Christus nahe bringt“ (Salvifici doloris, Nr. 26). Das vom geheimnisvollen Opfergeist des Erlösers durchdrungene menschliche Leiden wird der „unersetzliche Mittler und Urheber der für das Heil der Welt unerläßlichen Güter“ (ebdNr. 27). Möget ihr auch weiterhin den nationalen Bischofskonferenzen und allen in der Krankenpastoral tätigen Einrichtungen euren umsichtigen Dienst zur Verfügung stellen, und möge der Heilige Geist, der „durch seine Kraft wie durch die innere Verbindung der Glieder die Liebe der Gläubigen untereinander hervorbringt und antreibt“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 7), auf der Schwelle des dritten Jahrtausends für die Kirche stets „Hauptkraft der Neuevangelisierung“ (Tertio millennio adve-niente, Nr. 45) sein. Diese Bitten vertraue ich der Heiligsten Jungfrau an, die nach der Verheißung des Engels ihre unmittelbare Hilfsbereitschaft durch die Betreuung ihrer schwangeren Cousine Elisabet zum Ausdruck brachte. Von ganzem Herzen erteile ich euch meinen Segen, den ich gerne auch denjenigen übermittle, die mit euch gemeinsam für einen stets wirksameren und humaneren Dienst an den von Krankheit geprüften Menschen arbeiten. 452 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schreiben an Kardinal Cassidy, Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden, anlässlich der Veröffentlichung des Dokumentes Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah vom 12. März An meinen ehrwürdigen Mitbruder Kardinal Edward Idris Cassidy Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden Während meines Pontifikats habe ich, von tiefer Trauer erfüllt, bei vielen Gelegenheiten an die Leiden des jüdischen Volkes während des Zweiten Weltkrieges erinnert. Das Verbrechen, das als Shoah bekannt wurde, bleibt ein untilgbarer Schandfleck in der Geschichte dieses nun zu Ende gehenden Jahrhunderts. In ihrer Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend des christlichen Glaubens ist sich die Kirche bewusst, dass die Freude in einem Jubeljahr vor allem eine Freude ist, die auf der Vergebung der Sünden und der Versöhnung mit Gott und mit dem Nächsten gründet. Daher ermutigt sie ihre Söhne und Töchter, ihre Herzen zu läutern, indem sie die in der Vergangenheit gemachten Fehler und ihre Untreue gegenüber dem Glauben bereuen. Sie mft sie dazu auf, in Demut vor den Herrn zu treten und zu prüfen, inwieweit auch sie für die Übel unserer Zeit Verantwortung tragen. Ich habe die innige Hoffnung, dass das unter Ihrer Leitung von der Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden angefertigte Dokument: „Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah“ wirklich dazu beiträgt, die von Missverständnissen und Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit herrührenden Wunden zu heilen. Möge es dabei helfen, dass die Erinnerung ihren unerlässlichen Teil zum Aufbau einer Zukunft beiträgt, in der die unsagbare Schandtat der Shoah niemals mehr möglich sein wird. Der Herr der Geschichte möge die Bemühungen der Katholiken und Juden und aller Frauen und Männer guten Willens leiten, auf dass sie gemeinsam für eine Welt arbeiten, in der das Leben und die Würde jedes menschlichen Wesens wirklich respektiert werden, denn alle sind nach dem Bild Gottes geschaffen. Vatikan, 12. März 1998 Joannes Paulus PP. II 453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Heilige Geist ist Mittler und Vermittler des geistlichen Amtes Ansprache an die in den vergangenen fünf Jahren ernannten europäischen Bischöfe am 13. März Liebe, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Ein alter Bischof ist gekommen, um die jungen Bischöfe zu sehen, denn die jungen Bischöfe sind gekommen, um einen alten Bischof zu sehen. Aber allen gelten die gleichen Worte des hl. Petras: „Seniores qui in vobis sunt“ - „Die Ältesten, die unter euch sind“ (vgl. 1 Petr 5,1). 1. Mit Freude empfange ich euch am Ende eures Treffens, das durch die gemeinsame Initiative des Rates der europäischen Bischofskonferenzen und der Kongregation für die Bischöfe einberufen wurde. Euch, in den vergangenen fünf Jahren ernannte europäische Bischöfe, grüße ich von ganzem Herzen und mit brüderlicher Zuneigung. Vor allem möchte ich euch für die Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri danken, die ihr auf vielfache Art und Weise klar zum Ausdruck bringt, nicht zuletzt durch jene herzliche Beharrlichkeit, mit der ihr um diese Audienz gebeten habt - eine beabsichtigte Botschaft war anscheinend nicht genug. Insbesondere danke ich Mi-loslav Kardinal Vlk für die im Namen aller an mich gerichteten Worte, die eure Verbundenheit und Ergebenheit bestätigen. Ferner möchte ich meine Freude über diese Initiative ausdrücken, denn die Konferenz, an der ihr teilnehmt, gibt euch Gelegenheit, einen intensiven Moment der Brüderlichkeit, des Austauschs, der Konfrontation und Reflexion zu leben, im Licht der Erfahrung, die jeder von euch in den ersten Jahren seines bischöflichen Dienstamtes sammelte. 2. „Das bischöfliche Amt in Europa heute“ - das Thema eures Kongresses - stellt euch zweifellos vor zahlreiche Probleme, von denen einige sowohl in theologischer als auch pastoraler Hinsicht sehr komplizierter und komplexer Natur sind. Das beweist die Vielzahl von Fragen, die ihr in diesen Tagen in euren Berichten, in den Gruppen und Diskussionen erörtert habt. In tiefer Anteilnahme möchte ich euch meiner geistigen Nähe versichern und euren Glauben und euer Vertrauen auf Jesus Christus stärken, der euch in der gegenwärtigen Zeit, in der wir uns mit großen Schritten dem dritten Jahrtausend des christlichen Zeitalters nähern, berufen und zu Hirten seines Volkes gemacht hat. Er ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit. Er geht mit uns. Keine Schwierigkeit sollte euch daher beunruhigen können. Vertraut vielmehr auf Ihn, der die Kirche auf den Straßen der Geschichte führt, damit sie ihren Dienst am Reich Gottes unablässig fortsetze. 454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Euer Treffen findet in diesem dem Heiligen Geist gewidmeten Jahr statt: dem Geist des Pfingstereignisses, dem Geist eurer bischöflichen Weihe, dem Geist des II. Ökumenischen Vatikanischen Konzils. Er wirkt auch in unserer heutigen Zeit, die zuweilen Aspekte aufweist, die nicht nur von den Werten des Evangeliums weit entfernt sind, sondern auch von der dem menschlichen Wesen entsprechenden religiösen Dimension selbst. Dennoch wird der Geist - auch wenn es dem Anschein nach nicht so ist - nie aufhören, sein stilles Wirken tief im Inneren des Gewissens fortzusetzen und die Seelen bereit zu machen für die Aufnahme der Frohbotschaft der Erlösung in Christus, der gestorben und auferstanden ist. Die Vermittlung dieser Botschaft ist in erster Linie die Aufgabe von uns Bischöfen. Uns ist es ein großer Trost zu wissen, dass der Heilige Geist beständig bei uns ist, um uns in unserem Amt mit dem Licht und der Kraft seiner sieben Gaben zu unterstützen. Verlasst euch auf den Geist, verehrte Brüder, und mft ihn mit Vertrauen an! Bittet ihn insbesondere um die Gabe der Stärke, damit ihr euer bischöfliches Dienstamt mit mutiger Entschlossenheit auszuüben wisst. Während die Geschichte dieser Welt ihren Lauf nimmt, weiß der Gläubige, dass der in der Offenbarung angekündigte Triumph sich vorbereitet: „Wer siegt und bis zum Ende an den Werken festhält, die ich gebiete, dem werde ich Macht über die Völker geben ... und ich werde ihm den Morgenstern geben“ (Offb 2,26.28). Vertieft, von dieser Gewissheit unterstützt, in Wahrheit und Liebe eure Gemeinschaft, und setzt mit stets neuer Kraft den Evangelisierungsauftrag beharrlich fort. Der Geist wird für den Erfolg eurer Bemühungen auch dort sorgen, wo sie nach menschlichem Ermessen als zum Scheitern verurteilt erscheinen könnten. 4. Schöpft Kraft im intensiven Dialog mit Gott. Der Heilige Geist ist die Seele des Gebets, er, der „mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Rom 8,26), für uns eintritt. Wie könnten wir uns nicht verpflichtet fühlen, in erster Linie betende Hirten zu sein? Liebe, verehrte Brüder, lasst euch stets vom Geist selbst formen in der Kunst des Hörens auf das Gotteswort und in der immerwährenden Gemeinschaft mit ihm. So werdet ihr bereit und fähig sein, für die Priester und Ordensleute, für die Gläubigen und alle Männer und Frauen, denen eure apostolische Arbeit gilt, tiefes Verständnis zu haben. Jedem von ihnen werdet ihr mit Freude und Mut die dem Evangelium entsprechenden Antworten geben können, die einzigen, die das tiefe Verlangen jeder menschlichen Person nach Wahrheit und Liebe zu stillen vermögen. Indem ich euch umarme und euch meines steten Gedenkens am Altar Gottes versichere, möchte ich euch meinerseits anvertrauen, dass auch ich auf euer Gebet zähle, um das mir übertragene Petrusamt nach besten Kräften ausfüllen zu können. Möge Gott die geistigen Bande zwischen uns festigen, Bande, besiegelt durch den Heiligen Geist und die himmlische Fürsprache der Jungfrau Maria, Mutter Christi und der Kirche. Gemeinsam wollen wir uns weiterhin mit frischem Eifer einsetzen, um das Volk Gottes auf das historische Ereignis des Großen Jubiläums vorzubereiten. 455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Sinne erteile ich von ganzem Herzen jedem von euch meinen besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne auch auf die eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gemeindenübertrage. Vorbilder eines wagemutigen Glaubens Predigt bei der Seligsprechung von Vinzenz Eugen Bossilkov, Brigida Morello und Carmen Salles y Barangueras am 15. März 1. „Gott rief ihm aus dem Dornbusch zu: ,Mose, Mosel Er antwortete: ,Hier bin ich 444 (Ex 3,4). In der ersten Lesung haben wir den Bericht von der Berufung des Mose gehört. Gott offenbart Mose seinen Namen: „Ich bin der ,Ich-bin-da“ (Ex 3,14), damit jener ihn dem Volk Israel mitteile. Somit baut sich zwischen Gott und seinem Gesandten eine besonders vertrauensvolle Beziehung enger Verbundenheit auf. Mose wird die Vollmacht verliehen, zwischen dem Volk und seinem Herrn zu vermitteln. Dank dieser verantwortungsvollen Stellung wird er zum Werkzeug, mit dem Gott das Volk Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit. Durch sein Werk wird Jahwe selbst sein Volk vierzig Jahre lang durch die Wüste führen bis hin zum verheißenen Land, um mit ihm den bedeutsamen Bund vom Sinai zu schließen. Die Geschichte der Berufung des Mose zeigt deutlich, inwiefern der Ruf zur Gemeinschaft mit Gott und somit zur Heiligkeit die notwendige Voraussetzung für jede besondere Sendung zugunsten der Gemeinschaft und im Dienst an den Brüdern ist. Die Initiative Gottes, der einen Menschen zur Heiligkeit beruft und ihm eine besondere Sendung im Dienst am Nächsten anvertraut, zeigt sich besonders deutlich in der spirituellen Erfahrung der drei neuen Diener Gottes, die ich heute mit Freude zur Ehre der Altäre erhebe: Vinzenz Eugen Bossilkov, Bischof und Märtyrer, Brigida Morello, Ordensfrau und Gründerin der Ursulinen von der Unbefleckten Maria, sowie Maria del Carmen Salles y Barangueras, Jungfrau und Gründerin der Missionarinnen und Schulschwestem von der Unbefleckten Empfängnis. 2. „Sie tranken aus dem lebensspendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus“ (vgl. 1 Kor 10,4). Der Bischof und Märtyrer Vinzenz Eugen Bossilkov stillte seinen Durst an dem geistigen Felsen, der Christus ist. Treu dem Charisma des Gründers seiner Kongregation, dem hl. Paul vom Kreuz folgend, pflegte er intensiv seine auf die Passion des Herrn ausgerichtete Spiritualität. Er widmete sich darüber hinaus vorbehaltlos dem seelsorgerischen Dienst an der ihm anvertrauten christlichen Gemeinde, wobei er sich ohne zu zögern der höchsten Prüfung des Martyriums stellte. In bulgarischer Sprache sagte der Papst: Bischof Bossilkov wurde somit der ganze Stolz der Kirche in seinem Vaterland. Als unerschrockener Zeuge des Kreuzes Christi ist er eines der vielen Opfer, die 456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das gegen die Kirche gerichtete Vemichtungsprogramm des atheistischen Kommunismus in Bulgarien und anderswo gefordert hat. In jenen Zeiten harter Verfolgung blickten viele auf ihn und zogen aus seinem beispielhaften Mut die Kraft, dem Evangelium bis zum Ende treu zu bleiben. Ich freue mich, an diesem Festtag für die bulgarische Nation all denen Ehre erweisen zu können, die wie Msgr. Bos-silkov ihr vorbehaltloses Festhalten an dem in der Taufe empfangenen Glauben mit dem Leben bezahlten. In italienischer Sprache sagte der Papst: Msgr. Bossilkov verstand es, auf wunderbare Weise seine Sendung als Priester und Bischof mit einem intensiven geistlichen Leben sowie einer beständigen Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Brüder zu vereinen. Er stellt sich uns heute als eine herausragende Persönlichkeit in der Kirche Bulgariens dar, nicht nur aufgrund seiner umfassenden Bildung, sondern auch wegen seiner beständigen Sorge um die Ökumene und seiner heldenhaften Treue zum Stuhl Petri. Als die Gegnerschaft des kommunistischen Regimes gegen die Kirche immer entschiedener und bedrohlicher wurde, wollte der sei. Bossilkov bei den Seinen bleiben, obgleich er wusste, dass er damit sein Leben aufs Spiel setzte. Er fürchtete sich nicht davor, dem Sturm der Verfolgung die Stirn zu bieten. Als er spürte, dass der Zeitpunkt der äußersten Prüfung herannahte, schrieb er dem Oberen seiner Ordensprovinz: „Ich habe den Mut zum Leben, und ich hoffe, ihn auch zu haben, um das Schlimmste zu erleiden, wenn ich Christus, dem Papst und der Kirche treu bleibe!“ {Brief XIV). Und so wurde dieser Bischof und Märtyrer, der sich sein ganzes Leben hindurch bemühte, ein getreues Abbild des guten Hirten zu sein, das in ganz besonderer Weise im Augenblick seines Todes, als er sein Blut mit dem des zum Heil der Welt geopferten Lammes vereinte. Welches strahlende Beispiel für uns alle, die wir dazu berufen sind, unsere Treue zu Christus und seinem Evangelium zu bezeugen! Welche große Ermutigung für all diejenigen, die auch heute noch um ihres Glaubens willen Unrecht und Unterdrückung erleiden! Möge das Beispiel dieses Märtyrers, den wir heute in der Herrlichkeit der Seligen betrachten, alle Christen mit Zuversicht und Glaubenseifer erfüllen, besonders jene der teuren bulgarischen Nation, die ihn nun als ihren himmlischen Schutzherm anrufen kann. 3. „Gnädig und barmherzig ist der Herr, voll Langmut und reich an Güte.“ Diese Worte, die uns die heutige Liturgie im Antwortpsalm vorstellt, gaben der heldenhaften Treue zum Evangelium, durch die sich die Ordensfrau und Gründerin der Ursulinen von der Unbefleckten Muttergottes, Brigida Morello, auszeichnet, Halt und Orientierung. All die Wechselfälle ihres ereignisreichen Lebens - zunächst als junge Frau, reich an menschlichen und geistlichen Tugenden, dann als treue und weise Gattin, später als christliche Witwe und schließlich als geweihte Person und Leiterin ihrer Mitschwestem - widerspiegeln in einzigartiger Klarheit die vertrau- 457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ensvolle Hingabe der neuen Seligen an die Barmherzigkeit Gottes, der „voll Langmut und reich an Güte“ ist. In einer solchen Schule lernte die sei. Brigida die grundlegende Lehre von der Liebe, die sich in der täglichen Hingabe im Dienst am Nächsten verschwendet. In einer Zeit, in der die Ideale der Frauen nur wenig Beachtung fanden, stellte die sei. Brigida, ohne viel Aufhebens davon zu machen, den Wert der Frau in Familie und Gesellschaft ins Licht. Voller Liebe zu Gott war sie immer bereit, ihr Herz und ihre Arme den bedürftigen Brüdern und Schwestern zu öffnen. Mit mystischen Gaben reich beschenkt, zu gleicher Zeit aber auch durch langes und schweres Leid geprüft, blieb sie für ihre Zeitgenossen unaufhörlich eine glaubwürdige Lehrerin spirituellen Lebens und ein bedeutendes Beispiel für eine bewundernswerte Verknüpfung zwischen geweihtem Leben und sozialem und erzieherischem Engagement. In ihren Schriften lädt sie beständig dazu ein, alles Vertrauen auf Gott zu setzen. Gern sagte sie: „Vertrauen, Vertrauen und ein großmütiges Herz! Gott ist unser Vater, und er wird uns nie verlassen!“ Ist diese Botschaft der neuen Seligen nicht von einzigartiger Aktualität? Diese unsere Schwester im Glauben, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wurde, erinnert uns kraftvoll daran, dass die Liebe zu Gott das Geheimnis jedes echten und wirkungsvollen sozialen Engagements zum Wohle der Brüder ist. In spanischer Sprache sagte der Papst: 4. Die erste Lesung aus dem Buch Exodus führt uns die Berufung und Sendung des Mose vor Augen, wobei sie dem typischen Schema der biblischen Berufungsberichte folgt: der Ruf Gottes, die Einwände der Auserwählten und das Zeichen des Schutzes und Wohlgefallens von Seiten Gottes. Diese Elemente erscheinen auch im Leben von Carmen Salles y Barangueras, der Gründerin der Missionarinnen von der Unbefleckten Empfängnis/Schulschwestem. Von Jugend auf bemühte sich die neue Selige, zu erkennen, was der Wille Gottes mit ihr vorhabe. Verschiedenste religiöse Erfahrungen ließen sie entdecken, es sei ihre Sendung in der Kirche, das Gute unter Kindern und Jugendlichen zu verbreiten, um sie vor drohenden Übeln zu bewahren, sowie Frauen mit einer Kultur und Ausbildung auszurüsten, die es ihnen gestatte, sich ihrer Würde angemessen in die Gesellschaft einzugliedem. Sie widmete sich der Erziehung von Frauen und meisterte zahlreiche Schwierigkeiten im Bewusstsein, ein „unnützes Werkzeug in den Händen der Unbefleckten Muttergottes“ zu sein: Sie unternahm wagemutige Projekte, die im Gebet und durch Beratung mit gut ausgebildeten Personen gereift waren, wobei sie in festem Vertrauen wiederholte: „Vorwärts, immer vorwärts. Gott wird vorsehen.“ Als an inneren Werten reiche Frau, gründete sie ihr Leben und Werk auf eine christozentrische und marianische Spiritualität, genährt von echter, diskreter Frömmigkeit. Ihr von den Konzeptionisten geprägtes Charisma, Zeichen der Liebe des Herrn zu seinem Volk, lebt heute fort im Zeugnis ihrer Schwestern, die als Missionarinnen in Schulen und Gymnasien mit Eifer unterrichten. 458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In italienischer Sprache sagte der Papst: 5. „Kehrt um, spricht der Herr; das Himmelreich ist nahe“ (Ruf vor dem Evangelium; vgl. Mt 4,17). Der Abschnitt aus dem Evangelium des heutigen dritten Sonntags in der Fastenzeit unterstreicht das grundlegende Thema dieser „handfesten“ Zeit des Kirchenjahres: die Einladung zu Umkehr und würdigen Werken der Buße. Die drei neuen Seligen, die uns heute zur Verehrung vorgestellt werden, verstanden es, diese anspruchsvolle Aufforderung anzunehmen. Es war für sie kein leichter Weg. Sie mussten in der Tat Prüfungen und Widerwärtigkeiten standhalten; aber sie taten es immer in dem Bewusstsein, den göttlichen Willen bis zum Äußersten zu erfüllen. Sie kämpften gegen das Böse, indem sie das Gute taten. So wurden sie durch Wort und Beispiel zu glaubwürdigen Zeugen für ihre Zeitgenossen. Dank ihrer Hilfe nahmen viele Menschen Christus und seine Frohbotschaft vom Heil an. In unserer Zeit, die sich nunmehr mit großen Schritten dem dritten Jahrtausend nähert, möge uns das Leben dieser unserer herausragenden Geschwister im Glauben als Ansporn dienen, dem Herrn auf dem schwierigen, aber zugleich lichtreichen Weg der Treue zu Christus treu zu folgen. Amen. Gott in Christus ist das Heil der sündigen Welt — Priester sind Sendboten des göttlichen Offenbarungsglaubens Ansprache bei der Sonderaudienz für die Regenten und Direktoren der Priesterseminare im deutschsprachigen Raum am 17. März Liebe Brüder im Priesteramt! 1. Herzlich begrüße ich euch im Apostolischen Palast und versichere euch, dass ich eurer Bitte um diese Begegnung gern entsprochen habe. In diesem Jahr habt ihr Rom als Ort für eure Konferenz ausgewählt, um in der Nähe der Apostelgräber den brüderlichen Austausch zu pflegen und das Gespräch mit Vertretern des Hl. Stuhls zu suchen. „Kommt und seht!“ (Joh 1,39) Diese Einladung hat Jesus einst gegenüber den beiden Jüngern des Johannes ausgesprochen, die danach fragten, wo er wohne. Gerade diejenigen, denen Verantwortung in der Priesterausbildung übertragen wurde, sind dazu aufgerufen, diese Szene im Auge zu behalten, die sich in den Berufungsgeschichten auch unserer Tage gleichsam wiederholt. Euch kommt dabei die Rolle zu, die damals Andreas gegenüber seinem Bruder Simon spielte: Er hat die Begegnung mit Jesus angeregt und vermittelt. Denn „er führte ihn zu Jesus“ (Joh 1,42). Auch ihr seid dazu aufgerufen, in den euch anvertrauten jungen Menschen das Entstehen und Heranreifen einer innigen Christusbeziehung zu fördern. Was das Studium der Theologie Grund legt, braucht eine Verankerung im Herzen. Wichtige Mittel dabei sind Gebet und Liturgie, die Betrachtung der Heiligen Schrift und das 459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dabei helfen mögen, das zu vertiefen, was ihnen die Kirche durch die sakramentalen Zeichen übertragen wird. In meinen Gedanken hallen die Worte nach: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Liebe Brüder, die ihr gleich zur Gnade des Episkopates erhoben werdet, dieses Geheimnis der Liebe manifestiert sich heute vor euren Augen mit außerordentlicher Beredtheit. Ihr seid dazu berufen, dieses Geheimnisses in noch anspruchsvollerer Form teilhaftig zu werden. Gott beruft euch, seine engsten Mitarbeiter im universalen Heilsplan zu werden. Er vertraut euch seinen Sohn an, der in der Kirche lebt, so wie er einst im Haus von Nazaret lebte; er vertraut euch den Retter der Welt und sein Heilswerk an. In eurer Jugend hat euch der Herr durch die Gnade des Priestertums ein besonderes Amt in der Kirche verliehen. Heute, da ihr menschlich gereift seid, wird euch dank des Heiligen Geistes die Fülle des Weihesakraments mitgeteilt, kraft derer ihr auf neue Weise und mit größerer Verantwortung in den Dienst des Erlösers der Menschen, des höchsten und ewigen Mittlers und Hirten aller Seelen, gestellt werdet. Die Kirche betet für und mit euch, damit diese eure Sendung zur Quelle unzähliger Wohltaten für all diejenigen werde, zu denen ihr gesandt seid. Dies erbitten wir durch die Fürsprache des hl. Josef; ihm vertrauen wir euer Amt an, dessen eingedenk, dass in der Fülle der Zeit der himmlische Vater seinen Sohn und die Jungfrau und Mutter unter Josefs Schutz stellte. Der hl. Josef erwirke für euch die überreiche Ausgießung des Heiligen Geistes. 3. Es ist der Geist des Herrn, der euch mit der Kraft seiner Liebe weiht. Der Papst setzte die auf italienisch begonnene Predigt auf englisch fort: Er weiht dich, lieber Prälat Harvey, aus der Erzdiözese Milwaukee, in den Vereinigten Staaten von Amerika, der du mir viele Jahre lang ein treuer Mitarbeiter im Staatssekretariat warst. Jetzt, als Präfekt des Päpstlichen Hauses, wirst du dich den täglichen Audienzen und Begegnungen widmen. Ein überaus bedeutsamer und wertvoller Dienst in diesen Jahren, die uns hin zum Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend führen. und sagte auf polnisch: Der Geist des Herrn weiht dich, lieber Prälat Stanislaw Dziwisz aus meiner Erzdiözese Krakau. Vor nunmehr 35 Jahren habe ich selbst dich in der Wawel-Kathedrale zum Priester geweiht, und drei Jahre später ernannte ich dich zu meinem Kaplan. Seit Beginn meines Petrusamtes stehst du mir als treuer Sekretär zur Seite und teilst mit mir Leiden und Freuden, Hoffnungen und Sorgen. Als Beigeordneter Präfekt wirst du dem Päpstlichen Haus deine große Erfahrung schenken zum Nutzen all derer, die sich aufgmnd ihres Amtes oder als Pilger zum Nachfolger Petri begeben. 462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schließlich wieder auf italienisch: Der Heilige Geist weiht dich, lieber Prälat Piero Marini, aus der Diözese Piacenza-Bobbio, der du seit Jahren mein Zeremonienmeister bist. Durch diese Aufgabe bist du mir in den heiligsten Momenten nahe; du hast diese liturgische Aufgabe, die ich dir anvertraut habe, immer mit bemerkenswerter Hingabe erfüllt, wobei du mich treu überall dahin begleitet hast, wohin mich mein Petrusamt geführt hat. Die Bischofswürde wird deine Sensibilität und deinen Eifer mit Sicherheit noch weiter vervollkommnen zur Ehre Gottes und zur geistlichen Erbauung der Gläubigen. 4. Liebe Brüder James, Stanislaw und Piero, am Tag eurer Weihe komme auf euch die Fülle der göttlichen Gnade herab. Ihr seid heute auf die Fürbitte des hl. Josef hin sozusagen geistlich unter das Dach des Hauses von Nazaret aufgenommen, um am Leben der Heiligen Familie teilzuhaben. Möget ihr ebenso wie der hl. Josef all denen treu dienen, die der Herr einem jeden von euch in der Kirche und insbesondere im Umfeld des Apostolischen Stuhls anvertraut. „O felicem virum, beatum Joseph, cui datum est Deum ... non solum videreet audire, sed portare, de osculari, vestire et custodire!“ [Glücklicher Mann, sei. Josef, dem es gegeben, Gott ... nicht nur zu sehen und zu hören, sondern auch auf dem Arm zu tragen, zu küssen, zu kleiden und zu beschützen!] Dir, hl. Josef, stiller und treuer Diener des Herrn, empfehlen wir diese Brüder und ihren beginnenden Dienst als Bischöfe an. Steh ihnen bei, beschütze sie, stärke sie zusammen mit Maria, deiner Gattin und jungfräulichen Mutter des Erlösers. Amen! Gegenseitiges Verstehen fördern Grußwort bei der Audienz für das Internationale Katholisch-Jüdische Verbindungskomitee am 26. März Liebe Freunde! Mit Freude heiße ich Sie, die Mitglieder des Katholisch-Jüdischen Verbindungskomitees, bei Ihrem sechzehnten Treffen in Rom willkommen. Ihr Komitee hat durch die Pflege der theologischen Reflexion und des Dialogs über wichtige religiöse und soziale Themen viel zu förderlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften beigetragen. Die „Gemeinsame Erklärung“ als Ergebnis Ihrer letzten Konferenz zeigte bedeutende Annäherungen im katholischen und jüdischen Verständnis der Familie, der Grundlage der Gesellschaft. Sie haben die biblische Sicht der Schöpfung Gottes untersucht mit ihren Konsequenzen hinsichtlich der Achtung der menschlichen Person und unserer Verantwortung für die natürliche Umwelt. Der Fortschritt, den Sie bereits gemacht haben, zeigt, wie ungeheuer vielversprechend die Fortsetzung des Dialogs zwischen Juden und Katholiken ist. Aber Ihre Arbeit ist auch ein eindrucksvolles Hoffnungszeichen für eine von Konflikt und Zerwürfnis gekennzeichnete Welt, die nur zu oft im Namen von wirtschaftlichem 463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder politischem Vorteil geschürt werden. Sich auf einen echten Dialog einlassen, der seine Wurzeln in aufrichtiger Liebe zur Wahrheit und in Offenheit gegenüber allen Gliedern der Menschheitsfamilie hat, das bleibt der erste und unerlässliche Weg zu der Versöhnung und dem Frieden, deren die Welt bedarf. Wenn Gläubige die Geschehnisse in der Überzeugung betrachten, dass letztlich alles von der Göttlichen Vorsehung geleitet wird, dann werden sie sicherlich einander näherkommen in der Eintracht, die der Psalmist mit dem kostbaren, auf das Haupt Aarons ausgegossenen Salböl und mit dem auf den Berg Sion niederfallenden Tau vergleicht (vgl. Ps 133). Liebe Freunde, möge Ihr jetziges Treffen noch wirksamere Wege ausfindig machen, damit bei Katholiken und Juden gleicherweise die bedeutenden Fortschritte im gegenseitigen Verstehen und in der Zusammenarbeit bekannt und gewürdigt werden, die zwischen unseren beiden Gemeinschaften zustande gekommen sind. Von Herzen rufe ich über Sie und Ihre wichtige Arbeit den reichen Segen Gottes herab. Mit Christus wird das Holz des Kreuzes zum Baum des Lebens Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen der Diözese Rom auf dem Platz vor der Lateranbasilika am 2. April 1. „Nimm dein Kreuz auf dich!“ Liebe Jugendliche von Rom! Die Worte des Mottos unseres heutigen Treffens verweisen auf die Worte Jesu, die gerade verkündet wurden: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Diese Worte ermöglichen, den Wert und die Bedeutung dieser Feier in Erwartung des Kreuzes zu verstehen. Wie ihr wisst, kommt das Kreuz der Weltjugendtage, das ich selbst zum Abschluss des Heiligen Jahrs der Erlösung 1984 den Jugendlichen übergeben hatte, jetzt wieder nach Rom. Nachdem es durch verschiedene Kontinente gepilgert ist, kehrt es in unsere Stadt, an den Mittelpunkt der christlichen Welt zurück. Nächsten Sonntag, am Schluss der Palmsonntagsmesse, wird auf dem Petersplatz eine Vertretung der Jugendlichen von Paris das Kreuz an einige italienische Jugendliche übergeben. Das wird den Beginn der Vorbereitung auf den Weltjugendtag 2000 anzeigen, der hier in Rom, im Rahmen des Jubeljahrs stattfinden wird. Jedem von euch, liebe Jugendliche von Rom, die ihr hier versammelt seid, gilt mein herzlicher Gruß. Mit euch richte ich einen ganz herzlichen Willkommensgruß an die jungen Franzosen, die für diese Übergabe hierher gereist sind, sowie an die fünfhundert Vertreter der italienischen Diözesen. Ich begrüße den Kardinalvikar und danke ihm für die Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich danke allen, die diesen festlichen Nachmittag vorbereitet haben, und denen, die 464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daran teilnehmen und ihn mit ihren Erfahrungsberichten und ihren künstlerischen Darbietungen bereichern. Mein Gruß gilt auch denen, die über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. 2. Wir feiern also die Ankunft des Kreuzes, eures Kreuzes! Das Kreuz will zuallererst im Herzen aufgenommen und dann ins Leben übertragen werden. Um uns gegenseitig daran zu erinnern, haben wir uns heute auf diesem Platz getroffen: zwischen der Scala Santa, die auf die Passion Christi hinweist, und der nahegelegenen Kirche Santa Croce in Gerusalemme, wo die Reliquie des Kreuzes verehrt wird. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Christen zum Kreuz bekannt: Wie sollten wir Gott nicht dafür danken? Und ihr, Jugendliche von Rom, seid Zeugen dafür, dass auch im Laufe der Stadtmission die vom Kreuz ausgehende Botschaft von Tod und Auferstehung zur Verkündigung der Hoffnung wird, die aufrüttelt und tröstet, die den Geist stärkt und dem Herzen Frieden bringt. Wie aktuell klingen doch die Worte Jesu: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32) und: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37)! Heute wollen wir das Evangelium vom Kreuz, das heißt das Evangelium von Jesus, der für die Vergebung der Sünden gestorben und auferstanden ist, kraftvoll verkünden. Diese heilbringende Botschaft, die den Gläubigen das ewige Leben versichert, erklingt seit dem Ostertag unaufhörlich in der Welt. Es ist die frohe Botschaft, die mit den Aposteln Petrus und Paulus in unsere Stadt Rom gekommen ist und sich von hier aus in vielen Teilen Europas und der ganzen Welt verbreitet hat. 3. Zu Recht, liebe Jugendliche, können wir behaupten, dass das Kreuz in Rom zu Hause ist. Rom ist gewissermaßen die Stadt des Kreuzes, denn hier wurde es von vielen Märtyrern und Heiligen der Vergangenheit und Gegenwart verkündet und gelebt; dadurch hat es die Geschichte der Stadt geschrieben und besiegelt. Das Kreuz ist sogar im Namen Roms präsent, wenn auch nur verhüllt. Wenn wir das Wort „Roma“ in umgekehrter Richtung lesen, sprechen wir „Amor“ aus. Ist das Kreuz nicht die Botschaft der Liebe Christi, des Gottessohnes, der uns so geliebt hat, dass er sich ans Holz des Kreuzes nageln ließ? Ja, das Kreuz ist der erste Buchstabe von Gottes Alphabet. 4. Wie das Kreuz der Stadt Rom nicht fremd ist, so ist es auch dem Leben jedes Mannes und jeder Frau aus allen Altersgruppen, Völkern und sozialen Schichten nicht fremd. Im Laufe dieses Treffens habt ihr verschiedene, mehr oder wenige berühmte Menschen kennen gelernt. Auf unterschiedliche Weise begegneten und begegnen sie dem Geheimnis des Kreuzes; sie sind davon berührt und irgendwie geprägt worden. Ja, das Kreuz ist ins Leben des Menschen eingeschrieben. Es aus unserem Dasein ausschließen zu wollen bedeutet gewissermaßen, die Realität der menschlichen Befindlichkeit ignorieren zu wollen. Ja, so ist es! Wir sind für das Leben geschaffen, und doch können wir Leiden und Prüfungen nicht aus unserer persönlichen Geschichte ausschalten. Erfahrt nicht auch ihr, liebe Jugendliche, je- 465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Tag die Realität des Kreuzes? Wenn es in der Familie an Eintracht fehlt, wenn die Schwierigkeiten im Studium überhandnehmen, wenn die Gefühle nicht erwidert werden, wenn der Eintritt in die Arbeitswelt unmöglich scheint, wenn Pläne zur Familiengründung aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden müssen, wenn man mit Krankheit oder Einsamkeit zu kämpfen hat oder Gefahr läuft, in eine gefährliche Werteleere zu fallen, spricht dann nicht das Kreuz zu euch? Eine weitverbreitete Kultur des Vergänglichen, die nur den Dingen einen Wert zuschreibt, die schön aussehen und einem gefallen, will euch einreden, dass das Kreuz beseitigt werden muss. Diese kulturelle Mode verspricht Erfolg, rasche Karriere und Selbstbestätigung um jeden Preis; sie fordert zu einer verantwortungslos gelebten Sexualität auf und zu einer planlosen Existenz ohne Rücksicht auf die anderen. Flaltet die Augen gut offen, liebe Jugendliche; dieser Weg führt nicht zur Freude und zum Leben, sondern er verirrt sich in Sünde und Tod. Jesus sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ {Mt 16,24-25). Jesus macht uns keine falschen Hoffnungen. Mit der Wahrheit seiner Worte, die hart klingen, aber das Herz mit Frieden erfüllen, offenbart er uns das Geheimnis des wahren Lebens. Er hat die Befindlichkeit und das Los des Menschen angenommen und so die Sünde und den Tod überwunden. Durch seine Auferstehung hat er das Kreuz von einem Baum des Todes zu einem Baum des Lebens umgewandelt. Er ist der „Gott mit uns“; Christus ist der „Gott mit uns“, der Immanuel, der gekommen ist, unser ganzes Dasein mit uns zu teilen. Er lässt uns am Kreuz nicht allein. Jesus ist die treue Liebe, die einen nicht im Stich lässt und die die Nacht in einen Morgen der Hoffnung verwandeln kann. Wenn man das Kreuz annimmt, bewirkt es Heil und vermittelt Frieden, wie so viele schöne Zeugnisse von jungen Gläubigen beweisen. Ohne Gott erdrückt uns das Kreuz; mit Gott erlöst und rettet es uns. 5. All das ist, wie ihr wisst, möglich durch das Sakrament der Taufe, das uns tiefinnerlich mit dem für uns gestorbenen und auferstandenen Christus verbindet und uns den Heiligen Geist gibt, den Geist der Liebe, der aus dem Ostergeheimnis hervorgegangen ist und in Fülle über alle ausgegossen wird, die ihre Taufe durch das darauffolgende Sakramente der Firmung bekräftigen. Auf der „Piazza San Giovanni“, in der Nähe eines der berühmtesten Baptisterien der Welt, möchte ich daran erinnern, dass die Taufe zu leben auch bedeutet, das Kreuz in Glauben und Liebe anzunehmen, und zwar nicht nur in seiner Bedeutung als Prüfung, sondern auch in seiner davon untrennbaren Dimension des Heils und der Auferstehung. Deshalb ist es richtig, dass wir heute auf diesem Platz vor der Kathedrale von Rom in Erwartung des Kreuzes ein Fest feiern. Im Herzen der Stadtmission - deren Thema lautet „Öffne die Tür für Christus, deinen Erlöser“ - möchten wir jedem Einwohner unserer Stadt Zurufen: „Nimm das Kreuz!“; nimm es auf, lass dich nicht von den Ereignissen erdrücken, sondern überwinde mit Christus das Böse und den Tod! Wenn du das Evangelium vom Kreuz zu deinem Lebensplan machst, 466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn du Jesus bis ans Kreuz folgst, dann wirst du dich selbst in ganzer Fülle wiederfinden! Liebe Jugendliche! Zum Abschluss dieses eindrucksvollen Treffens nehmt euer Kreuz, und tragt es als Botschaft der Liebe, der Vergebung und des missionarischen Einsatzes auf die Straßen Roms, in die verschiedenen Regionen Italiens und in alle Teile der Welt. Dabei begleite euch Maria, die zusammen mit dem Apostel Johannes treu unter dem Kreuz geblieben ist; es mögen euch die zahlreichen römischen Heiligen und Märtyrer beschützen. Auch ich bin euch mit meinem Gebet nahe und segne euch alle von ganzem Herzen. Zum Schluss sagte der Papst ganz spontan: Als ich diese Fahnen und Fahnenschwinger gesehen habe, dachte ich sofort an Siena. Der Kardinal hat mir aber dann gesagt, dass sie nicht aus Siena, sondern aus Rom sind. Einen Augenblick lang habe ich gedacht: Vielleicht kommt auch die hl. Katharina von Siena nach Rom, vielleicht hat sich der Papst nicht gut betragen, und sie kommt erneut, um ihn wie einen Sohn zu belehren, aber es ist - wie man sieht -nicht so schlimm. Aber im Grunde genommen hätte ich - auch wenn die hl. Katharina käme - mit so vielen Jugendlichen keine Angst. Gelobt sei Jesus Christus! Frohe Ostern! Auf Wiedersehen am Sonntag! „Der Heilige Geist wird euch alles lehren“ (vgl. Joh 14,26) Botschaft vom 30. November 1997 an die Jugendlichen der Welt zum 13. Weltjugendtag am Palmsonntag 1998, 5. April Liebe Jugendliche! 1. „Ich danke meinem Gott jedes mal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag bis jetzt. Ich vertraue darauf, daß er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird, bis zum Tag Christi Jesu“ (Phil 1,3-6). Ich grüße euch mit diesen Worten des Apostels Paulus, „weil ich euch ins Herz geschlossen habe“ (ebd. 7). Ja, wie ich es euch beim letzten unvergesslichen Weltjugendtag in Paris versichert habe, denkt der Papst an euch und liebt euch. In Gedanken ist er jeden Tag liebevoll bei euch und begleitet euch im Gebet; er vertraut euch und zählt auf euch, auf euren christlichen Einsatz und eure Zusammenarbeit für die Sache des Evangeliums. 2. Wie ihr wisst, hat am ersten Adventssonntag das zweite Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum begonnen. Es ist „in besonderer Weise dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Gegenwart in der Gemeinschaft der Jünger Christi ge- 467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN widmet“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 44). Im Hinblick auf den nächsten Weltjugendtag, lade ich euch ein, in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche auf den Geist des Herrn zu schauen, der das Antlitz der Erde erneuert (vgl. Ps 104[103],30). „Die Kirche kann sich auf das zweitausendjährige Jubiläum ,in keiner anderen Weise als im Heiligen Geist vorbereiten. Was ,in der Fülle der Zeit“ durch das Wirken des Heiligen Geistes geschah, kann heute nur durch sein Wirken im Gedächtnis der Kirche neu erwachen“. Es ist in der Tat der Geist, der die von Christus den Menschen gebrachte einzige Offenbarung in der Kirche aller Zeiten und aller Orte aktualisiert, indem er sie im Herzen eines jeden lebendig und wirksam werden läßt“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 44). Ich hielt es daher für angebracht, euch für den nächsten Weltjugendtag folgende Worte Jesu zum Nachdenken und zur Meditation vorzulegen: „Der Heilige Geist wird euch alles lehren“ (vgl. Joh 14,26). Unsere zeit erscheint orientierungslos und durcheinander; bisweilen scheint sie sogar nicht einmal mehr die Grenzen zwischen Gut und Böse zu kennen; sie lehnt Gott ab, weil sie ihn offensichtlich nicht kennt oder nicht richtig kennt. In dieser Situation ist es daher wichtig, sich in Gedanken in den Abendmahlssaal zu begeben, um das Geheimnis von Pfingsten zu empfangen (vgl. Apg 2,1-11) und sich vom Geist Gottes „lehren zu lassen“, indem man sich ergeben und demütig in seine Schule begibt, um jene „Weisheit des Herzens“ (vgl. Ps 90[89],12) zu gewinnen, die unser Leben trägt und nährt. Die Dinge sehen und annehmen, wie Gott sie sieht, an Gottes Sicht der Welt und dem Menschen teilhaben, wie es im Psalm heißt: „In deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36[35],10). Dieses „Licht des Glaubens“ in uns ist ein Strahl des Lichts des Heiligen Geistes. In der Pfingstsequenz beten wir: „Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund.“ Jesus betonte immer wieder das geheimnisvolle Wirken des Heiligen Geistes: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8). Soll man daher aufgeben, ihn zu verstehen? Jesus lehrt uns gerade das Gegenteil, wenn er uns versichert, dass der Geist selbst uns „in die ganze Wahrheit“ (Joh 16,13) einführen wird. 3. Wer in und mit der Kirche das Geheimnis von Ostern und Pfingsten meditiert, dem wird ein außerordentliches Licht über die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit zuteil werden. Jesus ist „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (vgl. Röm 1,4). Nach der Auferstehung erwärmt die Gegenwart des Meisters das Herz der Jünger. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust...?“ (Lk 24,32), sagten sie auf dem Weg nach Emmaus. Sein Wort hat sie erleuchtet: Nie zuvor hatten sie so entschieden und inbrünstig ausgemfen: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Er heilt sie von ihrem Zweifel, ihrer Betrübnis, ihrer Mutlosigkeit, ihrer Angst, ihrer Sünde; er 468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schenkt ihnen eine neue Brüderlichkeit, eine unvorhergesehene Gemeinschaft mit dem Herrn und mit den Brüdern tritt an die Stelle von Abschottung und Einsamkeit: „Geh ... zu meinen Brüdern“ (Joh 20,17). Während des öffentlichen Auftretens Jesu konnten seine Worte und Taten nur wenige tausend Menschen einer ganz bestimmten Zeit und einer ganz bestimmten Region erreichen. Nur kennen dieselben Worte und dieselben Taten keine räumlichen oder kulturellen Grenzen mehr. „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird“ (vgl. Lk 22,19-20): Es genügt, wenn seine Apostel dies „zu seinem Gedächtnis“ tun, wie er es ausdrücklich gewollt hat Denn in der Eucharistie ist er überall auf der Welt mit seinem Fleisch und mit seinem Blut wahrhaft gegenwärtig. Es reicht, wenn sie das Zeichen der Vergebung und der Heilung wiederholen, denn Er ist es, der vergibt: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ (Joh 20,23). Als Jesus noch bei ihnen war, hatte er Eile, war er besorgt um den Ablauf von Fristen: „Meine Zeit ist noch nicht gekommen“ (Joh 7,6); „noch kurze Zeit ist das Licht bei euch“ (Joh 12,35). Nach der Auferstehung ist seine Beziehung zur Zeit nicht mehr dieselbe wie vorher, seine Gegenwart dauert fort: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Diese tiefgreifende Verwandlung, Ausweitung und Dauer der Gegenwart unseres Herrn und Erlösers ist Werk des Heiligen Geistes. 4. Und wenn der auferstandene Christus seine Gegenwart im Leben der Menschen kundtut und ihnen seinen Geist schenkt (vgl. Joh 20,22), dann ändert sie sich vollkommen, obwohl sie dieselben bleiben; ja sie werden erst richtig sie selbst. Das Beispiel des Apostels Paulus ist besonders bezeichnend: das Licht, das ihn auf dem Weg nach Damaskus umstrahlte, hat ihn so frei gemacht, wie er es nie zuvor gewesen war; frei in der wahren Freiheit, in der Freiheit des Lebenden, vor dem er zu Boden stürzte (vgl. Apg 9,1-30)! Vor dem Hintergrund der gemachten Erfahrung konnte er dann an die Christen von Rom schreiben: „Jetzt, da ihr aus der Macht der Sünde befreit und zu Sklaven Gottes geworden seid, habt ihr einen Gewinn, der zu eurer Heiligung führt und das ewige Leben bringt“ (Röm 6,22). Was Christus in den drei Jahren des Zusammenlebens mit seinen Jüngern begonnen hat, führt die Gabe des Geistes zur Vollendung. Der Glaube der Apostel war zunächst unvollkommen und schwankend, aber danach ist er fest und fruchtbringend: er lässt Lahme gehen (vgl. Apg 3,1-10), vertreibt die unreinen Geistern (vgl. Apg 5,16). Sie, die einst aus Angst vor dem Volk und vor den religiösen Führern zitterten, treten freimütig im Tempel vor der versammelten Menge auf und fordern den Hohen Rat heraus (vgl. Apg 4,1-14). Petrus, den eine Frau mit ihren Anschuldigungen zur dreifachen Verleugnung getrieben haben (vgl. Mk 14,66-72), erweist sich nun als der „Fels“, wie Jesus ihn gewollt hatte (vgl. Mt 16,18). Und auch die anderen Apostel, die bis zu jener Zeit aus Ehrgeiz zum Streit neigten (vgl. Mk 9,33), sind nun in der Lage, „ein Herz und eine Seele“ und alles gemeinsam zu besitzen (vgl. Apg 4,32). Sie, die so unvollkommen und nur schwerfällig von Jesus 469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Beten, Lieben und Missionieren gelernt hatten, beten und lieben nun wirklich und sind zu wahren Aposteln geworden. Dies ist das Werk, hat der Geist Jesu in seinen Aposteln vollbracht! 5. Was in der Vergangenheit geschah, ereignet sich auch heute in den christlichen Gemeinschaften. Durch das Wirken Dessen, der ist, im Herzen der Kirche erreicht und verwandelt uns das „lebendige Gedächtnis“ Christi (vgl. Joh 14,26), das österliche Geheimnis Jesu. Der Heilige Geist lässt uns durch die sichtbaren, hörbaren und greifbaren Zeichen der Sakramente die verklärte Menschheit des Auferstandenen sehen, hören anfassen. Das Pfingstgeheimnis als Gabe des Geistes an jeden verwirklicht sich in bevorzugter Weise in der Firmung, dem Sakrament des christlichen Wachstums und der spirituellen Reife. Die Firmung bewirkt in jedem Gläubigen eine Vertiefung der Taufgnade und gliedert ihn in die messianische und apostolische Gemeinschaft ein; sie „bestärkt“ ihn in jener Vertrautheit mit dem Vater und mit Christus, der ihn als Zeugen und Protagonisten des Heilswerkes will. Der Heilige Geist verleiht dem Christen - dessen Leben andernfalls einzig und allein der Anstrengung, der Regel und sogar der äußeren Anpassung unterworfen wäre - Bereitschaft, Freiheit und Treue: Denn er ist der „Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,2). Wie könnte man ohne ihn verstehen, dass Christi Joch sanft und leicht ist (vgl. Mt 11,30)? Der Heilige Geist macht kühn, treibt, die Herrlichkeit Gottes im täglichen Leben und in der täglichen Arbeit zu betrachten. Er treibt, das Geheimnis Christi in der Liturgie zu erfahren, das Wort Gottes im ganzen Leben nachklingen zu lassen in der Sicherheit, dass es immer etwas Neues zu sagen hat; erhilft, sich trotz der Angst zu versagen für immer zu verpflichten, Gefahren auf sich zu nehmen und die Barrieren zwischen den Kulturen zu überwinden, um das Evangelium zu verkünden, sich unermüdlich für die ständige Erneuerung der Kirche einzusetzen, ohne sich deshalb über andere zu erheben. 6. In seinem Brief an die Christen von Korinth besteht Paulus auf der grundlegenden Einheit der Kirche Gottes, die mit der organischen Einheit des menschlichen Leibes in der Verschiedenheit seiner Glieder vergleichbar ist. Liebe Jugendliche, ihr macht jedes Mal, wenn ihr euch, insbesondere zur Feier der Eucharistie, versammelt, eine wertvolle Erfahrung der Einheit der Kirche im Reichtum und in der Verschiedenheit. Der Geist führt die Menschen dazu, sich zu verstehen, sich gegenseitig anzunehmen, sich als Kinder Gottes und Brüder zu erkennen, über alle Unterschiede von Kultur und Rasse hinaus dieselbe Sprache zu sprechen. Wenn ihr aktiven und hochherzig am Leben der Pfarreien, Bewegungen und Verbände teilnehmt, erfahrt ihr, wie die Charismen des Geistes euch helfen, Christus zu begegnen, zu einer größeren Vertrautheit mit ihm zu gelangen, die kirchliche Gemeinschaft konkret zu leben und zu verkosten. 470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn man von der Einheit spricht, so muss man mit Schmerz an die gegenwärtige Trennung unter den Christen denken. Deshalb stellt der Ökumenismus eine der vorrangigen und dringenden Aufgaben der christlichen Gemeinschaft dar: „In diesem letzten Abschnitt des Jahrtausends muß sich die Kirche tiefbetrübt und mit inständiger Bitte an den Heiligen Geist wenden und von ihm die Gnade der Einheit der Christen erflehen ... Wir sind uns freilich alle bewußt, daß die Erreichung dieses Zieles nicht allein Frucht menschlicher Anstrengungen sein kann, auch wenn diese unerläßlich sind. Die Einheit ist schließlich Gabe des Heiligen Geistes ... Das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends spornt alle zu einer Gewissensprüfung und zu passenden ökumenischen Initiativen an“ (Tertio millennio adve-niente, Nr. 34). Ich vertraue euch, liebe Jugendliche, diese Sorge und diese Hoffnung als Verpflichtung und als Aufgabe an. Es ist wiederum der Heilige Geist, der die evangelisierende Sendung der Kirche belebt. Vor der Himmelfahrt hatte Jesus zu den Aposteln gesagt: „... ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Seitdem setzen die Jünger Jesu auf Antrieb des Heiligen Geistes ihren Weg auf den Straßen der Welt fort, um allen Menschen das Wort vom heil zu verkünden. Zwischen Erfolgen und Fehlschlägen, zwischen Größe und Armseligkeit, erkennt die Kirche in der Kraft des heiligen Geistes, der in der menschlichen Schwachheit wirkt, den ganzen Umfang ihrer universalen Sendung und ihre Verantwortung. Um sie erfüllen zu können, appelliert sie auch an euch, an eure Hochherzigkeit und eure Bereitschaft gegenüber dem Geist Gottes. 7. Die Gabe des Geistes macht für alle das alte Gebot Gottes an sein Volk aktuell und erfüllbar: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2). Heilig zu werden, scheint ein hochgestecktes Ziel, das nur ganz außergewöhnlichen Menschen Vorbehalten ist oder nur für den gilt, der außerhalb des Lebens und der Kultur seiner Epoche leben will. Heilig zu werden, ist hingegen Gabe und Aufgabe, die in der Taufe und in der Firmung wurzelt, die allen Gläubigen aller Zeiten in der Kirche aufgegeben ist. Sie ist Gabe und Aufgabe der Laien, der Ordensleute und der Amtsträger; sie stellt sich im Privatleben, im öffentlichen Einsatz, im Leben des einzelnen, im Leben der Familie und der Gemeinde. Doch innerhalb dieser gemeinsamen Berufung, die von allen verlangt, sich nicht der Welt anzupassen, sondern dem Willen Gottes (vgl. Röm 12,2), gibt es verschiedene Lebensstände und mannigfaltige Berufungen und Aufgaben. Die Gabe des Geistes bildet die Grundlage der Berufung eines jeden. Sie ist die Wurzel des Weiheamtes des Bischofs, des Priesters und des Diakons, die im Dienst des kirchlichen Lebens stehen. Wiederum ist es Er, der die Seelen der zu einem Leben der besonderen Weihe Berufenen formt und gestaltet, in dem er sie dem armen, keuschen und gehorsamen Christus gleichförmig macht. Aus demselben Geist, der durch das Sakrament der Ehe die Verbindung der Gatten umhüllt und weiht, schöpfen die Eltern Kraft für ihre Sendung. Sie sollen die Familie zur ersten 471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und grundlegenden Verwirklichung der Kirche machen. Aus der Gabe des Geistes nähren sich schließlich die vielen anderen Dienste - der christlichen Erziehung und der Katechese, der Krankenpflege und der Sorge um die Armen, der Förderung des Menschen und der Übung der Nächstenliebe -, die auf den Aufbau und die Beseelung der Gemeinschaft hingeordnet sind. Denn jedem „wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (7 Kor 12,7). 8. Deshalb hat jeder unweigerlich die Pflicht, Tag für Tag den weiten Weg zu suchen und zu erkennen, auf dem der Herr sich persönlich begegnen lässt. Liebe Freunde, stellt euch ernsthaft die Frage nach euer Berufung, und seid bereit, dem Herrn, der euch auf einen Platz ruft, den er euch von Ewigkeit her bereitet hat, zu antworten. Die Erfahrung lehrt, dass die Gestalt des geistlichen Begleiters bei diesem Werk der Unterscheidung von großer Hilfe ist: wählt euch eine fachkundige und von der Kirche empfohlene Person, die auch zuhört und euch auf eurem Lebensweg begleitet, die euch in den schwierigen Entscheidungen und in den Augenblicken der Freude zur Seite steht. Der geistliche Begleiter wird euch helfen, die Eingebungen des Heiligen Geistes zu erkennen und auf dem Weg der Freiheit voranzukommen: einer Freiheit, die durch einen geistigen Kampf zu erringen (vgl. Eph 6,13-17) und in Beharrlichkeit und Ausdauer zu bewahren ist. Die Erziehung zum christlichen Leben beschränkt sich nicht auf die Förderung der geistlichen Entwicklung des einzelnen, auch wenn die Hinführung zu einem festen und regelmäßigem Gebetsleben der Anfang und das Fundament des Baus bleibt. Der vertraute Umgang mit dem Herrn führt, wenn er echt ist, notwendig dazu, so zu denken, zu entscheiden und zu handeln, wie Christus gedacht, entschieden und gehandelt hat, und sich ihm zur Fortsetzung des Heilswerkes zur Verfügung zu stellen. Ein „geistliches Leben“, das die Liebe Gottes spürbar werden lässt und im Christen das Bild Jesu nachzeichnet, kann einer Krankheit unseres Jahrhunderts Abhilfe schaffen, das im technischen Wissen überentwickelt und in der Aufmerksamkeit für den Menschen, seine Erwartungen, sein Geheimnis unterentwickelt ist. Dringend geboten ist der Aufbau einer Innerlichkeit, die vom Geist angeregt und getragen, vom Gebet genährt und auf die Handlung ausgespannt ist, so dass sie stark genug ist, um in den mannigfaltigen Situationen Stand zu halten, in denen die Bewahrung der Treue zu einem Plan angemessener ist als die Anpassung an die herrschende Mentalität oder deren Übernahme. 9. Im Unterschied zu den Aposteln hat Maria die Auferstehung nur erwartet, um in der Fülle des Geistes zu leben, zu beten und zu wirken. Das Magnifikat bringt das ganze Beten, den ganzen missionarischen Eifer, die ganze Freude der Kirche von Ostern und Pfingsten zum Ausdruck (vgl. Lk 1,46-55). Als Gott in Vollendung seines Plans der Liebe Maria mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufnahm, erfüllte sich das letzte Geheimnis: sie, die Jesus, der Gekreuzigte, dem Jünger, den er liebte, zur Mutter gegeben hat (vgl. 472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Joh 19,26-27), lebt nun im Herzen der Kirche, neben jedem Jünger ihres Sohnes, ihre mütterliche Gegenwart und nimmt auf einzigartige Weise teil an der ewigen Mittlerschaft Christi für das Heil der Welt. Ihr, der Braut des Heiligen Geistes, übergebe ich die Vorbereitung und Feier des 13. Weltjugendtags an, den ihr dieses Jahr mit euren Hirten in euren Ortskirchen erleben werdet. Mit den Worten des hl. Ildefons von Toledo wende ich mich mit euch an sie, die Mutter der Kirche: „Ich bitte dich, ja ich bitte dich, heilige Jungfrau, daß ich in dem Geist Jesus empfange, durch den du Jesus geboren hast. Durch jenen Geist, empfange meine Seele Jesus, durch den dein Leib den gleichen Jesus empfangen hat. Gib, daß ich Jesus in demselben Geist liebe, in dem du ihn als Herrn angebetet hast und als Sohn“ (De virginitate perpetua Sanctae Mariae, XII: PL 96,106). Von ganzem Herzen spende ich allen meinen Segen. Aus dem Vatikan, am ersten Adventssonntag, 30. November 1997 Joannes Paulus PP. II Die Jugend der Kirche ist durch das Kreuz verbunden Predigt bei der Palmsonntagsliturgie auf dem Petersplatz am 5. April 1. „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn“ {Lk 19,38). Am Palmsonntag erleben wir aufs neue den Einzug Jesu in Jerusalem kurz vor dem Paschafest. Der Abschnitt aus dem Evangelium führt ihn uns vor Augen, wie er, von einer freudigen Menge umringt, in die Stadt hineinreitet. Man kann sagen, dass an jenem Tag die Erwartungen Israels hinsichtlich des Messias ihren Höhepunkt erreichten. Diese Erwartungen waren durch die Worte der Propheten genährt und von Jesus von Nazaret durch seine Lehren, vor allem durch die von ihm vollbrachten Zeichen, bestätigt worden. Den Pharisäern, die ihn aufforderten, die Menge zum Schweigen zu bringen, ent-gegnete Jesus: „Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien“ {Lk 19,40). Er bezog sich dabei insbesondere auf die Mauern des Tempels von Jerusalem, der im Hinblick auf die Ankunft des Messias errichtet und mit großer Sorgfalt nach seiner Zerstörung zur Zeit der Deportation in die babylonische Gefangenschaft wiederaufgebaut worden war. Die Erinnerung an die Zerstörung und den Wiederaufbau des Tempels war im Bewusstsein Israels lebendig geblieben, und Jesus verwies auch darauf, als er sagte: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn 473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Wie der alte Tempel in Jerusalem zerstört und wiederaufgebaut wurde, so musste auch der neue und vollkommene Tempel des Leibes Jesu am Kreuz sterben und am dritten Tage auferstehen (vgl. Joh 2,21-22). 2. Bei seinem Einzug in Jerusalem weiß Jesus aber, dass der Jubel der Menge ihn in den Kern des Heilsmysteriums eintreten lässt. Er ist sich bewusst, dass er dem Tod entgegengeht und dass er keine Königskrone, sondern eine Dornenkrone erhalten wird. Die Lesungen der heutigen Liturgie sind auf das Leiden des Messias ausgerichtet und finden ihren Höhepunkt in der Beschreibung, die der Evangelist Lukas in seiner Darstellung der Passion liefert. Dieses unaussprechliche Geheimnis des Leidens und der Liebe wird eingeführt durch den Propheten Jesaja, der gewissermaßen als Evangelist des Alten Testaments gilt, sowie durch den Antwortpsalm mit dem vorhin gesungenen Vers: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Der hl. Paulus kommt in seinem Brief an die Philipper darauf zurück. An diesen lehnt sich die Antiphon an, die uns im Verlauf des „Triduum sacrum“ begleiten wird: „... er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). In der Ostervigil fügen wir dann folgendes hinzu: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,9). Jeden Tag gedenkt die Kirche in der Feier der Eucharistie des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“, so bekennen die Gläubigen nach der Konsekration. 3. Seit mehr als zehn Jahren ist der Palmsonntag zu einem wichtigen Termin für die Abhaltung des Weltjugendtags geworden. Die Tatsache, dass die Kirche gerade an diesem Tag ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Jugendlichen richtet, ist schon an sich bedeutsam, und zwar nicht nur, weil vor zweitausend Jahren Jugendliche - „pueri Hebraeorum“ - Jesus bei seinem triumphalen Einzug in Jerusalem mit ihrem Jubel begleiteten, sondern vor allem weil - nach zwanzig Jahrhunderten christlicher Geschichte - die Jugendlichen, von ihrer Feinfühligkeit und einer einwandfreien Intuition geleitet, in der Palmsonntagsliturgie eine Botschaft erkennen, die an jeden einzelnen von ihnen persönlich gerichtet ist. Liebe Jugendliche! Die Botschaft des Kreuzes wird euch auch heute erneut ange-boten. Euch, die ihr die Erwachsenen des dritten Jahrtausends sein werdet, ist dieses Kreuz anvertraut, das eine Gruppe französischer Jugendlicher jetzt einer Vertretung der römischen und italienischen Jugend übergeben wird. Von Rom nach Buenos Aires, von Buenos Aires nach Santiago de Compostela, von Santiago de Compostela nach Tschenstochau, von Jasna Gora nach Denver, von Denver nach Manila, von Manila nach Paris ist dieses Kreuz mit den Jugendlichen von einem Land ins andere, von einem Kontinent in den anderen gepilgert. Eure Entscheidung, liebe junge Christen, ist klar: im Kreuz Christi den Sinn eures Daseins und die Quelle eures missionarischen Eifers entdecken. 474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von heute an wird das Kreuz durch die Diözesen Italiens pilgern bis zum Weltjugendtag 2000, der hier in Rom im Rahmen des Großen Jubeljahrs gefeiert wird. Mit dem Beginn des neuen Jahrtausends wird es dann seine Wanderschaft durch die ganze Welt wiederaufnehmen und so beweisen, dass das Kreuz mit den Jugendlichen geht, dass die Jugendlichen mit dem Kreuz gehen. 4. Wie sollte man Christus nicht danken für diesen einzigartigen Bund, der die jungen Gläubigen untereinander verbindet? Ich möchte bei dieser Gelegenheit all jenen danken, die die Jugendlichen bei diesem von der Vorsehung gewollten Unternehmen anleiten und so zur großen Pilgerfahrt des Kreuzes auf den Wegen der Welt beitragen. Ich denke dabei mit Zuneigung und Dankbarkeit besonders an den lieben Kardinal Eduardo Pironio, der vor kurzem verstorben ist. Er hat an vielen Weltjugendtagsfeiem teilgenommen und oft auch den Vorsitz geführt. Der Herr möge ihn reich beschenken mit dem himmlischen Lohn, der den guten und treuen Dienern versprochen ist! In Kürze wird das Kreuz ideell von Paris nach Rom übergehen; gestattet also dem Bischof von Rom, mit der heutigen Liturgie zu rufen: „Ave Crux, spes unica!“ Heiliges Kreuz, wir grüßen dich! Durch dich kommt der zu uns, der vor zwanzig Jahrhunderten von anderen Jugendlichen und von der Menschenmenge bejubelt wurde: „Gesegnet sei der, der kommt im Namen des Herrn.“ Wir alle schließen uns diesem Gesang an und wiederholen: Gesegnet sei der, der kommt im Namen des Herrn! Ja! Gesegnet bist du, o Christus, der du auch heute mit deiner Botschaft der Liebe und des Lebens zu uns kommst. Und gesegnet ist dein heiliges Kreuz, aus dem das Heil der Welt hervorgeht - gestern, heute und in Ewigkeit. Ave Crux! Gelobt sei Jesus Christus! Priester-Sein im Geiste Christi Schreiben vom 25. März an die Priester zum Gründonnerstag 1998, 9. April Liebe Brüder im Priesteramt! Während Herz und Sinn auf das Große Jubiläum ausgerichtet sind, auf die Zweitausendjahrfeier der Geburt Christi und den Beginn des dritten christlichen Jahrtausends, möchte ich mit Euch den Geist des Herrn anmfen, dem die zweite Etappe des geistlichen Weges der unmittelbaren Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 gewidmet ist. Seinen liebevollen Eingebungen willig gehorchend, bereiten wir uns darauf vor, diese Zeit des Heils mit großer Anteilnahme zu leben, während wir vom Spender aller Gaben die notwendigen Gnaden erbitten, um die Zeichen des Heils zu erkennen und in voller Treue auf Gottes Ruf zu antworten. Unser Priestertum ist mit dem Heiligen Geist und seiner Sendung eng verbunden. Am Tag der Priesterweihe hat der Auferstandene durch eine außerordentliche Aus- 475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Worten ruft die Kirche den Heiligen Geist als spiritalis unctio an, der Kraft und Mut schenkt. Kraft der Salbung durch den Heiligen Geist im unbefleckten Schoß Marias hat der himmlische Vater Christus zum ewigen Hohenpriester des Neuen Bundes geweiht, der sein Priestertum mit uns teilen wollte, indem er uns dazu berief, seine Sendung in der Geschichte zum Heil der Brüder und Schwestern fortzusetzen. Am Gründonnerstag, Feria quinta in Cena Domini, sind wir Priester eingeladen, mit der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen für das Geschenk der Eucharistie zu danken und uns der Gnade unserer außerordentlichen Bemfung stärker bewusst zu werden. Wir werden auch angespomt, uns mit erneuertem Herzen und vollständiger Verfügbarkeit dem Handeln des Geistes anzuvertrauen, indem wir uns von Ihm Tag für Tag Christus, dem Hohenpriester, gleich gestalten lassen. Das Johannesevangelium berichtet in geheimnisvollen und feinfühligen Worten über den ersten Hohen Donnerstag, an dem der Herr mit den Jüngern im Abendmahlssaal zu Tisch lag. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte“, erwies er „ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Bis zur Vollendung! Bis zur Einsetzung der Eucharistie, der Vorwegnahme des Karfreitags, des Kreuzesopfers und des gesamten Ostergeheimnisses. Während des Letzten Abendmahls nimmt Christus das Brot in die Hände und spricht erstmals die Wandlungsworte: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Gleich darauf spricht er über den mit Wein gefüllten Kelch die folgenden Wandlungsworte: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden“, und fügt hinzu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ So vollzieht sich in unblutiger Weise im Abendmahlssaal das Opfer des neuen Bundes, das am Tag danach, als Christus am Kreuz sagt: „Consummatum est“ - „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30), blutig verwirklicht wird. Dieses ein für allemal auf Golgota dargebrachte Opfer ist den Aposteln kraft des Heiligen Geistes als das Allerheiligste Sakrament der Kirche anvertraut. Vor den Wandlungsworten betet die Kirche, um das geheimnisvolle Eingreifen des Geistes zu erbitten: „Darum bitten wir dich, allmächtiger Gott: Heilige unsere Gaben durch deinen Geist, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus, der uns aufgetragen hat, dieses Geheimnis zu feiern“ (III. Eucharistisches Hochgebet). In der Tat, wie könnten menschliche Lippen ohne die Kraft des göttlichen Geistes bewirken, dass sich bis zum Ende der Zeiten Brot und Wein in den Leib und das Blut des Herrn verwandeln? Nur durch die Kraft des göttlichen Geistes kann die Kirche unaufhörlich das große Geheimnis des Glaubens bekennen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Eucharistie und Weihe sind Früchte desselben Geistes: „Wie er in der heiligen Messe Urheber der Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi ist, so ist er im Sakrament des Ordo auch Urheber der Priester- oder Bischofsweihe“ (Geschenk und Geheimnis, S. 51). 478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Gaben des Heiligen Geistes Tu septiformis munere Digitxis patemae dexterae Tu rite promissum Patris Sermone ditans guttura. Dich sendet Gottes Allmacht aus im Feuer und in Sturmes Braus; du öffnest uns den stummen Mund und machst der Welt die Wahrheit kund. Sollte man den Gaben des Heiligen Geistes, die die Tradition der Kirche, den biblischen und patristischen Quellen folgend, als heilige Siebenzahl bezeichnet, nicht besondere Aufmerksamkeit schenken? Diese Lehre fand große Beachtung in der scholastischen Theologie, die deren Bedeutung und Merkmale auch eingehend dargelegt hat. „Gott (sandte) den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!“ (vgl. Gal 4,6). „Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. [...] So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind“ (Rom 8,14.16). Die Worte des Apostels Paulus erinnern uns daran, dass die grundlegende Gabe des Geistes die heiligmachende Gnade (gratia gratum faciens) ist, mit der man die theologalen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowie alle eingegossenen Tugenden (virtutes infusae) empfängt, die dazu befähigen, unter der Einwirkung des Geistes zu handeln. In der von der himmlischen Gnade erleuchteten Seele wird diese übernatürliche Ausrüstung durch die Gaben des Heiligen Geistes vervollständigt. Im Unterschied zu den Charismen, die zum Nutzen anderer geschenkt werden, werden diese Gaben allen angeboten, weil sie auf die Heiligung und Vervollkommnung der Person abzielen. Ihre Namen sind bekannt. Der Prophet Jesaja nennt sie, während er die Gestalt des kommenden Messias beschreibt: „Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,2-3). Die Zahl der Gaben wird dann von den Fassungen von Septuaginta und Vulgata auf sieben erhöht, wobei die Frömmigkeit hinzugefügt und aus dem Jesajatext die Wiederholung der Gottesfurcht gestrichen wird. Schon der hl. Irenaus erwähnt die Siebenzahl und fügt hinzu: „Dann hat Gott der Kirche diesen Geist geschenkt [...], indem er seinen Beistand über die ganze Erde aussandte“ (vgl. Adv. Haereses, III, 17,3). Der hl. Gregor der Große seinerseits erklärt die übernatürliche Dynamik, die vom Geist in die Seele eingegossen ist, und zählt die Gaben in umgekehrter Reihenfolge auf: „Denn durch die Gottesfurcht steigen wir auf zur Frömmigkeit, von der Frömmigkeit zur Erkenntnis, von der Erkenntnis erlangen wir die Stärke, von der Stärke den Rat, vom Rat schreiten wir fort zur Einsicht und mit der Einsicht zur Weisheit, und so wird uns durch die sie- 479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN benförmige Gnade des Geistes am Ende des Aufstiegs der Eingang zum himmlischen Leben geöffnet“ (Homiliae in Hezechielem, II, 7,7). Weil die Gaben des Heiligen Geistes - so erklärt der Katechismus der Katholischen Kirche - eine besondere Sensibilisierung der menschlichen Seele und ihrer Fähigkeiten für das Handeln des Parakleten bedeuten, „vervollständigen und vervollkommnen (sie) die Tugenden derer, die sie empfangen. Sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen“ (Nr. 1831). Das moralische Leben der Christen wird also von solchen „bleibenden Anlagen (gestützt), die den Menschen geneigt machen, dem Antrieb des Heiligen Geistes zu folgen“ 0ebdNr. 1830). Durch sie wird der übernatürliche Organismus, der sich in jedem Menschen durch die Gnade herausbildet, zur Reife geführt. Denn die Gaben passen sich wunderbar unseren geistlichen Anlagen an, vervollkommnen sie und öffnen sie dem Handeln Gottes in besonderer Weise. 4. Einwirkung der Gaben des Heiligen Geistes auf den Menschen Accende lumen sensibus Infunde amorem cordibus; Infirma nostri corporis Virtute firmans perpeti. Entflamme Sinne und Gemüt, dass Liebe unser Herz durchglüht und unser schwaches Fleisch und Blut in deiner Kraft das Gute tut. Durch den Geist macht Gott sich mit der Person vertraut und dringt immer mehr in die Welt des Menschen ein: „Der dreieinige Gott, der in sich selbst als transzendente Wirklichkeit eines interpersonalen Geschenkes ,existiert1, verwandelt, indem er sich im Heiligen Geist dem Menschen als Geschenk mitteilt, die Welt des Menschen von innen her, vom Innern der Herzen und der Gewissen“ (Dominum et vivi-ficantem, Nr. 59). Diese Wahrheit führt in der großen scholastischen Tradition dazu, dem Wirken des Heiligen Geistes im menschlichen Leben den Vorrang zu geben und die Heilsinitiative Gottes im moralischen Leben hervorzuheben: Ohne unsere Persönlichkeit auszulöschen und ohne uns der Freiheit zu berauben, erlöst er uns in einer Art, die unsere Erwartungen und Pläne übersteigt. Die Gaben des Heiligen Geistes gehen in diese Logik ein und sind „Vervollkommnungen des Menschen, die ihn dafür bereiten, der göttlichen Bewegung willig zu folgen“ (Thomas von Aquin, Summa Theo-logiae, I-II, q. 68, a. 2). Mit den sieben Gaben wird dem Gläubigen in der Freiheit, die den Kindern Gottes eigen ist, die Möglichkeit zu einer innigen persönlichen Beziehung zum Vater gegeben. Das unterstreicht der hl. Thomas, indem er beschreibt, wie der Heilige Geist 480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns anleitet, nicht aus Zwang, sondern aus Liebe zu handeln: „Die Kinder Gottes“ - so stellt er fest - „werden vom Heiligen Geist in Freiheit bewegt, aus Liebe, nicht als Knechte aus Furcht“ (Contra Gentes, IV, 22). Der Geist macht das Tun des Christen gottförmig, was bedeutet, dass es im Einklang steht mit der göttlichen Weise zu denken, zu lieben und zu handeln. Auf diese Weise wird der Gläubige zu einem erkennbaren Zeichen der Heiligsten Dreifaltigkeit in der Welt. Gestützt von der Freundschaft des Parakleten, vom Licht des Wortes und von der Liebe des Vaters, kann er sich mutig vornehmen, die göttliche Vollkommenheit nachzuahmen (vgl. Mt 5,48). Der Geist übt seinen Einfluss in zwei Bereichen aus, woran mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., erinnert hat: „Der erste Bereich ist derjenige der einzelnen Seelen ..., unser Ich: in dieser uns selbst oft unbekannten innersten Kammer unserer Existenz tritt das Wehen des Heiligen Geistes ein; er breitet sich in der Seele durch jenes erste und höchste Charisma aus, das wir Gnade nennen. Sie ist wie ein neues Leben und macht die Seele unverzüglich zu Handlungen fähig, die ihre natürliche Leistungsfähigkeit übersteigen.“ Der zweite Bereich, „in dem sich die Tugend von Pfingsten ausbreitet“, ist „der sichtbare Leib der Kirche ... Gewiß weht der Geist, wo er will (vgl. Joh 3,8); aber in der von Christus eingesetzten Heilsökonomie durchläuft der Heilige Geist den Kanal des apostolischen Amtes“. Kraft dieses Amtes wird den Priestern die Vollmacht gegeben, den Heiligen Geist den Gläubigen zu vermitteln. Dies geschieht „in der authentischen Verkündigung des Wortes Gottes, zu der sie beauftragt sind, in der Leitung des christlichen Volkes und in der Spendung der Sakramente (vgl. 1 Kor 4,1), der Quellen der Gnade, das heißt des heiligmachenden Wirkens des Parakleten“ (Homilie zum Pfingstfest, 25. Mai 1969). 5. Die Gaben des Heiligen Geistes im Leben des Priesters Hostem repellas longius, Pacemque dones protinus: Ductore sic te previo Vitemus omne noxium. Die Macht des Bösen banne weit, schenk deinen Frieden allezeit. Erhalte uns auf rechter Bahn, dass Unheil uns nicht schaden kann. Der Heilige Geist stellt im menschlichen Herzen die volle Harmonie mit Gott wieder her und, indem er es des Sieges über den Bösen versichert, öffnet er es für die universalen Dimensionen der göttlichen Liebe. Auf diese Weise lässt er den Menschen von der Selbstliebe zur Liebe der Dreifaltigkeit übergehen, während er ihn zur Erfahrung der inneren Freiheit und des Friedens führt und dazu anleitet, sein Leben zu einem Geschenk zu machen. Durch die heilige Siebenzahl führt der Geist 481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Getauften zur vollen Gleichförmigkeit mit Christus und zur vollständigen Übereinstimmung mit den Plänen des Reiches Gottes. Während das der Weg ist, auf dem der Heilige Geist jeden Getauften freundlich führt, achtet er doch besonders auf diejenigen, die die heilige Weihe empfangen haben, damit sie ihren anspruchsvollen Dienst angemessen erfüllen. So führt der Geist den Priester durch die Gabe der Weisheit dahin, alles im Licht des Evangeliums abzuwägen, während er ihm hilft, in den eigenen Angelegenheiten und in denen der Kirche den verborgenen und liebevollen Plan des Vaters zu erkennen; durch die Einsicht fördert er in ihm eine Vertiefung der offenbarten Wahrheit, indem er ihn drängt, die frohe Heilsbotschaft mit Überzeugung und Entschlossenheit zu verkünden; durch die Gabe des Rates erleuchtet der Geist den Diener Christi, damit er das eigene Tun gemäß den Ausblicken der Vorsehung auszurichten weiß, ohne sich von den Meinungen der Welt beeinflussen zu lassen; durch die Gabe der Stärke stützt er ihn in den Schwierigkeiten des Dienstes, indem er ihm die notwendige „parresia“ in der Verkündigung des Evangeliums gibt (vgl. Apg 4,29.31); durch die Gabe der Wissenschaft macht er ihn bereit, die bisweilen geheimnisvolle Verflechtung der Zweit-Ursachen mit der Erst-Ursache in den Vorgängen des Kosmos zu erfassen und anzunehmen; durch die Gabe der Frömmigkeit belebt er in ihm die Beziehung enger Gemeinschaft mit Gott und vertrauensvoller Hingabe an seine Vorsehung; durch die Gottesfurcht, der letzten in der Reihe der Gaben, festigt der Geist im Priester das Bewusstsein der eigenen menschlichen Hinfälligkeit und der unerlässlichen Rolle der göttlichen Gnade, weil „weder der etwas (ist), der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt“ (1 Kor 3,7). 6. Der Heilige Geist führt in das dreifältige Leben ein Per te sciamus da Patrem, Noscamus atque Filium, Teque utriusque Spiritum Credamus omni tempore. Lass gläubig uns den Vater sehn, sein Ebenbild, den Sohn, verstehn und dir vertraun, der uns durchdringt und uns das Leben Gottes bringt. Wie beeindruckend ist es, sich den Priester mit diesem Hymnus auf den Lippen vorzustellen, während er zusammen mit den Gläubigen, die seiner pastoralen Sorge an vertraut sind, dem Herrn entgegengeht! Er will mit ihnen zur wahren Erkenntnis des Vaters und des Sohnes gelangen und so von der Erfahrung, die vom Werk des Parakleten in der Geschichte nur rätselhafte Umrisse wie in einem Spiegel sieht (vgl. 1 Kor 13,12), zur Anschauung der lebendig pulsierenden dreifältigen Wirklichkeit „von Angesicht zu Angesicht“ (ebd.) gelangen. Er ist sich wohl bewusst, „auf kleinen Booten eine lange Überfahrt“ vor sich zu haben und sich auf dem 482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weg zum Himmel „kleiner Hügel zu bedienen“ (Gregor von Nazianz, Carmina, 1); aber er weiß auch, dass er auf den zählen kann, der den Auftrag hatte, die Jünger alles zu lehren (vgl. Joh 14,26). Weil er gelernt hat, die Zeichen der Liebe Gottes in seiner persönlichen Lebensgeschichte zu lesen, wird der Priester, wenn sich allmählich die Stunde der entscheidenden Begegnung mit dem Herrn nähert, sein Gebet immer mehr verstärken in dem Wunsch, sich mit gereiftem Glauben dem Willen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu übergeben. Der Paraklet, „die Leiter unseres Aufstiegs zu Gott“ (Irenäus, Adversus haereses, III, 24,1), zieht ihn zum Vater, indem er ihm den brennenden Wunsch ins Herz legt, sein Antlitz zu sehen. Er lässt ihn alles, was den Sohn betrifft, verstehen, indem er ihn zu Ihm mit wachsender Sehnsucht hinzieht. Er erleuchtet ihn in Bezug auf das Geheimnis seiner Person selbst, indem er ihn seine Gegenwart im eigenen Herzen und in der Geschichte spüren und erkennen lässt. Unter Freuden und Mühen, Leiden und Hoffnungen des Dienstes lernt der Priester, auf den endgültigen Sieg der Liebe dank des zuverlässigen Handelns des göttlichen Beistands zu vertrauen, der trotz der Begrenzungen der Menschen und Institutionen die Kirche dazu führt, das Geheimnis der Einheit und der Wahrheit voll zu leben. Er weiß also, dass er sich auf die Kraft des Wortes Gottes verlassen kann, die jedes menschliche Wort übersteigt, und auf die Kraft der Gnade, die die Sünden und Unzulänglichkeiten der Menschen überwindet. Das macht ihn stark, trotz der menschlichen Hinfälligkeit im Augenblick der Prüfung, und bereit, mit dem Herzen in den Abendmahlssaal zurückzukehren, wo er, im Gebet mit Maria und den Brüdern verharrend, den notwendigen Enthusiasmus wiederfinden kann, um die Mühe des apostolischen Dienstes erneut auf sich zu nehmen. 7. Ausgestreckt in der Gegenwart des Heiligen Geistes Deo Patri sit gloria, et Filio, qui a mortuis Surrexit, ac Paraclito, In saeculorum saecula. Amen. Den Vater auf dem ewigen Thron und seinem auferstandenen Sohn, dich, Odem Gottes, Heiliger Geist, auf ewig Erd und Himmel preist. Amen. Während wir heute am Gründonnerstag über den Ursprung unseres Priestertums nachdenken, kommt jedem von uns der höchst eindrucksvolle liturgische Augenblick in den Sinn, als wir am Tag unserer Priesterweihe auf dem Boden ausgestreckt lagen. Jene Geste tiefer Demut und gehorsamer Bereitschaft war höchst angemessen, um uns innerlich auf die sakramentale Handauflegung zu bereiten, durch die der Heilige Geist in unser Inneres trat, um sein Werk zu tun. Nachdem 483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wir uns vom Boden erhoben hatten, haben wir uns vor dem Bischof niedergekniet, um die Priesterweihe zu empfangen. Dann hat er uns die Hände gesalbt für die Feier des heiligen Messopfers. Dabei sang die Gemeinde: „Lebendiges Wasser, Feuer, Liebe, heiliges Chrisam der Seele.“ Diese symbolischen Gesten, die die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes andeuten, laden uns ein, jeden Tag an dieses Erlebnis zu denken, um in uns seine Gaben zu festigen. Denn es ist wichtig, dass er in uns weiterwirkt und dass wir unter seinem Einfluss fortschreiten, aber noch mehr, dass er selbst durch uns handelt. Wenn die Versuchung gefährlich wird und die menschlichen Kräfte erlahmen, ist der Augenblick gekommen, noch inniger den Heiligen Geist anzurufen, damit er unserer Schwachheit zu Hilfe kommt und uns eingibt, klug und stark zu sein, wie Gott es will. Es ist notwendig, das Herz ständig diesem Ein wirken offen zu halten, das die Kräfte des Menschen erhebt und veredelt sowie jene geistliche Tiefe verleiht, die zur Erkenntnis und Liebe des unbegreiflichen Geheimnisses Gottes führt. Liebe Brüder im Priesteramt! Die feierliche Anrufung des Heiligen Geistes und die während der Priesterweihe vollbrachte eindrucksvolle Geste der Demut haben auch in unserem Leben das fiat der Verkündigung widerhallen lassen. In der Stille von Nazaret übereignet sich Maria für immer dem Willen des Herrn und empfängt durch den Heiligen Geist Christus, das Heil der Welt. Dieser Gehorsam des Anfangs durchzieht ihr ganzes irdisches Leben und gipfelt zu Füßen des Kreuzes. Der Priester ist berufen, ständig sein fiat mit dem Marias zu messen, indem er sich wie sie vom Geist führen lässt. Die Jungfrau wird ihn in seinem Entschluss zur evangelischen Armut unterstützen sowie zum bescheidenen und ehrlichen Zuhören der Brüder und Schwestern bereit machen, um in ihren Schicksalen und ihren Strebungen die „Seufzer des Geistes“ (vgl. Röm 8,26) zu vernehmen; er wird ihn dazu befähigen, seinen Mitmenschen mit erleuchtetem Feingefühl zu dienen, um sie nach den Werten des Evangeliums zu bilden; er wird ihn in der Absicht bestärken, mit Eifer nach dem zu streben, was oben ist (vgl. Kol 3,1), um glaubwürdiger Zeuge dafür zu sein, dass Gott der Vorrang gebührt. Die Jungfrau Maria wird ihm helfen, das Geschenk der Keuschheit als Ausdruck einer größeren Liebe zu empfangen, das der Geist im Hinblick darauf weckt, dass eine große Schar von Brüdern und Schwestern zum göttlichen Leben wiedergeboren wird. Sie wird ihn auf den Weg des evangelischen Gehorsams führen, damit er sich über die eigenen Pläne hinaus vom Parakleten zur vollen Zustimmung zu den Absichten Gottes leiten lässt. Von Maria begleitet, wird der Priester jeden Tag seine Weihe zu erneuern wissen, bis er unter der Führung des Geistes, den er mit Zuversicht auf dem menschlichen und priesterlichen Weg angerufen hat, in das Meer des Lichtes der Dreifaltigkeit eingeht. Ich rufe auf Euch alle auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Priester, eine besondere Ausgießung des Geistes der Liebe herab. Komm, Heiliger Geist! Komm und mach unseren Dienst für Gott und an den Brüdern und Schwestern fruchtbar! 484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem ich meine Zuneigung Euch gegenüber erneuere und Euch jeglichen göttlichen Trost für Euer Amt wünsche, erteile ich Euch aus ganzem Herzen den besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 25. März, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn 1998 im 20. Jahr des Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Salbung — Zeichen der Segensfülle und der Verfügbarkeit Predigt bei der Chrisam-Messe am Gründonnerstag, 9. April 1. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (LA; 4,18). Diese Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja, vom Evangelisten Lukas zitiert, kommen in der heutigen Chrisam-Liturgie mehrere Male vor und stellen gleichsam einen „roten Faden“ dieser Liturgie dar. Sie verweisen auf eine rituelle Geste, die im Alten Bund eine lange Tradition aufzuweisen hat, denn sie wiederholt sich in der Geschichte des auserwählten Volkes für die Weihe von Priestern, Propheten und Königen. Mit dem Zeichen der Salbung vertraut Gott selbst den von ihm berufenen Menschen die priesterliche, königliche und prophetische Sendung an und macht seine Segnung für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe sichtbar. Diejenigen, die im Alten Bund gesalbt wurden, erhielten diese Salbung im Hinblick auf eine einzige Person, nämlich auf jenen, der kommen sollte: Christus, der einzige und endgültige „Geweihte“, der „Gesalbte“ schlechthin. Die Menschwerdung des Wortes wird das Geheimnis des Schöpfergottes und Vaters offenbaren, der durch die Salbung des Heiligen Geistes seinen eingeborenen Sohn in die Welt sendet. Nun befindet er sich in der Synagoge von Nazaret. Nazaret ist sein Heimatort: Hier hat er jahrelang gelebt und in der schlichten Zimmermanns Werkstatt gearbeitet. Heute aber befindet er sich in der Synagoge in einer anderen Eigenschaft: Am Ufer des Jordan hat er nach der Taufe durch Johannes die feierliche Investitur durch den Heiligen Geistes erhalten, der ihn dazu gedrängt hat, in Erfüllung des heilbringenden Willens des Vaters seine messianische Mission aufzunehmen. Und nun stellt er sich seinen Mitbürgern mit den Worten aus Jesaja vor: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19). Hier beendet er die Lesung, und nach einer kurzen Pause spricht er einige Worte, die seinen Zuhörern den Atem verschlagen: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,21). Diese Erklärung lässt keinen Zweifel: Er ist 485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der „Gesalbte“, er ist der „Geweihte“, auf den der Prophet Jesaja hindeutet. In ihm erfüllt sich die Verheißung des Vaters. 2. Heute, am Gründonnerstag, haben wir uns hier im Petersdom versammelt, um über dieses Ereignis nachzudenken: Wie die Geweihten des Alten Bundes, so richten auch wir unsere Blicke auf den, der im Buch der Offenbarung als „der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde“ bezeichnet wird (1,5). Wir schauen auf ihn, den sie durchbohrt haben (vgl. Joh 19,37). Indem er sein Leben hingab, um uns von der Sünde zu befreien (vgl. Joh 15,13), hat er uns seine „große Liebe“ bewiesen; er hat sich offenbart als der wahre und endgültige Geweihte mit der Salbung, die uns in der Kraft des Heiligen Geistes durch das Kreuz erlöst. Auf Kalvaria werden diese Worte vollkommene Wirklichkeit: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (ZA 4,18). Diese Weihe und das Opfer am Kreuz bilden den Anfang und die Vollendung der Sendung des menschgewordenen Wortes. Das Gedächtnis dieser äußersten Geste der Liebe, die auf Golgota vollbracht wurde, begehen wir am Gründonnerstag unter dem von Jesus im Abendmahlssaal gestifteten sakramentalen Zeichen, während der Karfreitag den geschichtlichen, dramatischen und leidvollen Aspekt hervorhebt. In seiner zweifachen Dimension zeigt dieses Opfer den Beginn der „neuen“ Salbung im Heiligen Geist an, und es bildet das Unterpfand für die Herabkunft des Parakleten auf die Apostel und auf die Kirche, die deshalb heute gewissermaßen ihre Geburtsstunde feiert. 3. Liebe Brüder im Priesteramt! Wir sind heute morgen um diesen eucharistischen Tisch versammelt an dem heiligen Tag, an dem wir des Ursprungs unseres Priesterseins gedenken! Heute feiern wir die besondere „Salbung“, die in Christus auch die unsrige geworden ist. Als uns im Ritus unserer Priesterweihe der Bischof die Hände mit dem heiligen Öl salbte, sind wir zu Verwaltern der heiligen und wirksamen Zeichen der Erlösung geworden, und seitdem haben wir an der priesterli-chen Salbung Christi Anteil. Seit diesem Augenblick hat die Kraft des Heiligen Geistes, die über uns ausgegossen wurde, unser Dasein für immer verändert. Diese göttliche Kraft bleibt in uns bestehen und wird uns bis ans Ende begleiten. Wir stehen auf der Schwelle zu jenen heiligsten Tagen, an denen wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn begehen, und möchten dem Heiligen Geist unseren Dank für das unschätzbare Geschenk erneuern, das uns durch das Priestertum zuteil wurde. Wie sollten wir uns nicht in der Schuld dessen fühlen, der uns mit dieser wunderbaren Würde ausgezeichnet hat? Dieses Bewusstsein möge uns veranlassen, dem Herrn für die Wunder, die er in unserem Leben gewirkt hat, zu danken; es helfe uns, unser Amt mit fester Hoffnung zu betrachten und demütig um Vergebung für unsere eventuellen Treulosigkeiten zu bitten. Maria möge uns unterstützen, damit wir - wie sie - uns vom Geist leiten lassen, um Jesus bis zum Ende unseres irdischen Auftrags zu folgen. In meinem diesjährigen Brief an die Priester zum Gründonnerstag habe ich geschrieben: „Von Maria 486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN begleitet, wird der Priester jeden Tag seine Weihe zu erneuern wissen, bis er unter der Führung des Geistes, den er mit Zuversicht angemfen hat, in das Meer des Lichtes der Dreifaltigkeit eingeht“ (Nr. 7). Mit dieser Aussicht und dieser Hoffnung schreiten wir vertrauensvoll auf dem Weg voran, den der Herr uns jeden Tag eröffnet. Sein göttlicher Geist unterstützt und leitet uns. „Veni, Sancte Spiritus!“ Amen. Eucharistie - formgebende Kraft der Kirche in Geschichte und Gegenwart Predigt bei der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, 9. April 1. „Verbum caro, panem verum verbo camem efficit..." „Gottes Wort, ins Fleisch gekommen, / wandelt durch sein Wort den Wein, / und das Brot zum Mahl der Frommen / lädt auch die Verlornen ein. / Der Verstand verstummt beklommen, / nur das Herz begreift’s allein.“ Diese poetische Formulierung des hl. Thomas von Aquin fasst die heutige Liturgie des heutigen Abends „in cena Domini“ sehr gut zusammen, und sie hilft uns, zum Mittelpunkt des Mysteriums, das wir heute feiern, vorzudringen. Im Evangelium lesen wir: „Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Heute ist der Tag, an dem wir uns an die Einsetzung der Eucharistie erinnern: Geschenk der Liebe und unerschöpfliche Quelle der Liebe. In ihr ist das neue Gebot eingeschrieben und verwurzelt: „Mandatum novum do vobis ... - Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander!“ (Joh 13,34). 2. Die Liebe erreicht ihren Höhepunkt, wenn ein Mensch sich selbst vorbehaltlos Gott und seinen Brüdern schenkt. Indem er den Aposteln die Füße wäscht, fordert der Meister sie zu einer Einstellung des Dienens auf: „Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen“ (Joh 13,13-14). Durch diese Geste offenbart Jesus eine seine Sendung kennzeichnende Eigenschaft: „Ich aber bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22,27). Es ist also nur derjenige ein wahrer Jünger Christi, der an Jesu Verhalten , Anteil nimmt“ und sich - wie er - auch mit persönlichen Opfern in den Dienst der anderen stellt. Der Dienst, das heißt die Sorge um die Bedürfnisse des Nächsten, ist in der Tat das Wesentliche jeder wohlgeordneten Macht: regieren bedeutet dienen. Das priesterliche Amt, dessen Einrichtung wir heute feiern und verehren, setzt eine Haltung demütiger Verfügbarkeit voraus, vor allem gegenüber den Bedürftigsten. Das Ereignis des Letzten Abendmahls, dessen wir jetzt gedenken, können wir nur in dieser Perspektive ganz begreifen. 487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Der Gründonnerstag wird von der Liturgie als „das eucharistische Heute“ bezeichnet, als der Tag, an dem „unser Herr Jesus Christus seinen Jüngern aufgetragen hat, die Geheimnisse seines Leibes und Blutes zu feiern“ (Römischer Kanon zum Gründonnerstag). Vor seinem Kreuzesopfer am Karfreitag stiftete Jesus das Sakrament, das dieses sein Opfer durch alle Zeiten hindurch verewigt. In jeder heiligen Messe begeht die Kirche das Gedächtnis jenes entscheidenden Ereignisses der Geschichte. Mit größter Ehrfurcht beugt sich der Priester am Altar über die eu-charistischen Opfergaben und spricht dieselben Worte, die Christus „am Abend, an dem er ausgeliefert wurde“, gesagt hat. Über dem Brot wiederholt er: „... das ist mein Leib[, der] für euch [hingegeben wird]“ (7 Kor 11,24), und dann über dem Kelch: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut“ (7 Kor 11,25). Seit jenem Gründonnerstag vor fast zweitausend Jahren bis zu diesem Abend, Gründonnerstag 1998, lebt die Kirche durch die Eucharistie. Sie lässt sich von der Eucharistie formen und feiert sie fortwährend in Erwartung der Rückkehr ihres Herrn. Machen wir uns heute Abend die Aufforderung des hl. Augustinus zu eigen: Geliebte Kirche, „manduca vitam, bibe vitam: habebis vitam, et integra est vita!“ „Iß das Leben, trink das Leben: So wirst du das Leben haben, und es wird unversehrt sein!“ (vgl. Sermo CXXXI, I, 1). 4. „Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium, sanguinisque pretiosi ..." Wir verehren dieses „mysterium fidei“, das die Kirche unaufhörlich nährt. Möge der lebendige und ehrfurchtsvolle Sinn für dieses größte Geschenk, das die Eucharistie für uns ist, in unseren Herzen neu erwachen. Und möge auch die Dankbarkeit neu erwachen, die auf der Anerkennung der Tatsache beruht, dass es in uns nichts gibt, was uns nicht vom Vater des Erbarmens geschenkt worden wäre (vgl. 2 Kor 1,3). Die Eucharistie, das große „Geheimnis des Glaubens“, bleibt in erster Linie und vor allem ein Geschenk, etwas, was wir „erhalten“ haben. Das bestätigt der hl. Paulus, wenn er den Bericht über das Letzte Abendmahl mit folgenden Worten einführt: „Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe“ (7 Kor 11,23). Die Kirche hat es vom Herrn empfangen, und durch die Feier dieses Sakraments dankt sie dem himmlischen Vater für das, was er in Jesus Christus, seinem Sohn, für uns getan hat. Bei jeder Eucharistiefeier nehmen wir dieses immer neue Geschenk in uns auf; wir lassen seine göttliche Kraft in unsere Herzen dringen und sie dazu befähigen, den Tod des Herrn in Erwartung seines Kommens zu verkünden. ,Mysterium fidei“ singt der Priester nach der Konsekration, und die Gläubigen antworten: „Mortem tuam annuntiamus, Domine ... - Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ In der Eucharistie ist die Substanz des Osterglaubens der Kirche enthalten. Auch heute Abend danken wir dem Herrn, der dieses große Sakrament eingesetzt hat. Wir feiern und empfangen es, damit wir darin die Kraft finden, um auf dem Weg unseres Daseins vorangehen zu können und den Tag des Herrn zu erwarten. Dann werden auch wir dort Einlass finden, wohin Christus, der Hohe Priester, durch das Opfer seines Leibes und Blutes gelangt ist. 488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. „Ave, verum corpus, natum de Maria Virgine: - Wahrer Leib, sei uns gegrüßet, den Maria uns gebar“: So betet heute die Kirche. Möge Maria, in der Jesus seinen Leib angenommen hat - den Leib, den wir heute Abend im eucharistischen Mahl brüderlich teilen -, uns bei dieser „Erwartung seiner Wiederkunft“ begleiten. „Esto nobis praegustatum mortis in examine - Gib uns, daß wir Dich genießen in der letzten Todsgefahr.“ Ja, nimm uns bei der Hand, eucharistischer Jesus, in jener letzten Stunde, die uns in das Licht deiner Ewigkeit einführt: „O Iesu dulcis! O Iesu pie! O Iesu, fili Mariae! - O lieber Jesus! O gütiger Jesus! O Jesus, Sohn Marias!“ Im Kreuz ist Heil und Hoffnung für alle Ansprache nach dem Kreuzweg am 10. April 1. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Der ewige Sohn Gottes, der durch den Heiligen Geist im Schoß der Jungfrau Maria unsere Menschennatur angenommen hat, war dem Vater „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8) zum Heil der Welt. Die Kirche betrachtet tagtäglich das tiefe Geheimnis der heilbringenden Menschwerdung und des Heilstodes des Sohnes Gottes, der sich für uns am Kreuz geopfert hat. Heute, am Karfreitag, verweilen wir, um es noch eingehender zu betrachten. Im Dunkel des späten Abends sind wir hierher zum Kolosseum gekommen, um durch die Kreuzwegandacht die Etappen des Leidensweges Christi bis zum tragischen Ende seines Todes zu durchlaufen. Der geistliche Aufstieg nach Golgota, wo Jesus gekreuzigt wurde und den Geist ausgehaucht hat, erhält inmitten dieser Ruinen des kaiserlichen Roms und besonders an diesem Ort, der mit dem Opfertod so vieler christlicher Märtyrer verbunden ist, eine ganz besondere Bedeutung. 2. Unsere Gedanken schweifen in diesem Moment zurück zu dem, was in der Geschichte des Alten Bundes erzählt wird, um dort Anzeichen und Vorankündigungen des Todes des Herrn zu finden. Sollte man nicht zum Beispiel den Weg Abrahams zum Berg Morija erwähnen? Es ist recht, an diesen großen Patriarchen zu erinnern, den der hl. Paulus als den Vater aller Glaubenden (vgl. Röm 4,11-12) bezeichnet. Er ist der Verwahrer der göttlichen Verheißungen des alten Bundes, und sein menschliches Schicksal kündigt zeichenhaft auch Augenblicke des Leidens Jesu an. Zum Berg Morija (vgl. Gen 22,2), der symbolisch auf den Berg hinweist, wo der Menschensohn am Kreuz sterben sollte, ging Abraham mit seinem Sohn Isaak, dem verheißenen Sohn, um ihn zu opfern. Gott hatte von ihm das Opfer dieses einzigen Sohnes verlangt, auf den Abraham so lange und mit nie versie- 489 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gender Hoffnung gewartet hatte. Abraham ist in gewisser Weise selbst „gehorsam bis zum Tod“: bis zum Tod des Sohnes und geistlichen Tod des Vaters. Diese Geste bleibt zwar nur eine Prüfung des Gehorsams und der Treue - denn der Engel des Herrn gebot dem Patriarchen Einhalt und erlaubte nicht, dass Isaak getötet wurde (vgl. Gen 22,12-13) -, stellt aber eine deutliche Vorankündigung des endgültigen Opfertodes Jesu dar. 3. Der Evangelist Johannes sagt: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16). Der Apostel Paulus stimmt ihm zu: Der Sohn war für uns „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Beim Opfertod des Sohnes Gottes wurde die Hand des Henkers nicht vom Engel aufgehalten. Und doch hatte der Sohn am Ölberg darum gefleht, dass der Kelch des Leidens an ihm möglichst vorübergehe, während er aber zugleich seine volle Verfügbarkeit zum Ausdruck brachte, damit der Wille des Vaters geschehe (vgl. Mt 26,39). Aus Liebe zu uns gehorsam, hat sich der Sohn geopfert und das Werk der Erlösung vollbracht. Wir alle sind heute Zeugen dieses erschütternden Geheimnisses. 4. Wir verweilen in Stille auf Golgota. Zu Füßen des Kreuzes steht Maria, die Mater dolorosa: die Frau mit dem schmerzdurchbohrten Herzen, bereit, den Tod des Sohnes anzunehmen. Die Schmerzensmutter erkennt im Opfertod Jesu den Willen des Vaters für die Rettung der Welt und nimmt ihn an. Von ihr sagt das II. Vatikanische Konzil: „So ging auch die selige Jungfrau den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz, wo sie nicht ohne göttliche Absicht stand (vgl. Joh 19,25), heftig mit ihrem Eingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichem Geist verband, indem sie der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte. Und schließlich wurde sie von Christus Jesus selbst, als er am Kreuz starb, dem Jünger zur Mutter gegeben mit den Worten: Frau, siehe da dein Sohn (vgl. Joh 19,26-27)“ (Lumen Gentium, Nr. 58). Maria wurde uns allen zur Mutter gegeben, und wir sind gerufen, den Spuren des Sohnes zu folgen, der für uns gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz: „Christus factus estpro nobis oboediens usque ad mortem, mortem autem crucis“ (Ant. der Karwoche; vgl. Phil 2,8). 5. Es ist nun tiefe Nacht. Beim Nachdenken über Christi Tod am Kreuz kommen die vielen Ungerechtigkeiten und Leiden in den Sinn, die sein Leiden allerorts auf Erden fortsetzen. Ich denke an die Orte, wo der Mensch beleidigt und gedemütigt, misshandelt und ausgebeutet wird. In jeder Person, die Hass und Gewalt erleidet oder durch Egoismus und Gleichgültigkeit ausgegrenzt wird, leidet und stirbt Christus von neuem. Auf den Gesichtem der „im Leben Gescheiterten“ zeichnen sich die Züge des sterbenden Christus am Kreuz ab. Ave Crux, spes unica! Aus dem Kreuz erwächst auch heute die Hoffnung für alle. Männer und Frauen unserer Zeit, schaut auf den, der durchbohrt wurde! Er hat aus Liebe sein Leben für uns hingegeben. Dem Willen des Vaters treu und gehorsam, 490 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist er uns Vorbild und Ermutigung. Gerade wegen seines kindlichen Gehorsams hat ihn der Vater „über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,9). Möge jeder Mund bekennen:, Jesus Christus ist der Herr -zur Ehre Gottes, des Vaters“ (ebd., 2,11). Von der Knechtschaft zum Leben Predigt bei der Feier der Ostemacht am Karsamstag, 11. April 1. „Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“ (Gen 1,26). „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). In dieser Ostemachtsfeier verkündet die Liturgie das erste Kapitel des Buches Genesis, das das Geheimnis der Schöpfung und insbesondere die Erschaffung des Menschen schildert. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich erneut auf das Geheimnis des Menschen, das in Christus und durch Christus voll offenbar wird. „Fiat lux“, „faciamus hominem“: Diese Worte aus der Genesis enthüllen die ganze Wahrheit, wenn sie im Schmelztiegel des Pascha des Wortes geläutert werden (vgl. Ps 12,7). Durch die Ruhe des Karsamstags, durch die Stille des Wortes erreichen sie ihren Vollsinn: Dieses .Dicht“ ist neues Licht, das keinen Untergang kennt; dieser „Mensch“ ist „der neue Mensch“, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Die Neuschöpfung wird an Ostern Wirklichkeit. Im Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi wird alles erlöst, und alles wird vollkommen gut gemäß dem ursprünglichen Plan Gottes. Vor allem der Mensch, der verlorene Sohn, der das wertvolle Gut der Freiheit durch die Sünde verschleudert hat, erlangt seine verlorene Würde wieder. „Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram.“ Wie wahr und tief erklingen diese Worte in der Ostemacht! Und welche unvergleichliche Aktualität haben sie für den Menschen unserer Zeit, der, obwohl er so um seine Möglichkeiten weiß, das Universum zu beherrschen, oft auch so verwirrt ist gegenüber dem wahren Sinn seines Daseins, in dem er die Spuren des Schöpfers nicht mehr zu erkennen vermag. 2. In diesem Zusammenhang kommen mir einige Stellen aus der Konstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils in den Sinn, die gut mit der wunderbaren Symphonie der Lesungen der Ostemacht harmonieren. Denn dieses Konzilsdokument offenbart bei eingehenderer Untersuchung einen tiefen österlichen Charakter sowohl im Inhalt als auch in seiner anfänglichen Ausrichtung. Wir lesen: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. Denn Adam, der erste Mensch, war das Vorausbild des zukünftigen (vgl. Rom 5,14), nämlich Christi des Herrn. Christus ... [ist] ,das Bild des unsichtbaren Gottes1 (Kol 1,15) ..., er ist zugleich der vollkom- 491 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mene Mensch, der den Söhnen Adams die Gottebenbildlichkeit wiedergab, die von der ersten Sünde her veranstaltet war ... Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt ... Durch sein Leiden für uns hat er uns nicht nur das Beispiel gegeben, daß wir seinen Spuren folgen, sondern er hat uns auch den Weg gebahnt, dem wir folgen müssen, damit Leben und Tod geheiligt werden und neue Bedeutung erhalten. Der christliche Mensch empfängt, gleichförmig geworden dem Bild des Sohnes, der der Erstgeborene unter vielen Brüdern ist, ,die Erstlingsgaben des Geistes' (Rom 8,23)... Durch diesen Geist, der das ,Unterpfand der Erbschaft“ (Eph 1,14) ist, wird der ganze Mensch innerlich erneuert bis zur ,Erlösung des Leibes“ (Röm 8,23): ,Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten erweckt hat, in euch wohnt, wird er, der Jesus Christus von den Toten erweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen des in euch wohnenden Geistes“ (Röm 8,11) ... dem österlichen Geheimnis verbunden und dem Tod Christi gleichgestaltet, geht er [der Christ], durch Hoffnung gestärkt, der Auferstehung entgegen“ (Nr. 22). 3. Diese Worte des jüngsten Konzils stellen uns erneut das Geheimnis der Berufung jedes Getauften vor Augen. Sie verdeutlichen es ganz besonders euch, liebe Katechumenen, die ihr einer alten Tradition der Kirche gemäß die heilige Taufe im Verlauf dieser Ostemachtsfeier empfangt. Wir grüßen euch voll Liebe und danken euch für euer Zeugnis. Ihr stammt aus verschiedenen Ländern der Welt: aus Kanada, China, Kolumbien, Indien, Italien und Südafrika. Meine Lieben, die Taufe ist in ganz besonderer Weise euer Ostern, das Sakrament eurer Erlösung, eurer Wiedergeburt in Christus durch den Glauben und das Werk des Heiligen Geistes, kraft dessen ihr Gott „Vater“ nennen dürft und ihr Söhne im Sohn sein werdet. Wir wünschen euch, dass das neue Leben, das ihr in dieser hochheiligen Nacht als Geschenk empfangt, sich bis zu seiner Fülle entfalte und reiche Früchte der Liebe, der Freude und des Friedens, Früchte des ewigen Lebens bringe. 4. „O vere beata nox!“ singt die Kirche im Osterlob, während sie die großen Taten Gottes im Alten Bund beim Auszug Israels aus Ägypten in Erinnerung ruft. Es ist die prophetische Ankündigung des Exodus der Menschheit aus der Knechtschaft des Todes zum neuen Leben durch das Pascha Christi. „O vere beata nox!“ wollen wir mit dem Osterhymnus wiederholen, während wir das universale Geheimnis des Menschen im Licht der Auferstehung Christi betrachten. Am Anfang schuf ihn Gott als sein Abbild, ihm ähnlich. Durch Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, wird dieses Abbild Gottes, das von der Sünde getrübt worden ist, wiederhergestellt und zur Vollendung gebracht. Und wir können mit den Worten eines antiken Autors sprechen: Mensch, schaue dich selbst an! Erkenne deine Würde und deine Berufung! Christus, der in dieser heiligen Nacht den Tod besiegt hat, öffnet dir das Tor des Lebens und der Unsterblichkeit. 492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich lasse die Worte des Diakons, der die österliche Botschaft feierlich verkündet hat, nachklingen und wiederhole voll Freude: „Annuntio vobis gaudium magnum: surrexit Dominus vere! Surrexit hodie!“ Amen! Christus eröffnet neue Horizonte der Solidarität in der Welt Botschaft vor dem Segen Urbiet Orbi am Ostersonntag, 12. April 1. „Ihr wißt, was mit Jesus von Nazaret geschehen ist... wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat“ (vgl. Apg 10,37-39). Mit diesen Worten wandte sich der Apostel Petrus, Zeuge von Christi Auferstehung, an den Hauptmann Kornelius und dessen Angehörige. Heute sprechen die Zeugen. Es sprechen die Augenzeugen, die bei dem Geschehen am Karfreitag zugegen waren, die sich vor dem Hohen Rat fürchteten, die das Grab am dritten Tag leer fanden: Zeugen der Auferstehung waren zunächst die Frauen aus Jerusalem und Maria aus Magdala, dann die Apostel, die von den Frauen benachrichtigt worden waren: zuerst Petrus und Johannes, dann alle anderen. Zeuge war auch Saulus von Tarsus, der sich vor den Toren von Damaskus bekehrt hatte und den Christus die Macht seiner Auferstehung erfahren ließ, um ihn so zum auserwählten Gefäß für den missionarischen Eifer der Urkirche zu machen. 2. Ja, heute ergreifen die Zeugen das Wort: nicht nur die ersten, die Augenzeugen, sondern auch diejenigen, die von ihnen die Osterbotschaft vernommen und für Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, von Generation zu Generation Zeugnis abgelegt haben. Manche besiegelten ihr Zeugnis sogar mit dem eigenen Blut. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Kirche ihren Weg fortgesetzt hat, auch unter schweren Verfolgungen und hartnäckigen Widerständen. Aus diesem ununterbrochenen Zeugnis ist die Kirche erwachsen und hat sich über die ganze Erde verbreitet. Heute ist das Fest aller Zeugen, auch derer unseres Jahrhunderts, die Christus verkündet haben unter „großer Bedrängnis“ (Offb 7,14). Sie haben seinen Tod und seine Auferstehung bekannt in den Konzentrationslagern und Gulags, unter Bomben- und Kugelhagel inmitten des Terrors, den blinder Hass entfesselt hatte, der auf so schmerzliche Weise Einzelpersonen und ganze Völker hineinzog. Sie alle kommen heute aus der großen Bedrängnis und besingen die Herrlichkeit Christi: In Ihm, der aus der Nacht des Todes erstand, wurde das Leben offenbar. 3. Heute sind auch wir Zeugen des auferstandenen Christus, und wir erneuern seine Friedensbotschaft an die ganze Menschheit, die dem dritten Jahrtausend entgegengeht. Wir bezeugen seinen Tod und seine Auferstehung besonders vor den Menschen unserer Zeit, die in Bruderkriege und Massaker verwickelt sind, welche die Wunden ethnischer Rivalitäten erneut aufreißen und nunmehr in verschiedenen Gebieten aller Erdteile, besonders in Afrika und in Europa, den Samen des Todes und neuer Konflikte für eine unheilvolle Zukunft in die Erde senken. 493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Botschaft des Friedens gilt all denen, die einen scheinbar endlosen Kreuzweg gehen, die in ihrem Bestreben nach Achtung der Würde und Rechte der Person, nach Gerechtigkeit, nach Arbeit und nach gerechteren Lebensbedingungen enttäuscht werden. Vom Geist dieser Botschaft mögen sich die Verantwortlichen der Völker und alle Menschen guten Willens leiten lassen, besonders im Nahen Osten und vor allem in Jerusalem, wo der Frieden von gefährlichen politischen Optionen aufs Spiel gesetzt wird. Die Friedensbotschaft ermutige den, der an den Dialog geglaubt hat und noch glaubt, um nationale und internationale Spannungen zu lösen; sie gieße in die Herzen aller den Mut zur Hoffnung ein, der aus der erkannten und geachteten Wahrheit erwächst, damit sich in der Welt neue und verheißungsvolle Horizonte der Solidarität eröffnen. 4. Christus, für uns gestorben und auferstanden, sei du das Fundament unserer Hoffnung! Wir wollen uns das Zeugnis des Petrus und das Jahrhunderte lange Zeugnis so vieler Brüder und Schwestern zu eigen machen, um es an der Schwelle des dritten Jahrtausends erneut vorzustellen. Ja, „der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden“ (.Ps 118,22). Auf diesem Fundament ist die Kirche des lebendigen Gottes gebaut, die Kirche des auferstandenen Christus. In der heutigen Liturgie singt diese Kirche einen alten und immer neuen Hymnus. Mit bewegenden Worten verkündet sie den Sieg des Lebens über den Tod: „Mors et vita duello conflixere mirando ... - Tod und Leben stritten im Kampfe, wie nie einer war; der Fürst des Lebens erlag dem Tod; zum Leben erstanden, triumphiert er als König.“ Und als sei es erst gestern geschehen, wendet sich die Kirche an Maria aus Magdala, die als erste dem auferstandenen Herrn begegnet ist: „Die nobis, Maria, quid vidisti in via? - Maria, sage uns an: Was hast du auf dem Wege gesehen? Ich sah das Grab, und Christus sah ich, der lebt! In seiner Klarheit sah ich den erstandenen Herrn. Ich sah das Tuch und die Linnen und sah die Engel, die sagten mir sichere Kunde. Ja, auferstanden ist Christus, er, meine Hoffnung! Nach Galiläa geht er den Seinen voran.“ 5. Heute wie damals willst du, der Auferstandene, uns begegnen an allen Orten der Erde, wie du gestern den Aposteln in Galiläa begegnet bist. Aufgrund dieser Begegnung können auch wir bekräftigen: „Scimus Christum surrexisse a mortuis vere: tu nobis, victor Rex, miserere. - Wir wissen: Christus ist auferstanden! Wahrhaft erstanden vom Tode! Du Sieger, du unser König, erbarme dich unserer Not!“ 494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reifen und Wachsen in Ehe und Familie Ansprache an die Mitglieder des Schönstatt-Familienbundes am 17. April Liebe Schwestern und Brüder! 1. Herzlich begrüße ich Euch im Apostolischen Palast und versichere Euch, dass ich Eurer Bitte um diese Begegnung gern entsprochen habe. Zum dritten Mal unternehmt Ihr als Schönstatt-Familienbund eine Pilgerfahrt nach Rom. In diesem Jahr sollen die Tage in der Nähe der Apostelgräber eine wichtige Etappe auf dem geistlichen Weg sein, der uns der Schwelle des dritten Jahrtausends entgegenführt. 2. Heute bin ich inmitten vieler Familien. Verschiedene Generationen, Eltern und Kinder, Jung und Alt umgeben mich. Eure Anwesenheit zeigt mir: Die Familie lebt! Mehr als viele Worte beweist Eure lebendige Gemeinschaft, dass es auch heute zahlreiche christliche Ehen und Familien gibt, die gelingen. Darüber hinaus wächst das Bewusstsein von der Notwendigkeit, Beziehungen zwischen den einzelnen Familien zu gegenseitiger spiritueller und materieller Hilfe zu knüpfen. Gerade der Schönstatt-Familienbund ist ein beredtes Beispiel dafür, dass immer mehr Familien ihre ekklesiale Sendung und ihre Verantwortung für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft entdecken. 3. Wie Gott einen Plan mit jedem einzelnen hat, so hat er auch einen Plan mit der Familie. In diesem göttlichen Plan findet die Familie nicht nur ihre Identität - das, was sie „ist“ -, sondern auch ihre Sendung, also das, was sie „tun“ kann und soll. Gottes Willen entspricht es, dass die Familie als „innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe“ gegründet ist (II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 48). Sie ist dazu gesandt, immer mehr das zu werden, was sie ist, also Gemeinschaft des Lebens und der Liebe. So ist die Lebensentscheidung eines Menschen für Ehe und Familie eine Antwort auf einen persönlichen Anruf Gottes. Sie ist eine echte Berufung, der eine Sendung innewohnt. 4. In einer Familie, die dem Plan Gottes entspricht, wird dem Menschen die Erfahrung einer lebendigen Gemeinschaft geschenkt, in der sich jeder für die anderen verantwortlich weiß. In der Familie gilt das Gesetz des Miteinander und Füreinander: Mann und Frau, Eltern und Kinder, Brüder und Schwestern nehmen einander als Geschenk Gottes an und geben einander das Leben und die Liebe Gottes weiter. In der Familie stehen Gesunde und Kranke einander bei. Junge und Alte treten füreinander ein. Probleme werden miteinander zu lösen versucht. Der einzelne erfährt sich in seiner Einmaligkeit und zugleich verflochten in seiner Beziehung zum anderen. Weil jeder anders ist und sich doch in die Gemeinschaft der Familie eingebunden weiß, wird die Familie zum bevorzugten Feld, wo man friedliches Zusammenleben auch bei unterschiedlichen Interessen einüben kann. Schließlich ist die Familie auch der Ort, wo in einem Klima der Liebe jeder die Erfahrung der gegenseitigen Vergebung machen darf. Eine „Kultur des Friedens“, nach der die Welt noch immer vergeblich Ausschau hält, wird in der Familie grundgelegt, wie ich es 495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vor vier Jahren im Leitwort für den Welttag des Friedens formuliert habe: Aus der Familie erwächst der Friede für die Menschheitsfamilie. 5. Alles Große braucht Geduld! Es muss wachsen. Auch Ehe und Familie entwickeln sich. In euren Ehen und Familien, liebe Schwestern und Brüder, gestaltet sich Eure persönliche Heilsgeschichte, in der Gott Euch auf allen Wegen begleitet, selbst auf Abwegen, Umwegen und Holzwegen. In der Familie beginnt auch die religiöse Lebensgeschichte des Kindes. Ohne viele Worte werden hier Grunderfahrungen wie Lebensfreude, Vertrauen, Dankbarkeit und Solidarität vermittelt, auf denen jede spätere Unterweisung im Glauben aufbaut. Dies gelingt um so besser, je mehr das Leben der Familie einer Kirche im Kleinen entspricht. Die Hauskirche braucht Formen, in denen die lebt: das gemeinsame Gebet; eine Kultur des Sonntags, der mehr sein muss als ein freier Tag; die Pflege des religiösen Brauchtums, in der sich tiefe Weisheit verbirgt, die gelebte Nächstenliebe, ohne die das christliche Zeugnis kraftlos bliebe. 6. Liebe Mitglieder des Schönstatt-Familienbundes! Ich spreche Euch meine tiefe Anerkennung dafür aus, dass Ihr Euch als Familiengruppen zusammenschließt und Euch gegenseitig im Glauben stützt: Die Mutter Gottes, unter deren besonderen Schutz Ihr Eure Gemeinschaft gestellt habt, trete durch ihre Fürsprache dafür ein, dass es immer mehr Familien gelinge, eine Gemeinschaft des Lebens und der Liebe zu werden. Dazu erteile ich Euch von Herzen den Apostolischen Segen. Neue Kapitel christlichen Zeugnisses in jedem Teil der Welt schreiben! Predigt bei der Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien am 19. April Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: „... damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10) 1. „Schreib das, was du siehst, in ein Buch, und schick es an die sieben Gemeinden“ (Offb 1,11). Die Worte aus dem Buch der Offenbarung des Johannes klingen heute so aktuell. Die Kirchen, an die sie gerichtet waren, lagen ja alle in Asien. Und wir sind heute morgen hier versammelt, um mit einer festlichen Eucharistiefeier die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien zu eröffnen. Zu diesem bedeutsamen Treffen sind Bischöfe des asiatischen Kontinents zusammen mit Vertretern anderer kirchlichen Gemeinschaften in Rom zusammengekommen. Das Ergebnis der Synodenarbeiten wird dann in einem Buch zusammengestellt, und dieses wird das für alle Kirchen Asiens bestimmte nachsynodale Dokument bilden. Dahinein wird „geschrieben“ werden, was der Heilige Geist eingeben wird, ähnlich dem, was Johannes am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus 496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tat, als er die Offenbarung an die christlichen Gemeinden schickte, die damals in Asien bestanden. Während er sich auf der Insel Patmos befand, hörte er, in Ekstase versetzt, eine machtvolle Stimme (vgl. Offb 1,10), die ihm auftrug, das Gesehene aufzuschreiben, um es dann an die Kirchen Asiens zu senden. Johannes berichtet, dass es die Stimme des Menschensohnes war, der sich ihm in seiner Herrlichkeit vorstellte. Johannes sah ihn und fiel wie tot vor seinen Füßen nieder. Christus legte ihm die Hand auf und sagte: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt. Schreib auf, was du gesehen hast: was ist und was danach geschehen wird“ (Offb 1,17-19). Diese gleichen Worte, ehrwürdige Brüder der Kirchen Asiens, sind in gewissem Sinn auch an uns gerichtet. Im Verlauf der Synodenarbeiten müssen wir das aufschreiben, wovon wir Zeugen sein werden. Als Nachfolger der Apostel sind wir berufen, den gekreuzigten und auf erstandenen Christus zu verkündigen. Das eben ist die Wahrheit, mit der wir dem dritten Jahrtausend entgegengehen: „Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit!“ (Hebr 13,8). Nach den einleitenden Worten in Englisch fuhr der Papst in französischer Sprache fort: 2. Wir eröffnen diese Synodenversammlung am zweiten Sonntag der Osterzeit. Die Liturgie erinnert heute an das, was im Abendmahlssaal in Jerusalem am Sonntag nach der Auferstehung vor sich ging, als Christus wiederum den Aposteln erschien, diesmal in Gegenwart des Thomas. Eine Erscheinung hatte ja bereits acht Tage zuvor stattgefunden; Thomas aber war nicht dabei gewesen, und als die andern zu ihm gesagt hatten: „Wir haben den Herrn gesehen!“, wollte er es nicht glauben und erklärte: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht!“ (Joh 20,25). Der ungläubige Thomas! Gerade seinetwegen erschien Christus acht Tage darauf bei geschlossenen Türen im Abendmahlssaal. Er sagte zu denen, die dort waren: „Der Friede sei mit euch!“ und wandte sich dann an Thomas: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh 20,27). Da sprach Thomas die Worte, die den ganzen Glauben der apostolischen Kirche zum Ausdruck bringen: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Und Christus erklärte: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). 3. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Die Apostel waren Augenzeugen des Lebens, des Leidens und Todes und der Auferstehung Christi. Nach ihnen werden andere, die das alles nicht mit ihren Augen haben sehen können, die von den ersten Zeugen übermittelte Wahrheit annehmen müssen, um auch ihrerseits Zeugen zu werden. Der Glaube der Kirche wird weitergegeben und bleibt lebendig 497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dank dieser Kette von Zeugen, die von Generation zu Generation länger wird. So hat sich vom Abendmahlssaal in Jerusalem aus die Kirche in alle Länder und über alle Kontinente ausgebreitet. Nach einer sehr alten Tradition wurde das Evangelium durch den hl. Thomas nach Indien gebracht, durch den Apostel, zu dem der Herr gesagt hat: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du.“ Thomas, nicht mehr ungläubig, sondern nunmehr überzeugt von der Auferstehung seines Herrn, überbrachte vielen anderen Menschen die in seinem Glaubensbekenntnis ausgesprochene Gewissheit: „Mein Herr und mein Gott!“ Sein Glaube ist immer noch lebendig in Indien und in Asien. Liebe Brüder im Bischofsamt, die ihr hierher gekommen seid: Die auf dem Fundament der Apostel aufgebaute Kirche, die ihr vertretet, versammelt sich heute, an der Schwelle des dritten Jahrtausends, in Rom zu den Synodenarbeiten mit dem Ziel, das von den Aposteln für Christus abgelegte Zeugnis an die kommenden Generationen weiterzugeben, das Zeugnis, das Thomas vor fast zwanzig Jahrhunderten abgelegt hat. Dann kam der Papst zur englischen Sprache zurück: 4. „Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: ,... damit sie das Leben haben und es in Fülle haben* (Joh 10,10).“ Das ist das Thema der Sonderversammlung der Bischofssynode, die wir heute mit dieser festlichen Liturgiefeier eröffnen. Das Thema lädt uns ein, unseren Blick auf Christus zu richten, aus dessen durchbohrtem Herzen die unerschöpfliche Quelle ewigen Lebens strömt, die unsere menschliche Existenz belebt. Diese Synodenversammlung ist eine von der Vorsehung geschenkte Zeit der Gnade für das ganze christliche Volk und besonders für die Gläubigen in Asien, die zu einem neuen missionarischen Aufbruch berufen sind. Damit diese günstige „Zeit“ wirklich fruchtbar werde, muss die Gestalt Jesu und seine Heilssendung noch einmal in ihrem vollen Licht vorgestellt werden. Von den Lippen eines jeden muss mit erneutem Bewusstsein das Glaubensbekenntnis des Apostels Thomas kommen: „Mein Herr und mein Gott!“ Die Kirche kann in der Tat nur im beständigen Blick auf Christus angemessen auf die Hoffnungen und Herausforderungen des asiatischen Kontinents wie auch auf die der übrigen Welt Antwort geben. Der Ansatz zur neuen Evangelisiemng für das dritte Jahrtausend erfordert eine immer tiefere Kenntnis Jesu und unerschütterliche Treue zu seinem Evangelium. 5. Gleichzeitig verlangt die Neuevangelisierung achtungsvolle Aufmerksamkeit gegenüber den „Realitäten Asiens“ und eine diesbezügliche gesunde Unterscheidung. Dieser weitausgedehnte Kontinent, reich an Geschichte und uralter Weisheit, tritt in das heraufdämmemde Jahr 2000 mit all der Verschiedenheit seiner Völker, seiner Kulturen, seiner Traditionen und seiner Religionen. Neben dem Erbe alter Kulturen sehen wir die Zeichen von wirklich weit entwickeltem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt. Es besteht ein bemerkenswerter Unterschied zwischen 498 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Völkern, Kulturen und Lebensweisen. Und doch hat es eine lange Tradition friedlicher Koexistenz und gegenseitiger Toleranz gegeben. Fast überall sind Zeichen des Kampfes um menschliche Förderung sichtbar, und während es nicht an Schwierigkeiten und Gründen zur Besorgnis fehlt, sind doch auch beachtliche Zeichen zu erkennen, die Hoffnung wecken. Die alten Kulturen des Kontinents mit ihrer anerkannten Weisheit bieten solide Grundlagen für den Aufbau des Asiens der Zukunft. Wie könnten wir die Tatsache außer acht lassen, dass mehr als drei Fünftel der Weltbevölkerung Asiaten sind und dass ein bedeutender Teil von ihnen junge Leute sind? Diesem überaus großen Teil der heutigen Menschheit, der auf dem Kontinent Asien lebt, müssen wir mit aller Begeisterung und Dynamik die Osterbotschaft der Liturgie dieses Sonntags bringen: „Wir haben, o Gott, die Wunder deiner Liebe betrachtet“ (Antwortpsalm); „Wir haben den Herrn gesehen“ (Evangelium). 6. Liebe Brüder und Schwestern, die erste Lesung, die der Apostelgeschichte entnommen ist, spricht von dem glühenden Eifer und der Einmütigkeit der urchristli-chen Gemeinde und von ihrer missionarischen Tätigkeit, die die Leute in Erstaunen setzte (vgl. Apg 5,12-13). Das alles möge für uns, die wir vom Geist des Herrn zu dieser besonderen Synodenversammlung zusammengerufen wurden, ein Beispiel sein. Wir fragen uns: Was müssen wir tun, um vor den Männern und Frauen, die in Asien leben, Christus zu verkünden und Zeugnis für ihn zu geben? Was muss an der Schwelle des Jahres 2000 die Aufgabe der Kirche in diesem riesengroßen, alten und doch an neuen Entwicklungen so reichen Kontinent sein? Im wesentlichen finden wir die Antwort in der heutigen Liturgie: Wir müssen für Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, den Erlöser der Welt Zeugnis geben. Gleichzeitig müssen wir unsererseits die von den Aposteln begonnene Geschichte weiterführen: Wir haben die Aufgabe, neue Kapitel christlichen Zeugnisses in jedem Teil der Welt zu schreiben; in Asien: von Indien bis nach Indonesien, von Japan bis zum Libanon, von Korea bis nach Kasachstan, von Vietnam bis zu den Philippinen, von Sibirien bis nach China. Und gerade zu den Katholiken des chinesischen Festlands und zu ihren Hirten gehen in diesem Augenblick unser aller Gedanken. Damit auch der dortige Episkopat in dieser Synodenversammlung vertreten sei, habe ich - zusätzlich zu den Bischöfen, die in der Diözese Hongkong arbeiten - zwei weitere Bischöfe zur Teilnahme eingeladen, nämlich Bischof Matthias Tuan Inmin, Bischof von Wanhsien, und seinen Koadjutor Bischof Joseph Xu Zhixuan. Ich hoffe, dass sie bald ihre Plätze unter uns einnehmen können und für die Vitalität dieser Gemeinschaften Zeugnis geben können. Zu dieser Zeit müssen sich alle Kirchen mobilisiert fühlen, denn sie alle haben ihren Ursprung in jener dynamischen Gemeinschaft von Jerusalem, die sich so lebhaft ihrer Pflicht zur Verkündigung des Evangeliums bewusst war. Alle stammen von denselben Aposteln ab, den Zeugen von Christi Kreuz und Auferstehung - den gleichen Aposteln, die am Pfingsttag durch die Kraft des Heiligen Geistes das nö- 499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tige Licht und die nötige Kraft empfingen, um hinauszugehen auf die Wege der Welt und überall neue Gemeinschaften von Gläubigen aufzubauen. Wir sind die Nachfolger dieser Apostel, und wir müssen bereit sein, ihr missionarisches Erbe weiterzuführen. Zum Abschluss bediente sich der Papst der italienischen Sprache: 7. „Schreib das, was du siehst, in ein Buch, und schick es an die sieben Gemeinden.“ Diese Worte hören wir in besonderer Weise an uns gerichtet. Während der Synode wollen wir bezeugen, was der Geist Christi zu den Kirchen des großen asiatischen Kontinents sagt. Wir werden uns fragen, wie sie auf seine Stimme hören, wie sie in der Gemeinschaft des Wortes Gottes und der Eucharistie leben, wie sie die Evangelisierungstätigkeit unter den Völkern Asiens anregen können. Wir wollen hellhörig sein für das, was der Geist zu den Kirchen sagt, damit sie Christus im Kontext des Hinduismus, des Buddhismus, des Schintoismus und all jener Denk- und Lebensströmungen zu verkünden verstehen, die in Asien schon verwurzelt waren, ehe die Predigt des Evangeliums dorthin gelangte. Wir wollen auch gemeinsam darüber nachdenken, wie die Botschaft Christi von den heutigen Menschen aufgenommen wird, wie heute die Heilsgeschichte unter ihnen weitergeht und welches Echo die Worte der Frohen Botschaft in den Seelen finden. Wir werden uns im Gebet und im gegenseitigen Aufeinander-Hören fragen, wie Christus, „der Stein, den die Bauleute verwarfen“ (Ps 117[118],22), wiederum der Eckstein sein könne für den Aufbau der Kirche in Asien. Das alles im Licht von Ostern, das unser Herz mit der Freude und dem Frieden des auferstandenen Herrn überflutet. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 117[118],24). Amen! Ein Überzeugendes Leben im Dienst der Kirche Predigt bei den Exequien für Alberto Kardinal Bovone am 20. April 1. „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Die Worte Jesu, seine äußerste Anrufung des Vaters am Kreuz, lenken uns in der Meditation und im Gebet, während wir hier in der Vatikanischen Basilika versammelt sind, um die Trauerfeierlichkeiten für unseren geschätzten Bmder Alberto Kardinal Bovone, der am vergangenen Freitag von uns gegangen ist, zu zelebrieren. Am Vorabend der Fastenzeit zum Kardinal kreiert, ist er - nach schmerzvoller Krankheit - gegen Ende der Osteroktav, die im Zeitlichen die Vorwegnahme des Tages ohne Ende in der Ewigkeit ist, zum Jerusalem des Himmels aufgebrochen. Sein letztes Osterfest hat er als Kardinal verbracht, und die Vorsehung hat ihn sogleich nach dem letzten Zeugnis gefragt, damit der Wert seines Glaubens ihm - 500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach den Worten des Apostels Petras - Lob, Herrlichkeit und Ehre bei der Offenbarung Jesu Christi werde (vgl. 1 Petr 1,7). Das Ostergeheimnis hat ihn seinem Herrn vollständig angeglichen, für den er sein Leben eingesetzt hat, indem er bis zum Schluss die Kirche und jene, die in ihr seiner Obhut als sorgsamen und gutem Hirten anvertraut waren, geliebt hat. 2. Das Sterben Jesu am Kreuz eröffnet für jeden Menschen, der in diese Welt kommt und von dieser Welt geht, ein Meer der Hoffnung. „Aushauchen“ schreibt der Evangelist (vgl. Lk 23,46; Joh 19,30). Dieser letzte Atemzug Christi ist der Mittelpunkt der Geschichte, die gerade durch dessen Kraft Heilsgeschichte ist. Im Aushauchen am Kreuz hat sich Gott der Menschheit vollständig geschenkt, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist und hat die Sünde und den Tod besiegt. Jener menschliche Atemzug, der sich erschöpfte, war Sakrament des unerschöpflichen Lebensgeistes, der am dritten Tag den Menschensohn auferstehen ließ, „den treuen Zeugen“, und machte ihn zum „Erstgeborenen der Toten“ (vgl. Offb 1,5). Wer im Herrn stirbt ist „von jetzt an [selig]“ (Offb 14,13), weil er sein Aushauchen mit dem Aushauchen Christi, in dem sicheren Wissen vereint, „daß der, welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns ... mit euch (vor sein Angesicht) stellen wird“ (2 Kor 4,14). 3. „Selig die Toten, die im Herrn sterben“ (Offb 14,13). Die Heilige Schrift erinnert uns daran, dass es erforderlich ist, im Herrn zu leben, um im Herrn zu sterben, indem man sich täglich zu jedem Augenblick seiner Gnade anvertraut und sich mit aller Kraft bemüht, ihr zu entsprechen. Im Herrn leben! Wie kann man Gott in diesem Augenblick, in dem das Herz wegen der Trennung von diesem unserem geschätzten Bruder leidet, nicht für das Glaubenszeugnis, das er uns hinterlässt, danken? Während seines Daseins hat er uns ein leuchtendes Beispiel williger Nachfolge Christi geboten. Ja, diese Eucharistie, die wir gemeinsam feiern, ist vor allem Danksagung für das große Geschenk eines Christen und eines Hirten, der mit großer Zurückhaltung die Kirche in den verschiedenen Aufgaben, die ihm vor allem in der römischen Kurie anvertraut waren, mit aufgebaut hat. 4. Es war tatsächlich im Umfeld der Kurie, wo er 1951 seinen Dienst begann, den er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode fortsetzte. Seine tiefe und ausgewogene geistliche, apostolische und wissenschaftliche Bildung, und mehr noch seine Tugenden treuer Arbeitsamkeit und herzlicher Offenheit wie auch seine Weisheit haben es ihm ermöglicht, über lange Jahre hinweg wertvolle Mitarbeit zuerst in der Kongregation für das Konzil, die dann die Kongregation für den Klerus wurde, und danach in der Kongregation für die Glaubenslehre, zu deren Sekretär ich ihn 1984 ernannte und zur Würde eines Erzbischofs erhob. Elf Jahre lang war er ein äußerst wertvoller Mitarbeiter von Kardinal Ratzinger, der ihn zum Bischof weihte und ihm immer brüderlich zugetan war. Er hat seinen Dienst beim Apostolischen Stuhl als Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse beendet, einem wichtigem Dikasterium für 501 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Leben der Kirche, deren wesentlicher Zweck es ist, die Heiligkeit Gottes zu jedem Zeitpunkt fortzuleben und zu bezeugen. Ich bin sicher, dass die Hingabe an das Evangelium und die Sehnsucht zur Heiligkeit, die ihm sein besonderes Amt in dieser letzten Zeit zu vertiefen Gelegenheit bot, indem er das Leben von vielen Dienern Gottes und Seligen untersuchte, heute beim Vater jene Erfüllung finden, die jeder Getaufte stetig begehrt. Mögen ihm nun im Himmel die Seligen und Heiligen entgegenkommen, die er hier auf Erden zu erkennen beigetragen hat, und ihn in die Herrlichkeit des Paradieses geleiten. 5. Lasst uns zu diesem Zweck unsere Gebete vereinen und erkennen, dass unser verehrter Bruder Kardinal Bovone, trotz aller immer vorhandenen menschlichen Unvollkommenheiten im Dasein derer, die hier unten auf Pilgerreise sind, ein Priester war von kristallklarem Glauben, der durch stetes Gebet belebt wurde. Eine gefestigte, in der Erziehung der Familie, der Gemeinde und des Seminars verwurzelte Spiritualität hat ihn in der treuen Ausübung des priesterlichen Dienstes gestützt und ihm ermöglicht, eine bemerkenswerte Ausgeglichenheit zwischen der Arbeit in der Kurie und dem pastoralen Dienst zu verwirklichen. Dieser Reichtum an Gottesgaben, die er während seiner irdischen Pilgerreise sosehr fruchtbar zu machen wusste, lässt an die wohlriechenden Salben denken, welche die Frauen, die Jüngerinnen Jesu, nach den Worten des Evangelisten, mit sich brachten, als sie sich frühmorgens zum Grab begaben (vgl. Lk 24,1). 6. Er selbst aber, der liebe Kardinal Bovone, lädt uns mit der charakteristischen von einer aber geistreichen Humors durchdrungen Bescheidenheit dazu ein, uns nicht über seine Person auszulassen, sondern vielmehr den Blick auf das Geheimnis zu lenken: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ {Lk 24,5-6). Er lädt uns - als Getaufter, als Priester, als Kardinal - dazu ein, am Tag nach der Osteroktav, dieses „Tages, den der Herr gemacht hat“, uns die Worte des Apostels Petrus zu eigen zu machen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist“ (7 Petr 1,3-4). Unser Leben ist in den Händen des Herrn, immer, in jedem Augenblick. Vor allem im Augenblick des Todes. „Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist“. Deshalb bittet uns unser betrauerter Bruder, ihn mit dem Gebet zu begleiten, während er seinen Übergang von dieser Welt zum Vater vollbringt. Möge er vom mütterlichen Beistand der Heiligen Maria „das Ziel des Glaubens erreichen [...]: euer Heil“ (vgl. 1 Petr 1,9). Möge er „in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude [jubeln]“ (vgl. 1 Petr 1,8) und endlich und für immer jenen, den er auf der Erde, ohne ihn zu sehen, geliebt hat, beschauen: Jesus Christus, unseren Herrn, dem Lob und Ehre sei in Ewigkeit. Amen. 502 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Botschaft des Evangeliums muss alle Lebensbereiche umfassen Ansprache an die Päpstliche Akademie für Sozialwissenschaften am 23. April Ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Gerne heiße ich Sie willkommen während Ihrer im Vatikan stattfindenden 4. Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, die das Thema behandelt: „Demokratie - einige brennende Fragen.“ An jeden von Ihnen richte ich meinen herzlichen Gruß, und ich danke besonders dem Präsidenten, Herrn Prof. Edmond Malinvaud, für die im Namen aller gesprochenen Worte, in denen er auch die Zielsetzung dieser gegenwärtigen Session aufgezeigt hat. In diesen vier Jahren seit der Gründung der Akademie haben Sie für Ihre Vollversammlungen und Studientreffen als zentrale Themen Ihrer Untersuchungen und Gegenüberstellungen zwei Bereiche gewählt, die für die Soziallehre der Kirche von entscheidender Bedeutung sind: zuerst das Thema über die Arbeit und die Beschäftigung und jetzt das der Demokratie. Ich gratuliere Ihnen und spreche Ihnen meine lebhafte Dankbarkeit für die fruchtbare Arbeit aus, die Sie in so kurzer Zeit bereits geleistet haben. Aus den Akten der Vollversammlungen und dem Band über die Probleme hinsichtlich der Demokratie, den Sie veröffentlicht und mir freundlicherweise zugesandt haben, sind nicht nur der große Reichtum und die Vielfalt des Inhalts ersichtlich, sondern sie weisen gleichzeitig auch auf konkrete Anwendungen hin, um die Welt menschlicher, geeinter und gerechter zu machen. 2. Mit Freude konnte ich auch feststellen, wie Sie bei allen Untersuchungen, die Sie durchgeführt haben, stets die grundlegenden Orientierungen der Soziallehre der Kirche vor Augen hatten, von der denkwürdigen Enzyklika Rerum novarum Leos XIII. bis zu den in jüngerer Zeit erschienenen Enzykliken Laborem exercens, Sollicitudo rei socialis und Centesimus annus. Die Unterweisungen der Kirche über soziale Themen bilden eine Sammlung von Lehren, die stets für neue Vertiefungen und Aktualisierungen offen ist. Denn wie ich in Centesimus annus schrieb, hat die Kirche „keine eigenen Modelle vorzulegen. Die konkreten und erfolgreichen Modelle können nur im Rahmen der jeweils verschiedenen historischen Situationen durch das Bemühen aller Verantwortlichen gefunden werden, die sich den konkreten Problemen in allen ihren eng miteinander verflochtenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aspekten stellen“ (Nr. 43). Die Soziallehre der Kirche hat nicht den Auftrag, sich um die technischen Aspekte der verschiedenen sozialen Situationen zu kümmern in der Absicht, eigene Lösun- 503 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen zu entwerfen. Die Kirche verkündigt das Evangelium und trägt Sorge dafür, dass es die Neuheit, die es kennzeichnet, in all ihrem Reichtum kundtun kann. Die Botschaft des Evangeliums muss die verschiedenen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten durchdringen. Zu diesem Bemühen um Inkulturation und geistige Vertiefung einen besonderen Beitrag zu leisten ist auch die Akademie für Sozialwissenschaften berufen. Als Experten der Sozialwissenschaften und als Christen sind Sie bemfen, eine Rolle der Vermittlung und des Dialogs zwischen Glauben und Wissenschaft, zwischen Idealen und konkreten Wirklichkeiten zu übernehmen, eine Rolle, die manchmal auch eine Pionieraufgabe ist, denn man wünscht von Ihnen, dass Sie neue Wege zeigen und neue Lösungen finden, um in angemessener Weise die brennenden Probleme der heutigen Welt zu meistern. 3. Ihr Präsident, Herr Professor Malinvaud, hat soeben hervorgehoben, dass es in dieser 4. Vollversammlung Ihre Absicht ist, das vielschichtige Thema der Demokratie zu untersuchen, das Sie nach drei großen Forschungsperspektiven gegliedert haben, nämlich: das Verhältnis zwischen Demokratie und Werten; die Rolle der zivilen Gesellschaft in der Demokratie; die Beziehung zwischen der Demokratie und den übernationalen und internationalen Instanzen. Diese Themen erfordern vertiefte Untersuchungen und Orientierungen, die geeignet sind, die Forscher, die Regierenden und die Nationen bei diesem Jahrtausend-Übergang zwischen dem zwanzigsten und dem einundzwanzigsten Jahrhundert zu leiten. Wie bedeutungsvoll ist diese Zeit, die uns auf das große Jubiläum des Jahres Zweitausend vorbereitet, von dem wir für die Kirche und für die Welt eine kraftvolle Versöhnungs- und Friedensbotschaft erwarten! Verehrte und liebe Mitglieder der Akademie, der Geist des auferstandenen Herrn begleite Sie auf diesem Weg der Analyse und der Forschung! Ich folge Ihnen mit lebhafter Anteilnahme, und als Unterpfand meines Naheseins bei Ihren Arbeiten erteile ich von Herzen Ihnen, den Mitgliedern der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, einen besonderen Apostolischen Segen. Er gilt auch den von Ihnen eingeladenen Experten, den Mitarbeitern und allen Ihren Lieben. Todesurteile nicht vollstrecken Telegramm an den Präsidenten der Republik Ruanda, Pasteur Bizimungu, vom 23. April Mit großem Schmerz erfuhr ich, dass man beabsichtige, morgen, am 24. April, auf fünf Sportplätzen des Landes die öffentliche Hinrichtung von dreiunddreißig Personen zu vollziehen, die wegen Genozid-Verbrechen verurteilt sind. Diese Nachricht veranlasst mich, Eure Exzellenz zu bitten, dass Sie doch diese Maßnahme durch eine Geste der Begnadigung suspendieren mögen, um den Prozess der Versöhnung zu fördern. In der Tat können diese Hinrichtungen die erheblichen 504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zwistigkeiten, die bis jetzt die ruandische Gesellschaft zerreißen, nur noch verschärfen. Ich hoffe, Eure Exzellenz möge diesen Appell beherzigen, den mir die tiefe Liebe eingibt, die ich zu der teuren ruandischen Nation hege. Hochschulseelsorge - anspruchsvolle geistliche Orientierungshilfe Ansprache an den Europäischen Kongress der Universitätsseelsorger am 1. Mai Liebe Universitätsseelsorger! 1. Es ist mir eine Freude, euch zu dieser Sonderaudienz zu empfangen, die anlässlich des Kongresses zur Feier des 50. Jahrestages der Errichtung der Hochschulseelsorge an der Universität „La Sapienza“ stattfindet. Ihr vertretet hier zahlreiche und berühmte Universitäten verschiedener europäischer Länder. Ich möchte euch meine Dankbarkeit aussprechen für die großzügige Bereitschaft, mit der ihr der Einladung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen und der Päpstlichen Räte für die Laien und die Kultur gefolgt seid. Durch eure Teilnahme habt ihr die Durchführung dieser Begegnung von großer pastoraler Bedeutung ermöglicht. Mein Dank gilt Kardinal Pio Laghi für das freundliche Grußwort, durch das er eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Mit ihm grüße ich auch alle anderen Kardinäle, die dieses Treffen mit ihrer Anwesenheit beehren. Ein Wort besonderer Wertschätzung gilt dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen, der Diözesan-kommission für die Universitätsseelsorge des Vikariats von Rom und dem Rektor der Universität von Rom „La Sapienza“ für ihre zuvorkommende Unterstützung bei der Organisation dieses Vorhabens. Das Thema, das für eure Arbeiten gewählt wurde, gibt euch die Gelegenheit, die im Dokument „Präsenz der Kirche an der Universität und in der Universitätskultur“ dargestellten pastoralen Weisungen zu überprüfen und zu vertiefen und sie im Licht der Neuevangelisierung, die nach der Sonderversammlung der Bischofssynode im Jahre 1991 nun in Europa entfaltet wird, in ihren jeweiligen Kontext einzufügen. Der Papst, der auf Italienisch begonnen hatte, fuhr auf Französisch fort: 2. Wie ich vor einigen Jahren zu den europäischen Bischöfen sagte: „Das Europa, zu dem wir entsandt worden sind, hat derartige und so viele kulturelle, politische, soziale und wirtschaftliche Wandlungen durchgemacht, daß sich das Problem der Evangelisierung in völlig neuen Begriffen stellt. Wir können auch sagen, Europa, wie es sich in der Folge der komplexen Veränderungen des letzten Jahrhunderts herausgebildet hat, stellt das Christentum und die Kirche vor die radikalste Herausforderung, die die Geschichte bisher gekannt hat, zugleich erschließt es heute neue und kreative Möglichkeiten der Verkündigung und Inkarnation des Evangeliums“ 505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (.Ansprache an die Teilnehmer am VI. Symposion der europäischen Bischöfe am 11. Oktober 1985, Nr. 1). Unser Zeitalter, so reich an Mitteln in den hochtechnologisierten Ländern, erweist sich als erschreckend arm an Zielsetzungen. Der heutige, seiner objektiven Bezugspunkte und Werte beraubte Mensch ist auch von einer diffusen Skepsis hinsichtlich der eigentlichen Grundlagen des Wissens und der Ethik ergriffen; er verschließt sich oft in seinen begrenzten Aussichten und begnügt sich mit unsicheren Stützen. In dieser Zeit des Relativismus ist eine Kultur, die das Individuum über alles andere erhöht und die Menschen nicht zur Solidarität geneigt macht, der Gefahr ausgesetzt, dass die Freiheit sich in Herrschaft der Stärkeren über die Schwächeren verwandelt und dadurch in einen Widerspruch zu sich selbst gerät. Das zersetzt die zwischenmenschlichen Beziehungen, schwächt und entstellt das friedliche Zusammenleben, und das Wissen wird der Macht eines Denkens dienstbar gemacht, das dieses Wissen ausbeutet. Auf Spanisch sagte der Papst: 3. Die Universitätsseelsorge, deren pulsierendes Herz der Hochschulpfarrer ist, hat die Aufgabe, mit vertrauensvollem und geduldigem Einsatz die Koordinaten zu zeichnen, in die das Evangelium eingefügt werden kann, indem sie ohne jede Unsicherheit den Mangel an Sinn für Gott als Hauptgrund für die gegenwärtige Desorientierung darstellt. Denn das Geschöpf - wie das II. Vatikanische Konzil zu Recht bestätigt - „sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts“, (Gaudium et spes, Nr. 36). Ohne einen allgemein anerkannten Bezugspunkt hinsichtlich objektiver Werte läuft auch der kulturelle Konsens über die Menschenwürde und über den Wert des Lebens - der eigentlich weit verbreitet ist - Gefahr, bedeutungslos zu bleiben. Die christliche Wahrheit ist genau dann ansprechend und durchschlagend, wenn sie dem Dasein des Menschen starke Orientierungshilfen vermitteln kann, indem sie auf überzeugende Weise Christus verkündet, der dem unsicheren und verwirrten Wanderer die Hand reicht, um ihm die Richtung und das Ziel zu zeigen. Jesus sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Der christliche Glaube, dieses unentgeltliche Geschenk Gottes, ist demzufolge eine begründete und vernünftige Entscheidung: Sie vergleicht sich ernsthaft mit den wahrhaften Bedürfnissen der menschlichen Seele; sie liebt die aufmerksame Betrachtung und fürchtet nicht das strenge Urteil einer detaillierten kritischen Prüfung. In diesen Kontext ist passenderweise auch die Feier des 50-jährigen Bestehens der Hochschulseelsorge an der Universität „La Sapienza“ eingefügt. Mit prophetischer Eingebung von meinem verehrten Vorgänger Pius XII. gestiftet, stellt sie für die akademische Gemeinschaft Roms ein Zentrum von hohem seelsorgerischem und kulturellem Rang dar. 506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst wandte sich dann auf Englisch an seine Zuhörer: 4. Meine Gedanken gehen nun zu allen Hochschulseelsorgem an den europäischen Universitäten mit ihrer langjährigen Tradition der Fürsorge, ihren jeweiligen akademischen Gemeinschaften Zeiten religiöser Betrachtung und Anregung zur Erneuerung der christlichen Kultur anzubieten. Eure Anwesenheit, liebe Kapläne und Seelsorger, ist das lebendige Zeugnis einer wissenschaftlichen Tradition, die konkrete Antworten auf die gegenwärtigen Bedürfnisse zu bieten vermag. Ich ermutige euch zur Fortführung eurer Bemühungen und zur Intensivierung des apostolischen Einsatzes, der euch auszeichnet. Die Universitätskapelle ist ein Ort des Geistes, wo die Christgläubigen, die auf unterschiedliche Weise in das akademische Leben einbezogen sind, im Gebet innehalten und geistige Nahrung und Leitung finden können. Sie ist auch eine Schule der christlichen Tugenden, wo das in der Taufe erhaltene Leben wächst und sich systematisch entwickelt. Sie ist ein offenes und aufnahmebereites Haus für all jene, die die Stimme ihres inneren Lehrmeisters hören und deshalb nach der Wahrheit suchen und der Menschheit dienen durch ihren täglichen Einsatz für ein Wissen, das weit über lediglich eingeengte und pragmatische Ziele hinausgeht. Vor dem Hintergmnd einer verfallenden Moderne ist die Universitätskapelle dazu berufen, ein vitales Zentrum zur Förderung einer christlichen Erneuerung der Kultur zu sein, im respektvollen und aufrichtigen Dialog, von einem klaren und wohlbegründeten Standpunkt aus (vgl. 1 Petr3,\5) und durch ein Zeugnis, das für Befragungen aufgeschlossen und überzeugungskräftig ist. In diesem Kontext wird die Arbeit der Universitätskaplaneien sehr bedeutend, denn sie können den Universitäten, und vor allem den jungen Leuten, dabei helfen, sich besser über das Große Jubeljahr zu informieren und sich angemessener darauf vorzubereiten. Für das Jahr 2000 sind sowohl ein internationales Treffen der Hochschullehrer als auch ein Weltjugendtag geplant. Es handelt sich um zwei sein-wichtige Ereignisse, die eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kaplaneien - sowohl auf nationaler Ebene als auch auf europäischem Niveau -erfordern, um eine spezielle Vorbereitung und eine wirksamere Beteiligung des akademischen Sektors zu gewährleisten. Zur italienischen Sprache zurückkehrend sagte der Papst: 5. Die Universitätskapelle stellt sich also als eine seelsorgerisch angemessene Struktur dar, die in der Lage ist, um dem Heilsbedürfnis zu entsprechen, das sich im Herzen eines jeden Menschen findet und das - wenn auch zuweilen in gegensätzlichen Formen - sogar in unserer Zeit zum Ausdruck kommt, besonders im Leben der Jugendlichen. Die neuen Richtlinien für die Universitätspastoral stellen die besondere Form dar, in der sich die Kirche immer wirksamer, kompetenter und respektvoller in die Orte einbringen will, wo die gedanklichen Entscheidungen getroffen werden, von denen viele individuelle und gemeinschaftliche Verhaltensweisen der zukünftigen Generationen abhängen. 507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Werk der Evangelisierung seitens der Universitätskaplaneien will dem zeitgenössischen Menschen - und vor allem den jungen Generationen - dabei helfen, den illusorischen Charakter vieler Ersatzkulturen aufzudecken und die wiederauflebende Suggestion der stummen Götzenfiguren zu überwinden, um gleichzeitig jene innere Freiheit zurückzugewinnen, die zum Dienst des wahren und lebendigen Gottes bereit macht (vgl. 1 Thess 1,9). In ihrem intensiven Dialog mit den verschiedenen Komponenten der Universität und in der maßgeschneiderten Seelsorge erfahren, reagiert die Kaplanei so auf das Bedürfnis, die Bemühungen zur Suche nach Gott und das Zeugnis des Glaubens sowohl auf akademischer Seite als auch in Bezug auf die christlichen Gemeinschaften anzuregen. Ich bin überzeugt, dass die Beiträge hervorragender Referenten und der Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Kaplaneien einen wichtigen Impuls für die Universitätsseelsorge liefern und zu einem wirksameren Evangelisierungswerk auf diesem wichtigen Gebiet der europäischen Gesellschaft führen werden. Dann sagte der Papst auf Polnisch: Ich möchte noch die Universitätskapläne aus Polen und den anderen Ländern Mitteleuropas begrüßen. Auch ich könnte eurer Gruppe angehören, da ich ja - wie man als Sportler sagen würde - ein „old boy“ oder, um einen akademischen Begriff zu verwenden, ein „Senior“ bin. Ich wünsche euch, dass ihr die schönen Traditionen der Universitätspastoral in Krakau und in ganz Polen fortführen und bereichern könnt. Gott segne euch! Der Papst beendete seine Ansprache auf Italienisch: Mit diesen Wünschen erneuere ich euch allen meinen herzlichen Gruß und erteile euch gerne - als Unterpfand eines fruchtbringenden Dienstes - einen besonderen Apostolischen Segen, den ich auf eure Mitarbeiter und auf jene, die eure Seelsorgearbeit mit ihrem Einsatz anregen, ausdehnen möchte. Der Hirt setzt sein Leben ein Predigt bei den Priesterweihen am 3. Mai 1. Der Gute Hirte! Diese biblische Gestalt hat ihren Ursprung in Beobachtung und Erfahrung. Lange Zeit war Israel ein Volk von Hirten, und die Überlieferung aus der Zeit der Patriarchen und der darauf folgenden Generationen hat in den Texten des Alten Testamentes ihre Bestätigung gefunden. Der Hirt, derjenige, der die Herde bewacht und beschützt und sie auf fruchtbare Weide führt, ist zum Bild des Mannes geworden, der führt und an der Spitze eines Volkes steht, immer besorgt um das, was dieses Volk angeht. So wird im Alten Testament der Hirt Israels dargestellt. 508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus knüpft in seiner Predigt an dieses Bild an, führt aber ein ganz neues Element ein und sagt: Hirt ist jener, der sein Leben hingibt für seine Schafe (vgl. Joh 10,11-18). Er schreibt diesen Wesenszug dem guten Hirten zu und unterscheidet ihn von dem, der nur bezahlter Knecht ist und dem daher an der Herde nichts liegt. Mehr noch: Jesus stellt sich selbst als Urbild des guten Hirten vor, der fähig ist, das Leben für seine Herde hinzugeben. Der Vater hat ihn in die Welt gesandt, damit er der Hirt nicht nur Israels, sondern der ganzen Menschheit sei. Und besonders in der Eucharistie wird sakramental das Werk des Guten Hirten gegenwärtig gesetzt, der, nachdem er die „gute Nachricht“ vom Gottesreich gepredigt hatte, sein eigenes Leben für die Schafe zum Opfer brachte. Die Eucharistie ist ja das Sakrament des Todes und der Auferstehung des Herrn, seiner höchsten Erlösungstat. Sie ist das Sakrament, wo der Gute Hirt der in seiner Opferhingabe erwiesenen Liebe zu allen Menschen beständige Gegenwart verleiht. 2. Liebe Diakone der Diözese Rom! An diesem vierten Sonntag der Osterzeit, der für gewöhnlich Sonntag „vom Guten Hirten“ genannt wird und an dem der Weltgebetstag für die geistlichen Berufe begangen wird, empfangt ihr das Sakrament der Priesterweihe, das euch Christus, dem Guten Hirten, gleichförmig macht. Ihr werdet Diener dessen, „der sein priesterliches Amt durch seinen Geist allezeit für uns in der Liturgie ausübt“ {Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Durch das Sakrament der Taufe werdet ihr die Menschen in das Volk Gottes ein-gliedem; durch das Bußsakrament werdet ihr die Sünder mit Gott und mit der Kirche versöhnen; durch die Krankensalbung werdet ihr die Leiden der Kranken lindem. Vor allem werdet ihr Diener der Eucharistie sein: Ihr werdet als unschätzbares Erbe dieses Sakrament empfangen, in welchem sich täglich das Geheimnis des Opfers Christi erneuert und das entscheidende Ereignis seines Todes und seiner Auferstehung für das Heil der Welt fortdauert durch alle Zeiten. Das Opfer des Leibes und des Blutes Christi werdet ihr unter den Gestalten von Brot und Wein feiern, wie Er selbst es zum ersten Mal am Vorabend seines Leidens im Abendmahlssaal darbrachte. So werdet ihr in sakramentaler Weise persönlich mit dem Geheimnis des Guten Hirten verbunden, der sein Leben opfert für seine Schafe. Seid euch der erhabenen Sendung bewusst, die euch heute übertragen wird! Sie besteht in der Teilnahme an der Sendung Christi. Ihr werdet für immer seine Priester sein: „Du bist Priester in Ewigkeit.“ Und erneuert, meine Lieben, jeden Tag, wenn ihr in ehrfürchtiger Hingabe an den Altar tretet, dem Herrn euer hochherziges „Ecce, adsum!“, „Siehe, ich bin da!“, damit euer Leben nach dem Bild des Guten Hirten ganz dem Wohl der Seelen geweiht sei. 3. Liebe Diakone, die Kirche in Rom freut sich über eure Priesterweihe. Als erster freue auch ich mich, denn ich darf als euer Bischof euch die Hände auflegen und die Macht des Heiligen Geistes auf euch herabrufen. Mit mir freuen sich der Kardinalvikar, die Weihbischöfe und die Priester der Diözese, in deren priesterliche Gemeinschaft ihr nun als jüngere, vielversprechende 509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüder eintretet. Glücklich sind darüber auch eure Eltern, eure Angehörigen und Freunde und alle, die euch während eurer Ausbildung begleitet haben und heute eure Freude teilen. Die ganze Diözesangemeinschaft, die geistigerweise hier versammelt ist, dankt dem Heiligen Geist für das Geschenk dieser geistlichen Fruchtbarkeit. Mit größter Dankbarkeit singt sie den Hymnus „Komm, Schöpfer Geist“ und erfleht für euch die Fülle der sieben Gaben: „Accende lumen sensibus, infunde amorem cordibus, infirma nostri corporis vir-tute firmans perpeti. - Zünd an in uns des Lichtes Schein, gieß Liebe in die Herzen ein, stärk unsres Leibs Gebrechlichkeit mit deiner Kraft zu jeder Zeit.“ Eingedenk des Beispiels des Guten Hirten, der mit dem Opfer seines eigenen Lebens die Herde vor dem Feind beschützt hat, betet auch die Kirche von Rom: „Hostem repellas longius, pacem que dones protinus, ductore sic te praevio vite-mus omne noxium. - Treib weit von uns des Feinds Gewalt, in deinem Frieden uns erhalt, daß wir, geführt von deinem Licht, in Sünd und Elend fallen nicht.“ Sie ruft den Geist der Wahrheit an, dass er euch zur vollen Erkenntnis Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes führe: „Per te sciamus da Patrem, noscamus atque Filium, Te utriusque Spiritum creda-mus omni tempore. - Den Vater auf dem ewgen Thron lehr uns erkennen und den Sohn; dich, beider Geist, sein wir bereit zu preisen gläubig alle Zeit.“ Und mit einem Herzen voll Dankbarkeit für das unaussprechliche Geheimnis, das sich heute in euch vollzieht, singen wir alle zusammen den Lobpreis des einen und dreieinen Gottes: „Deo Patri sit gloria, et Filio, qui a mortuis surrexit, ac Paraclito, in saeculorem saecula. - Gott dem Vater sei die Ehre und dem Sohn, der von den Toten erstand, und dem Tröstergeist, in alle Ewigkeit.“ Amen! Der Geist und die Braut... sagen: Komm! (Offb 22,17) Botschaft vom 24. September 1997 zum 35. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Sonntag der Osterzeit 1998, 3. Mai Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in aller Welt! Der Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 stellt diesen Weltgebetstag für Geistliche Berufe unter die „leuchtende Wolke“ des Heiligen Geistes, der fortwährend in der Kirche wirkt und sie mit jenen Diensten und Charismen bereichert, derer sie zur Erfüllung ihrer Sendung bedarf. 510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1. „Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt..." (vgl. Mt 4,1) Das gesamte Leben Jesu steht unter dem Einfluss des Heiligen Geistes. Am Anfang ist Er es, der die Jungfrau Maria im unaussprechlichen Geheimnis der Menschwerdung umschattet; am Jordan ist es wieder Er, der dem geliebten Sohn Zeugnis vom Vater gibt und ihn in die Wüste führt. In der Synagoge von Nazaret bestätigt Jesus persönlich: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ {Lk 4,18). Eben diesen Geist verspricht Er den Jüngern als fortwährenden Garanten seiner Gegenwart in ihrer Mitte. Am Kreuz gibt ihn Jesus an den Vater zurück (vgl. Joh 19,30) und besiegelt so im Anbrechen des Osterfests den Neuen Bund. Am Pfingsttag schließlich gießt er den Geist über die Urgemeinde aus, um sie im Glauben zu festigen und sie auf die Straßen der Welt hinauszuschicken. Seit jenen Tagen wird die Kirche, der mystische Leib Christi, auf ihrem Weg durch die Zeit vom Wehen desselben Geistes angetrieben, sie erleuchtet die Geschichte mit dem glühenden Feuer des Wortes Gottes und reinigt die Herzen und das Leben der Menschen mit den Strömen lebendigen Wassers, die aus ihrem Innern fließen (vgl. Joh 7,37-39). In dieser Weise verwirklicht sich ihre Berufung, „das durch die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Volk“ zu sein (hl. Cyprianus, De Dom. Orat., 23: CCL 1II/A, 105) und in sich „das Geheimnis des Heiligen Geistes zu wahren, der jene für die Sendung heiligt, die der Vater durch seinen Sohn Jesus Christus beruft“ (Pastores dabo vobis, Nr. 35). 2. „Ihr seid ein Brief Christi... mit dem Geist des lebendigen Gottes ... wie auf Tafeln in Herzen von Fleisch geschrieben“ (vgl. Kor 3,3) In der Kirche beginnt jeder Christ mit der Taufe unter „dem Gesetz des Geistes, der Leben in Christus Jesus schenkt“ (Röm 8,2), zu leben. Unter der Führung des Geistes tritt er in den Dialog mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern ein und erfährt die außerordentliche Größe der eigenen Berufung. Die Feier dieses Gebetstages ist eine willkommene Gelegenheit zur Verkündigung, dass Gottes Heiliger Geist ins Herz und Leben eines jeden Getauften einen Plan der Liebe und der Gnade schreibt. Dieser Plan allein vermag seiner Existenz vollen Sinn zu verleihen, indem er den Weg zur Freiheit der Kinder Gottes eröffnet und dazu befähigt, den eigenen persönlichen und unersetzlichen Beitrag zum Fortschritt der Menschheit auf dem Weg der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu leisten. Der Geist hilft nicht nur, sich in Aufrichtigkeit den großen Anfragen des eigenen Herzens zu stellen, die da lauten: Woher komme ich, wohin gehe ich, wer bin ich, was ist das Ziel des Lebens, wie setze ich meine Zeit sinnvoll ein? Der Geist ist es auch, der den Weg zu mutigen Antworten eröffnet. Die Entdeckung, dass jeder Mann und jede Frau einen eigenen Platz im Herzen Gottes und in der Geschichte der Menschheit hat, stellt den Ausgangspunkt für eine neue Kultur der Berufungen dar. 511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Der Geist und die Braut... sagen: Komm!“ (Ojfb 22,17) Diese Worte der Geheimen Offenbarung leiten uns an, die fruchtbare Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und der Kirche zu betrachten, aus der die verschiedenen Berufungen entspringen, und jenes „Pfingstfest“ in Erinnerung zu rufen, an dem jede christliche Gemeinde in Einheit geschaffen, vom Feuer des Geistes in der Vielfalt der Gaben geformt und dazu gesandt wird, die Frohbotschaft jedem Herzen nahe zu bringen, das darauf wartet. Denn wenn es wahr ist, dass die Berufung immer ihren Ursprung in Gott hat, dann ist es ebenso wahr, dass sich der Dialog der Berufung in der Kirche und durch die Kirche vollzieht. Die Wirkkraft des Geistes, der Petrus antrieb, ins Haus des Hauptmanns Cornelius zu gehen und ihm das Heil zu bringen (Apg 10,19), und sagte: „Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie mir berufen habe“ (Apg 13,2), ist noch nicht erschöpft. Das Evangelium breitet sich auch weiterhin aus „nicht nur durch das Wort, sondern auch mit Kraft und mit Heiligem Geist“ (vgl. 1 Thess 1,5). Der Heilige Geist und seine mystische Braut, die Kirche, wiederholen auch gegenüber den Männern und Frauen unserer Tage ihr „Komm!“ Komm, um dem fleischgewordenen Wort zu begegnen, das dir Teilhabe an seinem eigenen Leben schenken will! Komm, nimm den Ruf Gottes an, und überwinde deine Unschlüssigkeit und dein Zaudern! Komm, und entdecke die Liebesgeschichte, die Gott mit der Menschheit ersonnen hat: Er will sie auch mit dir verwirklichen. Komm, und koste die Freude der empfangenen und geschenkten Vergebung. Die Mauer der Trennung zwischen Gott und dem Menschen und unter den Menschen selbst ist niedergerissen. Alle Schuld ist vergeben, das Festmahl des Lebens ist für alle bereitet. Selig sind, die durch die Kraft des Wortes angezogen und von den Sakramenten durchdrungen ihr „Ich bin bereit!“ sprechen. Sie begeben sich auf die Straße der völligen und radikalen Zugehörigkeit zu Gott, stark in der Hoffnung, die nicht enttäuscht, „weil die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (vgl. Röm 5,5). 4. „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist“ (1 Kor 12,4) Im neuen Leben, das der Taufe entspringt und sich durch das Wort und die Sakramente entfaltet, finden die Gnadengaben, die Dienstämter und die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens ihre Nahrung. Neue Berufungen im Geist hervorzubringen ist möglich, wenn die christliche Gemeinde in einer Haltung vollkommener Treue zu ihrem Herrn lebt. Dies setzt ein intensives Klima des Glaubens und des Gebetes voraus, ein großherziges Zeugnis der Gemeinschaft und der Wertschätzung für die vielfältigen Gaben des Geistes, eine missionarische Leiden- 512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft, die den leichtfertigen und trügerischen Egoismus besiegt und so zur Ganzhingabe für das Reich Gottes antreibt. Jede Teilkirche ist aufgerufen, sich für die Entfaltung der Gaben und Charismen, die der Herr in den Herzen der Gläubigen weckt, einzusetzen. Unsere Aufmerksamkeit an diesem Gebetstag ist freilich in besonderer Weise den Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben gewidmet. Dies hängt an der fundamentalen Rolle, die diese im Leben der Kirche und bei der Erfüllung ihrer Sendung spielen. Als Jesus sich am Kreuz dem Vater hingab, machte er aus allen seinen Jüngern „ein Reich von Priestern und ein heiliges Volk“ {Ex 19,6) und erbaute sie zu einem „geistigen Haus“, „zu einer heiligen Priesterschaft, um geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ {1 Petr 2,5). Für den Dienst an diesem allgemeinen Priestertum des Neuen Bundes hat er die Zwölf berufen, dass die „mit ihm seien, die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben“ (vgl. Mk 3,14-15). Heute setzt Christus sein Heilswerk durch die Bischöfe und die Priester fort, die „in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten, sind; sie verkündigen mit Vollmacht sein Wort, sie wiederholen sein vergebendes Wirken und sein umfassendes Heilsangebot“ {Pastores dabo vobis, Nr. 15). „Wie sollte man nicht voll Dankbarkeit gegenüber dem Geist an die Fülle der geschichtlichen Formen des geweihten Lebens erinnern, die von ihm geweckt wurden und noch immer im kirchlichen Gefüge vorhanden sind? Sie erscheinen uns wie ein Baum mit vielen Zweigen, dessen Wurzeln tief in das Evangelium hineinreichen und der in jeder Epoche der Kirche üppige Früchte hervorbringt“ (Apost. Schreiben Vita consecrata, Nr. 5). Das gottgeweihte Leben liegt im Herzen der Kirche als ein Element, das für ihre Sendung entscheidend ist, drückt es doch das innerste Wesen christlicher Bemfung und die Spannung der ganzen Kirche aus, die als Braut zur Vereinigung mit ihrem einzigen Bräutigam drängt. Sind diese Berufungen auch zu jeder Zeit notwendig, so sind sie es heute noch mehr in einer Welt, die von großen Widersprüchen gekennzeichnet und von der Versuchung gepackt ist, Gott aus den grundlegenden Lebensentscheidungen zu verdrängen. Es kommen einem die Worte des Evangeliums in den Sinn: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter! Bittet daher den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte zu senden!“ (vgl. Mt 9,37-38; vgl. Lk 10,2). Die Kirche greift jeden Tag diesen Befehl des Herrn auf und erhebt in vertrauensvoller Hoffnung ihr Bittgebet zum „Herrn der Ernte“, wohl wissend, dass nur Er allein berufen und seine Arbeiter senden kann. Mein Wunsch ist es, dass die jährliche Feier des Weltgebetstages für Geistliche Berufungen in den Herzen der Gläubigen ein noch intensiveres Bittgebet um neue Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben entfache und die Verantwortung aller, besonders aber der Eltern und der Glaubenserzieher, im Dienst an den Berufungen wiedererwecke. 513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. „Gebt Rechenschaft über die Hoffnung, die in euch ist“ (vgl. 1 Petr 3,15) An erster Stelle lade ich euch, geliebte Bischöfe, und mit euch die Priester, Dia-kone und Mitglieder der Institute des gottgeweihten Lebens ein, unermüdlich Zeugnis für die geistliche und menschliche Fülle abzulegen, die euch antreibt, „allen alles“ zu werden, damit die Liebe Christi möglichst viele Menschen erreichen kann. Baut entsprechende Beziehungen zu allen Teilen der Gesellschaft auf; bedient euch der Berufungen zu den Dienstämtem und der charismatischen Berufungen, die der Geist in euren Gemeinden weckt, und fördert ihre gegenseitige Ergänzung und Zusammenarbeit; leistet euren Beitrag, damit jeder zur vollen christlichen Reife heranwachse. Mögen die Jungen und Mädchen im Blick auf euch, die ihr freudige Diener des Evangeliums seid, den Zauber einer Existenz wahmehmen, die sich in dem durch die Weihe übertragenen Amt oder in der radikalen Wahl des gottgeweihten Lebens ganz Christus widmet. Ihr christlichen Eheleute seid bereit, Rechenschaft über die tiefe Wirklichkeit eurer Berufung zur Ehe abzulegen: die Eintracht im Hause, der Geist des Glaubens und des Gebets, die praktische Übung der christlichen Tugenden, die Offenheit gegenüber den anderen, besonders den Armen, die Teilnahme am kirchlichen Leben, die Gelassenheit und Stärke in der Bewältigung der tagtäglichen Schwierigkeiten: all dies bildet einen günstigen Nährboden für das Reifen der Kinder in ihrer Berufung. Die Familie, verstanden als „Hauskirche“ und getragen von der Gnade des Ehesakraments, ist die fortwährende Schule der Zivilisation der Liebe, wo es möglich ist zu lernen, dass nur aus der freien und aufrichtigen Gabe seiner selbst die Fülle des Lebens hervorquellen kann. Auch ihr Lehrer, Katecheten, Seelsorgehelfer und alle anderen, die ihr eine Erzieherrolle wahmehmt, fühlt euch als Mitarbeiter des Geistes bei eurem wichtigen und mühevollen Dienst. Helft den jungen Menschen, ihre Herzen und Sinne von allem zu befreien, was sich in den Weg stellt; spornt sie an, ihr Bestes zu geben in der beständigen Spannung des Wachsens als Mensch und als Christ; bildet daraus mit dem Licht und der Kraft des Wortes des Evangeliums die tiefgreifendsten Gefühle aus, so dass sie, wenn der Ruf an sie ergeht, ihre Berufung zum Wohl der Kirche und der Welt verwirklichen können. In diesem Jahr stellt der Weg der Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 den Heiligen Geist in den Mittelpunkt und lädt uns somit ein, dem Sakrament der Firmung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Darum möchte ich jetzt denen ein besonderes Wort widmen, die in diesen Tagen dieses Sakrament empfangen. Meine Lieben! Der Bischof wendet sich im Laufe des Firmritus an euch und sagt: „Der Heilige Geist, den ihr jetzt als geistliches Siegel zum Geschenk empfangen werdet, er wird in euch die Ähnlichkeit mit Christus vervollkommnen und euch noch stärker als lebendige Glieder mit der Kirche vereinen.“ Es beginnt also für euch eine bevorzugte Zeit, während der ihr eingeladen seid, euch selbst und die 514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN christliche Gemeinde, deren lebendige Glieder ihr geworden seid, über den vollen Sinn zu befragen, den ihr eurem Leben geben wollt. Es ist eine Zeit der Unterscheidung und der Wahl der Berufung. Hört die Einladung Jesu: „Kommt und seht.“ Gebt in der Gemeinschaft der Kirche euer Zeugnis für Christus entsprechend dem ganz persönlichen und unwiederholbaren Plan, den Gott mit euch vorhat. Lasst es zu, dass euch der Geist, der in eure Herzen ausgegossen ist, zur Wahrheit führe und euch zu Zeugen der echten Freiheit und der Liebe mache. Lasst euch nicht vom leichtfertigen und trügerischen Mythos des kurzfristigen menschlichen Erfolges und des Reichtums unteqochen. Im Gegenteil, habt keine Angst, die Wege der Liebe und des großherzigen Einsatzes zu gehen, die anspruchsvoll sind und Mut verlangen. Lernt, vor allen Menschen „Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in euch ist“ (vgl. 1 Petr 3,15). 6. „Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an“ (vgl. Rom 8,26) Der Welttag für Geistliche Berufungen ist insbesondere vom Gebet für die Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben geprägt als höchster Ausdruck eines ständigen Klimas des Gebets, von dem die christliche Gemeinde sich nicht dispensieren kann. Wir wollen uns auch in diesem Jahr mit Vertrauen an den Heiligen Geist wenden, dass er der Kirche von heute und morgen das Geschenk zahlreicher und heiligmäßiger Berufungen zuteil werden lasse: Geist der ewigen Liebe, der Du vom Vater und vom Sohne ausgehst, wir danken Dir für alle Berufungen an Aposteln und Heiligen, die die Kirche fruchtbar machten. Wir bitten Dich, führe auch heute Dein Werk fort. Gedenke, wie Du einst am Pfingstfest auf die Apostel herabkamst, die zum Gebet versammelt waren mit Maria, der Mutter Jesu, und schau auf Deine Kirche, die heute ganz besonders heiligmäßige Priester braucht, treue und vollmächtige Zeugen Deiner Gnade, die Ordensmänner und Ordensfrauen braucht, welche die Freude derer sichtbar machen, die nur für den Vater leben, derer, die sich die Sendung und Hingabe Christi zu eigen machen, und derer, die in Liebe an der neuen Welt bauen. Heiliger Geist, immerwährender Quell der Freude und des Friedens, Du bist es, der Herz und Sinn für den göttlichen Anruf öffnet; Du bist es, der jeden Antrieb zum Guten, zur Wahrheit und zur Liebe wirksam werden lässt. Dein „unaussprechliches Seufzen“ steigt aus dem Herzen der Kirche zum Vater empor, der Kirche, die für das Evangelium leidet und kämpft. 515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Öffne die Herzen und Sinne der jungen Männer und Mädchen, damit ein neues Aufblühen heiligmäßiger Berufungen die Treue Deiner Liebe zeige und alle Christus erkennen können, das wahre Licht, das in die Welt gekommen ist, um jedem Menschen die sichere Hoffnung auf ewiges Leben zu schenken. Amen! Allen erteile ich von Herzen den besonderen Apostolischen Segen. Aus Castel Gandolfo, am 24. September 1997 Joannes Paulus PP. II Großer Schmerz über unfassbare Nachricht Telegramm an die Eltern des mit seiner Ehefrau ermordeten Kommandanten der Schweizergarde vom 6. Mai Herrn Alois und Frau Annemarie Estermann-Limacher c/o Cuardia Svizzera Pintificia, Cittä del Vaticano Mit großem Schmerz habe ich die unfassbare Nachricht über den gewaltsamen Tod Ihres Sohnes, des Kommandanten der Schweizergarde, und seiner lieben Frau vernommen. In der menschlich unbegreiflichen Situation trage ich die Fragen und Nöte, die viele in diesen Tagen bewegen, im Gebet vor Gott, den Herrn über Leben und Tod. In der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten erteile ich Ihnen und allen Trauernden von Herzen den Apostolischen Segen. Joannes Paulus PP. II Würdigung der Blutzeugen für die Kirche Predigt bei den Seligsprechungen am 10. Mai 1. „Ich, lohannes, sah ... die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen“ (vgl. Offb 21,1-2). Die strahlende Vision vom himmlischen Jerusalem, die der Wortgottesdienst uns heute vor Augen stellt, bildet den Abschluss des Buches der Offenbarung des Johannes und der ganzen Serie der heiligen Bücher, aus denen sich die Bibel zusammensetzt. Mit dieser großartigen Beschreibung der Stadt Gottes weist der Verfasser hin auf den endgültigen Sieg über das Böse und das damit erreichte Ziel der vollkommenen Vereinigung zwischen Gott und den Menschen, das Endziel, zu dem die Heilsgeschichte von Anfang an hinstrebt. 516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor der Gemeinde der Gläubigen, die berufen sind, das Evangelium zu verkünden und ihre Treue zu Christus auch inmitten Prüfungen aller Art zu bezeugen, leuchtet das letzte, höchste Ziel auf: das himmlische Jerusalem! Wir alle sind auf dem Weg zu diesem Ziel, zu dem im Lauf der Jahrhunderte die Heiligen und die Märtyrer uns bereits vorangegangen sind. Auf unserem irdischen Pilgerweg bilden diese unsere Brüder und Schwestern, die siegreich durch die „große Bedrängnis“ gegangen sind, für uns ein Beispiel, einen Ansporn und eine Ermutigung. Die Kirche, die auf ihrer Pilgerschaft „zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes vorangeht“ (vgl. hl. Augustinus, Gottesstaat, XVIII, 51,2), fühlt sich durch das Beispiel und die Gemeinschaft der himmlischen Kirche unterstützt und ermutigt. 2. In der glorreichen Schar der Heiligen und Seligen, die sich der Schau Gottes erfreuen, wollen wir in besonderer Weise unsere so ausgezeichneten Geschwister im Glauben betrachten, die ich heute mit Freude zur Ehre der Altäre erhebe. Es sind: Rita Dolores Pujalte Sanchez und Franziska vom Heiligsten Herzen Jesu Aldea Ar-aujo; Maria Gabriela Hinojosa und sechs Gefährtinnen; Maria Sagrario vom hl. Aloysius Gonzaga, Elvira Moragas Cantarero; Nimatullah Al Hardini; Youssef Kassab; und Maria Maravillas von Jesus Pidal y Chico de Guzman. Mit sehr verschiedenen Erfahrungen und in recht unterschiedlichen Verhältnissen haben sie in heroischer Weise die gleiche vollkommene Treue zu Christus und die gleiche glühende Liebe gegenüber dem Nächsten gelebt. In französischer Sprache fuhr der Papst fort: 3. Wenn ich Pater Nimatullah Kassab Al-Hardini, einen libanesischen maronitischen Mönch, seligspreche, möchte ich auch einen besonderen Dank sagen für meine Reise ins Land der Zedern vor genau einem Jahr. Heute ist dies aufs neue ein Fest für die Libanesen der ganzen Welt, denn einer ihrer Brüder wird ihnen als Beispiel der Heiligkeit vorgestellt. Während seines ganzen monastischen Lebens hat der neue Selige bereitwillig das Wort der Jünger Christi gelebt, das wir in der Lesung aus der Apostelgeschichte gehört haben: „Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen“ (Apg 14,22). Die gleiche Lesung zeigt uns auch die verschiedenen Aspekte der Mission: Gebet, Fasten und Verkündigung des Evangeliums. In seiner strengen Askese, seinem langen Verweilen im Gebet vor dem heiligsten Sakrament, seinem Bemühen um die theologische Forschung und seiner Sorge und Barmherzigkeit gegenüber seinen Brüdern ist der sei. Al-Hardini ein Beispiel christlichen und monastischen Lebens für die maronitische Gemeinschaft und für alle Jünger Christi in unserer Zeit. In diesem Sinn habe ich im nachsynodalen apostolischen Schreiben Une esperance pour le Liban, an den hl. Basilius erinnernd, gesagt: Ein Leben, das in Moral und Askese der übernommenen Verpflichtung entspricht, ist eine Aufforderung zur Versöhnung unter den Menschen (vgl. Nr. 53). Nunmehr ist der neue Selige ein Zeichen der Hoffnung für alle Libanesen, insbesondere für die Familien und für die Jugendlichen. Als Mann des Gebetes fordert er seine Brüder auf, Vertrauen auf 517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott zu haben und sich mit allen Kräften in der Nachfolge Christi zu bemühen, eine bessere Zukunft aufzubauen. Möge der Boden des Libanon weiterhin ein Land von Zeugen und Heiligen sein und noch mehr ein Land des Friedens und der Brüderlichkeit werden! In Spanisch sagte der Papst: 4. Im Evangelium dieser Eucharistiefeier haben wir gehört: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). Mutter Rita Dolores Pujalte und Mutter Franziska Aldea, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wurden, sind in Treue Jesus nachgefolgt, gleich ihm liebend bis ans Ende, bis zum Tod für den Glauben im Juli 1936. Sie gehörten zur Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom Heiligsten Herzen im St.-Susanna-Kolleg in Madrid, die beschlossen hatten, ungeachtet der damals ausgebrochenen Religionsverfolgung auf ihrem Posten zu bleiben und die ihnen anvertrauten Waisenkinder nicht zu verlassen. Dieser heroische Akt der Liebe und der selbstlosen Hingabe für die Brüder und Schwestern kostete Mutter Rita und Mutter Franziska das Leben. Beide wurden, obschon krank und alt, inhaftiert und erschossen. Das größte Gebot des Herrn hatte während der Jahre, wo sie in Treue zum Charisma ihrer Kongregation ihre Ordensweihe lebten, tief in ihnen Wurzel gefasst. Mehr und mehr wuchs in ihnen die Liebe zu den Bedürftigen, eine Liebe, die vor Gefahren nicht zurückweicht und schließlich auch nicht vor der Hingabe von Blut und Leben zurückschreckt. So gelangten sie zum Martyrium. Ihr Beispiel ist ein Aufruf an alle Christen, so zu lieben, wie Christus liebt, auch inmitten größter Schwierigkeiten. 5. „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). Wie gut lassen sich diese Worte des heutigen Evangeliums auf Schwester Gabriela Hinojosa und ihre sechs Gefährtinnen anwenden, salesianische Martyrinnen in Madrid, ebenfalls im Jahre 1936! Der Gehorsam und das Leben in brüderlicher bzw. schwesterlicher Gemeinschaft sind grundlegende Elemente des geweihten Lebens. So verstanden es diese Schwestern, die trotz der Verfolgung im Gehorsam in Madrid blieben, um von einem benachbarten Platz aus das Los des Klosters im Auge zu behalten. Und so bereiteten sie sich, gestärkt durch Schweigen, Gebet und Opfer, auf das Ganzopfer vor, das sie hochherzig Gott darbrachten. Während wir sie als Martyrinnen Christi ehren, mögen sie uns mit ihrem Beispiel erleuchten, für uns bitten und uns in der himmlischen Herrlichkeit erwarten. Ihr Leben und ihr Tod seien ein Beispiel für die Salesianerinnen, deren Klöster über die ganze Welt verstreut sind. Und mögen sie zahlreiche Berufungen erwecken, die dem liebenswürdigen, milden Geist des hl. Franz von Sales und der hl. Johanna Franziska von Chantal folgen! 6. Das Buch der Offenbarung des hl. Johannes hat uns das Bild von Jerusalem gezeigt, „bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat“ (21,2). Ob- 518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schon sich diese Worte auf die Kirche beziehen, können wir sie auch auf die beiden unbeschuhten Karmelitinnen anwenden, die in dieser Feier seliggesprochen wurden und die das gleiche Ideal auf verschiedenen Wegen erreichten: Mutter Sagrario vom hl. Aloysius Gonzaga und Mutter Maravillas von Jesus. Beide zeigen sich heute im Schmuck der christlichen Tugenden, ihrer menschlichen Qualitäten und ihrer Hingabe an den Herrn im theresianischen Karmel, vor den Augen des christlichen Volkes als Bräute Christi. Mutter Maria Sagrario, in ihrer Jugend Apothekerin und christliches Vorbild für jene, die diesen edlen Beruf ausüben, verließ alles, um im Kloster der hl. Anna und des hl. Josef, der Kommunität der Unbeschuhten Karmelitinnen in Madrid, einzig für Gott in Jesus Christus zu leben (vgl. Rom 6,11). Dort reifte ihre Hingabe an Gott, und von Ihm lernte sie es, zu dienen und sich für die Brüder und Schwestern zu opfern. Damm hatte sie in den turbulenten Ereignissen vom Juli 1936 den Mut, Priester und Freunde der Kommunität nicht anzuzeigen und unbescholten, wegen ihres Standes als Karmelitin und um andere Personen zu retten, den Tod auf sich zu nehmen. 7. Mutter Maravillas von Jesus, auch sie Unbeschuhte Karmelitin, ist ein weiteres leuchtendes Beispiel der Heiligkeit, von der Kirche heute seliggesprochen und den Gläubigen zur Verehrung vorgestellt. Diese ausgezeichnete Madriderin suchte ihr Leben lang Gott im meditativen Leben des Karmels. Sie gründete ein Kloster auf dem Cerro de los Angeles im geographischen Zentrum Spaniens, neben dem Denkmal des Herzens Jesu. Diesem heiligsten Herzen hatte sich ja die Nation geweiht. Nachdem sie wegen des Bürgerkriegs das Kloster hatte verlassen müssen, setzte sie alles daran, das Überleben des Ordens zu sichern. Das brachte sie dazu, zahlreiche Gründungen zu machen. Sie sollten vom Geist der Buße, der Hingabe und der für die theresianische Reform charakteristischen inneren Sammlung geleitet sein. Als eine zu ihrer Zeit namhafte Persönlichkeit wusste sie sich dieses Umstandes zu bedienen, um viele Seelen zu Gott zu führen. Die Hilfsmittel, die sie erhielt, verwertete sie, um bedürftige Klöster, Priester, Seminare und religiöse Werke zu unterstützen. Damm gibt es viele, die ihr dankbar sind. Fast ihr ganzes Ordensleben lang war sie Priorin, und sie war für ihre Schwestern eine echte Mutter. Ein heroischer Glaube erfüllte ihr Leben, geformt in der Antwort auf eine strenge Berufung. Sie stellte Gott in den Mittelpunkt ihres Daseins. Nachdem sie nicht wenige Prüfungen durchlitten hatte, starb sie mit den Worten: „Welch ein Glück, als Karmelitin zu sterben!“ Ihr Leben und ihr Tod sind eine vielsagende Botschaft der Hoffnung für die Welt, die Werte so notwendig hat und die manchmal so sehr zum Hedonismus, zum Leicht-Verdienenwollen und zum Leben ohne Gott versucht ist. Abschließend bediente sich der Papst wieder der italienischen Sprache: 8. „Danken sollen dir, Herr, all deine Werke und deine Frommen dich preisen“ (Ps 145[144],10). Zusammen mit Maria, der Königin der Heiligen, und mit der ganzen Kirche danken wir Gott für die großen Werke, die Er in unseren Brüdern 519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Schwestern vollbracht hat, in ihnen, die als Licht der Hoffnung für alle auf-leuchten. Sie bilden für die ganze Menschheit, die nunmehr an der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend steht, einen deutlichen Aufruf zu den ewigen Werten des Geistes. Indem wir uns die Worte der Liturgie zu eigen machen, loben wir Gott für das kostbare Geschenk dieser Seligen, die das Antlitz der Kirche mit erneutem Glanz schmücken. „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht“ (Eröffiiungsvers der Messe). Ja, singen wir dem Herrn, der vor den Augen aller Völker sein Heil offenbar gemacht hat. Und jeder von uns wiederhole in seinem Herzen: „Ich will deinen Namen preisen für immer und ewig, Herr ... Dein Königtum ist ein Königtum für ewige Zeiten, deine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht“ (vgl. Antwortpsalm 145,1.13). Amen! Früchte der Wirkkraft des Heiligen Geistes in Asien Predigt bei der Eucharistischen Konzelebration zum Abschluss der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien am 14. Mai ,Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien:,... damit sie das Leben haben und es in Fülle haben1“ (Joh 10,10) 1. „Iubilate Deo, omnis terra, psalmum dicite gloriae nominis eius“ (Ps 66,1-2). Die Synodenversammlung, die sich nun ihrem Ende zuneigt, möchte - wie die anderen, die ich zur Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 schon zuvor einberufen hatte - auf die Aufforderung antworten, die die heutige Liturgie an uns richtet: „Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde! Spielt zum Ruhm seines Namens! Verherrlicht ihn mit Lobpreis!“ Der Psalmist lädt die Erde ein, Gott zu loben; und in dem epochalen Übergang, den wir gerade erleben, empfinden wir ganz besonders das Bedürfnis, ihn zu preisen. Das ist der wichtigste Grund, weshalb sich die Bischöfe der Kirche zu regionalen und kontinentalen Synodenversammlungen einfinden. Nach der Synode für Afrika vor vier Jahren fand 1995 die Sonderversammlung für den Libanon statt. Im Herbst des vergangenen Jahres wurde die Synode für Amerika abgehalten, in deren Verlauf Vertreter des Episkopats von Nord-, Mittel- und Südamerika sowie der Karibik gemeinsam über die Situation der Kirche in ihren jeweiligen Ländern nachgedacht und ihre Gedanken darüber ausgetauscht haben. Heute dagegen beschließen wir die synodale Begegnung der Hirten der Kirchengemeinschaften Asiens. Diese Synode war schon an und für sich ein Lobgesang an Gott. War dies etwa nicht der erste Zweck unserer Arbeiten? Wir wollten mit allen unseren Überlegungen den Ruhm zum Ausdruck bringen, den die Kirchen jenes riesigen Kontinents Gott, dem Schöpfer und Vater, erweisen. Überall auf der Welt ist nämlich der Dienst der Kirche auf den lebendigen Menschen ausgerichtet, denn er ist der wahre Ruhm Gottes. 520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es loben Gott die Länder Asiens und die Ozeane, die sie umschließen, die Bergkette des Himalaya mit dem höchsten Gipfel der Welt und die riesigen Flüsse. Auch die Städte, reich an tausendjährigem Brauchtum, und die antiken Traditionen des Kontinents mit seinen Kulturen, die viel älter sind als die europäische, singen den Lobpreis Gottes. Diese vielfältige und stille Huldigung an den Schöpfer findet ihre endgültige Erfüllung im Menschen, der Gott auf seine eigene, ausschließliche und einzigartige Weise preist. Aus der synodalen Erfahrung geht klar hervor, dass - von Indien bis China, von Japan bis Indochina, von Indonesien bis hin zu allen anderen Nationen, von den Höhen des Tibet bis hin zu den Wüsten Zentralasiens - die Bewohner aller Teile Asiens, wenn sie das unaussprechliche Mysterium der Jahrtausende alten und verschiedenen religiösen Traditionen Asiens interpretieren, dieses Geheimnis in Gebet und Kontemplation auszudrücken versuchen. In französischer Sprache sagte der Papst: 2. „... ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Im Abendmahlssaal - in der Nacht vor seiner Passion - überträgt Jesus seinen Aposteln den Auftrag, seine Sendung unter den Menschen fortzuführen. Dank der treuen Mitarbeit vieler Zeugen des Evangeliums hat sich sein rettendes Wort im Verlauf der beiden vergangenen Jahrtausende in fast allen Teilen der Welt verbreitet. In dem Textabschnitt, den wir gerade gehört haben, möchte der Herr unterstreichen, dass er selbst die Jünger erwählt und dazu bestimmt hat, in die ganze Welt hinauszugehen und dauerhafte Früchte des Heiles zu bringen. Einer davon war der hl. Matthias, dessen Festtag wir heute feiern. Nach dem Verrat des Judas kam er zu den elf verbliebenen Aposteln hinzu, um ein Zeuge der Auferstehung Christi zu sein. Es haben uns sehr spärliche Informationen über ihn erreicht; wir wissen nur, dass er das Evangelium mutig verkündete und den Märtyrertod erlitten hat. Nach der Überlieferung war es der Apostel Thomas, der das Evangelium nach Indien und bis ins Zentrum Asiens brachte. Seitdem und bis heute sind zahlreiche Missionare durch den fast grenzenlosen asiatischen Kontinent gezogen und haben dort die Evangelisierung vorangebracht, indem sie Jesus Christus verkündigten, das menschgewordene Wort, am Kreuz gestorben und am dritten Tage auferstanden, um die Welt zu erlösen. Als Zeugen der Auferstehung des Herrn haben sie den Völkern, die aufgrund ihrer philosophischen und religiösen Traditionen gewohnt waren, in den Tiefen des Daseins nach dem Absoluten zu suchen, neue Wege aufgezeigt. Die Evangelisatoren folgten dem Beispiel des Apostels Paulus und machten sich zum Sprachrohr seiner Mahnung: „Ihr seid mit Christus auferweckt; dämm strebt nach dem, was im Himmelreich ist“ (vgl. Kol 3,1). 521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Zwar ist Gott in der Welt und deswegen auch irgendwie immanent, vor allem aber ist er transzendent, „oberhalb“ von der Welt, und es ist deshalb nicht möglich, ihn mit der Welt zu identifizieren. Man kann in der Welt nicht so nach ihm suchen, als sei er nur das tiefste Geheimnis alles Sichtbaren. Im Gegenteil: Man muss ihn zuerst „in der Höhe“ suchen, denn er ist der Herr des Himmels und der Erde. Der Sohn Gottes ist aufgrund dieser absoluten Transzendenz auf die Erde herabgestiegen; er nahm in einer Jungfrau Fleisch an und wurde Mensch; er lebte und nahm den Tod auf sich für die Wahrheit, die er verkündete. In Wirklichkeit jedoch hat er den Tod nicht erlitten, sondern sich mit ihm gemessen. Er hat den Tod nicht siegen lassen, sondern seine Fesseln gesprengt; er ist zum Vater zurückgekehrt, dorthin, woher er gekommen war. Auf diese Weise zeigte Christus den auf der Erde lebenden Menschen, dass ihre Bestimmung die Vereinigung mit Gott ist: Nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen, kann sich das menschliche Wesen nur innerhalb der Verbindung mit Ihm, dem Erlöser und Retter, verwirklichen. Ja, in Jesus Christus hat der Vater die Welt geschaffen; in ihm hat er sie losgekauft. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat Christus die Wahrheit über die Schöpfung und die Erlösung verkündet und realisiert, und diese Wahrheit ist der Inhalt der fortdauernden Sendung, die der Kirche anvertraut ist. Auf Englisch sagte der Papst: 4. Das ist die rettende Wahrheit, die Jesus den Jüngern zusammen mit „seinem“ Gebot vermittelte: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Liebe Brüder und Schwestern, die ihr die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien bildet! Heute richtet der gekreuzigte und auferstandene Herr diese Worte noch einmal an euch, um euch erneut zur Evangelisierung eures Kontinents aufzurufen. Und zu euch, meine verehrten Brüder im Bischofsamt, spricht er ganz speziell: „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (vgl. Joh 15,16). Und zu jedem Menschen sagt er: „Dies trage ich euch auf: Liebt einander!“ (Joh 15,17). Als Nachfolger des Apostels Petrus habe ich die Ehre und Freude, diese Worte zu wiederholen, nachdem ich in den vergangenen Tagen das einzigartige Erlebnis der Synode mit euch teilen durfte. Zusammen haben wir die Liebe Christi aufs neue erfahren, und zusammen haben wir die Früchte der Kraft des Heiligen Geistes gesehen, der in Asien wirkt. Die Sendung der Kirche zur Evangelisierung stellt einen Dienst der Liebe für den asiatischen Kontinent dar. Und obwohl die christliche Gemeinschaft nur eine „kleine Herde“ innerhalb der ganzen Bevölkerung ausmacht, so ist sie doch das Werkzeug, wodurch Gott seinen Heilsplan ausführt. Er wird diesen Plan dann zur Erfüllung bringen, wenn er bemerkt, dass jeder zur großzügigen Zusammenarbeit mit ihm bereit ist. Liebe Freunde! Dies ist genau der Grund, warum ich noch einmal zu euch sagen möchte: Bleibt in der Liebe des Herrn wie die Reben des Weinstocks (vgl. 522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Joh 15,5); dann werdet ihr bei den Völkern Asiens reiche Früchte neuen Lebens bringen. 5. Nicht unerwähnt lassen unter den Völkern dieses Kontinents kann ich insbesondere die chinesische Nation, welche die zahlenmäßig größte ist. Euch Brüdern und Schwestern der katholischen Kirche in Kontinentalchina möchte ich einmal mehr meine Zuneigung zum Ausdruck bringen und euch wissen lassen, wie sehr ich es bedauere, dass der Bischof von Wanhsfen und sein Koadjutor nicht nach Rom kommen konnten, um persönlich an der Synode teilzunehmen. Die Worte, mit denen Bischof Matthias Tuan Inmin seine Loyalität gegenüber dem Nachfolger Petri und seine Gemeinschaft mit der Gesamtkirche bezeigte, haben an unsere Herzen gerührt. Die Synodenväter aus allen Ländern in Asien haben ihre chinesischen Mitbrüder stets als hier geistig anwesend betrachtet; sie hoffen, dass die gegenwärtigen Schwierigkeiten bald überwunden sein werden und dass diese Bischöfe bei einer Gelegenheit in naher Zukunft in der Lage sein werden, mit den anderen Hirten der Kirche zusammenzutreffen. Nun, da sich die Volksrepublik China allmählich gegenüber dem Rest der Welt öffnet, hoffen wir alle, dass es auch der Kirche in China erlaubt sein wird, vermehrten Kontakt mit der Gesamtkirche zu haben. Wir flehen zum Heiligen Geist, dass er seine Gaben über die chinesischen Gläubigen ausgieße und sie in die ganze Wahrheit führe (vgl. Joh 16,13), damit die Verkündigung des Evangeliums in China, selbst unter vielen Leiden, reichliche Frucht hervorbringe. 6. In der Liturgie der Osterzeit lesen wir die Apostelgeschichte, die uns zu verstehen hilft, dass auch in unserer Zeit die Kirche nicht damit aufhört, neue Kapitel zur Heilsgeschichte hinzuzufügen. Genauso wie der hl. Lukas die Apostelgeschichte schrieb, um die folgenden Christengenerationen an ihre apostolischen Ursprünge zu erinnern, so haben auch wir mit dieser Synodenversammlung einen neuen Abschnitt der Kirchengeschichte Asiens in diesem Jahrhundert geschrieben. Dieser Abschnitt ist in gewissem Sinne ein Zusatz zur Apostelgeschichte. Durch den Überblick über ganz Asien konnten wir dank der Arbeit der Synode sehen, wie das Evangelium im Laufe der vergangenen zweitausend Jahre in diesem großen Kontinent Wurzeln geschlagen hat. In Asien sind und bleiben die Christen zahlenmäßig eine Minderheit, das ist wahr, und diese Sachlage stellt sozusagen eine ständige Herausforderung für sie dar. Sie regt die Kirche an, ihr Zeugnis mit besonderem Mut abzulegen. Wie sollten wir vergessen, dass Jesus an jenem einzigartigen Kreuzungspunkt der Welt geboren wurde, wo Asien sowohl Europa als auch Afrika begegnet? Christus ist für alle Erdteile in die Welt gekommen, besonders aber für Asien, und Asien könnte deshalb mit einem gewissen Recht den Ehrenplatz einnehmen wollen. Er hat in einem Teil von Asien gelebt; dort vollbrachte er sein Werk zur Erlösung der Welt; dort setzte er die Eucharistie und die anderen Sakramente ein; dort ist er von den Toten auferstanden. 523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zur italienischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 7. „Die ganze Zeit,... als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde“ (Apg 1,21-22), hat er - in Asien geboren - den Samen des Heils für alle Völker in jenem Kontinent ausgestreut. Am Ende des zweiten Jahrtausends geht der Weg der Apostelnachfolger in allen Gegenden Asiens weiter; dort verkünden sie dieselbe Wahrheit, und sie tun es mit einem unveränderten apostolischen und missionarischen Eifer, indem sie wiederholen und bezeugen: „Jesus Christus ist der Erlöser.“ Liebe Brüder und Schwestern, führt diese Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien fort. Dabei unterstütze euch der mütterliche Schutz Marias, Mutter der Kirche und des asiatischen Volkes; eure Fürsprecher seien die Märtyrer, Heiligen und Seligen Asiens. Bleibt der Liebe Christi treu, der euch „erwählt und dazu bestimmt [hat], daß ihr euch aufmacht und Fracht bringt und daß eure Fracht bleibt“ (Joh 15,16). Amen! Jedes Apostolat ist der Einheit von Orts- und Weltkirche verpflichtet Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Societä San Paolo am 15. Mai Liebe Mitglieder der Societä San Paolo! 1. Es freut mich, meinen herzlichen Willkommensgruß an euch alle zu richten; zum Abschluss eures Generalkapitels habt ihr mit diesem Besuch eure Zuneigung zum Ausdruck bringen und eure Treue zum Nachfolger Petri erneuern wollen. Ich begrüße Don Pietro Campus, den neuen Generaloberen, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen der Anwesenden und der gesamten Kongregation an mich gerichtet hat; außerdem spreche ich den Wunsch aus, dass eure Ordensgemeinschaft unter seiner Leitung in ihrer vollen Treue zum Charisma des Gründers, des Dieners Gottes Don Alberione, und im großherzigen Einsatz für die Evangelisierung wachsen möge. Mit ihm grüße ich die neuen Generalräte und alle Ordensmitglieder, die in den verschiedenen Teilen der Welt einen apostolischen Dienst einzigartiger Aktualität für die Kirche leisten, indem sie dem Meister Jesus, Weg, Wahrheit und Leben, folgen und ihn durch eine umsichtige und beruflich qualifizierte Verwendung der modernen sozialen Kommunikationsmittel bekannt machen. 2. Eure Kongregation, liebe Ordensleute, ist aus dem Glauben und Herzen von Don Giacomo Alberione hervorgegangen: Er war ein großer Apostel unserer Zeit, der sich angesichts der besorgniserregenden Anzeichen der Entchristlichung im zwanzigsten Jahrhundert berufen fühlte, das Evangelium zu verkünden und der Kirche in jenen Grenzgebieten zu dienen, wo die Herausforderungen der Evangelisierung 524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als unkalkulierbare Risiken erschienen. Er verstand, dass das Gebiet der Massenmedien ein weites Feld für die Mission war, für das man kompetente Sachverständige, angemessene Werkzeuge und vor allem religiös geschultes Personal von hohem asketischem und spirituellem Rang bereitstellen musste. In den Mittelpunkt dieser riesigen apostolischen Unternehmung stellte er die Eucharistie, aus der er inneres Licht und geistige Energie zu schöpfen vermochte. Aus dem eucharisti-schen Geheimnis bezog er jenen missionarischen Enthusiasmus, der sein ganzes Dasein prägte. Es gelang ihm, ganze Scharen von Männern und Frauen in sein Programm zur Evangelisierung und Sanierung der Gesellschaft einzubeziehen, indem er sie zur aufrichtigen Liebe zu Christus und zum Bedürfnis, ihn in den modernen Areopagen zu verkünden, erzog. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend seid auch ihr - nach dem Vorbild von Don Alberione - aufgerufen, einen wirksamen und angemessenen Beitrag im fordernden Grenzland der Kommunikation zu leisten, um den Projekten und Hoffnungen unserer Zeitgenossen ein ,Mehr an Seele“ zu bieten. Das beinhaltet die Übernahme neuer Untemehmensarten und neuer Formen des Managements. Damit eine solche Tätigkeit allerdings ihre wahrhafte, apostolische Dimension beibehalten kann, ist es nötig, dass sie von großherziger Treue zum ursprünglichen Charisma gestützt und beseelt ist. Das heißt, dass jedes Mitglied der Societä San Paolo - im Einklang mit dem Geist ihres Gründers - in der intensiven und ausgedehnten Begegnung mit dem Herrn und in der ständigen Neuentdeckung der Wurzeln seiner eigenen Berufung die wahre Begründung seines kirchlichen und missionarischen Dienstes finden muss. Was nützen nämlich die modernen Untemehmens-formen und die mächtigen Mittel der Medienwelt, wenn diejenigen, die sie leiten, nicht von einem tiefen übernatürlichen Geist durchdrungen sind, in völliger Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche? Auf seinem unsicheren und oft leidvollen Weg zur Wahrheit und zu seiner vollen Selbstverwirklichung wird der heutige Mensch den Meister Christus erreichen, wenn er auf Verkünder des Evangeliums trifft, die fähig sind, seine Lebensgeschichte mit Aufmerksamkeit und Sympathie zu betrachten, aber auch bereit sind, ihm Antworten zu bieten, die wirklich dem Evangelium entsprechen und von der Gewähr der vollen Gemeinschaft mit der Kirche und ihren Hirten gestützt sind. In dieser Hinsicht ist euer Gründer auch euer Leiter und Lehrmeister, denn er erahnte das Geheimnis einer modernen und wirksamen Verkündigung des Evangeliums. Sein Zeugnis verpflichtet euch, seine prophetischen Eingaben mit völliger Bereitschaft aufzunehmen und seinen Spuren treu zu folgen, um sein besonderes missionarisches Werk, das sich an den Menschen unserer Zeit richtet, weiterzuführen. 3. Euer Kapitel findet am Vorabend der 100-Jahr-Feier jener „heiligen paulini-schen Nacht“ statt, die euch wohlbekannt ist. Sie stellt einen entscheidenden Augenblick im Leben des jungen Alberione dar, der damals noch Seminarist der Diözese Alba war: Während der langen Gebetsandacht, in der er den Beginn des 20. Jahrhunderts erwartete, begriff er die besondere Berufung, die der Herr ihm anvertraute. In jenem einzigartigen Moment seines Lebens „setzten sich die Eucha- 525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ristie, das Evangelium, der Papst, das neue Jahrhundert, die neuen Mittel, [...] die Notwendigkeit einer neuen Schar von Engeln so stark in seinem Geist und Herzen fest, daß sie seitdem seine Gedanken, sein Gebet, sein innerliches Tun und sein Streben stets beherrschten“. Liebe Ordensleute! Auch für euch ist die gegenwärtige Zeit von der Vorsehung bestimmt, denn das Große Jubeljahr 2000 steht nun vor uns, und jedes Mitglied der Societä San Paolo muss - auf der Schwelle nicht nur eines neuen Jahrhunderts, sondern eines neuen Jahrtausends - sich dazu verpflichtet fühlen, die damalige Erfahrung des Gründers zurückzuverfolgen, um sich die ideellen Bezugspunkte zu eigen zu machen, die damals im Zentrum seiner Spiritualität und seiner Tätigkeit der Evangelisierung standen. Mein Wunsch ist, dass das Streben nach Heiligkeit, das Don Giacomo Alberione auszeichnete, in euren Gemeinschaften als Grundlage jedes Projektes diene, denn „die Berufung zur Mission stammt an sich aus der Berufung zur Heiligkeit. Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg zur Heiligkeit einlässt: ,Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche“. [...] Es genügt weder, die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchhchen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren [...] es gilt, ein neues ,glühendes Verlangen nach Heiligkeit“ unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken“ (Redemptoris missio, Nr. 90). In der Geschichte nicht weniger religiöser Gemeinschaften hat die strenge Auseinandersetzung zwischen den ideellen Anforderungen des Charismas und den konkreten Situationen des Apostolats zu Spannungen und manchmal auch zu Leid geführt. Auch in eurer Gesellschaft hat die Notwendigkeit, eine funktionstüchtige und zugleich wahrhaft evangeliumsgemäße Beziehung zwischen der religiösen Institution und der modernen Untemehmensmethodik zu schaffen, Schwierigkeiten hervorgerufen. Um euch bei der Überwindung dieser Schwierigkeiten zu helfen, habe ich den Bischof Msgr. Antonio Buoncristiani als meinen Delegierten eingesetzt; von Herzen danke ich ihm für die Tätigkeit, die er zu euren Gunsten entfaltet. Die Zeit ist nun gekommen, diese Probleme im Geist des Glaubens anzugehen und zu lösen - in vollständiger Aufgeschlossenheit gegenüber den Erfordernissen des Reiches und mit ständigem Bezug auf das Lehramt der Kirche. Das überzeugte Festhalten am Primat des religiösen Lebens über jedem anderen Bedürfnis wird dabei helfen, die in den vergangenen Jahren aufgetretenen Probleme zu lösen und die nötigen Normen hinsichtlich Kontrolle, Mobilität und beruflicher Qualifikation aufzustellen, die von den neuen Bedingungen gefordert werden. Dank einer verbreiteten Wiederaufnahme des Glaubenseifers werden die Mitglieder der Societä San Paolo - in einem Geist des Dialogs und der Brüderlichkeit - angemessene Lösungen für den gewünschten apostolischen Aufschwung nach den Richtlinien des Gründers suchen und finden können. Dazu wird die Einheit eurer Kongregation, unter Achtung der Verantwortlichkeiten einer jeden Provinz, einen wertvollen Beitrag leisten. 526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Als Thema eures Generalkapitels habt ihr ein von Don Alberione geschätztes Motto ausgesucht: „Die Welt ist eure Gemeinde“. Euer Gründer sah einen engen Zusammenhang zwischen der apostolischen Dimension seiner Kinder und dem Amt des Nachfolgers Petri, dessen Gemeinde eben die Welt ist. Im November 1924 schrieb er: „Wir müssen treue Vermittler des Wortes und der Weisungen des Papstes sein. Nichts anderes maßen wir uns an: Und Gott wird uns die Gnade geben, dies zu tun [...] Unsere Aufgabe ist nicht, Theorien auszuarbeiten: Wir bleiben dem Papst nahe und versuchen, den Richtlinien des Papstes treu zu folgen“. Aus demselben Grunde wollte er, dass „in der Pia Societä San Paolo zu den drei üblichen Gelübden noch ein viertes hinzukäme, nämlich das der Treue zum Papst hinsichtlich des Apostolats“. Wir können zu Recht behaupten, dass die volle Übereinstimmung mit dem Lehramt von Leo XIII. und dem hl. Pius X. - der beiden bedeutenden Päpste, die mit ihrem weisen Handeln die Emeuemng der Pfarrgemeinden in ihren Dimensionen des seelsorgerischen und sozialen Engagements förderten - die Norm war, die das einzigartige Apostolat von Don Alberione inspirierte. Er fühlte sich besonders von der Erneuerung der Katechese und der liturgischen Pastoral angezogen und interessierte sich darüber hinaus auch für die Soziallehre der Kirche und für die ersten Schritte der Bibelbewegung: All dies wollte er durch das Apostolat der Presse und der anderen sozialen Kommunikationsmittel vorantreiben. Mein Wunsch ist, dass die Überlegungen über das Thema eures Kapitels nicht nur eure Übereinstimmung mit dem Charisma des Gründers bestätigen, sondern euch dazu verpflichten, alle tiefen Motivationen, die seinen apostolischen Eingebungen zugrunde lagen, auf euch zu nehmen und zu leben, um mit neuem Enthusiasmus und vertrauensvoller Hoffnung zur Evangelisierung der riesigen „Gemeinde des Papstes“ beizutragen - in ständiger Gemeinschaft mit den Ortskirchen und der Weltkirche. 5. Liebe Brüder! Euer Generalkapitel, das eine neue Etappe im Leben eures Instituts eröffnet, findet ihren Abschluss in der Osterzeit, der Zeit der Mission. Ich wünsche euch, dass ihr in diesem Augenblick nicht nur den Aufruf des Herrn erkennt, der euch erneut in die ganze Welt aussendet, um allen Geschöpfen mit allen Mitteln die Frohbotschaft des Evangeliums zu verkünden (vgl. Mt 28,19), sondern auch seine Einladung, den Weg des Jüngers in Demut zu gehen, um Christus großherzig bis zum Kreuz zu folgen. Ich bete dafür, dass alle Provinzen der Kongregation sich den neuen Horizonten der Brüderlichkeit, der Gemeinschaft und des fruchtbaren Apostolats öffnen mögen. Mit diesen Wünschen empfehle ich euch dem mütterlichen Schutz der heiligen Jungfrau und dem Gebet des sei. Giaccardo und des ehrwürdigen Don Alberione; als Unterpfand neuer und reicher Gaben des Heiligen Geistes erteile ich euch von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne auf eure Mitbrüder und auf die ganze Famiglia Paolina ausdehne. 527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ad tuendamfidem Als Motu Proprio erlassenes Apostolisches Schreiben durch das einige Normen in den Codex Iuris Canonici und in den Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium eingefügt werden, vom 18. Mai Zum Schutz des Glaubens der katholischen Kirche gegenüber den Irrtümem, die bei einigen Gläubigen auftreten, insbesondere bei denen, die sich mit den Disziplinen der Theologie beschäftigen, schien es Uns, deren Hauptaufgabe es ist, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), unbedingt notwendig, in die geltenden Texte des Codex Iuris Canonici und des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium Normen einzufügen, durch die ausdrücklich die Pflicht auferlegt wird, die vom Lehramt der Kirche in endgültiger Weise vorgelegten Wahrheiten zu beachten. Dabei finden auch die diesbezüglichen kanonischen Sanktionen Erwähnung. 1. Seit den ersten Jahrhunderten bekennt die Kirche bis auf den heutigen Tag die Wahrheiten über den Glauben an Christus und über das Geheimnis seiner Erlösung; diese wurden nach und nach in den Glaubensbekenntnissen zusammengefasst. Heute sind sie gemeinhin als Apostolisches Glaubensbekenntnis oder als Ni-zäno-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis bekannt und werden von den Gläubigen bei der Messfeier an Hochfesten und Sonntagen gebetet. Eben dieses Nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis ist in der kürzlich von der Kongregation für die Glaubenslehre erarbeiteten Professio fidei1 enthalten, die in besonderer Weise von bestimmten Gläubigen verlangt wird, wenn diese ein Amt übernehmen, das sich direkt oder indirekt auf die vertieftere Forschung im Bereich der Wahrheiten über Glaube und Sitten bezieht oder mit einer besonderen Vollmacht in der Leitung der Kirche verbunden ist <14> <15>. <14> Kongregation für die Glaubenslehre, Professio fidei et Iusiurandum fidelitatis in suscipiendo officio nomine Ecclesiae exercendo, 9. Januar 1989, in: AAS 81(1989)105. <15> Vgl. Codex Iuris Canonici (CIC), can. 833. 2. Die Professio fidei, der mit Recht das Nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis vorangestellt ist, enthält darüber hinaus drei Absätze, die jene Wahrheiten des katholischen Glaubens darlegen sollen, die die Kirche unter der Führung des Heiligen Geistes, der sie „in die ganze Wahrheit führen wird“ (,Joh 16,13), im Lauf der Jahrhunderte erforscht hat oder noch tiefer erforschen muss <16>. <16> Vgl. CIC, can. 747 § 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO), can. 595 1. Der erste Absatz lautet: „Fest glaube ich auch alles, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird, sei es durch feierliches Urteil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt“ <17>. Dieser Absatz hat seine entsprechende Bestim- <17> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, De Ecclesia, Nr. 25, 21. November 1964, in: AAS 57(1965)29-31; Dogmatische Konstitution Dei Verbum, De divina Revelatione, 18. November 528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mung in der allgemeinen Gesetzgebung der Kirche in can. 750 des Codex Iuris Canonici <18> und in can. 598 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium <19>. 1965, Nr. 5, in: AAS 58(1966)819; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum Veritatis, De ec-clesiali theologi vocatione, 24. Mai 1990, Nr. 15, in: AAS 82(1990)1556. ^ Codex Iuris Canonci, can. 750 - Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden. <19> Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 598 - Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden. Der dritte Absatz lautet: „Außerdem hange ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden“ <20> <21>. Er findet seine Entsprechung in can. 752 des Codex Iuris Canonici8 und in can. 599 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium <22>. ^ Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum Veritatis, De ecclesiali theologi vocatione, 24. Mai 1990, Nr. 17, in: AAS 82(1990)1557. ^ Codex Iuris Canonici, can. 752 - Nicht Glaubenszustimmung, wohl aber religiöser Verstandes- und Willensgehorsam ist einer Lehre entgegenzubringen, die der Papst oder das Bischofskollegium in Glaubens- oder Sittenfragen verkündigen, wann immer sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie diese Lehre nicht definitiv als verpflichtend zu verkünden beabsichtigen; die Gläubigen müssen also sorgsam meiden, was ihr nicht entspricht. <22> Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 599 - Nicht Glaubenszustimmung, wohl aber religiöser Verstandes- und Willensgehorsam ist einer Lehre entgegenzubringen, die der römische Papst oder das Bischofskollegium in Glaubens- oder Sittenfragen verkündigen, wann immer sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie diese Lehre nicht definitiv als verpflichtend zu verkünden beabsichtigen; die Gläubigen müssen also sorgsam meiden, was ihr nicht entspricht. 3. Im zweiten Absatz heißt es: „Mit Festigkeit erkenne ich auch an und halte an allem und jedem fest, was bezüglich der Lehre des Glaubens und der Sitten von der Kirche endgültig vorgelegt wird“ <23>. Dafür gibt es allerdings keinen entsprechenden Canon in den Codices der katholischen Kirche. Dieser Absatz der Professio fidei ist jedoch von größter Bedeutung, da er sich auf die mit der göttlichen Offenbarung notwendigerweise verknüpften Wahrheiten bezieht. Diese Wahrheiten, die bei der Erforschung der katholischen Glaubenslehre eine besondere Inspiration des Heiligen Geistes für das tiefere Verständnis einer bestimmten Wahrheit über Glaube oder Sitten durch die Kirche zum Ausdruck bringen, sind aus historischen Gründen oder als logische Folge mit der Offenbarung verknüpft. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum Veritatis, De ecclesiali theologi vocatione, 24. Mai 1990, Nr. 16, in: AAS 82(1990)1557. 529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Von der erwähnten Notwendigkeit gedrängt, haben Wir deshalb beschlossen, diese Lücke im allgemeinen Kirchenrecht in der folgenden Weise zu schließen: A. Can. 750 des Codex Iuris Canonici wird von nun an zwei Paragraphen haben, deren erster aus dem Wortlaut des geltenden Canons besteht und deren zweiter einen neuen Text enthält. Insgesamt lautet can. 750 jetzt folgendermaßen: Can. 750 - § 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubens wahrheiten entgegen stehende Lehren jedweder Art zu meiden. § 2. Fest anzuerkennen und zu halten ist auch alles und jedes, was vom Lehramt der Kirche bezüglich des Glaubens und der Sitten endgültig vorgelegt wird, das also, was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist; daher widersetzt sich der Lehre der katholischen Kirche, wer diese als endgültig zu haltenden Sätze ablehnt. In can. 1371, Nr. 1 des Codex Iuris Canonici wird dementsprechend die Zitation des can. 750, § 2 eingefügt, so dass can. 1371 von nun an insgesamt so lauten wird: Can. 1371 - Mit einer gerechten Strafe soll belegt werden: 1. wer außer dem in can. 1364, § 1 genannten Fall eine vom Papst oder von einem Ökumenischen Konzil verworfene Lehre vertritt oder eine Lehre, worüber can. 750, § 2 oder can. 752 handelt, hartnäckig ablehnt und, nach Verwarnung durch den Apostolischen Stuhl oder den Ordinarius, nicht widerruft; 2. wer sonst dem Apostolischen Stuhl, dem Ordinarius oder dem Oberen, der rechtmäßig gebietet oder verbietet, nicht gehorcht und nach Verwarnung im Ungehorsam verharrt. B. Can. 598 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium wird von nun an zwei Paragraphen enthalten: Dabei wird der erste aus dem Wortlaut des geltenden Canons bestehen und der zweite einen neuen Text vorlegen, so dass can. 598 insgesamt so lautet: Can. 598 - § 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden. § 2. Fest anzuerkennen und zu halten ist auch alles und jedes, was vom Lehramt der Kirche bezüglich des Glaubens und der Sitten endgültig vorgelegt wird, das also, was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubens- 530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gutes erforderlich ist; daher widersetzt sich der Lehre der katholischen Kirche, wer diese als endgültig zu haltenden Sätze ablehnt. In can. 1436 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium sollen dementsprechend die Worte hinzugefügt werden, die sich auf can. 598, § 2 beziehen, so dass can. 1436 insgesamt lauten wird: Can. 1436 - § 1. Wer eine Wahrheit leugnet, die kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glauben ist, oder sie in Zweifel zieht oder den christlichen Glauben gänzlich ablehnt und nach rechtmäßiger Ermahnung sein Unrecht nicht einsieht, soll als Häretiker oder Apostat mit der großen Exkommunikation bestraft werden; der Kleriker kann darüber hinaus mit anderen Strafen belegt werden, die Absetzung nicht ausgeschlossen. § 2. Außer diesen Fällen soll derjenige, der eine als endgültig zu halten vorgelegte Lehre hartnäckig ablehnt oder an einer Lehre festhält, die vom Papst oder vom Bischofskollegium in Ausübung ihres authentischen Lehramtes als irrig zurückgewiesen worden ist, und nach rechtmäßiger Ermahnung sein Unrecht nicht einsieht, mit einer angemessenen Strafe belegt werden. 5. Wir befehlen, dass alles, was Wir durch dieses als Motu proprio erlassene Apostolische Schreiben entschieden haben, in der oben dargelegten Weise in die allgemeine Gesetzgebung der katholischen Kirche, in den Codex Iuris Canonici bzw. in den Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, einzufügen und unter Aufhebung alles Entgegenstehenden rechtskräftig und gültig ist. Rom bei St. Peter, am 18. Mai 1998, im 20. Jahr Unseres Pontifikates Joannes Paulus PP. II Das Zeugnis gelebter Nächstenliebe verstärken Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels des Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung (Don Orione) am 18. Mai Liebe Töchter und Söhne von der Göttlichen Vorsehung! 1. Mit großer Freude heiße ich euch zum Abschluss eures Generalkapitels hier willkommen! Ich begrüße euch alle herzlich, besonders euren Generaldirektor, Don Roberto Simionato, dem ich für seine höflichen Grußworte danke. Ich beglückwünsche ihn außerdem zu seiner Wiederwahl und wünsche ihm, dass er -von der Gnade Gottes unterstützt - seine Mitbrüder auch in Zukunft mit Mut und Weitsicht im apostolischen Stil eures seligen Gründers leiten möge. Ich begrüße die Mitglieder des neuen Generalkapitels und diejenigen, die in den vergangenen sechs Jahren darin ihren Dienst geleistet haben. Durch euch, die ihr hier anwesend seid und am Kapitel teilgenommen habt, möchte ich allen Mitglie- 531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem des Werkes von Don Orione danken, die in so vielen Nationen der Erde verstreut leben, mit der herzlichen Ermunterung, immer „der Zeit voraus“ zu gehen, wie Don Orione gern zu sagen pflegte. Ich grüße auch die Laien, die zum ersten Mal an dieser brüderlichen Versammlung teilgenommen haben; dadurch wurde für das Kleine Werk der Göttlichen Vorsehung eine neue Phase eröffnet, die - wie ich hoffe - reich an apostolischen Früchten sein wird. 2. Das Thema eurer Kapitelsversammlung lautete diesmal „Ordensleute und Laien im Geist von Don Orione und ihre Sendung im dritten Jahrtausend“. Dieses Thema habt ihr im Hinblick auf die Zukunft untersucht und in dem Bewusstsein, dass die veränderten sozialen Bedingungen, unter denen wir leben, von eurer noch jungen Kongregation neue Formen des Apostolats fordern, die allerdings immer vom charismatischen Geist der Anfänge beseelt sein sollen. Um eurer Berufung besser zu entsprechen, wollt ihr die Laien enger in euren Dienst einbeziehen; in diesem Zusammenhang habt ihr meinen Hinweis im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata aufgegriffen, wo ich geschrieben hatte, dass die verschiedenen Komponenten des Gottesvolkes „ihre Kräfte durch Zusammenarbeit und Austausch der Gaben vereinen können und sollen, um wirksamer an der kirchlichen Sendung teilzuhaben“ (Nr. 54). Ich bin sicher, dass eine engere Gemeinschaft von Ordensleuten und Laien eurer Familie, entstanden aus dem Herzen des sei. Luigi Orione, der Gott und seine Brüder liebte, zu einer spirituellen Bereicherung aller und zu einer wirksameren apostolischen und sozialen Tätigkeit in der Welt führen wird. Unsere Zeit erfordert Eifer und Hingabe, absolute Treue zum Evangelium und zur Kirche, detaillierte Ausbildung und mutige Öffnung gegenüber den Bedürfnissen unserer Nächsten. Euer Gründer würde auch heute noch sagen; „Was wir heute brauchen, ist Feuer, nicht nur einen einfachen Funken, sondern einen wahren Glutofen.“ Ja, wie sollten wir in dieser gegenwärtigen Epoche - vor allem in diesem Jahr, das besonders der Betrachtung über den Heiligen Geist gewidmet ist - nicht das Bedürfnis nach dem Feuer dieser göttlichen Person, nach dem Feuer der Nächstenliebe und der Heiligkeit spüren? 3. In erster Linie muss es sich um das Feuer der Heiligkeit handeln. In meinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici bemerkte ich: „Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche“ (Nr. 17). Und in Redemptoris missio schrieb ich: „Es genügt weder, die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit größerer Klugheit zu erforschen: Es gilt, eine neues ,glühendes Verlangen nach Heiligkeit“ unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken“ (Nr. 90). Das hatte auch Don Orione verstanden, als er aus dem argentinischen Chaco feurige Appelle zur Aussendung neuer Missionare des Evangeliums schickte: „Ich brauche Heilige! Ich 532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN brauche Heilige!“ (vgl. Briefe, II, 236). Die Lebenskraft der Kongregation und ihres Apostolats ergibt sich aus dem liebevollen und dauerhaften Streben nach Heiligkeit seitens all ihrer Mitglieder. Heiligkeit vor allem! Deshalb muss das Ideal der Gleichförmigkeit mit Christus immer der Plan und die Dynamik sein, die nicht nur die ursprüngliche und fortdauernde Ausbildung beseelen, sondern auch jede Einrichtung und Tätigkeit der Nächstenliebe, den pastoralen und missionarischen Einsatz, die Beziehung zu den Laien und alle wohltätigen Initiativen eures Instituts. 4. Das Feuer der göttlichen Liebe nährt das Feuer der brüderlichen Nächstenliebe. Eure tägliche Anwesenheit unter den „Letzten“ führt euch die Tatsache vor Augen, dass es unmöglich ist, das regenerierende Feuer der Liebe unter den Menschen zu verbreiten, wenn man nicht selbst innerlich von der göttlichen Nächstenliebe angetrieben wird. Deshalb wollte Don Orione eine Kongregation einrichten, die einen wahren Familiengeist lebt, also ein Abbild der Apostelgemeinschaft, in der das Band der Liebe Christi das Geheimnis des Einverständnisses und der Zusammenarbeit war. Macht in dieser Richtung weiter, treu der Eingabe eures Vaters, denn nur so könnt ihr wirksam und gemeinsam gegen die Schranken der Ausgrenzung angehen, um den armen und verlassenen Menschen zu dienen. Diese Notwendigkeit des Apostolats der Gemeinschaft war dem sei. Luigi Orione sehr wohl bewusst; er verfolgte aufmerksam die Zeichen seiner Zeit und bemerkte dazu: „Einer Welt, in der nur das Gesetz des Stärkeren existiert; einer Welt, in der es oft zu Kämpfen zwischen reich und arm, zwischen Vater und Sohn, zwischen Untertan und Regierenden kommt; den Strudeln einer Gesellschaft, die im Haß lebt und darin versinken zu wollen scheint, setzen wir das Beispiel einer wahrlich christlichen Nächstenliebe entgegen“ (vgl. Parola, III, 106). 5. Das dritte Jahrtausend steht nun schon vor unserer Tür, und im Verlauf eurer Kapitelsversammlung habt ihr über die missionarischen Herausforderungen diskutiert, die die Kirche vor sich hat: darunter an erster Stelle die Herausforderung, allen Menschen und dem ganzen Menschen aufs neue die befreiende Botschaft des Evangeliums (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 57) in seiner Fülle und Wahrheit vorzustellen. Ich bin sicher, dass bei diesen Bemühungen zur Neuevangelisierung der tatkräftige Beitrag eurer Kongregation nicht fehlen wird. Gemäß ihrem spezifischen Charisma ist sie berufen, das Zeugnis der Nächstenliebe zu geben, das eure bevorzugte Methode zur Vereinigung der Menschen mit Christus, dem Papst und der Kirche ist. Euer seliger Stifter fragte sich: „Wer wird - in der Kirche und von der Kirche gesegnet - zu den Ärmsten, Verlassensten und Elendsten gehen? Und wie werden wir den Seelen und dem Volk Christus offenbaren? Mit der Nächstenliebe! Wie werden wir die Leute dazu bringen, Christus zu lieben? Mit der Nächstenliebe! Wie werden wir die Brüder und Völker retten? Mit der Nächstenliebe! Mit der Liebe, die sich selbst zum Brandopfer macht, die aber alles besiegt; mit der Nächsten- 533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liebe, die vereint und alles in Christus gründet!“ (vgl. Informatio ex processu, S. 1021). Liebe Jünger von Don Orione! Erhaltet dieses kostbare Erbe, das euch euer Gründer hinterlassen hat. Macht eure apostolische Tätigkeit durch den Beitrag der Laien wirksamer und den Bedürfnissen unserer Zeit besser angepasst. Dafür möchte ich euch und eure verdienten pastoralen und karitativen Werke dem himmlischen Schutz der Jungfrau Maria und des sei. Luigi Orione anvertrauen. Ich versichere euch meines ständigen Gedenkens im Gebet und erteile euch, euren Mitbrüdem, euren Gemeinschaften und allen, die der großen geistigen Gemeinschaft Don Oriones angehören, von ganzem Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Apostulos suos Apostolisches Schreiben, als Motu Proprio erlassen, über die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen <24> vom 21. Mai <24> Die orientalischen Patriarchal- und höheren erzbischöflichen Kirchen werden von ihren jeweiligen Bischofs-synoden geleitet, die mit legislativer, rechtsprechender und in gewissen Fällen auch administrativer Vollmacht ausgerüstet sind (vgl. CCEO cann. 110 und 152): davon handelt das vorliegende Dokument nicht. Denn man kann in dieser Hinsicht keinen Vergleich zwischen diesen Synoden und den Bischofskonferenzen anstellen. Das vorliegende Dokument betrifft die konstituierten Versammlungen in den Gebieten, in denen es mehr Kirchen sui iuris gibt, die vom CCEO can. 322 und von den entsprechenden vom Apostolischen Stuhl approbierten Statuten geregelt werden (vgl. CCEO can. 322,4; Apostolische Konstitution Pastor Bonus, Art. 58, 1), soweit sie sich den Bischofskonferenzen annähern (vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 38). I. Einleitung 1. Unser Herr Jesus Christus setzte die Apostel „nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte“. <25> <26> Jesus hat die Apostel nicht unabhängig voneinander erwählt und gesandt, sondern die Gruppe der Zwölf gebildet, wie es in den Evangelien mit dem wiederholt verwandten Ausdruck „einer der Zwölf unterstrichen wird. Allen zusammen vertraute der Herr die Sendung an, das Reich Gottes zu verkünden; <27> sie wurden von ihm nicht einzeln, sondern jeweils zwei zusammen ausgesandt. <28> Beim letzten Abendmahl bat Jesus den Vater um die Einheit der Apostel und all derer, die durch ihr Wort an ihn glauben sollten. <29> Nach seiner Auferweckung und vor der Himmel- <25> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 19; vgl. Mt 10,1-4; 16,18; Mk 3,13-19; Lk 6,13; Joh 21,15-17. <26> Vgl. Mt 26,14; Mk 14,10.20.43; Lk 22,3.47; Joh 6,72; 20,24. <27> Vgl. Mt 10.5-7; Lk 9,1-2. <28> Vgl. Mk 6,7. <29> Vgl. Joh 17,11.18.20-21. 534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fahrt bestätigte der Herr den Petrus im obersten Hirtenamt <30> und vertraute den Aposteln dieselbe Mission an, die er vom Vater empfangen hatte. <31> Durch die Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingsttag zeigte sich die Konkretheit des Apostelkollegiums voll neuer vom göttlichen Beistand ausgehender Lebenskraft. „Da trat Petras auf, zusammen mit den Elf.“ <32> Er sprach zur Volksmenge und taufte eine große Anzahl von Glaubenden; die erste Gemeinschaft erscheint im Festhalten an der Lehre der Apostel geeint, <33> von ihnen empfing sie die Entscheidung über die pastoralen Probleme; <34> Paulus wandte sich an die in Jerusalem verbliebenen Apostel, um seine Gemeinschaft mit ihnen zu bestätigen und sich zu vergewissern, nicht vergeblich zu laufen. <35> Das Bewusstsein, einen unteilbaren Leib zu bilden, wurde auch deutlich, als die Frage auftauchte, ob die Heidenchristen verpflichtet seien, das jüdische Gesetz zu halten oder nicht. In der Gemeinde von Antiochia „beschloß man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und den Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen“. <36> Die Apostel und die Ältesten versammelten sich, um diese Frage zu prüfen; sie berieten, setzten unter dem Vorsitz des Petras fest und entschieden: „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge ,..“ <37> <30> Vgl. Joh 21,15-17. <31> Vgl. Joh 20,21; Mt 28,18-20. <32> Apg 2,14. <33> Vgl. Apg 2,42. <34> Vgl. Apg 6,1-6. <35> Vgl. Gal 2,1 -2.7-9. <36> Apg 15,2. <37> Apg 15,28. 2. Die Heilssendung, die der Herr den Aposteln anvertraut hat, dauert bis zum Ende der Welt. <38> Damit diese Sendung dem Willen Christi gemäß erfüllt werde, „trugen die Apostel [...] für die Bestellung von Nachfolgern Sorge. [...] Die Bischöfe [sind] aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten“. <39> Denn um das Hirtenamt auszuüben, „sind die Apostel mit einer besonderen Ausgießung des herabkommenden Heiligen Geistes von Christus beschenkt worden. <40> Sie wiederum übertragen ihren Helfern durch die Auflegung der Hände die geistliche Gabe, <41> die in der Bischofsweihe bis auf uns gekommen ist“. <42> <38> Vgl. Mt 28,18-20. <39> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 20. <40> Vgl. Apg 1,8; 2,4; Joh 20,22-23. <41> Vgl. 1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6-7. <42> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 21. 535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden.“ <43> Die Bischöfe haben gemeinsam von Christus den Auftrag erhalten, das Evangelium überall auf Erden zu verkündigen und sind deshalb zur Sorge für die Gesamtkirche gehalten, und sie sind auch in Erfüllung der ihnen vom Herrn anvertrauten Sendung gehalten, miteinander und mit dem Nachfolger Petri <44> zusammenzuarbeiten, in dem „ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt [ist]“. <45> Die Einzelbischöfe sind ihrerseits sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen. <46> <43> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 22. <44> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23. <45> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 18. Vgl. ebd., 22-23, Nota esplicativa previa, 2; I. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aeternus, Prologus: DS 3051. <46> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23. 3. Ohne die Vollmacht, die der Bischof durch göttliche Einsetzung in seiner Teilkirche hat, zu schmälern, hat das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einem unteilbaren Leib die Bischöfe im Laufe der Kirchengeschichte dazu veranlasst, bei der Erfüllung ihrer Sendung Instmmente, Organismen oder Kommunikationsmittel zu verwenden, die die Gemeinschaft und die Sorge für alle Kirchen zum Ausdruck bringen und das Leben des Apostelkollegiums selbst verlängern, d. h. pastorale Zusammenarbeit, Beratungen, gegenseitige Hilfe usw. Von den ersten Jahrhunderten an hat diese Realität der Gemeinschaft einen besonders qualifizierten und charakteristischen Ausdruck in der Feier der Konzilien gefunden, von denen außer den ökumenischen Konzilien, die mit dem Konzil von Ni-zäa im Jahr 325 begannen, auch die Partikularkonzilien (Plenar- und Provinzialkonzilien) zu erwähnen sind, die in der ganzen Kirche vom 2. Jahrhundert an häufig abgehalten wurden. <47> <47> Zu den Konzilien des 2. Jahrhunderts vgl. Eusebius von Caesarea, Storia ecclesiastica, V, 16, 10; 23, 2-4; 24, 8; SC 41, S. 49, 66-67, 69. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts lobt Tertullian den Brauch der Griechen, Konzilien abzuhalten (vgl. De ieiunio, 13, 6: CCL 2, 1272). Aus dem Epistolarium des hl. Cyprian von Karthago wissen wir von mehreren afrikanischen und römischen Konzilien, die ab dem 2. oder 3. Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts datieren (vgl. Epist. 55, 6; 57; 59, 13, 1; 61; 64; 67; 68, 2, 1; 70, 4, 1; 72; 73, 1-3; Bayard (ed.), Les Beiles Lettres, Paris 1961, II, S. 134-135; 154-159; 180; 194-196; 213-216; 227-234; 235; 252-256; 259; 259-262; 262-264). Zu den Bischofssynoden im 2. und im 3. Jahrhundert vgl. K. J. Hefele, Histoire des Conciles, I, Adrien Ie Clere, Paris 1869, S. 77-125. Diese Praxis der Feier der Partikularkonzilien dauerte das ganze Mittelalter hindurch. Nach dem Konzil von Trient (1545-1563) hingegen erlahmte sie immer mehr. Dennoch brachte der Codex des kanonischen Rechtes von 1917, der einer so ehrwürdigen Institution neuen Aufschwung geben sollte, auch Anordnungen für die Feier von Partikularkonzilien. Can. 281 des obengenannten Codex bezog sich auf das Plenarkonzil und legte fest, dass es mit Genehmigung des Papstes abgehalten werden konnte, der seinen Delegaten ernannte, der es einberufen und lei- 536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten sollte. Der gleiche Codex schrieb die Feier der Provinzialkonzilien in mindestens zwanzigjährigen Abständen vor; <48> in fünfjährigem Abstand sollten Konferenzen oder Versammlungen der Bischöfe einer Provinz stattfinden, um die Probleme der Diözesen zu behandeln und das Provinzialkonzil vorzubereiten. <49> Der neue Codex des kanonischen Rechtes von 1983 hat eine ausgedehnte Regelung für die Partikularkonzilien - seien es Plenar- oder Provinzialkonzilien - beibehalten <50> <48> Vgl. C/C (1917), can. 283. <49> Vgl. CIC (1917), can. 292. <50> Vgl. CIC cann. 439-446. 4. Neben der Tradition der Partikularkonzilien und im Gleichklang mit ihr entstanden im vergangenen Jahrhundert aus geschichtlichen, kulturellen, soziologischen und besonderen pastoralen Gründen in mehreren Ländern die Bischofskonferenzen; sie sollten die verschiedenen kirchlichen Angelegenheiten von allgemeinem Interesse behandeln und entsprechende Lösungen finden. Im Unterschied zu den Konzilien hatten diese Konferenzen festen und dauerhaften Charakter. Die Instruktion der Sacra Congregatio Episcoporum et Regularium vom 24. August 1889 weist auf sie hin und nennt sie ausdrücklich „Bischofskonferenzen“ <51> <51> Sacra Congregatio Episcoporum et Regularium, Instructio ,.Äicuni Arcivescovi“, De collantionibus quolibet anno ab Italis Episcopis in variis quae designantur Regionibus habendis (24. August 1889): Leonis XIII Acta, IX (1890), S. 184. Im Dekret Christus Dominus bringt das II. Vatikanische Konzil den Wunsch zum Ausdruck, die ehrwürdige Einrichtung der Partikularkonzilien möge mit neuer Kraft erblühen (vgl. Nr. 36); es behandelt auch ausdrücklich die Bischofskonferenzen, indem es die erfolgte Errichtung in vielen Ländern hervorhebt und besondere Richtlinien dafür festlegt (vgl. Nr. 3738). Denn das Konzil hatte erkannt, dass diese Organismen nützlich und fruchtbar sind, und hielt es für angebracht, „daß sich überall die Bischöfe desselben Landes oder Gebietes zu einem Gremium zusammenfinden. Sie sollen sich zu festgesetzten Zeiten treffen, damit durch den Austausch von Kenntnissen und Erfahrung und durch gegenseitige Beratung ein heiliges Zusammenwirken der Kräfte zum gemeinsamen Wohl der Kirchen zustande kommt“. <52> n. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 37; vgl. Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23. 5. Papst Paul VI. ordnete 1966 mit dem Motu proprio Ecclesiae Sanctae die Errichtung der Bischofskonferenzen an, falls sie noch nicht existierten; die bereits vorhandenen sollten eigene Statuten abfassen; wo ihre Errichtung nicht möglich war, sollten sich die entsprechenden Bischöfe den schon bestehenden Bischofskonferenzen anschließen; es sollten Bischofskonferenzen für viele Länder oder auch auf internationaler Ebene geschaffen werden. <53> Einige Jahre später, 1973, wies das pastorale Direktorium der Bischöfe erneut darauf hin, dass „die Bischofskonferenz eingerichtet wurde zu dem Zweck, Tag für Tag einen vielfältigen und fruchtbaren <53> Paul VI., Motu proprio Ecclesiae Sanctae (6. August 1966) l.Normae ad exsequenda Decreta SS. Concilii Vaticani II „Christus Dominus“ et „Presbyterorum Ordinis“, 41; AAS 58(1966)773-774. 537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beitrag zur konkreten Anwendung der Kollegialität zu leisten. Durch die Konferenzen wird der Geist der Gemeinschaft in der Gesamtkirche und in den einzelnen Teilkirchen untereinander in herausragender Weise entflammt“. <54> Der von mir am 25. Januar 1983 promulgierte Codex des kanonischen Rechtes hat nun eine normative Richtschnur festgesetzt (cann. 447-459); dadurch werden die Zielsetzungen und Zuständigkeiten der Bischofskonferenzen wie auch ihre Errichtung, Zusammensetzung und Arbeitsweise geregelt. <54> Kongregation für die Bischöfe, Direktorium Ecclesiae imago, De Pastorali Ministerio Episcoporum (22. Februar 1973), 210. Der kollegiale Geist, der die Einrichtung der Bischofskonferenzen inspiriert und deren Tätigkeit leitet, regt auch zur Zusammenarbeit unter den Konferenzen verschiedener Länder an, wie es vom II. Vatikanischen Konzil gewünscht <55> und vom kanonischen Gesetz bestätigt wird. <56> <55> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 38, 5. <56> Vgl. CIC can. 459, § 1. Gefördert wurde diese Zusammenarbeit durch die Internationalen Vereinigungen von Bischofskonferenzen wie Consejo Episcopal Latinoamericano (C.E.L.AM.), Consilium Conferentiarum Epis-copalium Europae (C.C.E.E.), Secretariado Episcopal de America Central y Panama (S.E.D.A.C.), Commissio Episcopatuum Communitatis Europaeae (COM.E.C.E.), Association des Conferences Episcopales de l’Afrique Centrale (A.C.E.A.C.), Association des Conferences Episcopales de la Region de l’Afrique Centrale (A.C.E.R.A.C.), Symposium des Conferences Episcopales d’Afrique et de Madagascar (S.C.E.A.M.), Inter-Regional Meeting of Bishops of Southern Africa (I.M.B.S.A.), Southern African Catholic Bishops’ Conference (S.A.C.B.C.), Conferences Episcopales de l’Afrique de l’Ouest Francophone (C.E.R.A.O.), Association of the Episcopal Conferences of Anglophone West Africa (A.E.C.A.W.A.), Association of Member Episcopal Conferences in Eastem Africa (A.M.E.C.E.A.), Federation of Catholic Bishops’ Conferences of Oceania (F.C.B.C.O.) (vgl. Päpstliches Jahrbuch 1998, Vatikanstadt 1998, S. 1112-1115). Diese Organismen sind jedoch keine eigentlichen Bischofskonferenzen. 6. Ausgehend vom II. Vatikanischen Konzil haben sich die Bischofskonferenzen in bemerkenswerter Weise zum bevorzugten Organ der Bischöfe eines Landes oder eines bestimmten Gebietes entwickelt, um dem Meinungsaustausch, der gegenseitigen Beratung und der Zusammenarbeit zum Wohl der ganzen Kirche zu dienen: „Sie sind in diesen Jahren eine konkrete, lebendige und wirksame Wirklichkeit in allen Teilen der Welt geworden.“ <57> Ihre Bedeutung wird dadurch deutlich, dass sie tatkräftig zur Einheit unter den Bischöfen und damit zur Einheit der Kirche beitragen, weil sie ein sehr wertvolles Instrument zur Festigung der kirchlichen Gemeinschaft sind. Dennoch hat die Entfaltung ihrer immer ausgedehnteren Tätigkeit manche Probleme theologischer und pastoraler Natur aufgeworfen, besonders im Hinblick auf ihre Beziehung zu den einzelnen Diözesanbischöfen. <57> Johannes Paul II., Ansprache an die Römische Kurie (28. Juni 1986), 7 c: AAS 79(1987)197. 7. Zwanzig Jahre nach dem Abschluss des II. Vatikanischen Konzils hat die außerordentliche Versammlung der Bischofssynode von 1985 die pastorale Zweckmäßigkeit, ja Notwendigkeit der Bischofskonferenzen in der heutigen Situation anerkannt, zugleich aber darauf hingewiesen, dass „die Bischofskonferenzen in ihrer Verfahrensweise das Wohl der Kirche, das heißt den Dienst an der Einheit und die unveräußerliche Verantwortung des einzelnen Bischofs gegenüber der uni- 538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN versalen Kirche und seiner Teilkirche berücksichtigen müssen“. <58> Deshalb hat die Synode empfohlen, den theologischen und folglich auch den rechtlichen Status der Bischofskonferenzen sowie vor allem das Problem ihrer Lehrautorität ausführlicher und eingehender zu untersuchen. Dabei sollte besonders Nr. 38 des Konzilsdekrets Christus Dominus und die Canones 447 und 753 des Codex des kanonischen Rechtes <59> berücksichtigt werden. <58> Schlussbericht, II, C), 5: L’Osservatore Romano, 10. Dezember 1985, S. 7. <59> Vgl. ebd., II, C), 8, b). Das vorliegende Dokument ist auch Fracht dieser gewünschten Untersuchung. In enger Anbindung an die Dokumente des 13. Vatikanischen Konzils will es die theologischen und rechtlichen Grundprinzipien in Bezug auf die Bischofskonferenzen verdeutlichen und die unerlässliche normative Einbettung bieten, um ein theologisch begründetes und rechtlich gesichertes Handeln dieser Konferenzen festlegen zu helfen. n. Die Kollegiale Einheit unter den Bischöfen 8. In der universalen Gemeinschaft des Volkes Gottes, zu dessen Dienst der Herr das apostolische Amt eingesetzt hat, verdeutlicht die kollegiale Einheit des Episkopats das Wesen der Kirche; weil sie auf Erden das Samenkorn und der Beginn des Reiches Gottes ist, bildet sie „für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils“. <60> Wie die Kirche eine und allumfassend ist, so ist auch der Episkopat einer und ungeteilt; <61> er reicht so weit wie das sichtbare Gefüge der Kirche und bringt ihre reiche Vielfalt zum Ausdruck. Sichtbares Prinzip und Fundament dieser Einheit ist das Haupt der bischöflichen Körperschaft, der Bischof von Rom. <60> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 9. <61> I. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, Prologus: DS 3051. Die Einheit des Episkopats ist eines der konstitutiven Elemente der Einheit der Kirche. <62> Denn durch die Körperschaft der Bischöfe wird „die apostolische Überlieferung in der ganzen Welt kundgemacht und bewahrt“; <63> und das Teilen desselben Glaubens, dessen Depositum ihrer Obhut anvertraut ist, die Teilhabe an denselben Sakramenten, „deren geregelte und fruchtbare Verwaltung sie mit ihrer Autorität ordnen“, <64> die Bindung und der Gehorsam ihnen gegenüber als Hirten der Kirche sind die wesentlichen Bausteine der kirchlichen Communio. Da diese Communio die ganze Kirche durchzieht, strukturiert sie auch das Bischofskolle- <62> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992) 12. <63> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 20. <64> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 26. 539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gium und ist „eine organische Wirklichkeit, die eine rechtliche Gestalt verlangt und zugleich von der Liebe beseelt ist“. <65> <65> Ebd., nota esplicativa previa, 2. 9. Die Ordnung der Bischöfe als Kollegium „ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche“. <66> Bekanntlich hat das II. Vatikanische Konzil in dieser Lehre zugleich hervorgehoben, dass der Nachfolger Petri seine „primatiale Gewalt über alle Hirten und Gläubigen“ bewahrt. „Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben.“ <67> <66> Ebd., 22. <67> Ebd. Die höchste Gewalt, die die Körperschaft der Bischöfe über die ganze Kirche besitzt, kann von ihnen nur kollegial ausgeübt werden, ob sie nun in feierlicher Form auf einem Ökumenischen Konzil versammelt oder über die Welt verstreut sind -vorausgesetzt, dass der Bischof von Rom sie zu einer kollegialen Handlung ruft oder ihre gemeinsame Handlung wenigstens billigt oder frei annimmt. In diesem kollegialen Handeln üben die Bischöfe eine Vollmacht aus, die ihnen zum Wohl ihrer Gläubigen und der ganzen Kirche eigen ist. Unter treuer Wahrung des prima-tialen Vorrangs des Hauptes des Bischofskollegiums, des Bischofs von Rom, handeln sie dennoch nicht als seine Stellvertreter oder Delegaten <68> Hier wird deutlich, dass sie Bischöfe der katholischen Kirche sind, ein Schatz für die ganze Kirche und als solche von allen Gläubigen anerkannt und respektiert. 43 Vgl. ebd., 22; Acta Synodalia Sacmsancti Concilii Oecumenici Vaticani II, vol. III, pars VIII, Typis Poliglottis Vaticanis 1976, S. 77, Nr. 102. 10. Eine solche kollegiale Handlung gibt es auf der Ebene einzelner Teilkirchen und ihrer Zusammenschlüsse seitens der Bischöfe nicht. Auf der Ebene der einzelnen Kirche weidet der Diözesanbischof im Namen des Herrn die ihm als dem eigentlichen, ordentlichen und unmittelbaren Hirten anvertraute Herde; sein Handeln ist ganz persönlich, nicht kollegial, auch wenn es vom Geist der Gemeinschaft angeregt wird. Obwohl der Bischof mit der Fülle des Weihesakraments ausgestattet ist, übt er doch nicht die höchste Gewalt aus, die dem Papst und dem Bischofskollegium als der Universalkirche eigene Elemente Vorbehalten ist; diese sind in jeder Teilkirche vorhanden, damit diese im Vollsinn Kirche, das heißt besondere Gegenwart der Universalkirche mit allen ihren wesentlichen Elementen sei. <69> <69> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992) 13. Beim Zusammenschluss von Teilkirchen nach geographischen Gebieten (Land, Region usw.) üben die ihnen vorstehenden Bischöfe ihre Hirtensorge nicht gemeinsam durch kollegiale Handlungen aus, die denen des Bischofskollegiums gleichzustellen wären. 540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 11. Zur rechten Einordnung und zum besseren Verständnis, dass die kollegiale Einheit im gemeinsamen pastoralen Handeln der Bischöfe eines geographischen Gebietes zum Ausdruck kommt, ist es nützlich, kurz zu erläutern, wie die einzelnen Bischöfe in ihrer ordentlichen Hirtensorge in Beziehung zur Gesamtkirche stehen. Man muss gegenwärtig halten, dass die Zugehörigkeit der Einzelbischöfe zum Bischofskollegium gegenüber der ganzen Kirche nicht nur durch die obengenannten kollegialen Handlungen zum Ausdruck kommt, sondern auch durch die Sorge für sie; diese Sorge wird zwar nicht durch einen hoheitlichen Akt ausgeübt, insgesamt trägt sie aber doch zum Wohl der Gesamtkirche bei. Denn alle Bischöfe sollen die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen und alle Bestrebungen unterstützen, die der ganzen Kirche gemeinsam sind, vor allem zu dem Zweck, dass der Glaube wachse und das Licht der vollen Wahrheit allen Menschen aufgehe. <70> „Im übrigen aber gilt unverbrüchlich: Indem sie ihre eigene Kirche als Teil der Gesamtkirche recht leiten, tragen sie wirksam bei zum Wohl des ganzen mystischen Leibes, der ja auch der Leib der Kirchen ist.“ <71>» <70> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23. <71> Ebd. Die Bischöfe tragen nicht nur durch die gute Ausübung des munus regendi in ihren Teilkirchen zum Wohl der Gesamtkirche bei, sondern auch durch die Ausübung des Amtes des Lehrens und des Heiligens. Aber nur durch einen Akt des ganzen Bischofskollegiums wenden sich die Einzelbischöfe als Lehrer des Glaubens an die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen. Denn nur die der Hirtensorge eines Bischofs anvertrauten Gläubigen müssen mit seinem Spruch, den er im Namen Christi in Glaubens- und Sittenfragen vorgetragen hat, Übereinkommen und ihm mit religiösem Gehorsam anhangen. In der Tat sind „die Bischöfe, die in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren, von allen als Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren“; <72> und ihre Lehre, insofern sie das Credo des Glaubens und seine Anwendung auf das sittliche Leben treu weitergibt und erläutert, kommt der ganzen Kirche zugute. <72> Ebd., Nr. 25. Auch der Einzelbischof, der „Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums“ <73> ist, trägt bei der Ausübung seines Heiligungsamtes in hohem Maß zum Werk der Kirche bei, das der Verehrung Gottes und der Heiligung der Menschen dient. Es ist ein Werk der ganzen Kirche Christi, die in jeder rechtmäßigen Liturgie handelt, die in Gemeinschaft mit dem Bischof und unter seiner Leitung gefeiert wird. <73> Ebd. 12. Wenn die Bischöfe eines Gebietes gemeinsam einige pastorale Aufgaben zum Wohl ihrer Gläubigen erfüllen, wird die kollegiale Gesinnung (affectus collegia-lis) <74> konkret verwirklicht; sie ist „die Seele der Zusammenarbeit zwischen den <74> Vgl. ebd., Nr. 23. 541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischöfen im regionalen, nationalen und internationalen Bereich“. <75> Dennoch hat dieses Wirken nie das kollegiale Wesensmerkmal der Handlungen der Ordnung der Bischöfe als Subjekt der höchsten Gewalt über die ganze Kirche. Denn es besteht ein großer Unterschied zwischen der Beziehung der Einzelbischöfe zum Bischofs-kollegium und ihrer Beziehung zu den Organismen, die zur obengenannten gemeinsamen Erfüllung einiger pastoralen Aufgaben gebildet wurden. <75> Bischofssynode, Dezember 1985, Schlussbericht, II, C), 4: L’Osservatore Romano, 10. Dezember 1985, S. 7. Die Kollegialität der Handlungen der bischöflichen Körperschaft ist gebunden an die Tatsache, dass „die Gesamtkirche weder als die Summe der Teilkirchen noch als eine Föderation von Teilkirchen aufgefaßt werden kann“. <76> „Sie ist nicht das Ergebnis ihrer Gemeinschaft, sondern ihrem wesentlichen Geheimnis nach eine jeder einzelnen Teilkirche ontologisch und zeitlich vorausgehende Wirklichkeit.“ <77> Ebenso wenig ist das Bischofskollegium als die Summe der den Teilkirchen vorstehenden Bischöfe noch als Resultat ihrer Gemeinschaft zu verstehen. Da es wesentliches Element der Universalkirche ist, ist das Bischofskollegium eine Wirklichkeit, die dem Auftrag, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist. <78> Denn die Gewalt des Bischofskollegiums über die ganze Kirche ergibt sich nicht aus der Summe der Gewalten der Einzelbischöfe über ihre Teilkirchen; sie ist eine vorgängige Wirklichkeit, an der die Einzelbischöfe teilhaben, die nur kollegial über die ganze Kirche entscheiden können. Nur der Papst als Haupt des Kollegiums kann als einzelner die höchste Gewalt über die Kirche ausüben. Mit anderen Worten, „die bischöfliche Kollegialität im wahren Sinn des Wortes gebührt nur dem gesamten Bischofskollegium, das als theologisches Subjekt unteilbar ist“. <79> Das entspricht dem ausdrücklichen Willen des Herrn. <80> Die Gewalt ist aber nicht als Herrschaft zu verstehen, ihre wesentliche Dimension ist vielmehr der Dienst, weil er sich von Christus ableitet, dem Guten Hirten, der sein Leben für die Schafe hingibt. <81> <76> Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika (16. September 1987) 3: Insegnamenti X, 3 (1987), 555. <77> Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992) 9. <78> Bekanntlich gibt es viele Bischöfe, die nicht die Leitung einer Teilkirche innehaben, aber doch bischöfliche Aufgaben wahrnehmen. <79> Johannes Paul II., Ansprache an die Römische Kurie (20. Dezember 1990) 6: AAS 83(1991)744. <80> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 22. <81> Vgl. Joh 10,11. 13. Die Zusammenschlüsse von Teilkirchen haben eine Beziehung zu den Kirchen, aus denen sie zusammengesetzt sind. Sie entspricht der Tatsache, dass die Zusammenschlüsse auf dem Band gemeinsamer Traditionen christlichen Lebens und der Verwurzelung der Kirche in menschlichen Gemeinschaften gründen, die durch Sprache, Kultur und Geschichte verklammert sind. Diese Beziehung unterscheidet sich sehr von der Beziehung gegenseitiger innerer Verflechtung der Gesamtkirche mit den Teilkirchen. 542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebenso haben die von den Bischöfen eines Gebietes (Land, Region usw.) gebildeten Organismen und die Bischöfe, aus denen sie zusammengesetzt sind, eine Beziehung, die zwar derjenigen zwischen dem Bischofskollegium und den einzelnen Bischöfen etwas ähnelt, sich aber doch wesentlich unterscheidet. Die verbindliche Wirksamkeit der Handlungen des Bischofsamtes, das gemeinsam in den Bischofskonferenzen und in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl ausgeübt wird, ergibt sich aus der Tatsache, dass dieser die Organismen eingesetzt und ihnen auf Grund der heiligen Gewalt der einzelnen Bischöfe bestimmte Zuständigkeiten übertragen hat. Die gemeinsame Ausübung einiger Handlungen des Bischofsamtes dient zur Verwirklichung jener einem jeden Bischof für die ganze Kirche zukommende Hirtensorge, die in der brüderlichen Hilfe für andere, besonders die benachbarten und ärmsten Teilkirchen, trefflich zum Ausdmck kommt <82> und ebenso in den vereinten Kräften und Bestrebungen mit den anderen Bischöfen desselben geographischen Gebietes zutage tritt, um das gemeinsame Wohl und das Wohl der einzelnen Kirchen zu fördern. <83> <82> Vgl. U. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23; Dekret Christus Dominus, Nr. 6. <83> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 36. III. Die Bischofskonferenzen 14. Die Bischofskonferenzen stellen eine konkrete Anwendungsweise der kollegialen Gesinnung dar. Der Codex des kanonischen Rechtes gibt davon eine genaue Beschreibung auf der Grundlage der Vorschriften des II. Vatikanischen Konzils: „Die Bischofskonferenz, als ständige Einrichtung, ist der Zusammenschluß der Bischöfe einer Nation oder eines bestimmten Gebietes, die gewisse pastorale Aufgaben für die Gläubigen ihres Gebietes nach Maßgabe des Rechts gemeinsam ausüben, um das höhere Gut, das die Kirche den Menschen gewährt, zu fördern, besonders durch Formen und Methoden des Apostolates, die den zeitlichen und örtlichen Umständen in geeigneter Weise angepaßt sind.“ <84> <84> CIC can. 447; vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 38, 1. 15. Die derzeitige Notwendigkeit der Vereinigung der Kräfte als Fracht des Erfah-rangs- und Meinungsaustausches innerhalb der Bischofskonferenz wurde vom Konzil deutlich herausgestellt, weil „die Bischöfe ihr Amt oft nur dann angemessen und fruchtbar ausüben [können], wenn sie ihr einträchtiges Wirken mit den anderen Bischöfen immer enger und straffer gestalten“. <85> Man kann keine erschöpfende Aufzählung der Themen erstellen, die diese Zusammenarbeit erfordern, aber niemandem entgeht, dass derzeit von den Bischöfen gemeinsames Handeln gefordert ist, etwa im Bereich der Förderung und des Schutzes des Glaubens und der <85> II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 37. 543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sitten, der Übersetzung der liturgischen Bücher, der Förderung und Ausbildung der Priesterberufe, der Bereitstellung katechetischer Hilfen, der Förderung und des Schutzes der katholischen Universitäten und anderer Bildungseinrichtungen, des ökumenischen Einsatzes, der Beziehungen zu den weltlichen Obrigkeiten, des Schutzes des menschlichen Lebens, des Friedens, der Menschenrechte, die von der bürgerlichen Gesetzgebung geschützt sind, der Förderung der sozialen Gerechtigkeit, des Gebrauchs der sozialen Kommunikationsmittel, usw. 16. In der Regel umfassen die Bischofskonferenzen die Bischöfe ein und derselben Nation, <86> weil Bande der Kultur, der Traditionen und der gemeinsamen Geschichte sowie das Netz der sozialen Beziehungen unter den Bürgern ein und derselben Nation eine viel engere Zusammenarbeit unter den Gliedern des Episkopats dieses Gebietes erfordern als kirchliche Umstände anderer territorialer Art. Dennoch bietet diese kanonische Norm die Möglichkeit, dass „eine Bischofskonferenz für ein Gebiet mit kleinerer oder größerer Ausdehnung errichtet werden [kann], und zwar so, daß sie entweder nur die Bischöfe einiger in einem bestimmten Gebiet errichteter Teilkirchen oder die Vorsteher von Teilkirchen, die in verschiedenen Nationen bestehen, vereinigt“. <87> Daraus geht hervor, dass es auch auf anderer territorialer oder übernationaler Ebene Bischofskonferenzen geben kann. Die Entscheidung über personen- oder sachbedingte Umstände, die eine größere oder kleinere territoriale Ausdehnung einer Konferenz nahe legen, ist dem Apostolischen Stuhl Vorbehalten. Denn „es steht ausschließlich der höchsten Autorität der Kirche zu, nach Anhören der betroffenen Bischöfe, Bischofskonferenzen zu errichten, aufzulösen oder zu verändern“. <88> <86> Vgl. C/Ccan. 448, § 1. <87> C/Ccan. 448, §2. <88> C/Ccan. 449, § 1. 17. Weil es die Zielsetzung der Bischofskonferenzen ist, das allgemeine Wohl der Teilkirchen eines Gebietes durch die Zusammenarbeit der Oberhirten sicherzustellen, deren Sorge die Kirchen anvertraut sind, gehören ihnen von Rechts wegen im Konferenzgebiet alle Diözesanbischöfe sowie die ihnen rechtlich Gleichgestellten an, ebenso alle Bischofskoadjutoren, Auxiliarbischöfe und die übrigen Titularbi-schöfe, die in diesem Gebiet eine ihnen vom Apostolischen Stuhl oder von der Bischofskonferenz übertragene besondere Aufgabe wahmehmen. <89> Entscheidendes Stimmrecht auf den Vollversammlungen der Bischofskonferenz haben die Diözesanbischöfe und die ihnen rechtlich Gleichgestellten, ferner die Bischofskoadjutoren, und das von Rechts wegen, wenn die Statuten der Konferenz es nicht anders vorsehen. <90> Präsident und Vizepräsident der Bischofskonferenz dürfen nur unter <89> Vgl. C/Ccan. 450, § 1. <90> Vgl. C/Ccan. 454, § 1. 544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Mitgliedern gewählt werden, die Diözesanbischofe sind. <91> Die Auxiliar-bischöfe und die übrigen Titularbischöfe, die der Bischofskonferenz angehören, haben entscheidendes oder beratendes Stimmrecht gemäß den Bestimmungen der Konferenzstatuten <92> <91> Vgl. Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici Authentice Interpretando, Responsum ad propositum dubium, Utrum Episcopus Auxiliaris (23. Mai 1988) AAS 81(1985)388. <92> Vgl. C/C can. 454, § 2. Hier ist die Proportion zwischen Diözesanbischöfen und Auxiliarbischöfen und den übrigen Titularbischöfen zu berücksichtigen, damit eine eventuelle Mehrheit der letzteren nicht die pastorale Leitung der Diözesanbischofe beeinträchtigt. Man hält es jedoch für angebracht, dass die Statuten der Bischofskonferenzen die Anwesenheit der emeritierten Bischöfe mit beratendem Stimmrecht vorsehen. Es ist dafür zu sorgen, dass sie an Studienkommissionen beteiligt werden, die Themen behandeln, in denen ein Altbischof fachlich besonders bewandert ist. Auf Grund der Natur der Bischofskonferenz ist die Teilnahme des Mitglieds der Konferenz nicht delegierbar. 18. Jede Bischofskonferenz hat eigene Statuten, die sie selbst aufstellt. Sie müssen aber vom Heiligen Stuhl überprüft werden, das heißt die recognitio erhalten; „in ihnen ist unter anderem die Abhaltung von Vollversammlungen zu regeln; vorzusehen sind darin ferner ein Ständiger Rat der Bischöfe, ein General Sekretariat der Konferenz sowie andere Ämter und Kommissionen, die nach Meinung der Konferenz das anzustrebende Ziel wirksamer erreichen helfen.“ <93> Diese Zielsetzungen machen es auch notwendig, die Bürokratisierung der zwischen den Vollversammlungen wirkenden Büros und Kommissionen zu vermeiden. Zu berücksichtigen ist die wichtige Tatsache, dass die Bischofskonferenzen mit ihren Kommissionen und Büros dazu da sind, den Bischöfen zu helfen und nicht dazu, ihren Platz einzunehmen. <93> CIC can. 451. 19. Die Autorität der Bischofskonferenzen und ihr Wirkungsbereich stehen in enger Beziehung zur Autorität und zum Wirken des Diözesanbischofs und der ihm gleichgestellten Prälaten. „An Gottes Stelle stehen sie [die Bischöfe] der Herde vor, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung. [...] Aufgrund göttlicher Einsetzung [sind sie] an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten.“ <94> „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht [...]. Diese Gewalt, die sie im Namen Christi persönlich ausüben, kommt ihnen als eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt zu.“ <95> Ihre Ausübung ist von der obersten Gewalt geregelt als notwendige Folge der Beziehung zwischen der Gesamtkirche und <94> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 20. <95> Ebd., Nr. 27. 545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Teilkirche, die nur als Teil des Gottesvolkes existiert und „in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist“. <96> In der Tat „sind der Primat des Bischofs von Rom und das Bischofskollegium eigene Elemente der Gesamtkirche, die sich nicht aus der Besonderheit der Kirchen ableiten, aber dennoch jeder Teilkirche innewohnen“. <97> Als Teil einer derartigen Regelung kann diese Ausübung der heiligen Gewalt des Bischofs „im Hinblick auf den Nutzen der Kirche oder der Gläubigen mit bestimmten Grenzen umschrieben werden“, <98> und diese Vorgabe findet Ausdruck in der Verordnung des Codex des kanonischen Rechtes, wo zu lesen ist: „Dem Diözesanbischof kommt in der ihm anvertrauten Diözese alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt zu, die zur Ausübung seines Hirtendienstes erforderlich ist; ausgenommen ist, was von Rechts wegen oder aufgrund einer Anordnung des Papstes der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität Vorbehalten ist.“ <99> <96> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 11; C1C can. 368. <97> Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992), 13. <98> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 27. <99> C/Ccan. 381, § 1. 20. In der Bischofskonferenz üben die Bischöfe vereint den Hirtendienst an den Gläubigen des Gebietes der Konferenz aus; damit aber diese Tätigkeit für die einzelnen Bischöfe rechtmäßig und verbindlich ist, ist das Eingreifen der höchsten Autorität der Kirche erforderlich, die durch das allgemeine Recht oder durch besondere Anordnungen bestimmte Entscheidungen der Bischofskonferenz überlässt. Die Bischöfe dürfen von sich aus weder einzeln noch versammelt in der Konferenz ihre heilige Gewalt zugunsten der Bischofskonferenz und noch weniger eines Teils von ihr in Form des Ständigen Rates oder einer Kommission oder des Vorsitzenden beschränken. Dieser Gedanke kommt in der kanonischen Verordnung über die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt der in der Bischofskonferenz versammelten Bischöfe treffend zum Ausdruck: „Die Bischofskonferenz kann nur in den Angelegenheiten allgemeine Dekrete erlassen, in denen das allgemeine Recht es vorschreibt oder eine besondere Anordnung dies bestimmt, die der Apostolische Stuhl aus eigenem Antrieb oder auf Bitten der Konferenz selbst erlassen hat.“ <100> In anderen Fällen „bleibt die Zuständigkeit des einzelnen Diözesanbischofs ungeschmälert erhalten, und weder die Konferenz noch ihr Vorsitzender kann im Namen aller Bischöfe handeln, wenn nicht alle Bischöfe einzeln ihre Zustimmung gegeben haben“. <101> <100> CIC can. 455, § 1. Unter „Allgemeine Dekrete“ versteht man auch die Ausführungsdekrete, siehe cann. 31-33 des CIC ; vgl. Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici Authentice Interpretando, Responsum ad propo-situm dubium, 14. Mai 1985, Utrum sub locutione: AAS 77(1985)771. <101> CIC can. 455, § 4. 21. Die vereinte Ausübung des Hirtenamtes betrifft auch das Lehramt. Der Codex des kanonischen Rechtes setzt diesbezüglich die Grundregel fest: „Die Bischöfe, 546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die in Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums stehen, sind, sei es als einzelne, sei es auf Bischofskonferenzen oder auf Partikularkonzilien versammelt, wenn sie auch Unfehlbarkeit in der Lehre nicht besitzen, die authentischen Künder und Lehrer des Glaubens für die ihrer Sorge anvertrauten Gläubigen; die Gläubigen sind gehalten, diesem authentischen Lehramt ihrer Bischöfe mit religiösem Gehorsam zu folgen.“ <102> Außer dieser allgemeinen Regel setzt derselbe Codex im einzelnen einige Lehrzuständigkeiten der Bischofskonferenz fest, wie zum Beispiel „dafür zu sorgen, daß nach vorheriger Genehmigung des Apostolischen Stuhls für ihr Gebiet Katechismen herausgegeben werden“ <103> und die Approbation der Herausgabe der Bücher der Heiligen Schrift und ihrer Übersetzungen. <104> Die einträchtige Stimme der Bischöfe eines bestimmten Gebietes, wenn sie in Einheit mit dem Bischof von Rom gemeinsam die katholische Wahrheit in Sachen des Glaubens und der Moral verkünden, kann ihr Volk wirksamer erreichen und ihren Gläubigen die Zustimmung im religiösen Gehorsam des Geistes zu diesem Lehramt erleichtern. Indem sie treu ihr Lehramt ausüben, dienen die Bischöfe dem Wort Gottes, dem ihre Lehre unterstellt ist; sie hören es voll Ehrfurcht, bewahren es heilig und legen es treu aus, so dass ihre Gläubigen es in bestmöglicher Weise empfangen. <105> Da die Glaubenslehre ein gemeinsames Gut der ganzen Kirche und Band ihrer Gemeinschaft ist, sind die in der Bischofskonferenz versammelten Bischöfe vor allem darauf besorgt, dem Lehramt der universalen Kirche zu folgen und es in angemessener Weise zu dem ihnen anvertrauten Volk gelangen zu lassen. <102> C/Ccan. 753. <103> C/Ccan. 775, §2. <104> Vgl. C/Ccan. 825. <105> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 10. 22. Indem sie neue Aufgaben in Angriff nehmen und sie es sich zu ihrem Anliegen machen, dass die Botschaft Christi das Gewissen der Menschen erleuchte und leite, um die mit den gesellschaftlichen Umwälzungen verbundenen neuen Probleme zu lösen, erfüllen die in der Bischofskonferenz versammelten Bischöfe gemeinsam ihr Lehramt. Dabei sind sie sich der Begrenzungen ihrer Aussagen bewusst, die nicht die Eigenschaft eines universalen Lehramtes besitzen, obwohl sie offiziell und authentisch und in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl sind. Sie sollen deshalb sorgfältig vermeiden, das lehramtliche Wirken der Bischöfe anderer Gebiete zu beeinträchtigen, und die Resonanz in der weiteren Umgebung, ja in der ganzen Welt berücksichtigen, die die Medien den Ereignissen eines bestimmten Gebietes verleihen. Unter der Voraussetzung, dass das authentische Lehramt der Bischöfe, das sie, mit der Autorität Christi ausgerüstet, ausüben, immer in Gemeinschaft mit dem Haupt des Kollegiums und mit den Gliedern sein muss, <106> und wenn die Lehraussagen der Bischofskonferenzen einmütig approbiert werden, können sie zweifellos im Namen <106> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25; C/C can. 753. 547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Konferenzen selbst veröffentlicht werden; die Gläubigen sind gehalten, mit der Gesinnung religiösen Gehorsams jenem authentischen Lehramt ihrer Bischöfe anzuhangen. Fehlt aber diese Einmütigkeit, dann kann die Mehrheit der Bischöfe einer Konferenz die mögliche Erklärung nicht als eine authentische Lehre derselben veröffentlichten, der alle Gläubigen des Gebietes anhangen müssen, so lange sie nicht vom Apostolischen Stuhl überprüft worden ist (recognitio). Diese recognitio wird nicht erteilt, wenn die Mehrheit nicht qualifiziert ist. Das Eingreifen des Apostolischen Stuhles gestaltet sich in Analogie zu dem, was das Gesetz vorschreibt, damit die Bischofskonferenz allgemeine Dekrete erlassen kann. <107> Die recognitio des Heiligen Stuhls soll außerdem sicherstellen, dass bei der Bewältigung der neuen Schwierigkeiten, die sich durch die beschleunigten gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen in der heutigen Zeit stellen, die lehramtliche Antwort die Gemeinschaft fördert und mögliche Aussagen des universalen Lehramtes nicht mit Vorurteilen belegt, sondern diese vorbereitet. <107> Vgl. CIC can. 455. 23. Die Natur des Lehramtes der Bischöfe verlangt, dass es im Falle einer gemeinsamen Ausübung in der Bischofskonferenz in der Vollversammlung ausgeübt wird. Kleinere Organismen - der Ständige Rat, eine Kommission oder andere Büros -besitzen nicht die Vollmacht, Akte des authentischen Lehramtes zu setzen, weder im eigenen Namen noch im Namen der Konferenz noch in ihrem Auftrag. 24. Die heutigen Aufgaben der Bischofskonferenzen zum Wohl der Kirche sind zahlreich. Die Konferenzen sind gemfen, durch wachsenden Dienst „die unveräußerliche Verantwortung jedes Bischofs gegenüber der Gesamtkirche und seiner Teilkirche“ zu stützen <108> und sie natürlich nicht dadurch zu behindern, dass sie unrechtmäßig an seine Stelle treten, wo das kanonische Gesetz keine Beschränkung seiner bischöflichen Gewalt zugunsten der Bischofskonferenz vorsieht, oder dass sie als Filter oder Hindernis gegenüber den unmittelbaren Beziehungen der einzelnen Bischöfe mit dem Apostolischen Stuhl dienen. <108> Bischofssynode 1985, Schlussbericht, II, C), 5: L’Osservatore Romano, 10. Dezember 1985, S. 7. Die hier vorgetragenen Klarstellungen entsprechen zusammen mit der folgenden normativen Vervollständigung den Empfehlungen der außerordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode 1985 mit dem Ziel, das Handeln der Bischofskonferenzen zu beleuchten und noch wirksamer zu machen; diese sollen ihre Statuten in angemessener Weise überprüfen können, damit sie mit diesen Klarstellungen und Normen gemäß den obengenannten Empfehlungen übereinstimmen. IV. Ergänzende Normen über die Bischofskonferenzen Art. 1 - Damit die Lehraussagen der Bischofskonferenz in Bezug auf Nr. 22 dieses Schreibens ein authentisches Lehramt darstellen und im Namen der Konferenz ver- 548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN öffentlicht werden können, ist es notwendig, dass sie von den bischöflichen Mitgliedern einmütig gebilligt werden, oder dass sie, nachdem sie in der Vollversammlung von einer wenigstens Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, die mit entscheidender Stimme Mitglieder der Konferenz sind, gebilligt wurden, die recogni-tio des Apostolischen Stuhls erhalten. Art. 2 - Kein Organismus der Bischofskonferenz mit Ausnahme der Vollversammlung besitzt die Vollmacht, Akte des authentischen Lehramtes zu setzen. Die Bischofskonferenz kann diese Vollmacht weder den Kommissionen noch anderen in ihr gebildeten Organismen zubilligen. Art. 3 - Für andere Formen der Beiträge, die sich von der unter Art. 2 genannten unterscheiden, muss die Glaubenskommission der Bischofskonferenz ausdrücklich vom Ständigen Rat der Konferenz dazu ermächtigt werden. Art. 4 - Die Bischofskonferenzen müssen ihre Statuten überprüfen, damit sie sowohl mit dem Codex des kanonischen Rechtes als auch mit den Klarstellungen und Normen des vorliegenden Dokuments übereinstimmen, und diese anschließend dem Apostolischen Stuhl zur Revision (recognitio) gemäß can. 451 des CIC zusenden. Damit das Wirken der Bischofskonferenzen immer reichere Früchte an Gutem bringe, erteile ich von Herzen meinen Segen. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 21. Mai, dem Hochfest der Himmelfahrt Christi, des Jahres 1998, im 21. Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Ohne Anerkennung des Rechts auf Leben gibt es keinen Fortschritt Ansprache bei der Sonderaudienz für die „Bewegung für das Leben“ am 22. Mai 1. Willkommen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr der „Bewegung für das Leben“ angehört. Ihr seid aus verschiedenen italienischen Städten nach Rom gekommen, um noch einmal euer „Ja“ zum grundlegenden Wert des Lebens zu erneuern und um so den vielen Unschuldigen, deren Recht darauf, geboren zu werden, gefährdet ist, eine Stimme zu verleihen. Ich grüße herzlich Msgr. Elio Sgreccia, den Vizepräsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben, sowie den Abgeordneten Carlo Casini, den Präsidenten der Bewegung, dem ich für die Worte danke, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße auch all diejenigen, die in diesen Jahren eifrig tätig waren, um das menschliche Leben zu verteidigen und zu fördern. Wie ich in der Enzyklika Evangelium vitae erwähnt habe: „Die heutige Menschheit bietet uns ein alarmierendes Schauspiel, wenn wir nicht nur an die ver- 549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schiedenen Bereiche denken, in denen die Angriffe auf das Leben ausbrechen, sondern auch an ihr einzigartiges Zahlenverhältnis sowie an die mannigfache und machtvolle Unterstützung, die ihnen durch das weitgehende Einverständnis der Gesellschaft, durch die häufig gesetzliche Anerkennung, durch die Einbeziehung eines Teils des im Gesundheitswesen tätigen Personals zuteil wird“ (Nr. 17). Mit tiefem Schmerz müssen wir feststellen, dass solch schwerwiegende Phänomene auch in Italien zu verzeichnen sind, wo in den vergangenen 20 Jahren mehr als dreieinhalb Millionen Kinder unter gesetzlichem Schutz getötet wurden, zusätzlich zu denen, die heimlich getötet wurden. Aber angesichts so besorgniserregender Zahlen ist eure so zahlreiche und überzeugte Anwesenheit ein ermutigendes Zeichen, das die Hoffnung auf den Sieg der Wahrheit über die falschen Rechtfertigungen der Abtreibung nährt. Und diese Wahrheit lautet, dass jedes menschliche Wesen das Recht auf Leben hat, von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod. Für die Glaubenden findet die Hoffnung, dass diese Wahrheit sich behaupten möge, ihre Grundlage im gestorbenen und auferstandenen Christus, der seinen Heiligen Geist in die Welt sendet, um Mut zu vermitteln und um unermüdliche Verteidiger und Zeugen für die Wahrheit und das Leben hervorzurufen. 2. Zeichen der Ermutigung kommen heute auch von Seiten all derer, die auf politischer Ebene das Scheitern der Abtreibungsgesetze feststellen, welchen es nicht nur in keiner Weise gelungen ist, die illegale Abtreibung zu überwinden, sondern die, ganz im Gegenteil, zum Anstieg des Geburtenrückgangs und nicht selten zum Verfall der öffentlichen Moral beigetragen haben. Diese Gegebenheiten stellen deutlich die dringende Notwendigkeit heraus, sich für die Förderung und die Verteidigung der Institution der Familie, als Ursprungszelle der menschlichen Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf das Geschenk der Kinder und die Würde der Frau zu engagieren. In der Tat sind es nicht wenige, die bei der Betrachtung der Würde der Frau als Person, als Gattin, als Mutter, in der Abtreibungsgesetzgebung eine Niederlage und Demütigung der Frau und deren Würde sehen. Ein großes Zeichen der Ermutigung ist schließlich euer Wirken, liebe Anhänger der „Bewegung für das Leben“: Dank des organisatorisch gut ausgebauten und gewissenhaften Einsatzes der von euch geförderten Hilfszentren wurde es möglich gemacht, mehr als 40.000 kleinen Jungen und Mädchen das Leben zu retten und ebenso vielen Frauen beizustehen. Solch ein vielversprechendes Ergebnis zeigt, dass die Frau dort, wo sie konkrete Hilfe erfährt, trotz aller zum Teil dramatischen Probleme und Konditionierungen in der Lage ist, in ihrem Inneren dem Gefühl der Liebe, des Lebens und der Mutterschaft zum Sieg zu verhelfen. Euer verdienstvolles Engagement hat positiv auf die Gewissen der einzelnen eingewirkt, wo sich oft „die Verfinsterung des Sinnes für Gott und für den Menschen mit all ihren mannigfachen, verhängnisvollen Auswirkungen auf das Leben vollzieht“ (Evangelium vitae, Nr. 24), und auf das „sittliche Gewissen der Gesellschaft“, die verantwortlich ist, nicht nur weil sie gegen das Leben gerichtete Haltungen duldet oder unterstützt, sondern auch, weil sie durch die Schaffung und 550 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Festigung regelrechter „Sündenstrukturen“ gegen das Leben die „Kultur des Todes“ fördert (ebd.). Das Netz der Aufmerksamkeit für das werdende Leben, das eure Bewegung aufbauen konnte, indem sie die Aufmerksamkeit der politischen Institutionen und breiter Schichten der Bevölkerung weckte, lässt zur Überlegung kommen, dass, wenn die Aktion so vieler Freiwilliger, getragen von einer noch deutlicheren Solidarität, im Inneren des öffentlichen Gesundheitswesen zugelassen würde, sie noch großartigere Ergebnisse zugunsten so vieler unschuldiger Leben erzielen könnte. Ich gebe meinem Wunsch Ausdruck, dass die Pfarreien und Diözesen sich eure Erfahrung zunutze machen mögen, um lebendige Hilfsstrukturen nicht nur zugunsten des Lebens der ungeborenen Kinder, sondern auch der Jugendlichen, der alten Menschen sowie der einsamen und verlassenen Menschen ins Leben zu rufen. 3. Mit einer konkreten Hilfe sowie einer gut organisierten erzieherischen Tätigkeit, die die ganze kirchliche Gemeinschaft mit einbeziehen sollte, muss der politische Einsatz für die volle Anerkennung der Würde und der Rechte des Ungeborenen sowie der Einsatz für die Revision der Gesetze, die deren Tötung legitimieren, einhergehen. Keine menschliche Autorität, nicht einmal der Staat, darf die Tötung Unschuldiger moralisch rechtfertigen. Eine solch tragische Umwandlung eines Verbrechens in ein Recht ist Anzeichen für den besorgniserregenden Verfall einer Gesellschaft. Die Abtreibungsgesetze zeigen nämlich darüber hinaus, dass sie das Gesetz verletzen, das der Schöpfer ins Herz eines jeden Menschen geschrieben hat, eine irrige Form von Demokratie auf. Sie schlagen eine reduktive Auffassung von gesellschaftlichem Zusammenleben vor und offenbaren mangelndes Engagement von Seiten des Staates im Hinblick auf die Förderung des Lebens. Eine wirkungsvolle Tätigkeit auf diesem Gebiet muss daher danach streben, einen Wertehorizont wiederaufzubauen, der sich in einer deutlichen Bejahung des „Rechts auf Lebens“ in internationalen und nationalen Gesetzen niederschlagen möge. 4. Anderseits kann der wirtschaftliche und gesellschaftliche Fortschritt, wenn er auf die Nichtanerkennung des Rechtes auf Leben gründet, weder ein sicheres Fundament noch konkrete Aussichten haben. Eine Gesellschaft, die unfähig ist, gebührend den Reichtum zu würdigen, den die Geburt eines Kindes sowie die Berufung der Frau zur Mutterschaft bedeuten, hat keine Zukunft. Wie ich in der Enzyklika Evangelium vitae erklärt habe, zeigt sich in der Welt von heute „ein überraschender Widerspruch: Gerade in einer Zeit, in der man feierlich die unverletzlichen Rechte der Person verkündet und öffentlich den Wert des Lebens geltend macht, wird dasselbe Recht auf Leben, besonders in den sinnbildhaftesten Augenblicken des Daseins, wie es Geburt und Tod sind, praktisch verweigert und unterdrückt“ (Nr. 18). Angesichts solch zweifelhafter Positionen möchte ich bekräftigen, dass die Achtung des Lebens von seiner Empfängnis bis zum natürlichen Tod das wesentliche Moment der modernen sozialen Frage darstellt. Das 551 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwinden eines solchen Respekts in den entwickelten Gesellschaften hat schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Entwicklungsländer, wo man noch auf gefährlichen Anti-Geburtenkampagnen beharrt, und es manifestiert sich vor allem auf dem Gebiet der künstlichen Zeugung von Menschen und bei Diskussionen über die Euthanasie. 5. Liebe Brüder und Schwestern der „Bewegung für das Leben“, habt Ausdauer in eurem mutigen Engagement! Jedes Opfer und jedes Leid von euch werden durch das Lächeln so vieler Kinder wiedergutgemacht, die durch euch in den Genuss des unschätzbaren Geschenks des Lebens kommen. Ich ermutige euch von Herzen, jedwede Anstrengung zu unternehmen, damit das Recht aller auf Leben tatsächlich anerkannt und eine wahrhaftige Gesellschaft aufgebaut werde, die sich an den Worten der Zivilisation der Liebe orientiert. Ich empfehle einen jeden von euch und all eure wohltätigen Projekte Maria, der Mutter der Lebenden, und, indem ich euch meines täglichen Gebetes versichere, erteile ich euch und euren Institutionen gerne den Apostolischen Segen. In der Kraft des Heiligen Geistes die Hoffnung vermitteln Botschaft vom 24. Januar 1998 zum 32. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 24. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. In diesem zweiten von drei Jahren, die zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 hinführen, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Heiligen Geist und sein Wirken in der Kirche, in unserem Leben und in der Welt. Der Geist ist der „Hüter der Hoffnung im Herzen des Menschen“ (Dominum et vivificantem, Nr. 67). Aus diesem Grund lautet folglich das Thema für den 32. Welttag der Kommunikationsmittel: „In der Kraft des Heiligen Geistes die Hoffnung vermitteln.“ Die Hoffnung, in der der Geist die Gläubigen trägt, ist vor allem eschatologischer Natur. Sie ist Hoffnung auf das Heil - Hoffnung auf den Himmel, Hoffnung auf die vollkommene Gemeinschaft mit Gott. In solcher Hoffnung haben wir, wie es der Brief an die Hebräer ausdrückt, „einen sicheren und festen Anker der Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang; dorthin ist Jesus für uns als unser Vorläufer hineingegangen“ (Hebr 6,19-20). 2. Die eschatologische Hoffnung, die in den Herzen der Christen lebt, hat tief innerlich Bezug zur Suche nach Glück und Erfüllung in diesem Leben. Hoffnung auf den Himmel erzeugt echte Sorge um das Wohlergehen der Menschen hier und jetzt. „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20). Erlösung, die die Heilung der Gott-Mensch-Beziehung durch Gott bedeutet, geht einher mit der Heilung unserer Beziehungen untereinan- 552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der, und die aus der Erlösung stammende Hoffnung zielt auf diese doppelte Heilung. Deshalb ist es so wichtig, dass Christen sich auf das Große Jubiläum am Beginn des Dritten Jahrtausends vorbereiten, indem sie ihre Hoffnung auf das endzeitliche Kommen des Gottesreiches erneuern und auch scharfsichtiger die Zeichen der Hoffnung lesen, die sie in der sie umgebenden Welt finden. Unter den Zeichen der Hoffnung sind folgende: wissenschaftlicher, technologischer und besonders medizinischer Fortschritt im Dienst am menschlichen Leben; eine größere Bewusstheit unserer Verantwortung für die Umwelt; Bemühungen, Friede und Gerechtigkeit wiederherzustellen, wo sie verletzt worden sind; ein Verlangen nach Versöhnung und Solidarität unter den Völkern, besonders in der komplexen Beziehung zwischen dem Norden und dem Süden der Welt. Auch in der Kirche gibt es viele Zeichen der Hoffnung, darunter ein aufmerksameres Hinhören auf die Stimme des Heiligen Geistes und seine Eingebung, Charismen zu akzeptieren und die Laien zu fördern; eine tiefere Verpflichtung zur Einheit der Christen und eine wachsende Anerkennung der Bedeutung des Dialogs mit anderen Religionen und mit der zeitgenössischen Kultur (vgl. Tertio Millennio adveniente, Nr. 46). 3. Christliche Medienschaffende werden Hoffnung glaubwürdig vermitteln, wenn sie zunächst Hoffnung in ihrem eigenen Leben erfahren, und dies wird nur geschehen, wenn sie Männer und Frauen des Gebetes sind. In der Kraft des Heiligen Geistes befähigt uns das Gebet, „stets bereit [zu sein], jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt“, die man in uns sieht (1 Petr 3,15). So lernt der in den Medien tätige Christ, die Botschaft der Hoffnung den Männern und Frauen unserer Zeit mit der Kraft der Wahrheit darzustellen. 4. Man darf niemals vergessen, dass mediale Kommunikation nicht ein utilitaristisches Tun ist, einfach darauf gerichtet, zu motivieren, zu überreden oder zu verkaufen. Noch weniger ist sie ein Vermittler für Ideologie. Die Medien können gelegentlich die Menschen auf Konsumeinheiten oder konkurrierende Interessengruppen reduzieren oder Zuschauer, Leser und Hörer als bloße Zahlen manipulieren, von denen man sich einen Vorteil verspricht - ob Verkauf von Produkten oder politische Unterstützung; all das zerstört die Gemeinschaft. Es ist die Aufgabe von Kommunikation, Menschen zusammenzubringen sowie ihr Leben zu bereichern, und nicht, sie zu isolieren und auszubeuten. Die Mittel der sozialen Kommunikation können - richtig genutzt - dazu beitragen, eine menschliche Gemeinschaft zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die auf Gerechtigkeit und Liebe beruht; und insoweit sie das tun, werden sie Zeichen der Hoffnung sein. 5. Die Medien der gesellschaftlichen Kommunikation sind in der Tat der neue „Areopag“ der Welt von heute - ein großes Forum, das im besten Fall den Austausch wahrheitsgemäßer Informationen, konstruktiver Ideen und echter Werte ermöglicht und so Gemeinschaft schafft. Dies ist dann wieder für die Kirche eine Herausforderung, in ihrem Kommunikationsansatz die Medien nicht nur zur Verbreitung des Evangeliums zu gebrauchen, sondern tatsächlich sogar zur Inte- 553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gration der Botschaft des Evangeliums in die von modernen Kommunikationsformen geschaffene „neue Kultur“ mit ihrer „neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit einer neuen psychologischen Haltung“ (Redemptoris missio, Nr. 37). Christliche Medienschaffende brauchen eine Ausbildung, die sie befähigt, wirkungsvoll in einer Medien-Umgebung dieser Art zu arbeiten. Eine derartige Ausbildung wird einen breiten Themenkreis umfassen müssen: Unterweisung in technischen Fähigkeiten, in Ethik und Moral, menschlicher Kultur, Philosophie, Geschichte, Sozialwissenschaften und Ästhetik. Vor allem anderen jedoch muss diese Ausbildung eine Formung im inneren Leben sein, im Leben des Geistes. Medienschaffende, die Christen sind, sollten Männer und Frauen des Gebetes sein, das vom Geist erfüllt ist, und so immer tiefer in Gemeinschaft mit Gott eintreten, um in ihrer Fähigkeit zu wachsen, Gemeinschaft unter ihren Mitmenschen fördern zu können. Sie müssen in Hoffnung „geschult“ werden durch den Heiligen Geist, „die Hauptkraft der Neuevangelisierung“ (Tertio Millennio adveniente, Nr. 45), so dass sie anderen Hoffnung vermitteln können. Die Jungfrau Maria ist das vollendete Vorbild der Hoffnung, die christliche Medienschaffende in sich selbst zu entfachen und mit anderen zu teilen suchen. „Maria bringt die Sehnsucht der Armen Jahwes voll zum Ausdruck und leuchtet als Vorbild für alle, die sich mit ganzem Herzen den Verheißungen Gottes an vertrauen“ (Tertio Millennio adveniente, Nr. 48). Da die Kirche ihren Pilgerweg zum Großen Jubiläum geht, wenden wir uns an Maria, deren tiefes Hinhören auf den Heiligen Geist die Welt für das große Ereignis der Menschwerdung, die Quelle aller Hoffnung, geöffnet hat. Aus dem Vatikan, am 24. Januar 1998, Fest des hl. Franz von Sales. Joannes Paulus PP. II Institutionelle und charismatische Dimensionen gehören zum Wesen der Kirche Botschaft an den Weltkongress der kirchlichen Bewegungen vom 27. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (7 Thess 1,2-3). Diese Worte des Apostels Paulus finden in meinem Herzen mit großer Freude Widerhall, während ich der Begegnung mit Euch im Vatikan entgegensehe, und ich sende Euch allen einen herzlichen Gruß und versichere Euch meiner geistlichen Nähe. 554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein liebevolles Gedenken richte ich an den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Laien, Kardinal James Francis Stafford, an den Sekretär Msgr. Stanislaw Rylko und an die Mitarbeiter des Dikasteriums. Meinen Gruß dehne ich aus auf die Verantwortlichen und die Delegierten der verschiedenen Bewegungen, auf die geistlichen Leiter, die sie begleiten, und auf die verehrten Referenten. Im Verlauf der Arbeiten des Weltkongresses setzt Ihr Euch mit dem Thema auseinander: „Die kirchlichen Bewegungen: Gemeinschaft und Sendung an der Schwelle des dritten Jahrtausends.“ Ich danke dem Päpstlichen Rat für die Laien, der sich die Förderung und Organisation dieser bedeutsamen Versammlung aufgebürdet hat, und ebenso den Bewegungen, die sogleich bereit waren, meine an der Pfingstvigil vor zwei Jahren ergangene Einladung anzunehmen. Damals hatte ich den Wunsch, dass sie auf dem Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000, während des dem Heiligen Geist geweihten Jahres - „in Gemeinschaft mit den Priestern und in Verbindung mit den Diözesaninitiativen - ihren geistlichen, erzieherischen und missionarischen Reichtum als wertvolle Erfahrung und Vorgabe eines christlichen Lebensmodells in das Herz der Kirche einbringen“ mögen (Predigt an der Pfingstvigil, Nr. 7, in: O.R. dt., 14.6.96, S. 14). Von Herzen möchte ich wünschen, dass euer Kongress und das Treffen auf dem Petersplatz am 30. Mai 1998 die fruchtbare Lebenskraft der Bewegungen im Gottesvolk, das sich der Schwelle des dritten Jahrtausends nähert, ans Licht bringen. 2. In diesem Augenblick denke ich an die Internationalen Gespräche, die 1981 in Rom, 1987 in Rocca di Papa und 1991 in Bratislava (Preßburg) stattfanden. Ich habe deren Arbeiten aufmerksam verfolgt und sie mit Gebet und ständiger Ermutigung begleitet. Vom Beginn meines Pontifikates an habe ich dem Weg der kirchlichen Bewegungen besondere Bedeutung beigemessen, und bei den Pastoralbesu-chen in den Pfarreien und auf den apostolischen Reisen hatte ich Gelegenheit, die Früchte ihrer weit verbreiteten und zunehmenden Präsenz zu würdigen. Mit Freude habe ich ihre Bereitschaft festgestellt, ihre Tatkraft zum Dienst für den Stuhl Petri und die Ortskirchen einzusetzen. Ich konnte auf sie als auf etwas Neues hinweisen, das noch darauf wartet, angemessen aufgenommen und ausgewertet zu werden. Heute finde ich zu meiner Freude bei ihnen ein reiferes Selbstbewusstsein. Sie bilden eine der bedeutendsten Früchte jenes Frühlings in der Kirche, auf den schon das II. Vatikanische Konzil hindeutete, der aber leider nicht selten durch den um sich greifenden Säkularisationsprozess behindert wurde. Ihr Dasein ist ermutigend, denn es zeigt, dass dieser Frühling im Kommen ist und die Frische der christlichen Erfahrung erkennen lässt, die auf der persönlichen Begegnung mit Christus beruht. Verschieden in ihren Formen, sind die Bewegungen zunächst gekennzeichnet durch das gemeinsame Bewusstsein der „Neuheit“, die die Taufgnade in das Leben hineinträgt, sodann durch den einen brennenden Wunsch, das Geheimnis der Gemeinschaft mit Christus und mit den Brüdern und Schwestern zu vertiefen, und schließlich durch die feste Treue zu dem vom lebendigen Fluss der Tradition übermittelten Glaubenserbe. Das ruft einen neuen missionarischen Impuls hervor, der dazu führt, den Männern und Frauen unserer Zeit in den konkreten Situationen 555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu begegnen, in denen sie sich befinden, und mit liebevollem Blick auf die Würde, die Bedürfnisse und das Schicksal eines jeden zu schauen. Das sind die Motive zu dem „gemeinsamen Zeugnis“, das, dank des Euch vom Päpstlichen Rat für die Laien erwiesenen Dienstes und im Geist der Freundschaft, des Dialogs und der Zusammenarbeit mit allen Bewegungen jetzt, in diesem Kongress, und vor allem in einigen Tagen in dem erwarteten Treffen auf dem Petersplatz, greifbare Form annimmt. Ein „gemeinsames Zeugnis“ übrigens, das schon in der mühsamen Vorbereitungsphase zu diesen beiden Ereignissen deutlich geworden ist und auf die Probe gestellt wurde. Die vielsagende Anwesenheit von Oberen und Vertretern anderer Dikasterien der Römischen Kurie, von Bischöfen aus verschiedenen Kontinenten und Nationen, von Delegierten der Internationalen Vereinigung der Generaloberen und der Generaloberinnen, von Abgesandten verschiedener Institutionen und Verbänden zeigt, dass die ganze Kirche in diese Initiative einbezogen ist, und sie bestätigt, dass die Communio-Dimension im Leben der Bewegungen wesentlich ist. Überdies ist auch die ökumenische Dimension präsent, greifbar geworden durch die Teilnahme von Bruder-Delegierten anderer Kirchen und Christlichen Gemeinschaften, an die ich einen besonderen Gruß richte. 3. Ziel dieses Weltkongresses ist einerseits, die theologische Natur und die missionarische Aufgabe der Bewegungen zu vertiefen, und andererseits, die gegenseitige Erbauung zu fördern durch den Austausch von Zeugnissen und Erfahrungen. Euer Programm berührt also die entscheidenden Aspekte im Leben der Bewegungen, die zu einem neuen apostolischen Aufschwung im ganzen kirchlichen Gefüge vom Geist Christi hervorgerufen wurden. Bei der Eröffnung der Arbeiten möchte ich Eurer Aufmerksamkeit einige Überlegungen vorschlagen, die wir sicherlich bei der Feier auf dem Petersplatz am kommenden 30. Mai noch weiter hervorheben können. Ihr vertretet mehr als 50 Bewegungen und neue Formen gemeinsamen Lebens. Sie sind der Ausdruck einer großen Verschiedenartigkeit von Charismen, Bildungsstilen sowie Arten und Zielsetzungen des Apostolats. Eine Vielfalt, die in der Einheit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gelebt wird im Gehorsam gegenüber Christus und den Hirten der Kirche. Eure Existenz allein ist schon ein Hymnus an die Einheit in der Vielgestaltigkeit, die der Heilige Geist gewollt hat, und legt Zeugnis dafür ab. In der Tat, im Geheimnis der Gemeinschaft des Leibes Christi ist die Einheit nie platte Gleichartigkeit, Verneinung der Verschiedenheit; wie die Verschiedenartigkeit nie zu Partikularismus oder Zersplitterung werden darf. Alles, was Ihr seid und tut, verdient also nach dem besonderen Beitrag beurteilt zu werden, den er zum Leben der Kirche leistet. 4. Was versteht man heutzutage unter „Bewegung“? Der Begriff wird oft auf Wirklichkeiten bezogen, die - zuweilen sogar durch die kirchenrechtliche Stellung -verschieden voneinander sind. Wenn diese einerseits gewiss nicht den durch die belebende Schöpferkraft des Geistes Christi hervorgerufenen Reichtum der For- 556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men erschöpfen noch festsetzen kann, so kommt es andererseits doch ihr zu, einer konkreten kirchlichen Realität, bei der vorwiegend Laien beteiligt sind, einen Weg des Glaubens und des christlichen Zeugnisses anzugeben, der die eigene Bildungsund Erziehungsmethode auf ein bestimmtes Charisma gründet, das der Person des Gründers unter gewissen Umständen und Weisen geschenkt wurde. Die besondere Eigenart des Charismas, das eine Bewegung ins Leben ruft, erhebt nicht den Anspruch - und könnte es auch nicht -, zu dem Reichtum des „depositum fidei“, das die Kirche mit leidenschaftlicher Treue bewahrt, etwas hinzuzufügen. Sie bildet aber eine kräftige Unterstützung, einen beeindruckenden und überzeugenden Anruf, das Christsein voll und ganz, mit Intelligenz und Kreativität zu leben. Darin besteht die Voraussetzung, um auf die Herausforderungen und dringenden Notwendigkeiten der in der Geschichte stets unterschiedlichen Zeiten und Umstände angemessene Antworten zu finden. In diesem Licht bilden die von der Kirche anerkannten Charismen Wege zu vertiefter Kenntnis Christi und hochherzigerer Hingabe an ihn bei gleichzeitig immer stärkerer Verwurzelung in der Gemeinschaft mit dem ganzen christlichen Volk. Darum verdienen sie Aufmerksamkeit von Seiten jedes Gliedes der kirchlichen Gemeinschaft, angefangen bei den Hirten, denen die Sorge für die Teilkirchen, in Gemeinschaft mit dem Stellvertreter Christi, anvertraut ist. So können die Bewegungen zu der lebendigen Dynamik der einen, auf Petrus gegründeten Kirche unter den verschiedenen örtlichen Umständen einen wertvollen Beitrag leisten, vor allem in jenen Regionen, in denen die „implantatio Ecclesiae“ noch am Anfang steht oder nicht wenigen Schwierigkeiten unterworfen ist. 5. Mehrmals hatte ich Gelegenheit zu betonen, dass es in der Kirche keinen Gegensatz und kein Gegeneinanderstellen der institutioneilen und der charismatischen Dimension gibt. Die Bewegungen sind dafür ein vielsagendes Beispiel. Beide, die institutionelle und die charismatische Dimension, sind wesentlich für die von Jesus gestiftete göttliche Konstitution der Kirche. Zusammen sollen sie weitergehen, um das Geheimnis Christi und sein Heilswerk in der Welt gegenwärtig zu machen. Miteinander sind sie ebenso bestrebt, nach ihrer je eigenen Weise, das Selbstbewusstsein der Kirche zu erneuern. In gewissem Sinn kann auch sie, die Kirche, sich „Bewegung“ nennen, insofern sie in Zeit und Raum das Geschehen der Sendung des Sohnes durch den Vater in der Kraft des Heiligen Geistes ist. Ich bin überzeugt, dass diese meine Erwägungen im Lauf der Arbeiten des Kongresses angemessen vertieft werden. Ich begleite diese Arbeiten mit meinem Gebet, damit sie reiche Früchte erbringen zum Wohl der Kirche und der ganzen Menschheit. In diesem Sinn und in der Erwartung, Euch an der Pfingstvigil auf dem Petersplatz zu treffen, erteile ich von Herzen Euch und allen, die Ihr vertretet, einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 27. Mai 1998 557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jedes Charisma ist der ganzen Kirche geschenkt! Ansprache bei der Begegnung mit den kirchlichen Bewegungen am 30. Mai „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,2-4). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Diese Worte aus der Apostelgeschichte geleiten uns in den Mittelpunkt des Pfingstgeschehens; sie führen uns die Jünger vor Augen, die mit Maria im Abendmahlssaal versammelt sind und dort die Gabe des Geistes empfangen. So erfüllt sich das Versprechen Jesu, und das Zeitalter der Kirche beginnt. Von jenem Augenblick an wird der Hauch des Geistes die Jünger Christi bis in die entferntesten Winkel der Erde führen und sogar bis zum Martyrium für das furchtlose Zeugnis des Evangeliums. Was sich vor zweitausend Jahren in Jerusalem ereignete, wiederholt sich gewissermaßen heute Abend auf diesem Platz, dem Zentrum der christlichen Welt. Wie damals die Apostel, so sind auch wir in einem großen Abendmahlssaal versammelt und sehnen uns nach der Ausgießung des Heiligen Geistes. Hier wollen wir mit der ganzen Kirche bekennen, dass es „nur den einen Geist ... nur den einen Herrn ... [und] nur den einen Gott [gibt]: Er bewirkt alles in allen“ (1 Kor 12,4-6). Das ist die Stimmung, die wir erleben möchten, indem wir die Gaben des Geistes für jeden von uns und für das ganze Volk der Getauften erbitten. 2. Mein Gruß und mein Dank gilt Kardinal James Francis Stafford, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien, für die Worte, die er auch in eurem Namen zu Beginn dieses Treffens an mich gerichtet hat. Ebenso begrüße ich die hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe. Meine besondere Dankbarkeit gilt Chiara Lubich, Kiko Arguello, Jean Vanier und Msgr. Luigi Giussani für ihre ergreifenden und überzeugenden Aussagen. Mit ihnen grüße ich die Gründer und Verantwortlichen der neuen Gemeinschaften und der hier vertretenen Bewegungen. Schließlich möchte ich mich an euch alle wenden, an euch Brüder und Schwestern, die ihr den einzelnen kirchlichen Bewegungen angehört. Mit großer Bereitschaft und Begeisterung habt ihr die Einladung angenommen, die ich am Pfingstfest 1996 an euch gerichtet hatte, und ihr habt euch unter der Leitung des Päpstlichen Laienrates gewissenhaft auf diese außerordentliche Begegnung vorbereitet, die uns zum Großen Jubeljahr 2000 hinführt. Das heutige Ereignis stellt wirklich eine Neuheit dar: Zum ersten Mal versammeln sich die Bewegungen und neuen kirchlichen Gemeinschaften alle zusammen mit dem Papst. Dieses wichtige „gemeinsame Zeugnis“ war mein Wunsch für dieses Jahr, das auf dem Weg der Kirche zum Jubeljahr dem Heiligen Geist gewidmet ist. Der Heilige Geist ist hier mit uns! Er ist die Seele 558 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieses wunderbaren Geschehens kirchlicher Gemeinschaft. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ {Ps 117,24). 3. Am Pfingsttag vor fast zweitausend Jahren verkündet Petrus mutig in Jerusalem vor einer wegen des unerklärlichen Wandels der Apostel erstaunten und spottenden Menge: „Jesus, der Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen ... ihn ... habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht“ (Apg 2,22-24). In den Worten des Petrus offenbart sich das Selbstverständnis der Kirche, gegründet auf die Gewissheit, dass Jesus Christus lebt, dass er in der Gegenwart wirkt und das Leben verändert. Der Heilige Geist, der schon bei der Erschaffung der Welt und im Alten Bund wirksam war, offenbart sich in der Menschwerdung und im Ostergeheimnis des Gottessohnes, und er „explodiert“ geradezu an Pfingsten, um die Sendung unseres Herrn Jesus Christus in Raum und Zeit auszudehnen. Der Geist gründet also die Kirche als Strom neuen Lebens, der in der Geschichte der Menschen fließt. 4. Der Kirche, die nach Ansicht der Kirchenväter der Ort ist, „wo der Geist blüht“ (.Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 749), hat der Heilige Geist erst vor wenigen Jahren mit dem II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil ein neues Pfingsten geschenkt und dadurch eine neue und unvorhergesehene Dynamik geweckt. Der Heilige Geist versetzt uns immer in Erstaunen, wenn er irgendwo eingreift. Er verursacht Ereignisse, deren Neuheit Staunen hervorruft; er verändert die Menschen und die Geschichte radikal. Das war die unvergessliche Erfahrung des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils, in dessen Verlauf die Kirche - unter der Führung eben dieses Geistes - die charismatische Dimension als wesentliches Element ihrer selbst wiederentdeckt hat: „Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern .teilt den Einzelnen, wie er will“ (7 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeden Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen“ (Lumen Gentium, Nr. 12). Das Institutioneile und das Charismatische sind für die Konstitution der Kirche gleichermaßen wesentlich, und sie tragen beide - wenn auch auf verschiedene Weise - zu ihrem Leben, ihrer Erneuerung und der Heiligung des Gottesvolkes bei. Aus dieser gottgewollten Neuentdeckung der charismatischen Dimension der Kirche ist, sowohl vor als auch nach dem Konzil, eine einzigartige Entwicklung der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften hervorgegangen. 5. Heute freut sich die Kirche, denn sie stellt fest, dass sich die Worte des Propheten Joel, die wir gerade gehört haben, erneut bewahrheiten: „Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch“ (Apg 2,17). Ihr, die hier Anwesenden, seid der fassbare Beweis dieser „Ausgießung“ des Heiligen Geistes. Jede Bewegung unterscheidet sich von den anderen, aber alle sind in derselben Gemeinschaft und für dieselbe Sendung vereint. Einige der vom Heiligen Geist eingegebenen Cha- 559 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rismen brechen ein wie ein stürmischer Wind, der die Menschen ergreift und sie mitreißt auf neue Wege des missionarischen Engagements im radikalen Dienst für das Evangelium, um die Wahrheiten des Glaubens rastlos zu verkünden, den lebendigen Fluss der Tradition als Geschenk aufzunehmen und in jedem den starken Wunsch nach Heiligkeit zu wecken. Heute möchte ich euch allen, die ihr hier auf dem Petersplatz versammelt seid, und allen anderen Christen zurufen: Öffnet euch folgsam für die Gaben des Heiligen Geistes! Nehmt die Charismen, die der Heilige Geist unaufhörlich spendet, dankbar und gehorsam an! Vergesst nicht, dass jedes Charisma für das Gemeinwohl, das heißt zum Nutzen der ganzen Kirche, geschenkt ist! 6. Die Charismen sind ihrem Wesen nach kommunikativ und führen zur Entstehung jener spirituellen Affinität zwischen den Menschen (vgl. Christifideles laici, Nr. 24) und zu jener Freundschaft in Christus, die der Ursprung der „Bewegungen“ sind. Der Übergang vom ursprünglichen Charisma zur Bewegung vollzieht sich durch die geheimnisvolle Anziehungskraft, die der Gründer auf jene ausübt, die sich von seiner spirituellen Erfahrung anstecken lassen. Auf diese Weise stellen sich die von der kirchlichen Autorität offiziell anerkannten Bewegungen als Ausdrucksformen der Selbstverwirklichung und Spiegelung der einen Kirche dar. Ihre Entstehung und Verbreitung hat dem Leben der Kirche eine unerwartete und teilweise sogar bahnbrechende Neuigkeit zugeführt. Das hat natürlich Fragen, Unbehagen und Spannungen nach sich gezogen und manchmal zu Überheblichkeit und Anmaßung einerseits und zu nicht wenigen Vorurteilen und Vorbehalten andererseits geführt. Es war eine Probezeit für ihre Treue und eine wichtige Gelegenheit zur Überprüfung der Echtheit ihrer Charismen. Heute habt ihr einen neuen Abschnitt vor euch: den der kirchlichen Reife. Das bedeutet nicht, dass alle Probleme gelöst sind. Es ist vielmehr eine Herausforderung, ein Weg, den wir gehen sollen. Die Kirche erwartet von euch „reife“ Früchte der Gemeinschaft und des Engagements. 7. In unserer Welt, oft von einer säkularisierten Kultur beherrscht, die Lebensmodelle ohne Gott verbreitet und für sie wirbt, wird der Glauben vieler Menschen auf eine harte Probe gestellt und oft sogar erstickt und ausgelöscht. Man empfindet also das dringende Bedürfnis nach einer starken Verkündigung und nach einer soliden und vertieften christlichen Bildung. Wie nötig sind doch heute reife christliche Persönlichkeiten, die sich ihrer Identität als Getaufte, ihrer Berufung und ihrer Sendung in der Kirche und in der Welt bewusst sind! Wie nötig sind doch heute lebendige christliche Gemeinschaften! Und hier sind sie, die Bewegungen und die neuen kirchlichen Gemeinschaften: Sie sind die vom Heiligen Geist bewirkte Antwort auf diese dramatische Herausforderung gegen Ende des Jahrtausends. Ihr seid diese Antwort der Vorsehung. Die echten Charismen können nur auf eine Begegnung mit Christus in den Sakramenten abzielen. Die kirchlichen Aktionsgruppen, denen ihr angehört, haben euch geholfen, eure Berufung als Getaufte neu zu entdecken, die Gaben des Geistes, die 560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr bei der Firmung erhalten habt, zu schätzen, euch im Sakrament der Versöhnung der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen und in der Eucharistie die Quelle und den Höhepunkt des gesamten christlichen Lebens zu erkennen. Dank dieser starken kirchlichen Erfahrung sind außerdem wunderbare christliche Familien entstanden, wahre „Hauskirchen“, die dem Leben gegenüber aufgeschlossen sind; es sind viele Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben geweckt worden, und es sind neue Lebensformen für Laien entstanden, die sich nach den evangelischen Räten richten. In den Bewegungen und neuen Gemeinschaften habt ihr gelernt, dass der Glaube nicht ein abstrakter Begriff oder ein unbestimmtes religiöses Gefühl ist, sondern ein neues Leben in Christus, das der Heilige Geist in uns gewirkt hat. 8. Wie kann man die Authentizität des Charismas bewahren und gewährleisten? In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, dass sich jede Bewegung einer Prüfung seitens der zuständigen kirchlichen Autorität unterzieht. Deswegen entbindet kein Charisma vom Bezug zu den Hirten der Kirche und von der Befolgung ihrer Weisungen. Das Konzil erklärt mit klaren Worten: „Das Urteil über ihre [der Charismen] Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten“ (vgl. 1 Thess 5,12 u. 19-21) (Lumen Gentium, Nr. 12). Dies ist die nötige Gewähr dafür, dass der Weg, den ihr eingeschlagen habt, auch der richtige ist! In den Wirren der heutigen Welt ist es so leicht, Fehler zu machen oder sich Illusionen hinzugeben. In der christlichen Bildung, die durch diese Bewegungen erfolgt, darf das Element dieses vertrauensvollen Gehorsams gegenüber den Bischöfen als Nachfolger der Apostel in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri nicht fehlen! Ihr kennt die Kriterien der Kirchlichkeit, die im Apostolischen Schreiben Christifide-les laici dargelegt sind (vgl. Nr. 30). Ich bitte euch, sie immer großherzig und demütig einzuhalten, eure Erfahrungen in die Ortskirchen und Gemeinden einzubringen und immer in Gemeinschaft mit den Hirten der Kirche zu bleiben und ihre Weisungen zu achten. 9. lesus hat gesagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (.Lk 12,49). Die Kirche bereitet sich gegenwärtig darauf vor, in das dritte lahrtausend einzutreten: Nehmen wir also die Einladung des Herrn an, damit sein Feuer in unserem Herzen und in denen unserer Brüder und Schwestern auflodert. Heute erhebt sich aus diesem Abendmahlssaal auf dem Petersplatz ein großes Gebet: Komm, Heiliger Geist! Komm und erneuere das Angesicht der Erde! Komm mit deinen sieben Gaben! Komm, Geist des Lebens, Geist der Wahrheit, Geist der Gemeinschaft und der Liebe! Die Kirche und die Welt brauchen dich. Komm, Heiliger Geist, und lass die von dir gespendeten Charismen immer reichere Frucht bringen. Schenke deinen hier versammelten Söhnen und Töchtern neue Kraft und missionarischen Elan. Weite ihr Herz, und belebe ihr christliches Engagement in der Welt. Mache sie zu mutigen Boten des Evangeliums und Zeugen des auferstan- 561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denen Christus, des Erlösers und Heilands der Menschen. Stärke ihre Liebe und Treue zur Kirche. Wir richten unseren Blick auf Maria, die erste Jüngerin Christi, Braut des Heiligen Geistes und Mutter der Kirche, die die Apostel beim ersten Pfingsten begleitet hat, damit sie uns helfe, die Folgsamkeit gegenüber der Stimme des Geistes aus ihrem „Fiat“ zu erlernen. Heute spricht Christus von diesem Platz aus zu jedem von euch: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Er zählt auf jeden von euch, die Kirche rechnet mit euch allen. „Seid gewiss“ - versichert uns der Herr -, „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20). Ich bin bei euch. Amen! Der Papst wandte sich dann in verschiedenen Sprächen an die Anwesenden. Auf Deutsch sagte er: Mit großer Freude begrüße ich auch euch, liebe Freunde aus den Ländern deutscher Sprache, die ihr einer geistlichen Bewegung oder Gemeinschaft angehört. Ihr seid gesandt, eure Charismen zu entdecken und damit den Leib Christi aufzubauen. Gottes Heiliger Geist sei euch Kraft und Stärke! Dies Domini Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, den Klerus, die Ordensleute und an die Gläubigen über die Heiligung des Sonntags vom 31. Mai Einführung Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Schwestern und Brüder! 1. Der Tag des Herrn - wie der Sonntag seit der apostolischen Zeit <109> genannt wird -hat wegen seines engen Zusammenhanges mit dem eigentlichen Kem des christlichen Mysteriums in der Kirchengeschichte stets in hoher Achtung gestanden. Denn im Wochenrhythmus erinnert der Sonntag an den Tag der Auferstehung Christi. Er ist das wöchentliche Ostern, an dem der Sieg Christi über Sünde und Tod, die Vollendung der ersten Schöpfung in ihm und der Anbruch der „neuen Schöpfung“ (vgl. 2 Kor 5,17) gefeiert wird. Er ist der Tag der anbetenden und dankbaren Beschwörung des ersten Tages der Welt und zugleich in der eifrigen Hoffnung die Vorwegnahme des „letzten Tages“, an dem Christus in Herrlichkeit wiederkommen (vgl. Apg 1,11; 1 Thess 4,13-17) und „alles neu machen“ wird (vgl. Ojfb 21,5). <109> Vgl. Apg 1,10: „Kyriake hemera“; vgl. auch Didache 14, 1; Ignatius von Antiochien, Brief an die Magnesier 9, 1-2: Sacrosanctum Concilium, Nrn. 10, 88-89. Auf den Sonntag passt daher gut der Freudenruf des Psalmisten: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (.Ps 118,24). 562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Einladung zur Freude, die sich die Osterliturgie zu eigen macht, weist Anzeichen jenes Staunens auf, von dem die Frauen ergriffen wurden, die bei der Kreuzigung Christi zugegen gewesen waren und, als sie „am ersten Tag nach dem Sabbat in aller Frühe“ (Mk 16,2) zum Grab gekommen waren, dieses leer fanden. Es ist die Einladung, irgendwie die Freude der Emmausjünger nach zu erleben, die spürten, wie ihnen „das Herz in der Brust brannte“, als der Auferstandene sich unterwegs zu ihnen gesellte, ihnen die Schrift erklärte und sich zu erkennen gab, „als er das Brot brach“ (vgl. Lk 24,32.35). Es ist das Echo der zuerst zögerlichen und dann überwältigenden Freude, welche die Apostel am Abend jenes gleichen Tages empfanden, als der auferstandene Jesus in ihre Mitte trat und sie das Geschenk seines Friedens und seines Geistes empfingen (vgl. Joh 20,19-23). 2. Die Auferstehung Jesu ist das Ursprungszeugnis, auf dem der christliche Glaube beruht (vgl. 1 Kor 15,14): wunderbare Wirklichkeit, die ganz im Lichte des Glaubens aufgenommen, die aber von jenen, die den auferstandenen Herrn sehen durften, historisch bezeugt ist. Sie ist ein wundervolles Ereignis, das sich nicht nur auf absolute Weise in der Geschichte der Menschen auszeichnet, sondern im Zentrum des Geheimnisses der Zeit steht. Denn Christus ist Herr „der Zeit und der Ewigkeit“: daran erinnert uns in der eindrucksvollen Ostemachtliturgie der Ritus der Bereitung der Osterkerze. Dadurch, dass sie nicht nur einmal im Jahr, sondern an jedem Sonntag des Auferstehungstages Christi gedenkt, will die Kirche also jede Generation auf die tragende Achse der Geschichte hinweisen, auf die sich das Geheimnis des Anfangs der Welt wie das ihrer endgültigen Bestimmung zurückführen lassen. Man kann daher mit Recht, wie es die Homilie eines Autors aus dem 4. Jahrhundert tut, vom „Tag des Herrn“ als dem „Herrn der Tage“ sprechen. <110> Alle, denen die Gnade, an den auferstandenen Herrn zu glauben, zuteil wurde, können nicht umhin, die Bedeutung dieses Wochentages mit der lebhaften Gefühlsregung zu erfassen, die den hl. Hieronymus zu den Worten veranlasste: „Der Sonntag ist der Tag der Auferstehung, er ist der Tag der Christen, er ist unser Tag“. <111> Der Sonntag ist in der Tat für uns Christen der „Ur-Feiertag“, <112> der nicht nur dazu bestimmt ist, der Abfolge der Zeit einen festen Rhythmus zu geben, sondern ihren tiefen Sinn zu enthüllen. <110> Pseudo Eusebius von Alexandrien, Senno 16: PG 86, 416. <111> ln die dominica Paschae II, 52: CCL 78, 550. <112> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 106. 3. Die in zweitausend Jahren Geschichte stets anerkannte grundlegende Bedeutung des Sonntags wurde vom II. Vatikanischen Konzil nachdrücklich unterstrichen: „Aus apostolischer Überlieferung, die ihren Ursprung auf den Auferstehungstag Christi zurückführt, feiert die Kirche Christi das Paschamysterium jeweils am achten Tage, der deshalb mit Recht Tag des Herrn oder Sonntag genannt wird“. <113> <113> Ebd. 563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Paul VI. hat diese Bedeutung aufs neue hervorgehoben mit der Approbation des neuen römischen liturgischen Kalenders und der allgemeinen Normen für die Ordnung des Kirchenjahres. <114> Während das Heranrücken des dritten Jahrtausends die Gläubigen dazu auffordert, im Lichte Christi über den Gang der Geschichte nachzudenken, sind sie auch eingeladen, mit neuer Kraft den Sinn des Sonntags wieder zu entdecken: sein „Geheimnis“, den Wert seiner Feier, seine Bedeutung für das christliche und menschliche Dasein. <114> Vgl. Motu proprio Mysteriipaschalis (14. Februar 1969): AAS 61(1969)222-226. Mit Genugtuung nehme ich Kenntnis von den vielfältigen lehramtlichen Interventionen und pastoralen Initiativen in der Zeit nach dem Konzil, welche Ihr, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, sowohl als einzelne wie gemeinschaftlich - und mit Unterstützung von Seiten Eures Klerus - zu diesem Thema entfaltet habt. An der Schwelle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 möchte ich Euch dieses Apostolische Schreiben anbieten, um Euer pastorales Engagement in einem so lebenswichtigen Bereich zu unterstützen. Aber zugleich möchte ich mich an Euch, liebe Gläubige, wenden und mich gleichsam geistig in den einzelnen Gemeinden einfinden, wo Ihr Euch jeden Sonntag mit Euren Hirten versammelt, um die Eucharistie und den „Tag des Herrn“ zu feiern. Viele der Überlegungen und Gefühle, die in diesem Schreiben lebendig werden, sind während meines bischöflichen Dienstes in Krakau und dann, nach der Übernahme des Amtes des Bischofs von Rom und Nachfolgers Petri, bei den Besuchen der römischen Pfarreien, die ich regelmäßig an den Sonntagen der verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres durchführe, in mir herangereift. So ist es mir, als würde ich in diesem Brief den lebendigen Dialog, den ich gerne mit den Gläubigen halte, weiterführen, indem ich mit Euch über den Sinn des Sonntags nachdenke und unterstreiche, warum er auch unter den neuen Gegebenheiten unserer Zeit als wahrer „Tag des Herrn“ gefeiert werden soll. 4. Es kann nämlich niemandem entgehen, dass bis vor kurzem die „Heiligung“ des Sonntags in den Ländern mit christlicher Tradition erleichtert wurde durch eine breite Beteiligung der Bevölkerung und durch die Organisation der zivilisierten Gesellschaft, die in den die verschiedenen Erwerbstätigkeiten betreffenden gesetzlichen Bestimmungen die Sonntagsruhe als feststehend vorsah. Heutzutage aber hat gerade in den Ländern, deren Gesetze den Feiertagscharakter dieses Tages festschreiben, die Entwicklung der sozio-ökonomischen Verhältnisse häufig zu tiefgreifenden Veränderungen des kollektiven Verhaltens und infolge davon der Gestaltung des Sonntags geführt. Es hat sich weithin die Praxis des „Wochenendes“ durchgesetzt als wöchentliche Zeit der Entspannung, die möglichst weitab vom ständigen Wohnsitz verbracht werden soll und häufig gekennzeichnet ist durch die Teilnahme an kulturellen, politischen oder sportlichen Aktivitäten, die im allgemeinen eben auf die Feiertage fallen. Es handelt sich dabei um ein gesellschaftliches und kulturelles Phänomen, das in dem Maße, in dem es mit der Achtung echter Werte zur menschlichen Entwicklung und zum Fortschritt des sozialen Lebens insgesamt beizutragen vermag, sicher nicht ohne positive Elemente ist. Dieses 564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entspricht nicht nur der Notwendigkeit, Ruhe zu finden, sondern auch dem Bedürfnis „zu feiern“, was dem Menschen angeboren ist. Wenn aber der Sonntag seinen ursprünglichen Sinn verliert und er auf ein reines „Wochenende“ reduziert wird, kann es geschehen, dass der Mensch nicht mehr den „Himmel“ <115> sehen kann, weil er in einem so engen Horizont eingesperrt ist. So ist er unfähig zu feiern, auch wenn er eine Festtagsgewandung trägt. <115> Vgl. Pastorale Erklärung der italienischen Bischofskonferenz „Der Tag des Herrn“ (15. Juli 1984), Ench. CEl 3, 1398. Den Jüngern Christi ist jedenfalls aufgetragen, die Feier des Sonntags, die eine echte Heiligung des Herrentages sein muss, nicht mit dem „Wochenende“ zu verwechseln, das grundsätzlich als Zeit der Ruhe und des Vergnügens verstanden wird. In diesem Zusammenhang bedarf es dringend einer authentischen geistlichen Reife, die den Christen hilft, in voller Übereinstimmung mit der Gabe des Glaubens „sie selbst zu sein“, immer bereit, Rechenschaft zu geben über die Hoffnung, die sie erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Das muss auch ein tieferes Verständnis des Sonntags mit sich bringen, um ihn auch in schwierigen Situationen in voller Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist leben zu können. 5. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die heutige Lage ziemlich bunt. Da gibt es einerseits das Beispiel einiger junger Kirchen, die beweisen, mit wie viel Eifer sich sowohl in den Städten wie in den verstreutesten Dörfern Menschen zur Feier des Sonntags motivieren lassen. Im Gegensatz dazu ist in anderen Gegenden wegen der erwähnten soziologischen Schwierigkeiten und vielleicht auch wegen fehlender starker Glaubensmotivationen ein außergewöhnlich niedriger Prozentsatz bei der Anzahl der Besucher der Sonntagsmesse festzustellen. Im Bewusstsein vieler Gläubigen scheint nicht nur der Sinn für den zentralen Charakter der Eucharistie abzunehmen, sondern sogar für die Pflicht, dem Herrn dankzusagen durch das gemeinsame Gebet mit den anderen innerhalb der kirchlichen Gemeinde. Zu alledem kommt noch hinzu, dass nicht nur in den Missionsländem, sondern auch in den alten christlichen Ländern wegen des Priestermangels mitunter die sonntägliche Eucharistiefeier nicht in jeder einzelnen Gemeinde sichergestellt werden kann. 6. Angesichts dieses Szenariums neuer Situationen und daraus sich ergebender Fragen erscheint es nötiger denn je, die tiefen Lehrbegründungen zurückzugewinnen, die dem kirchlichen Gebot zugrunde liegen, damit allen Gläubigen wirklich klar wird, dass der Sonntag im christlichen Leben ein unverzichtbarer Wert ist. Wenn wir das tun, bewegen wir uns auf den Spuren der immerwährenden Überlieferung der Kirche, an die das II. Vatikanische Konzil kraftvoll erinnerte, wenn es lehrte, dass am Sonntag „die Christgläubigen Zusammenkommen [müssen], um das Wort Gottes zu hören, an der Eucharistiefeier teilzunehmen und so des Leidens, der Auferstehung und der Herrlichkeit des Herrn Jesus zu gedenken und Gott dankzusa- 565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, der sie wiedergeboren hat zu lebendiger Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (vgl. 1 Petr 1,3)“. <116> ° Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 106. 7. In der Tat, man versteht die Pflicht, den Sonntag vor allem durch die Teilnahme an der Eucharistiefeier und durch eine von christlicher Freude und Brüderlichkeit erfüllter Ruhe zu heiligen, nur dann richtig, wenn man die vielfältigen Dimensionen dieses Tages bedenkt, auf die wir in diesem Schreiben hinweisen wollen. Der Sonntag ist ein Tag, der das Herz des christlichen Lebens bildet. Wenn ich seit dem Beginn meines Pontifikats nicht müde werde zu wiederholen: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“, <117> so möchte ich heute alle eindringlich zur Wiederentdeckung des Sonntags einladen: Habt keine Angst, Eure Zeit Christus zu geben! Ja, öffnen wir unsere Zeit für Christus, damit er sie erleuchten und lenken kann. Er kennt das Geheimnis der Zeit und das Geheimnis des Ewigen, und er übergibt uns „seinen Tag“ als ein immer neues Geschenk seiner Liebe. Die Wiederentdeckung dieses Tages ist eine Gnade, die wir erflehen müssen, um die eigenen Glaubensbedürfnisse voll zu leben, und auch um konkret Antwort zu geben auf die tiefsten und wahren Sehnsüchte, die in jedem Menschen sind. Die Christus geschenkte Zeit ist niemals verlorene Zeit, sondern eine gewonnene Zeit für die tiefe Vermenschlichung unserer Beziehungen und unseres Lebens. <117> Predigt bei der Übernahme des Pontifikates (22. Oktober 1978), Nr. 5: AAS 70(1978)947. Erstes Kapitel DIES DOMINI Die Feier des Schöpfungswerkes Gottes „Alles ist durch das Wort geworden“ (Joh 1,3) 8. In der christlichen Erfahrung ist der Sonntag vor allem ein österliches Fest, das völlig von der Herrlichkeit des auferstandenen Christus erleuchtet wird. Er ist die Feier der „neuen Schöpfung“. Aber scheinbar ist gerade diese Wesensart des Sonntags, wenn sie in ihrer ganzen Tiefe verstanden wird, nicht von der Botschaft zu trennen, die uns die Schrift bereits auf ihren ersten Seiten über den Plan Gottes in der Schöpfung der Welt bietet. Denn wenn es wahr ist, dass das Wort Fleisch geworden ist, „als die Zeit erfüllt war“ (vgl. Gal 4,4), so ist es ebenso wahr, dass es kraft seines Geheimnisses als ewiger Sohn des Vaters Ursprung und Ende des Universums ist. Das macht Johannes im Prolog seines Evangeliums geltend: „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (1,3). Das unterstreicht gleichermaßen auch Paulus, wenn er an die Kolosser schreibt: ,Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das 566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sichtbare und das Unsichtbare [...]; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (1,16). Diese aktive Gegenwart des Sohnes im Schöpfungswerk Gottes ist voll offenbar geworden im Ostergeheimnis, in dem Christus dadurch, dass er „als Erster der Entschlafenen“ (7 Kor 15,20) von den Toten auferstand, die neue Schöpfung begonnen und den Prozess eingeleitet hat, den er selber vollenden wird im Augenblick seiner Wiederkunft in Herrlichkeit, „wenn er seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt [...], damit Gott herrscht über alles und in allem“ (7 Kor 15,24.28). Schon am Morgen der Schöpfung schloss also Gottes Plan diese „kosmische Sendung“ Christi ein. Diese christozentrische Perspektive bezieht sich auf die gesamte Zeitspanne und war in Gottes wohlgefälligem Blick gegeben, als er nach Vollendung seines Werkes „den siebten Tag segnete und ihn für heilig erklärte“ (Gen 2,3). Damals entstand - nach dem von einem Priester verfassten ersten biblischen Schöpfungsbericht - der „Sabbat“, der den ersten Bund so stark prägte und so etwas wie die Vorankündigung des heiligen Tages des neuen und endgültigen Bundes ist. Das Thema vom „Ruhen Gottes“ (vgl. Gen 2,2) und von der Ruhe, die dem Volk nach seinem Auszug aus Ägypten beim Betreten des verheißenen Landes von ihm gewährt wurde (vgl. Ex 33,14; Dtn 3,20; 12,9; Jos 21,44; Ps 95,11), wird im Neuen Testament in einem neuen Licht, dem Licht der endgültigen „Sabbatruhe“ (.Hebr 4,9) wieder gelesen, in die Christus selber durch seine Auferstehung eingetreten ist und in die einzutreten das Volk Gottes berufen ist, wenn es den Spuren seines kindlichen Gehorsams folgt (vgl. Hebr 4,3-16). Deshalb müssen wir zur Einführung in das volle Verständnis des Sonntags den großartigen Abschnitt über die Schöpfung wieder lesen und die Theologie vom „Sabbat“ vertiefen. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde “ (Gen 1,1) 9. Der poetische Stil des Genesisberichtes spiegelt das Staunen des Menschen angesichts der Unermesslichkeit der Schöpfung und das Gefühl der Verehrung wider, die er für den empfindet, der aus dem Nichts alles hervorgebracht hat. Es handelt sich um einen Abschnitt von intensiver religiöser Bedeutung, um ein Loblied auf den Schöpfer des Universums, der gegenüber den immer wiederkehrenden Versuchungen, die Welt selbst zu vergöttlichen, als der einzige Herr ausgewiesen wird, und zugleich um ein Loblied auf die Güte der ganz von der mächtigen und barmherzigen Hand Gottes gestalteten Schöpfung. „Gott sah, daß es gut war“ (Gen 1,10.12 usw.). Dieser Refrain, der den Bericht im einzelnen unterteilt, wirft ein positives Licht auf jedes Element des Universums, während er gleichzeitig das Geheimnis für sein entsprechendes Verständnis und für seine mögliche Erneuerung erahnen lässt: Die Welt ist in dem Maße gut, in dem sie in ihrem Ursprung verankert bleibt, und sie wird nach ihrer Entstellung durch die Sünde wieder gut, in dem sie mit Hilfe der Gnade zu dem zurückkehrt, der sie geschaffen hat. Diese Dialektik betrifft offensichtlich nicht unmittelbar die unbelebten Dinge und die Tiere, sondern die Menschen, denen das unvergleichliche Geschenk der Freiheit gewährt worden ist, das aber auch Gefahr in sich birgt. Gleich im Anschluss an die Schöpfungsberichte hebt die Bibel diesen dramatischen Ge- 567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gensatz zwischen der Größe des nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen und seinem Fall hervor, der in der Welt das düstere Szenarium der Sünde und des Todes eröffnet (vgl. Gen 3). 10. Der Kosmos weist, da er aus Gottes Händen hervorgegangen ist, dessen Gütesiegel auf. Es ist eine schöne Welt, würdig, bewundert und genossen, aber auch, gepflegt und weiterentwickelt zu werden. Die Fertigstellung des Werkes Gottes eröffnet die Welt der Tätigkeit des Menschen. „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte“ (Gen 2,2). Durch diese anthropomorphe Ausdrucksweise vom „Schaffen“ Gottes gibt uns die Bibel nicht nur einen Schimmer von dem geheimnisvollen Verhältnis zwischen dem Schöpfer und der geschaffenen Welt, sondern sie wirft auch ein Licht auf die Aufgabe des Menschen gegenüber der Welt. Das „Schaffen“ Gottes ist beispielhaft für den Menschen. Denn dieser ist ja nicht nur dazu berufen, die Erde zu bewohnen, sondern auch die Welt „aufzubauen“, wodurch er zum „Mitarbeiter“ Gottes wird. Die ersten Kapitel der Genesis stellen, wie ich in der Enzyklika Laborem exercens geschrieben habe, in gewissem Sinne das erste „Evangelium der Arbeit“ dar. <118> Das ist eine Wahrheit, die auch vom II. Vatikanischen Konzil unterstrichen wird: „Der nach Gottes Bild geschaffene Mensch hat ja den Auftrag erhalten, sich die Erde mit allem, was zu ihr gehört, zu unterwerfen, die Welt in Gerechtigkeit und Heiligkeit zu regieren und durch die Anerkennung Gottes als des Schöpfers aller Dinge sich selbst und die Gesamtheit der Wirklichkeit auf Gott hinzuordnen, so daß alles dem Menschen unterworfen und Gottes Name wunderbar sei auf der ganzen Erde“. <119> <118> Nr. 25: AAS 73(1981)639. <119> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 34. Die erhebende Geschichte der Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Kultur in ihren verschiedenen Ausdrucksformen - eine immer raschere und heute geradezu schwindelerregende Entwicklung - ist in der Geschichte der Welt die Frucht des Auftrags, mit dem Gott dem Mann und der Frau die Aufgabe und Verantwortung übertragen hat, die Erde zu erfüllen und sie durch Arbeit unter Einhaltung seines Gesetzes zu unterwerfen. Der „Sabbat“: das frohe Ruhen des Schöpfers 11. Wenn auf der ersten Seite der Genesis das „Schaffen“ Gottes Vorbild für den Menschen ist, so gilt das ebenso von seinem „Ruhen“: „ Und er ruhte am siebten Tag“ {Gen 2,2). Auch hier stehen wir vor einem Anthropomorphismus, der eine fruchtbare Botschaft enthält. Das „Ruhen“ Gottes darf nämlich nicht auf banale Weise als eine Art „Untätigkeit“ Gottes ausgelegt werden. Der Schöpfungsakt, der am Anfang der Welt steht, ist tatsächlich von Natur aus immerwährend; Gott hört nicht auf zu handeln, wie Jesus selber gerade in Bezug auf das Gebot der Sabbatruhe erinnert: „Mein Vater ist noch immer am Werk, und auch ich bin am Werk“ (Joh 5,17). Die göttliche Ruhe 568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des siebten Tages spielt nicht auf einen untätigen Gott an, sondern unterstreicht die Fülle der vollendeten Ausführung und drückt gleichsam das Innehalten Gottes vor dem „sehr guten“ Werk seiner Hände aus (Gen 1,31), um einen Blick voll freudiger Genugtuung darauf zu werfen: einen Blick also, der „kontemplativer“ Natur ist, dem es nicht mehr um neue Realisierungen geht, sondern vielmehr um die Freude über die Schönheit des Vollbrachten; ein Blick, der allen Dingen gilt, in besonderer Weise aber dem Menschen als dem Höhepunkt der Schöpfung. Es ist ein Blick, in dem man irgendwie bereits die „bräutliche“ Dynamik der Beziehung ahnen kann, die Gott zu dem nach seinem Bild geschaffenen Geschöpf herstellen will, indem er es dazu beruft, sich auf ein Liebesbündnis einzulassen. Er wird das im Ausblick auf die der ganzen Menschheit angebotene Rettung schrittweise verwirklichen durch den mit Israel geschlossenen Heilsbund, der dann in Christus seinen Höhepunkt erreicht: Denn das fleischgewordene Wort wird - durch die endzeitliche Gabe des Heiligen Geistes und die Errichtung der Kirche als seinen Leib und seine Braut - das Angebot der Barmherzigkeit und Liebe des Vaters auf die ganze Menschheit ausweiten. 12. Im Plan des Schöpfers gibt es eine Unterscheidung, aber auch einen engen Zusammenhang zwischen Schöpfungsordnung und Heilsordnung. Das unterstreicht schon das Alte Testament, wenn es das „Sabbat“-Gebot nicht nur mit dem geheimnisvollen „Ruhen“ Gottes nach den Tagen des schöpferischen Schaffens (vgl. Ex 20,8-11), sondern auch mit der Rettung in Beziehung setzt, die Israel in der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens (vgl. Dtn 5,12-15) von Gott gewährt wurde. Der Gott, der am siebten Tag ruht und sich seiner Schöpfung erfreut, ist derselbe, der durch die Befreiung seiner Söhne und Töchter aus der Zwangsherrschaft des Pharaos seine Herrlichkeit erweist. Im einen wie im anderen Fall könnte man nach einem bei den Propheten beliebten Bild sagen, er offenbarte sich wie der Bräutigam gegenüber der Braut (vgl. Hos 2,16-24; Jer 2,2; Jes 54,4-8). Um nämlich an den Kern des „Sabbat“, des ,,Ruhens“ Gottes, heranzukommen, wie es einige Elemente gerade der jüdischen Überlieferung nahe legen, <120> gilt es, die bräutliche Intensität zu erfassen, die vom Alten bis zum Neuen Testament die Beziehung Gottes zu seinem Volk kennzeichnet. So zum Beispiel drückt es jene wunderbare Stelle bei Hosea aus: „Ich schließe für Israel an jenem Tag einen Bund mit den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels und mit allem, was auf dem Erdboden kriecht. Ich zerbreche Bogen und Schwert, es gibt keinen Krieg mehr im Land, ich lasse sie Ruhe und Sicherheit finden. Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von <120> Der Sabbat wird von unseren jüdischen Brüdern mit einer „bräutlichen“ Spiritualität erlebt, wie das zum Beispiel in Texten wie Genesis Rabbah X, 9 und XI, 8 (vgl. Jacob Neusner, Genesis Rabbah, vol. I, Atlanta 1985, 107 u. 117) deutlich wird. Einen bräutlichen Ton weist auch der Gesang Leka dödi auf: „Über dich wird dein Gott glücklich sein, wie der Bräutigam glücklich ist über seine Braut [...] o Braut, Königin Sabbat, komme mitten unter die Gläubigen deines auserwählten Volkes“ (vgl. Preghiera serale del sabato, hrsg. von A. Toaff, Rom 1968-69, 3). 569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen“ (2,20-22). „ Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig “ (Gen 2,3) 13. Das Sabbatgebot, das im ersten Bund den Sonntag des neuen und ewigen Bundes vorbereitet, hat also im Plan Gottes seine tiefsten Wurzeln. Deshalb steht es nicht neben rein kultischen Verordnungen, wie das bei vielen anderen Vorschriften der Fall ist, sondern im Dekalog, in den „Zehn Geboten“, die die eigentlichen Stützpfeiler des sittlichen Lebens erkennen lassen, das dem Menschen allgemein ins Herz geschrieben ist. Damit, dass sie dieses Gebot vor dem Hintergrund der ethischen Grandstrukturen begreifen, machen Israel und später die Kirche deutlich, dass sie es nicht als eine bloße Vorschrift zu religiöser Gemeinschaftsdisziplin betrachten, sondern als einen bedeutsamen und unverzichtbaren Ausdruck der Beziehung zu Gott, wie sie von der biblischen Offenbarung verkündet und vorgeschrieben wird. Aus dieser Perspektive muss dieses Gebot auch heute von den Christen wiederentdeckt werden. Wenn es auch eine natürliche Übereinstimmung mit dem menschlichen Bedürfnis nach Ruhe einschließt, so hängt es doch vom Glauben ab, den tiefen Sinn dieses Gebotes zu erfassen und nicht Gefahr zu laufen, es zu banalisieren oder zu verraten. 14. Der Tag der Ruhe ist der Sabbat also vor allem deshalb, weil er der von Gott „gesegnete“ und „geheiligte“ Tag ist, das heißt, getrennt von den anderen Tagen, um unter allen der Tag des Herrn zu sein. Um den Sinn dieser „Heiligung“ des Sabbat im ersten Schöpfungsbericht voll zu verstehen, muss man sich den gesamten Text ansehen, aus dem mit aller Klarheit hervorgeht, dass jede Wirklichkeit ohne Ausnahme auf Gott zurückzuführen ist. Er ist Herr über Zeit und Raum. Er ist nicht der Gott nur eines Tages, sondern der Gott aller Tage des Menschen. Wenn er also den siebten Tag durch einen besonderen Segen „für heilig erklärt“ und ihn zu „seinem Tag“ schlechthin macht, muss das in der tiefgründigen Dynamik des Dialogs des Bundes, ja des „bräutlichen“ Dialogs verstanden werden. Es ist ein Dialog der Liebe, der keine Unterbrechungen kennt und trotzdem nicht eintönig ist: Denn er entfaltet sich unter Verwendung der verschiedenen Tonalitäten der Liebe, von den gewöhnlichen und indirekten bis hin zu den stärksten Äußerungen, die mit Bildern aus der Erfahrung der hochzeitlichen Liebe zu beschreiben sich die Worte der Schrift und dann die Zeugnisse vieler Mystiker nicht scheuen. 15. Wahrhaftig müssen sowohl das ganze Leben wie auch die ganze Zeit des Menschen als Lob und Dank gegenüber dem Schöpfer gelebt werden. Aber die Beziehung des Menschen zu Gott braucht auch Zeiten des ausdrücklichen Gebetes, wo die Beziehung zum intensiven Dialog wird, der jede Dimension der Person mit einschließt. Der „Tag des Herrn“ ist schlechthin der Tag dieser Beziehung, an dem der Mensch seinen Gesang zu Gott erhebt und so zur Stimme der gesamten Schöpfung wird. 570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb ist er auch der Tag der Ruhe: Die Unterbrechung des oft belastenden Arbeitsrhythmus bringt durch die plastische Sprache der „Neuheit“ und der „Loslösung“ die Anerkennung der eigenen und der Abhängigkeit des Kosmos von Gott zum Ausdruck. Alles kommt von Gott! Der Tag des Herrn macht diesen Grundsatz ständig geltend. Der „Sabbat“ ist daher auf beeindruckende Weise als ein bezeichnendes Element jener Art „heiliger Architektur“ der Zeit gedeutet worden, die die biblische Offenbarung charakterisiert. <121> Er erinnert daran, dass Zeit und Geschichte in Gottes Händen liegen und sich der Mensch seinem Wirken als Mitarbeiter des Schöpfers in der Welt nicht hingeben kann, ohne sich ständig dieser Wahrheit bewusst zu sein. <121> Vgl. A. J. Heschel, The sabbath. Ist meaningfor modern man (22 ed. 1995), 3-24. „ Gedenken um „ heilig zu halten “ 16. Das Gebot aus dem Dekalog, mit dem Gott das Einhalten des Sabbats auferlegt, hat im Buch Exodus eine charakteristische Formulierung gefunden: „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!“ (20,8). Und einige Verse später gibt der inspirierte Text die Begründung dafür, indem er an das Werk Gottes erinnert: „Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Damm hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt“ (V. 11). Bevor das Gebot etwas zu tun vorschreibt, weist es auf etwas hin, dessen es zu gedenken gilt. Es lädt dazu ein, das Gedächtnis jenes großartigen und fundamentalen Gotteswerkes, das die Schöpfung ist, wieder wachzurufen. Dieses Gedächtnis soll das gesamte religiöse Leben des Menschen beseelen, um dann einzumünden in den Tag, an dem der Mensch zum Ruhen angehalten ist. Die Ruhe nimmt so eine typische religiöse Wertigkeit an: Der Gläubige wird eingeladen, nicht nur zu ruhen, wie Gott gemht hat, sondern im Herrn zu ruhen, während er ihm in Lobpreis und Danksagung, in kindlicher Innigkeit und bräutlicher Freundschaft die ganze Schöpfung zurückgibt. 17. Das Thema des „Gedächtnisses“ der von Gott vollbrachten Wunderwerke im Zusammenhang mit der Sabbatruhe ergibt sich auch aus dem Text des Deuteronomium (5,12-15), wo die Grandlage des Gebotes nicht so sehr im Schöpfungswerk als in der von Gott vollbrachten Befreiung im Auszug aus Ägypten gesehen wird: „Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten“ (Dtn 5,15). Diese Formulierung erscheint wie eine Ergänzung der vorhergehenden: Zusammen gesehen enthüllen sie den Sinn des „Tages des Herrn“ innerhalb einer einheitlichen theologischen Sicht der Schöpfung und des Heils. Inhalt des Gebotes ist daher nicht in erster Linie eine, wie auch immer geartete, Unterbrechung der Arbeit, sondern die feierliche Begehung der von Gott vollbrachten Wunderwerke. 571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dem Maße, wie dieses von Dankbarkeit und Lob gegenüber Gott erfüllte „Gedächtnis“ lebendig ist, gelangt die Ruhe des Menschen am Tag des Herrn zu ihrer vollen Bedeutung. Durch sie tritt der Mensch in die Dimension der „Ruhe“ Gottes ein und hat intensiv an ihr teil; auf diese Weise wird er dazu fähig, sich von einem Taumel jener Freude packen zu lassen, wie der Schöpfer selber sie nach der Schöpfung empfunden hat, als er sah, dass alles, was er gemacht hatte „sehr gut war“ (Gen 1,31). Vom Sabbat zum Sonntag 18. Wegen dieser wesentlichen Abhängigkeit des dritten Gebotes vom Gedächtnis der Heilswerke Gottes haben die Christen, als sie die Eigentümlichkeit der von Christus eröffneten neuen und endgültigen Zeit wahmahmen, den ersten Tag nach dem Sabbat zum Feiertag bestimmt, weil an diesem Tag die Auferstehung des Herrn stattgefunden hatte. Das Ostermysterium Christi stellt in der Tat die volle Enthüllung des Geheimnisses des Anfangs, den Höhepunkt der Heilsgeschichte und die Vorwegnahme der endzeitlichen Vollendung der Welt dar. Was Gott in der Schöpfung geschaffen und was er für sein Volk im Exodus vollbracht hat, ist im Tod und in der Auferstehung Christi zur Vollendung gekommen, auch wenn sein endgültiger Ausdruck erst in der Parusie, mit der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, offenbar werden wird. In ihm verwirklicht sich voll der geistliche Sinn des Sabbats, wie der heilige Gregor der Große unterstreicht: „Wir betrachten als den wahren Sabbat unseren Erlöser, den Herrn Jesus Christus“. <122> <123> Darum findet die Freude, mit der Gott die aus dem Nichts vollzogene Schöpfung am ersten Sabbat der Menschheit betrachtet, dann in der Freude Ausdruck, mit der Christus am Ostersonntag den Seinen erschienen ist, um ihnen das Geschenk des Friedens und des Geistes zu bringen (vgl. Joh 20,19-23). Tatsächlich hat im Ostergeheimnis der Mensch und mit ihm die gesamte Schöpfung, die „bis zum heutigen Tag seufzt und in Wehen liegt“ (Röm 8,22), ihren neuen „Exodus“ zur Freiheit der Kinder Gottes erlebt, die mit Christus rufen dürfen: „Abba, Vater“ (Röm 8,15; Gal 4,6). Im Lichte dieses Geheimnisses wird der Sinn des alttestamentlichen Gebotes über den Tag des Herrn wiedergewonnen, bereichert und völlig aufgedeckt in der Herrlichkeit, die im Antlitz des auferstandenen Christus aufscheint (vgl. 2 Kor 4,6). Vom „Sabbat“ geht man über zum „ersten Tag nach dem Sabbat“, vom siebten Tag auf den ersten Tag: der dies Domini wird zum dies Christi! „Verum autem sabbatum ipsum redemptorem nostrum Iesum Christum Dominum habemus“: Ep 13,1: CCL 140 A, 992. 14 572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zweites Kapitel DIES CHRISTI Der Tag des auferstandenen Herrn und des Geschenkes des Geistes Das wöchentliche Ostern 19. „Auf Grand der verehrangswürdigen Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus feiern wir den Sonntag nicht nur an Ostern, sondern auch in jedem Wochenzyklus“: so schrieb am Anfang des 5. Jahrhunderts Papst Innozenz I. <124> und bezeugte damit eine nunmehr gefestigte Gepflogenheit, die sich bereits in den ersten Jahren nach der Auferstehung des Herrn herausgebildet hatte. Der hl. Basilius spricht von dem „durch die Auferstehung des Herrn geehrten heiligen Sonntag, dem ersten aller Tage“. <125> Der hl. Augustinus nennt den Sonntag „Ostersakrament“. <126> 140 A, 992. <125> Ep. ad Decentium XXV, 4, 7: PL 20, 555. 16 Homiliae in Hexaemeron II, 8: SC 26, 184. <126> Vgl. ln Io. ev. tractatus XX, 20, 2: CCL 36, 203; Epist. 55, 2: CSEL 34, 170-171. Diese enge Verbindung des Sonntags mit der Auferstehung des Herrn wird von allen Kirchen, im Westen wie im Osten, nachdrücklich betont. Besonders in der Tradition der Ostkirchen wird jeder Sonntag als anastäsimos hemera, Auferstehungstag, <127> begangen und ist auf Grand dieses seines Charakters der Mittelpunkt des ganzen Kultes. <127> Besonders greifbar ist dieser Bezug zur Auferstehung in der russischen Sprache, wo der Sonntag eben „Auferstehung“ (voskresen’e) heißt. Im Lichte dieser ununterbrochenen und weltweiten Überlieferung ist klar zu erkennen, dass man den Tag des Herrn, so sehr er, wie gesagt, im Schöpfungswerk selber und unmittelbarer im Geheimnis der biblischen „Ruhe“ Gottes wurzelt, dennoch in besonderer Weise auf die Auferstehung Christi beziehen muss, um seine volle Bedeutung zu begreifen. Das geschieht am christlichen Sonntag, der jede Woche den Gläubigen das Ostergeschehen, aus dem das Heil der Welt entspringt, wieder zur Betrachtung und zum Leben anbietet. 20. Nach dem einvemehmlichen Zeugnis der Evangelien geschah die Auferstehung Jesu Christi von den Toten am „ersten Tag nach dem Sabbat“ (Mk 16,2.9; Lk 24,1; Joh 20,1). An demselben Tag zeigte sich der Auferstandene den zwei Emmausjün-gem (vgl. Lk 24,13-35) und erschien den versammelten elf Aposteln (vgl. Lk 24,36; Joh 20,19). Acht Tage danach - so bezeugt das Johannesevangelium (vgl. 20,26) - hatten sich die Jünger wieder versammelt, als ihnen Jesus erschien und sich dem Thomas zu erkennen gab, indem er ihm seine Wundmale zeigte. Auch der Pfingsttag war ein Sonntag, der erste Tag der achten Woche nach dem jüdischen Paschafest (vgl. Apg 2,1), als sich mit der Ausgießung des Heiligen Geistes 573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Verheißung erfüllte, die Jesus nach der Auferstehung den Aposteln gemacht hatte (vgl. Lk 24,49; Apg 1,45). Das war der Tag der ersten Verkündigung und der ersten Taufen: Petrus verkündete der versammelten Menge, dass Christus auferstanden war, und „die, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen“ (Apg 2,41). Dies war die Epiphanie der Kirche, die als Volk offenbar wurde, in dem die verstreuten Kinder Gottes ungeachtet aller Verschiedenheiten in Einheit zusammenströmen. Der erste Tag der Woche 21. Auf dieser Grundlage begann schon zur Zeit der Apostel „der erste Tag nach dem Sabbat“, der erste Tag der Woche, den Rhythmus des Lebens der Jünger Christi zu bestimmen (vgl. 1 Kor 16,2). Am „ersten Tag nach dem Sabbat“ versammelten sich auch die Gläubigen von Troas, „um das Brot zu brechen“, als Paulus seine Abschiedspredigt an sie richtete und ein Wunder vollbrachte, um einen eben verstorbenen jungen Mann, Eutychius, ins Leben zurückzuholen (vgl. Apg 20,7-12). Die Offenbarung des Johannes bezeugt die Gewohnheit, diesem ersten Tag der Woche den Namen „Tag des Herrn“ zu geben (1,10). Von da an wird das eines der Wesensmerkmale sein, welche die Christen von ihrer Umwelt unterscheiden. Das schrieb schon zu Beginn des zweiten Jahrhunderts der Statthalter von Bithynien, Plinius der Jüngere, der die Gewohnheit der Christen festhielt, „sich an einem festen Tag vor Sonnenaufgang zu versammeln und miteinander einen Lobgesang auf Christus als einen Gott zu singen“. <128> Und in der Tat, wenn die Christen „Tag des Herrn“ sagten, verliehen sie diesem Begriff die Sinnfülle, die sich aus der Osterbotschaft herleitet: „Jesus Christus ist der Herr“ (Phil 2,11; vgl. Apg 2,36; 1 Kor 12,3). Damit wurde Christus derselbe Titel zuerkannt, mit dem die Septuaginta in der Offenbarung des Alten Testamentes den Namen Gottes, JHWH, übersetzte, den auszusprechen verboten war. Epist. 10, 96, 7. 22. In dieser Frühzeit der Kirche war der Wochenrhythmus der Tage in den Gegenden, wo sich das Evangelium ausbreitete, nicht allgemein bekannt, und die Festtage des römischen und griechischen Kalenders fielen nicht mit dem christlichen Sonntag zusammen. Das brachte für die Christen nicht geringe Schwierigkeiten mit sich, wenn sie den Tag des Herrn mit der für ihn typischen Festlegung auf einen bestimmten Wochentag einhalten wollten. So erklärt sich, warum die Gläubigen genötigt waren, sich vor Sonnenaufgang zu versammeln. <129> Trotzdem setzte sich das Festhalten am Wochenrhythmus durch, da es sich auf das Neue Testament gründete und an die Offenbarung des Alten Testamentes gebunden war. Das unterstreichen gern die Apologeten und die Kirchenväter in ihren Schriften und in ihrer Verkündigung. Das Ostergeheimnis wurde anhand jener Schrifttexte veran- Vgl. ebd. Unter Bezugnahme auf den Brief des Plinius erwähnt auch Tertullian die coetus antelucani in: Apologeticum 2, 6: CCL 1, 88; De corona 3, 3: CCL 2, 1043. 19 20 574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaulicht, die - nach dem Zeugnis des hl. Lukas (vgl. 24,27.44-47) - der auferstandene Christus selbst den Jüngern erklärt haben soll. Im Lichte dieser Texte gewann die Feier des Auferstehungstages einen lehrhaften und symbolischen Wert, der das ganz Neue des christlichen Geheimnisses auszudrücken vermochte. Zunehmende Unterscheidung vom Sabbat 23. Auf dieses Neue kommt die Katechese der ersten Jahrhunderte immer wieder zurück, wenn sie sich bemüht, den Sonntag im Vergleich zum jüdischen Sabbat zu charakterisieren. Am Sabbat bestand für die Juden die Pflicht zur Zusammenkunft in der Synagoge und musste die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe eingehalten werden. Die Apostel und besonders der hl. Paulus suchten zuerst weiterhin die Synagoge auf, um dort Jesus Christus verkünden zu können, indem sie „die Worte der Propheten, die an jedem Sabbat vorgelesen wurden“ (Apg 13,27), kommentierten. In einigen Gemeinden bestanden, wie man feststellen konnte, die Einhaltung des Sabbats und die Feier des Sonntags gleichzeitig nebeneinander. Sehr bald begann man jedoch, die beiden Tage immer klarer zu unterscheiden, um vor allem auf die Beharrlichkeit jener Christen zu reagieren, die aus dem Judentum kamen und daher dazu neigten, an der Verpflichtung aus dem alten Gesetz festzuhalten. Der hl. Ignatius von Antiochien schreibt: „Wenn diejenigen, die unter den alten Umständen lebten, zu einer neuen Hoffnung gelangt sind, indem sie nicht mehr den Sabbat einhalten, sondern nach dem Tag des Herrn leben, dem Tag, an dem unser Leben durch ihn und seinen Tod aufgebrochen ist [...], Geheimnis von dem wir den Glauben erhalten haben und in dem wir bleiben, um als glaubwürdige Jünger Christi, unseres alleinigen Meisters, befunden zu werden, wie könnten dann wir ohne ihn leben, da doch auch die Propheten, seine Jünger im Geiste, ihn als Meister erwarteten?“ <130> Und der hl. Augustinus bemerkt: „Deshalb hat der Herr auch seinem Tag, dem dritten Tag nach der Passion, sein Siegel aufgeprägt. Er ist jedoch im Wochenzyklus der achte nach dem siebten, das heißt nach dem Sabbat, und der erste Tag der Woche“. <131> Die Unterscheidung des Sonntags vom jüdischen Sabbat festigt sich im kirchlichen Bewusstsein zunehmend, auch wenn in bestimmten Perioden der Geschichte wegen des Nachdmcks, der auf die Pflicht zur Sonntagsruhe gelegt wird, eine gewisse Tendenz zur „Sabbatisierung“ des Herrentages festzustellen sein wird. Es gab übrigens durchaus Teile der Christenheit, wo der Sabbat und der Sonntag als „zwei brüderliche Tage“ begangen wurden. <132> <130> Brief an die Magnesier 9, 1-2: SC 10, 88-89. <131> Sermo 8 in octava Paschalis, 4: PL 46, 841. Dieses Wesensmerkmal des Sonntags als „erstem Tag“ ist im lateinischen liturgischen Kalender klar ersichtlich, wo der Montag feria secunda, der Dienstag feria tertia usw. genannt wird. Eine ähnliche Bezeichnung der Wochentage findet sich im Portugiesischen. <132> Hl. Gregor von Nyssa, De castigatione: PG 46, 309. Auch in der maronitischen Liturgie wird der Zusammenhang zwischen dem Sabbat und dem Sonntag, vom „Geheimnis des Heiligen Samstag“ an, betont (vgl. M. Hayek, Maronite [Eglise], Dictionnaire de spiritualite, X [1980], 632-644). 575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Tag der Neuschöpfung 24. Der Vergleich des christlichen Sonntags mit der Sabbatauffassung des Alten Testamentes löste auch eingehende theologische Untersuchungen aus, die großes Interesse fanden. Insbesondere wurde der einzigartige Zusammenhang deutlich gemacht, der zwischen Auferstehung und Schöpfung besteht. Das christliche Denken gelangte spontan dahin, die „am ersten Tag der Woche“ geschehene Auferstehung mit dem ersten Tag jener kosmischen Woche (vgl. Gen 1,1-2,4) in Verbindung zu bringen, nach welcher das Buch Genesis das Schöpfungsgeschehen einteilt: der Tag der Erschaffung des Lichtes (vgl. 1,3-5). Dieser Zusammenhang legte es nahe, die Auferstehung als den Beginn einer Neuschöpfung zu verstehen, deren Erster der verherrlichte Christus ist, „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), aber auch „der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,18). 25. Der Sonntag ist tatsächlich der Tag, an welchem mehr als an jedem anderen der Christ aufgerufen ist, des Heils zu gedenken, das ihm in der Taufe angeboten worden ist und ihn in Christus zu einem neuen Menschen gemacht hat. „Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt, durch den Glauben an die Kraft Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat“ (Kol 2,12; vgl. Röm 6,4-6). Die Liturgie unterstreicht diese Taufdimension des Sonntags, sei es durch die Aufforderung, Tauffeiem außer in der Ostemacht auch an diesem Wochentag abzuhalten, „an dem die Kirche der Auferstehung des Herrn gedenkt“, <133> sei es dadurch, dass sie als angemessenen Bußritus zu Beginn der Messe die Besprengung mit Weihwasser empfiehlt, die an das Taufgeschehen erinnert, aus dem jede christliche Existenz geboren wird. <134> <133> Ritus der Kindertaufe, Nr. 9; vgl. Ritus der christlichen Initiation Erwachsener, Nr. 59. <134> Vgl. Missale Romanum, Ritus der sonntäglichen Besprengung mit Weihwasser. Der achte Tag, Bild der Ewigkeit 26. Andererseits führte der Umstand, dass der Sabbat der siebte Tag der Woche ist, dazu, den Tag des Herrn im Lichte einer ergänzenden Symbolik zu betrachten, an welcher den Kirchenvätern sehr gelegen war: Der Sonntag ist nicht nur der erste Tag, er ist auch der „achte Tag“, das heißt, er nimmt im Vergleich zur Abfolge der sieben Tage eine einzigartige und transzendente Stellung ein, die nicht nur den Beginn der Zeit, sondern auch ihr Ende in der „zukünftigen Ewigkeit“ beschwört. Der hl. Basilius erklärt, der Sonntag sei wirklich der einzige Tag, der auf die jetzige Zeit folgen werde, der Tag ohne Ende, der weder Abend noch Morgen kennt, die unvergängliche Ewigkeit, die nicht altem kann; der Sonntag ist die unaufhörliche Vorankündigung des Lebens ohne Ende, die die Hoffnung der Christen immer wieder belebt und sie auf ihrem Weg ermutigt <135> Im Ausblick auf den letzten Tag, 25 Vgl. Hl. Basilius, Über den Heiligen Geist, 27, 66: SC 17, 484-485. Vgl. auch Barnabas-Brief, 15, 8-9: SC 172, 186-189; Hl. Justinus, Dialog mit Tryphon, 24, 138: PG 6, 528.793; Origenes, Psalmenkommentar, Psalm 118, 1: PG 12, 1588. 576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der die vorläufige Symbolik des Sabbat voll Wirklichkeit werden lässt, schließt der hl. Augustinus die Bekenntnisse, indem er vom eschaton als „Frieden der Ruhe, Frieden des Sabbat, Frieden ohne Abend“ spricht. <136> Die Feier des Sonntags, des „ersten“ und zugleich „achten“ Tages, verweist den Christen auf das Ziel des ewigen Lebens. <137> 2' „Domine, praestitisti nobis pacem quietis, pacem sabbati, pacem sine vespera“: Confess., 13, 50: CCL 27, 272. <137> Vgl. Hl. Augustinus, Epist. 55, 17: CSEL 34, 188: „Ita ergo erit octavus, qui primus, ut prima vita sed aetema reddatur“. Der Tag Christi, des Lichtes 27. In dieser christozentrischen Sicht ist noch eine andere symbolische Bedeutung zu verstehen, die die gläubige Reflexion und die pastorale Praxis dem Tag des Herrn zuschrieben. Auf Grund einer wohlüberlegten pastoralen Eingebung sah sich nämlich die Kirche veranlasst, die Bezeichnung „Tag der Sonne“ - ein Ausdruck, mit dem die Römer diesen Tag benannten und der noch in einigen modernen Sprachen aufscheint <138> - für den Herrentag zu christianisieren; dadurch sollten die Gläubigen von Sitzungen des Sonnenkultes, wo die Sonne als Gott verehrt wurde, abgehalten und die Feier dieses Tages auf Christus, die wahre „Sonne“ der Menschheit, ausgerichtet werden. Der hl. Justinus gebraucht, wenn er an die Heiden schreibt, die gängige Terminologie, um zu vermerken, dass die Christen ihre Versammlung „am Sonnentag“ abhielten, <139> aber der Bezug auf diesen Ausdruck gewinnt nun für die Gläubigen einen neuen, vollkommen evangelischen Sinn. <140> Christus ist tatsächlich das Licht der Welt (vgl. Joh 9,5; vgl. auch 1,4-5.9), und der Tag zum Gedächtnis seiner Auferstehung ist in der Wocheneinteilung der Zeit der ewige Widerschein dieser Epiphanie seiner Herrlichkeit. Das Thema des Sonntags als vom Sieg des auferstandenen Christus erhellten Tag findet auch Platz in der Stundenliturgie <141> und ist von besonderer Eindringlichkeit in der nächtlichen Gebetsversammlung, die in den orientalischen Liturgien auf den Sonntag vorbereitet und in ihn einführt. Wenn sich die Kirche an diesem Tag versammelt, macht sie sich in jeder Generation aufs neue das Staunen des Zacharias zu eigen, wenn sie ihren Blick auf Christus richtet und ihn als „das strahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“ (vgl. Lk 1,78-79), verkündet und vor Freude zittert wie Simeon, als er das göttliche Kind in <138> So im englischen Sunday und im deutschen Sonntag. <139> Apologia I, 67: PG 6,430. 3* Vgl. Hl. Maximus von Turin, Sermo 44, I: CCL 23, 178; Ders. Sermo 53, 2: CCL 23, 219; Eusebios von Cäsarea, Comm. in Ps 91: PG 23, 1169-1173. <141> Siehe z. B. den Hymnus der Lesehore: „Dies aetasque ceteris/octava splendet sanctior/in te quam, Iesu, consecras/primitiae surgentium“ (1. Woche); und auch: „Salve dies, dierum gloria/dies felix Christi Victoria,/dies digna iugi laetitia/dies prima./Lux divina caecis irradiat,/in qua Christus infemum spoliat,/mortem vincit et reconciliat/summis ima“ (2. Woche). Ähnliche Ausdrücke finden sich in den Hymnen des Stundengebetes in den modernen Sprachen. 577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seine Arme nahm, das gekommen ist als „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32). Der Tag der Gabe des Geistes 28. Der Sonntag als Tag des Lichtes könnte in Bezug auf den Heiligen Geist auch Tag des „Feuers“ heißen. Denn das Licht Christi steht in engem Zusammenhang mit dem „Feuer“ des Geistes, und beide Bilder weisen auf den Sinn des christlichen Sonntags hin. <142> Als Jesus am Abend des Ostertages den Aposteln erschien, hauchte er sie an und sprach: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Die Ausgießung des Heiligen Geistes war das große Geschenk des Auferstandenen an seine Jünger am Ostersonntag. Es war wieder Sonntag, als fünfzig Tage nach der Auferstehung der Geist wie ein „heftiger Sturm“ und ein „Feuer“ (Apg 2,2-3) voll Kraft auf die Apostel herabkam, die mit Maria im Abendmahlssaal versammelt waren. Pfingsten ist nicht nur ein Ereignis der Urkirche, sondern ein Geheimnis, das die Kirche ständig belebt. <143> Auch wenn dieses Ereignis jedes Jahr durch die Feier des Pfingstfestes zum Abschluss des „großen Sonntags“ <144> liturgisch besonders herausgehoben wird, gehört es eben durch seinen engen Zusammenhang mit dem Ostermysterium auch zum tieferen Sinn jedes Sonntags. Das „wöchentliche Ostern“ wird so gewissermaßen zum „wöchentlichen Pfingsten“, bei dem die Christen die freudige Erfahrung der Begegnung der Apostel mit dem Auferstandenen wiedererleben, indem sie sich vom Hauch seines Geistes mit Leben erfüllen lassen. <142> Vgl. Clemens Alexandrinus, Stromateis, VI, 138, 1-2: PG 9, 364 <143> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem (18. Mai 1986), Nrn. 22-26: .4/1 .V 78(1986)829-837. <144> Hl. Athanasios von Alexandrien, Festbriefe 1, 10: PG 26, 1366. Der Tag des Glaubens 29. Auf Grund all dieser für ihn charakteristischen Dimensionen erscheint der Sonntag als der Tag des Glaubens schlechthin. An ihm macht der Heilige Geist, das lebendige „Gedächtnis“ der Kirche (vgl. Joh 14,26), die erste Erscheinung des Auferstandenen zu einem Ereignis, das sich im „Heute“ jedes einzelnen der Jünger Christi erneuert. Wenn die Gläubigen in der Zusammenkunft am Sonntag vor ihm stehen, fühlen sie sich angesprochen wie der Apostel Thomas: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh 20,27). Ja, der Sonntag ist der Tag des Glaubens. Das wird dadurch unterstrichen, dass die Liturgie der sonntäglichen Eucharistiefeier, wie im übrigen jene der liturgischen Hochfeste, das Glaubensbekenntnis vorsieht. Das gesprochene oder gesungene „Credo“ stellt den Tauf- und Ostercharakter des Sonntags heraus und macht ihn zu dem Tag, an dem in besonderer Weise der Getaufte im neugestärkten Bewusstsein des Taufversprechens 578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seine Zugehörigkeit zu Christus und zu seinem Evangelium erneuert. Wenn er das Wort hört und den Leib des Herrn empfängt, betrachtet er den auferstandenen, in den „heiligen Zeichen“ gegenwärtigen Jesus und bekennt mit dem Apostel Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Ein unverzichtbarer Tag! 30. Man versteht nun, warum die Identität dieses Tages gerade auch im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten unserer Zeit gewahrt und vor allem intensiv gelebt werden muss. Ein orientalischer Autor vom Beginn des 3. Jahrhunderts berichtet, dass in jeder Region die Gläubigen schon damals den Sonntag regelmäßig heiligten. <145> Die freiwillige Gepflogenheit ist dann zur rechtlich festgelegten Vorschrift geworden: Der Tag des Herrn hat der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche ihren Rhythmus gegeben. Wie könnte man da annehmen, er würde nicht weiter ihre Zukunft markieren? Die Probleme, die in unserer Zeit die Einhaltung der Sonntagspflicht schwieriger machen können, lassen die Kirche nicht ungerührt und finden bei ihr mütterliche Aufmerksamkeit für die Verhältnisse ihrer einzelnen Kinder. Sie fühlt sich im besonderen zu einem neuen katechetischen und pastora-len Engagement aufgerufen, damit keiner ihrer Gläubigen unter normalen Lebensbedingungen vom reichen Gnadenstrom abgeschnitten bleibe, den die Feier des Herrentages mit sich bringt. In demselben Geist hat das II. Vatikanische Konzil in einer Stellungnahme zur Hypothese einer kirchlichen Kalenderreform im Hinblick auf Veränderungen weltlicher Kalendersysteme erklärt, die Kirche „steht nur jenen nicht ablehnend gegenüber, welche die Siebentagewoche mit dem Sonntag bewahren und schützen“. <146> An der Schwelle des dritten Jahrtausends bleibt die Feier des christlichen Sonntags wegen der Bedeutungen und Dimensionen, die sie in Bezug auf die Fundamente des Glaubens wachruft und einschließt, ein bedeutsames Element der christlichen Identität. <145> Vgl. Bardesanes, Dialog Über das Fatum, 46: PS, 2, 606-607. <146> Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Anhang: Erklärung zur Kalenderreform. Drittes Kapitel DIES ECCLES1AE Die eucharistische Versammlung ist das Herz des Sonntags Die Gegenwart des Auferstandenen 31. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20). Dieses Versprechen Christi tönt immer noch in der Kirche und wird von ihr als fruchtbares Geheimnis ihres Lebens und Quelle ihrer Hoffnung aufgenommen. Wenn der 579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sonntag der Auferstehungstag ist, so ist er nicht nur das Gedächtnis eines Ereignisses der Vergangenheit: Er ist die Feier der lebendigen Gegenwart des Auferstandenen inmitten der Seinen. Damit diese Gegenwart auf angemessene Weise verkündet und gelebt werde, genügt es nicht, dass die Jünger Christi einzeln beten und im Stillen, im Innersten ihres Herzens des Todes und der Auferstehung Christi gedenken. Denn alle, die die Gnade der Taufe empfangen haben, sind nicht nur einzeln, sondern als Glieder des mystischen Leibes gerettet worden und gehören zum Volk Gottes. <147> Es ist daher wichtig, dass sie sich versammeln, um die Identität der Kirche als ekklesia, als vom auferstandenen Herrn zusammengerufene Versammlung, vollgültig zum Ausdruck zu bringen: der Herr hat sein Leben hingegeben, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). Sie sind durch die Gabe des Geistes „einer“ geworden in Christus (vgl. Gal 3,28). Äußerlich tritt diese Einheit in Erscheinung, wenn sich die Christen versammeln: Dabei werden sie sich selbst bewusst und bezeugen vor der Welt, dass sie das Volk der Erlösten sind, das sich aus „Menschen ... aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offb 5,9) zusammensetzt. In der Versammlung der Jünger Christi findet das Bild von der christlichen Urgemeinde seine zeitliche Verewigung, wie es von Lukas in der Apostelgeschichte mit beispielhafter Absicht gezeichnet wird, als er von den ersten Getauften berichtet: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (2,42). <147> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 9. Die eucharistische Versammlung 32. Diese Wirklichkeit des kirchlichen Lebens hat in der Eucharistie nicht nur eine besondere Ausdruckskraft, sondern gewissermaßen ihre „Quelle“. <148> Die Eucharistie nährt und formt die Kirche: ,JEin Brot ist es: Damm sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10,17). Wegen dieser lebenswichtigen Beziehung zum Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn wird das Geheimnis der Kirche auf unüberbietbare Weise in der Eucharistie verkündet, ausgekostet und gelebt. <149> Immer, wenn die Eucharistie gefeiert wird, verwirklicht sich die ihr innewohnende kirchliche Dimension. Am stärksten aber kommt sie an dem Tag zum Ausdmck, an dem die ganze Gemeinde zusammengerufen wird, um der Auferstehung des Herrn zu gedenken. Bezeichnenderweise lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche: „Die sonntägliche Feier des Tages des Herrn und seiner Eucharistie steht im Mittelpunkt des Lebens der Kirche“. <150> <148> Vgl. Johannes Paul II., Schreiben zum Gründonnerstag Dominicae Cenae (24. Februar 1980), Nr. 4: AAS 72(1980)120; Enzyklika Dominum et vivificantem (187Mai 1986), Nrn. 62-64: AAS 78(1986)889-894. <149> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Vicesinms quintus annus (4. Dezember 1988), Nr. 9: AAS 81(1989)905-906. <150> Nr. 2177. 580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 33. In der Tat erleben die Christen in der Sonntagsmesse auf besonders intensive Weise wieder die Erfahrung, die von den versammelten Aposteln am Abend des ersten Tages der Woche gemacht wurde, als sich ihnen der Auferstandene zeigte (vgl. Joh 20,19). In jener kleinen Kemgruppe von Jüngern, in der Frühzeit der Kirche, war in gewisser Weise das Gottesvolk aller Zeiten gegenwärtig. Durch ihr Zeugnis breitet sich über jede Generation von Gläubigen das Heil Christi aus, bereichert durch das messianische Geschenk des Friedens, den er durch sein Blut erworben und zusammen mit seinem Geist angeboten hat: ,.Friede sei mit euch!“ Darin, dass Christus „acht Tage darauf1 (vgl. Joh 20,26) wieder in ihre Mitte tritt, kann man das Ursymbol für die Gepflogenheit der christlichen Gemeinde sehen, alle acht Tage, am „Tag des Herrn“ oder Sonntag, zusammenzukommen, den Glauben an die Auferstehung zu bekennen und die Früchte der von ihm verheißenen Seligkeit zu ernten: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Joh 20,29). Dieser enge Zusammenhang zwischen der Erscheinung des Auferstandenen und der Eucharistie wird vom Lukasevangelium in der Erzählung über die beiden Emmausjünger angedeutet, zu denen sich Christus auf dem Weg gesellte, um sie an das Verständnis des Wortes heranzuführen und sich schließlich mit ihnen zu Tisch zu setzen. Sie erkannten ihn, als er „das Brot nahm, den Lobpreis sprach, das Brot brach und es ihnen gab“ (vgl. 24,30). Die Gesten Jesu in dieser Erzählung sind dieselben wie jene, die er beim Letzten Abendmahl vollzogen hatte, mit deutlicher Anspielung auf das „Brechen des Brotes“, wie die Eucharistie in der ersten Christengeneration genannt wurde. Die sonntägliche Eucharistiefeier 34. Die Eucharistie am Sonntag hat natürlich an sich weder einen anderen Status als die an jedem anderen Tag gefeierte noch ist sie vom gesamten liturgischen und sakramentalen Leben zu trennen. Die Liturgie ist ihrem Wesen nach eine Epiphanie der Kirche, <151> die am offenkundigsten zutage tritt, wenn die Diözesangemeinde sich mit ihrem Bischof zum Gebet versammelt: ,Die Kirche wird auf eine vorzügliche Weise dann sichtbar, wenn das ganze heilige Gottesvolk voll und tätig an denselben liturgischen Feiern, besonders an derselben Eucharistiefeier, teilnimmt: in der Einheit des Gebets und an dem einen Altar und unter dem Vorsitz des Bischofs, der umgeben ist von seinem Presbyterium und den Dienern des Altars“. <152> Die Verbundenheit mit dem Bischof und mit der ganzen kirchlichen Gemeinschaft ist in jeder Eucharistiefeier gegeben, an welchem Wochentag immer und auch wenn sie nicht unter dem Vorsitz des Bischofs gefeiert wird. Ausdmck dafür ist die Erwähnung des Bischofs im eucharistischen Hochgebet. <151> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Vicesimus quintus annus (4. Dezember 1988), Nr. 9: AAS 81(1989)905-906. <152> TI. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 41: vgl. Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, Nr. 15. 581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit der Verpflichtung zur gemeinsamen Anwesenheit und mit der besonderen Feierlichkeit, die die sonntägliche Eucharistiefeier kennzeichnen, weil diese eben „an dem Tag in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche“ gefeiert wird, „an dem Christus von den Toten erstanden ist“, <153> manifestiert sie mit nochmaligem Nachdruck ihre kirchliche Dimension: Sie ist Vorbild für die anderen Eucharistiefeiem. Jede Gemeinde erfährt sich, wenn sie alle ihre Glieder zum „Brechen des Brotes“ versammelt, als Ort, an dem sich das Geheimnis der Kirche konkret verwirklicht. Bei dieser Feier öffnet sich die Gemeinschaft der communio mit der Weltkirche, <154> indem sie den Vater bittet, dass „er der Kirche auf der ganzen Erde gedenke“ und sie in der Einheit aller Gläubigen mit dem Papst und mit den Bischöfen der einzelnen Teilkirchen wachsen lasse zur Vollkommenheit der Liebe. <153> Diese sind die Worte des Embolismus, der mit diesen oder ähnlichen Ausdrücken in verschiedenen Sprachen in einigen Eucharistischen Hochgebeten formuliert wird. Dieser unterstreicht auf bezeichnende Weise den „österlichen“ Charakter des Sonntags. <154> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio Communionis notio (28. Mai 1992), Nm. 11-14: AAS 85(1993)844-847. Der Tag der Kirche 35. Der dies Domini offenbart sich somit auch als dies ecclesiae. Da versteht man, warum die Gemeinschaftsdimension der sonntäglichen Eucharistiefeier auf Seelsorgsebene besonders hervorgehoben werden soll. Wie ich bei einer anderen Gelegenheit erinnert habe, ist unter die zahlreichen Aktivitäten, die eine Pfarrei ausübt, „keine so lebensnotwendig oder gemeinschaftsbildend wie die sonntägliche Feier des Tages des Herrn und seiner Eucharistie“ <155> In diesem Sinne hat das II. Vatikanische Konzil von der Notwendigkeit gesprochen, darauf hinzuarbeiten, dass „der Sinn für die Pfarrgemeinschaft vor allem in der gemeinsamen Feier der Sonntagsmesse wachse“. <156> Auf derselben Linie liegen die darauffolgenden liturgischen Richtlinien, die die Forderung enthalten, dass die Eucharistiefeiem, die an normalen Tagen in anderen Kirchen und Kapellen gehalten werden, an Sonn- und Feiertagen mit der Messe der Pfarrgemeinde abgestimmt werden sollen, um „das kirchliche Gemeinschaftsgefühl zu stärken, das in besonderer Weise in der gemeinsamen Feier der Sonntagsmesse Nahrung und Ausdruck findet, unabhängig davon, ob sie, vor allem im Dom, unter dem Vorsitz des Bischofs, oder in der versammelten Pfarrgemeinde, deren Seelsorger den Bischof vertritt, gefeiert wird“. <157> <155> Rede an die dritte Gruppe der Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika (17. März 1998) Nr. 4: Osser-vatore Romano 18. März 1998,4. 4^ Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 42. <157> Hl. Ritenkongregation, Instruktion über den Kult des eucharistischen Mysteriums Eucharisticum mysterium (25. Mai 1967), Nr. 26: AA5 59(1967)555. 36. Die sonntägliche Versammlung ist ein vorzüglicher Ort der Einheit: Denn hier wird das sacramentum unitatis gefeiert, das zutiefst das Wesen der Kirche als „von der“ und „in der“ Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versam- 582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meltes Volk kennzeichnet. <158> Dabei erleben die christlichen Familien eine der gelungensten Äußerungen ihrer Identität und ihres „Auftrags“ als „Hauskirchen“, wenn die Eltern zusammen mit ihren Kindern an dem einen Mahl des Wortes und des Brotes des Lebens teilnehmen. <159> In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass es vor allem Aufgabe der Eltern ist, ihre Kinder zur Teilnahme an der Sonntagsmesse zu erziehen, wobei sie von den Religionslehrem unterstützt werden, die die Einführung in die Messe in das Unterrichtsprogramm der ihnen anvertrauten Kinder einbauen und diesen den wahren Grund der Pflicht des Sonntagsgebotes erläutern müssen. Dazu wird auch, wenn die Umstände es angeraten sein lassen, die Feier von Kindermessen nach den verschiedenen, von den liturgischen Normen vorgesehenen Bestimmungen beitragen. <160> <158> Vgl. Hl. Cyprian, De Orat. Dom., 23: PL 4, 553; Ders., De cath. Eccl. Imitate, 7: CSEL 3-1, 215; II. Vat. Konzil, Dogmat. Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 4; Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 26. <159> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Fcimiliaris consortio (22. November 1981), Nrn. 57; 61: AAS 74(1982)151 ;154. <160> Vgl. Hl. Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium fiir die Kindermessen (1. November 1973): AAS 66(1974)3046. Es ist normal, dass sich zu den Sonntagsmessen der Pfarrgemeinde als „eucharisti-scher Gemeinschaft“ <161> die in ihr vorhandenen Gruppen, Bewegungen, Vereinigungen und auch kleine Ordensgemeinschaften einfinden. Das lässt sie das erfahren, was ihnen, jenseits der spezifischen geistlichen Wege, die sie gemäß der Unterscheidung der kirchlichen Autorität legitimerweise kennzeichnen, zutiefst gemeinsam ist. <162> Deswegen soll man am Sonntag, dem Tag der Versammlung des Gottesvolkes, die Messen der kleinen Gruppen nicht fördern: Dabei geht es nicht nur darum zu vermeiden, dass es den Versammlungen der Pfarrgemeinden am notwendigen Dienst der Priester fehlt, sondern auch darum, es so einzurichten, dass das Leben und die Einheit der kirchlichen Gemeinschaft voll bewahrt und gefördert werden. <163> Etwaige, klar umgrenzte Ausnahmen von diesem Grundsatz zu genehmigen angesichts besonderer Anforderungen erzieherischer oder pastoraler Natur, obliegt der besonnenen Unterscheidung der Bischöfe der Teilkirchen; sie müssen dabei nicht nur das Wohl einzelner oder von Gruppen, sondern insbesondere die Früchte im Auge haben, die der ganzen Kirchengemeinschaft daraus erwachsen können. <161> Vgl. Hl. Ritenkongregation, Instruktion über den Kult des eucharistischen Geheimnisses Eucharisticum my-sterium (25. Mai 1967), Nr. 26: AAS 59(1967)555-556; Hl. Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe EccJesiae imago (22. Februar 1973), Nr. 86c: Enchiridion Vaticanwn, 4, Nr. 2071. <162> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 30: AAS 81(1989)446-447. <163> Vgl. Hl. Kongregation für den Gottesdienst, Instruktion Messen fiir besondere Gruppen (15. Mai 1969), Nr. 10: AAS 61(1969)810. 583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Volk auf der Pilgerschaft 37. Wenn wir die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit betrachten, sind die Bezugnahme auf die Auferstehung Christi und die wöchentliche Wiederkehr des feierlichen Gedächtnisses dieses Ereignisses eine hilfreiche Erinnerung an den Charakter der Pilgerschaft und die eschatologische Dimension des Gottesvolkes. Denn von Sonntag zu Sonntag ist die Kirche auf dem Weg zum letzten „Tag des Herrn“, dem Sonntag, der kein Ende kennt. Die Erwartung der Wiederkunft Christi gehört tatsächlich zum eigentlichen Geheimnis der Kirche <164> und tritt in jeder Eucharistiefeier zutage. Aber der Tag des Herrn mit seinem besonderen Gedächtnis der Herrlichkeit des auferstandenen Christus weist mit größter Eindringlichkeit auch auf die künftige Herrlichkeit seiner „Wiederkunft“ hin. Das macht den Sonntag zu dem Tag, an welchem die Kirche dadurch, dass sie ihren „bräutlichen“ Charakter klarer erkennen lässt, gewissermaßen die eschatologische Wirklichkeit des himmlischen Jerusalem vorwegnimmt. Indem die Kirche ihre Kinder in der eucharistischen Versammlung zusammenführt und sie zur Erwartung des „himmlischen Bräutigams“ erzieht, führt sie gleichsam eine „Übung des Verlangens“ <165> durch, bei der sie im voraus die Freude an dem neuen Himmel und der neuen Erde genießt, wenn die heilige Stadt, das neue Jerusalem aus dem Himmel herabkommen wird, „bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat“ (Offb 21,2). <164> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 48-51. <165> „Haec est vita nostra, ut desiderando exerceamur“: Hl. Augustinus, In prima Ioan. tract. 4, 6: SC 75, 232. Tag der Hoffnung 38. Wenn unter diesem Gesichtspunkt der Sonntag der Tag des Glaubens ist, so ist er gleichfalls der Tag der christlichen Hoffnung. Die Teilnahme am „Abendmahl des Herrn“ ist nämlich die Vorwegnahme des himmlischen „Hochzeitsmahles des Lammes“ (Offb 19,9). Wenn die christliche Gemeinde das Gedächtnis des auferstandenen und zum Himmel aufgestiegenen Christus feiert, erwartet sie „voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus“. <166> Die durch diesen intensiven Wochenrhythmus gelebte und genährte christliche Hoffnung wird zum Sauerteig und Licht der menschlichen Hoffnung. Deshalb werden in das allgemeine Fürbittgebet die Anliegen nicht nur der christlichen Gemeinschaft, sondern der ganzen Menschheit hineingenommen; die zur Eucharistiefeier versammelte Kirche bezeugt damit vor der Welt, dass sie „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ zu ihren eigenen macht. <167> Die Kirche macht dadurch, dass sie das Zeugnis, das ihre Kinder sich bei der Arbeit und den verschiedenen Verpflichtungen des täglichen Lebens an allen Wochentagen durch die Verkündigung des Evangeliums und die Übung der Liebe zu erbringen bemühen, mit der sonntäglichen Eucharistiefeier krönt, noch offen- <166> Missale Romanum, Embolismus nach dem Vaterunser. <167> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 1. 584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kundiger deutlich, dass sie „gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ ist. <168> <168> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), Nrn. 61-64: AAS 78(1986)888-894. Der Tisch des Gotteswortes 39. Bei der Sonntagsmesse wie übrigens bei jeder Eucharistiefeier kommt es durch die Teilnahme an den beiden Tischen des Wortes Gottes und des Brotes des Lebens zur Begegnung mit dem Auferstandenen. Der erste Tisch gibt jenes Verständnis der Heilsgeschichte und besonders des Paschamysteriums weiter, das der auferstandene Jesus den Jüngern vermittelt hat: Es ist er, der spricht, der in seinem Wort gegenwärtig ist, „wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden“. <169> Beim zweiten Tisch verwirklicht sich die reale, substantielle und dauernde Gegenwart des auferstandenen Herrn durch das Gedächtnis seines Leidens und seiner Auferstehung mit der Darbringung jenes Brotes des Lebens, das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit ist. Das II. Vatikanische Konzil hat daran erinnert, dass „Wortgottesdienst und Eucharistiefeier so eng miteinander verbunden [sind], daß sie einen einzigen Kultakt ausmachen“. <170> Desgleichen hat das Konzil festgelegt, dass „den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, [indem] die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werde“. <171> Sodann hat es angeordnet, dass in den Messen an Sonntagen und an gebotenen Feiertagen die Homilie nicht ausfallen dürfe, es sei denn, es liege ein schwerwiegender Grund vor. <172> Glaubhaften Ausdruck haben diese guten Verfügungen in der Liturgiereform gefunden; unter Bezugnahme auf sie schrieb Paul VI. zur Erläuterung des reicheren Angebotes an Bibellesungen an Sonntagen und Feiertagen: „Das alles ist angeordnet worden, um bei den Gläubigen immer stärker jenen Hunger nach einem Wort des Herrn“ {Am 8,11) zu steigern, der unter der Führung des Heiligen Geistes das Volk des neuen Bundes zur vollkommenen Einheit der Kirche anspomen soll“. <173> <169> n. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilhan, Nr. 7; vgl. 33. 6* Ebd., Nr. 56; vgl. Ordo Lectionum Missae, Praenotanda, Nr. 10. <171> Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 51. 62 Vgl. ebd. Nr. 52; Codex des kanonischen Rechtes, can. 767 § 2; Codex des kanonischen Rechtes der orientalischen Kirchen, can. 614. <173> Apostol. Konstitution Missale Romanum (3. April 1969): AAS 61(1969)220. 40. Wenn wir über dreißig Jahre nach dem Konzil über die sonntägliche Eucharistiefeier nachdenken, gilt es zu überprüfen, wie das Wort Gottes verkündet wird und ob die Kenntnis und Liebe der Heiligen Schrift beim Volk Gottes wirklich zugenommen hat. <174> Beide Aspekte, sowohl jener der Feier wie jener der gelebten Existenz, stehen in enger Beziehung. Auf der einen Seite muss uns die vom Konzil 62 ln der Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 24, ist von „suavis et vivus Sacrae Scripturae af-fectus“ die Rede. 585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eröffnete Möglichkeit, das Wort Gottes in der eigenen Sprache der teilnehmenden Gemeinde zu verkünden, dieser gegenüber eine „neue Verantwortung“ wahmeh-men lassen, so dass „schon aus der Art des Vorlesens oder Singens der besondere Charakter der heiligen Texte aufleuchtet“. <175> Andererseits ist es notwendig, dass die Gläubigen geistig auf das Hören des verkündeten Wortes gut vorbereitet werden durch eine angemessene Kenntnis der Heiligen Schrift und, wo es pastoral möglich ist, durch eigene Initiativen zur gründlicheren Erklärung der Bibelstellen, besonders jener bei den Messen an Feiertagen. Wenn nämlich die Lesung des heiligen Textes, die im Geist des Gebets und in Übereinstimmung mit der kirchlichen Erklärung erfolgen muss, <176> nicht das gewöhnliche Leben der einzelnen und der christlichen Familien erfüllt, wird die Verkündigung des Wortes Gottes in der Liturgie allein kaum imstande sein, die erhofften Früchte zu erbringen. Höchst lobenswert sind demnach jene Initiativen, durch welche die Pfarrgemeinden unter Einbeziehung aller Teilnehmer an der Eucharistiefeier - Priester, liturgischer Dienst und Gläubige <177> - bereits im Laufe der Woche die Sonntagsmesse vorbereiten und im voraus über das Gotteswort, das verkündet werden soll, nachdenken. Das damit angestrebte Ziel ist, dass die ganze Messfeier, also Gebet, Hören, Singen und nicht nur die Homilie, die Botschaft des Sonntagsgottesdienstes so zum Ausdruck bringen möge, dass sie alle, die daran teilnehmen, wirksamer zu beeinflussen vermag. Großes ist natürlich der Verantwortung jener anvertraut, die den Dienst am Wort ausüben. Ihnen obliegt es, mit außerordentlicher Sorgfalt im Studieren der Heiligen Schrift und im Gebet, die Auslegung des Wortes Gottes vorzubereiten. Dabei müssen sie getreu die Inhalte wiedergeben und sie so aktualisieren, dass sie in Beziehung zu den Fragen und zum Leben der Menschen unserer Zeit gebracht werden. <175> Johannes Paul II., Schreiben Dominicae Cenae (24. Februar 1980), Nr. 10: AAS 72(1980)135. <176> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Del Verbum, Nr. 25. <177> Vgl. Ordo Lectionum Missae, Praenotanda, Kap. III. 4L Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die liturgische Verkündigung des Wortes Gottes, vor allem im Rahmen der Eucharistiefeier, nicht nur ein Augenblick der Erbauung und Katechese, sondern das Gespräch Gottes mit seinem Volk ist, ein Gespräch, in dem diesem die Heilswunder verkündet und immer wieder die Ansprüche des Bundes vor Augen gestellt werden. Das Volk Gottes seinerseits fühlt sich aufgerufen, diesen Dialog der Liebe durch Dank und Lobpreis, aber gleichzeitig dadurch zu erwidern, dass es in dem Bemühen um eine ständige „Umkehr“ seine Treue nachweist. Die Sonntagsmesse verpflichtet also zur inneren Erneuerung des Taufversprechens, das ja in gewisser Weise im Sprechen des Glaubensbekenntnisses enthalten ist; ausdrücklich vorgesehen ist es in der Ostemachtfeier und bei der Spendung der Taufe während der Messe. In diesem Rahmen nimmt die Verkündigung des Wortes bei der sonntäglichen Eucharistiefeier den feierlichen Ton an, den schon das Alte Testament für den Anlass der Erneuerung 586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Bundes vorsah, wo das Gesetz verkündet wurde und die Israeliten als Volk in der Wüste am Fuße des Berges Sinai aufgerufen wurden (vgl. Ex 19,7-8; 24,3-7), durch die Erneuerung der Entscheidung zur Treue zu Gott und zur Einhaltung seiner Gebote ihr „Ja“ zu bekräftigen. Gott erwartet, wenn er uns sein Wort mitteilt, in der Tat unsere Antwort: Es ist die Antwort, die Christus durch sein „Amen“ schon für uns gegeben hat (vgl. 2 Kor 1,20-22) und die der Heilige Geist so in uns widerhallen lässt, dass das Gehörte unser Leben voll einbezieht. <178> <178> Vgl. Ordo Leclionum Missae, Praenotanda, Kap. I, Nr. 6. Der Tisch des Leibes Christi 42. Der Tisch des Wortes mündet natürlich in den Tisch des eucharistischen Brotes und bereitet die Gemeinschaft vor, dessen vielfältige Dimensionen zu leben, die in der Sonntagsmesse einen besonders feierlichen Charakter annehmen. In dem festlichen Ton der Zusammenkunft der ganzen Gemeinde am „Tag des Herrn“ stellt die Eucharistie sichtbarer als an den anderen Tagen die große „Danksagung“ dar, mit der sich die Kirche voll des Heiligen Geistes an den Vater wendet, indem sie sich mit Christus vereinigt und zur Stimme der ganzen Menschheit wird. Die wöchentliche Wiederkehr des Sonntags legt nahe, in dankbarer Erinnerung die Ereignisse der vergangenen Tage aufzugreifen, sie im Lichte Gottes neu zu bedenken und ihm für seine zahllosen Gaben zu danken, indem wir ihn „durch Christus, mit Christus und in Christus, in der Einheit des Heiligen Geistes“ preisen. Auf diese Weise wird sich die christliche Gemeinde aufs neue bewusst, dass durch Christus alles erschaffen (vgl. Kol 1,16; Joh 1,3) und in ihm, der in Knechtsgestalt gekommen ist, um unser menschliches Dasein zu teilen und zu erlösen, alles wieder vereinigt worden ist (vgl. Eph 1,10), um Gott, dem Vater, dargebracht zu werden, in dem alles Ursprung und Leben hat. Indem das Volk Gottes schließlich mit seinem „Amen“ dem eucharistischen Lobpreis zustimmt, versetzt es sich in den Glauben und in die Hoffnung auf das Endziel, wenn Christus „seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt [...] damit Gott herrscht über alles und in allem“ (1 Kor 15,24.28). 43. Diese jeder Eucharistiefeier innewohnende , Aufwärtsbewegung“, die sie zu einem freudigen, von Dankbarkeit und Hoffnung erfüllten Ereignis macht, wird aber in der Sonntagsmesse durch deren besonderen Zusammenhang mit dem Gedächtnis der Auferstehung ausdrücklich hervorgehoben. Andererseits ist die „eucharisti-sche“ Freude, die „unsere Herzen erhebt“, Frucht der „Abwärtsbewegung“, die Gott zu uns hin vollzogen hat und die für immer zum Wesen der Eucharistie als Opfer gehört, erhabenster Ausdruck und Feier des Mysteriums der kenosis, das heißt der Demütigung, durch die Christus „sich erniedrigte und gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (vgl. Phil 2,8). Die Messe ist in der Tat lebendige Vergegenwärtigung des Opfers von Golgota. Unter den Gestalten von Brot und Wein, auf welche die Ausgießung des Geistes herabgerufen wurde, der in den Wandlungsworten in ganz einzigartiger Weise 587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirksam ist, bringt sich Christus dem Vater in derselben Opferhaltung dar, mit der er sich am Kreuz hingegeben hat. „In diesem göttlichen Opfer, das in der Messe vollzogen wird, [ist] jener selbe Christus enthalten und [wird] unblutig geopfert, der auf dem Altar des Kreuzes ein für allemal sich selbst blutig opferte“. <179> Mit seinem Opfer vereinigt Christus das Opfer der Kirche: „In der Eucharistie wird das Opfer Christi auch zum Opfer der Glieder seines Leibes. Das Leben der Gläubigen, ihr Lobpreis, ihr Leiden, ihr Gebet und ihre Arbeit werden mit denen Christi und mit seiner Ganzhingabe vereinigt und erhalten so einen neuen Wert“. <180> Diese Teilnahme der ganzen Gemeinde wird besonders offenkundig in der Versammlung am Sonntag, die es gestattet, die abgelaufene Woche mit ihrer ganzen menschlichen Last vor den Altar zu tragen. <179> Konzil von Trient, Sess. XXII, Lehre und Kanones über das Messopfer, II: DS, 1743; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1366. <180> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1368. Paschamahl und brüderliche Begegnung 44. Ausdruck findet diese Einstimmigkeit dann besonders im Wesen des Paschamahles, das typisch ist für die Eucharistie, in der Christus selbst zur Speise wird. Denn „zu diesem Zweck vertraute Christus der Kirche dieses Opfer an: damit die Gläubigen sowohl geistlich, durch Glaube und Liebe, als auch sakramental, durch das Mahl der heiligen Kommunion, daran teilnehmen. Die Teilnahme am Abendmahl des Herrn ist immer Gemeinschaft mit Christus, der sich für uns im Opfer dem Vater darbringt“. <181> Deshalb empfiehlt die Kirche den Gläubigen, wenn sie an der Messe teilnehmen, auch die Kommunion zu empfangen, vorausgesetzt, dass sie sich in der gebührenden Verfassung befinden und, falls sie sich einer schweren Sünde bewusst sind, in dem Geist, den der hl. Paulus der Gemeinde von Korinth nahe legte (vgl. 1 Kor 11,27-32), im Sakrament der Buße die Vergebung Gottes empfangen haben. <182> Besonders eindringlich ist die Einladung zur eucharistischen Kommunion natürlich bei der Messe am Sonntag und an den anderen Feiertagen. Wichtig ist außerdem, sich ganz klar dessen bewusst zu sein, dass die Gemeinschaft mit Christus zutiefst an die Gemeinschaft mit den Brüdern gebunden ist. Die eucharistische Zusammenkunft am Sonntag ist ein Ereignis der Brüderlichkeit, das die Feier, freilich unter Beachtung des für die liturgische Handlung vorgesehenen Stils, deutlich herausstellen soll. Dazu trägt die Gebetseinladung und der Ton des Gebetes selbst bei, das sich der Anliegen der ganzen Gemeinde annimmt. Der Austausch des Zeichens des Friedens und der Versöhnung, im römischen Ritus bezeichnenderweise vor der Kommunionausteilung vorgesehen, ist eine besonders <181> Hl. Ritenkongregation, Instruktion über den Kult des eucharistischen Geheimnisses Eucharisticum mysterium (25. Mai 1967), Nr. 3 b: AAS 59(1967)541. Vgl. Pius XII., Enzyklika Mediator Dei (20. November 1947), II: AAS 39(1947)564-566. <182> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1385; vgl. auch Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen (14. September 1994): AAS 86(1994)974-979. 588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausdrucksvolle Geste, zu deren Durchführung die Gläubigen eingeladen werden: als Zeichen der Zustimmung des Gottesvolkes zu allem, was in der Messfeier vollzogen worden ist, <183> und der Verpflichtung zu gegenseitiger Liebe, die in Erinnerung an das anspruchsvolle Wort Christi durch die Teilnahme an dem einen Brot übernommen wird: „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe“ (Mt 5,23-24). Vgl. Innozenz I., Epist. 25,1 an Decentius von Gubbio: PL 20, 553. Von der Messe zur „Sendung“ 45. Durch den Empfang des Brotes des Lebens bereiten sich die Jünger Christi darauf vor, mit der Kraft des Auferstandenen und seines Geistes die Aufgaben anzupacken, die in ihrem gewöhnlichen Leben auf sie warten. Denn für den Gläubigen, der den Sinn des Vollzogenen verstanden hat, kann sich die Eucharistiefeier nicht innerhalb des Gotteshauses erschöpfen. Wie die ersten Zeugen der Auferstehung, so sind die Christen, die jeden Sonntag zusammengerufen werden, um die Gegenwart des Auferstandenen zu erleben und zu bekennen, dazu berufen, in ihrem Alltagsleben zu Glaubensverkündem und Zeugen zu werden. Das Schlussgebet nach der Kommunion und der Schlussteil - Segen und Entlassung - müssen in dieser Hinsicht wiederentdeckt und besser bewertet werden, damit alle, die an der Eucharistie teilgenommen haben, sich tiefer der für sie daraus folgenden Verantwortung bewusst werden. Nach dem Auseinandergehen der Versammlung kehrt der Jünger in sein normales Umfeld mit der Verpflichtung zurück, sein ganzes Leben zu einem Geschenk, zu einem geistlichen Opfer zu machen, das Gott gefällt (vgl. Rom 12,1). Er fühlt sich den Brüdern gegenüber als Schuldner für das, was er in der Eucharistiefeier empfangen hat, nicht anders als die Emmausjünger, die, nachdem sie den auferstandenen Christus „am Brechen des Brotes“ erkannt hatten (vgl. Lk 24,30-32), das Verlangen spürten, sogleich zu ihren Brüdern zu gehen und mit ihnen die Freude über die Begegnung mit dem Herrn zu teilen (vgl. Lk 24,33-35). Das Sonntagsgebot 46. Da die Eucharistie das Herz des Sonntags ist, versteht man, dass seit den ersten Jahrhunderten die Bischöfe nicht aufgehört haben, ihre Gläubigen an die Notwendigkeit der Teilnahme an der liturgischen Versammlung zu erinnern. „Laßt alles am Tag des Herrn - erklärt zum Beispiel der Traktat Didascalia Apostolorum aus dem 3. Jahrhundert - und eilt voll Eifer zu eurer Versammlung, denn sie ist euer Lobpreis für Gott. Welche Entschuldigung werden andernfalls jene vor Gott haben, die am Tag des Herrn nicht Zusammenkommen, um das Wort des Lebens zu hören und sich von der ewig währenden göttlichen Speise zu nähren?“ <184> Der Aufruf der II, 59, 2-3: ed. F. X. Funk, 1905, 170-171. 74 75 589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischöfe hat im allgemeinen im Herzen der Gläubigen überzeugte Zustimmung gefunden. Auch wenn es Zeiten und Situationen gegeben hat, wo die ideale Intensität bei der Erfüllung dieser Pflicht nachließ, muss man doch den echten Heroismus erwähnen, mit dem Priester und Gläubige in unzähligen Situationen der Gefahr und eingeschränkter religiöser Freiheit dieser Pflicht nachgekommen sind, wie sich seit den ersten Jahrhunderten der Kirche bis in unsere Zeit feststellen lässt. In seiner ersten an Kaiser Antoninus und den Senat gerichteten Apologie konnte der hl. Justinus voll Stolz die christliche Praxis der Versammlung am Sonntag beschreiben, welche die Christen aus Stadt und Land an demselben Ort zusammenführte. <185> Als ihnen während der Verfolgung unter Diokletian ihre Versammlungen mit äußerster Härte verboten wurden, widersetzten sich viele Mutige dem kaiserlichen Edikt und nahmen den Tod auf sich, um nur nicht die sonntägliche Eucharistiefeier zu versäumen. Das trifft auf jene Märtyrer aus Abitana in der Provinz Africa proconsularis zu, die ihren Anklägern folgendes antworteten: „Wir haben ohne jede Furcht das Mahl des Herrn gefeiert, weil man es nicht verschieben darf; das ist unser Gesetz“; „Wir können nicht ohne das Mahl des Herrn leben“. Und eine der Märtyrerinnen bekannte: „Jawohl, ich bin zur Versammlung gegangen und habe mit meinen Brüdern das Mahl des Herrn gefeiert, weil ich Christin bin“. <186> <185> Vgl. Apologia I, 67, 3-5: PG 6, 430. <186> Acta SS. Saturnini, Dativi et aliorum plurimorum martyrum in Africa, 7, 9, 10: PL 8, 707.709-710. 47. Die Kirche hat nie aufgehört, diese auf das innere Bedürfnis begründete Gewissenspflicht, die die Christen der ersten Jahrhunderte so stark empfanden, geltend zu machen, auch wenn sie es zunächst nicht für notwendig hielt, sie als Gebot vorzuschreiben. Erst später musste sie angesichts der Lauheit oder Nachlässigkeit mancher Christen die Pflicht zur Teilnahme an der Sonntagsmesse deutlich zum Ausdruck bringen: In den meisten Fällen hat sie das in Form von Ermahnungen getan, manchmal aber musste sie auch klare kirchenrechtliche Verfügungen treffen. Das war der Fall bei verschiedenen Partikularsynoden seit dem 4. Jahrhundert (so bei der Synode von Elvira im Jahr 300, die nicht von Pflicht, sondern von strafrechtlichen Folgen nach dreimaliger Abwesenheit von der Sonntagsmesse spricht) <187> und vor allem ab dem 6. Jahrhundert (wie bei der Synode von Agde im Jahr 506). <188> Diese Dekrete von Partikularsynoden führten, was ganz selbstverständlich ist, zu einer allgemeinen Gewohnheit mit verpflichtendem Charakter. <189> Der Codex des kanonischen Rechtes von 1917 fasste zum ersten Mal die Überlieferung in einem allgemeinen Gesetz zusammen. <190> Der derzeitige Codex bekräftigt es, indem er festlegt: „Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Vgl. can. 21, MansÜ, Conc. II, 9. <188> Vgl. can. 47, Mansi, Conc. VIII, 332. <189> Vgl. den von Innozenz XI. 1679 verurteilten gegenteiligen Satz bezüglich der moralischen Verpflichtung zur Einhaltung der Feste: DS 2152. <190> Can. 1248: „Festis de praecepto diebus Missa audienda est“; can. 1247,1: „Dies festi sub praecepto in universa Ecclesia sunt... omnes et singuli dies dominici“. 590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gläubigen zur Teilnahme an der Messfeier verpflichtet“. <191> Ein solches Gesetz ist normalerweise als Auferlegung einer ernsten Pflicht verstanden worden: das lehrt auch der Katechismus der Katholischen Kirche, <192> und man versteht wohl den Grund dafür, wenn man sich überlegt, welche Bedeutung der Sonntag für das christliche Leben hat. <191> Codex des kanonischen Rechtes, can. 1247; der Codex des kanonischen Rechtes der orientalischen Kirchen, can. 881 § 1, schreibt vor, dass „die Christgläubigen zur Pflicht angehalten sind, an den Sonntagen und an den gebotenen Feiertagen an der Göttlichen Liturgie teilzunehmen, oder, gemäß den Vorschriften oder der rechtmäßigen Gewohnheit der eigenen Kirche sui iuris, an der Feier der Göttlichen Laudes“. Nr. 2181: „Wer diese Pflicht absichtlich versäumt, begeht eine schwere Sünde“. 48. Wie in den heroischen Anfangszeiten, so treten auch heute wieder in vielen Gegenden der Welt schwierige Situationen für viele Menschen auf, die ihren Glauben konsequent leben wollen. Die Umwelt verhält sich gegenüber der Botschaft des Evangeliums manchmal ausgesprochen feindselig, bisweilen - und das ist häufiger der Fall - gleichgültig und unempfänglich. Der Glaubende muss, wenn er standhalten will, auf die Unterstützung der christlichen Gemeinde zählen können. Er muss sich daher von der entscheidenden Bedeutung überzeugen, die es für sein Glaubensleben hat, sich am Sonntag mit den anderen Brüdern und Schwestern zu versammeln, um im Sakrament des Neuen Bundes das Pascha des Herrn zu feiern. Es ist sodann in besonderer Weise Aufgabe der Bischöfe, sich darum zu bemühen, dass „der Sonntag von allen Gläubigen als wahrer ,Tag des Herrn* anerkannt, geheiligt und gefeiert wird, an dem sich die Kirche versammelt, um durch das Hören des Wortes Gottes, durch die Darbringung des Herrenopfers, durch die Heiligung des Tages mit Gebet, Liebeswerken und Arbeitsruhe das Gedächtnis ihres Ostergeheimnisses zu erneuern“. <193> <193> Hl. Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe Ecclesiae imago (22. Februar 1973), 86a: Enchiridion Vaticamim 4, 2069. 49. Da für die Gläubigen die Teilnahme an der Messe eine Pflicht ist, sofern sie nicht durch einen gewichtigen Grund verhindert sind, stellt sich für die Bischöfe die entsprechende Verpflichtung, allen tatsächlich die Möglichkeit zur Erfüllung des Gebotes zu bieten. Auf dieser Linie bewegen sich die Vorschriften des Kirchenrechtes wie zum Beispiel die Befugnis des Priesters, nach vorheriger Erlaubnis seitens des Diözesanbischofs an Sonntagen und gebotenen Feiertagen mehr als eine Messe zu zelebrieren, <194> die Einrichtung der Abendmessen <195> und schließlich die Weisung, nach welcher die für die Erfüllung der Sonntagspflicht gültige Zeit bereits am Samstag Abend beginnt, mit der ersten Vesper des Sonntags. <196> Denn unter liturgischem Gesichtspunkt beginnt der Feiertag tatsächlich mit dieser Ves- <194> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 905 § 2. <195> Vgl. Pius XII., Apostol. Konstitution Christus Dominus (6. Januar 1953): AAS 45(1953)15-24; Motu proprio Sacram Communionem (19. März 1957): AAS 49(1957)177-178. Kongregation des Hl. Offiziums, Instruktion über die Einhaltung des eucharistischen Fastens (6. Januar 1953): AAS 45(1953)47-51. <196> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1248 § 1; Codex des Kirchenrechtes der orientalischen Kirchen, can. 881 § 2. 591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN per. <197> Infolgedessen ist die Liturgie der Messe, die manchmal auch als „Vorabendmesse“ bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber in jeder Hinsicht eine „Sonntags- bzw. Feiertagsmesse“ ist, dieselbe Messe vom Sonntag mit der Verpflichtung für den Zelebranten, die Homilie zu halten und mit den Gläubigen das allgemeine Gebet zu sprechen. °° Vgl. Missale Romanum, Normae universales de Anno liturgico et de Calendario, 3. Überdies sollen die Bischöfe die Gläubigen daran erinnern, dass sie sich im Fall der Abwesenheit von ihrem festen Wohnsitz am Sonntag um die Teilnahme an der Messe an ihrem Aufenthaltsort kümmern müssen, wodurch sie durch ihr persönliches Zeugnis die jeweilige Ortsgemeinde bereichern. Gleichzeitig sollen diese Gemeinden die von auswärts kommenden Brüder und Schwestern herzlich aufnehmen; das gilt besonders an Orten, die viele Touristen und Pilger anziehen, für die oft eigene Initiativen religiöser Betreuung notwendig sein werden. <198> <198> Vgl. Hl. Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe Ecclesiae imago (22. Februar 1973), 86: Ench. Vat. 4, 2069-2073. Eine freudenvolle und wohlklingende Feier 50. Wegen der eigenen Natur und der Bedeutung der Sonntagsmesse für das Leben der Gläubigen muss sie mit besonderer Sorgfalt vorbereitet werden. In den Formen, die sowohl von der pastoralen Klugheit als auch von den Ortsgebräuchen in Einklang mit den liturgischen Normen empfohlen werden, muss für die Feier jener festliche Charakter gewährleistet werden, der der Gedenkfeier des Tages der Auferstehung des Herrn geziemend ist. Dazu ist es wichtig, dem Gesang der Versammlung Aufmerksamkeit zu widmen, da dieser besonders geeignet ist, die Freude des Herzens zum Ausdruck zu bringen, die Feierlichkeit zu unterstützen und das Teilen des einen Glaubens und derselben Liebe zu begünstigen. Deswegen muss man sich um die Qualität der Kirchenmusik bezüglich der Texte wie auch der Melodien kümmern, damit alles, was sich heute als neu und kreativ anbietet, nicht nur den liturgischen Vorschriften entspricht, sondern auch jener kirchlichen Tradition würdig ist, die sich diesbezüglich eines Erbes von unschätzbarem Wert rühmen kann. Eine einbindende und aktive Feier 51. Auch müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit alle Anwesenden - Kinder und Erwachsene - sich angesprochen fühlen, indem ihre volle Einbindung in die von der Liturgie empfohlenen Formen aktiver Teilnahme gefördert wird. <199> Natürlich steht es nur denjenigen, die das Amtspriestertum im Dienst an ihren Brüdern und Schwestern ausüben, zu, das eucharistische Opfer zu vollziehen <199> Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nm. 14. 26; Johannes Paul II., Apost. Schreiben Vicesimus quintus annus (4. Dezember 1998), Nm. 4.6.12: AAS 81(1989)900-901;902;909-910. 592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und es im Namen des ganzen Volkes Gott darzubringen. <200> Die weit mehr als nur disziplinäre Unterscheidung zwischen der Aufgabe, die dem Zelebranten Vorbehalten ist, und jener, die den Diakonen und den nicht geweihten Gläubigen zukommt, hat hier ihre Grundlage. <201> Die Gläubigen müssen sich auch bewusst sein, dass sie kraft des in der Taufe empfangenen gemeinsamen Priestertums „an der eucharistischen Darbringung mitwirken“. <202> Auch wenn die Rollen unterschieden werden müssen, „bringen sie das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm; so übernehmen alle bei der liturgischen Handlung ihren je eigenen Teil, sowohl in der Darbringung wie in der heiligen Kommunion“, <203> woraus sie Licht und Kraft schöpfen, um durch das Gebet und das Zeugnis eines heiligmäßigen Lebens ihr Taufpriestertum zu leben. <200> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 10. <201> Vgl. Instruktion mehrerer Dikasterien zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester Ecclesia de mysterio (15. August 1997), Nm. 6.8: AAS 89(1997)869.870-872. <202> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 10: „in oblationem Euchari-stiae concurrunt“. <203> Ebd., Nr. 11. Andere Aspekte des christlichen Sonntags 52. Wenn die Teilnahme an der Eucharistiefeier das Herz des Sonntags ist, wäre es dennoch einschränkend, die Pflicht zu „seiner Heiligung“ allein auf sie zu reduzieren. Denn der Tag des Herrn wird dann richtig gelebt, wenn er als ganzer vom dankbaren und aktiven Gedächtnis der Werke Gottes geprägt ist. Das verpflichtet jeden einzelnen Jünger Christi dazu, auch den anderen, außerhalb des liturgischen Geschehens gelebten Vorgängen des Tages - Familienleben, soziale Beziehungen, Gelegenheiten zu Erholung und Zerstreuung - einen Stil zu geben, der helfen soll, im gewöhnlichen Leben den Frieden und die Freude des Auferstandenen aufbrechen zu lassen. Das gelassenere Zusammensein von Eltern und Kindern kann zum Beispiel Anlass sein, sich nicht nur zu öffnen, um einander anzuhören, sondern auch miteinander Bildungserlebnisse und Augenblicke größerer innerer Sammlung zu erfahren. Und warum sollte man nicht auch auf der Ebene der Laien, wenn es möglich ist, besondere Gebetsinitiativen planen - wie zum Beispiel insbesondere die Feier der Vesper - oder auch gegebenenfalls Gelegenheiten zur Katechese, die am Vorabend des Sonntags oder am Nachmittag desselben im Herzen des Christen auf das eigentliche Geschenk der Eucharistie vorbereiten bzw. es ergänzen sollen? Diese ziemlich traditionelle Form der „Heiligung des Sonntags“ ist vielleicht in vielen Kreisen schwieriger geworden; aber die Kirche bekundet ihren Glauben an die Kraft des Auferstandenen und an die Macht des Heiligen Geistes, indem sie heute mehr denn je erkennen lässt, dass sie sich auf dem Gebiet des Glaubens nicht mit Minimal- oder mittelmäßigen Angeboten zufrieden gibt und den Christen das zu vollbringen hilft, was am vollkommensten und dem Herrn am wohlgefälligsten ist. Im übrigen fehlt es aber neben den Schwierigkeiten auch nicht an positiven und 593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ermutigenden Zeichen. Dank der Gabe des Geistes ist in vielen kirchlichen Bereichen ein neues Verlangen nach dem Gebet in seinen vielfältigen Formen festzustellen. Wiederentdeckt werden auch alte Frömmigkeitsformen wie die Wallfahrt, und oft nutzen die Gläubigen die Sonntagsruhe, um sich zu Heiligtümern zu begeben und dort sogar mit der ganzen Familie einige Stunden intensiver Glaubenserfahrung zu erleben. Das sind Gnadenstunden, die es durch eine geeignete Evangelisierung zu fördern und mit echter seelsorglicher Weisheit zu lenken gilt. Versammlungen am Sonntag bei Abwesenheit des Priesters 53. Es bleibt das Problem der Pfarreien, die sich nicht des Dienstes eines Priesters erfreuen können, der am Sonntag die Eucharistie feiert. Das kommt in den jungen Kirchen häufig vor, wo ein einziger Priester die seelsorgliche Verantwortung für Gläubige hat, die über ein riesiges Gebiet verstreut wohnen. Notsituationen können auch in den Ländern mit jahrhundertealter christlicher Tradition auftreten, wenn die zahlenmäßige Abnahme des Klerus verhindert, dass in jeder Pfarrgemeinde die Anwesenheit des Priesters sichergestellt ist. Für den Fall, dass die Feier der Eucharistie nicht möglich ist, empfiehlt die Kirche die Einberufung sonntäglicher Versammlungen bei Abwesenheit des Priesters <204> gemäß den vom Heiligen Stuhl erlassenen und den Bischofskonferenzen zur Anwendung übertragenen Anweisungen und Verfügungen. <205> Doch das Ziel muss die Feier des Messopfers bleiben, die einzige wahre Verwirklichung des Pascha des Herrn, die einzige vollkommene Realisierung der eucharistischen Versammlung, welcher der Priester beim Brechen des Brotes des Wortes und des Brotes der Eucharistie in persona Christi vorsteht. Es müssen daher auf seelsorglicher Ebene alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Gläubigen, die üblicherweise auf die Eucharistie verzichten müssen, sie so oft wie möglich empfangen können: sei es, dass man für die regelmäßige Anwesenheit des Priesters sorgt, sei es, dass man sämtliche Möglichkeiten nutzt, um die Versammlung der Gläubigen an einem zentral gelegenen Ort zu veranstalten, der für verschiedene, auch weit entfernt lebende Gruppen erreichbar ist. <204> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1248 § 2. <205> Vgl. Hl. Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium für die Feier der Sonntagsmesse in Abwesenheit des Priesters Christi Ecclesia (2. Juni 1988): Ench. Vat. 11, 442-468; Instruktion mehrerer Dikasterien zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester Ecclesia de mysterio (15. August 1997): AAS 89(1997)852-877. Rundfunk- und Fernsehübertragungen 54. Den Gläubigen, die wegen Krankheit, Gebrechlichkeit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund verhindert sind, wird es ein Herzensanliegen sein, sich aus der Feme so gut als möglich der Messfeier anzuschließen, am besten mit den vom Messbuch für den betreffenden Tag vorgesehenen Lesungen und Gebeten so- 594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie auch durch das Verlangen nach der Eucharistie. <206> In vielen Ländern bieten Fernsehen und Rundfunk die Möglichkeit an, sich einer Eucharistiefeier zu der Zeit anzuschließen, wo sie an einem heiligen Ort tatsächlich stattfindet. <207> Natürlich stellen derartige Übertragungen an sich keine befriedigende Erfüllung des Sonntagsgebotes dar, das die Teilnahme an der Versammlung der Brüder durch die Zusammenkunft am selben Ort und der daraus folgenden Möglichkeit zur eucharisti-schen Kommunion verlangt. Aber für diejenigen, die an der Teilnahme an der Eucharistie gehindert und daher von der Erfüllung des Gebotes entschuldigt sind, stellt die Femseh- oder Rundfunkübertragung eine wertvolle Hilfe dar, vor allem, wenn sie durch den hochherzigen Dienst außerordentlicher Spender ergänzt wird, die den Kranken die Eucharistie und zugleich den Gruß und die Solidarität der ganzen Gemeinde überbringen. So bringt auch für diese Christen die Sonntagsmesse reiche Früchte hervor, und sie können den Sonntag als echten „Tag des Herrn“ und „Tag der Kirche“ erleben. <206> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1248 § 2; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Sacerdo-tium ministerielle (6. August 1983), III: AAS 75(1983)3007. <207> Vgl. Päpstliche Kommission für die Sozialen Kommunikationsmittel, Instruktion Communio etprogressio (23. Mai 1971), Nm. 150-152.157: AAS 63(1971)645-646.647. Viertes Kapitel DIES HOMINIS Der Sonntag - Tag der Freude, der Ruhe und der Solidarität 55. „Gelobt sei der, der den großen Tag des Sonntags über alle Tage erhoben hat. Himmel und Erde, Engel und Menschen geben sich der Freude hin“. <208> Diese Akzente der maronitischen Liturgie stellen treffend die Freudenakklamationen dar, die seit jeher sowohl in der abendländischen wie in der östlichen Liturgie für den Sonntag kennzeichnend waren. Im übrigen haben, geschichtlich betrachtet, die Christen den Wochentag des auferstandenen Herrn, noch ehe sie ihn als Ruhetag -der zudem damals im staatlichen Kalender gar nicht vorgesehen war - begingen, vor allem als Tag der Freude erlebt. „Am ersten Tag der Woche seid alle fröhlich“, steht in der Didascalia Apostolorum zu lesen. <209> Die Bekundung der Freude trat auch in der liturgischen Praxis durch die Wahl geeigneter Gesten klar zutage. <210> <208> Proklamation durch den Diakon zu Ehren des Tages des Herrn: vgl. den syrischen Text im Messbuch nach dem Ritus der Kirche von Antiochien der Maroniten (syrische und arabische Ausgabe), Jounieh (Libanon) 1959, 38. <209> 20, 11: ed. F.X. Funk, 1905, 298; vgl. Didache 14, 1: ed. F.X. Funk, 1901, 32; Tertullian, Apologeticum 16, 11: CCL 1, 116. Siehe insbesondere Bamabasbrief 15,9: SC 172, 188-189. „Darum feiern wir den achten Tag, an dem Jesus von den Toten auferstanden und, nachdem er sich gezeigt hatte, zum Himmel aufgefahren ist, als ein Freudenfest“. IQ* Tertullian unterrichtet uns zum Beispiel darüber, dass an den Sonntagen das Niederknien untersagt war, weil diese Stellung, die damals vor allem als Bußhaltung galt, am Tag der Freude unangebracht erschien: vgl. De corona 3,4: CCL 2, 1043. 595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der hl. Augustinus, der uns das verbreitete Kirchenbewusstsein vermittelt, hebt den Freudencharakter des wöchentlich wiederkehrenden Pascha so hervor: „Man lasse das Fasten und bete, als Zeichen der Auferstehung, stehend; außerdem soll an allen Sonntagen das Halleluja gesungen werden“. <211> <211> Vgl. Ep. 55, 28: CSEL 34/2, 202. 56. Ungeachtet der einzelnen rituellen Ausdrucksformen, die sich im Laufe der Zeit gemäß der kirchlichen Disziplin verändern können, bleibt die Tatsache bestehen, dass der Sonntag als wöchentliches Echo des ersten Erlebens des Auferstandenen das Zeichen der Freude tragen muss, mit der die Jünger den Meister empfingen: „Da freuten sich die Jünger, daß sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Für sie wie auch später für alle christlichen Generationen wurde das Wort, das Jesus vor seiner Passion gesprochen hatte, Wirklichkeit: „ihr werdet bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freude verwandeln“ (Joh 16,20). Hatte er nicht selbst gebetet, dass die Jünger „die Freude in Fülle“ haben (vgl. Joh 17,13)? Der auferstandene Christus ist für die Kirche Quelle unerschöpflicher Freude. Der festliche Charakter der sonntäglichen Eucharistiefeier bringt die Freude zum Ausdruck, die Christus seiner Kirche durch das Geschenk des Geistes übermittelt. Die Freude ist ja eine der Früchte des Heiligen Geistes (vgl. Röm 14,17; Gal 5,22). 57. Wenn wir also die Bedeutung des Sonntags in ihrer Fülle erfassen wollen, müssen wir auch diese Dimension der gläubigen Existenz wiederentdecken. Sicher soll die christliche Freude das ganze Leben und nicht nur einen Tag der Woche kennzeichnen. Aber kraft seiner Bedeutung als Tag des auferstandenen Herrn, an dem das göttliche Werk der Schöpfung und der „Neuschöpfung“ gefeiert wird, ist der Sonntag in besonderer Weise Tag der Freude, ja der geeignete Tag, um sich zur Freude zu erziehen und die wahren Wesenszüge sowie die tiefen Wurzeln wiederzuentdecken. Diese darf nämlich nicht mit Gefühlen oberflächlicher Befriedigung und flüchtigen Vergnügens verwechselt werden, die oft das Empfinden und Gefühlsleben für kurze Zeit berauschen, um dann das Herz unbefriedigt, wenn nicht gar in Bitterkeit zurückzulassen. Christlich verstanden ist die Freude etwas viel Dauerhafteres und Trostreicheres; sie kann sogar, wie die Heiligen bezeugen, <212> die dunkle Nacht des Schmerzes durchhalten, und sie ist im gewissen Sinn eine „Tugend“, die gepflegt werden muss. <212> Vgl. Hl. Theresa vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz, Derniers entretiens, 5-6 Juillet 1897, in: Oeuvres completes, Cerf-Desclee de Brouwer, Paris 1992, 1024-1025. 58. Es besteht jedoch kein Gegensatz zwischen christlicher Freude und echten menschlichen Freuden. Ja, diese werden ausgelöst und finden ihren letzten Grund eben in der Freude über den verherrlichten Christus (vgl. Apg 2,24-31), das vollkommene Bild und die Offenbarung des Menschen nach dem Plan Gottes. Wie mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VI. in dem Apostolischen Schreiben über die christliche Freude ausführte, „ist die christliche Freude ihrem Wesen nach innere Teilhabe an der unergründlichen, zugleich göttlichen und menschlichen Freude im 596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herzen des verherrlichten Herrn Jesus Christus“. <213> Und derselbe Papst schloss sein Schreiben mit der Aufforderung, die Kirche möge am Tag des Herrn nach Kräften Zeugnis geben von der Freude, die die Apostel erlebt haben. Er rief daher die Bischöfe auf, „auf die treue und frohe Teilnahme der Gläubigen an der sonntäglichen Eucharistiefeier nachdrücklich hinzuweisen. Wie können sie diese Begegnung, dieses Festmahl vernachlässigen, das uns Jesus in seiner Liebe bereitet? Die Vorbereitung soll jedes mal entsprechend würdig und festlich sein! Es ist der gekreuzigte und auferstandene Christus, der durch die Reihen seiner Jünger geht, um sie mit sich in die Erneuerung seiner Auferstehung zu führen. Es ist hier auf Erden der Höhepunkt des Liebesbundes zwischen Gott und seinem Volk: Zeichen und Quelle der christlichen Freude und Vorbereitung auf das ewige Fest“. <214> Aus dieser Sicht des Glaubens betrachtet, ist der christliche Sonntag eine echte „Festfeier“, ein von Gott dem Menschen geschenkter Tag, damit der Mensch menschlich und geistlich zur vollen Reife gelangt. <213> Apostol. Schreiben Gaudete in Domino (9. Mai 1975), II: AAS 67(1975)295. <214> Ebd., VII, a.a.0., 322. Die Erfüllung des Sabbat 59. Dieser festliche Aspekt des christlichen Sonntags stellt in besonderer Weise seine Dimension der Erfüllung des alttestamentlichen Sabbat heraus. Am Tag des Herrn, den das Alte Testament mit dem Schöpfungswerk (vgl. Gen 2,1-3; Ex 20,8-11) und dem Auszug aus Ägypten (vgl. Dtn 5,12-15) verbindet, ist der Christ aufgerufen, die neue Schöpfung und den neuen Bund zu verkünden, die im Ostermysterium Christi vollzogen worden sind. Die Feier der Schöpfung wird keineswegs aufgehoben, sie wird vielmehr in christozentrischer Sicht vertieft, d. h. gesehen vom Licht des göttliches Planes, „in Christus alles zu vereinen, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,10). Seinen vollen Sinn erhält auch das Gedenken an die im Exodus erfolgte Befreiung, das zum Gedenken an die vom gestorbenen und auferstandenen Christus vollbrachte universale Erlösung wird. Der Sonntag ist daher weniger eine „Ersetzung“ des Sabbat, als vielmehr dessen vollzogene Verwirklichung und in gewissem Sinn seine Ausweitung und sein voller Ausdruck in Bezug auf den Weg der Heilsgeschichte, die ihren Höhepunkt in Christus hat. 60. Aus dieser Perspektive kann die biblische Theologie vom „Sabbat“ voll und ganz wiedergewonnen werden, ohne den christlichen Charakter des Sonntags zu beeinträchtigen. Dieser führt uns immer wieder neu und mit nie geschwächter Bewunderung zurück zu jenem geheimnisvollen Anfang, an dem das ewige Wort Gottes mit freier Entscheidung und Liebe die Welt aus dem Nichts erschuf. Besiegelt wurde das Schöpfungswerk mit der Segnung und Heiligung des Tages, an dem Gott ruhte, „nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte“ (Gen 2,3). Von diesem Ruhetag Gottes erhält die Zeiteinteilung ihren Sinn und nimmt in der Abfolge der Wochen nicht nur einen chronologischen Rhythmus, sondern sozusa- 597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen eine theologische Note an. Denn die dauernde Wiederkehr des Sabbat entzieht die Zeit dem Risiko, sich in sich selbst zu drehen, damit sie durch die Aufnahme Gottes und seiner kairoi - das heißt der von ihm verfügten Gnaden- und Heilszeiten - offen bleibe für die Horizonte des Ewigen. 61. Indem der „Sabbat“, der von Gott gesegnete und für heilig erklärte siebte Tag, das gesamte Schöpfungswerk einschließt, steht er in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Werk des sechsten Tages, an dem Gott den Menschen „als sein Abbild“ schuf (vgl. Gen 1,26). Dieser unmittelbarste Zusammenhang zwischen dem „Tag Gottes“ und dem „Tag des Menschen“ war den Kirchenvätern in ihren Betrachtungen über den Schöpfungsbericht nicht entgangen. Ambrosius sagt dazu: „Dank sei daher dem Herrn, unserem Gott, der ein Werk schuf, wo er Ruhe finden konnte. Er schuf den Himmel, aber ich lese nichts davon, daß er sich dort ausgeruht habe; er schuf die Sterne, den Mond, die Sonne, und auch hier lese ich nicht, daß er sich bei ihnen ausgeruht habe. Hingegen lese ich, daß er den Menschen schuf und sich dann ausruhte, während er in ihm einen hatte, dem er die Sünden vergeben konnte“. <215> Auf diese Weise wird der „Tag Gottes“ für immer direkt mit dem „Tag des Menschen“ verbunden bleiben. Wenn Gottes Gebot lautet: „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!“ (Ex 20,8), dann ist das gebotene Innehalten, um den ihm geweihten Tag zu ehren, für den Menschen durchaus nicht die Auferlegung einer drückenden Last, sondern vielmehr eine Hilfe, damit er seine lebenswichtige und befreiende Abhängigkeit vom Schöpfer und zugleich die Berufung zur Mitarbeit an seinem Werk und zum Empfang seiner Gnade wahmimmt. Indem der Mensch die „Ruhe“ Gottes ehrt, findet er sich selbst voll und ganz. So stellt sich der Tag des Herrn als zutiefst vom göttlichen Segen gekennzeichnet dar (vgl. Gen 2,3). Dadurch ist dieser Tag wie die Tiere und die Menschen (vgl. Gen 1,22.28) mit einer Art „Fruchtbarkeit“ ausgestattet. Diese drückt sich nicht nur durch die andauernde zeitliche Wiederholung aus, sondern insbesondere in der Belebung und gleichsam in der „Vervielfachung“ der Zeit selber. So wird im Menschen durch das Gedenken an den lebendigen Gott die Lebensfreude und das Verlangen, das Leben zu fördern und weiterzugeben, gesteigert. <215> Hex. 6, 10, 76: CSEL 32/1, 261. 62. Der Christ wird sich nun erinnern müssen, dass die eigentlichen Gründe für die Auferlegung der Heiligung des „Herrentages“ gültig bleiben, auch wenn für ihn die Bestimmungen des jüdischen Sabbats fallen gelassen und von der „Erfüllung“ des Sonntags überwunden worden sind. Sie sind in der Feierlichkeit des Dekalogs verhaftet und müssen im Licht der Theologie und Spiritualität des Sonntags wieder gelesen werden. „Achte den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat. Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbe- 598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten“ (Dtn 5,12-15). Die Einhaltung des Sabbats erscheint hier sehr eng verbunden mit dem Werk der Befreiung, das Gott für sein Volk durchgeführt hat. 63. Christus ist gekommen, um einen neuen ,Auszug“ durchzuführen, er ist gekommen, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen. Er hat viele Heilungen sicher nicht deshalb am Sabbat vollbracht (vgl. Mt 12,9-14 par), um den Tag des Herrn zu verletzen, sondern um dessen volle Bedeutung zu verwirklichen: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“ (Mk 2,27). Indem er der von manchen seiner Zeitgenossen allzu streng nach dem Buchstaben des Gesetzes vorgenommenen Auslegung widerspricht und den authentischen Sinn des biblischen Sabbats entwickelt, führt Jesus, der „Herr ... über den Sabbat“ (Mk 2,28), die Einhaltung dieses Tages auf seinen befreienden Charakter zurück, der gleichzeitig zur Wahrung der Rechte Gottes und der Rechte des Menschen bestimmt ist. So wird verständlich, warum sich die Christen als Verkünder der im Blut Christi erfüllten Befreiung zu Recht ermächtigt fühlten, den Sinn des Sabbats auf den Tag der Auferstehung zu übertragen. Das Pascha Christi hat in der Tat den Menschen von einer viel radikaleren Versklavung befreit als jener, die auf einem unterdrückten Volk lastet: Die Sklaverei der Sünde, die den Menschen von Gott entfernt, entfernt ihn auch von sich selbst und von den anderen und hinterlässt in der Geschichte immer neue Keime der Bosheit und Gewalt. Der Tag der Ruhe 64. Jahrhunderte lang erlebten die Christen den Sonntag nur als Tag des Kultes, ohne damit auch die besondere Bedeutung der Sabbatruhe verbinden zu können. Erst im 4. Jahrhundert anerkannte die staatliche Gesetzgebung des Römischen Reiches den Wochenrhythmus an und verfügte, dass am „Tag der Sonne“ die Richter, die Bevölkerung der Städte und die verschiedenen Handwerkszünfte die Arbeit ruhen lassen konnten. <216> Die Christen freuten sich, dass damit die Hindernisse beseitigt waren, die bis dahin die Einhaltung des Tages des Herrn manchmal zu einer heroischen Tat gemacht hatten. Nun konnten sie sich ungehindert dem gemeinsamen Gebet widmen. <217> <216> ygj Erlass Konstantins vom 3. Juli 321: Codex Theodosianus II, tit. 8, 1, hrsg. v. Th. Mommsen, 1/2, 87; Codex lustiniani, lib. 3, 12, 2, hrsg. v. P. Krueger, II, 248. <217> Ygl. Eusebios von Cäsarea, Vita Constantini, 4, 18: PG 20, 1165. Es wäre also ein Fehler, in der den Wochenrhythmus respektierenden Gesetzgebung eine bloße geschichtliche Gegebenheit ohne Wert für die Kirche zu sehen, auf welche sie verzichten könnte. Die Konzilien haben nicht aufgehört, auch nach dem Ende des Reiches an den Verfügungen festzuhalten, die sich auf die Sonntags- 599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ruhe beziehen. In den Ländern, in denen die Christen eine kleine Minderheit bilden und die auf dem Kalender vorgesehenen Feiertage nicht dem Sonntag entsprechen, bleibt der Sonntag später trotzdem immer der Tag des Herrn, der Tag, an dem die Gläubigen zur eucharistischen Versammlung Zusammenkommen. Das geschieht jedoch um den Preis nicht geringer Opfer. Für die Christen ist es nicht normal, dass der Sonntag, Fest- und Freudentag, nicht auch Ruhetag ist, und es ist für sie schwierig, den Sonntag „zu heiligen“, wenn sie nicht über genügend Freizeit verfügen. 65. Andererseits hat der Zusammenhang zwischen dem Tag des Herrn und dem Ruhetag in der zivilen Gesellschaft eine Wichtigkeit und Bedeutung, die über die eigentlich christliche Sicht hinausgehen. Der Wechsel zwischen Arbeit und Ruhe, der zur menschlichen Natur gehört, ist nämlich von Gott selbst gewollt, wie aus dem Schöpfungsbericht im Buch Genesis (vgl. 2,2-3; Ex 20,8-11) hervorgeht: Die Ruhe ist etwas Heiliges, sie ist für den Menschen die Voraussetzung, um sich dem manchmal allzu vereinnahmenden Kreislauf der irdischen Verpflichtungen zu entziehen und sich wieder bewusst zu machen, dass alles Gottes Werk ist. Die wunderbare Macht, die Gott dem Menschen über die Schöpfung gibt, könnte Gefahr laufen, ihn vergessen zu lassen, dass Gott der Schöpfer ist, von dem alles abhängt. Um so dringender ist diese Anerkennung in unserer Zeit, wo Wissenschaft und Technik die Macht, die der Mensch durch seine Arbeit ausübt, unglaublich ausgeweitet haben. 66. Schließlich dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass auch in unserer Zeit für viele die Arbeit harte Knechtschaft ist, sei es auf Grund der elenden Arbeitsbedingungen und der auferlegten Arbeitszeiten, besonders in den ärmsten Gegenden der Welt, oder weil es selbst in den wirtschaftlich hochentwickelten Gesellschaften allzu viele Fälle von Ungerechtigkeit und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gibt. Wenn die Kirche im Laufe der Jahrhunderte Gesetze über die Sonntagsruhe erlassen hat, <218> hatte sie vor allem die Arbeit der Sklaven und der Arbeiter im Blick; nicht deshalb, weil es sich um eine weniger würdige Arbeit im Hinblick auf die geistlichen Anforderungen der sonntäglichen Praxis gehandelt hätte, sondern eher weil sie am dringendsten einer Regelung bedurfte, die ihre Last erleichterte und allen die Heiligung des Sonntags erlaubte. Unter diesem Gesichtspunkt bezeichnete mein Vorgänger Leo XIII. in der Enzyklika Rerum novarum die Sonntagsruhe als ein Recht des Arbeiters, das der Staat garantieren müsse. <219> Auch in unserem geschichtlichen Kontext bleibt die Verpflichtung bestehen, sich dafür einzusetzen, dass alle Freiheit, Ruhe und Entspannung erfahren können, die für ihre Würde als Menschen notwendig sind; eng verbunden mit dieser Würde <218> Das älteste kirchliche Dokument darüber ist can. 29 der Synode von Laodikeia (2. Hälfte des 4. Jh.), Mansi, t. II, 569-570. Zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert verbaten viele Synoden die „Opera raralia“. Die auch von den staatlichen Gesetzen vertretene Gesetzgebung über die am Sonntag verbotenen Arbeiten wurde allmählich detaillierter. <219> Ygj Enzyklika Rerum novarum (15. Mai 1891): Acta Leonis XIII 11 (1891), 127-128. 600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind die religiösen, familiären, kulturellen und zwischenmenschlichen Bedürfnisse und Ansprüche, die kaum befriedigt werden können, wenn nicht wenigstens ein Tag in der Woche sichergestellt wird, an dem man miteinander die Möglichkeit zum Ausruhen und zum Feiern genießen kann. Dieses Recht des Arbeiters auf Ruhe setzt natürlich sein Recht auf Arbeit voraus. Während wir über diese Problematik, die mit der christlichen Auffassung des Sonntags verbunden ist, nachden-ken, müssen wir mit großer Anteilnahme an die Notsituation so vieler Männer und Frauen erinnern, die wegen fehlender Arbeitsplätze auch an den Arbeitstagen zur Untätigkeit gezwungen sind. 67. Durch die Sonntagsruhe können die täglichen Sorgen und Aufgaben wieder ihre richtige Dimension erlangen: die materiellen Dinge, über die wir uns erregen, machen den Werten des Geistes Platz; die Menschen, mit denen wir leben, nehmen in der Begegnung und im ruhigeren Gespräch wieder ihr wahres Gesicht an. Selbst die Schönheiten der Natur - oft genug von einer Herrschermentalität, die sich gegen den Menschen wendet, verdorben - können wiederentdeckt und intensiv genossen werden. Der Sonntag als ein Tag, an dem der Mensch mit Gott, mit sich selber und mit seinen Mitmenschen Frieden schließt, wird so zur Einladung für den Menschen, einen erneuerten Blick auf die Wunderwerke der Natur zu werfen und sich von jener wunderbaren und geheimnisvollen Harmonie einbinden zu lassen, von der der heilige Ambrosius meint, dass sie durch „ein unübertretbares Gesetz der Eintracht und der Liebe“ die verschiedenen Elemente des Kosmos in ein „Band der Einheit und des Friedens“ einigt. <220> Der Mensch wird sich nun nach den Worten des Apostels mehr bewusst, dass „alles, was Gott geschaffen hat, gut ist und nichts verwerflich ist, wenn es mit Dank genossen wird; es wird geheiligt durch Gottes Wort und durch das Gebet“ (vgl. 1 Tim 4,4-5). Wenn also der Mensch nach sechs Arbeitstagen - die sich in Wirklichkeit für viele bereits auf fünf Tage verringert haben - eine Zeit der Entspannung und besserer Beschäftigung mit anderen Aspekten des eigenen Lebens sucht, so entspricht das einem echten Bedürfnis. Der Glaubende muss jedoch dieses Bedürfnis befriedigen, ohne den wichtigen Ausdrucksformen seines in der Feier und Heiligung des Herrentages bekundeten persönlichen und gemeinschaftlichen Glaubens Schaden zuzufügen. <220> Hex. 2, 1, 1: CSEL 32/1,41. Es ist darum natürlich, dass sich die Christen dafür einsetzen, dass auch unter den besonderen Gegebenheiten unserer Zeit die Zivilgesetzgebung ihrer Pflicht zur Heiligung des Sonntags Rechnung trägt. Es ist für sie jedenfalls eine Gewissenspflicht, die Sonntagsruhe so zu organisieren, dass ihnen die Teilnahme an der Eucharistiefeier möglich ist, indem sie sich jener Arbeiten und Tätigkeiten enthalten, die mit der Heiligung des Sonntags, mit der ihm eigenen Freude und mit der für Geist und Körper notwendigen Erholung unvereinbar sind. <221> <221> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1247; Codex des Kirchenrechtes der Ostkirchen, can. 881 § 1.4. 601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 68. In Anbetracht dessen, dass die Erholung selbst, um nicht in Leerheit zu enden oder Quelle von Langeweile zu werden, geistige Bereicherung, größere Lreiheit, die Möglichkeit der Kontemplation und der brüderlichen Gemeinschaft mit sich bringen muss, werden die Gläubigen unter den Mitteln der Kultur und den von der Gesellschaft angebotenen Vergnügungen jene auswählen, die am besten mit einem Leben nach den Vorschriften des Evangeliums übereinstimmen. So gesehen, gewinnt die Sonntags- und Eeiertagsruhe eine „prophetische“ Dimension, indem sie nicht nur den absoluten Primat Gottes, sondern auch den Primat und die Würde des Menschen gegenüber den Lorderungen des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens bekräftigt und in gewisser Weise den „neuen Himmel“ und die „neue Erde“ vorwegnimmt, wo die Befreiung von der Sklaverei der Bedürfnisse endgültig und vollständig sein wird. Kurz, der Tag des Herrn wird so ganz authentisch auch zum Tag des Menschen. Tag der Solidarität 69. Der Sonntag soll den Gläubigen auch Gelegenheit geben, sich den Tätigkeiten der Barmherzigkeit, der Nächstenliebe und des Apostolates zu widmen. Die innere Teilnahme an der Freude des auferstandenen Christus muss auch das volle Teilen der Liebe einschließen, die im Herzen des Auferstandenen pulsiert: Freude ohne Liebe gibt es nicht! Jesus selbst erklärt das, wenn er das „neue Gebot“ mit der Freude, die er schenkt, in Zusammenhang bringt: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,10-12). Die Sonntagsmesse hält also, wenn sie vollgültig gefeiert wird, keineswegs von den Pflichten der Nächstenliebe ab, im Gegenteil, sie verpflichtet die Gläubigen „zu allen Werken der Liebe, der Frömmigkeit und des Apostolates. Durch solche Werke soll offenbar werden, daß die Christgläubigen zwar nicht von dieser Welt sind, daß sie aber Licht der Welt sind und den Vater vor den Menschen verherrlichen“. <222> <222> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 9. 70. Tatsächlich ist seit der Zeit der Apostel die sonntägliche Zusammenkunft für die Christen ein Augenblick brüderlichen Teilens gegenüber den Ärmsten gewesen. „Jeder soll immer am ersten Tag der Woche etwas zurücklegen und so zusammensparen, was er kann“ (7 Kor 16,2). Hier handelt es sich um die von Paulus angeregte Sammlung für die armen Gemeinden Judäas. Bei der Eucharistiefeier am Sonntag weitet sich das Herz des Glaubenden zu den Dimensionen der Kirche. Die Aufforderung des Apostels muss aber in ihrer ganzen Tiefe begriffen werden: Es liegt ihm fern, eine engherzige „Obolus“-Mentalität zu fördern, vielmehr appelliert er an eine anspruchsvolle Kultur des Teilens, die sowohl unter den Gliedern der 602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinde selbst wie im Verhältnis zur ganzen Gesellschaft verwirklicht werden soll. <223> Mehr denn je gilt es, wieder auf die strengen Ermahnungen zu hören, die er an die Gemeinde von Korinth richtet, die sich schuldig gemacht hat, bei der mit dem „Herrenmahl“ einhergehenden brüderlichen Agape die Armen gedemütigt zu haben: „Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist keine Feier des Herrenmahls mehr; denn jeder verzehrt sogleich seine eigenen Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon betrunken ist. Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken? Oder verachtet ihr die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben?“ (1 Kor 11,20-22). Nicht weniger streng sind die Worte des Jakobus: „Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt, und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung, und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten Platz!, und zu dem Armen sagt ihr: Du kannst dort stehen!, oder: Setz dich zu meinen Füßen! - macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen?“ (2,2-4). <223> Vgl. auch Hl. Justinus, Apologia 1, 67,6: „Jene, die reich und zum Spenden bereit sind, geben freiwillig ein jeder, was er will; das gesammelte Geld wird dem übergeben, der den Vorsitz hat, und er hilft den Waisen, den Witwen, den Kranken, den Notleidenden, den Gefangenen, den auswärtigen Gästen, mit einem Wort, er hilft allen, die Hilfe nötig haben“: PG 6, 430. 71. Die Weisungen der Apostel fanden schon in den ersten Jahrhunderten breiten Widerhall und riefen in der Verkündigung der Kirchenväter kraftvolle Akzente hervor. Feurig sprach der hl. Ambrosius zu den Reichen, die sich brüsteten, ihre religiösen Verpflichtungen einzulösen, indem sie in die Kirche gingen, ohne ihre Güter mit den Armen zu teilen und diese sogar unterdrückten: „Höre, du Reicher, was sagt der Herr? Und du kommst in die Kirche, nicht um etwas den Armen zu geben, sondern um zu nehmen“. <224> Der hl. Johannes Chrysostomos äußert sich in diesem Zusammenhang nicht weniger fordernd: „Willst du den Leib Christi ehren? Geh nicht an ihm vorüber, wenn er nackt ist. Verehre ihn nicht hier im Tempel mit Seidenstoffen, um dann draußen an ihm vorüberzugehen, wo er unter Kälte und Nacktheit leidet. Er, der gesagt hat: ,Das ist mein Leib1, ist derselbe, der gesagt hat: ,Ihr habt mich hungrig gesehen und habt mir nicht zu essen gegeben1, und ,Was ihr für einen der Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan1 [...]. Was nützt es, daß der eucharistische Tisch mit Goldkelchen überladen ist, wenn Er vor Hunger stirbt? Gib zuerst ihm, dem Hungernden, zu essen, dann kannst du mit dem, was übriggeblieben ist, auch den Altar schmücken“. <225> Diese Worte erinnern die christliche Gemeinde auf wirkungsvolle Weise an ihre Pflicht, die Eucharistiefeier zu dem Ort zu machen, wo die Brüderlichkeit zu konkreter Solidarität wird und in der Überlegung und in der Liebe der Brüder die Letzten zu den Ersten werden, wo Christus selber durch die großzügige Gabe der Rei- De Nabuthae, 10, 45: „Audis, dives, quid Dominus Deus dicat? Et tu ad ecclesiam venis, non ut aliquid largi-aris pauperi, sed ut auferas“: CSEL 322, 492. <225> Homilie über das Matthäusevangelium, 50, 3-4: PG 58, 508.509. 603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen an die Armen auf eine bestimmte Art das Wunder der Brotvermehrung in die Zeit weiterwirken kann. <226> <226> Vgl. Hl. Paulinus von Nola, Brief 13, ll-12a an Pammachius: CSEL 29, 92-93. Der römische Senator wird gerade deswegen gelobt, weil er gleichsam das Wunder der Brotvermehrung des Evangeliums wiederholt hätte, indem er an die eucharistische Versammlung die Verteilung von Nahrung an die Armen folgen lässt. 72. Die Eucharistie ist Ereignis und Vorhaben der Brüderlichkeit. Von der Sonntagsmesse geht eine Welle der Liebe aus, die sich im ganzen Leben der Gläubigen ausbreiten soll, angefangen damit, dass sie die Art und Weise, wie der übrige Sonntag gelebt wird, beeinflusst. Denn wenn der Sonntag der Tag der Freude ist, muss der Christ durch sein konkretes Verhalten deutlich machen, dass man „allein“ nicht glücklich sein kann. Er blickt um sich, um jene Menschen zu ermitteln, die konkret seine Solidarität nötig haben könnten. Es kann Vorkommen, dass es in seiner Nachbarschaft oder in seinem Bekanntenkreis Kranke, Alte, Kinder, Einwanderer gibt, die gerade am Sonntag ihre Einsamkeit, ihre Not, ihren Leidenszustand noch schmerzlicher empfinden. Der Einsatz für sie darf sich natürlich nicht auf eine gelegentliche Initiative am Sonntag beschränken. Aber warum sollte man nicht durch diese Haltung des umfassenden Engagements dem Tag des Herrn auch einen stärkeren Anstrich des Teilens geben, indem man den ganzen Erfindungsreichtum aktiviert, zu dem die christliche Liebe fähig ist? Einsame und notleidende Menschen zu sich zum Essen einzuladen, Kranke zu besuchen, bedürftige Familien mit Nahrung zu versorgen, einige Stunden besonderen Initiativen des freiwilligen Dienstes und der Solidarität zu widmen - das wären gewiss Möglichkeiten, um die am eucharistischen Tisch geschöpfte Liebe Christi in das Leben einzubringen. 73. So gelebt, wird nicht nur die Eucharistiefeier, sondern der ganze Sonntag zu einer großartigen Schule der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und des Friedens. Die Gegenwart des Auferstandenen inmitten der Seinen wird zum Vorhaben der Solidarität, zum dringenden Verlangen nach innerer Erneuerung, zum Ansporn, die Strukturen der Sünde zu ändern, in welche die einzelnen, die Gemeinden, manchmal ganze Völker verstrickt sind. Der christliche Sonntag ist also alles andere als Vergnügung; er ist vielmehr in die Zeit eingeschriebene „Prophetie“, Prophetie, welche die Gläubigen verpflichtet, den Fußstapfen dessen nachzugehen, der gekommen ist, „damit er den Armen eine gute Nachricht bringe; damit er den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit er die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19). Im sonntäglichen Gedächtnis des Ostergeheimnisses begibt sich der Glaubende in die Schule dessen, der verheißen hat: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Indem er sich an dieses Wort erinnert, wird er seinerseits zum Baumeister des Friedens. 604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fünftes Kapitel DIES DIERUM Der Sonntag, der ursprüngliche Feiertag, der den Sinn der Zeit offenbart Christus - Alpha und Omega der Zeit 1A. „Im Christentum kommt der Zeit eine fundamentale Bedeutung zu. Innerhalb ihrer Dimension wird die Welt erschaffen, in ihrem Umfeld entfaltet sich die Heilsgeschichte, die ihren Höhepunkt in der ,Fülle der Zeit1 der Menschwerdung und ihr Ziel in der glorreichen Wiederkunft des Gottessohnes am Ende der Zeiten hat. In Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort, wird die Zeit zu einer Dimension Gottes, der in sich ewig ist“. <227> <227> Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Tertio mdlennio adveniente (10. November 1994), Nr. 10: AAS 87(1995)11. Die Jahre des Erdendaseins Christi stellen im Licht des Neuen Testamentes tatsächlich die Mitte der Zeit dar. Diese Mitte hat ihren Höhepunkt in der Auferstehung. Denn wenn es auch wahr ist, dass er vom ersten Augenblick der Empfängnis an im Schoß der heiligen Jungfrau menschgewordener Gott ist, ist es doch auch wahr, dass seine Menschlichkeit erst durch die Auferstehung vollständig verklärt und verherrlicht wird und so seine göttliche Identität und Herrlichkeit voll offenbart. Paulus wendet in seiner Rede in der Synagoge von Antiochia in Pisidien sehr treffend die Aussage von Psalm 2 auf die Auferstehung Christi an: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (V. 7). Genau aus diesem Grund stellt uns die Kirche in der Ostemachtfeier den auferstandenen Christus als „Anfang und Ende, Alpha und Omega“ vor. Diese Worte, die vom Priester gesprochen werden während er in die Osterkerze die Zahl des laufenden Jahres einritzt, machen offenkundig, dass „Christus der Herr der Zeit ist; er ist ihr Anfang und ihre Erfüllung; jedes Jahr, jeder Tag und jeder Augenblick werden von seiner Menschwerdung und seiner Auferstehung umfangen und befinden sich auf diese Weise in der ,Fülle der Zeit“1. <228> <228> Ebd. 75. Da der Sonntag das wöchentliche Ostern ist, wo der Tag in Erinnerung gerufen und vergegenwärtigt wird, an dem Christus von den Toten auferstanden ist, ist er auch der Tag, der die Bedeutung der Zeit offenbart. Es besteht keine Verwandtschaft mit den kosmischen Zyklen, in welchen Naturreligion und menschliche Kultur bestrebt sind, die Zeit dem Rhythmus anzupassen, wobei sie sich vielleicht dem Mythos von der ewigen Wiederkehr hingeben. Der christliche Sonntag ist etwas völlig anderes! Aus der Auferstehung hervorgehend, zerteilt er die Zeiten des Menschen, die Monate, die Jahre, die Jahrhunderte, wie ein Richtungspfeil, der sie durchdringt und auf das Ziel der Wiederkunft Christi ausrichtet. Der Sonntag 605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nimmt den Endtag vorweg, den Tag der Parusie, wie er im Geschehen der Auferstehung von der Herrlichkeit Christi angekündigt wird. Der Christ weiß nämlich, dass er auf keine andere Heilszeit zu warten braucht, sondern dass die Welt, wie lange ihre zeitliche Dauer auch währen mag, bereits in der Endzeit lebt. Denn alles, was bis zum Weitende geschehen wird, wird nur eine Ausweitung und Verdeutlichung dessen sein, was an dem Tag geschehen ist, an dem der gemarterte Leib des Gekreuzigten durch die Macht des Geistes auferstanden und seinerseits für die Menschheit zur Quelle des Geistes geworden ist. Der Christgläubige weiß deswegen, dass er auf keine andere Zeit der Erlösung warten muss, da die Welt, wie lange sie auch zeitlich noch dauern wird, sich bereits in der Endzeit befindet. Vom verherrlichten Christus wird nicht nur die Kirche, sondern der Kosmos und die Geschichte unablässig geführt und geleitet. Es ist diese Kraft des Lebens, die Schöpfung, die „bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22), die zielstrebig auf ihre endgültige Erlösung treibt. Von diesem Weg kann der Mensch nur eine dunkle Ahnung haben; die Christen besitzen die Chiffre und die Gewissheit dafür, und die Heiligung des Sonntags ist ein beredtes Zeugnis, das zu geben sie aufgerufen sind, damit die Zeiten des Menschen immer von der Hoffnung getragen sind. Der Sonntag im Kirchenjahr 76. Wenn der Tag des Herrn mit seinem Wochenrhythmus in der ältesten Überlieferung der Kirche ihre Wurzeln hat und für den Christen von lebenswichtiger Bedeutung ist, so hat die Durchsetzung eines anderen Rhythmus nicht lange auf sich warten lassen: der Jahreskreis. Es entspricht in der Tat der menschlichen Psychologie, Jahrestage zu feiern, wobei man mit der Wiederkehr der Daten und Jahreszeiten die Erinnerung an Ereignisse der Vergangenheit verbindet. Wenn es sich dann um Ereignisse handelt, die für das Leben eines Volkes entscheidend sind, so ist es ganz normal, dass ihr Jahrestag eine festliche Stimmung auslöst, welche die Monotonie der Tage unterbricht. Nun standen die Hauptereignisse der Erlösung, auf die sich das Leben der Kirche gründet, durch Gottes Plan in engem Zusammenhang mit dem Pascha- und dem Pfingstfest, jährlichen Festen der Juden, und wurden in ihnen prophetisch angekündigt. Seit dem zweiten Jahrhundert hat es die christliche Feier des jährlichen Paschafestes zusätzlich zum wöchentlichen Pascha möglich gemacht, der Besinnung auf das Mysterium des gestorbenen und auferstandenen Christus mehr Raum zu geben. Das Osterfest, dem als Vorbereitung eine Fastenzeit vorausging und das als „Fest der Feste“ im Verlauf einer langen Nachtwache gefeiert sowie dann durch fünfzig, auf das Pfingstfest hinführende Tage verlängert wurde, ist zum Tag der Initiation der Katechumenen schlechthin geworden. Wenn sie tatsächlich durch die Taufe der Sünde sterben und zu einem neuen Leben auferstehen, so deshalb, weil Jesus „wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung auferweckt wurde“ (vgl. Röm 4,25; vgl. 6,3-11). In seiner engen Verknüpfung mit dem Pascha-Mysterium gewinnt das Pfingstfest besondere Bedeutung, an dem die 606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herabkunft des Heiligen Geistes auf die zusammen mit Maria versammelten Apostel und der Beginn ihrer Entsendung zu allen Völkern gefeiert wird. <229> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 731-732. 77. Eine solche Logik des Gedenkens lag der Gliederung des ganzen Kirchenjahres zugrunde. Wie das II. Vatikanische Konzil ausführt, wollte die Kirche im Jahreskreis „das ganze Mysterium Christi von der Menschwerdung und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur Erwartung der seligen Hoffnung und der Wiederkunft des Herrn“ entfalten. „Indem sie so die Mysterien der Erlösung feiert, erschließt sie die Reichtümer der Machterweise und der Verdienste ihres Herrn, so daß sie jederzeit gewissermaßen gegenwärtig gemacht werden und die Gläubigen mit ihnen in Berührung kommen und mit der Gnade des Heiles erfüllt werden“. <230> Das feierlichste Fest nach Ostern und Pfingsten ist zweifellos das Geburtsfest des Herrn, an dem sich die Christen auf das Geheimnis der Menschwerdung besinnen und in das Wort Gottes versenken, das sich herablässt, unser Menschsein anzunehmen, um uns zu Teilhabern an seiner Göttlichkeit zu machen. Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 102. Ebd., Nr. 103. 78. Desgleichen „verehrt bei der Feier dieses Jahreskreises der Mysterien Christi die heilige Kirche mit besonderer Liebe Maria, die selige Gottesgebärerin, die durch ein unzerreißbares Band mit dem Heilswerk ihres Sohnes verbunden ist“. <231> In derselben Weise wurden in den Jahreskreis anlässlich ihrer Jahresfeiern die Gedächtnistage der Märtyrer und anderer Heiliger eingefügt, dabei „verkündet die Kirche das Pascha-Mysterium in den Heiligen, die mit Christus gelitten haben und in ihm verherrlicht sind“. <232> Das im echten Geist der Liturgie gefeierte Gedächtnis der Heiligen verdunkelt nicht die zentrale Stellung Christi, sondern hebt sie im Gegenteil hervor, indem sie die Macht seiner Erlösung aufzeigt. Wie der hl. Paulinus von Nola in einem seiner Gedichte schreibt, „vergeht alles, die Verherrlichung der Heiligen dauert in Christus fort, der alles erneuert, während er derselbe bleibt“. <233> Dieser innere Zusammenhang zwischen der Verherrlichung der Heiligen und der Verherrlichung Christi ist in die Ordnung des Kirchenjahres selbst einbezogen und findet gerade in dem grundlegenden, beherrschenden Wesen des Sonntags als Tag des Herrn seinen sprechendsten Ausdruck. Das kirchliche und geistliche Engagement des Christen wird, den Zeiten des Kirchenjahres folgend, bei der Einhaltung des Sonntags, der dieses Kirchenjahr zerteilt, tief in Christus verankert, woraus es Nahrung und Ansporn schöpft. Ebd., Nr. 104. Carm. XVI, 3-4: „Omnia praetereunt, sanctorum gloria durat/in Christo qui cuncta novat, dum permanet ipse“: CSEL 30, 67. 79. Der Sonntag erscheint somit als das natürliche Modell, um jene Feiertage des Kirchenjahres zu verstehen und zu begehen, deren Wert für das christliche Leben so groß ist, dass die Kirche beschlossen hat, ihre Bedeutung dadurch zu unterstrei- 120 121 122 123 124 607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen, dass sie die Gläubigen zur Teilnahme an der Messe und zur Einhaltung der Ruhe verpflichten, obgleich diese Feste auf wechselnde Wochentage fallen. <234> Die Zahl dieser Feiertage ändert sich in den verschiedenen Epochen mit Rücksicht auf die soziale und wirtschaftliche Situation sowie auf die Verwurzelung der Feiertage in der Tradition und zudem auf die unterstützende Absicherung durch die zivile Gesetzgebung. <235> <234> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1247; Codex des Kirchenrechtes der orientalischen Kirchen, can. 881 §§ 1.4. *26 Nach allgemeinem Recht sind gebotene Feiertage in der lateinischen Kirche das Fest der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, der Erscheinung des Herrn, der Himmelfahrt, des heiligsten Leibes und Blutes Christi, der heiligen Gottesmutter Maria, ihrer Unbefleckten Empfängnis und ihrer Aufnahme in den Himmel, das Fest des heiligen Josef, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und Allerheiligen: vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 1246. Allgemeine gebotene Feiertage in allen orientalischen Kirchen sind jene der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, der Epiphanie, der Himmelfahrt, des Todes der Muttergottes, der heiligen Apostel Petrus und Paulus: vgl. Codex des Kirchenrechtes der orientalischen Kirchen, can. 880 § 3. Die aktuelle kanonisch-liturgische Ordnung sieht die Möglichkeit vor, dass jede Bischofskonferenz je nach den besonderen Verhältnissen dieses oder jenes Landes die Zahl der gebotenen Feiertage verringern kann. Der etwaige diesbezügliche Beschluss bedarf einer vorherigen besonderen Genehmigung des Apostolischen Stuhls <236>, und in diesem Fall wird die Feier eines Geheimnisses des Herrn wie die Erscheinung, die Himmelfahrt oder das Fest des Leibes und Blutes Christi den liturgischen Vorschriften entsprechend auf einen Sonntag verlegt werden, damit es den Gläubigen nicht vorenthalten bleibt, sich auf das Geheimnis zu besinnen. <237> Ebenso soll es den Bischöfen ein Anliegen sein, die Gläubigen zur Teilnahme an der Messe auch an den wichtigen Feiertagen zu ermuntern, die auf einen Wochentag fallen. <238> <236> Yg] Codex des kanonischen Rechtes, can. 1246 § 2; für die orientalischen Kirchen vgl. Codex des Kirchenrechtes der Orientalischen Kirchen, can. 880 § 3. <237> Vgl. Hl. Ritenkongregation, Normae universales de Anno liturgico et de Calendario (21. März 1969), 5.7: Euch. Vat. 3, 895. 897. <238> Vgi Caeremoniale Episcoporum, ed. typica 1995, n. 230. 80. Eine eigene seelsorgerische Erörterung verdienen jene häufigen Situationen, wo volkstümliche und kulturelle Traditionen, die für ein bestimmtes Umfeld typisch sind, das Feiern der Sonntage und der anderen liturgischen Feiern zu überschwemmen und den Geist des authentischen christlichen Glaubens mit Elementen zu vermischen drohen, die ihm fremd sind und ihn entstellen könnten. In diesen Fällen muss man mit Hilfe der Katechese und durch entsprechendes pastorales Eingreifen Klarheit schaffen. Alles, was sich nicht mit dem Evangelium Christi verträgt, muss verworfen werden. Es darf aber nicht übersehen werden, dass es diesen Traditionen - und das gilt auch für neue kulturelle Vorhaben der zivilisierten Gesellschaft - oft nicht an Werten fehlt, die sich ohne Schwierigkeit mit den Ansprüchen des Glaubens verbinden lassen. Es ist Aufgabe der Bischöfe, eine Unterscheidung vorzunehmen, die die echten Werte, die in der Kultur eines bestimmten gesellschaftlichen Umfeldes und insbesondere in der Volksfrömmigkeit 608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorhanden sind, bewahrt und dadurch bewirken soll, dass die Messfeier besonders an den Sonn- und Feiertagen nicht darunter leidet, sondern eine Bereicherung erfährt.^ Schluss 81. Der spirituelle und pastorale Reichtum des Sonntags, wie er der Kirche von der Überlieferung anvertraut wurde, ist wirklich großartig. Der Sonntag in der Vollständigkeit seiner Bedeutungen und Implikationen ist in gewissem Maße eine Zusammenfassung des christlichen Lebens und Voraussetzung, es richtig zu leben. Man versteht also, warum der Kirche die Einhaltung des Tages des Herrn am Herzen liegt und diese im Rahmen der kirchlichen Disziplin eine regelrechte Pflicht bleibt. Sie darf jedoch nicht nur als Gebot angesehen werden, sondern sie muss als ein Bedürfnis empfunden werden, das zutiefst in die christliche Existenz eingeschrieben ist. Es ist tatsächlich von grundlegender Bedeutung, dass sich jeder Glaubende davon überzeugt, weder seinen Glauben leben noch am Leben der Gemeinschaft teilnehmen zu können, wenn er sich nicht vor allem durch die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier vom Wort Gottes und vom eucharisti-schen Brot nährt. Wenn sich in der Eucharistie jene Fülle kultischer Verehrung verwirklicht, die die Menschen Gott schulden und die sich mit keiner anderen religiösen Erfahrung vergleichen lassen, so kommt dies besonders wirkungsvoll in der sonntäglichen Zusammenkunft der ganzen Gemeinde zum Ausdruck, die der Stimme des Auferstandenen folgt, der sie zusammenruft, um ihr das Licht seines Wortes und die Nahrung seines Leibes als ewige sakramentale Quelle der Erlösung zu schenken. Die Gnade, die aus dieser Quelle entspringt, erneuert die Menschen, das Leben und die Geschichte. 82. Und mit dieser festen Glaubensüberzeugung, begleitet vom Bewusstsein, dass in der Feier des Sonntags auch ein Erbe menschlicher Werte enthalten sind, müssen die heutigen Christen gegenüber den Beanspruchungen einer Kultur auftreten, die zwar in wohltuender Weise die Forderungen nach Erholung und Freizeit durchgesetzt hat, sie aber oft auf sehr oberflächliche Weise lebt und sich zu Formen des Vergnügens verleiten lässt, die moralisch umstritten sind. Gewiss fühlt sich der Christ mit den anderen Menschen im Genießen des wöchentlichen Ruhetages solidarisch; zugleich aber ist er sich der Neuheit und Ursprünglichkeit des Sonntags lebhaft bewusst, des Tages, an dem er aufgerufen ist, sein und das Heil der ganzen Menschheit zu feiern. Wenn es ein Tag der Freude und der Erholung ist, dann deshalb, weil es der „Herrentag“, der Tag des auferstandenen Herrn ist. 83. So verstanden und gelebt wird der Sonntag gleichsam zur Seele der anderen Tage, und in diesem Sinn kann man die Feststellung des Origines anführen, wonach der vollkommene Christ „sich immer am Tag des Herrn befindet, immer den <239> <239> Vgl. ebd. n. 233. 609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sonntag feiert“. <240> Der Sonntag ist eine echte Schule, eine ständige Anleitung kirchlicher Pädagogik. Diese Pädagogik ist unersetzlich, besonders in der Situation der heutigen Gesellschaft, welche immer stärker von Zersplitterung und kulturellem Pluralismus gekennzeichnet ist, die ständig die Treue der einzelnen Christen zu den besonderen Forderungen ihres Glaubens auf die Probe stellen. In vielen Teilen der Welt zeichnet sich der Zustand eines „Diaspora“-Christentums ab, das geprägt ist von einer Situation der Zerstreuung, in der es den Jüngern Christi nicht mehr gelingt, die Kontakte untereinander ohne Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten, und die auch nicht mehr von Strukturen und Traditionen, wie sie für die christliche Kultur typisch sind, Hilfe erhalten. In diesem problematischen Umfeld ist die Möglichkeit, sich am Sonntag mit den Glaubensbrüdem zusammenzufinden, um die Gaben der Brüderlichkeit auszutauschen, eine unverzichtbare Hilfe. <240> Contra Celsum VIII, 22: SC 150, 222-224. 84. Der Sonntag, der zur Unterstützung des christlichen Lebens eingeführt wurde, gewinnt natürlich auch einen Zeugnis- und Verkündigungswert. Als Tag des Gebetes, der Gemeinschaft und der Freude hat er durch die Ausstrahlung von Lebenskräften und Motiven zur Hoffnung eine Wirkung auf die Gesellschaft. Er ist die Botschaft, dass die Zeit, die vom Auferstandenen und vom Herrn der Geschichte bewohnt wird, nicht der Sarg unserer Illusionen, sondern die Wiege einer stets neuen Zukunft ist, die Gelegenheit, die uns gegeben wird, um die flüchtigen Augenblicke dieses Lebens in Samen der Ewigkeit umzuwandeln. Der Sonntag ist eine Einladung, nach vorne zu schauen, der Sonntag ist der Tag, an dem die christliche Gemeinde ihren Ruf ,Maräna tha: Unser Herr, komm!“ (1 Kor 16,22) an Christus richtet. In diesem Ruf der Hoffnung und Erwartung wird sie zur Begleitung und Stütze der Hoffnung der Menschen. Und von Christus erleuchtet, geht sie Sonntag für Sonntag dem Sonntag entgegen, der kein Ende kennt, dem Sonntag des himmlischen Jerusalem, wenn die mystische Stadt Gottes in ihren Grundrissen fertiggestellt sein wird, die „weder Sonne noch Mond braucht, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm“ (vgl. Offb 21,23). 85. In dieser Zielstrebigkeit wird die Kirche vom Geist unterstützt und beseelt. Er weckt wieder das Gedächtnis daran und aktualisiert für jede Generation von Gläubigen das Auferstehungsereignis. Die innere Hingabe vereint uns mit dem Auferstandenen und mit den Brüdern in der Vertrautheit eines einzigen Leibes, der unseren Glauben stärkt und in unser Herz die Liebe ausgießt, indem unsere Hoffnung wiederbelebt wird. Der Geist ist ununterbrochen, an jedem Tag der Kirche, gegenwärtig; unvorhersehbar und großzügig bricht er mit der Fülle seiner Gaben herein, doch bei der sonntäglichen Zusammenkunft zur wöchentlichen Feier des Pascha-Mysteriums lässt sich die Kirche besonders auf das Hören des Geistes ein und öffnet sich zusammen mit ihm Christus im brennenden Verlangen nach seiner herrlichen Wiederkehr: „Der Geist und die Braut aber sagen: Komm!“ (Offb 22,17). Ge- 610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rade in der Betrachtung der Rolle des Heiligen Geistes war es mein Wunsch, dass diese Aufforderung zur Wiederentdeckung des Sinnes des Sonntags gerade in diesem Jahr fallen sollte, das im Zuge der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr dem Heiligen Geist gewidmet ist. 86. Ich vertraue die rege Aufnahme dieses Apostolischen Briefes von Seiten der christlichen Gemeinschaft der Fürsprache der Heiligen Jungfrau an. Sie ist, ohne die zentrale Stellung Christi und seines Geistes im geringsten zu beeinträchtigen, an jedem Sonntag der Kirche gegenwärtig. Das verlangt das Geheimnis Christi selbst: Denn wie könnte sie, die Mater Domini und die Mater Ecclesiae, an dem Tag, der zugleich dies Domini und dies ecclesiae, Tag des Herrn und Tag der Kirche, ist, nicht in besonderer Weise gegenwärtig sein? Auf die Jungfrau Maria blicken die Gläubigen, die das bei der Sonntagsmesse verkündete Wort hören, von ihr lernen sie, es in ihrem Herzen zu bewahren und darüber nachzudenken (vgl. Lk 2,19). Mit Maria lernen sie, am Fuße des Kreuzes zu stehen, um dem Vater das Opfer Christi darzubringen und damit die Hingabe des eigenen Lebens zu verbinden. Mit Maria erleben sie die Freude der Auferstehung, während sie sich die Worte des Magnificat zu eigen machen, die das unerschöpfliche Geschenk der Barmherzigkeit Gottes in dem unerbittlichen Lauf der Zeit besingen: „Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1,50). Sonntag für Sonntag begibt sich das pilgernde Volk in die Fußstapfen Marias, und ihre mütterliche Fürsprache verleiht dem Gebet, das die Kirche an die Heiligste Dreifaltigkeit richtet, am Sonntag besondere Intensität und Wirksamkeit. 87. Liebe Brüder und Schwestern, das bevorstehende Jubiläumsjahr lädt uns ein, unseren geistlichen und pastoralen Einsatz zu vertiefen. Denn das ist sein eigentlicher Zweck. In dem Jahr, in dem es gefeiert wird, werden es viele Initiativen auf charakteristische Weise prägen und ihm den besonderen Stempel aufdrücken, der dem Ende des zweiten und dem Beginn des dritten Jahrtausends seit der Menschwerdung des Wortes Gottes zukommt. Aber dieses Jahr und diese besondere Zeit werden vorübergehen - in Erwartung anderer Jubeljahre und anderer feierlicher Jahrestage. Der Sonntag mit seiner gewöhnlichen „Feierlichkeit“ wird weiterhin die Zeit der Pilgerschaft der Kirche unterteilen - bis zu dem Sonntag, der ohne Ende sein wird. Ich fordere Euch daher auf, liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, unermüdlich mit den Gläubigen dafür zu wirken, dass der Wert dieses heiligen Tages immer besser anerkannt und gelebt wird. Das wird für die christlichen Gemeinden Früchte tragen und zweifellos wohltuenden Einfluss auf die Gesellschaft insgesamt ausüben. Die Männer und Frauen des dritten Jahrtausends sollen bei der Begegnung mit der Kirche, die jeden Sonntag voll Freude das Geheimnis feiert, aus dem sie ihr ganzes Leben schöpft, dem auferstandenen Christus selbst begegnen können. Und seine Jünger sollen durch die ständige Erneuerung im wöchentlichen Gedächtnis des Pa- 611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN scha-Mysteriums immer glaubwürdigere Verkünder des Evangeliums vom Heil und rührige Baumeister der Zivilisation der Liebe sein. Allen gilt mein Apostolischer Segen! Aus dem Vatikan, am 31. Mai, dem Pfingstfest des Jahres 1998, dem zwanzigsten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Auf dem Weg zum Jahre 2000 - ein neuer missionarischer Frühling Predigt am Pfingstsonntag, 31. Mai 1. Credo in Spiritum Sanctum, Dominum et vivificantem: Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht. Mit den Worten des Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses verkündet die Kirche ihren Glauben an den Parakleten, einen Glauben, der im Pfing-sterlebnis der Apostel seinen Ursprung hat. In der Tat erinnert der Abschnitt aus der Apostelgeschichte, den die Liturgie uns heute zur Betrachtung vorlegt, an die am Pfingsttag geschehenen Wunder, als die Apostel mit großem Staunen feststellten, dass die Worte Jesu sich erfüllten. Am Vorabend seines Leidens hatte er ja, nach dem Bericht der eben verlesenen Stelle aus dem Johannesevangelium, versichert: „ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). Dieser „Beistand ..., der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Und der Heilige Geist, der mit außerordentlicher Macht auf sie herabkam, befähigte sie, der ganzen Welt die Lehre Christi zu verkünden. So groß war ihr Mut, so sicher ihre Entscheidung, dass sie zu allem bereit waren, sogar zur Hingabe des Lebens. Die Gabe des Geistes hatte ihre tiefsten Kräfte freigesetzt und sie in den Dienst der ihnen vom Erlöser übergebenen Sendung gestellt. Und der Beistand, der Parakletos, wird es sein, der sie bei der Verkündigung des Evangeliums an jeden Menschen leitet. Der Geist wird sie die volle Wahrheit lehren. Er schöpft sie aus dem Reichtum des Wortes Christi, damit sie, die Apostel, sie ihrerseits den Menschen in Jerusalem und in der ganzen übrigen Welt verkünden. 2. Wie sollten wir nicht Gott danken für die Wunder, die der Geist unaufhörlich in diesen zwei Jahrtausenden christlichen Lebens gewirkt hat? Das gnadenvolle Pfingstereignis hat tatsächlich weiterhin seine wunderbaren Früchte hervorgebracht. Überall hat es apostolischen Eifer wachgerufen, Verlangen nach Kontemplation, Einsatzbereitschaft zu liebevollem Dienst für Gott und die Brüder. Noch heute ist der Geist in der Kirche Träger kleiner Gesten und großer Taten von Ver- 612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN söhnung und prophetischem Auftrag, noch heute ruft er immer neue Charismen und Gaben ins Leben, die sein unaufhörliches Wirken im Herzen der Menschen bezeugen. Diese festliche Liturgiefeier ist ein sprechender Beweis dafür, sind doch bei ihr zahlreiche Mitglieder von geistlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften anwesend, die in diesen Tagen in Rom ihren Weltkongress begangen haben. Gestern hatten wir hier auf dem Petersplatz ein unvergessliches festliches Zusammensein mit Liedern, Gebeten und Kundgabe von Lebenszeugnissen. Wir haben die PfingstatmoSphäre gespürt; sie hat die unerschöpfliche Fruchtbarkeit des Geistes in der Kirche gewissermaßen sichtbar gemacht. Bewegungen und neue Gemeinschaften, von der Vorsehung hervorgerufene Ausdrucksformen des mit dem II. Vatikanischen Konzil durch den Geist hervorgerufenen neuen Frühlings, verkünden die Macht der Liebe Gottes. Sie überwindet Trennungen und Schranken aller Art und gibt der Erde ein neues Gesicht, um die Zivilisation der Liebe auf ihr aufzubauen. 3. Im Brief an die Römer, den wir in der Lesung soeben vernommen haben, schreibt der hl. Paulus: „alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Rom 8,14). Diese Worte bieten uns noch weitere Anregung, das wunderbare Wirken des Geistes in unserem Leben als Gläubige zu begreifen. Sie eröffnen uns den Weg, der ins Herz des Menschen gelangen lässt: Der Heilige Geist, den die Kirche bittend anruft: „Entflamme Sinne und Gemüt“, er kommt in das Innerste des Menschen und berührt unmittelbar die Tiefe des menschlichen Seins. Der Apostel fährt fort: „Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt... alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Röm 8,9.14). Und dann setzt er, das geheimnisvolle Wirken des Geistes betrachtend, überglücklich hinzu: „Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, ... sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserm Geist, daß wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8,15-16). Und nun sind wir im Mittelpunkt des Geheimnisses! Die eigentliche Mitte dessen, was die Apostel am Pfingstfest erfahren haben, ist die Begegnung zwischen dem Heiligen Geist und dem Geist des Menschen. Diese außerordentliche, aus jenem Ereignis hervorgegangene Erfahrung ist in der Kirche lebendig und begleitet sie im Ablauf der Jahrhunderte. Unter dem Wirken des Heiligen Geistes wird der Mensch bis auf den Grund gewahr, dass seine geistige Natur von seiner Leiblichkeit nicht getrübt wird, sondern dass es im Gegenteil der Geist ist, der selbst dem Leib wahren Sinn gibt. Nach dem Geist lebend, macht der Mensch ja das Geschenk seiner Annahme an Kindes Statt ganz offenkundig. In diesen Zusammenhang passt gut die grundlegende Frage der Beziehung zwischen Leben und Tod. Paulus berührt sie und sagt wörtlich: „Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müßt ihr sterben, wenn ihr aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben“ (Röm 8,13). Es stimmt also, dass Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist dem Menschen stetige Lebenschancen anbietet. 613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Liebe Brüder und Schwestern, es ist für mich ein Grund zu großer Freude, euch alle zu begrüßen, die ihr euch mit mir vereinen wolltet im Dank an den Herrn für das Geschenk des Heiligen Geistes. Dieses ganz missionarische Fest weitet unseren Blick aus auf die ganze Welt mit einem besonderen Gedenken an viele Missionare, Priester, Ordensleute und Laien, die ihr Leben der Ausbreitung der Wahrheit des Evangeliums widmen, oft unter äußerst schwierigen Bedingungen. Ich begrüße alle hier Anwesenden: die Herren Kardinäle, die Brüder im Bischofsamt und im Priesteramt, die zahlreichen Mitglieder der verschiedenen Institute geweihten Lebens und apostolischen Lebens, die Jugendlichen, die Kranken und vor allem die zu diesem feierlichen Anlass von weither Gekommenen. Ein besonderes Gedenken gilt den Bewegungen und neuen Gemeinschaften, die gestern ihr Treffen hatten und die ich heute in großer Zahl anwesend sehe. Nicht so viele wie gestern, aber immer noch zahlreich. Auch an die Kinder und Jugendlichen, die die Sakramente der Firmung und der Eucharistie empfangen werden, richte ich ein besonderes Gedenken. Welch begeisternde Aussichten bieten die Worte des Apostels jedem von euch an, meine Lieben! Durch die Gesten und Worte des Sakramentes der Firmung wird euch der Heilige Geist geschenkt, der eure Ähnlichkeit mit Christus, die schon in der Taufe begonnen hat, vervollkommnen wird, um euch zu Erwachsenen im Glauben und echten und mutigen Zeugen des Auferstandenen zu machen. Mit der Firmung öffnet der Beistand, der Heilige Geist, vor euch einen Weg unaufhörlicher Entdeckung der in der Annahme als Kinder Gottes geschenkten Gnade, die euch zu freudigen Wahrheitssuchem macht. Die Eucharistie, Speise unsterblichen Lebens, die ihr nun bald zum ersten Mal empfangen werdet, wird euch bereit machen, die Brüder und Schwestern zu lieben und ihnen zu dienen, und fähig, Gelegenheiten zu Leben und Hoffnung zu schenken, frei von der Herrschaft des „Fleisches“ und der Furcht. Wenn ihr euch von Jesus führen lasst, könnt ihr in eurem Leben konkret das wunderbare Wirken seines Geistes erfahren, wovon der Apostel Paulus im achten Kapitel des Briefes an die Römer spricht. Dieser Text, dessen Inhalt in diesem dem Heiligen Geist geweihten Jahr besonders aktuell erscheint, sollte heute mit noch größerer Aufmerksamkeit gelesen werden, um dem Wirken, das der Heilige Geist in jedem von uns vollbringt, Ehre zu erweisen. 5. Veni, Sancte Spiritus! Auch die wunderbare Sequenz, die eine inhaltsreiche Theologie des Heiligen Geistes anbietet, würde es verdienen, Strophe um Strophe betrachtet zu werden. Hier wollen wir nur beim ersten Wort stehen bleiben: Veni! - Komm! Es erinnert an die Erwartung der Apostel nach der Auffahrt Jesu in den Himmel. Lukas zeigt sie uns in der Apostelgeschichte, im Abendmahlssaal mit der Mutter Jesu im Gebet vereint (vgl. Apg 1,14). Welches Wort könnte besser ihr Gebet zum Ausdruck bringen als dieses: „Veni, Sancte Spiritus “ ? Der Ruf zu dem, der am Anfang der Welt über den Wassern schwebte (vgl. Gen 1,2) und den ihnen Jesus als Beistand verheißen hatte. 614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In jenen Augenblicken ist das Herz Marias und der Apostel ganz auf sein Kommen gerichtet in einem glühenden Glauben, der abwechselt mit dem Bekenntnis der menschlichen Unzulänglichkeit. Die Frömmigkeit der Kirche hat dieses Empfinden erläutert und in den Gesang des „Veni, Sancte Spiritus“ übertragen. Die Apostel wissen, dass ihnen das von Christus übertragene Werk schwer, aber für das Heil der Menschheit entscheidend ist. Werden sie imstande sein, es durchzuführen? Der Herr beruhigt ihre Herzen. Bei jedem Schritt ihrer Sendung, die sie zur Verkündigung und Bezeugung des Evangeliums bis an die entferntesten Punkte des Erdenrunds bringen wird, werden sie auf den von Christus verheißenen Geist zählen können. Eingedenk dieses Versprechens Christi, konzentrieren die Apostel in den Tagen von der Himmelfahrt bis Pfingsten jeden Gedanken und alles Empfinden auf dieses „ Veni! - Komm!“ 6. Veni, Sancte Spiritus! Wenn sie so ihren Ruf zum Heiligen Geist beginnt, macht die Kirche sich den Inhalt des Gebetes der im Abendmahlssaal mit Maria versammelten Apostel zu eigen, ja sie verlängert es durch die Geschichte hin und macht es immer aktuell. Veni, Sancte Spiritus! So wiederholt sie immerfort in jedem Winkel der Erde mit unverminderter Glut in dem unerschütterlichen Bewusstsein, dass sie in Gedanken im Abendmahlssaal bleiben muss, in immerwährender Erwartung des Geistes. Zugleich aber weiß sie, dass sie aus dem Abendmahlssaal hinausgehen muss auf die Straßen der Welt mit der immer neuen Aufgabe, für das Geheimnis des Heiligen Geistes Zeugnis zu geben. Veni, Sancte Spiritus! So wollen wir mit Maria beten, die das Heiligtum des Heiligen Geistes, die kostbarste Wohnstätte Christi unter uns ist. Sie möge uns helfen, lebendiger Tempel des Geistes und unermüdliche Zeugen für das Evangelium zu sein. Veni, Sancte Spiritus! Veni, Sancte Spiritus! Amen! Gelobt sei Jesus Christus! Charismatische Gemeinschaften bringen Bewegung in die Kirche Botschaft an die „Catholic Fratemity of Charismatic Covenant Communities and Fellowships“ vom 1. Juni 1. „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). Das ist mein Gruß an die Teilnehmer am 8. Internationalen Treffen der „Catholic Fratemity of Charismatic Covenant Communities and Fellowships“, das in diesen Tagen in Rom stattfindet. Der Beginn Eurer Zusammenkunft traf zeitlich zusammen mit einem für die ganze Kirche, in besonderer Weise aber für die Charismatische Erneuerung höchst bedeutsamen Augenblick: dem Pfingstfest dieses in unserer Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 dem Heiligen Geist ge- 615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weihten Jahres, das Euch in einen besonders intensiven Einsatz bringt. In Tertio millennio adveniente schrieb ich: „Zu den wichtigsten Aufgaben der Vorbereitung auf das Jubeljahr gehört die Wiederentdeckung der Anwesenheit und Wirksamkeit des Geistes, der in der Kirche wirkt, sei es in sakramentaler Gestalt, vor allem durch die Firmung, sei es vermittels vielfältiger Gnadengaben, Aufgaben und Dienste, die von Ihm zu ihrem Wohl geweckt worden sind“ (Nr. 45). Euer eigenes Charisma leitet Euch sicherlich dazu an, Euer Leben auf eine besondere „Intimität“ mit dem Heiligen Geist auszurichten. Und ein Überblick über die dreißig Jahre Geschichte der Katholischen Charismatischen Erneuerung zeigt, dass Ihr vielen Menschen geholfen habt, die Anwesenheit und Macht des Heiligen Geistes in ihrem Leben, im Leben der Kirche und im Leben der Welt wieder neu zu entdecken -eine Wiederentdeckung, die in vielen von ihnen zu einem freudevollen, begeisterten Glauben an Christus, einer großen Liebe zur Kirche und einer großherzigen Hingabe an deren Sendung geführt hat. In diesem besonderen Jahr verbinde ich mich daher mit Euch in einem Gebet des Lobpreises und der Danksagung für diese kostbaren Früchte, die Gott in Euren Gemeinschaften und durch sie in der Kirche zur Reife bringen wollte. 2. Euer Treffen ist gewissermaßen ein Teil der großen Versammlung kirchlicher Bewegungen und neuer Gemeinschaften, die am 30. Mai, Pfingstvigü, auf dem Petersplatz stattfand. Ich hatte diese Zusammenkunft sehr gewünscht und freute mich darauf - auf dieses „Treffen zu gemeinsamem Zeugnis“. Und heute muss ich sagen, dass ich tief berührt war von dem Geist der Sammlung und des Gebetes und von der Atmosphäre der Freude und des Feiems im Herrn, die dieses Ereignis kennzeichneten, ein wahres Geschenk des Heiligen Geistes in diesem ihm geweihten Jahr. Es war ein Augenblick intensiv erfahrener kirchlicher Gemeinschaft und eine Veranschaulichung der von den vielen verschiedenen, die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften unterscheidenden Charismen, gebildeten Einheit. Ich weiß, dass viele Vertreter der Gemeinschaften der Charismatischen Erneuerung aus der ganzen Welt daran teilgenommen haben, und dafür danke ich Euch. Schon seit dem Beginn meines Dienstes als Nachfolger des Petras habe ich die Bewegungen als einen großen geistlichen Reichtum für die Kirche und für die Menschheit betrachtet, als ein Geschenk des Heiligen Geistes für unsere Zeit, ein Zeichen der Hoffnung für alle Menschen. Am 30. Mai ist vom Petersplatz eine bedeutsame Botschaft ausgegangen, ein machtvolles Wort, das der Heilige Geist nicht nur den Bewegungen, sondern der ganzen Kirche sagen wollte. Die Bewegungen wollten ihre Gemeinschaft mit der Kirche und ihre volle Hingabe an die Sendung der Kirche, unter Führung ihrer Hirten, bezeugen. Sie wollten erneut ihren Wunsch bekräftigen, ihre Charismen in den Dienst der Universalkirche, der Ortskirchen und der Pfarrgemeinden zu stellen. Ich bin sicher, dass dieses unvergessliche Ereignis für Euer Treffen eine Quelle reicher Anregung sein wird. 3. Innerhalb der Charismatischen Erneuerung hat die Katholische Bruderschaft eine besondere, vom Hl. Stuhl anerkannte Sendung. Eines der in euren Statuten 616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN niedergelegten Ziele besteht darin, die katholische Identität der charismatischen Gemeinschaften zu sichern und sie anzuspomen, eine enge Verbindung mit den Bischöfen und dem Papst aufrecht zu halten. Den Menschen zu helfen, dass sie einen ausgeprägten Sinn für ihre Zugehörigkeit zur Kirche haben, ist besonders wichtig in Zeiten wie den unsem, wenn Verwirrung und Relativismus sich breit machen. Ihr gehört zu einer kirchlichen Bewegung. Das Wort „kirchlich“ ist hier nicht nur ein schmückendes Beiwort. Es beinhaltet die Pflicht einer wirklich christlichen Bildung und verlangt eine tiefe Übereinstimmung von Glauben und Leben. Der begeisterte Glaube, der eure Gemeinschaften in Schwung bringt, ist eine große Bereicherung, aber er genügt nicht. Er muss begleitet sein von einer christlichen Bildung, die solide und umfassend und dem kirchlichen Lehramt treu ist: eine christliche Bildung, die ihre Grandlage hat in einem Leben des Gebetes, im Hören auf das Wort Gottes und im würdigen Empfang der Sakramente, besonders der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie. Um im Glauben zu reifen, müssen wir in der Kenntnis seiner Wahrheiten wachsen. Geschieht das nicht, dann besteht Gefahr zu Oberflächlichkeit, übertriebenem Subjektivismus und Illusion. Der neue Katechismus der Katholischen Kirche sollte für jeden Christen - und daher für jede Gemeinschaft der Charismatischen Erneuerung - zu einem beständigen Bezugspunkt werden. Immer wieder müsst Ihr Euch auch im Licht der „Kriterien der Kirchlichkeit“ beurteilen, die ich im Apostolischen Schreiben Christifideles laici aufgestellt habe (Nr. 30). Eines Eurer unterscheidenden Kennzeichen als kirchliche Bewegung sollte das „Sentire cum Ecclesia“ sein, das heißt, mit dem Gehorsam von Söhnen und Töchtern der Kirche in Treue zum kirchlichen Lehramt, zu den Hirten und zum Nachfolger Petri leben und mit ihnen die Gemeinschaft des ganzen Leibes aufbauen. 4. Der Leitgedanke des 8. Internationalen Treffens der Katholischen Bruderschaft bezieht sich auf die Worte Christi: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). Im Zusammenhang mit dem Großen Jubiläum Jesu Christi, des Erlösers der Welt, erklingen diese Worte mit all ihrer Macht. Der menschgewordene Sohn Gottes hat uns das Feuer der Liebe und die rettende Wahrheit gebracht. Im Herannahen des neuen Jahrtausends hört die Kirche den Ruf, die dringende Aufforderung des Meisters zu noch größerem missionarischen Einsatz: Die Frucht ist reif, die Zeit der Ernte ist da! (vgl. Mk 4,29). Zweifellos werdet Ihr bei Eurem Treffen darüber sprechen. Lasst Euch also vom Heiligen Geist führen, der bei der Evangelisierung und der Mission stets der Haupthandelnde ist. Ich begleite Eure Unternehmungen mit meinen Gebeten, und ich hoffe aufrichtig, dass dieses Treffen, das unter so bedeutungsvollen Umständen stattfindet, reiche geistliche Fracht für die ganze Katholische Charismatische Erneuerung bringen wird. Möge es ein Meilenstein auf dem Weg Eurer geistlichen Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 sein. Euch allen, Euren Gemeinschaften und Euren Lieben erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 1. Juni 1998 Joannes Paulus PP. II 617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ständige Weiterbildung in missionarischem Geist Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Missionswerke am 5. Juni Ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Ende eurer jährlichen Vollversammlung hattet ihr, wie schon in früheren Jahren, den Wunsch, mich zu treffen, und es ist für mich eine große Freude, euch zu empfangen und euch meinen herzlichen Gruß zu entbieten. Es ist für mich die willkommene Gelegenheit, euch für die unermüdliche, intensive Arbeit, die ihr im Dienst der missionarischen Kirche leistet, aufrichtig zu danken. Ich begrüße vor allem Kardinal Jözef Tomko, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, der sich für alle zum Sprecher gemacht hat, Msgr. Charles Schleck, Beigeordneter Sekretär der Kongregation und Vorsitzender der Päpstlichen Missionswerke, die Generalsekretäre, Ratsmitglieder und Nationaldirektoren, die aus vielen Ländern hergekommen sind, und das Personal der Generalsekretariate. Von Herzen nochmals meinen aufrichtigen, brüderlichen Willkommensgruß. 2. Durch jeden von euch möchte ich meinen Gruß an die kirchlichen Gemeinschaften richten, aus denen ihr kommt. Einige von ihnen haben eine lange, ehrenvolle missionarische Tradition und spielen eine bedeutende Rolle in der Ausbreitung des Evangeliums. Durch die großzügige Aussendung von Missionaren und den Einsatz von bedeutenden wirtschaftlichen Hilfsmitteln haben sie das Entstehen und die Entwicklung der jungen Kirchen gefördert. Viele davon begehen in diesen Jahren die Hundertjahrfeier der Evangelisierung. Aber wie sollte ich nicht auch jenen Diözesen öffentlich meine Wertschätzung zum Ausdmck bringen, die, obschon es ihnen an apostolischem Personal und an finanziellen Mitteln fehlt, gleichfalls dafür Sorge tragen, mutig auf den Appell zur Mission zu antworten und, ihren begrenzten Möglichkeiten entsprechend, offen zu sein für das, was die allgemeine Berufung zum Heil erfordert? Welch eine von der Vorsehung geschenkte Realität wechselseitigen Austauschs zwischen den Kirchen, wobei jede mit der anderen die von Gott erhaltenen Gaben teilt! Es ist eine Anregung des Heiligen Geistes. Er öffnet das Herz jedes Gläubigen mit einem diesbezüglichen apostolischen Empfinden für die Bedürfnisse der ganzen Welt. So ist es dank der Mithilfe eines jeden Getauften möglich, die ewige Wahrheit des Evangeliums an eine immer größere Zahl von Menschen weiterzugeben. Ja, den Blick von dem eigenen unmittelbar Notwendigen weg zu dem zu erheben, was die brauchen, die „wie Schafe ohne Hirten“ sind (vgl. Mk 6,34) und „Jesus sehen wollen“ (vgl. Joh 12,21), dieser Antrieb ist ein Werk des Heiligen Geistes. Liebe Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke, bei dieser Tätigkeit der Verkündigung ist euch eine bedeutende Rolle Vorbehalten. Das Bemühen, die Mitglieder der christlichen Gemeinschaften für das Werk der Evangelisierung zu sensibilisieren, sei stets eure erste und grundlegende Sorge. Die Arbeit, die euch als 618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verantwortlichen dieser Werke zukommt, ist auch selbst ein Dienst, der sich an die ganze Kirche richtet. Es ist ein Dienst, den die vier Werke, die „als gemeinsame Aufgabe haben, den Geist der Weltmission im Volk Gottes zu fördern“ (Redempto-ris missio, Nr. 84), auf verschiedene, einander ergänzende Weise erfüllen. Während das Päpstliche Kindermissionswerk als Ziel hat, den Katholiken vom zartesten Alter an echten Missionsgeist zu vermitteln, ist das Päpstliche Werk des hl. Apostels Petrus auf die Ausbildung der Seminaristen, der Ordensmänner und Ordensfrauen in den Kirchen jüngerer Gründung bedacht. Die Arbeit missionarischer Sensibilisierung muss sich an das ganze Volk Gottes richten. Sie muss zu einem Erfordernis werden, das alle empfinden. Diesen apostolischen Geist wach zu halten ist besonders das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung berufen. Es hat die Aufgabe, Familien, Basisgemeinschaften, Pfarreien, Schulen, Bewegungen, Verbände und Ordensinstitute so in die Neuevangelisierung einzubeziehen, dass jede Diözese sich ihrer universalen missionarischen Berufung bewusst wird (vgl. Statuten der Päpstlichen Missionswerke, Rom 1980, II, 9/a), nicht nur, was das Einbringen von materiellen Hilfsmitteln und die geistige Zusammenarbeit betrifft, sondern auch hinsichtlich der Förderung von Missionsberufungen, sowohl „ad tempus“ wie „ad vitam“. Ich danke dem Herrn auch für die Arbeit, die der Päpstliche Missions-Bund leistet, und ich ermutige ihn, seine ganze Kraft der „Animation der Animatoren“, der „Ausbildung der Ausbilder“ zu widmen und auf diese Weise seiner besonderen Berufung zu entsprechen. Gerade deshalb wird er ja „die Seele der anderen Werke“ genannt (vgl. Paul VI., Graves et increscentes). Liebe Brüder und Schwestern! Zum Abschluss dieser Begegnung gebe ich von Herzen dem Wunsch Ausdruck, euer apostolischer Eifer, genährt vom beständigen Gebet kindlicher Hingabe an Maria, möge Tag für Tag eure Tätigkeit begleiten. Das Bild der mit den Aposteln zusammen in Gebet und Betrachtung im Abendmahlssaal verweilenden Jungfrau sei das Bild der christlichen Gemeinschaften im beständigen Hören auf Gott und bereit, Kraft vom Heiligen Geist zu empfangen. Lasst euch vom Geist Gottes führen! Arbeitet mit Ihm zusammen in der Animation des ganzen christlichen Volkes, damit es Christus treu sei, der wünscht, dass es sich großmütig dem Aufbau Seines Reiches widme. „Allen Christen“ - sagt das II. Vatikanische Konzil - „ist die ehrenvolle Last auferlegt, mitzuwirken, daß die göttliche Heilsbotschaft überall auf Erden von allen Menschen erkannt und angenommen wird“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 3). Das also ist eure Mission, euer Programm: „Heute und über das Jahr 2000 hinaus“, wie es im Titel eurer Versammlung gut zum Ausdruck gebracht ist. Ich vertraue euch den barmherzigen Händen Marias an, die der Stern der Evangelisierung ist, und ich versichere euch meines ständigen Gebetsgedenkens. Indem ich euch auffordere, auf dem begonnenen Weg weiterzugehen, erteile ich euch von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen, den ich auf alle eure Mitarbeiter im unermüdlichen Wirken der missionarischen Animation ausdehne. 619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priesterbildung im europäischen Horizont mit weltkirchlicher Perspektive Ansprache bei der Audienz für das Päpstliche Kolleg Germanicum et Hungaricum am 6. Juni Sehr geehrter Pater Rektor! Liebe Mitglieder der Gesellschaft Jesu! Liebe Alumnen des Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum! Liebe Schwestern! 1. Gern habe ich Eurem Wunsch entsprochen, mir zum Abschluss des akademischen Jahres im Apostolischen Palast zu begegnen. Mein besonderer Gruß gilt dem hochwürdigen Pater Rektor des Pontificum Collegium Germanicum et Hungaricum sowie den Patres und Brüdern der Gesellschaft Jesu, in deren Händen seit mehr als einem halben Jahrtausend die Leitung dieses traditionsreichen Kollegs liegt. Außerdem heiße ich die Franziskaner Missionsschwestem von Maria Hilf willkommen, die wesentlich zu einer Atmosphäre der Wärme und Geborgenheit im Hause beitragen. Besonders grüße ich die Alumnen des Kollegs, die aus acht Ländern Europas nach Rom gekommen sind, um sich in der Stadt der Apostelfürsten Petrus und Paulus auf das Priestertum und den seelsorgerlichen Einsatz in ihrer Heimat vorzubereiten. 2. Was für jedes Seminar zutrifft, hat in Eurem Kolleg eine besondere Note: Als Erziehungsgemeinschaft lebt Ihr aus dem Geist des hl. Ignatius von Lojola. Die Einrichtung möchte junge Männer formen, die, mit einem gründlich philosophischtheologischen Wissen ausgestattet, auf dem Fundament eines gefestigten geistlichen Lebens und aus einer echten kirchlichen Gesinnung heraus als glaubwürdige Priester wirken, die den Herausforderungen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend gewachsen sind. 3. Obwohl die Erziehung im Kolleg viele gemeinsame Gesichtspunkte mit der menschlichen und christlichen Formung aller Glieder der Kirche aufweist, muss sie in erster Linie von Bedingungen und Inhalten getragen sein, die sich vom Ziel herleiten, zukünftige Priester auszubilden. Deshalb braucht das Kolleg eine Art besonderer Physiognomie, die dem Priestertum ein Gesicht zu geben vermag. Die Alumnen sollen dazu befähigt werden, einmal als Lehrer, Priester und Hirten der ihnen anvertrauten Menschen zu wirken. Dabei gilt es zu beachten, dass es in der Priesterausbildung nicht um die Betrachtung eines abstrakten Menschen geht, sondern um die Begleitung konkreter geschichtlicher Personen, die auf dem Weg sind, bestimmte Lebensideale zu wählen und ihnen treu zu bleiben. Das Kolleg bietet die Gelegenheit, die klare Orientierung auf das Berufsziel mit der sorgfältigen Begleitung des .jungen Wanderers“ mit seinen Stärken und Schwächen miteinander in Einklang zu bringen. Das erfordert von der Hausleitung kluge Feinfühligkeit, um die jungen Männer in die hohen 620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte des Priestertums ebenso wie in die frei gewählte und bewusst gelebte Verpflichtung zur priesterlichen Lebensform einzuführen. 4. Zur Physiognomie des Collegium Germanicum et Hungaricum gehört es, dass die Verschiedenheit der Personen auch für die Vielfalt der sozialen Umfelder und Kulturen steht, aus denen die einzelnen Alumnen stammen. Im Zusammenleben von Klerikern, Ordensleuten und Priesterkandidaten, besonders aber in der Gemeinschaft von Studenten, Schwestern, Brüdern und Patres aus Ländern Mittelund Westeuropas zeigt sich, dass dieses Kolleg nicht nur auf eine stolze Geschichte zurückblicken kann, sondern auch eine prophetische Botschaft für die Zukunft hat. Was ich für das sich einigende Europa erhoffe, das hat im Collegium Germanicum et Hungaricum eine lange Tradition und ist nach dem Fall des Eisernen Vorhangs als Wirklichkeit schon angebrochen: Europa atmet mit zwei Lungen. 5. Neben dem europäischen Horizont im Kolleg und der weltkirchlichen Perspektive, die durch die Nähe zum Nachfolger des hl. Petras und im Studium an der Universität vermittelt wird, erinnere ich an einen meiner tiefsten Eindrücke, die ich als junger Priester von meinem römischen Studienaufenthalt mit in meine Heimat nehmen durfte: „Im Herzen der Christenheit und im Licht der Heiligen begegneten sich auch die Nationalitäten, was (...) der symbolischen Vorwegnahme einer nicht mehr gespaltenen Welt gleichkam“ (Geschenk und Geheimnis, S. 59). 6. Ich hoffe, dass jeder von Euch hier in irgendeiner Weise von einer ähnlichen Erfahrung beschenkt wird und mit dieser Gabe das Leben in den Ortskirchen seiner Heimat bereichern kann. In besonderer Weise gilt dieser Wunsch dem scheidenden Pater Rektor, der nach 16 erfüllten Jahren in der Leitung der Gesellschaft Jesu und des Collegium Germanicum et Hungaricum nach Deutschland zurückkehren wird. Ich wünsche ihm für seine neuen Aufgaben, die ihm anvertraut werden, Gottes treue Wegbegleitung. Omnia ad maiorem Dei gloriam! Dazu erteile ich Euch allen von Herzen den Apostolischen Segen. Kondolenztelegramm an das Kardinalskollegium anlässlich des Todes von Agostino Kardinal Casaroli am 9. Juni Herrn Kardinal Bemardin Gantin -Dekan des Heiligen Kollegiums Vatikanstadt Tiefbewegt habe ich die Nachricht über das fromme Hinscheiden des verehrten Kardinals Agostino Casaroli vernommen, und ich bringe Ihnen und dem ganzen Kardinalskollegium meine große Trauer über den Tod eines so treuen Dieners der Kirche zum Ausdruck, der wichtige Ämter bekleidete und sich in seinem priesterlichen und bischöflichen Dienst immer als wahrer Zeuge für das Evangelium erwiesen hat. Er war ein Priester mit tiefem Glauben und glühender Frömmigkeit, ein 621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kenner des Menschenlebens und des Zeitgeschehens. In seiner langen pastoralen Mission und in seinem uneingeschränkten Dienst für den Hl. Stuhl, besonders als mein enger Mitarbeiter und zuvor Mitarbeiter meiner verehrten Vorgänger, der Diener Gottes Johannes XXIII., Paul VI. und Papst Johannes Paul I., hat sich der verstorbene Kardinal als ein Mensch gezeigt, der leidenschaftlich darum bemüht war, Friedensbeziehungen zwischen den einzelnen und den Nationen anzuknüpfen, mit feinem diplomatischen Gespür mutige und wichtige Schritte unternehmend, insbesondere um die Lage der Kirche in Osteuropa zu verbessern. Antrieb war ihm jener lebhafte „sensus Ecclesiae“, verbunden mit einem ebenso auf den Grund gehenden „sensus hominis“, die stets die inspirierenden Kriterien für seine weise und intensive Tätigkeit im Herzen des Apostolischen Stuhls waren. Ich danke dem Herrn für das Gute, das er in Jahren fruchtbarer und unermüdlicher Arbeit vollbracht hat, und ich bitte in inständigem Gebet, der Herr möge ihn in die ewige Freude aufnehmen, die er seinen guten und großherzigen Dienern verspricht. Eurer Eminenz, den Herren Kardinälen und allen, die den Schmerz über seinen Tod teilen, sei der Apostolische Segen ein tröstendes Zeichen meiner mitfühlenden Teilnahme an der gemeinsamen Trauer. Joannes Paulus PP. II Symbolischer Weg Christi durch die Zeit Predigt am Hochfest Fronleichnam, 11. Juni 1. „Du schreitest durch die Jahrhunderte“ (aus einem polnischen eucharistischen Lied). Das heutige Hochfest „Fronleichnam“ lädt dazu ein, über jenen einzigartigen Weg, den Heilsweg Christi durch die Geschichte, nachzudenken, durch eine Geschichte, die seit ihrem Beginn von Gott und vom Menschen, von beiden geschrieben wurde. Durch die menschlichen Verhältnisse hindurch zieht Gott die Linien der Heilsgeschichte. Es ist ein Weg, der im Paradies beginnt, als im Gefolge der Sünde Adams, des ersten Menschen, Gott einschreitet, um die Geschichte auf das Kommen des „zweiten“ Adam hin auszurichten. Im Buch Genesis steht die erste, ursprüngliche Ankündigung des Messias, und seitdem wickelt sich in der Aufeinanderfolge der Generationen, wie auf den Seiten des Alten Testamentes berichtet wird, der Weg der Menschen ab, auf Christus zu. Als dann, in der Fülle der Zeit, der menschgewordene Gottessohn am Kreuz sein Blut zu unserer Rettung vergießt und von den Toten aufersteht, tritt die Geschichte sozusagen in eine neue und endgültige Dimension ein: Da wird der neue und ewige Bund Wirklichkeit, dessen Beginn und Vollendung der gekreuzigte und auferstandene Christus ist. Auf Kalvaria nimmt nach göttlichem Plan der Weg der Mensch- 622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit seine entscheidende Wendung: Christus stellt sich an die Spitze des neuen Volkes, um es seinem endgültigen Ziel entgegenzuführen. Die Eucharistie, das Sakrament des Todes und der Auferstehung des Herrn, bildet das Herzstück dieses geistlichen eschatologischen Weges. 2. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6,51). Diese Worte wurden soeben in dieser festlichen Liturgiefeier verkündigt. Jesus sprach sie nach der wunderbaren Brotvermehrung am See von Galiläa. Sie sind, nach Johannes, eine Vorausverkündigung der Heilsgabe der Eucharistie. Schon im Alten Testament fehlt es nicht an vielsagenden vorausbedeutenden Zeichen für die Eucharistie. Unter ihnen ist besonders sprechend jenes, das auf den Priester Mel-chisedek zurückgeführt wird, an dessen geheimnisvolle Gestalt und einmaliges Priestertum die heutige Liturgie erinnert. Die Rede Christi in der Synagoge von Kafamaum gibt den Gipfelpunkt der alttestamentlichen Prophezeiungen wieder und kündigt zugleich deren Erfüllung an, die beim Letzten Abendmahl geschehen wird. Wir wissen, wie bei dieser Gelegenheit die Worte des Herrn eine harte Glaubensprüfung für seine Hörer, und selbst für die Apostel, bildeten. Doch wie könnten wir das klare, glühende Glaubensbekenntnis des Simon Petrus vergessen, der ausrief: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,68-69)! Die gleichen Empfindungen erfüllen heute uns alle, während wir, rings um die Eucharistie versammelt, in Gedanken in den Abendmahlssaal zurückkehren, wo die Kirche sich im Geist zusammenfindet, um der Einsetzung der Eucharistie zu gedenken. 3. „In supremae nocte coenae, recumbens cum fratribus ..." „Auf geheimnisvolle Weise / macht er das Versprechen wahr; / als er in der Jünger Kreise / bei dem Osterlamme war, / gab in Brot und Wein zur Speise / sich der Herr den Seinen dar.“ Mit diesen Worten fasst der hl. Thomas von Aquin das außerordentliche Geschehen des Letzten Abendmahls zusammen, angesichts dessen die Kirche in schweigender Anbetung verharrt. Sie versenkt sich gewissermaßen in das Schweigen des Olivengartens und von Golgota. Der „engelgleiche Lehrer“ [Thomas von Aquin] fordert auf: „Fange, lingua, glo-riosi Corporis mysterium ... “ „Das Geheimnis laßt uns künden, / das uns Gott im Zeichen bot: / Jesu Leib, für unsre Sünden / hingegeben in den Tod, / Jesu Blut, in dem wir finden / Heil und Rettung aus der Not.“ Das tiefe Schweigen des Gründonnerstags umhüllt das Sakrament des Leibes und Blutes Christi. Der Gesang der Gläubigen scheint sich [an dem Tag] nicht in seiner vollen Stärke entfalten zu können, noch auch - mit gutem Grund - die anderen Äußerungen der volkstümlichen eucharistischen Frömmigkeit. 623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Darum hat die Kirche die Notwendigkeit eines zusätzlichen Festes empfunden, an dem es möglich wäre, die Freude über die Einsetzung der Eucharistie intensiver zum Ausdruck zu bringen: So ist vor mehr als sieben Jahrhunderten das Hochfest vom „Leib des Herrn“, Fronleichnam, entstanden. Es zeichnet sich aus durch festliche eucharistische Prozessionen, die den „Weg“ des Welterlösers in der Zeit deutlich machen: „Du schreitest durch die Jahrhunderte.“ Auch die Prozession, die wir heute am Ende der hl. Messe beginnen, erinnert beredt an den solidarischen Weg Christi mit der Geschichte der Menschen. Rom wird bezeichnenderweise „Ewige Stadt“ genannt, weil sich in ihr verschiedene Zeitalter der Geschichte wunderbar widerspiegeln. Vor allem bewahrt sie die Spuren von zweitausend Jahren Christenheit. Bei der Prozession, die uns von diesem Platz aus zur Basilika Santa Maria Maggiore führen wird, ist in Gedanken die ganze Christengemeinde Roms um ihren Hirten versammelt, mit den Weihbischöfen, den Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und den verschiedenen Vertretern der Pfarreien, der Bewegungen, Vereinigungen und Bruderschaften. An alle richte ich einen herzlichen Gruß. Ein besonderes Grußwort möchte ich den kubanischen Bischöfen widmen, die seit einigen Tagen in Rom sind und sich heute mit uns vereinen wollten, um dem Herrn noch einmal für das Geschenk meines kürzlichen Besuches zu danken und das Licht und die Unterstützung des Heiligen Geistes für den Weg der Neuevangelisierung zu erflehen. Wir begleiten sie in Liebe und geschwisterlicher Gemeinschaft. 5. Bei der heutigen Fronleichnamsfeier denken wir auch schon an den 18. Juni des Jahres 2000, wenn hier, bei dieser Basilika, der siebenundvierzigste Internationale Eucharistische Kongress eröffnet werden wird. Am darauffolgenden Donnerstag, 22. Juni, dem Hochfest Fronleichnam, wird von diesem Platz die große eucharistische Prozession ausgehen. Dann, in der liturgischen Versammlung zur „Statio Orbis“, am Sonntag, den 25., werden wir die festliche Eucharistiefeier gemeinsam mit den zahlreichen Pilgern begehen, die, von ihren Hirten begleitet, aus jedem Kontinent zum Kongress und zur Verehrung der Apostelgräber in Rom Zusammenkommen werden. In den zwei Jahren, die uns noch vom Großen Jubiläum trennen, wollen wir uns, einzeln und gemeinsam, vorbereiten durch eine vertiefte Betrachtung dieses großen Geschenkes: des für uns in der Eucharistiefeier gebrochenen Brotes. Im Geist und in der Wahrheit erleben wir das tiefe Geheimnis der Anwesenheit Christi in unseren Tabernakeln: Der Herr bleibt bei uns, um die Kranken zu stärken, um den Sterbenden Wegzehrung zu sein, um jede Seele, die ihn in Anbetung, Lobpreis und Betrachtung sucht, seine Liebe und Güte verkosten zu lassen. Möge Christus, der uns mit seinem Leib und seinem Blut nährt, uns gewähren, dass wir mit erneutem geistlichen und missionarischen Eifer ins dritte Jahrtausend gehen. 6. Jesus ist bei uns, er geht mit uns und stärkt unsere Hoffnung. „Du schreitest durch die Jahrhunderte“, sagen wir zu ihm, und wir rufen uns in Erinnerung und umarmen im Gebet alle, die ihm in Treue und mit Vertrauen folgen. 624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Abendlicht dieses Jahrhunderts, die Morgendämmerung des neuen Jahrtausends erwartend, wollen auch wir uns in diesen ungeheuren Geleitzug von Gläubigen einreihen. Von Begeisterung und tiefem Glauben getragen, rufen wir aus: „Tantum ergo Sac-ramentum veneremur cernui... “ „Gott ist nah in diesem Zeichen: / Knieet hin und betet an. / Das Gesetz der Furcht muß weichen, / da der neue Bund begann; / Mahl der Liebe ohnegleichen: Nehmt im Glauben teil daran.“ „Genitori Genitoque laus et iubilatio ...“ „Gott dem Vater und dem Sohne / singe Lob, du Christenheit; / auch dem Geist auf gleichem Throne / sei der Lobgesang geweiht. / Bringet Gott im Jubeltone / Ehre, Ruhm und Herrlichkeit“! Amen. Kardinal Casaroli — Diener des Friedens und der Wahrheit Predigt bei den Exequien für Kardinal Casaroli am 12. Juni 1. „Ego resuscitabo eum in novissimo die“ (Joh 6,54) - „ich werde ihn auferwek-ken am Letzten Tag“. Diese Worte des Herrn Jesus erklingen mit besonderer Beredtheit heute in der Petersbasilika, wo wir in Schmerz und Hoffnung versammelt sind zu den Exequien des verehrten Mitbruders, Kardinal Agostino Casaroli, den der Vater mitten in der Nacht des vergangenen Dienstag zu sich gerufen hat. Die göttliche Vorsehung wollte es, dass die Exequien am Tag nach dem Hochfest Fronleichnam, stattfinden, an dem die Kirche das große Geheimnis der Eucharistie, Sakrament des gestorbenen und auferstandenen Christus, Brot des unsterblichen Lebens, verehrt. Wie ein helles Leuchtfeuer wird uns in dieser Stunde der Trauer der johannäische Text vom „Brot des Lebens“ geboten: „Ich bin das Brot des Lebens. ... Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, (ich gebe es hin) für das Leben der Welt. ... Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ (Joh 6,48.51.54). Welch innigen Trost empfangen wir heute durch diese Worte, während unser Blick auf die Bahre des geliebten emeritierten Staatssekretärs gerichtet ist: Zutiefst tröstet uns der Gedanke, dass er Priester Christi, Diener des Lebensbrotes, gewesen ist - und es für immer bleiben wird! Täglich hat er sich mit dem Sakrament genährt, an das der Herr das Pfand der Auferstehung gebunden hat. Und täglich hat er es sechzig Jahre lang an das Gottesvolk ausgeteilt. Das Fleisch Christi ist hingegeben für das Leben der Welt, sagt uns der Evangelist Johannes (vgl. 6,51); und das verweist auf die Sendung des Priesters, der „in der Kirche für die Welt“ ist, wie der Titel des Buches besagt, worin die Predigten und Ansprachen gesammelt sind, die der verstorbene Kardinal Casaroli im Lauf seiner langen und verdienstreichen Tätigkeit als eifriger Hirte und ruhmvoller Diplomat gehalten hat. 625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für diese Hoffnung ist uns ein sicheres Zeichen gegeben in Maria, der Allheiligen, die mit dem Geheimnis des Erlösers vereint, in die Herrlichkeit aufgenommen ist. Ihr, der Mutter und Königin der Apostel, empfehlen wir die Seele von Kardinal Agostino Casaroli an, damit er in der Fülle der Freude und des Friedens das Ziel seines Glaubens erreiche (vgl. 1 Petr 1,9). Uns allen, die wir diesem unseren unvergesslichen Bruder den letzten Gruß erweisen, gilt die Einladung, den Blick nach oben zu erheben und den Glauben an die Auferstehung zu erneuern. In unserem Geist hallen die Worte Gottes aus dem Buch des Propheten Ezechiel wider: „Ecce ego aperiam tumulos vestros ed educam vos de sepulcris vestris“ - „Ich öffne eure Gräber und hole euch [...] aus euren Gräbern herauf [...] Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig, und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich führe es aus - Spruch des Herrn“ (Ez 37,12.14). Amen! Gebt Zeugnis von eurer Hoffnung! Botschaft zum 93. Deutschen Katholikentag in Mainz vom 14. Juni Meinem verehrten Bruder Karl Eehmann Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Verehrter Mitbruder! Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Gebt Zeugnis von eurer Hoffnung!“ Unter diesem Leitwort seid Ihr zum 93. Deutschen Katholikentag in Mainz zusammengekommen. Aus Rom grüße ich alle, die zur Feier des Hauptgottesdienstes im Mainzer Volkspark versammelt sind, und auch diejenigen, die über Radio oder Fernsehen an diesem Fest Anteil haben. Ein besonderer Gruß gilt Ihnen, lieber Herr Bischof Lehmann, in dessen Diözese dieses Treffen stattfindet. Neben Ihren Aufgaben als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz wie in der Mitarbeit im Dienste der Weltkirche haben Sie sich mit hingebungsvollem apostolischem Einsatz für das Gelingen dieses Katholikentages eingesetzt. Mit Ihnen grüße ich alle Bischöfe aus Deutschland und vielen Ländern der Erde, die zu diesen Tagen nach Mainz gekommen sind. 2. Eine wichtige Quelle der Hoffnung ist die dankbare Erinnerung. Im Gedächtnis der Kirche in Deutschland nimmt Mainz einen Ehrenplatz ein. Denn bereits im zweiten Jahrhundert haben Christen im mittelrheinischen Raum die Grundlage für eine glanzvolle Geschichte gelegt, auf die Bischofsstadt und Bistum Mainz zu Recht stolz sein dürfen. Herausragende Oberhirten wie Bonifatius, Willigis und 628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rhabanus Mauras standen prägend an der Spitze der einstigen Metropole Germa-niens. Ich selbst habe zu diesem Bistum eine besondere Beziehung. Denn in meinem Herzen habe ich zahlreiche persönliche Erinnerungen an Mainz bewahrt, so an die Botschaft von Bischof Ketteier, dessen Grab ich als Student aufsuchte. Besonders lebendig ist mir der Aufenthalt in dieser Stadt vor nunmehr bald zwanzig Jahren geblieben, als mich der damalige Bischof Kardinal Hermann Volk, dem ich freundschaftlich verbunden war, willkommen hieß. 3. Vor 150 Jahren wurden hier in Mainz auch die ersten Seiten der Geschichte der Katholikentage geschrieben. Die erste Versammlung dieser Art gehört zu den Früchten einer eben vorausgegangenen kirchlichen Erneuerung, die das Selbstbewusstsein der Katholiken so gestärkt hatte, dass sie den Mut aufbrachten, sich aktiver mit der säkularen Welt und einem oft feindseligen Staat auseinander zu setzen. An die brennenden Probleme von damals wird gerade in diesem Jahr bei verschiedenen Gedenkfeiern erinnert: So steht die Nationalversammlung, die 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat, für die Suche nach Einigkeit und Freiheit in der deutschen Gesellschaft, aber auch nach der Verwirklichung der Menschenrechte und nach Lösungen der sozialen Frage. Die Katholiken wurden sich ihrer Sendung neu bewusst, sich in das gesellschaftliche Leben einzubringen und es so als Salz der Erde und Licht der Welt zu durchdringen (vgl. Mt 5,13-16). Viele schlossen sich zu Vereinen zusammen. Im selben Jahr, als das Kommunistische Manifest von Marx und Engels erschien und eine Welle von Revolutionen durch Europa ging, hat sich in einer anderen Bewegung auch der katholische Glaube nach außen hin manifestiert. Sowohl der erste Katholikentag in Mainz als auch das 600. Kölner Domfest wurden 1848 zu beeindruckenden öffentlichen Zeugnissen eines wiedererstarkenden Katholizismus. Hundert Jahre später war Mainz wiederum der Ort, an dem der erste Katholikentag der Nachkriegszeit vielen Menschen, die zwischen Trümmern saßen, wertvolle Bausteine für eine soziale, wirtschaftliche und kirchliche Zukunft zu geben vermochte. Das Thema „Der Christ in der Not der Zeit“ hat damals Eure Landsleute in der Tiefe ihres Herzens angesprochen und dazu beigetragen, dass sie neuen Mut und frische Hoffnung für das Weitergehen schöpfen konnten. So manche Berufung in den Priester- und Ordensstand ist auf diesem Katholikentag angestoßen worden. Jetzt seid Ihr erneut in Mainz versammelt, um Euch mit den Herausforderungen zu beschäftigen, die sich den Christen nach fast zwanzig Jahrhunderten ihrer Geschichte stellen, wenn sie das Erbe des Glaubens nicht nur ins nächste Jahrtausend hinüberretten, sondern den nachfolgenden Generationen lebendig und kraftvoll bezeugen wollen. Ich möchte Euch an ein Wort erinnern, das der Jesuitenpater Ivo Zeiger in seinem Eröffnungsreferat zum Katholikentag 1948 gesprochen hat: „Deutschland ist ein Missionsland geworden.“ Millionen rechnen in ihrem Leben nicht mehr mit Gott, „sie bekämpfen ihn nicht, sie kümmern sich einfach nicht um ihn“. 629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Fünfzig Jahre liegen zwischen dieser Zeitanalyse und dem Jubiläums-Katholi-kentag, dessen Leitwort so klingt, als wende es sich an die heutigen „Missionare Deutschlands“: Gebt Zeugnis von Eurer Hoffnung. Es ist die Abwandlung einer Bitte aus dem ersten Petrusbrief, die der Apostel so formuliert hat: „haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (7 Petr 3,15). Nicht nur in der Zeit des Wiederaufbaus, sondern auch in unseren Tagen gehört Hoffnung zu den Gütern, die mit Geld nicht zu bezahlen sind. Denn was nützt es uns, wenn wir viel haben, aber nicht wissen, wer und wozu wir sind? Das Denken und Fühlen der Menschen wird von vielen Sorgen, Unsicherheiten, Ängsten und mitunter düsteren Prognosen bestimmt. Der blinde Fortschrittsglaube ist mancher Ernüchterung gewichen. Gesellschaftliche Entwicklungen, hinter denen gleichzeitig persönliche Schicksale stehen, wie etwa hohe Arbeitslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit, lassen die Herzen vieler unruhig werden. Bange Fragen werden gestellt: Entspricht den Errungenschaften, die Wissenschaft und Technik gebracht haben, auch der moralische und geistige Fortschritt der Menschen? Wachsen tatsächlich unter den Menschen Nächstenliebe und Achtung vor den Rechten des anderen? Oder werden die Egoismen in der großen und kleinen Welt die Oberhand gewinnen? Dies sind Fragen, über die die Kirche mit allen Menschen guten Willens im Gespräch bleiben muss. Die Katholikentage bieten dafür ein geeignetes Forum. Gerade die Laien sind dabei besonders in die Pflicht genommen. Ich danke den Veranstaltern der Katholikentage für die damit verbundenen Mühen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Bischöfe, Priester und Laien überhaupt bitte ich, bei diesem wichtigen Zeugnis einmütig zu sprechen und zu handeln und auch die tiefe Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und der ganzen Weltkirche, die so eindrucksvoll bei Euch versammelt ist, zu wahren. Gebt gemeinsam Zeugnis von der Hoffnung, die Euch erfüllt! Da sich die Hoffnung vielerorts nicht mehr als starker Baum darstellt, sondern oft nur einer zarten Pflanze gleicht, die im Getümmel einer schnelllebigen Welt rasch zertreten werden kann, bitte ich Euch, das Evangelium von der Hoffnung Euren „Nächsten“ in den verschiedenen Lebensbereichen vorzuleben, damit sie gestärkt wird oder wieder aufkeimen und blühen kann. Ich kenne keinen Ort, der nicht mit Gottes Hilfe und der sorgsamen Pflege des Menschen zu einem Biotop der Hoffnung werden könnte. Für die Hoffnung ist überall Platz - in der Familie und im Freundeskreis, in den Stadtvierteln und Dörfern, in der Schule und im Büro, am Fließband und im Krankenhaus. Dabei erinnere ich Euch daran, dass die erste Form des Zeugnisses das Leben ist. Denn „der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien“ (Redemptoris missio, Nr. 42). 5. Wenn immer mehr Frauen und Männer das Evangelium glaubwürdig bezeugen, dann ist dies auch ein Dienst für die ganze Gesellschaft, die nicht nur hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, sondern sich nach einer Hoffnung sehnt, die über das 630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sichtbare und Zeitliche hinausgeht. Im heutigen gesellschaftlichen Kontext, der von einem dramatischen Kampf zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“ gekennzeichnet ist, rufe ich Euch als meine Bundesgenossen dazu auf, auch weiterhin in Eurem geschätzten Land eine neue Kultur des Lebens aufbauen zu helfen (vgl. Evangelium vitae, Nr. 95). Dem Leben in allen seinen Phasen dienen können nur diejenigen, die sich die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen bewusst machen und uneingeschränkt achten. Denn kein Mensch ist ein hoffnungsloser Fall. 6. Der Aufbau der Kultur des Lebens beginnt in unserem eigenen Haus, der Kirche. Wir müssen uns deshalb ehrlich und mutig fragen, welche Kultur des Lebens bei uns selbst, unter den einzelnen Christen, in den Familien, Gruppen, geistlichen Bewegungen, Pfarrgemeinden und Bistümern gepflegt wird. Den konkreten Entscheidungen auf persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Ebene muss als Maßstab der Vorrang des Seins vor dem Haben, der Person vor den Dingen und der Solidarität vor dem Egoismus zugrunde liegen. Das erfordert nicht selten Mut zu einem neuen Lebensstil. Dies schlägt sich auch in einem redlichen Dialog in Wahrheit und Liebe nieder. Wenn wir im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil so viel von der Kirche als Communio sprechen, darf diese Wirklichkeit nicht nur auf die sakramentale Kommunion verengt werden; vielmehr müssen wir uns um eine Kommunikation bemühen, die derer würdig ist, die in der Gemeinschaft des dreifältigen Gottes stehen. 7. Ein besonderes Wort der Anerkennung richte ich an die unzähligen Frauen und Männer, die in den Ortskirchen Eures Landes schon lange ihre Würde und Aufgabe als Laien entdeckt haben und glaubwürdig leben, indem sie die ihnen von Gott geschenkten Talente verdoppeln. Sie sind Christi bestes Empfehlungsschreiben (vgl. 2 Kor 3,3) für eine Welt, die nach verlässlicher Hoffnung sucht. Die Laien sind dazu berufen, sich besonders dem Zeugnis in der Gesellschaft zu widmen und „wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen“ (Lumen Gentium, Nr. 31). Ich bitte Bischöfe, Priester und Diakone, Ordensleute und Laien gleichermaßen, in gegenseitiger Wertschätzung, mit Wohlwollen und Bereitschaft zur Zusammenarbeit ein Netz zu knüpfen, das uns alle in der einen Hoffnung verbindet, die Jesus Christus heißt. Welch eindrucksvolles und überzeugendes Bild gäbe die Kirche ab, wenn sie immer mehr das Hoffnungsnetz würde, das auch die noch auffängt, die durch die Maschen der Welt gefallen sind. 8. An diesem Hoffnungsnetz haben während der Katholikentage stets besonders viele Jugendliche mitgeknüpft. Ihnen gilt ein besonders herzlicher Gruß. Durch Eure Anwesenheit zeigt Ihr: Eure Hoffnung ist Christus. Ich vertraue auf Eure Jugend und rufe Euch zu: Ihr seid die Hoffnung der Kirche. Ihr habt die Möglichkeit, der Kirche des dritten Jahrtausends ein junges Gesicht zu geben! 631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche schaut mit Zuneigung und Verständnis auf Euch. Sie erwartet viel von Euch. Nicht nur die Kirche hat der Jugend viel zu sagen. Auch Ihr, liebe Jugendliche, habt der Kirche viel zu sagen (vgl. Christifideles laici, Nr. 46). Ich weiß, dass Eure Herzen offen sind für Freundschaft, Geschwisterlichkeit und Solidarität. Ihr setzt Euch ein für die Anliegen der Gerechtigkeit und des Friedens, der Lebensqualität und für den Erhalt der Schöpfung. Aber Ihr kennt auch bittere Erfahrungen wie Enttäuschung, Not und Angst sowie die Versuchung, den tieferen inneren Durst mit oberflächlichem Genuss zu stillen. Ich gebe Euch den Rat: Hört in Euch hinein und lauscht auf das, was Gott Euch in seinem Wort und in der Stimme des Gewissens sagen will. Erzählt einander Eure Hoffnungsgeschichten. Da Ihr Euch anschickt, die Schwelle zum dritten Jahrtausend zu überschreiten, prüft in Eurem Herzen, welchen Plan der Herr je mit Euch hat und wie Ihr ihn mit aller Entschiedenheit umsetzen könnt. 9. Nur noch kurze Zeit trennt uns von diesem Datum. Die Wegstrecke, die wir in der Ökumene nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegangen sind, ist nicht kurz. Die Schritte, die noch vor uns liegen, verlangen inständiges Gebet, einen festen Willen zur Umkehr, sorgfältige theologische Arbeit, spirituelle Ausdauer sowie auch geeignete ökumenische Initiativen. So können wir dann im Großen Jubeljahr, wenn schon nicht in voller Einheit, so doch wenigstens in der Zuversicht auftreten, dass wir der Überwindung der Spaltung des zweiten Jahrtausends viel näher sind (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Das bevorstehende Heilige Jahr sollte uns alle antreiben, für die zentralen Wahrheiten unseres Glaubens in verstärktem Maß gemeinsam Zeugnis abzulegen, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). 10. Liebe Schwestern und Brüder! Um das Zeugnis der Kirche näher zu beschreiben, greifen die Kirchenväter oft auf ein eindrucksvolles Bild zurück. So wie der Mond in der Nacht das Licht von der Sonne des Tages aufnimmt und in die Nacht hineinstrahlt, so soll die Kirche das Licht Christi im Dunkel der Welt aufnehmen und widerspiegeln. Der Mond aber kann nur dann zur Strahlkraft finden, wenn er im Rhythmus der Zeiten immer wieder abnimmt und stirbt, vom Vollmond in die Finsternis eintaucht, um neu voll und strahlend zu werden. Während Jesus Christus in diesem Bild die Sonne ist, kommt der Kirche die Rolle des Mondes zu. Auch ihr bleibt im Laufe der Zeiten die Erfahrung nicht erspart, immer wieder abnehmen zu müssen, um dann neu zu erstrahlen. Manches an ihrer jeweiligen geschichtlichen Gestalt muss durch den Heiligen Geist ständig geläutert werden, damit sie das Licht Christi ausspenden kann. Erst die Bereitschaft, in das Dunkel der Geschichte einzugehen, auch wenn vielleicht manches an äußerer Gestalt dabei sterben muss, wird sie Finsternis und Schatten, Niederlagen und Scheitern mit Gottes Hilfe bewältigen lassen. Ich denke dabei an das Licht der Osterkerze: Die kleine, schutzlose Flamme vertreibt die Dunkelheit. Sie hat größeres Recht als die Nacht. 632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So erfülle Euch der Gott der Hoffnung mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit Ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes (vgl. Röm 15,13). Mit diesem herzlichen Wunsch, den der Völkerapostel Paulus an die Römer gerichtet hat, erteile ich Euch gern den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 14. Juni 1998 Joannes Paulus PP. II 750-Jahr-Feier des Kölner Domes Schreiben an Staatssekretär Angelo Kardinal Sodano zur Beauftragung als Päpstlicher Legat vom 22. Juni An den ehrwürdigen Bruder Angelo Kardinal Sodano Staatssekretär Die Kathedralkirche von Köln ragt durch ihre Berühmtheit, ihren Schmuck, ihre Kunst, ihre Schönheit und ihre vorzügliche Würde unter den Gotteshäusern des Erdkreises großartig hervor. Sie birgt weiterhin außer zahlreichen Schätzen der Geschichte, der Kultur und der Kunst kostbare Reliquien von Heiligen. Kürzlich erhielt ich die Nachricht über den erfreulichen Anlass, dass am kommenden Fest der Aufnahme Marias in den Himmel die kirchliche Gemeinschaft von Köln den freudigen Erinnerungstag feiert, an dem vor 750 Jahren der damalige Erzbischof von Köln, Konrad von Hochstaden, in Anwesenheit einer Menge von Gläubigen in einem feierlichen Ritus den Grundstein dieser Kathedrale weihte. Dieses festliche Ereignis verdient besonders herausgehoben zu werden. In der Tat wird ja die Kirche Christi bezeichnet als ,Jieiliger Tempel, den die heiligen Väter in den steinernen Heiligtümern dargestellt sehen und preisen“ {Lumen Gentium, Nr. 6). Daher hat mein ehrwürdiger Bruder Joachim Meisner, Oberhirte dieser Erzdiözese, mich gebeten, einen Legaten als meinen Stellvertreter zu der bevorstehenden Feier dieses Ereignisses zu senden, und gern habe ich beschlossen, dieser Bitte zu entsprechen. Daher habe ich gedacht, dass Du, der Du seit vielen Jahren mit großer Treue und voll Eifer den Dienst für den Papst und für die katholische Kirche erfüllst, diese Gesandtschaft freudigen Herzens und mit der nötigen Würde übernehmen könntest. Darum bestimme ich Dich mit diesem Schreiben zu meinem Legaten bei der freudigen Feier, die in der Stadt Köln vom kommenden 14.-16. August zum 750. Jahrestag des Beginns des Dombaues stattfinden wird. Du wirst mich bei den Bischöfen und dem katholischen Volk vertreten: wirst bei den feierlichen Handlungen den Vorsitz führen, wirst meinen Gruß und mein Wohlwollen gegenüber dieser ehrwürdigen Kirche übermitteln und Zeichen für meine geistige Anwesenheit sein. 633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im übrigen bitte ich den Herrn, er wolle diese festlichen Stunden zu einer lichtvollen Feier gestalten, zu der sich eine große Menge von Gläubigen einfindet, wie es sich für dieses schöne alte Gotteshaus ziemt, das ich selbst mit Freude mehrmals besucht und bewundert habe. Von Herzen empfehle ich Deine Aufgabe Maria, der in den Himmel aufgenomme-nen Königin. Und als Zeichen meines Wohlwollens spende ich Dir mit großer Freude den Apostolischen Segen, an dem Du in reicher Fülle allen Anteil geben wirst, die an den freudevollen Feiern teilnehmen. Aus dem Vatikan am 22. Juni 1998, im zwanzigsten Jahr des Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Brüderlichkeit leben im Dienst der Weltkirche Ansprache bei der Audienz für die Schweizergarde aus Anlass der Vereidigung der neuen Rekruten am 27. Juni Herr Oberst, Herr Kaplan, liebe Freunde der Schweizergarde, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, euch aus Anlass der Vereidigung der neuen Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde im Hause des Nachfolgers Petri zu empfangen. Meine herzlichen Dankesworte gehen an Oberst Roland Buchs, der das Interim in einer schwierigen Zeit mit großer Hingabe abgesichert hat. Zunächst drücke ich meine herzlichen Empfindungen dem neuen Kommandanten, Oberst Pius Segmüller, und dem stellvertretenden Kommandanten, Oberstleutnant Elmar Theodor Mäder, die den Dienst im Korps der Schweizergarde übernommen haben und ihre Aufgaben bald übernehmen werden. Meinen Dank sage ich auch den schweizerischen Obrigkeiten für die Förderung der Nominierung. Meine besten Wünsche gelten auch den Offizieren, den Unteroffizieren und allen Mitgliedern des berühmten Korps, die mit Mut, Treue und Loyalität ihren Auftrag im Dienst des Hl. Stuhls erfüllen. Wir können heute nicht diejenigen vergessen, die uns kürzlich während einer Tragödie verlassen haben, die für uns Anlass zur Trauer bleibt, aber zugleich auch ein Appell ist, treu zu Gott zu stehen und aufgeschlossen gegenüber unserer Umgebung zu sein. Die große Familie der Schweizergarde muss ihren Sendungsauftrag fortsetzen: Ihre Geschichte und ihre Großherzigkeit sind ein Zeugnis vor den Augen der Katholiken und aller Nationen. 634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seine in französischer Sprache begonnene Ansprache setzte der Papst in deutscher Sprache fort: 2. Ich richte einen Willkommensgruß an alle Eltern wie auch an die Freunde und Verwandten, die an dieser Vereidigung teilnehmen und gekommen sind, um die jungen Rekruten ihrer Liebe und Zuneigung zu versichern. Ihnen gilt mein Dank für ihre Anwesenheit, die Zeichen der Verbundenheit der Schweizer Katholiken mit der Kirche und mehr noch dem Stuhl Petri sind. Liebe junge Männer, im Lauf eures Dienstes werdet ihr eine außergewöhnliche Zeit erleben. Denn ihr nehmt am Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend teil. Diese Zeit wird eine besondere Gelegenheit zur Vorbereitung darauf sein, eure Zukunft als Männer und Christen zu gestalten. Euer Wunsch, heute der Kirche zu dienen und einige Jahre eures Lebens dafür zu widmen, den Papst zu beschützen, drückt eure Bereitschaft aus, an der Seite Jesu Christi euren Weg zu gehen alle Tage eures Lebens und dabei im Gebet und in der Brüderlichkeit wachsam zu bleiben. Trotz der bisweilen drückenden Belastungen des Dienstes wünsche ich euch, dass ihr euren Glauben und eure Liebe zur Kirche festigen könnt. Ihr sollt einander auch im Vertrauen stützen und euren Brüdern Gehör schenken; dies ist eine Pflicht, die jeder von euch gegenüber seinen Kameraden hat. In Italienisch sagte der Papst: 3. Die heutige Vereidigung bietet mir erneut einen Anlass, allen Mitgliedern des Korps der Päpstlichen Schweizergarde meine lebhafteste Dankbarkeit auszudrücken für ihre Treue zum Nachfolger Petri und für die Aufmerksamkeit, mit der sie über die Ordnung und über die Sicherheit innerhalb der Mauern der Vatikanstadt wie auch in Castel Gandolfo und überall, wo der Papst sich aufhält, wachen. Ich weiß, meine Lieben, dass ihr bemüht seid, mit Höflichkeit und Freundlichkeit die Pilger zu empfangen, die mit dem Herannahen des dritten Jahrtausends immer zahlreicher werden. Auf diese Weise bietet ihr ein wichtiges Zeugnis herzlicher Verbundenheit mit dem Vatikan und der Kirche. Ich bitte den Herrn, euch euren wertvollen Dienst zu vergelten und auch eure Angehörigen mit seinen himmlischen Gaben überreich zu bedenken. Mit diesen Empfindungen erteile ich allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. 635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsam den Willen des Herrn für Kirche und Menschen besser verstehen Ansprache beim Besuch einer Delegation des Ökumenischen Patriarchates Konstantinopel zum Fest Peter und Paul am 28. Juni Liebe Brüder in Christus! Herzlich heiße ich Sie willkommen, die Delegierten des Ökumenischen Patriarchates, die Sie anlässlich des Festes der Apostel Petrus und Paulus nach Rom gekommen sind, um an der festlichen Eucharistiefeier teilzunehmen. Seit einer Reihe von Jahren treffen sich bei diesem brüderlichen Austausch Vertreter der Kirche, die ihren Anfang dem Apostolat der hll. Petrus und Paulus hier in Rom verdankt, und der Kirche, die ihren Ursprung auf den hl. Andreas zurückführt. Petrus und Andreas, die beiden Brüder und Apostel, Patrone der Kirche von Rom und der Kirche von Konstantinopel, bringen ihre vom Herrn empfangene Berufung zur Verkündigung der Frohen Botschaft vom Gottesreich in Erinnerung: „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Men-schenfischem machen“ (Mt 4,18-19). Das ist die geheimnisvolle, in ihrem Stand als Fischer vorbedeutend angekündigte Berufung, die jetzt einen neuen und höheren Sinn bekommt. Jesus selbst ist das vollkommene Beispiel für das, was die Aufgabe des Apostels ist: „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden“ {Mt 4,23). Das ist zu allen Zeiten und an allen Orten die bleibende Aufgabe der Jünger des Herrn: das Reich Gottes verkünden und dem Gottesvolk Heilung bringen von den Übeln, die es belasten. Beim Nahen des dritten Jahrtausends lässt der Heilige Geist uns erkennen, wie dringend es ist, dieser Aufgabe intensiver nachzukommen. Und auch das Zeugnis der christlichen Einheit wird noch zwingender: „Alle sollen eins sein [...] damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ {Joh 17,21). In dieser Perspektive rufe ich mit Freude die Gemeinsame Erklärung in Erinnerung, die Seine Heiligkeit Bartholomaios I. und ich unterzeichnet haben und in der wir Katholiken und Orthodoxe dringend auffordem, „diese Pilgerschaft zum Jubiläum im Geiste gemeinsam zu machen“. Wir brachten unsere gemeinsame Überzeugung mit den Worten zum Ausdruck: „Die Reflexion, das Gebet, der Dialog, die gegenseitige Vergebung und die gegenseitige brüderliche Liebe werden uns dem Herrn noch näher bringen und uns helfen, seinen Willen für die Kirche und die Menschheit besser zu verstehen“ {Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., 29.6.1995; in: O.R. dt. 7.6.95, S. 1). Ihre Anwesenheit unter uns zum Hochfest der Apostel Petrus und Paulus ist ein klares Zeichen unseres gemeinsamen Willens, diesen Weg in brüderlicher Liebe 636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und in Liebe zur Wahrheit zu unternehmen, im Vertrauen auf Jesus Christus, den einen Herrn und Erlöser der Welt. Ich bitte Sie, Seine Heiligkeit den Ökumenischen Patriarchen herzlich zu grüßen und meiner brüderlichen Zuneigung zu versichern. Möge Gott, der das gute Werk in uns begonnen hat, es zur Vollendung bringen. Amen. Jerusalem und Rom — Mittelpunkte im Leben der Kirche Predigt am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni 1. Das feierliche Gedächtnis der Apostel Petrus und Paulus lädt uns wiederum ein, im Geist eine Pilgerfahrt zum Abendmahlssaal in Jerusalem zu unternehmen, und zwar am Tag der Auferstehung Christi. Die Türen waren „verschlossen [...] aus Furcht vor den Juden“ (vgl. Joh 20,19). Die dort anwesenden Apostel, durch das Leiden und den Tod des Meisters schon zutiefst betroffen, waren bestürzt durch die im Lauf des Tages immer wieder eintreffenden Nachrichten über das leere Grab. Und nun steht - trotz der verschlossenen Tür - plötzlich Jesus da und sagt: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,21-23). Er beteuert das mit einer Macht, die keinen Zweifel zulässt. Und die Apostel glauben ihm, denn sie erkennen: Er ist derselbe, den sie gekannt hatten; er ist derselbe, dem sie zugehört hatten; er ist derselbe, der vor drei Tagen auf Golgota gekreuzigt und nicht weit davon begraben worden war. Er ist der Gleiche: Er lebt. Um ihnen zu versichern, dass er es wirklich ist, zeigt er die Wunden an den Händen und Füßen und die Seitenwunde. Seine Wunden bilden den Hauptbeweis für das, was er soeben gesagt hat, und bestätigen die Sendung, die er ihnen überträgt. Die Jünger machen so die volle Erfahrung der Identität ihres Meisters, und gleichzeitig begreifen sie zutiefst, woher er die Macht hat, die Sünden nachzulassen, eine Macht, die nur Gott eigen ist. Jesus hatte einmal zu einem Gelähmten gesagt: „Deine Sünden sind dir vergeben“, und vor den entrüsteten Pharisäern hatte er ihn als Beweis seiner eigenen Macht geheilt (vgl. Lk 5,17-26). Nun kehrt er zu den Aposteln zurück, nachdem er sein größtes Wunder vollbracht hat: seine Auferstehung, in die in einzigartiger und beredter Weise die Macht der Sündenvergebung eingeschrieben ist. Ja, es stimmt! Nur Gott kann die Sünden vergeben. Aber Gott hat dieses Werk durch seinen gekreuzigten und auferstandenen Sohn vollbringen wollen, damit jeder Mensch in dem Augenblick, in welchem er die Vergebung seiner Schuld empfängt, klar erkenne, dass er auf diese Weise vom Tod zum Leben übergeht. 2. Wenn wir mit unseren Gedanken bei dem eben verkündigten Abschnitt aus dem Evangelium verweilen, dann führt uns das weiter zurück ins Leben Christi und lässt uns über eine höchst bedeutsame Episode nachdenken, die sich bei Cäsarea 637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Philippi ereignete. Dort fragt er die Jünger: „Für wen halten die Leute den Menschensohn? [...] für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,13-15). Im Namen aller antwortet Simon Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). Auf dieses Glaubensbekenntnis folgen die bekannten Worte Jesu, die dazu bestimmt sind, für immer die Zukunft des Petrus und der Kirche zu bezeichnen: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Heisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,17-19). Die Schlüsselgewalt. Der Apostel wird zum Verwahrer der Schlüssel zu einem unermesslichen Schatz: dem Schatz der Erlösung. Ein Schatz, der weit über die zeitliche Dimension hinausgeht. Es ist der Schatz des göttlichen Lebens, des ewigen Lebens. Nach der Auferstehung wurde er endgültig Petrus und den Aposteln anver-traut: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Wer die Schlüssel besitzt, der hat die Befugnis und die Verantwortung, zu schließen und zu öffnen. Jesus befähigt Petrus und die Apostel dazu, die Gnade der Sündenvergebung auszuteilen und endgültig die Pforten des Himmelreiches zu öffnen. Nach seinem Tod und seiner Auferstehung begreifen sie die ihnen übertragene Aufgabe, und mit diesem Bewusstsein wenden sie sich an die Welt, getrieben von der Liebe ihres Meisters. Sie gehen als seine Gesandten (vgl. 2 Kor 5,14.20) überallhin, denn die Zeit des Gottesreiches ist nun ihr Erbe geworden. 3. Heute feiert die Kirche, insbesondere die von Rom, das Gedächtnis der hll. Petrus und Paulus. Rom, das Herz der in der Welt verstreuten katholischen Gemeinschaft; Rom, der Ort, den die Vorsehung zum Sitz des endgültigen, von diesen beiden Aposteln Christus dargebotenen Zeugnisses bestimmt hat. O Romafelix! In deiner so langen Geschichte ist der Tag ihres Martyriums sicherlich der bei weitem bedeutendste. An diesem Tag wurden durch das Zeugnis des Petrus und des Paulus, die aus Liebe zu Christus starben, die Pläne Gottes in dein an Ereignissen reiches Erbe eingeschrieben. Die Kirche, die auf den Beginn des dritten Jahrtausends zugeht - tertio millennio adveniente — hört nicht auf, der ganzen Menschheit diese Pläne zu verkünden. 4. An diesem so festlichen Tag kommen nach einer bedeutsamen Tradition die im Lauf des Vorjahres ernannten Metropolitan-Erzbischöfe in Rom zusammen. Sie sind aus verschiedenen Teilen der Welt gekommen, um vom Nachfolger des Petrus das geweihte Pallium als Zeichen der Gemeinschaft mit ihm und mit der Universalkirche entgegenzunehmen. Mit großer Freude empfange ich euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, und ich umarme euch im Herrn! Jedem von euch spreche ich meinen herzlichen Dank aus für eure Anwesenheit, die in einzigartiger Weise drei der wesentlichen Merkmale 638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche zum Ausdruck bringt: dass sie nämlich eine, katholische und apostolische Kirche ist. Was ihre Heiligkeit betrifft, so tritt sie im Zeugnis der „Säulen“ Petrus und Paulus voll ins Licht. Wenn ich mit euch die Eucharistie feiere, dann bete ich in besonderer Weise für die eurer Hirtensorge anvertrauten kirchlichen Gemeinschaften. Ich rufe über sie in reichem Maß die Ausgießung des Heiligen Geistes herab, der ihnen Führer sei, die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends voll Glauben, Hoffnung und Liebe zu überschreiten. 5. Im übrigen ist die Anwesenheit der ehrwürdigen Brüder der Orthodoxen Kirche, der Delegaten des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, unter uns ein Gmnd zu besonderer, trostvoller Freude. Ich danke ihnen von Herzen für dieses erneute Zeichen der Ehrerbietung gegenüber dem Gedächtnis der hll. Apostel Petras und Paulus, und mit innerer Bewegung denke ich daran, wie vor nunmehr drei Jahren zu diesem feierlichen Anlass Seine Heiligkeit Bartholomaios I. zu einer Begegnung mit mir nach Rom kommen wollte: damals hatten wir gemeinsam die Freude, am Grab des Petrus den Glauben zu bekennen und die Gläubigen zu segnen. Solche Zeichen gegenseitiger geistlicher Nähe sind providentiell, besonders in dieser Zeit der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend: Alle Christen, und in besonderer Weise die Hirten, sind aufgefordert, Zeichen der Liebe zu setzen, die, in Achtung der Wahrheit, dem Evangelium getreu, den Einsatz für die volle Einheit erkennen lassen und sie zugleich fördern, nach dem Willen des einen Herrn Jesus. Der Glaube sagt uns, dass der ökumenische Weg fest in den Händen Gottes liegt, aber die eifrige Mitwirkung der Menschen erfordert. Heute wollen wir den Ausgang der Fürsprache der hll. Apostel Petras und Paulus empfehlen, die für die Kirche ihr Blut vergossen haben. 6. Jerusalem und Rom, die beiden Pole des Lebens von Petras und Paulus, die beiden Pole der Kirche, die die Liturgie uns heute in Erinnerung gerufen hat: vom Abendmahlssaal in Jerusalem zu diesem „Abendmahlssaal“ der Vatikanbasilika. Das Zeugnis von Petras und Paulus nahm seinen Anfang in Jerusalem und fand seine Vollendung in Rom. So hat es die göttliche Vorsehung gewollt, die sie aus vorausgehenden Todesgefahren befreite, aber zuließ, dass sie ihren Lauf (vgl. 2 Tim 4,7) in Rom vollendeten und hier die Krone des Martyriums empfingen. Jerusalem und Rom sind auch die beiden Pole des Großen Jubiläums des Jahres Zweitausend, dem uns die jetzige Feier mit dem inneren Schwung des Glaubens näher bringt. Möge das Zeugnis der hll. Apostel dem ganzen Gottesvolk den wahren Sinn dieses Zielpunktes in Erinnerung rufen, der zwar eine historische Markierung bedeutet, aber die Geschichte übersteigt und sie mit der dem Reiche Gottes eigenen geistlichen Dynamik umgestaltet. Mit diesem Ausblick macht sich die Kirche die Worte des Völkerapostels zu eigen: „Der Herr wird mich allem Bösen entreißen, er wird mich retten und in sein himmlisches Reich führen. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen“ (2 Tim 4,18). 639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Förderung des Rechtes auf Religionsfreiheit Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat „Justitia et Pax“ veranstalteten Weltkongresses über die Menschenrechte (50 Jahre nach der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) am 4. Juli Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren! 1. Mit besonderer Freude empfange ich heute morgen hier die Teilnehmer am „Weltkongress über die Pastoral der Menschenrechte“, den der päpstliche Rat „Justitia et Pax“ im Rahmen der vom Hl. Stuhl unternommenen Initiativen einberufen hat, um das fünfzigjährige Bestehen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu feiern. Von ganzem Herzen danke ich dem neuen Präsidenten des päpstlichen Rates, Bischof Francois-Xavier Nguyen Van Thuän, für die Vorstellung Ihrer Arbeiten. Und ich schätze mich glücklich, dass mir Gelegenheit gegeben ist, dem scheidenden Präsidenten, dem lieben, unermüdlichen Kardinal Roger Etche-garay, meine lebhafte Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen für die Hingabe und die Kompetenz, womit er vierzehn Jahre lang das Dikasterium geleitet hat. Ich grüße alle Teilnehmer und mit ihnen die Mitglieder, Konsultoren und Mitarbeiter des päpstlichen Rates. Die Anwesenheit von Vertretern der anderen christlichen Kirchen und verschiedener internationaler Organisationen ist ein Zeichen unserer gemeinsamen Sorge und unseres Einsatzes für die Förderung der Würde der menschlichen Person in der Welt von heute. 2. Das Thema vom Plan Gottes für die menschliche Person und von der „menschlichen Dimension im Geheimnis der Erlösung“ war einer der Hauptgegenstände meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis (vgl. Nr. 10). Den Menschen als den „ersten und grundlegenden Weg der Kirche“ (Nr. 14) betrachtend, habe ich auf die Bedeutung der „objektiven und unverletzlichen Menschenrechte“ (Nr. 17) hingewiesen, die inmitten der Wechselfälle unseres Jahrhunderts nach und nach auf der internationalen Ebene zum Ausdruck gebracht wurden, besonders in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. In der Folge habe ich während meines ganzes Dienstes als Hirte der Universalkirche vor allem Wert darauf gelegt, dem Schutz und der Förderung der Würde der Person und ihrer Rechte auf allen Lebensstufen und in allen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Als ich in der Enzyklika Redemptor hominis die Spannung zwischen einerseits den Hoffnungszeichen für die Gewährleistung der Menschenrechte und andererseits den schmerzlichen Zeichen eines Zustandes der Bedrohung für den Menschen analysierte, habe ich die Frage nach dem „Buchstaben“ und dem „Geist“ dieser Rechte gestellt (vgl. Nr. 17). 640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch heute noch kann man den Graben feststellen, der zwischen dem „Buchstaben“ besteht, der auf internationaler Ebene in zahlreichen Dokumenten anerkannt ist, und dem „Geist“, der zur Zeit weit davon entfernt ist, respektiert zu werden. Denn unser Jahrhundert ist noch von schweren Verletzungen der fundamentalen Rechte gekennzeichnet. Es gibt auf der Welt noch immer zahllose Menschen -Frauen, Männer und Kinder -, deren Rechte grausam verhöhnt werden. Wie viele Menschen gibt es, die zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt sind, der Möglichkeit, sich frei ausdrücken oder ihren Glauben an Gott frei bekennen zu können? Wie viele sind Opfer von Folterung, Gewalttat und Ausbeutung? Wie viele Menschen können infolge von Krieg, ungerechter Diskriminierung, Arbeitslosigkeit oder anderen verheerenden wirtschaftlichen Situationen nicht zum vollen Genuss der Würde gelangen, die Gott ihnen gegeben hat, und der Gaben, die sie von ihm empfangen haben? 3. Das Hauptziel der Pastoral der Menschenrechte ist also, dahin zu wirken, dass die dem „Buchstaben“ nach erfolgte Annahme der Menschenrechte überall und auf wirksamste Weise die tatsächliche Verwirklichung ihres „Geistes“ zur Folge habe, angefangen bei der Wahrheit über den Menschen, der gleichen Würde jeder Person, ob Mann oder Frau, erschaffen als Abbild Gottes und in Christus Kind Gottes geworden. Auf unserem Planeten hat jeder Mensch das Recht, die „Wahrheit über den Menschen“ zu kennen und danach leben zu können, jeder nach seiner persönlichen und unersetzbaren Identität, mit seinen Geistesgaben, seinem schöpferischen Sinn und seiner Arbeit, in seiner Familie - die ihrerseits ebenfalls besondere Rechte genießt - und in der Gesellschaft. Jeder Mensch hat das Recht, die Gaben, die er von Gott erhalten hat, voll zu entfalten. Folglich ist jede Handlung, die der Würde des Menschen Hohn spricht und die ihn um die Möglichkeit bringt, sich zu verwirklichen, eine Handlung, die zum Plan Gottes für den Menschen und für die ganze Schöpfung im Gegensatz steht. Die Pastoral der Menschenrechte steht also in enger Beziehung zu der Sendung, die in der Welt von heute der Kirche selbst obliegt. Die Kirche kann in der Tat nie den Menschen im Stich lassen, dessen Los eng und unauflöslich mit Christus verbunden ist. 4. Das zweite Ziel der Pastoral der Menschenrechte besteht darin, objektiv, loyal und verantwortungsbewusst die „wesentlichen Fragen zu stellen, die die Situation des Menschen heute und in Zukunft betreffen“ (vgl. Redemptor Hominis, Nr. 15). In dieser Hinsicht kann man feststellen, dass den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, unter denen die Menschen leben, heute eine besondere Bedeutung zukommt. Das Andauem der extremen Armut, die in einer von humanistischen und wissenschaftlichen Fortschritten gekennzeichneten Welt im Gegensatz steht zum Überfluss bei einem Teil der Bevölkerung, ist ein wirklicher Skandal und bildet eine der Situationen, die zur gegenwärtigen Stunde die volle Ausübung der Menschenrechte am schwersten behindern. 641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie werden sicherlich bei Ihren Tätigkeiten fast täglich festgestellt haben, wie sich die Armut, der Hunger oder die Unmöglichkeit des Zugangs zu den elementarsten Diensten auswirken auf das Leben der Menschen und auf den Kampf um ihr eigenes Dasein und um das der ihnen Nahestehenden. Zu oft werden die aufgrund ihrer schwierigen Lage ärmsten Menschen die am schwersten Betroffenen bei den Wirtschaftskrisen, die die Entwicklungsländer heimsuchen. Der wirtschaftliche Wohlstand - daran muss erinnert werden - ist zuerst die Frucht der menschlichen Arbeit, einer redlichen und oft mühsamen Arbeit. Die neue Wirtschaftsstruktur auf Weltebene muss auf der Grundlage der Würde und der Rechte der Person beruhen, vor allem auf der des Rechtes auf Arbeit und des Schutzes des Arbeiters. Das erfordert folglich heute erneute Aufmerksamkeit hinsichtlich der sozialen und wirtschaftlichen Rechte im allgemeinen Rahmen der allen gemeinschaftlich zustehenden Menschenrechte. Es ist wichtig, jeden Versuch der Leugnung einer realen juridischen Konsistenz auf diesen Rechten zurückzuweisen, und es muss noch einmal gesagt werden, dass die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten aufgerufen ist - öffentliche Führungsinstanzen, Unternehmerschaft, Zivilgesellschaft um zu ihrer wirksamen und vollen Ausübung zu gelangen. 5. In der Pastoral der Menschenrechte kommt der erzieherischen Dimension heute besondere Bedeutung zu. Die Erziehung zur Achtung der Menschenrechte wird naturgemäß die Schaffung einer wahren Kultur der Menschenrechte mit sich bringen, die notwendig ist, damit der Rechtszustand funktioniert und damit die internationale Gesellschaft wirklich auf der Achtung des Rechtes gegründet ist. In Rom findet zur Zeit die diplomatische Konferenz der Vereinten Nationen zur Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes statt. Ich habe den Wunsch, dass diese Konferenz, wie alle hoffen, zur Schaffung einer neuen Institution führt, um die Kultur der Menschenrechte auf Weltebene zu schützen. Die vollständige Respektierung der Menschenrechte wird in der Tat in jede Kultur integriert werden können. Die Menschenrechte sind von ihrer Natur her universal, denn sie haben als ihre Quelle die gleiche Würde jeder Person. Bei aller Anerkennung der auf der Welt vorhandenen kulturellen Verschiedenheit und der verschiedenen Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung muss mit Nachdruck wiederholt werden, dass die Menschenrechte jede Person betreffen. Wie ich in der Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag erklärt habe (Nr. 2), darf das Argument der kulturellen Besonderheit nicht angewandt werden, um Verletzungen der Menschenrechte zu verdecken. Vielmehr muss ein integrales Konzept der Rechte jeder Person auf Entwicklung gefördert werden in dem Sinn, in welchem mein Vorgänger Paul VI. die „integrale“ Entwicklung wünschte, das heißt die Entwicklung jedes Menschen und des ganzen Menschen (vgl. Populorum progressio, Nr. 14). Wollte man die Förderung eines einzelnen Rechtes oder einer einzigen Kategorie von Rechten in den Mittelpunkt der Reflexion stellen zum Schaden der Gesamtheit der Menschenrechte, so würde das einen Verrat am Geist der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte selbst bedeuten. 642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Die Pastoral der Menschenrechte muss von ihrer eigenen Natur her besonders an die geistliche und transzendente Dimension der Person anknüpfen, besonders im augenblicklichen Kontext, der die Tendenz erkennen lässt, den Menschen auf eine einzige seiner Dimensionen, nämlich die wirtschaftliche, einzuschränken, und Entwicklung vor allem nach wirtschaftlichen Begriffen zu betrachten. Aus der Reflexion über die transzendente Dimension der Person ergibt sich die Verpflichtung, das Recht auf Religionsfreiheit zu fördern. Dieser Pastoralkongress gibt mir Gelegenheit, meine Solidarität und meine Unterstützung im Gebet im Hinblick auf all jene zum Ausdruck zu bringen, die in der Welt heute noch nicht voll und frei dieses Recht persönlich und als Gemeinschaft ausüben können. Mein dringender und erneuter Aufruf richtet sich an die Verantwortlichen der Nationen, für alle ihre Bürger die konkrete Verwirklichung dieses Rechtes zu gewährleisten. Bei den Gläubigen werden die Behörden in der Tat Männer und Frauen des Friedens finden, die im Hinblick auf den Aufbau einer gerechteren und friedlicheren Gesellschaft mit allen Zusammenarbeiten wollen. 7. Ich danke Ihnen allen, nicht nur für Ihre Teilnahme an diesem Kongress, sondern auch für ihr tägliches Zeugnis und Ihr erziehendes Wirken in der christlichen Gemeinschaft. Mit Ihnen gedenke ich des Zeugnisses derer, die in unserer Zeit ihre Treue zur Botschaft Christi über die Würde des Menschen gelebt haben im Verzicht auf ihre eigenen Rechte, aus Liebe zu ihren Brüdern und Schwestern. Ich vertraue Ihre verschiedenen Aufgaben Maria, der Mutter der Kirche, an. Sie wird Ihnen helfen, dass auch Sie, wie sie selbst, in den tiefsten Sinn des großen Mysteriums der Erlösung des Menschen eindringen. Ihnen allen und denen, die Ihnen nahe stehen, sowie allen, die mit Ihnen im Einsatz sind, erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Unverzichtbare Kennzeichen monastischer Identität aufzeigen Botschaft an den Generalabt der Olivetaner zum 650. Todesjahr des sei. Bemardo Tolomei vom 1. August An den hochwürdigsten Pater Michelangelo Riccardo M. Tiribilli Generalabt der Benediktiner-Kongregation vom Monte Oliveto 1. Dieses Jahr ist das 650. Jahr seit dem Heimgang des sei. Bemardo Tolomei, des leidenschaftlichen „Gottsuchers“ (vgl. Regel des hl. Benedikt, 58,7; Die Benedik-tusregel, lateinisch/deutsch, hrsg. im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, Beu-ron 1992, S. 205), auf dessen Gedächtnis sich diese monastische Kongregation mit Freude vorbereitet. Gern möchte ich zu diesem glücklichen Anlass an Sie, hochwürdigster Pater, und an die ganze monastische Kongregation der Olivetaner mei- 643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen wohlwollenden Gruß richten und mich dem gemeinsamen Hymnus des Lobes und des Dankes an den Herrn anschließen, der seiner Kirche einen so hervorragenden Zeugen des Evangeliums geschenkt hat. Durch ein von der Vorsehung gefügtes Zusammentreffen fällt dieser Gedenktag in das zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000, das dem Heiligen Geist geweihte Jahr. Die leuchtende Gestalt des sei. Ber-nardo, des Gründers von „Schulen für den Dienst des Herrn“ {Regel, Prolog, 45; a.a.O., S. 71), ist ein einzigartiges Beispiel für die Präsenz und das Wirken des Heiligen Geistes. Er ist die Quelle der zahlreichen verschiedenen Charismen, von denen die Braut Christi lebt. In das Herz des sei. Bemardo wurde in Fülle „die Liebe Gottes ausgegossen ... durch den Heiligen Geist“ (vgl. Rom 5,5), der ihn so zu einem Zeichen des auferstandenen Herrn gemacht hat. Dank dessen konnte er hervorragen „in der Berufung, zu der er von Gott gerufen wurde ... zu vollerer Heiligkeit der Kirche und zur größeren Ehre der Dreifaltigkeit“ {Lumen Gentium, Nr. 47), auch dazu bestellt, „Träger des Kreuzes zu werden“ (vgl. Vita consecrata, Nr. 6), worauf bedeutsam der Name „Monte Oliveto“, Ölberg, hinweist, den er der öden Gegend von Accona gab. Bemardo - „der Liebe zu Christus nichts vorziehen[d]“ {Regel, 4,21; S. 239) -fügte sich mit dynamischer Treue in jene ununterbrochene, erprobte Tradition der Vortrefflichkeit, Schönheit und Fruchtbarkeit der benediktinischen Spiritualität ein. 2. Sein außergewöhnliches Erleben des gestorbenen und auferstandenen Christus war „Erfahrung des Geistes, gelebt und weitergegeben“ {Mutuae relationes, Nr. 11) an die von ihm gegründete monastische Kongregation, die heute in vielen Ländern der Welt verbreitet ist. Da nun das dritte Jahrtausend des christlichen Zeitalters nahe ist, beabsichtigt die geistliche Familie der Olivetaner, voll Hoffnung auf die Zukunft ausgerichtet, mutig wieder ihre Berufung im Dienst des Evangeliums zu festigen. Sie empfindet die dringende Notwendigkeit, „demütig-hohen Dienst vor der göttlichen Majestät“ {Perfectae caritatis, Nr. 9) zu leisten, „das Gut des Gehorsams“ {Regel, 71,1; a.a.O., S. 237) mit Freude anzunehmen, „die Bruderliebe einander selbstlos zu erweisen“ {Regel, 72,8; a.a.O., S. 239), fortzuschreiten in „Beständigkeit und klösterlichem Lebenswandel“ (vgl. Regel, 58,17; a.a.O., S. 207) und in der Übung der Demut (vgl. Regel, 7; a.a.O., S. 101 f.). Besonders durch eine gepflegte Feier des „Opus Dei“, reich an kontemplativer Dichte, wussten die Olivetaner auch inmitten vieler Prüfungen, ihre Gemeinschaften im Lauf der Jahrhunderte immer mehr zu Stätten des Schweigens, des Friedens, der Brüderlichkeit und ökumenischer Feinfühligkeit zu machen. Auf diese Weise wurden die olivetanischen Klöster ein vielsagendes Zeugnis für Gemeinschaft, gastfreundliche Stätten für jene, die Gott und die geistlichen Wirklichkeiten suchen, Glaubensschulen und Werkstätten des Studiums, des Dialogs und der Kultur. 3. Das 650. Gedächtnisjahr des Todes des sei. Bemardo bildet daher eine gute Gelegenheit, mit neuer Entschiedenheit die Aktualität des Charismas dieses Ordens 644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sichtbar zu machen. In Erinnerung an das radikale Zeugnis, das das monastische Leben des Gründers bietet, wird es nicht schwer sein, die aus der Situation des Mönchtums seiner Zeit sich ergebenden Gründe für seine Entscheidung deutlich zu machen, die ihn eine neue benediktinische Kongregation gründen ließen. Sie unterscheidet sich von den anderen durch „eine eigene Struktur, kraft derer die Mönche ihre Profeß in die Hände des Generalabtes oder eines von ihm Bevollmächtigten ablegen und kraft derer sie, auch wenn sie in verschiedenen Klöstern leben, so mit der Erzabtei Monte Oliveto Maggiore verbunden sind, daß sie eine einzige Familie bilden, nicht nur durch ihre Verbundenheit in Liebe, sondern auch aufgrund des rechtlichen Bandes“ (Olivetanische Konstitutionen, 1). Dieses sein „Neu-Lesen“ der Regel des hl. Benedikt wird, wie ich weiß, in Ihrem bevorstehenden Generalkapitel Gegenstand der Reflexion und der klärenden Unterscheidung sein, eine wichtige Überprüfung Ihrer charismatischen Identität. Von Herzen wünsche ich, dank Ihres Einsatzes und der Zusammenarbeit aller möge die geschichtliche Erinnerung an Ihren Ursprung zum lebendigen Gedenken werden, das Ihr Apostolat mit neuem Schwung prägt. Da das Charisma unterschieden werden muss von den unwesentlichen Formen, in denen es in der Vergangenheit ausgedrückt wurde, wird es angebracht sein, eine ausgewogene und realistische Überprüfung nach den Grundsätzen der Subsidiarität und der Komplementarität vorzunehmen, wie sie schon in Ihre Konstitutionen aufgenommen sind, die aber vielleicht auf neue Erläuterungen warten, um besser auf die heutige Situation Ihrer Kongregation einzugehen. 4. Wir wollen dem Herrn danken, weil Ihre Kongregation in den mehr als sechs Jahrhunderten ihres Daseins die Erfahrung gemacht hat, dass die göttliche Vorsehung die Mönche auf Wegen wahrer religiöser Vollkommenheit geführt hat. Insbesondere wusste die Kongregation stets jenes charakteristische monastische Apostolat, die Gastfreundschaft, lebendig zu erhalten, indem sie denen, die das Bedürfnis nach einem idealen Platz empfinden, um mit sich selbst, mit den andern und mit Gott ins Reine zu kommen, „dienstbereite Liebe“ {Regel, 53,3; a.a.O., S. 193) entgegenbringen. Es ist wichtig, dass die Mönche für ihre Gäste Zeugen der göttlichen Tugend der Hoffnung sind und ihnen auf diese Weise bei ihrer täglichen Aufgabe helfen, die Geschichte nach dem Plan Gottes umzugestalten. Es ist mein herzlicher Wunsch, in der treuen Beobachtung der Konstitutionen möge die berechtigte Verschiedenheit jedes Klosters den geistlichen Reichtum dessen fördern, was die olivetanische Tradition „unum corpus“ nennt. Diese Tradition macht aus Ihrer Kongregation eine brüderliche ,Agape“ der Gemeinschaft und steht am Ursprung jenes einzigartigen Bandes zwischen Mönchen und Klöstern, das Ihre kontemplative Familie gut kennzeichnet. In diesem Sinn werden die Kapitelsväter berufen sein, angemessene Weisen zu finden, in zeitentsprechenden Formen dieses unverzichtbare Kennzeichen ihrer mona-stischen Identität auszudrücken. Das geschehe sowohl auf der Basis der gegenwärtigen Wirklichkeit der Kongregation, die nun international geworden ist, als auch 645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hinsichtlich der geschichtlich und kirchlich tiefgehend veränderten Lage, in der sie berufen sind, die Kongregation präsent zu machen. Durch eine kluge, bedachtsame Neuformulierung der Absichten, die den sei. Ber-nardo am Ursprung der Gründung geleitet haben, lasse der Heilige Geist in jedem ihrer Mitglieder die besondere Gabe wieder lebendig werden, die Gott Ihrer kontemplativen Familie anvertraut hat. 5. Auf alle Olivetanermönche rufe ich den mütterlichen Schutz Marias herab, deren Name leuchtend in der offiziellen Bezeichnung Ihrer Ordensfamilie steht, denn sie heißt ja Benediktiner-Kongregation der Seligsten Jungfrau Maria vom Monte Oli-veto. Sie, die Pilgerin im Glauben, bitte ich, Ihre Schritte auf dem Weg zum dritten Jahrtausend zu lenken und weiterhin die Kongregation mit den Gaben geistlicher Fruchtbarkeit zu erfüllen, die ihre ruhmvolle Vergangenheit gekennzeichnet haben und die, dessen bin ich sicher, auch ihre Zukunft auszeichnen werden. Mit diesen Wünschen rufe ich über die Kongregation den himmlischen Schutz der Gottesmutter und des sei. Bemardo Tolomei herab und erteile in Liebe Ihnen, Hochwürdigster Pater, Ihren Mitbrüdem, den Olivetanermönchen, und allen, denen ihr täglicher religiöser und geistlicher Dienst gilt, einen besonderen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, 1. August 1998 Joannes Paulus PP. II Maria - Hoffnung für die Kirche und Hoffnung für die Menschheit Predigt bei der Eucharistiefeier in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 1. „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Mit diesen Worten empfing Elisabet Maria, die gekommen war, sie zu besuchen. Diese Seligkeit hallt wider im Himmel und auf Erden von Geschlecht zu Geschlecht (vgl. Lk 1,48) und in besonderer Weise bei unserer heutigen Festfeier. Maria ist selig, weil sie sofort an das Wort des Herrn geglaubt hat, weil sie ohne Zögern auf den Willen des Allerhöchsten gehört hat, der ihr vom Engel bei der Verkündigung überbracht worden war. In der Reise Mariens von Nazaret nach En-Karim, von der das Evangelium heute berichtet, können wir gleichsam eine vorausdeutende Darstellung ihres besonderen geistlichen Pilgerweges sehen, der - begonnen mit dem „Ja“ am Tag der Verkündigung - seinen Höhepunkt in der Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel erreicht. Ein Weg zu Gott, immer durch den Glauben erhellt und gestützt. 646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das II. Vatikanische Konzil bestätigt, dass Maria „den Pilgerweg des Glaubens“ [ging]. „Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz“ (Lumen Gentium, Nr. 58). Deshalb ist sie in ihrer unvergleichlichen Schönheit dem König des Weltalls so wohlgefällig, dass sie jetzt - ihm an Seele und Leib vollkommen angeglichen - zu seiner Rechten als Königin erstrahlt (vgl. Antwortpsalm). Es ist mir eine Freude, dieses Hochfest, das zu den ältesten Festen zu Ehren der Gottesmutter gehört, mit der Gemeinde von Castel Gandolfo zu feiern. Herzlich grüße ich alle Anwesenden sowie den Bischof von Albano, Msgr. Dante Bemini, und seinen Weihbischof, Msgr. Paolo Gillet. Mein Gruß gilt den Salesianern, denen diese Pfarrei an vertraut ist. Einen herzlichen Gruß richte ich an die Bewohner von Castel Gandolfo mit ihrem Bürgermeister und an die Feriengäste. 2. Am heutigen Hochfest lädt die Liturgie uns alle ein, Maria zu betrachten als „eine Frau mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1). In ihr erstrahlt der Sieg Christi über den Satan, der im apokalyptischen Sprachgebrauch dargestellt ist als „ein Drache, groß und feuerrot“ (Offb 12,3). Diese herrliche und gleichzeitig dramatische Vision verweist die Kirche zu jeder Zeit auf ihre Bestimmung im Lichte des Himmelreiches und unterstützt sie in den Prüfungen, die sie auf ihrer irdischen Pilgerschaft durchzustehen hat. Solange diese Welt besteht, wird die Geschichte immer die Bühne des Kampfes zwischen Gott und dem Satan, zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen Gnade und Sünde, zwischen Leben und Tod sein. Auch die Ereignisse dieses Jahrhunderts, das sich jetzt dem Ende zuneigt, bezeugen mit einer außerordentlichen Beredsamkeit die Tiefe dieses Kampfes, der die Geschichte der Völker zeichnet, aber auch das Herz jedes Mannes und jeder Frau. Die Osterbotschaft aber, die vor kurzem in den Worten des Apostels Paulus (vgl. 1 Kor 15,20) widerhallte, ist Fundament einer festen Hoffnung für alle. Strahlendes Abbild dieses Geheimnisses und dieser Hoffnung ist die in den Himmel aufgenommene Gottesmutter Maria. 3. In diesem zweiten Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 wollte ich die Gläubigen einladen, sich sehr gewissenhaft auf die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes einzustellen und „die theologische Tugend der Hoffnung wiederzuentdecken“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Die Offenbarung des Johannes bestätigt, dass die mit der Sonne bekleidete Frau „schwanger [war] und ... vor Schmerz in ihren Geburtswehen [schrie]“ (Offb 12,2). Das lässt uns an eine Stelle von grundlegender Bedeutung für die christliche Theologie der Hoffnung beim Apostel Paulus denken. „Denn wir wissen“ - so lesen wir im Brief an die Römer-, „daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen hegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung un- 647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung“ (Rom 8,22-24). Während wir ihre Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel festlich begehen, bitten wir Maria, dass sie den Männern und Frauen unserer Zeit helfe, im Glauben und in der Hoffnung in dieser Welt zu leben, um in jedem Fall das Reich Gottes zu suchen; den Gläubigen beistehe, sich der Gegenwart und dem Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen, dem Schöpfergeist und Erneuerer, bereit, die Herzen zu verändern; den Verstand erhelle über das Ziel, das uns erwartet, über die Würde eines jeden Menschen, über den Adel des menschlichen Leibes. Maria, aufgenommen in den Himmel, zeige dich allen als Mutter der Hoffnung! Zeige dich allen als Königin der Zivilisation der Liebe! Der „Geist von Assisi“ fördert neue Friedensinitiativen Botschaft an Edward I. Kardinal Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, zum 12. Internationalen Assisi-Friedenstreffen in Bukarest vom 26. August An den ehrwürdigen Bruder Edward I. Kardinal Cassidy Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen Es ist mir eine besondere Freude, durch Sie meinen herzlichen Gruß an die Teilnehmer dieses zwölften Gebetstreffens zu richten, das die Gemeinschaft von Sant’Egidio veranstaltet hat und dessen Thema lautet: „Der Friede ist der Name Gottes.“ In Gedanken wende ich mich tief bewegt noch einmal zurück zu jenem denkwürdigen Tag von Assisi, als zum ersten Mal in der Geschichte Vertreter der großen Weltreligionen zusammenkamen, um den Frieden von Dem zu erflehen, der allein ihn in Fülle geben kann. Es ist meine feste Überzeugung, dass, wie ich auch schon in den darauffolgenden Monaten sagte, „an jenem Tag und im Gebet, das allein seine Motivierung und sein Inhalt war, die verborgene, aber von der Wurzel her bestehende Einheit für einen Augenblick auch sichtbar zum Ausdruck zu kommen schien ... unter den Männern und Frauen dieser Welt“ (22. Dez. 1986; O.R. dt., 2.1.1987, S. 1). Diese Auffassung, die im wesentlichen das ist, was ich den „Geist von Assisi“ genannt habe, wurde aufgenommen und bekannt gemacht, damit sie überall neue Friedensenergien freisetzen könne. An jenem Tag begann ein Weg, den die Gemeinschaft von Sant’Egidio mit Mut angeregt hat und den immer mehr Männer und Frauen verschiedener Religionen und Kulturen mitgegangen sind. So hat sich die „Vision“ von Assisi in verschiedenen Städten Europas abgezeichnet, darunter in Warschau, Brüssel, Mailand und im vorigen Jahr in Padua. Diese Pilgerfahrt, nun durch zwölf Jahre Erfahrung bereichert, gelangt nicht von ungefähr nach Rumänien und macht Station in Bukarest, der Stadt, die bei dieser Gelegenheit fast zum physischen Zentrum von jenem Europa geworden ist, das, 648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reich an Völkern und Kulturen, wieder eine harmonische und umfassende Einheit aufbauen muss, die niemand ausschließt. Ich möchte meinen Gruß an das ganze rumänische Volk richten, dem ich in herzlichem Gedenken nahe bin. Ich grüße den Präsidenten der Republik und seine Regierung. Ich danke ihnen für die an mich gerichtete Einladung zu einem Besuch in Rumänien. Ich hoffe, dass er Wirklichkeit wird. Einen besonderen brüderlichen Gruß richte ich an Seine Seligkeit den Patriarchen Teoctist, an die Metropoliten und Bischöfe und das ganze Volk der ehrwürdigen Orthodoxen Kirche Rumäniens. In Liebe und Wertschätzung grüße ich die Bischöfe und die katholischen Gemeinden - die byzantinischen und die lateinischen - von Rumänien, und ich fordere sie auf, mit Mut auszuharren im Zeugnis für Christus und sein Evangelium. Und ich weite meinen brüderlichen Gruß aus auf alle anderen christlichen Konfessionen und die anderen Religionen in diesem edlen Land. Die große Gebetskundgebung für den Frieden fügt sich vollkommen ein in die einzigartige Berufung Rumäniens, eine Brücke zwischen dem Osten und Westen zu sein und eine echte Synthese der europäischen Kulturen und Traditionen zu bilden. Die Anwesenheit einer so großen Anzahl von ehrwürdigen Patriarchen, Primassen und Bischöfen von orthodoxen Kirchen macht das Treffen hoch bedeutsam für die ganze Christenheit. Ich sende ihnen meinen brüderlichen und herzlichen Friedenskuss, auf dass sie ihn auf ihre geliebten Kirchen ausweiten mögen. Es ist wirklich ein kostbares Geschenk, dass so qualifizierte Vertreter der Orthodoxie sich heute mit Vertretern der katholischen Kirche und anderer Kirchen und christlichen Gemeinschaften des Westens vereinen, um gemeinsam über ein so bedeutendes Thema nachzudenken. Ihre Anwesenheit bei diesem Treffen, gerade an der Schwelle des dritten Jahrtausends, veranlasst uns, mit besonderem Vertrauen unser Gebet zu Gott zu erheben, auf dass die Welt die Christen „weniger getrennt“ sehe. Der Weg wird um so rascher zurückgelegt werden, je mehr wir uns treffen und uns lieben und die Freude offenbar machen, die uns eint. Dieses Treffen von Bukarest bekundet sich also als eine wahre Stunde der Gnade. Wir müssen uns selbst und die Welt daran erinnern, dass das, was uns eint, viel stärker ist als das, was uns trennt. Diese Zusammenkunft ist von großer geistlicher Bedeutung auch deshalb, weil sie die Christen neben den Vertretern der großen Weltreligionen anwesend sieht. Auch diesen gilt mein respektvoller Gruß. Sie wissen, mit wie viel Hochachtung ich ihre religiösen Traditionen betrachte: Nie unterlasse ich es, auf meinen apostolischen Reisen mit ihren Vertretern zusammenzutreffen in Anerkennung ihrer hohen Aufgabe in den einzelnen Ländern. Ihre so zahlreiche und qualifizierte Anwesenheit, welche die Bedeutung unterstreicht, die der Rolle der Religionen im Leben der Menschen unserer Zeit zukommt, ruft uns auch die Aufgabe in Erinnerung, die Einheit der Völker zu bekunden und zum Frieden, zur gegenseitigen Achtung, zur Pflege der Freundschaft und des Dialogs zu erziehen. 649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ja, dieser Einsatz ist erforderlich. Leider waren wir in den letzten Jahrzehnten Zeugen der Ausbreitung zahlreicher Konflikte, obschon wir auch bemerkenswerte Fortschritte auf dem Weg des Friedens gesehen haben. Kriege in verschiedenen Teilen der Welt, in die vielfach die ärmsten Länder verwickelt sind, erschweren deren oft an sich schon schwierigen Verhältnisse noch mehr. Ich denke insbesondere an das von Konflikten und von einer endemischen Situation der Unbeständigkeit gequälte Afrika. Ich denke auch an den benachbarten Kosovo, wo ganze Bevölkerungsgruppen seit allzu langer Zeit aufgrund unsinniger ethnischer Rivalitäten Grausamkeiten und Folterungen erdulden. Und schließlich denke ich an die im Mittleren Osten und in verschiedenen anderen Teilen der Welt angebahnten, aber durch immer wieder aufkommende Schwierigkeiten gefährdeten Friedensprozesse. Angesichts von um sich greifenden Kriegssituationen ist es notwendig, dass sich neue Friedensenergien entwickeln, von denen die Religionen eine wertvolle Reserve bilden. Beim Treffen in Mailand 1993 haben die anwesenden religiösen Führer einen Aufruf unterzeichnet, der noch volle Gültigkeit besitzt: „Kein Hass, kein Konflikt, kein Krieg soll in den Religionen einen Antrieb finden. Krieg darf nie durch die Religion motiviert sein. Die Worte der Religionen sollen immer Worte des Friedens sein! Der Weg des Glaubens soll auf den Dialog und die Verständigung hin öffnen! Die Religionen sollen die Herzen dahin bringen, die Erde friedlicher zu machen! Mögen die Religionen allen Menschen helfen, die Erde und alle ihre Völker, die kleinen und die großen, zu lieben!“ Die Religionen offenbaren das allgemeine Streben nach Verständnis und Verständigung, das aus der aufrichtigen Liebe zu Gott kommt. Darum steht diese Zusammenkunft passend unter dem Leitwort: „Gott, der Mensch, die Völker.“ Drei Wirklichkeiten, die zu einer organischen Verbindung zurückfinden müssen. Nur in dem Maß, wie jede Person und jedes Volk sich auf Den bezieht, der über allem ist und der alle auf dem Weg zu jener gemeinsamen Zukunft begleitet, von der Sie bei diesem Treffen schon etwas verspüren - nur in diesem Maß kann jeder Mensch und jedes Volk seine wahre Berufung in der Welt entdecken. Ihnen, Herr Kardinal, übertrage ich die Aufgabe, jeden der Vertreter der Kirchen und der christlichen Gemeinschaften und der großen Weltreligionen zu grüßen und alle Teilnehmer meines herzlichen Gedenkens zu versichern, bekräftigt durch ein inständiges Flehen zum gemeinsamen Vater, dass alle Völker der Erde die Wege der Gewalt verlassen und den Weg des Friedens einschlagen. Aus Castel Gandolfo am 26. August 1998 Joannes Paulus PP. II 650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jedem teilt der Herr eine Aufgabe zu Ansprache beim nationalen Treffen der Erwachsenen der Katholischen Aktion Italiens am 5. September 1. „Erwachsene miteinander. Pilger der Hoffnung“ Liebe Brüder und Schwestern, diese Worte haben euren Vorbereitungsweg zu diesem nationalen Treffen beim Sitz des Petrus begleitet. Mit herzlichem Gruß empfange ich euch. Ich grüße euren Generalassistenten, Bischof Agostino Superbo, wie auch den Nationalpräsidenten und seine Stellvertreter und danke ihnen sehr für die liebenswürdigen Worte, die sie im Namen aller an mich gerichtet haben. Ein herzlicher Gruß gilt den anwesenden Kardinalen und Bischöfen. Sodann grüße ich den Ministerpräsidenten Romano Prodi, den Bürgermeister von Rom und die anderen Persönlichkeiten, die dieses Treffen mit ihrer Anwesenheit beehren. Pilger habt ihr euch genannt, ihr lieben Erwachsenen der Katholischen Aktion, die ihr voll Hoffnung dem Jubiläum des Jahres Zweitausend entgegengeht. Dieses Datum, das den Eintritt ins neue Jahrtausend bezeichnet, braucht Frauen und Männer, die fähig sind, mit Freude der Zukunft entgegenzublicken. Es braucht Frauen und Männer, die diese Zukunft mit Vertrauen und Schaffensfreude aufzubauen verstehen und sich dafür einsetzen, alle zeitlichen Wirklichkeiten auf Gott hin zu orientieren. Ihr seid erwachsene Pilger und stellt euch in die Perspektive der Kirche, die auf dem Weg durch das Zeitliche der himmlischen Heimat entgegengeht: „Denn von Sonntag zu Sonntag ist die Kirche auf dem Weg zum letzten ,Tag des Herrn1, dem Sonntag, der kein Ende kennt“ (Dies Domini, Nr. 37). Ihr seid nicht erst seit heute unterwegs. Ihr seid auf einer Pilgerfahrt, die schon eine lange Dauer hat. Von weither kommend, hat sie die Geschichte dieses Landes durchschritten. Darum wolltet ihr euer Nationaltreffen gestern mit der Zusammenkunft in Viterbo beginnen, am Grab von Mario Fani, der vor 130 Jahren zusammen mit Giovanni Acquademi die „Societä della Gioventu Cattolica“ (Vereinigung der katholischen Jugend) gründete. Solche Männer und Frauen voll Heiligkeit haben damals euren Weg gekennzeichnet! Ich begnüge mich damit, an einen der Hervorragendsten zu erinnern, den ehrwürdigen Giuseppe Toniolo, dessen achtzigster Todestag in diesem Jahr begangen wird. Männer und Frauen von gestern haben den Samen gelegt, damit ihr, Erwachsene von heute, bereit seid, eure Verantwortung angesichts dieser schwierigen wie auch faszinierenden Gegenwart zu übernehmen. 2. Erwachsen wird man nicht einfach mit dem entsprechenden Alter. Es ist vielmehr eine Identität, die sich, mit festen Bezugspunkten, in der Umwelt bildet, worin man zu leben berufen ist. Christlicher erwachsener Laie sein ist eine Berufung, die erkannt, angenommen und ausgeübt werden soll. Und darum fühlt ihr, 651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erwachsene der Katholischen Aktion, euch ständig als Pilger in der Geschichte. Ihr geht „miteinander“ die Wege der Geschichte. Dieser euer Zusammenschluss ist von der kirchlichen Obrigkeit als eine Form des Dienstes für die Ortskirche anerkannt worden, der sich in der Diözese und in der Pfarrei und an Orten und in Situationen einsetzt, wo immer Menschen ihr Leben verbringen. Dieser Dienst, der eurem Leben als erwachsene Laien in der Kirche und in der Welt eigen ist, hat seine Quelle in der Taufe und in der Firmung. Für viele wird er dann noch bekräftigt durch die Ehe. Für alle empfängt er seine eigentliche Kraft aus der Eucharistie. Ihr seid berufen, durch das sakramentale Leben, das den Vorrang des geistlichen Lebens festigt, beizutragen zum Aufbau der Kirche als Hausgemeinschaft, „die inmitten der Häuser ihrer Söhne und Töchter lebt“ (vgl. Christifideles laici, Nr. 26). Darum sollt ihr euch dafür einsetzen, eine lebendige Hausgemeinschaft zu sein, in der sich jedes Mitglied als Teil einer einzigen Familie fühlt. Ja ihr müsst als Katholische Aktion eine Familie von Familien sein, in der jede Familie in ihrer Würde und Eigenständigkeit geschützt ist und eine aktive Rolle in der Pastoral hat. 3. Jeder soll seine eigenen Gaben und seine Sachkenntnisse einbringen. Niemand darf sich als unnütz oder belastend Vorkommen, denn jedem teilt der Herr eine Aufgabe zu. Die Kirche wird reich an apostolischer Energie, wenn diese einzelnen Gaben in den Dienst der ganzen Gemeinschaft gestellt werden. Daher soll euer Zusammenschluss in der Katholischen Aktion als Dienst am Wachstum der kirchlichen Gemeinschaft verstanden werden. Einer Gemeinschaft, die nicht bloß in einem vagen Gefühl zum Ausdruck kommt, sondern als organische Solidarität zwischen allen Teilen der Ortskirche praktiziert werden will. Ferner hält euch die Tatsache, dass ihr ein über die ganze Nation verbreiteter Verband seid, dazu an, euch mit all euren Kräften dafür einzusetzen, dass die Gemeinschaft zwischen allen Kirchen Italiens und zwischen ihnen und der Kirche Roms, die den Vorsitz in der Liebe führt, immer stärker wird. Von der Natur eures Verbandes her seid ihr untrennbar mit der Hierarchie und insbesondere mit dem Nachfolger des Petrus verbunden. Möge eure Liebe zum Papst auch weiterhin in jener freudigen und getreuen Annahme seines Lehramtes zum Ausdruck kommen, wie sie eurer hundertjährigen Tradition eigen ist. 4. Euer Verband will ein Haus inmitten der Häuser der Menschen sein. Darin kommt euer missionarischer Geist zum Ausdruck. Schon das II. Vatikanische Konzil hatte der Katholischen Aktion eine notwendige Rolle „zur Einpflanzung der Kirche und zum Wachstum der christlichen Gemeinschaft“ (Ad gentes, Nr. 15) zugewiesen. Das bedeutet für euch heute, dass ihr euch diese notwendige missionarische Einstellung erneut zu eigen machen sollt auch hinsichtlich der Kirchen mit alter christlicher Tradition. In ihnen gibt es, wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio gesagt habe, „ganze Gruppen von Getauften [die] den lebendigen Sinn des Glaubens verloren haben oder sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche erken- 652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben“ (Nr. 33). Heute ist ferner die Notwendigkeit, „die Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern“ (Christifideles laici, Nr. 34), noch dringender geworden. Daher soll euer apostolisches Handeln eine kulturelle Wertigkeit annehmen, das heißt, es muss fähig sein, unter den Menschen eine Mentalität zu schaffen, die den unveräußerlichen christlichen Werten entspringt und von diesen durchdrungen ist. Darum soll eure Ausbildung den von der heutigen Gesellschaft gestellten Problemen immer mehr Aufmerksamkeit schenken und für sie offen sein. Sie sei fähig, jene politische Kultur zu schaffen, die immer und auf alle Fälle für das Allgemeinwohl und die Wahrung der Werte tätig ist. Eine Kultur, die wieder vom menschlichen Leben auszugehen versteht. Das ist zur Stunde ein besonders dringendes Erfordernis, da sich die „Kultur des Todes“ so mächtig der „Kultur des Lebens“ widersetzt und oft die Übermacht zu gewinnen scheint (vgl. Evangelium vi-tae, Nr. 87). 5. Liebe Schwestern und Brüder, der Papst fordert euch auf, in eurem Einsatz fortzufahren und Pilger der Hoffnung zu sein, besorgt um das Schicksal jeder Frau und jedes Mannes, denen ihr auf eurem Weg begegnet. Wisst alle auf Jesus Christus hinzuweisen als den Freund und den Trostspender in allem menschlichen Elend und den transzendenten Herrn der Geschichte. Ich begleite euch mit meinem Gebet. Geht mit Vertrauen dem neuen Jahrtausend entgegen: ,Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit!“ (.Hebr 13,8). Ehe er sich am Ende des Treffens von den Gläubigen verabschiedete, sagte der Papst noch: „Wir haben ein bisschen Wind gebraucht, um uns an Pfingsten zu erinnern. Jetzt haben wir auch diesen Wind gespürt; er war sehr angenehm. Ich wünsche euch, mit diesem Windhauch, der ein Symbol des Heiligen Geistes ist, nach Hause zu gehen.“ Bleibendes Vorbild: Mutter Teresa Worte zur Erinnerung an die vor einem Jahr verstorbene Mutter Teresa von Kalkutta am 5. September Vor genau einem Jahr, am Abend des 5. September, starb in Kalkutta Mutter Teresa. Die Erinnerung an sie ist lebendig im Herzen eines jeden von uns, in der ganzen Kirche und der ganzen Welt. Diese kleine Frau, die aus einer bescheidenen Familie stammte, welches wunderbare Werk wusste sie in der Kraft des Glaubens an Gott und der Liebe zum Nächsten zu vollbringen! Mutter Teresa war wirklich ein Geschenk Gottes an die Ärmsten der Armen. Und zugleich war und bleibt sie, gerade wegen ihrer außerordentlichen Liebe zu den 653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geringsten, ein einzigartiges Geschenk an die Kirche und an die Welt. Ihre totale Hingabe an Gott, täglich neu bekräftigt im Gebet, hat sich in eine totale Hingabe an den Nächsten umgesetzt. Im Lächeln, in den Gesten und den Worten von Mutter Teresa ist Jesus wieder als Guter Samariter über die Straßen der Welt gegangen, und er tut es weiterhin in den Missionarinnen und den Missionaren der Nächstenliebe, die die große, von ihr gegründete Familie bilden. Danken wir den Töchtern und Söhnen von Mutter Teresa für ihre radikal nach dem Evangelium getroffene Wahl, und beten wir für sie alle, damit sie dem Charisma, das der Heilige Geist in ihrer Gründerin erweckt hat, immer treu sind. Vergessen wir das großartige Beispiel nicht, das Mutter Teresa hinterlassen hat, und begnügen wir uns nicht damit, in Worten ihrer zu gedenken! Haben wir den Mut, immer den Menschen und seine fundamentalen Rechte an die erste Stelle zu setzen. Den Oberhäuptern der Nationen - der reichen wie der armen Länder - sage ich: Vertraut nicht auf die Macht der Waffen! Geht entschlossen und aufrichtig weiter auf dem Weg der Abrüstung, um die notwendigen Mittel für die echten, großen Ziele der Zivilisation zu bestimmen und gemeinsam gegen Hunger und Krankheiten zu kämpfen, damit jeder Mensch menschenwürdig leben und sterben kann. Das will Gott, der uns auch durch das Zeugnis von Mutter Teresa daran erinnert hat. Die Regel des hl. Benedikt — Lebensprogramm auchfiir heute Ansprache bei der Audienz für das III. Internationale Benediktinerinnen-Symposium der Äbtissinnen und Priorinnen am 11. September Lieber Abtprimas! Liebe Schwestern in Christus! 1. Gott dankend, „weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird“ (Rom 1,8), heiße ich euch willkommen, die Teilnehmerinnen am III. Internationalen Benedik-tinerinnen-Symposium, dessen Thema lautet: „Gotteserfahrung und benediktini-scher Zugang zum Gebet.“ Ich begrüße euch als Erbinnen der großen Tradition christlicher Heiligkeit, verwurzelt im Gebet des hl. Benedikt im Schweigen von Subiaco. Sie lebt weiter in euren Gemeinschaften, die „Schulen für den Dienst des Herrn“ sind (Regel des hl. Benedikt, Prolog, 45; Die Benediktusregel, lateinisch/deutsch, hrsg. im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, Beuron 1992, S. 71). 2. Der hl. Benedikt lebte in den dunklen Zeiten, die auf den Zusammenbruch des Römischen Reiches folgten. Viele wurden durch die Unordnung zur Verzweiflung gebracht, und mit der Verzweiflung kam die Flucht vor der Wirklichkeit. Benedikts Antwort aber war anders. Anregungen folgend, wie sie im christlichen Osten 654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schon lange bekannt waren, wandte er sich von allem ab, was ihm vertraut war, und, „Gott suchend“ {Regel, 58,7; a.a.O., S. 205), ging er in seine Grotte. Dort begriff Benedikt den tiefsten Kern der biblischen Offenbarung, die mit dem Chaos des Anfangs, beschrieben im Buch Genesis, beginnt und im Licht und der Herrlichkeit des Ostergeheimnisses ihren Gipfel erreicht. Er lernte, dass wir auch in Dunkel und Leere die Fülle von Licht und Leben finden können. Der Berg, den Benedikt bestieg, war Kalvaria, wo er das wahre Licht fand, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). Wie richtig ist es darum, dass die Darstellung Benedikts in der Grotte von „Sacro Speco“ in Subiaco ihn zeigt, wie er das Kreuz betrachtet. Vom Kreuz allein kommt ja das Licht, kommt die Ordnung und die Fülle Gottes, wonach sich alle Menschen sehnen. Dort allein findet das Menschenherz Ruhe. 3. Das erste Wort seiner Regel enthüllt den Kern der Erfahrung Benedikts in der Grotte: „Obsculta“, höre! Das ist das Geheimnis: Benedikt hört, er vertraut, dass Gott da ist und dass Gott sprechen wird. Dann hört er ein Wort im Schweigen; und so wird er der Vater einer Zivilisation. Es ist eine aus der Kontemplation geborene Zivilisation, eine Zivilisation der Liebe, hervorgegangen aus dem Hören auf das Wort, das aus den Tiefen der Dreifaltigkeit entspringt. Benedikt selbst wurde zum Wort, zu dem Wort, das er hörte, und allmählich „ging seine Botschaft in die ganze Welt hinaus“ (vgl. Ps 19,5): Es kamen Jünger, dann erschienen Klöster, dann wuchs eine Zivilisation rings um sie auf, die nicht nur das rettete, was in der klassischen Welt kostbar war, sondern auch einen ungeahnten Weg in eine neue Welt auftat. Es waren Söhne und Töchter des hl. Benedikt, die das Land urbar machten, die Gesellschaft aufbauten, als Missionare das Evangelium predigten, als Gelehrte Bücher schrieben und all das hegten und pflegten, was zu einem wirklich menschlichen Leben förderlich ist. Es ist erstaunlich, zu bedenken, wie viel aus so wenig hervorging: „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ {Ps 118,23). Die Regel, die Benedikt schrieb, ist unvergesslich, nicht nur weil aus ihr eine glühende Liebe zu Gott spricht und eine weise Sorge für die Disziplin, ohne die es keine Jüngerschaft gibt, sondern auch wegen ihrer strahlenden „humanitas“. Die Regel atmet einen Geist der Gastfreundschaft, begründet in dem Glauben, dass der andere kein Feind, sondern Christus selbst ist, der als Gast kommt; eine Auffassung, die nur denen gegeben ist, die die Großmut Gottes kennen gelernt haben. In der Regel Benedikts finden wir eine Ordnung, die streng, aber nie hart ist, ein Licht, das klar, aber nie kalt ist, und eine Fülle, die absolut, aber nie erdrückend ist. Mit einem Wort, die Regel ist radikal, aber immer freundlich. Das ist es, warum, als andere monastische Regeln untergingen, die Regel Benedikts ihre Geltung behielt und auch heute noch im Leben eurer Gemeinschaften ihre Kraft wirksam ist. 4. Liebe Schwestern, in unserer Gesellschaft gibt es am Ende dieses Jahrhunderts und auf der Schwelle des neuen Jahrtausends viel Dunkelheit. In solch einer Zeit steht die leuchtende Gestalt Benedikts in unserer Mitte und weist, wie immer, hin auf Christus. Ihr wurdet auf eine besondere Weise in dieses Geheimnis des Lichtes 655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hineingerufen. Darum blickt die Kirche weiterhin so erwartungsvoll auf euch und eure Gemeinschaften. Wir schauen auf euch, weil ihr diejenigen seid, die sich nicht fürchten, in die Grotte zu gehen, die dunkel und leer ist; diejenigen, die in einem wirklich kontemplativen Schweigen lauschen; diejenigen, die das Wort Gottes hören und selbst zu diesem Wort werden; diejenigen, die eine wahrhaft zivilisierte Welt bilden helfen, in welcher Angst und Verzweiflung ihre Macht verlieren und der Osterfriede in der „tranquillitas ordinis“ zu spüren ist. 5. Die Kirche blickt auf euch mit besonders gespannter Erwartung, da wir die Neuevangelisierung unternehmen, zu der der Heilige Geist uns im Morgengrauen des neuen Jahrtausends auffordert. Es wird keine Evangelisierung geben ohne die Kontemplation, die das Herz benediktinischen Lebens ist. Die ganze Kirche muss mehr über die Bedeutung des „Ora et labora“ lernen, und wer wird uns dies lehren, wenn nicht die Söhne und Töchter des hl. Benedikt? Die Welt sehnt sich nach der Wahrheit, die Benedikt so gut kannte und lehrte. Und jetzt schauen die Menschen nicht weniger als in der Vergangenheit auf das Zeugnis von Gebet und Arbeit, das eure Gemeinschaften so freudig anbieten. In all eurem Beten und Arbeiten breitet Maria, die Jungfrau, Licht über euren Weg, denn sie ist „Mutter des Sterns, der nie untergeht“, wie die Liturgie des christlichen Ostens noch singt. Sie ist es, die euch lauschen lehrt, die euch in die Tiefen der Kontemplation führt, damit ihr in der Kraft des Heiligen Geistes Zeugnis für das geben könnt, was ihr gehört habt. Möge Maria mit der Liebe einer Mutter auf euch und eure Gemeinschaften blicken. Mögen Benedikt, Scholastika und die große Schar der benediktinischen Heiligen euch erleuchten und stärken; und die Gnade und der Friede Christi, des „treuen Zeugen und Erstgeborenen der Toten“ (vgl. Offb 1,5), sei stets mit euch. Zum Zeichen dafür erteile ich euch mit Freuden meinen Apostolischen Segen. Telegramm an Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, zum Tod von Alois Kardinal Grillmeier am 13. September Mit tiefer Betroffenheit über die Nachricht vom Heimgang des hochverdienten Kardinals Alois Grillmeier SJ spreche ich Ihnen und der gesamten Erzdiözese München und Freising meine aufrichtige Anteilnahme aus. Unser dankbares Gedenken gilt einem großen Mann der Kirche und einem Meister der theologischen Wissenschaft, der aus der Kraft eines unerschütterlichen Glaubens und dem Geist des hl. Ignatius von Lojola mit unermüdlicher Hingabe, in menschlicher Bescheidenheit und steter Liebenswürdigkeit seine wissenschaftliche Begabung der Beschäftigung mit der Person Jesu Christi gewidmet hat. Möge der Herr seinem Treuhänder der Wahrheit das verdienstvolle Wirken in Forschung und Lehre mit 656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Gnade reich lohnen und ihm die ewige Vollendung in Christus gewähren, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Joannes Paulus PP. II Fides etratio Enzyklika über das Verhältnis von Glaube und Vernunft vom 14. September Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, Gruß und Apostolischen Segen! Glaube und Vernunft (Fides et ratio) sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt. Das Streben, die Wahrheit zu erkennen und letztlich ihn selbst zu erkennen, hat Gott dem Menschen ins Herz gesenkt, damit er dadurch, dass er Ihn erkennt und liebt, auch zur vollen Wahrheit über sich selbst gelangen könne (vgl. Ex 33,18; Ps 27[26],8-9; Ps 63[62],2-3; Joh 14,8; 1 Joh 3,2). Einleitung „Erkenne dich selbst“ 1. Sowohl im Orient als auch im Abendland lässt sich ein Weg feststellen, der im Laufe der Jahrhunderte die Menschheit fortschreitend zur Begegnung mit der Wahrheit und zur Auseinandersetzung mit ihr geführt hat. Ein Weg, der sich - anders konnte es gar nicht sein - im Horizont des Selbstbewusstseins der menschlichen Person entfaltet hat: Je mehr der Mensch die Wirklichkeit und die Welt erkennt, desto besser erkennt er sich selbst in seiner Einmaligkeit, während sich für ihn immer drängender die Frage nach dem Sinn der Dinge und seines eigenen Daseins stellt. Alles, was als Gegenstand unserer Erkenntnis erscheint, wird daher selbst Teil unseres Lebens. Am Architrav des Tempels von Delphi war die ermahnende Aufforderung: Erkenne dich selbst! eingemeißelt - als Zeugnis für eine Grundwahrheit, die als Mindestregel von jedem Menschen angenommen werden muss, der sich innerhalb der ganzen Schöpfung gerade dadurch als „Mensch“ auszeichnen will, dass er sich selbst erkennt. Im übrigen zeigt uns ein bloßer Blick auf die Geschichte des Altertums deutlich, dass in verschiedenen Gegenden der Erde, die von ganz unterschiedlichen Kulturen geprägt waren, zur selben Zeit dieselben Grundsatzfragen auftauchten, die den Gang des menschlichen Daseins kennzeichnen: Wer bin ich? Woher komme ich und wohin gehe ich? Warum gibt es das Böse? Was wird nach diesem Leben sein? Diese Fragen finden sich in Israels heiligen Schriften, sie tauchen aber auch in den Weden und ebenso in der Awesta auf; wir finden sie in den Schriften des Konfuzius und Lao-tse sowie in der Verkündigung der Tirthankara und bei Buddha. Sie 657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeigen sich auch in den Dichtungen des Homer und in den Tragödien von Euripi-des und Sophokles wie auch in den philosophischen Abhandlungen von Platon und Aristoteles. Es sind Fragen, die ihren gemeinsamen Ursprung in der Suche nach Sinn haben, die dem Menschen seit jeher auf der Seele brennt: von der Antwort auf diese Fragen hängt in der Tat die Richtung ab, die das Dasein prägen soll. 2. Die Kirche ist an diesem Weg der Suche nicht unbeteiligt und kann es auch gar nicht sein. Seit dem Ostertag, wo sie die letzte Wahrheit über das Leben des Menschen als Geschenk empfangen hat, ist sie zur Pilgerin auf den Straßen der Welt geworden, um zu verkünden, dass Jesus Christus „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6). Unter den verschiedenen Diensten, die sie der Menschheit anzubieten hat, gibt es einen, der ihre Verantwortung in ganz besonderer Weise herausstellt: den Dienst an der Wahrheit.' Diese Sendung macht einerseits die gläubige Gemeinde zur Teilhaberin an der gemeinsamen Bemühung, welche die Menschheit vollbringt, um die Wahrheit zu erreichen; <241> andererseits verpflichtet sie sie dazu, sich um die Verkündigung der erworbenen Gewissheiten zu kümmern; dies freilich in dem Bewusstsein, dass jede erreichte Wahrheit immer nur eine Etappe auf dem Weg zu jener vollen Wahrheit ist, die in der letzten Offenbarung Gottes enthüllt werden wird: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen“ (1 Kor 13,12). Das schrieb ich bereits in meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis: „So sind wir also Teilhaber an dieser prophetischen Sendung Christi geworden, und aus der Kraft der gleichen Sendung dienen wir zusammen mit ihm der göttlichen Wahrheit in der Kirche. Die Verantwortung für eine solche Wahrheit bedeutet auch, sie zu lieben und möglichst genau zu verstehen zu suchen, damit sie uns selbst und den anderen in aller ihrer erlösenden Kraft, in ihrem hellen Glanz, in ihrer Tiefe und zugleich Einfachheit immer vertrauter wird“, Nr. 19: AAS 71(1979)306. Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 16. 3. Der Mensch besitzt vielfältige Möglichkeiten, um den Fortschritt in der Wahrheitserkenntnis voranzutreiben und so sein Dasein immer menschlicher zu machen. Unter diesen ragt die Philosophie hervor, die unmittelbar dazu beiträgt, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen und die Antwort darauf zu entwerfen: Sie stellt sich daher als eine der vornehmsten Aufgaben der Menschheit dar. Seiner etymologischen Herkunft aus dem Griechischen entsprechend bedeutet das Wort Philosophie „Liebe zur Weisheit“. Die Entstehung und Entfaltung der Philosophie fällt tatsächlich genau in die Zeit, als der Mensch begonnen hat, sich nach dem Grund der Dinge und nach ihrem Ziel zu fragen. Sie zeigt in verschiedenen Arten und Formen, dass das Streben nach Wahrheit zur Natur des Menschen gehört. Es ist eine seiner Vernunft angeborene Eigenschaft, sich nach dem Ursprung der Dinge zu fragen, auch wenn sich die nach und nach gegebenen Antworten in einen Horizont einfügen, der die Komplementarität der verschiedenen Kulturen, in denen der Mensch lebt, deutlich macht. 658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Tatsache, dass sich die Philosophie stark auf die Gestaltung und Entwicklung der Kulturen des Abendlandes auswirkte, darf uns nicht den Einfluss vergessen lassen, den sie auch auf die Daseinsvorstellungen ausgeübt hat, aus denen der Orient lebt. Jedes Volk besitzt nämlich seine ihm eigene Ur-Weisheit, die als echter Reichtum der Kulturen danach strebt, sich auch in rein philosophischen Formen auszudrücken und zur Reife zu gelangen. Wie sehr das zutrifft, beweist der Umstand, dass eine bis in unsere Tage gegenwärtige Grundform philosophischen Wissens sogar in den Postulaten nachweisbar ist, denen die verschiedenen nationalen und internationalen Gesetzgebungen bei der Regelung des gesellschaftlichen Lebens folgen. 4. Es muss allerdings betont werden, dass sich hinter einem einzigen Begriff verschiedene Bedeutungen verbergen. Daher erweist sich eine einleitende erläuternde Darstellung als notwendig. Angespomt von dem Streben, die letzte Wahrheit über das Dasein zu entdecken, versucht der Mensch jene universalen Kenntnisse zu erwerben, die es ihm erlauben, sich selbst besser zu begreifen und in seiner Selbstverwirklichung voranzukommen. Die grundlegenden Erkenntnisse entspringen dem Staunen, das durch die Betrachtung der Schöpfung in ihm geweckt wird: Der Mensch wird von Staunen ergriffen, sobald er sich als eingebunden in die Welt und in Beziehung zu den anderen entdeckt, die ihm ähnlich sind und deren Schicksal er teilt. Hier beginnt der Weg, der ihn dann zur Entdeckung immer neuer Erkenntnishorizonte führen wird. Ohne das Staunen würde der Mensch in die Monotonie der Wiederholung verfallen und sehr bald zu einer wirklichen Existenz als Person unfähig werden. Die dem menschlichen Geist eigentümliche Fähigkeit zum spekulativen Denken führt durch die philosophische Betätigung zur Ausbildung einer Form strengen Denkens und so, durch die logische Folgerichtigkeit der Aussagen und die Geschlossenheit der Inhalte, zum Aufbau eines systematischen Wissens. Dank dieses Prozesses wurden in verschiedenen kulturellen Umfeldern und in verschiedenen Epochen Ergebnisse erzielt, die zur Ausarbeitung echter Denksysteme geführt haben. Dadurch war man im Laufe der Geschichte immer wieder der Versuchung ausgesetzt, eine einzige Strömung mit dem gesamten philosophischen Denken gleichzusetzen. Ganz offenkundig tritt jedoch in diesen Fällen ein gewisser „philosophischer Hochmut“ auf den Plan, der Anspruch darauf erhebt, die aus seiner eigenen Perspektive stammende, unvollkommene Sicht zur allgemeinen Lesart zu erheben. In Wirklichkeit muss jedes philosophische System, auch wenn es ohne jegliche Instrumentalisierung in seiner Ganzheit anerkannt wird, dem philosophischen Denken die Priorität zuerkennen, von dem es seinen Ausgang nimmt und dem es folgerichtig dienen soll. So ist es möglich, trotz des Wandels der Zeiten und der Fortschritte des Wissens einen Kern philosophischer Erkenntnisse zu erkennen, die in der Geschichte des Denkens ständig präsent sind. Man denke, um nur ein Beispiel zu nennen, an die Prinzipien der Non-Kontradiktion, der Finalität, der Kausalität wie auch an die Auffassung von der Person als freiem und verständigem Subjekt und an ihre Fä- 659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN higkeit, Gott, die Wahrheit und das Gute zu erkennen; man denke ferner an einige moralische Grundsätze, die allgemein geteilt werden. Diese und andere Themen weisen darauf hin, dass es abgesehen von den einzelnen Denkrichtungen eine Gesamtheit von Erkennmissen gibt, in der man so etwas wie ein geistiges Erbe der Menschheit erkennen kann; gleichsam als befänden wir uns im Angesicht einer impliziten Philosophie, auf Grund derer sich ein jeder bewusst ist, diese Prinzipien, wenngleich in undeutlicher, unreflektierter Form zu besitzen. Diese Erkenntnisse sollten, eben weil sie in irgendeiner Weise von allen geteilt werden, eine Art Bezugspunkt der verschiedenen philosophischen Schulen darstellen. Wenn es der Vernunft gelingt, die ersten und allgemeinen Prinzipien des Seins zu erfassen und zu formulieren und daraus in rechter Weise konsequente Schlussfolgerungen von logischer und deontologischer Bedeutung zu entwickeln, dann kann sie sich als eine richtige Vernunft oder, wie die antiken Denker sie nannten, als orthds logos, recta ratio ausgeben. 5. Die Kirche ihrerseits kann nicht umhin, den Einsatz der Vernunft für das Erreichen von Zielen anzuerkennen, die das menschliche Dasein immer würdiger machen. Denn sie sieht in der Philosophie den Weg, um Grundwahrheiten zu erkennen, welche die Existenz des Menschen betreffen. Gleichzeitig betrachtet sie die Philosophie als unverzichtbare Hilfe, um das Glaubensverständnis zu vertiefen und die Wahrheit des Evangeliums allen, die sie noch nicht kennen, mitzuteilen. Im Anschluss an ähnliche Initiativen meiner Vorgänger möchte daher auch ich den Blick auf diese besondere Betätigung der Vernunft richten. Dazu drängt mich die Beobachtung, dass vor allem in unserer Zeit die Suche nach der letzten Wahrheit oft getrübt erscheint. Die moderne Philosophie hat zweifellos das große Verdienst, ihre Aufmerksamkeit auf den Menschen konzentriert zu haben. Von daher hat eine mit Fragen beladene Vernunft ihr Streben nach immer mehr und immer tieferer Erkenntnis weiterentwickelt. So wurden komplexe Denksysteme aufgebaut, die in den verschiedenen Wissensbereichen Früchte getragen haben, da sie die Entfaltung von Kultur und Geschichte förderten. Die Anthropologie, die Logik, die Naturwissenschaften, die Geschichte, die Sprache ..., gewissermaßen die Gesamtheit des Wissens wurde davon erfasst. Die positiven Ergebnisse, die erzielt wurden, dürfen jedoch nicht zur Vernachlässigung der Tatsache verleiten, dass dieselbe Vernunft, mit einseitigen Forschungen über den Menschen als Subjekt beschäftigt, vergessen zu haben scheint, dass dieser Mensch immer auch dazu berufen ist, sich einer Wahrheit zuzuwenden, die ihn übersteigt. Ohne Beziehung zu dieser Wahrheit bleibt jeder vom eigenen Gutdünken abhängig, und seine Verfasstheit als Person wird schließlich nach pragmatischen, im wesentlichen auf empirischen Angaben beruhenden Kriterien beurteilt, in der irrigen Überzeugung, alles müsse von der Technik beherrscht werden. So kam es, dass sich die Vernunft, anstatt die Spannung zur Wahrheit bestmöglich auszudrücken, unter der Last des vielen Wissens über sich selbst gebeugt hat und von Tag zu Tag unfähiger wurde, den Blick nach oben zu erheben, um das Wagnis einzugehen, zur Wahrheit des Seins zu gelangen. Die moderne Philosophie hat das Fragen nach dem Sein vernachlässigt und ihr Su- 660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen auf die Kenntnis vom Menschen konzentriert. Anstatt von der dem Menschen eigenen Fähigkeit zur Wahrheitserkenntnis Gebrauch zu machen, hat sie es vorgezogen, deren Grenzen und Bedingtheiten herauszustellen. Daraus entstanden verschiedene Formen von Agnostizismus und Relativismus, die schließlich zur Folge hatten, dass sich das philosophische Suchen im Fließsand eines allgemeinen Skeptizismus verlor. In jüngster Zeit haben dann verschiedene Lehren Bedeutung erlangt, die sogar jene Wahrheiten zu entwerten trachten, die erreicht zu haben für den Menschen eine Gewissheit war. Die legitime Pluralität von Denkpositionen ist einem indifferenten Pluralismus gewichen, der auf der Annahme fußt, alle Denkpositionen seien gleichwertig: Das ist eines der verbreitetsten Symptome für das Misstrauen gegenüber der Wahrheit, das man in der heutigen Welt feststellen kann. Auch manche aus dem Orient stammenden Lebensanschauungen entgehen nicht diesem Vorbehalt. In ihnen wird nämlich der Wahrheit ihr Exklusivcharakter abgesprochen. Dabei geht man von der Annahme aus, dass die Wahrheit in verschiedenen, ja sogar einander widersprechenden Lehren gleichermaßen in Erscheinung trete. In diesem Horizont ist alles auf Meinung reduziert. Man hat den Eindruck einer Bewegung, die sich wie eine Welle nach oben und nach unten bewegt: Während es dem philosophischen Denken einerseits gelungen ist, in den Weg einzumünden, der es immer näher an die menschliche Existenz und ihre Ausdrucksformen heranführt, ist es andererseits bestrebt, existentielle, hermeneutische oder linguistische Anschauungen zu entwickeln, die auf die radikale Frage nach der Wahrheit des Menschenlebens, des Seins und Gottes selbst verzichten. Als Folge davon sind beim modernen Menschen, und das nicht nur bei einigen Philosophen, Haltungen eines verbreiteten Misstrauens gegenüber den großartigen Erkenntnisfähigkeiten des Menschen zutage getreten. Mit falscher Bescheidenheit gibt man sich mit provisorischen Teilwahrheiten zufrieden, ohne überhaupt noch zu versuchen, radikale Fragen nach dem Sinn und letzten Grund des menschlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Lebens zu stellen. Die Hoffnung, von der Philosophie endgültige Antworten auf diese Fragen zu erhalten, ist also geschwunden. 6. Ausgestattet mit der Kompetenz, die ihr als Verwahrerin der Offenbarung Jesu Christi erwächst, will nun die Kirche die Notwendigkeit des Nachdenkens über die Wahrheit neu bekräftigen. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, mich sowohl an die Mitbrüder im Bischofsamt zu wenden, mit denen ich die Sendung teile, „offen die Wahrheit“ (2 Kor 4,2) zu verkünden, als auch an die Theologen und Philosophen, deren Aufgabe die Erforschung der verschiedenen Aspekte der Wahrheit ist, sowie an alle Menschen, die sich auf der Suche befinden: Ich will sie teilhaben lassen an einigen Überlegungen hinsichtlich des Weges, der zur wahren Weisheit führt, damit jeder, der die Liebe zu ihr im Herzen trägt, den richtigen Weg einzuschlagen vermag, um sie zu erreichen und in ihr Ruhe in seiner Mühsal sowie geistige Freude zu finden. Anstoß zu dieser Initiative ist für mich zunächst die vom II. Vatikanischen Konzil formulierte Erkenntnis, dass die Bischöfe ,Zeugen der göttlichen und katholischen 661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit“ sind. <242> Die Wahrheit zu bezeugen ist also eine Aufgabe, die uns Bischöfen übertragen wurde; ihr können wir uns nicht versagen, ohne das Amt, das wir erhalten haben, zu vernachlässigen. Durch neuerliche Bekräftigung der Glaubenswahrheit können wir dem Menschen unserer Zeit wieder echtes Vertrauen in seine Erkenntnisfähigkeiten geben und der Philosophie eine Herausforderung bieten, damit sie ihre volle Würde wiedererlangen und entfalten kann. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25. Noch ein weiterer Beweggmnd veranlasst mich zur Abfassung dieser Überlegungen. In der Enzyklika Veritatis splendor habe ich „einige fundamentale Wahrheiten der katholischen Lehre“ in Erinnerung gerufen, „die im heutigen Kontext Gefahr laufen, verfälscht oder verneint zu werden“. <243> Mit dem vorliegenden Schreiben möchte ich nun jenen Gedanken weiterführen und dabei die Aufmerksamkeit eben auf das Thema Wahrheit und auf ihr Fundament im Verhältnis zum Glauben konzentrieren. Denn man kann nicht leugnen, dass unsere Zeit mit ihren raschen und umfassenden Veränderungen vor allem die jungen Generationen, denen die Zukunft gehört und von denen sie abhängt, dem Gefühl aussetzt, ohne echte Bezugspunkte zu sein. Das Erfordernis eines Fundamentes, auf dem das Dasein des einzelnen und der Gesellschaft aufgebaut werden kann, macht sich vor allem dann in dringender Weise bemerkbar, wenn man die Bruchstückhaftigkeit von Angeboten feststellen muss, die unter Vortäuschung der Möglichkeit, zum wahren Sinn des Daseins zu gelangen, das Vergängliche zum Wert erheben. So kommt es, dass viele ihr Leben fast bis an den Rand des Abgrunds dahinschleppen, ohne zu wissen, worauf sie eigentlich zugehen. Das hängt auch damit zusammen, dass diejenigen, die dazu bemfen waren, die Frucht ihres Nachdenkens in kulturellen Formen auszudrücken, den Blick von der Wahrheit abgewandt haben und der Mühe geduldigen Suchens nach dem, was gelebt zu werden verdient, den Erfolg im Unmittelbaren vorziehen. Die Philosophie, der die große Verantwortung zukommt, das Denken und die Kultur durch den fortwährenden Hinweis auf die Wahrheitssuche zu gestalten, muss mit aller Kraft ihre ursprüngliche Berufung zurückgewinnen. Deshalb habe ich nicht nur das Bedürfnis gefühlt, sondern es auch als meine Pflicht empfunden, mich zu diesem Thema zu äußern, damit die Menschheit an der Schwelle des dritten Jahrtausends christlicher Zeitrechnung sich der großartigen Fähigkeiten, die ihr gewährt wurden, deutlicher bewusst werde und sich mit neuem Mut für die Verwirklichung des Heilsplanes einsetze, in den ihre Geschichte eingebettet ist. Nr. 4: AAS 85(1993)1136. 3 4 662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel I Die Offenbarung der Weisheit Gottes Jesus als Offenbarer des Vaters 7. Jede von der Kirche angestellte Reflexion erfolgt auf der Grundlage des Bewusstseins, Verwahrerin einer Botschaft zu sein, die ihren Ursprung in Gott selbst hat (vgl. 2 Kor 4,1-2). Die Erkenntnis, die sie dem Menschen anbietet, rührt nicht aus ihrem eigenen Nachdenken her, und wäre es noch so erhaben, sondern aus dem gläubigen Hören des Wortes Gottes (vgl. 1 Thess 2,13). Am Anfang unseres Gläubigseins steht eine einzigartige Begegnung, die das Offenbarwerden eines seit ewigen Zeiten verborgenen, jetzt aber enthüllten Geheimnisses (vgl. 1 Kor 2,7; Röm 6,25-26) markiert: „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): daß die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur“. <244> Dabei handelt es sich um eine völlig ungeschuldete Initiative, die von Gott ausgeht, um die Menschheit zu erreichen und zu retten. Gott als Quelle der Liebe will sich zu erkennen geben, und die Erkenntnis, die der Mensch von Ihm hat, bringt jede andere wahre Erkenntnis über den Sinn seiner eigenen Existenz zur Vollendung, zu der sein Verstand zu gelangen vermag. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 2. 8. Unter beinahe wörtlicher Übernahme der von der dogmatischen Konstitution Dei Filius des I. Vatikanischen Konzils dargebotenen Lehre und unter Berücksichtigung der vom Konzil von Trient vorgelegten Grundsätze hat die Konstitution Dei Verbum des II. Vatikanums den Gang der Glaubenseinsicht, intelligentia fidei, durch die Jahrhunderte fortgesetzt, indem sie über die Offenbarung im Lichte der biblischen Lehre und der gesamten Vätertradition nachdachte. Die Konzilsväter des I. Vatikanums hatten den übernatürlichen Charakter der Offenbarung Gottes hervorgehoben. Die rationalistische Kritik, die zu jener Zeit auf Grund weitverbreiteter falscher Thesen gegen den Glauben vorgebracht wurde, betraf die Leugnung jeder Erkenntnis, die nicht den natürlichen Fähigkeiten der Vernunft entspränge. Dieser Umstand hatte das Konzil zu der nachdrücklichen Bekräftigung verpflichtet, dass es außer der Erkenntnis der menschlichen Vernunft, die auf Grund ihrer Natur den Schöpfer zu erreichen vermag, eine Erkenntnis gibt, die dem Glauben eigentümlich ist. Diese Erkenntnis ist Ausdruck einer Wahrheit, die sich auf die Tatsache des sich offenbarenden Gottes selbst gründet und Wahrheitsgewissheit ist, weil Gott weder täuscht noch täuschen will. <245> Vgl. Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. III: DS 3008. 9. Das I. Vatikanische Konzil lehrt also, dass die durch philosophisches Nachdenken erlangte Wahrheit und die Wahrheit der Offenbarung weder sich miteinander 5 6 663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vermischen noch einander überflüssig machen. „Es gibt zwei Erkenntnisordnungen, die nicht nur im Prinzip, sondern auch im Gegenstand verschieden sind: im Prinzip, weil wir in der einen [Ordnung] mit der natürlichen Vernunft, in der anderen mit dem göttlichen Glauben erkennen; im Gegenstand aber, weil uns außer der Wahrheit, zu der die natürliche Vernunft gelangen kann, in Gott verborgene Geheimnisse zu glauben vorgelegt werden, die, wenn sie nicht von Gott geoffenbart wären, nicht bekannt werden könnten“. <246> Der Glaube, der sich auf das Zeugnis Gottes gründet und der übernatürlichen Hilfe der Gnade bedient, ist in der Tat von einer anderen Ordnung als die philosophische Erkenntnis. Denn diese stützt sich auf die Sinneswahmehmung, auf die Erfahrung und bewegt sich allein im Licht des Verstandes. Die Philosophie und die Wissenschaften bewegen sich im Bereich der natürlichen Vernunft, während der vom Geist erleuchtete und geleitete Glaube in der Heilsbotschaft die „Fülle von Gnade und Wahrheit“ (vgl. Joh 1,14) erkennt, die Gott in der Geschichte endgültig durch seinen Sohn Jesus Christus offenbart hat (vgl. 1 Joh 5,9; Joh 5,31-32). <246> Ebd., Kap. IV: DS 3015; zitiert auch in II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 59. 10. Die Konzilsväter des II. Vatikanums haben den Blick fest auf den offenbarenden Jesus gerichtet und dabei den Heilscharakter der Offenbarung Gottes in der Geschichte dargelegt. Das Wesen der Offenbarung haben sie so formuliert: „In dieser Offenbamng redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen. Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft sind: Die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, offenbaren und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, ans Licht treten. Die Tiefe der durch diese Offenbamng über Gott und über das Heil des Menschen erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbamng ist“. <247> <247> Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 2. 11. So ist die Offenbamng Gottes eingebettet in Zeit und Geschichte. Ja, die Menschwerdung Jesu Christi geschieht in der,fülle der Zeit“ (vgl. Gal 4,4). Zweitausend Jahre nach jenem Ereignis sehe ich es als meine Pflicht an, nachdrücklich hervorzuheben, dass „im Christentum der Zeit eine fundamentale Bedeutung“ zukommt. <248> Denn in ihr kommt das ganze Werk der Schöpfung und der Erlösung an den Tag; vor allem wird sichtbar, dass wir durch die Menschwerdung des Gottessohnes schon jetzt die zukünftige Vollendung der Zeit erleben und vorwegnehmen (vgl. Hebr 1,2). <248> Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 10: AAS 87(1995)11. 664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Wahrheit, die Gott dem Menschen über sich und über sein Leben übergeben hat, ist daher eingebettet in Zeit und Geschichte. Sie ist natürlich ein für allemal im Geheimnis des Jesus von Nazaret verkündet worden. Das sagt mit ausdrucksvollen Worten die Konstitution Dei Verbum: „Nachdem Gott viele Male und auf viele Weisen durch die Propheten gesprochen hatte, ,hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns gesprochen im Sohn* (Hebr 1,1-2). Er hat seinen Sohn, das ewige Wort, das Licht aller Menschen, gesandt, damit er unter den Menschen wohne und ihnen vom Innern Gottes Kunde bringe (vgl. Joh 1,1-18). Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, als ,Mensch zu den Menschen1 gesandt, ,redet die Worte Gottes1 {Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt“. <249> Die Geschichte stellt also für das Volk Gottes einen Weg dar, der ganz durchlaufen werden muss, so dass die geoffenbarte Wahrheit dank des unablässigen Wirkens des Heiligen Geistes ihre Inhalte voll zum Ausdruck bringen kann (vgl. Joh 16,13). Das lehrt wiederum die Konstitution Dei Verbum, wenn sie feststellt: „Die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis sich an ihr Gottes Worte erfüllen“. <250> <251> Nr. 4. Nr. 8. Nr. 22. 12. Die Geschichte wird daher zu dem Ort, an dem wir Gottes Handeln für die Menschheit feststellen können. Er erreicht uns in dem, was für uns am vertrautesten und leicht zu überprüfen ist, weil es sich um unsere tägliche Umgebung handelt, ohne die wir uns nicht zu begreifen vermöchten. Die Menschwerdung Gottes erlaubt es, die ewige und endgültige Synthese vollzogen zu sehen, die sich der menschliche Geist von sich aus nicht einmal hätte vorstellen können: Das Ewige geht ein in die Zeit, das Ganze verbirgt sich im Bruchstück, Gott nimmt die Gestalt des Menschen an. Die in der Offenbarung Christi zum Ausdruck gekommene Wahrheit ist somit nicht mehr in einen engen territorialen und kulturellen Bereich eingeschlossen, sondern öffnet sich jedem Mann und jeder Frau, die sie als ein für allemal gültiges Wort annehmen wollen, um dem Dasein Sinn zu geben. Nun haben alle Menschen in Christus Zugang zum Vater; durch seinen Tod und seine Auferstehung hat er das göttliche Leben geschenkt, das der erste Adam ausgeschlagen hatte (vgl. Röm 5,12-15). Mit dieser Offenbarung wird dem Menschen die letzte Wahrheit über sein Leben und über das Schicksal der Geschichte angeboten: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf1, stellt die Konstitution Gaudium et spesu 10 11 12 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fest. Außerhalb dieser Sicht bleibt das Geheimnis der menschlichen Person ein unlösbares Rätsel. Wo sonst als in dem Licht, das vom Geheimnis der Passion, des Todes und der Auferstehung Christi ausstrahlt, könnte der Mensch die Antwort auf so dramatische Fragen suchen wie die des Schmerzes, des Leidens Unschuldiger und des Todes? Die Vernunft vor dem Geheimnis 13. Es soll freilich nicht vergessen werden, dass die Offenbarung bis heute etwas Geheimnisvolles bleibt. Gewiss enthüllt Jesus durch sein Leben das Antlitz des Vaters, denn er ist ja gekommen, „damit er vom Innern Gottes Kunde bringe“; <252> doch die Erkenntnis, die wir von diesem Antlitz haben, ist stets von der Bruch-stückhaftigkeit und Begrenztheit unseres Begreifens gezeichnet. Einzig und allein der Glaube gestattet es, in das Innere des Geheimnisses einzutreten, dessen Verständnis er in angemessener Weise begünstigt. <252> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 4. Das Konzil lehrt, dass „dem offenbarenden Gott der Gehorsam des Glaubens zu leisten“ ist. <253> Mit dieser kurzen, aber wichtigen Aussage wird auf eine fundamentale Wahrheit des Christentums hingewiesen. Es heißt darin vor allem, dass der Glaube gehorsame Antwort an Gott ist. Das aber setzt voraus, dass dieser in seiner Gottheit, Transzendenz und höchsten Freiheit anerkannt wird. Der Gott, der sich zu erkennen gibt, bringt in der Autorität seiner absoluten Transzendenz die Glaubwürdigkeit der von ihm geoffenbarten Inhalte mit. Durch den Glauben gibt der Mensch seine Zustimmung zu diesem göttlichen Zeugnis. Das heißt, er anerkennt voll und ganz die Wahrheit dessen, was geoffenbart wurde, weil Gott selbst sich zu ihrem Garanten macht. Diese dem Menschen geschenkte und von ihm nicht ein-forderbare Wahrheit fügt sich in den Horizont der interpersonalen Kommunikation ein. Sie drängt die Vernunft, sich der Wahrheit zu öffnen und ihren tiefen Sinn anzunehmen. Damm ist der Akt, mit dem man sich Gott anvertraut, von der Kirche stets als ein grundlegender Entscheidungsvorgang angesehen worden, in den die ganze Person eingebunden ist. Verstand und Wille setzen bis zum äußersten ihre geistige Natur ein, um dem Subjekt den Vollzug eines Aktes zu erlauben, in dem die persönliche Freiheit im Vollsinn gelebt wird. <254> Im Glauben ist also die Freiheit nicht einfach nur da; sie ist gefordert. Ja, der Glaube ermöglicht es einem jeden, seine Freiheit bestmöglich zum Ausdruck zu bringen. Mit anderen Worten, die Freiheit verwirklicht sich nicht in Entscheidungen gegen Gott. In der Tat, wie könnte die Weigerung, sich dem zu öffnen, was die Selbstverwirklichung ermöglicht, als ein glaubwürdiger Gebrauch der Freiheit angesehen werden? Im Glauben <253> Ebd., Nr. 5. <254> Das I. Vatikanische Konzil, auf das der oben angeführte Satz Bezug nimmt, lehrt, dass der Gehorsam des Glaubens die Aufbietung des Verstandes und des Willens erfordert:„Da der Mensch ganz von Gott als seinem Schöpfer und Herrn abhängt und die geschaffene Vernunft der ungeschaffenen Wahrheit völlig unterworfen ist, sind wir gehalten, dem offenbarenden Gott im Glauben vollen Gehorsam des Verstandes und des Willens zu leisten“ (Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. III: DS 3008). 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vollzieht der Mensch den bedeutsamsten Akt seines Daseins; denn die Freiheit gelangt zur Gewissheit der Wahrheit und entschließt sich, in ihr zu leben. Der Vernunft, die das Geheimnis zu verstehen sucht, kommen auch die in der Offenbarung vorhandenen Zeichen zur Hilfe. Sie dienen dazu, die Wahrheitssuche gründlicher vorzunehmen und dem Verstand selbständige Erkundungen auch innerhalb des Geheimnisses zu ermöglichen. Diese Zeichen geben zwar einerseits der Vernunft größeres Gewicht, weil sie ihr erlauben, mit den ihr eigenen Mitteln, auf die sie zu Recht stolz ist, das Geheimnis von innen her zu ergründen; andererseits sind die Zeichen für die Vernunft Ansporn, über ihre zeichenhafte Wirklichkeit hinauszugehen, um deren jenseitige Bedeutung, die sie tragen, zu erfassen. In ihnen ist also eine verborgene Wahrheit bereits gegenwärtig, auf die der Verstand verwiesen wird und von der er nicht absehen kann, ohne das ihm angebotene Zeichen selbst zu zerstören. Man wird gewissermaßen auf den sakramentalen Horizont der Offenbarung und insbesondere auf das Zeichen der Eucharistie verwiesen, wo es die unauflösliche Einheit zwischen der Wirklichkeit und ihrer Bedeutung erlaubt, die Tiefe des Geheimnisses zu erfassen. Christus ist in der Eucharistie wahrhaftig gegenwärtig und lebendig, er wirkt und handelt durch seinen Geist, doch wie der hl. Thomas richtig gesagt hat: „Du siehst nicht, du begreifst nicht, aber der Glaube bestärkt dich jenseits der Natur. Was da erscheint, ist ein Zeichen: Es verbirgt im Geheimnis erhabene Wirklichkeiten“. <255> Ihm pflichtet der Philosoph Pascal bei: „Wie Jesus Christus unter den Menschen unerkannt geblieben ist, so unterscheidet sich seine Wahrheit äußerlich nicht von den allgemeinen Meinungen. Und so ist die Eucharistie gewöhnliches Brot“. <256> <255> Vgl. Sequenz am Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi. <256> Pensees, 789 (ed. L. Brunschvicg). Die Glaubenserkenntnis hebt also das Geheimnis nicht auf; sie macht es nur einsichtiger und offenbart es als für das Leben des Menschen wesentliche Tatsache: „Christus der Herr ... macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“, <257> nämlich teilzuhaben am Geheimnis des dreifältigen Lebens Gottes. <258> <257> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. <258> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 2. 14. Die Lehre der beiden Vatikanischen Konzilien eröffnet auch für das philosophische Wissen einen Horizont echter Neuerung. Die Offenbarung führt in die Geschichte einen Bezugspunkt ein, von dem der Mensch nicht absehen kann, wenn er dahin gelangen will, das Geheimnis seines Daseins zu verstehen; andererseits verweist diese Erkenntnis ständig auf das Geheimnis Gottes, das der Verstand nicht auszuschöpfen vermag, sondern nur im Glauben empfangen und annehmen kann. Innerhalb dieser beiden Momente hat die Vernunft ihren besonderen Platz, der ihr 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Erkunden und Begreifen erlaubt, ohne von etwas anderem eingeschränkt zu werden als von ihrer Endlichkeit angesichts des unendlichen Geheimnisses Gottes. Die Offenbarung führt also in unsere Geschichte eine universale und letzte Wahrheit ein, die den Verstand des Menschen dazu herausfordert, niemals stehen zu bleiben; ja, sie spornt ihn an, den Raum seines Wissens ständig zu erweitern, bis er gewahr wird, ohne jegliche Unterlassung alles in seiner Macht Stehende getan zu haben. Bei dieser Überlegung kommt uns eine der geistreichsten und bedeutendsten schöpferischen Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte zu Hilfe, auf die sich sowohl die Philosophie als auch die Theologie beziehen: der hl. Anselm. In seinem Proslogion schreibt der Bischof von Canterbury: „Während ich häufig und voll Eifer meine Gedanken auf dieses Problem richtete, schien es mir zuweilen, als könnte ich das, wonach ich suchte, schon ergreifen; ein anderes Mal hingegen entglitt es vollständig meinem Denken; bis ich schließlich die Hoffnung, es je finden zu können, verlor und die Suche nach etwas, das sich unmöglich finden ließ, aufgeben wollte. Als ich aber jene Gedanken aus mir vertreiben wollte, damit sie nicht meinen Geist beschäftigten und mich von anderen Problemen abhalten würden, aus denen ich irgendeinen Gewinn ziehen konnte, da stellten sie sich mit immer größerer Aufdringlichkeit ein [...]. Was aber habe ich Armseliger, einer von Evas Söhnen, fern von Gott, was habe ich zu unternehmen begonnen und was ist mir gelungen? Wonach ging meine Neigung und wohin bin ich gelangt? Wonach strebte ich und wonach sehne ich mich noch immer? [...] O Herr, du bist nicht nur das Größte, das man sich denken kann (non solum es quo maius cogitari nequit), sondern du bist größer als alles, was man sich denken kann (quiddam maius quam cogitaripossit) [...]. Wenn du nicht so beschaffen wärest, könnte man sich etwas Größeres als dich vorstellen, aber das ist unmöglich“. <259> <259> Proslogion, Proemium und Nr. 1.15: PL 158, 223-224.226; 235. 15. Die Wahrheit der christlichen Offenbarung, der wir in Jesus von Nazaret begegnen, ermöglicht jedem, das „Geheimnis“ des eigenen Lebens anzunehmen, sie achtet zutiefst die Autonomie des Geschöpfes und seine Freiheit, verpflichtet es aber im Namen der Wahrheit, sich der Transzendenz zu öffnen. Hier erreicht das Verhältnis von Freiheit und Wahrheit seinen Höhepunkt, und man versteht voll und ganz das Wort des Herrn: „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Die christliche Offenbarung ist der wahre Leitstern für den Menschen zwischen den Bedingtheiten der immanentistischen Denkweise und den Verengungen einer technokratischen Logik; sie ist die äußerste von Gott angebotene Möglichkeit, um den ursprünglichen Plan der Liebe, der mit der Schöpfung begonnen hat, vollständig wiederzufinden. Dem Menschen, der sich nach Erkenntnis des Wahren sehnt, wird, sofern er noch imstande ist, den Blick über sich selbst und die eigenen Pläne hinaus zu erheben, die Möglichkeit gegeben, das natürliche Verhältnis zu seinem Leben dadurch wiederzugewinnen, dass er den Weg der Wahrheit geht. Die Worte aus dem Buch Deuteronomium lassen sich gut auf diese Situation anwenden: „Die- 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Es ist nicht im Himmel, so daß du sagen müßtest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, so daß du sagen müßtest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten“ (30,11-14). Diesem Text stimmt der heilige Augustinus, Philosoph und Theologe, mit dem berühmten Gedanken zu: „Noli fo-ras ire, in te ipsum redi. In interiore homine habitat veritas“ [Geh nicht nach draußen, kehre zu dir selbst zurück. Im Inneren des Menschen wohnt die Wahrheit]. <260> Im Lichte dieser Überlegungen drängt sich eine erste Schlussfolgerung auf: Die Wahrheit, welche die Offenbarung uns erkennen lässt, ist nicht die reife Frucht oder der Höhepunkt eines von der Vernunft aufbereiteten Denkens. Sie erscheint hingegen mit dem Wesensmerkmal der Ungeschuldetheit, bringt Denken hervor und fordert, als Ausdruck der Liebe angenommen zu werden. Diese geoffenbarte Wahrheit ist in unsere Geschichte gelegte Vorwegnahme jener letzten und endgültigen Anschauung Gottes, die denen Vorbehalten ist, die an ihn glauben oder ihn mit aufrichtigem Herzen suchen. Das letzte Ziel des menschlichen Daseins als Person ist also Forschungsobjekt sowohl der Philosophie als auch der Theologie. Beide führen uns, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln und Inhalten, diesen „Pfad zum Leben“ (Ps 16,11) vor Augen, der schließlich, wie uns der Glaube sagt, in die volle und ewig währende Freude der Anschauung des dreieinigen Gottes einmündet. <260> De vera religione, XXXIX, 72: CCL 32, 234. Kapitel II Credo ut intellegam Die Weisheit weiß und versteht alles (vgl. Weish 9, 11) 16. Wie tief der Zusammenhang zwischen Glaubens- und Vemunfterkenntnis ist, wird bereits in der Heiligen Schrift mit erstaunlich deutlichen Hinweisen aufgezeigt. Das bezeugen besonders die Weisheitsbücher. Was bei der unvoreingenommenen Lektüre dieser Seiten der Heiligen Schrift beeindruckt, ist die Tatsache, dass in diesen Texten nicht nur Israels Glaube enthalten ist, sondern auch der Reichtum bereits untergegangener Zivilisationen und Kulturen. Wie nach einem besonderen Plan lassen Ägypten und Mesopotamien wieder ihre Stimme hören, und manche gemeinsamen Züge der altorientalischen Kulturen werden auf diesen Seiten, die so reich sind an inneren Einsichten einzigartiger Tiefe, wieder ins Leben zurückgeholt. 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist kein Zufall, dass der heilige Verfasser den weisen Menschen, den er beschreiben möchte, als denjenigen darstellt, der die Wahrheit liebt und nach ihr sucht: „Wohl dem Menschen, der nachsinnt über die Weisheit, der sich bemüht um Einsicht, der seinen Sinn richtet auf ihre Wege und auf ihre Pfade achtet, der ihr nachgeht wie ein Späher und an ihren Eingängen lauert, der durch ihre Fenster schaut und an ihren Türen horcht, der sich bei ihrem Haus niederläßt und seine Zeltstricke an ihrer Mauer befestigt, der neben ihr sein Zelt aufstellt und so eine gute Wohnung hat, der sein Nest in ihr Laub baut und in ihren Zweigen die Nacht verbringt, der sich in ihrem Schatten vor der Hitze verbirgt und im Schutz ihres Hauses wohnt“ (Sir 14,20-27). Wie man sieht, ist für den inspirierten Verfasser der sehnliche Wunsch nach Erkenntnis ein Wesensmerkmal, das alle Menschen vereint. Dank des Denkvermögens ist allen, Glaubenden wie Nichtglaubenden, die Möglichkeit gegeben, „zu schöpfen im tiefen Wasser“ der Erkenntnis (vgl. Spr 20,5). Im alten Israel erfolgte das Erkennen der Welt und ihrer Erscheinungen sicher nicht durch Abstraktion, wie das für den jonischen Philosophen oder den ägyptischen Weisen zutrifft. Noch weniger empfing der gute Israelit die Erkenntnis mit Hilfe der Kriterien, wie sie der zunehmend nach Wissensspaltung tendierenden modernen Zeit eigen sind. Trotzdem hat die Welt der Bibel in das große Meer der Erkenntnislehre ihren originellen Beitrag einfließen lassen. Wie sieht dieser Beitrag aus? Die Besonderheit, die den Bibeltext auszeichnet, besteht in der Überzeugung, dass zwischen der Vernunft- und der Glaubenserkenntnis eine tiefe, untrennbare Einheit besteht. Die Welt und was in ihr vorgeht ebenso wie die Geschichte und die wechselvollen Ereignisse des Volkes sind Wirklichkeiten, die mit den Mitteln der Vernunft betrachtet, analysiert und beurteilt werden, ohne dass aber der Glaube an diesem Prozess unbeteiligt bliebe. Er greift nicht ein, um die Autonomie der Vernunft zu beschneiden oder ihren Handlungsraum einzuschränken, sondern nur dazu, um dem Menschen begreiflich zu machen, dass der Gott Israels in diesen Geschehnissen sichtbar wird und handelt. Die Welt und die geschichtlichen Begebenheiten gründlich zu kennen, ist also unmöglich, ohne sich gleichzeitig zum Glauben an den in ihnen wirkenden Gott zu bekennen. Der Glaube schärft den inneren Blick, indem er den Verstand dafür offen macht, im Strom der Ereignisse die tätige Gegenwart der Vorsehung zu entdecken. Ein Satz aus dem Buch der Sprichwörter ist in diesem Zusammenhang bezeichnend: „Des Menschen Herz plant seinen Weg, doch der Herr lenkt seinen Schritt“ (Spr 16,9). Man könnte sagen, der Mensch vermag mit dem Licht der Vernunft seinen Weg zu erkennen, kann ihn aber nur dann rasch und ohne Hindernisse zu Ende gehen, wenn er mit redlichem Herzen sein Forschen in den Horizont des Glaubens einfügt. Vernunft und Glaube lassen sich daher nicht voneinander trennen, ohne dass es für den Menschen unmöglich wird, sich selbst, die Welt und Gott in entsprechender Weise zu erkennen. 17. Es gibt also keinen Grund für das Bestehen irgendeines Konkurrenzkampfes zwischen Vernunft und Glaube: sie wohnen einander inne, und beide haben ihren 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN je eigenen Raum zu ihrer Verwirklichung. Wieder ist es das Buch der Sprichwörter, das uns mit dem Ausruf in diese Richtung weist: „Gottes Ehre ist es, eine Sache zu verhüllen, des Königs Ehre ist es, eine Sache zu erforschen“ (Spr 25,2). Gott und der Mensch sind in ihrer jeweiligen Welt in eine einzigartige Wechselbeziehung gestellt. In Gott hat alles seinen Ursprung, in ihm sammelt sich die Fülle des Geheimnisses, und das macht seine Ehre aus; dem Menschen fällt die Aufgabe zu, mit seiner Vernunft nach der Wahrheit zu forschen, und darin besteht sein Adel. Ein weiterer Stein zu diesem Mosaik wird vom Psalmisten hinzugefügt, wenn er betet: „Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken, wie gewaltig ist ihre Zahl! Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand. Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir“ (Ps 139,17-18). Das Streben nach Erkenntnis ist so groß und mit einem derartigen Dynamismus verbunden, dass sich das Herz des Menschen trotz der Erfahrung der unüberschreitbaren Grenze nach dem unendlichen Reichtum sehnt, der sich jenseits befindet, weil es ahnt, dass dort die befriedigende Antwort auf jede noch ungelöste Frage gehütet wird. 18. Wir können daher sagen, Israel hat es vermocht, mit seinem Nachdenken der Vernunft den Weg zum Geheimnis zu eröffnen. In der Offenbarung Gottes konnte es alles gründlich erkunden, was es mit der Vernunft vergeblich zu erreichen versuchte. Von dieser tiefsten Erkenntnisform ausgehend hat das auserwählte Volk verstanden, dass die Vernunft einige Grundregeln beachten muss, um der ihr eigenen Natur bestmöglich Ausdruck geben zu können. Die erste Regel besteht in der Berücksichtigung der Tatsache, dass das Erkennen des Menschen ein Weg ist, der keinen Stillstand kennt; die zweite entsteht aus dem Bewusstsein, dass man sich auf diesen Weg nicht mit dem Hochmut dessen begeben darf, der meint, alles sei Frucht persönlicher Errungenschaft; eine dritte Regel gründet auf der „Gottesfurcht“: die Vernunft muss Gottes souveräne Transzendenz und zugleich seine sorgende Liebe bei der Lenkung der Welt anerkennen. Wenn der Mensch von diesen Regeln abweicht, setzt er sich der Gefahr des Scheitems aus und befindet sich schließlich in der Verfassung des „Toren“. Für die Bibel beinhaltet diese Torheit eine Bedrohung des Lebens. Denn der Tor bildet sich ein, viele Dinge zu wissen, ist aber in Wirklichkeit nicht imstande, den Blick auf die wesentlichen Dinge zu heften. Das hindert ihn daran, Ordnung in seinen Verstand zu bringen (vgl. Spr 1,7) und gegenüber sich selbst und seiner Umgebung eine entsprechende Haltung einzunehmen. Wenn er dann so weit geht zu behaupten: „Es gibt keinen Gott“ (Ps 14,1), enthüllt er mit endgültiger Klarheit, wie unzureichend sein Wissen ist und wie weit er von der vollen Wahrheit über die Dinge, ihren Ursprung und ihre Bestimmung entfernt ist. 19. Einige wichtige Texte, die weiteres Licht auf dieses Thema werfen, sind im 13. Kapitel des Buches der Weisheit enthalten. Darin spricht der Verfasser von Gott, der sich auch durch die Natur erkennen lässt. In der Antike fiel das Studium der Naturwissenschaften großenteils mit dem philosophischen Wissen zusammen. Nachdem der heilige Text ausgeführt hat, dass der Mensch mit seinem Verstand in 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Lage ist, „den Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente,... den Kreislauf der Jahre und die Stellung der Sterne, die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere“ zu verstehen (Weish 7,17.19-20), mit einem Wort, dass er fähig ist zu philosophieren, vollzieht er einen sehr bemerkenswerten Schritt nach vom. Während der Verfasser das Denken der griechischen Philosophie aufgreift, auf das er sich in diesem Zusammenhang offensichtlich bezieht, erklärt er, dass man eben durch vernünftiges Nachdenken über die Natur wieder auf den Schöpfer zurückkommen könne: „Denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen“ (Weish 13,5). Es wird also eine erste Stufe der göttlichen Offenbarung anerkannt, die aus dem wunderbaren „Buch der Natur“ besteht; liest der Mensch dieses Buch mit den seiner Vernunft eigenen Mitteln, kann er zur Erkenntnis des Schöpfers gelangen. Wenn der Mensch mit seinem Verstand Gott, den Schöpfer von allem, nicht zu erkennen vermag, dann liegt das nicht so sehr am Fehlen eines geeigneten Mittels als vielmehr an dem Hindernis, das ihm von seinem freien Willen und seiner Sünde in den Weg gelegt wurde. 20. Die Vernunft wird in dieser Sicht gewürdigt, aber nicht überbewertet. Denn .alles, was sie erreicht, kann zwar wahr sein, erlangt aber volle Bedeutung erst, wenn sein Inhalt in den weiteren Horizont des Glaubens gestellt wird: „Der Herr lenkt die Schritte eines jeden. Wie könnte der Mensch seinen Weg verstehen?“ (iSpr 20,24). Nach dem Alten Testament befreit also der Glaube die Vernunft, da er ihr ermöglicht, ihren Erkenntnisgegenstand konsequent zu erreichen und ihn in jene höchste Ordnung zu stellen, in der alles seine Sinnhaftigkeit erlangt. Mit einem Wort, der Mensch gelangt durch die Vernunft zur Wahrheit, weil er zugleich mit dem Glauben den tiefen Sinn von allem und insbesondere den Sinn seines eigenen Daseins entdeckt. Mit Recht setzt daher der Verfasser als den Anfang der wahren Erkenntnis die Gottesfurcht voraus: „Gottesfurcht ist Anfang der Erkenntnis“ (Spr 1,7; vgl. Sir 1,14). „Erwirb dir Weisheit, erwirb dir Einsicht“ (Spr 4,5) 21. Die Erkenntnis beruht nach dem Alten Testament nicht nur auf einer sorgfältigen Beobachtung des Menschen, der Welt und der Geschichte, sondern setzt auch eine unerlässliche Beziehung zum Glauben und zu den Inhalten der Offenbarung voraus. Hier liegen auch die Herausforderangen, denen sich das auserwählte Volk stellen musste und auf die es geantwortet hat. Beim Nachdenken über diese seine Lage hat der biblische Mensch entdeckt, dass er sich nur begreifen kann, insofern er „in Beziehung steht“: in Beziehung zu sich selbst, zum Volk, zur Welt und zu Gott. Diese Öffnung für das Geheimnis, die ihm von der Offenbarung zukam, war schließlich für ihn die Quelle einer wahren Erkenntnis, die seiner Vernunft das Eintauchen in die Räume des Unendlichen erlaubte, wodurch er bis dahin unverhoffte Verständnismöglichkeiten erhielt. 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Anstrengung des Forschens war für den Verfasser nicht frei von der Mühseligkeit, die von der Auseinandersetzung mit den Grenzen der Vernunft herrührt. Das lässt sich zum Beispiel den Worten entnehmen, mit denen das Buch der Sprichwörter den Zustand der Erschöpfung offen legt, der sich bei dem Versuch, die geheimnisvollen Pläne Gottes zu begreifen, einstellte (vgl. Spr 30,1-6). Der Glaubende gibt sich jedoch trotz der Beschwerlichkeit nicht geschlagen. Die Kraft, um seinen Weg zur Wahrheit fortzusetzen, erhält er aus der Gewissheit, dass Gott ihn als „Forscher“ erschaffen hat (vgl. Koh 1,13), der den Auftrag hat, trotz der ständigen Bedrohung durch den Zweifel nichts unversucht zu lassen. Dadurch, dass er sich auf Gott stützt, bleibt er immer und überall auf das Schöne, Gute und Wahre ausgerichtet. 22. Der hl. Paulus hilft uns im ersten Kapitel seines Briefes an die Römer, die Überlegung der Weisheitsbücher in ihrer Eindringlichkeit besser zu würdigen. Mit seiner Darlegung einer philosophischen Argumentation in der Sprache des Volkes bringt der Apostel eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck: Durch die Schöpfung können die „Augen des Verstandes“ zur Erkenntnis Gottes gelangen. Denn durch die Geschöpfe lässt er die Vernunft seine „Macht“ und seine „Gottheit“ erahnen (vgl. Röm 1,20). Der Vernunft des Menschen wird also eine Fähigkeit zuerkannt, die gleichsam ihre natürlichen Grenzen zu übersteigen scheint: nicht nur dass sie von dem Augenblick an, wo sie kritisch darüber nachdenken kann, nicht mehr in die sinnliche Erkenntnis verbannt ist, sondern auch durch das Argumentieren über die Sinneswahmehmungen kann sie zu dem Grund Vordringen, der am Anfang jeder sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit steht. In philosophischer Fachsprache könnten wir sagen, dass in dem wichtigen Text die metaphysische Fähigkeit des Menschen bejaht wird. Nach Überzeugung des Apostels war im ursprünglichen Schöpfungsplan die Fähigkeit der Vernunft vorgesehen, die Sinnenwelt mit Leichtigkeit zu übersteigen, um zum eigentlichen Ursprung von allem zu gelangen: dem Schöpfer. Infolge des Ungehorsams, durch den sich der Mensch die volle und absolute Unabhängigkeit gegenüber seinem Schöpfer erwirken wollte, ist diese Leichtigkeit des Aufstiegs zum Schöpfergott verloren gegangen. Das Buch Genesis beschreibt auf anschauliche Weise diesen Zustand des Menschen, wenn es davon erzählt, dass Gott ihn in den Garten Eden setzte, in dessen Mitte „der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ stand (Gen 2,17). Das Symbol ist klar: Der Mensch war nicht in der Lage, von sich aus zu unterscheiden und zu entscheiden, was gut und was böse war, sondern musste sich auf ein höheres Prinzip berufen. Verblendung durch Überheblichkeit verführte unsere Stammeitem zu der trügerischen Täuschung, sie wären souverän und unabhängig und könnten auf die von Gott stammende Erkenntnis verzichten. In ihren Ur-Ungehorsam zogen sie jeden Mann und jede Frau hinein und fügten der Vernunft Wunden zu, die von da an den Weg zur vollen Wahrheit behindern sollten. Das menschliche Vermögen, die Wahrheit zu erkennen, wurde nunmehr von der Auflehnung gegen denjenigen beeinträchtigt, der Quelle und Ursprung der Wahrheit ist. Wieder ist es der Apos- 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tel, der darlegt, wie aufgrund der Sünde die Gedanken der Menschen „nichtig“ geworden sind und sich ihre Überlegungen als entstellt und falsch orientiert erwiesen haben (vgl. Röm 1,21-22). Die Augen des Verstandes waren nun nicht mehr in der Lage, klar zu sehen: Die Vernunft wurde zunehmend zur Gefangenen ihrer selbst. Das Kommen Christi war das Heilsereignis, das die Vernunft aus ihrer Schwachheit erlöste und sie von den Fesseln, in denen sie sich selbst gefangen hatte, befreite. 23. Das Verhältnis des Christen zur Philosophie verlangt daher eine tiefgreifende Unterscheidung. Im Neuen Testament, vor allem in den Briefen des hl. Paulus, tritt eine Tatsache klar ans Licht: die Gegenüberstellung zwischen der „Weisheit dieser Welt“ und der in Jesus Christus geoffenbarten Weisheit Gottes. Die Tiefgründigkeit der geoffenbarten Weisheit sprengt den Zirkel unserer üblichen Denkschemata, die keinesfalls in der Lage sind, sie adäquat wiederzugeben. Der Anfang des ersten Briefes an die Korinther wirft dieses Dilemma in radikaler Weise auf. Der gekreuzigte Sohn Gottes ist das geschichtliche Ereignis, an dem jeder Versuch des Verstandes scheitert, auf rein menschlichen Argumenten einen ausreichenden Beleg für den Sinn des Daseins aufzubauen. Der wahre Knotenpunkt, der die Philosophie herausfordert, ist der Tod Jesu Christi am Kreuz. Denn hier ist jeder Versuch, den Heilsplan des Vaters auf reine menschliche Logik zurückzuführen, zum Scheitern verurteilt. „Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer in dieser Welt? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt?“ (7 Kor 1,20), fragt sich der Apostel emphatisch. Für das, was Gott verwirklichen will, genügt nicht bloß die Weisheit des weisen Menschen, vielmehr ist ein entschlossener Übergang zur Annahme von etwas völlig Neuem gefordert: „das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen [...]. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten“ (7 Kor 1,27-28). Die Weisheit des Menschen lehnt es ab, in ihrer Schwachheit die Voraussetzung für ihre Stärke zu sehen; aber der hl. Paulus zögert nicht zu bekräftigen: „wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10). Der Mensch vermag nicht zu begreifen, wie der Tod Quelle von Leben und Liebe sein könne, aber Gott hat gerade das für die Enthüllung des Geheimnisses seines Heilsplanes erwählt, was die Vernunft als „Torheit“ und „Ärgernis“ ansieht. Mit Hilfe der Sprache der Philosophen seiner Zeit erreicht Paulus den Höhepunkt seiner Lehre und des Paradoxons, das er ausdrücken will: „Gott hat in der Welt das, was nichts ist, erwählt, um das, was etwas ist, zu vernichten“ (vgl. 7 Kor 1,28). Der Apostel scheut sich nicht, von der radikalsten Sprache, welche die Philosophen in ihren Erwägungen über Gott verwendeten, Gebrauch zu machen, um das Wesen der ungeschuldeten Liebe zum Ausdruck zu bringen, die sich im Kreuz Jesu Christi geoffenbart hat. Die Vernunft kann das Geheimnis, das das Kreuz darstellt, nicht der Liebe entleeren; statt dessen kann das Kreuz der Vernunft die letzte Antwort geben, nach der sie sucht. Nicht die Weisheit der Worte, sondern das Wort von der Weisheit ist es, das der hl. Paulus als Kriterium der Wahrheit und damit des Heils festsetzt. 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Weisheit des Kreuzes überwindet daher jede kulturelle Grenze, die man ihr auferlegen will, und verpflichtet dazu, sich der Universalität der Wahrheit, deren Trägerin sie ist, zu öffnen. Was für eine Herausforderung stellt sich da unserer Vernunft und welchen Nutzen zieht sie daraus, wenn sie sich denn geschlagen gibt! Die Philosophie, die schon von sich aus imstande ist, die unablässige Selbsttrans-zendierung des Menschen auf die Wahrheit hin zu erkennen, kann sich mit Hilfe des Glaubens öffnen, um in der „Torheit“ des Kreuzes die echte Kritik an denen aufzugreifen, die sich der Täuschung hingeben, die Wahrheit zu besitzen, während sie sie in den Untiefen ihres Systems gefangen halten. Das Verhältnis von Glaube und Philosophie trifft in der Verkündigung vom gekreuzigten und auferstandenen Christus auf die Felsenklippe, an der es Schiffbruch erleiden kann. Doch jenseits dieser Klippe kann es in das unendliche Meer der Wahrheit einmünden. Hier zeigt sich deutlich die Grenze zwischen Vernunft und Glaube, es wird aber auch der Raum klar erkennbar, in dem sich beide begegnen können. Kapitel III Intellego ut credam Auf dem Weg der Suche nach der Wahrheit 24. Der Evangelist Lukas erzählt in der Apostelgeschichte, dass Paulus auf seinen Missionsreisen nach Athen kam. Die Stadt der Philosophen war voll von Statuen, die verschiedene Götzen darstellten. Ein Altar erregte seine Aufmerksamkeit, und er nahm das sogleich zum Anlass, darin eine gemeinsame Grundlage zu entdecken, auf der er mit der Verkündigung des Kerygmas beginnen konnte. Und so sprach er: „Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: Einem unbekannten Gott. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch“ (Apg 17,22-23). Von da ausgehend spricht der hl. Paulus von Gott als Schöpfer, als dem, der alles übersteigt und alles zum Leben bringt. Dann setzt er seine Rede so fort: „Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgelegt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern“ {Apg 17,26-27). Der Apostel legt eine Wahrheit vor, die sich die Kirche stets zunutze gemacht hat: Das Streben und die Sehnsucht nach Gott ist tief in das Menschenherz eingesät. Daran erinnert auch ausdrücklich die Karfreitagsliturgie, wenn sie uns im Gebet für alle Nichtglaubenden sprechen lässt: „Allmächtiger, ewiger Gott, du hast eine so tiefe Sehnsucht nach dir ins Herz der Menschen gesenkt, daß sie erst Frieden haben, wenn sie dich finden“. <261> Es gibt also einen Weg, den der Mensch, wenn er „Ut te semper desiderando quaererent et inveniendo quiescerent“: Missale Romanum. 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN will, gehen kann; er beginnt mit der Fähigkeit der Vernunft, sich über das Zufällige zu erheben, um auf das Unendliche zuzutreiben. Der Mensch hat auf verschiedene Weise und zu verschiedenen Zeiten bewiesen, dass er imstande ist, dieser seiner tiefsten Sehnsucht Ausdruck zu verleihen. Literatur, Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur und jedes andere Erzeugnis seines schöpferischen Verstandes sind zu Kanälen geworden, durch die er sein sehnsüchtiges Suchen ausdrückt. In besonderer Weise hat die Philosophie diesen Antrieb in sich aufgenommen und mit ihren Mitteln sowie ihren wissenschaftlichen Möglichkeiten gemäß diesem universalen Streben des Menschen Ausdruck verliehen. 25. „Alle Menschen streben nach Wissen“; <262> Gegenstand dieses Strebens ist die Wahrheit. Selbst das Alltagsleben zeigt, wie sehr ein jeder daran interessiert ist herauszufinden, wie über das bloß gehörte Wort hinaus die Dinge in Wahrheit sind. Der Mensch ist das einzige Wesen in der ganzen sichtbaren Schöpfung, das nicht nur zu wissen fähig ist, sondern auch um dieses Wissen weiß; darum interessiert er sich für die tatsächliche Wahrheit dessen, was für ihn sichtbar ist. Ehrlicherweise darf niemandem die Wahrheit seines Wissens gleichgültig sein. Wenn er entdeckt, dass es falsch ist, verwirft er es; wenn er es hingegen als wahr feststellen kann, ist er zufrieden. Das ist die Lehre des hl. Augustinus, wenn er schreibt: „Ich habe manchen gefunden, der andere täuschen wollte, aber keinen, der getäuscht sein wollte“. <263> Mit Recht gilt ein Mensch dann als erwachsen, wenn er mit eigenen Mitteln zwischen wahr und falsch unterscheiden kann, indem er sich über die objektive Wirklichkeit der Dinge sein Urteil bildet. Hier liegt der Grund zu vielen Forschungen, besonders auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, die in den letzten Jahrhunderten so bedeutsame Ergebnisse erbracht und damit einen echten Fortschritt der gesamten Menschheit gefördert haben. <262> 3 Aristoteles, Metaphysik, 1,1. <263> Bekenntnisse, X, 23, 33: CCL 27, 173. Nicht weniger wichtig als die Forschung auf theoretischem Gebiet ist jene im praktischen Bereich. Denn durch sein sittliches Handeln schlägt die menschliche Person, wenn sie ihrem freien und rechten Willen gemäß handelt, den Weg der Glückseligkeit ein und strebt nach Vollkommenheit. Auch in diesem Fall geht es um die Wahrheit. Diese Überzeugung habe ich in der Enzyklika Veritatis splendor unterstrichen: ,Moral ohne Freiheit gibt es nicht ... Wenn für den Menschen das Recht besteht, auf seinem Weg der Wahrheitssuche respektiert zu werden, so besteht noch vorher die für jeden schwerwiegende moralische Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen und an der anerkannten Wahrheit festzuhalten“. <264> Es ist also notwendig, dass die angenommenen und durch das eigene Leben verfolgten Werte wahr sind, weil nur wahre Werte die menschliche Person durch Verwirklichung ihrer Natur vollenden können. Diese Wahrheit der Werte findet der Mensch nicht dadurch, dass er sich in sich verschließt, sondern indem er sich <264> Nr. 34: AAS 85(1993)1161. 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN öffnet, um sie auch in den über ihn hinausgehenden Dimensionen anzunehmen. Das ist eine unerlässliche Voraussetzung, damit ein jeder er selbst werden und als erwachsene, reife Person wachsen kann. 26. Die Wahrheit stellt sich dem Menschen anfangs in Frageform: Hat das Leben einen Sinn? Wohin führt es? Auf den ersten Blick könnte das Dasein des Menschen als Person gänzlich sinnlos erscheinen. Man braucht nicht Philosophen, die die Absurdität vertreten, oder die provokatorischen Fragen im Buch Ijob heranzuziehen, um am Sinn des Lebens zu zweifeln. Die tägliche Erfahrung von eigenem und fremdem Leid, der Anblick so vieler Tatsachen, die im Lichte der Wahrheit unerklärlich erscheinen, genügen, dass wir unausweichlich eine so dramatische Frage wie jene nach dem Sinn stellen. <265> Hinzukommt, dass die erste absolut sichere Wahrheit unserer Existenz außer der Tatsache, dass wir überhaupt da sind, die Unvermeidbarkeit unseres Todes ist. Angesichts dieses bestürzenden Umstandes stellt sich die Suche nach einer erschöpfenden Antwort. Jeder will - und soll - die Wahrheit über sein Ende kennen. Er will wissen, ob der Tod das endgültige Ende seines Daseins ist oder ob es noch etwas gibt, das über den Tod hinausreicht; ob er auf ein Weiterleben hoffen darf oder nicht. Nicht von ungefähr hat das philosophische Denken seine entscheidende Orientierung vom Tod des Sokrates her erhalten und ist seit über zweitausend Jahren davon geprägt geblieben. Es ist also durchaus kein Zufall, dass angesichts der Tatsache des Todes die Philosophen sich dieses Problems, zusammen mit der Frage nach dem Sinn des Lebens und der Unsterblichkeit, immer von neuem angenommen haben. <265> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Salvifici doloris (11. Februar 1984), Nr. 9: AAS 76(1984)209-210. 27. Niemand, weder der Philosoph noch der gewöhnliche Mensch, kann diesen Fragen aus dem Weg gehen. Von der Antwort darauf hängt eine entscheidende Etappe der Suche ab: Ob es möglich ist, zu einer universalen und absoluten Wahrheit zu gelangen oder nicht. An und für sich erscheint jede Wahrheit, auch Teilwahrheit, wenn sie wirklich Wahrheit ist, als universal. Was wahr ist, muss für alle und für immer wahr sein. Außer dieser Universalität sucht der Mensch jedoch nach einem Absoluten, das in der Lage sein soll, seinem ganzen Suchen und Forschen Antwort und Sinn zu geben: etwas Letztes, das sich als Grund jeder Sache herausstellt. Mit anderen Worten, er sucht nach einer endgültigen Erklärung, nach einem höchsten Wert, über den hinaus es weitere Fragen oder Verweise weder gibt noch geben kann. Hypothesen können den Menschen faszinieren, aber sie befriedigen ihn nicht. Es kommt für alle der Zeitpunkt, wo sie, ob sie es zugeben oder nicht, das Bedürfnis haben, ihre Existenz in einer als endgültig anerkannten Wahrheit zu verankern, welche eine Gewissheit vermittelt, die nicht mehr dem Zweifel unterworfen ist. Die Philosophen haben im Laufe der Jahrhunderte versucht, eine solche Wahrheit zu entdecken und zum Ausdruck zu bringen, indem sie Denksysteme und -schulen 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ins Leben riefen. Über die philosophischen Systeme hinaus gibt es jedoch noch andere Ausdrucksformen, in denen der Mensch seiner „Philosophie“ Gestalt zu geben versucht: dabei handelt es sich um persönliche Überzeugungen oder Erfahrungen, um familiäre oder kulturelle Traditionen oder um Lebensprogramme, wo man sich der Autorität eines Meisters anvertraut. Aus jeder dieser Erscheinungen spricht stets der lebhafte Wunsch, zur Gewissheit der Wahrheit und ihres absoluten Wertes zu gelangen. Die verschiedenen Gesichter der Wahrheit des Menschen 28. Die Wahrheitssuche stellt sich zugegebenermaßen nicht immer mit solcher Transparenz und Folgerichtigkeit dar. Die angeborene Begrenztheit der Vernunft und die Unbeständigkeit des Herzens trüben oft die persönliche Suche und lenken sie ab. Verschiedenartige andere Interessen können die Wahrheit unterdrücken. Es kommt vor, dass der Mensch, kaum dass er die Wahrheit flüchtig erblickt, geradewegs vor ihr flieht, weil er sich vor ihren Ansprüchen fürchtet. Trotzdem beeinflusst die Wahrheit, auch wenn er sie meidet, immer sein Dasein. Denn niemals könnte er sein Leben auf Zweifel, Ungewissheit oder Lüge gründen; eine solche Existenz wäre ständig von Angst und Furcht bedroht. Man kann also den Menschen als den definieren, der nach der Wahrheit sucht. 29. Es ist undenkbar, dass eine so tief in der menschlichen Natur verwurzelte Suche völlig nutzlos und vergeblich sein könnte. Die Fähigkeit, nach der Wahrheit zu suchen und Fragen zu stellen, schließt nämlich bereits eine erste Antwort ein. Der Mensch würde gar nicht anfangen, etwas zu suchen, von dem er überhaupt nichts wüsste oder das er für absolut unerreichbar hielte. Erst die Aussicht, zu einer Antwort gelangen zu können, kann ihn veranlassen, den ersten Schritt zu tun. Tatsächlich geschieht genau das normalerweise in der wissenschaftlichen Forschung. Wenn ein Wissenschaftler, seiner Intuition folgend, sich der Suche nach der logischen und nachweisbaren Erklärung eines bestimmten Phänomens widmet, vertraut er von Anfang an darauf, eine Antwort zu finden, und kapituliert nicht angesichts der Misserfolge. Er hält seine ursprüngliche Eingebung nicht für nutzlos, nur weil er das Ziel nicht erreicht hat; er wird vielmehr zu Recht sagen, er habe noch nicht die adäquate Antwort gefunden. Dasselbe muss auch für die Wahrheitssuche im Bereich der letzten Fragen gelten. Die Sehnsucht nach der Wahrheit wurzelt so tief im Herzen des Menschen, dass das Abstandnehmen davon die Existenz gefährden würde. Es genügt schließlich die Beobachtung des Alltagslebens um festzustellen, dass jeder von uns die quälende Last einiger wesentlicher Fragen in sich trägt und zugleich in seinem Herzen zumindest den Entwurf der dazugehörigen Antworten hütet. Es sind Antworten, von deren Wahrheit man auch deshalb überzeugt ist, weil man die Erfahrung macht, dass sie sich im wesentlichen nicht von den Antworten unterscheiden, zu denen viele andere gelangt sind. Sicherlich besitzt nicht jede Wahrheit, die erworben wird, denselben Wert. Von der Gesamtheit der erreichten 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ergebnisse wird jedoch die Fähigkeit des Menschen bestätigt, grundsätzlich zur Wahrheit zu gelangen. 30. Es mag nützlich sein, diese verschiedenen Formen der Wahrheit im folgenden kurz zu erwähnen. Am zahlreichsten sind jene Formen, die auf unmittelbarer Ein-sichtigkeit beruhen oder durch Erprobung Bestätigung finden. Es handelt sich dabei um die WahrheitsOrdnung des Alltagslebens und der wissenschaftlichen Forschung. Auf einer anderen Ebene sind die Wahrheiten philosophischen Charakters anzusiedeln, zu denen der Mensch durch die spekulative Kraft seines Verstandes gelangt. Schließlich gibt es die religiösen Wahrheiten, die in gewissem Maße auch in der Philosophie verwurzelt sind. Enthalten sind sie in den Antworten, welche die verschiedenen Religionen in ihren Traditionen auf die letzten Fragen geben. <266> Was die philosophischen Wahrheiten betrifft, gilt es klarzustellen, dass sie sich nicht allein auf die mitunter kurzlebigen Wahrheiten der Berufsphilosophen beschränken. Wie ich schon gesagt habe, ist jeder Mensch auf eine gewisse Art ein Philosoph und besitzt seine philosophischen Auffassungen, nach denen er sein Leben ausrichtet. Er bildet sich auf die eine oder andere Weise eine Gesamtanschauung und eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn seines Daseins: In diesem Licht deutet er sein persönliches Schicksal und regelt sein Verhalten. Hier müsste er sich die Frage nach dem Verhältnis der philosophisch-religiösen Wahrheiten zu der in Jesus Christus geoffenbarten Wahrheit stellen. Bevor wir diese Frage beantworten, müssen wir noch eine weitere Gegebenheit der Philosophie bedenken. <266> Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung über die Beziehungen der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, Nr. 2. 31. Der Mensch ist nicht geschaffen, um allein zu leben. Er wird geboren und wächst in einer Familie auf, um sich später mit seiner Arbeit in die Gesellschaft einzugliedem. Er findet sich also von Geburt an in verschiedene Traditionen eingebunden, von denen er nicht nur die Sprache und die kulturelle Bildung, sondern auch vielfältige Wahrheiten empfängt, denen er gleichsam instinktiv glaubt. Persönliches Wachstum und Reifung bringen es jedoch mit sich, dass diese Wahrheiten durch den besonderen Einsatz des kritischen Denkens in Zweifel gezogen und überprüft werden können. Das hindert nicht, dass nach dieser Übergangsphase dieselben Wahrheiten aufgrund der mit ihnen gemachten Erfahrung oder kraft nachfolgender Überlegungen „wiedergewonnen“ werden. Trotzdem sind im Leben eines Menschen die einfachhin geglaubten Wahrheiten viel zahlreicher als jene, die er durch persönliche Überprüfung erwirbt. Wer wäre denn imstande, die unzähligen wissenschaftlichen Ergebnisse, auf die sich das moderne Leben stützt, kritisch zu prüfen? Wer vermöchte für sich allein den Strom der Informationen zu kontrollieren, die Tag für Tag aus allen Teilen der Welt eintreffen und die immerhin als grundsätzlich wahr angenommen werden? Wer könnte schließlich die Erfahrungsund Denkwege wiederholen, auf denen sich die Schätze der Menschheit an Weis- 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit und Religiosität angesammelt haben? Der Mensch, ein Wesen, das nach der Wahrheit sucht, ist also auch derjenige, der vom Glauben lebt. 32. Im Glauben vertraut sich ein jeder den von anderen Personen erworbenen Erkenntnissen an. Darin ist eine bedeutungsvolle Spannung erkennbar: Einerseits erscheint die Erkenntnis durch Glauben als eine unvollkommene Erkenntnisform, die sich nach und nach durch die persönlich gewonnene Einsicht vervollkommnen soll; andererseits erweist sich der Glaube oft als menschlich reicher im Vergleich zur bloßen Einsichtigkeit, weil er eine Beziehung zwischen Personen einschließt und nicht nur die persönlichen Erkenntnisfähigkeiten, sondern auch die tiefergehende Fähigkeit ins Spiel bringt, sich anderen Personen anzuvertrauen, indem man eine festere und innige Verbindung mit ihnen eingeht. Es sei unterstrichen, dass die in dieser zwischenmenschlichen Beziehung gesuchten Wahrheiten nicht in erster Linie in die faktische oder in die philosophische Ordnung gehören. Gesucht wird vielmehr nach der eigentlichen Wahrheit der Person: was sie ist und was sie von ihrem Innersten sichtbar werden lässt. Die Vollkommenheit des Menschen besteht nämlich nicht allein in der Aneignung der abstrakten Erkenntnis der Wahrheit, sondern auch in einer lebendigen Beziehung der Hingabe und Treue gegenüber dem anderen. In dieser Treue, die sich hinzugeben vermag, findet der Mensch volle Gewissheit und Sicherheit. Gleichzeitig ist die Erkenntnis durch Glauben, die sich auf das zwischenmenschliche Vertrauen stützt, jedoch nicht ohne Bezug zur Wahrheit: Der gläubige Mensch vertraut sich der Wahrheit an, die der andere ihm kundtut. Wie viele Beispiele ließen sich zur Erläuterung dieser Tatsache anführen! Meine Gedanken wenden sich jedoch geradewegs dem Zeugnis der Märtyrer zu. Der Märtyrer ist in der Tat der zuverlässigste Zeuge der Wahrheit über das Dasein. Er weiß, dass er in der Begegnung mit Jesus Christus die Wahrheit über sein Leben gefunden hat; nichts und niemand wird ihm jemals diese Gewissheit zu entreißen vermögen. Weder das Leiden noch der gewaltsame Tod werden ihn dazu bringen können, die Zustimmung zu der Wahrheit zu widerrufen, die er in der Begegnung mit Christus entdeckt hat. Deshalb fasziniert uns bis heute das Zeugnis der Märtyrer, es weckt Zustimmung, stößt auf Gehör und findet Nachahmung. Das ist der Grund, warum man auf ihr Wort vertraut: Man entdeckt in ihnen ganz offensichtlich eine Liebe, die keiner langen Argumentationen bedarf, um zu überzeugen, da sie zu jedem von dem spricht, was er im Innersten bereits als wahr vernimmt und seit langem gesucht hat. Schließlich ruft der Märtyrer ein tiefes Vertrauen in uns hervor, weil er sagt, was wir bereits empfinden, und offenkundig macht, was auch wir, wenn wir denn die Kraft dazu fänden, gern ausdrücken würden. 33. So kann man sehen, dass die Linien des Problems fortschreitend ergänzt werden. Der Mensch sucht von Natur aus nach der Wahrheit. Diese Suche ist nicht allein zur Aneignung von partiellen, faktischen oder wissenschaftlichen Wahrheiten bestimmt; der Mensch sucht nicht nur für jede seiner Entscheidungen das wahre Gute. Seine Suche strebt nach einer jenseitigen Wahrheit, die in der Lage sein soll, 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Sinn des Lebens zu erklären; es handelt sich daher um eine Suche, die nur im Absoluten Antwort finden kann. <267> Dank der dem Denken innewohnenden Fähigkeiten ist der Mensch imstande, einer solchen Wahrheit zu begegnen und sie zu erkennen. Diese lebenswichtige und für seine Existenz wesentliche Wahrheit wird nicht nur auf rationalem Weg erreicht, sondern auch dadurch, dass sich der Mensch vertrauensvoll auf andere Personen verlässt, welche die Sicherheit und Authentizität der Wahrheit garantieren können. Die Fähigkeit und Entscheidung, sich selbst und sein Leben einem anderen Menschen anzuvertrauen, stellen gewiss einen der anthropologisch gewichtigsten und ausdrucksstarksten Akte dar. <267> Von dieser von mir seit langem verfolgten Argumentation habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten gesprochen: ,„Was ist der Mensch, und wozu nützt er? Was ist gut an ihm und was ist schlecht?’ {Sir 18,8)... Diese Fragen trägt jeder Mensch im Innersten seines Herzens, wie der dichterische Genius aller Zeiten und Völker beweist, der wie eine Prophezeiung der Menschheit immer wieder die ernste Frage stellt, die den Menschen erst wirklich zum Menschen macht. Sie drücken die Dringlichkeit aus, einen Grund für das Dasein zu finden, für jeden seiner Augenblicke, für die wichtigen und entscheidenden Perioden ebenso wie für den gewöhnlichen Alltag. In diesen Fragen bestätigt sich die tiefe Vernünftigkeit des menschlichen Daseins, denn Verstand und Wille des Menschen werden hier angeregt, in Freiheit nach einer Lösung zu suchen, die dem Leben einen vollen Sinn zu bieten vermag. Diese Fragen stellen daher den erhabensten Ausdruck der Natur des Menschen dar: Infolgedessen ist die Antwort auf sie der Maßstab für die Tiefe, mit der er sein Dasein bewältigt. Besonders wenn man bei der Suche nach der letzten und erschöpfendsten Antwort den Grund der Dinge vollständig erforschen will, erreicht die menschliche Vernunft ihren Gipfel und öffnet sich dem Religiösen. Denn die Religiosität stellt die erhabenste Äußerung der menschlichen Person dar, weil sie der Höhepunkt ihrer Natur als Vemunftwesen ist. Sie entspringt der tiefen Sehnsucht des Menschen nach der Wahrheit und liegt seinem freien und persönlichen Suchen nach dem Göttlichen zugrunde“ Generalaudienz am 19. Oktober 1983, Nm. 1-2, in: Insegnamenti VI, 2(1983)814-815. Man möge nicht vergessen, dass auch die Vernunft bei ihrer Suche auf die Unterstützung durch vertrauensvollen Dialog und aufrichtige Freundschaft angewiesen ist. Ein Klima aus Verdacht und Misstrauen, wie es die spekulative Forschung mitunter umgibt, vernachlässigt die Lehre der antiken Philosophen, welche die Freundschaft als eine der für das richtige Philosophieren geeignetsten Rahmenbedingungen herausstellten. Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass sich der Mensch auf einer nach menschlichem Ermessen endlosen Suche befindet: der Suche nach Wahrheit und der Suche nach einer Person, der er sich anvertrauen kann. Der christliche Glaube kommt ihm dadurch entgegen, dass er ihm die konkrete Möglichkeit bietet, das Ziel dieser Suche verwirklicht zu sehen. Indem er beim Menschen das Stadium des gewöhnlichen Glaubens überwindet, führt er ihn in jene Gnadenordnung ein, die ihm die Teilhabe an dem Geheimnis Christi erlaubt, in dem ihm die wahre und angemessene Erkenntnis des dreieinigen Gottes geschenkt wird. In Jesus Christus, der die Wahrheit ist, anerkennt somit der Glaube den letzten Aufruf, der an die Menschheit gerichtet wird, damit sie das, was sie als Streben und Sehnsucht erfährt, zur Erfüllung bringen kann. 34. Diese „Wahrheit“, die uns Gott in Jesus Christus offenbart, steht nicht im Widersprach zu den Wahrheiten, zu denen man durch das Philosophieren gelangt. Die beiden Erkenntnisordnungen führen ja erst zur Wahrheit in ihrer Fülle. Die Einheit der Wahrheit ist bereits ein grundlegendes Postulat der menschlichen Vernunft, das 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Non-Kontradiktionsprinzip ausgedrückt ist. Die Offenbarung bietet die Sicherheit für diese Einheit, indem sie zeigt, dass der Schöpfergott auch der Gott der Heilsgeschichte ist. Ein und derselbe Gott, der die Verstellbarkeit und Vernünftigkeit der natürlichen Ordnung der Dinge, auf die sich die Wissenschaftler vertrauensvoll stützen, <268> begründet und gewährleistet, ist identisch mit dem Gott, der sich als Vater unseres Herrn Jesus Christus offenbart. Diese Einheit von natürlicher und geoffenbarter Wahrheit findet ihre lebendige und personale Identifikation in Christus, worauf der Apostel anspielt: „Die Wahrheit ist in Christus“ (vgl. Eph 4,21; Kol 1,15-20). Er ist das ewige Wort, in dem alles erschaffen worden ist, und zugleich ist er das fleischgewordene Wort, das in seiner ganzen Person den Vater offenbart (vgl. Joh 1,14.18). <269> Das, was die menschliche Vernunft sucht, „ohne es zu kennen“ (Apg 17,23), kann nur durch Christus gefunden werden: denn in ihm offenbart sich die „volle Wahrheit“ (vgl. Joh 1,14-16) jedes Wesens, das in ihm und durch ihn erschaffen worden ist und daher in ihm seine Vollendung findet (vgl. Kol 1,17). <268> „[Galilei] hat ausdrücklich erklärt, dass die beiden Wahrheiten, die Wahrheit des Glaubens und die Wahrheit der Wissenschaft, niemals einander widersprechen können, ,da die Heilige Schrift und die Natur gleichermaßen dem göttlichen Wort entspringen, jene als diktiert vom Heiligen Geist, diese als getreue Vollstreckerin der Anordnungen Gottes’, wie er in seinem Brief an P. Benedetto Castelli am 21. Dezember 1613 schrieb. Das II. Vatikanische Konzil drückt sich nicht anders aus; ja, es nimmt die gleiche Ausdrucksweise wieder auf, wenn es lehrt: Vorausgesetzt, dass die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklichen wissenschaftlichen Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben’ (Gaudium et spes, Nr. 36). Galilei fühlt bei seiner wissenschaftlichen Forschung die Gegenwart des Schöpfers, der ihn anspomt, seinen Eingebungen zuvorkommt und beisteht, indem er in der Tiefe seines Geistes wirkt“. Johannes Paul II. Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, 10. November 1979: Insegnamenti, II, 2(1979)1111-1112. <269> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 4. 35. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Betrachtungen gilt es nun, eine unmittelbarere Untersuchung des Verhältnisses zwischen geoffenbarter Wahrheit und Philosophie vorzunehmen. Dieses Verhältnis nötigt uns zu einer doppelten Überlegung, da die Wahrheit, die aus der Offenbarung stammt, gleichzeitig eine Wahrheit ist, die im Lichte der Vernunft verstanden werden muss. Erst in dieser zweifachen Bedeutung ist es nämlich möglich, das richtige Verhältnis zum philosophischen Wissen genau zu bestimmen. Wir betrachten deshalb zunächst die Beziehungen zwischen Glaube und Philosophie im Laufe der Geschichte. Von daher werden sich einige Grundsätze feststellen lassen, an die man sich als Bezugspunkte halten muss, um das richtige Verhältnis zwischen den beiden Erkenntnisordnungen festzulegen. 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel TV Das Verhältnis von Glaube und Vernunft Bedeutsame Schritte der Begegnung zwischen Glaube und Vernunft 36. Nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte sah sich die christliche Verkündigung von Anfang an mit den zeitgenössischen philosophischen Strömungen konfrontiert. So berichtet das Buch darüber, dass der hl. Paulus in Athen mit einigen „epikureischen und stoischen Philosophen“ diskutierte (17,18). Die exegetische Analyse jener Rede, die der Apostel im Areopag gehalten hatte, hob die wiederholten Anspielungen auf populäre Überzeugungen zumeist stoischer Herkunft hervor. Das war sicher kein Zufall. Um von den Heiden verstanden zu werden, konnten es die ersten Christen in ihren Reden nicht beim Hinweis „auf Mose und die Propheten“ bewenden lassen; sie mussten sich auch auf die natürliche Gotteserkenntnis und auf die Stimme des moralischen Gewissens jedes Menschen stützen (vgl. Rom 1,19-21; 2,14-15; Apg 14,14-16). Da diese natürliche Erkenntnis jedoch in der heidnischen Religion zum Götzendienst verkommen war (vgl. Röm 1,21-32), hielt es der Apostel für klüger, seine Rede mit dem Denken der Philosophen zu verknüpfen, die von Anfang an den Mythen und Mysterienkulten Gedanken entgegengesetzt hatten, die der göttlichen Transzendenz größere Achtung entgegenbrachten. Die Gottesvorstellung der Menschen von mythologischen Formen zu reinigen, war in der Tat eine der größten Anstrengungen, die die Philosophen des klassischen Denkens unternommen haben. Wie wir wissen, war auch die griechische Religion, nicht anders als die meisten kosmischen Religionen, polytheistisch. Dabei ging sie so weit, dass sie Dinge und Naturphänomene vergöttlichte. Die Versuche des Menschen, den Ursprung der Götter und in ihnen des Universums zu begreifen, fanden ihren ersten Ausdruck in der Dichtkunst. Die Theogonien sind bis heute das erste Zeugnis dieser Suche des Menschen. Aufgabe der Väter der Philosophie war es, den Zusammenhang zwischen Vernunft und Religion sichtbar zu machen. Da sie den Blick auf allgemeine Prinzipien hin ausweiteten, gaben sie sich nicht mehr mit alten Mythen zufrieden, sondern wollten ihrem Glauben an die Gottheit eine rationale Grundlage geben. So wurde ein Weg eingeschlagen, der, ausgehend von den einzelnen alten Überlieferungen, in eine Entwicklung einmündete, die den Anforderungen der allgemeinen Vernunft entsprach. Das Ziel, das diese Entwicklung anstrebte, war das kritische Bewusstsein dessen, woran man glaubte. Dieser Weg schlug sich positiv zunächst in der Gottesvorstellung nieder. Formen von Aberglauben wurden als solche erkannt, und die Religion wurde durch die Kraft der rationalen Analyse wenigstens zum Teil geläutert. Auf dieser Grundlage begannen die Kirchenväter einen fruchtbaren Dialog mit den antiken Philosophen und bahnten so der Verkündigung und dem Verständnis des Gottes Jesu Christi den Weg. 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 37. Wenn man auf diese Annäherungsbewegung der Christen an die Philosophie hinweist, muss man freilich auch die vorsichtige Haltung erwähnen, die andere Elemente der heidnischen Kulturwelt, wie zum Beispiel die Gnosis, bei ihnen hervorriefen. Als praktische Weisheit und Lebensschule konnte die Philosophie leicht mit einer Erkenntnis höherer, esoterischer Art, die nur wenigen Vollkommenen Vorbehalten war, verwechselt werden. Zweifellos denkt der hl. Paulus an diese Weise esoterischer Spekulationen, wenn er die Kolosser warnt: „Gebt acht, daß euch niemand mit seiner Philosophie und falschen Lehre verführt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen“ (2,8). Die Worte des Apostels erscheinen äußerst aktuell, wenn wir sie auf die verschiedenen Formen der Esoterik beziehen, die heutzutage auch bei manchen Gläubigen, denen es am erforderlichen kritischen Sinn mangelt, um sich greifen. Dem Beispiel des hl. Paulus folgend erhoben andere Schriftsteller der ersten Jahrhunderte, im besonderen der hl. Irenäus und Tertullian, ihrerseits Vorbehalte gegen eine kulturelle Konzeption, die forderte, die Wahrheit der Offenbarung der Interpretation der Philosophen unterzuordnen. 38. Die Begegnung des Christentums mit der Philosophie erfolgte also weder spontan noch war sie einfach. Die Tätigkeit der Philosophen und der Besuch ihrer Schulen erschien den ersten Christen eher als Störung denn als Chance. Für sie war die erste, dringende Aufgabe die Verkündigung des auferstandenen Christus in einer persönlichen Begegnung, die den Gesprächspartner zur inneren Umkehr und zur Bitte um die Taufe führen sollte. Das heißt freilich nicht, dass sie die Aufgabe, das Verständnis des Glaubens und seiner Begründungen zu vertiefen, unbeachtet gelassen hätten. Im Gegenteil: Die Kritik des Kelsos, der die Christen bezichtigt, „ungebildete und grobschlächtige“ Leute <270> zu sein, stellt sich daher als ungerecht und als Vorwand heraus. Die Erklärung für ihre anfängliche Gleichgültigkeit muss anderswo gesucht werden. In Wirklichkeit bot die Begegnung mit dem Evangelium eine derart befriedigende Antwort auf die bis dahin ungelöste Frage nach dem Sinn des Lebens, dass ihnen der Umgang mit den Philosophen wie eine ferne und in gewisser Hinsicht überholte Angelegenheit vorkam. Contra Celsum, 3,55: SC 136, 130. Das erscheint heute noch klarer, wenn man an jenen Beitrag des Christentums denkt, der in der Bestätigung des Rechtes aller auf Zugang zur Wahrheit besteht. Das Christentum hatte nach dem Niederreißen der durch Rasse, sozialen Stand und Geschlecht bedingten Schranken von Anfang an die Gleichheit aller Menschen vor Gott verkündet. Die erste Konsequenz dieser Auffassung wandte man auf das Thema Wahrheit an. Der elitäre Charakter, den die Wahrheitssuche bei den Alten hatte, wurde mit Entschlossenheit überwunden: Da der Zugang zur Wahrheit ein Gut ist, das es ermöglicht, zu Gott zu gelangen, müssen alle in der Lage sein, diesen Weg gehen zu können. Die Wege, um die Wahrheit zu erreichen, sind vielfältig; dennoch kann, da die christliche Wahrheit Heilswert besitzt, jeder dieser Wege 31 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur dann eingeschlagen werden, wenn er zum letzten Ziel, das heißt zur Offenbarung Jesu Christi, führt. Als Pionier einer positiven Begegnung mit dem philosophischen Denken, wenn auch unter dem Vorzeichen vorsichtiger Unterscheidung, muss der hl. Justin genannt werden: Obwohl er sich seine große Wertschätzung für die griechische Philosophie auch nach seiner Bekehrung bewahrt hatte, beteuerte er klar und entschieden, im Christentum „die einzige sichere und nutzbringende Philosophie“ gefunden zu haben. <271> Ähnlich nannte Clemens Alexandrinus das Evangelium „die wahre Philosophie“ <272> und interpretierte die Philosophie in Analogie zum mosaischen Gesetz als eine Vorunterweisung für den christlichen Glauben <273> und eine Vorbereitung auf das Evangelium. <274> Denn „nach dieser Weisheit trägt die Philosophie Verlangen; diese ist ein Streben der Seele sowohl nach der Fähigkeit richtigen Denkens als auch nach der Reinheit des Lebens; sie ist gegen die Weisheit freundschaftlich und liebevoll gesinnt und tut alles, um ihrer teilhaftig zu werden. Philosophen aber heißen bei uns diejenigen, die nach der Weisheit, die alle Dinge geschaffen hat und alles lehrt, Verlangen tragen, das heißt nach der Erkenntnis des Sohnes Gottes“. <275> Hauptzweck der griechischen Philosophie ist für den Alexandriner nicht die Ergänzung oder Stärkung der christlichen Wahrheit; ihre Aufgabe ist vielmehr die Verteidigung des Glaubens: „In sich vollendet und keiner Ergänzung bedürftig ist die Lehre im Sinne des Erlösers, da sie göttliche Kraft und Weisheit ist. Wenn aber die griechische Weisheit hinzukommt, so macht sie die Wahrheit zwar nicht wirksamer, aber weil sie die sophistischen Angriffe entkräftet und die listigen Angriffe gegen die Wahrheit abwehrt, ist sie mit Recht Zaun und Mauer des Weinbergs genannt worden“. <276> <271> Dialog mit Triphon, 8,1: PG 6, 492. <272> Stromata, I, 18, 90: SG 30, 115. <273> Vgl. ebd., I, 16, 80, 5: SC 30, 108. <274> Vgl. ebd., 1,5, 28, 1: SC 30, 65. <275> Ebd., VI, 7, 55, 1-2: PG 9, 277. <276> Ebd., I, 20, 100, 1: SC 30,124. 39. In der Geschichte dieser Entwicklung lässt sich jedenfalls die kritische Übernahme des philosophischen Denkens seitens der christlichen Denker feststellen. Unter den ersten Beispielen, denen man begegnen kann, ist Origenes sicher von maßgebender Bedeutung. Um auf die vom Philosophen Kelsos erhobenen Angriffe zu antworten und ihnen zu entgegnen, übernimmt Origenes die platonische Philosophie. Unter Einbeziehung zahlreicher Elemente des platonischen Denkens geht er daran, zum ersten Mal so etwas wie eine christliche Theologie zu erarbeiten. Der Name Theologie ebenso wie die Vorstellung von ihr als vernünftiges Reden über Gott war nämlich bis dahin noch an ihren griechischen Ursprung gebunden. In der aristotelischen Philosophie zum Beispiel bezeichnete der Ausdruck den vornehmsten Teil und eigentlichen Höhepunkt der philosophischen Erörterung. Was 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorher auf eine allgemeine Lehre über die Götter hindeutete, bekam hingegen im Lichte der christlichen Offenbarung eine ganz neue Bedeutung, weil Theologie nunmehr das Nachdenken bezeichnete, das der Glaubende vollzog, um die wahre Lehre über Gott zu formulieren. Dieses in ständiger Weiterentwicklung begriffene neue christliche Denken bediente sich der Philosophie, war aber gleichzeitig auf klare Unterscheidung von ihr bedacht. Die Geschichte zeigt, dass das in die Theologie übernommene platonische Denken selbst tiefgreifende Veränderungen erfahren hat, besonders was Begriffe wie Unsterblichkeit der Seele, Vergöttlichung des Menschen und Ursprung des Bösen betrifft. 40. Besondere Erwähnung verdienen in diesem Christianisierungswerk des platonischen und neuplatonischen Denkens die Kappadokier, Dionysios Areopagita und vor allem der hl. Augustinus. Der große abendländische Gelehrte war mit verschiedenen philosophischen Schulen in Kontakt gekommen, doch hatten ihn alle enttäuscht. Als dann die Wahrheit des christlichen Glaubens in sein Blickfeld trat, besaß er die Kraft, jene radikale Bekehrung zu vollziehen, zu welcher ihn die von ihm vorher wiederholt aufgesuchten Philosophen nicht bringen konnten. Den Grund dafür erzählt er selbst: „Von jetzt an aber gab ich immerhin der katholischen Lehre den Vorzug; empfand ich doch, um wie viel bescheidener und ohne die geringste betrügerische Absicht hier befohlen wird zu glauben, was nicht bewiesen wird, gleichviel ob es zu beweisen wäre, aber nicht für jeden, oder überhaupt nicht bewiesen werden kann; während bei den anderen das Wissen in vermessener Weise versprochen und über die Glaub Willigkeit gelacht wird und nachher befohlen wird, daß man nur Erdichtetes, ja Abwegigstes glauben soll, das nie bewiesen werden kann“. <277> Denselben Platonikem, auf die man sich vorwiegend bezog, warf Augustinus vor, dass sie zwar das anzustrebende Ziel kannten, jedoch nichts von dem Weg wissen wollten, der dorthin führt: dem fleischgewordenen Wort. <278> Dem Bischof von Hippo gelang es, die erste große Synthese des philosophischen und theologischen Denkens zu erstellen, in die Strömungen des griechischen und lateinischen Denkens einflossen. Auch bei ihm wurde die große Einheit des Wissens, deren Ausgangspunkt und Grundlage das biblische Denken war, von der Gründlichkeit des spekulativen Denkens bestätigt und getragen. Die vom hl. Augustinus vollzogene Synthese sollte Jahrhunderte lang die höchste Form philosophischen und theologischen Denkens bleiben, die das Abendland gekannt hat. Gefestigt durch seine persönliche Lebensgeschichte und gestützt auf ein wunderbar heiligmäßiges Leben, war er auch in der Lage, in seine Werke vielfältige Gegebenheiten einzubringen, die durch den Rückgriff auf die Erfahrung künftige Entwicklungen mancher philosophischer Denkrichtungen anzeigten. <277> Hl. Augustinus, Confessiones VI, 5, 7: CCL 27, 77-78. <278> Vgl. ebd., VII, 9, 13-14: CCL 27, 101-102. 4L Die Kirchenväter des Ostens und des Abendlandes haben also in verschiedenen Formen Verbindung mit den philosophischen Schulen aufgenommen. Das heißt 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht, dass sie den Inhalt ihrer Botschaft mit den Systemen, auf die sie Bezug nahmen, identifiziert hätten. Die Frage Tertullians: „Was haben Athen und Jerusalem gemein? Was die Akademie und die Kirche?“ <279> ist ein klares Anzeichen für das kritische Bewusstsein, mit dem sich die christlichen Denker von Anfang an mit dem Problem des Verhältnisses von Glaube und Philosophie auseinander setzten; sie sahen es umfassend, in seinen positiven Aspekten ebenso wie in seinen Grenzen. Sie waren keine naiven Denker. Gerade weil sie den Inhalt des Glaubens intensiv lebten, vermochten sie zu den tiefgründigsten Formen spekulativen Denkens zu gelangen. Es ist daher ungerecht und oberflächlich, ihr Werk auf die bloße Umsetzung der Glaubensinhalte in philosophische Kategorien einzuengen. Sie haben weit mehr geleistet. Es gelang ihnen nämlich, das voll sichtbar werden zu lassen, was sich noch unausgesprochen und propädeutisch im Denken der großen antiken Philosophen andeutete. <280> Sie hatten, wie gesagt, die Aufgabe zu zeigen, wie die von den äußeren Fesseln befreite Vernunft aus der Sackgasse der Mythen herausfinden könnte, um sich der Transzendenz auf angemessenere Weise zu öffnen. Eine geläuterte und aufrichtige Vernunft war also imstande, sich auf die höchsten Ebenen der Reflexion zu erheben, und schuf damit eine solide Grundlage für die Wahrnehmung des Seins, der Transzendenz und des Absoluten. <279> De praescriptione haereticonim, VII, 9: SC 46, 98: „Quid ergo Athenis et Hierosolymis? Quid academiae et ecclesiae?“ <280> Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Instruktion über das Studium der Kirchenväter in der Priesterausbildiing (10. November 1989), Nr. 25: AAS 82(1990)617-618. Genau hierin liegt das von den Kirchenvätern vollbrachte Neue. Sie anerkannten voll die für das Absolute offene Vernunft und pflanzten ihr den aus der Offenbarung stammenden Reichtum ein. Zur Begegnung kam es nicht nur auf der Ebene von Kulturen, von denen die eine vielleicht dem Zauber der anderen verfallen war; sie geschah in den Herzen und war Begegnung zwischen dem Geschöpf und seinem Schöpfer. Die Vernunft konnte dadurch, dass sie über das Ziel, dem sie kraft ihrer Natur unbewusst zustrebte, hinausging, in der Person des fleischgewordenen Wortes zum höchsten Gut und zur höchsten Wahrheit gelangen. Die Kirchenväter scheuten sich jedoch nicht, gegenüber den Philosophien sowohl die gemeinsamen Elemente als auch die Verschiedenheiten anzuerkennen, die diese bezüglich der Offenbarung aufwiesen. Das Bewusstsein von den Übereinstimmungen trübte in ihnen nicht das Erkennen der Unterschiede. 42. In der scholastischen Theologie wird unter dem Anstoß der Interpretation des intellectus fidei durch Anselm von Canterbury die Rolle der philosophisch geschulten Vernunft noch gewichtiger. Für den heiligen Erzbischof von Canterbury steht der Vorrang des Glaubens nicht im Wettbewerb mit der Suche, wie sie der Vernunft eigen ist. Diese ist nämlich nicht dazu berufen, ein Urteil über die Glaubensinhalte zu formulieren; sie wäre, weil dafür ungeeignet, dazu auch gar nicht fähig. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, einen Sinn zu finden, Gründe zu entdecken, die es allen erlauben, zu einem gewissen Verständnis der Glaubensinhalte zu 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gelangen. Der hl. Anselm unterstreicht die Tatsache, dass sich der Verstand auf die Suche nach dem begeben muss, was er liebt: je mehr er liebt, um so mehr sehnt er sich nach Erkenntnis. Wer für die Wahrheit lebt, strebt nach einer Erkenntnisform, die immer mehr von Liebe zu dem entbrennt, was er erkennt, auch wenn er einräumen muss, noch nicht alles getan zu haben, was in seinem Verlangen gelegen wäre; „Ad te videndum factus sum; et nondurn feci propter quod factus sum“ <281> Das Streben nach Wahrheit drängt also die Vernunft, immer weiterzugehen; ja, sie wird gleichsam überwältigt von der Feststellung, dass ihre Fähigkeit immer größer ist als das, was sie tatsächlich erreicht. An diesem Punkt jedoch vermag die Vernunft zu entdecken, wo die Vollendung ihres Weges liegt: „Denn ich meine, daß einer, der etwas Unbegreifliches erforscht, sich zufrieden geben sollte, mit Hilfe der vernünftigen Auseinandersetzung mit sehr hoher Gewißheit die Wirklichkeit zu erkennen, auch wenn er nicht imstande ist, mit dem Verstand bis zu ihrer Seinsweise durchzudringen [...]. Denn gibt es etwas so Unbegreifliches und Unaussprechbares wie das, was oberhalb von allem ist? Wenn also das, was man bislang über das höchste Wesen diskutiert hat, auf Grund notwendiger Argumente festgelegt worden ist, obwohl man mit dem Verstand nicht derart bis zu ihm durchzudringen vermag, daß man es auch mit Worten erklären könnte, gerät deshalb das Fundament seiner Gewißheit nicht im geringsten ins Wanken. Denn wenn eine vorgängige Überlegung vernunftgemäß begriffen hat, daß die Art, wie die oberste Weisheit weiß, was sie geschaffen hat [...] unbegreiflich ist (rationabiliter comprehendit incomprensibile esse), wer wird dann erklären können, wie sie selbst sich erkennt und sich nennt - sie, über die der Mensch nichts oder fast nichts wissen kann?“. <282> <281> Hl. Anselm, Proslogion, 1: PL 158, 226. „Ich bin geschaffen worden, um dich zu schauen; und ich habe noch nicht getan, wozu ich geschaffen worden bin“. <282> Ders., Monologion, 64: PL 158, 210. Der grundlegende Einklang von philosophischer Erkenntnis und Erkenntnis des Glaubens wird noch einmal bekräftigt: der Glaube verlangt, dass sein Gegenstand mit Hilfe der Vernunft verstanden wird; die Vernunft gibt auf dem Höhepunkt ihrer Suche das, was der Glaube vorlegt, als notwendig zu. Die bleibende Neuheit des Denkens des hl. Thomas von Aquin 43. Ein ganz besonderer Platz auf diesem langen Weg gebührt dem hl. Thomas nicht nur wegen des Inhalts seiner Lehre, sondern auch wegen der Beziehung, die er im Dialog mit dem arabischen und jüdischen Denken seiner Zeit herstellen konnte. In einer Epoche, in der die christlichen Denker die Schätze der antiken, genauer der aristotelischen Philosophie wiederentdeckten, kam ihm das große Verdienst zu, dass er die Harmonie, die zwischen Vernunft und Glaube besteht, in den Vordergrund gerückt hat. Das Licht der Vernunft und das Licht des Glaubens 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kommen beide von Gott, lautete sein Argument; sie können daher einander nicht widersprechen. <283> <283> Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa contra Gentiles, I, VII. Noch grundlegender anerkennt Thomas, dass die Natur, die Gegenstand der Philosophie ist, zum Verstehen der göttlichen Offenbarung beitragen kann. Der Glaube fürchtet demnach die Vernunft nicht, sondern sucht sie und vertraut auf sie. Wie die Gnade die Natur voraussetzt und vollendet, <284> so setzt der Glaube die Vernunft voraus und vollendet sie. Vom Glauben erleuchtet, wird diese von der Gebrechlichkeit und den aus dem Ungehorsam der Sünde herrührenden Grenzen befreit und findet die nötige Kraft, um sich zur Erkenntnis des Geheimnisses vom dreieinigen Gott zu erheben. Der Doctor Angelicus hat, so nachdrücklich er auch den übernatürlichen Charakter des Glaubens unterstrich, den Wert seiner Vemunftge-mäßheit nicht vergessen; ja, er vermochte in die Tiefe zu gehen und den Sinn dieser Vemunftgemäßheit näher zu erklären. Denn der Glaube ist eine Art „Denkübung“; die Vernunft nimmt sich durch ihre Zustimmung zu den Glaubensinhalten weder zurück noch erniedrigt sie sich; zu den Glaubensinhalten gelangt man in jedem Fall durch freie Entscheidung und das eigene Gewissen <285> Aus diesem Grund ist der hl. Thomas zu Recht von der Kirche immer als Lehrmeister des Denkens und Vorbild dafür hingestellt worden, wie Theologie richtig betrieben werden soll. Ich möchte in diesem Zusammenhang anführen, was mein Vorgänger, der Diener Gottes Papst Paul VI., anlässlich des siebenhundertsten Todestages des hl. Thomas geschrieben hat: „Thomas besaß zweifellos in höchstem Maße den Mut zur Wahrheit, die Freiheit des Geistes, wenn er an die neuen Probleme heranging, die intellektuelle Redlichkeit dessen, der die Verschmelzung des Christentums mit der weltlichen Philosophie ebenso wenig gelten läßt wie deren apriorische Ablehnung. Er ging deshalb in die Geschichte des christlichen Denkens als ein Pionier auf dem neuen Weg der Philosophie und der universalen Kultur ein. Der zentrale Punkt, ja gleichsam der Kernpunkt der Lösung, die er mit seinem genialen prophetischen Scharfsinn für das Problem der neuen Gegenüberstellung von Vernunft und Glaube fand, war die Versöhnung zwischen der säkularen Diessei-tigkeit der Welt und der Radikalität des Evangeliums; damit entzog er sich der widernatürlichen Tendenz zur Leugnung der Welt und ihrer Werte, ohne allerdings die höchsten und unbeugsamen Ansprüche der übernatürlichen Ordnung zu vernachlässigen“. <286> <284> Vgl. ders., Summa Theologiae, I, 1, 8 ad 2: „cum enim gratia non tollat naturam sed perficiat“. 45 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am IX. Internationalen Thomas-Kongresses (29. September 1990): Insegnamenti, XIII, 2(1990)770-771. <286> Apostolisches Schreiben Lumen Ecclesiae (20. November 1974), Nr. 8: AAS 66(1974)680. 44. Zu den großen Einsichten des hl. Thomas gehört auch jene bezüglich der Rolle, die der Heilige Geist dabei spielt, menschliches Wissen zu Weisheit reifen zu las- 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen. Bereits auf den ersten Seiten seiner Summa Theologiae zeigte der Aquinat den Vorrang jener Weisheit auf, die Gabe des Heiligen Geistes ist und in die Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeiten einführt. Seine Theologie ermöglicht es, die Eigenart der Weisheit in ihrer engen Beziehung zum Glauben und zur Gotteserkenntnis zu begreifen. Die Weisheit erkennt auf Grund ihrer Konnaturalität, sie setzt den Glauben voraus und formuliert schließlich ihr richtiges Urteil von der Wahrheit des Glaubens her: „Die Weisheit, die zu den Gaben des Heiligen Geistes zählt, unterscheidet sich von jener, die zu den Tugenden des Verstandes gehört. Diese letztere nämlich erwirbt man sich durch das Studium: jene hingegen ,kommt von oben“, wie es der hl. Jakobus ausdrückt. So ist sie auch verschieden vom Glauben. Denn der Glaube nimmt die göttliche Wahrheit so an, wie sie ist: Eigenart der Gabe der Weisheit ist es hingegen, gemäß der göttlichen Wahrheit zu urteilen“. <287> <288> <289> 48 Vgl. I, 1, 6: „Praeterea, haec doctrina per Studium acquiritur. Sapientia autem per infiisionem habetur, unde inter septem dona Spiritus Sancti connumeratur“. <289> Ebd., II, II, 45, 1 ad 2; vgl. auch II, II, 45, 2. Der Vorrang, den er dieser Weisheit zuerkennt, lässt den Doctor Angelicus freilich nicht das Vorhandensein zweier anderer ergänzender Weisheitsformen vergessen: die philosophische, die sich auf das Vermögen des Verstandes stützt, innerhalb der ihm angeborenen Grenzen die Wirklichkeit zu erforschen; und die theologische, die auf der Offenbarung beruht und die Glaubensinhalte prüft, wodurch sie zum Geheimnis Gottes selbst vorstößt. Zutiefst davon überzeugt, dass „omne verum a quocumque dicatur a Spiritu Sancto est“, <290> liebte der hl. Thomas in uneigennütziger Weise die Wahrheit. Er suchte sie überall, wo sie sich zeigen könnte, und machte ihre Universalität höchst einsichtig. Das Lehramt der Kirche hat in ihm die Leidenschaft für die Wahrheit erkannt und gewürdigt; sein Denken erreichte, eben weil es immer im Horizont der universalen, objektiven und transzendenten Wahrheit blieb, „Gipfel, wie sie die menschliche Intelligenz niemals zu denken vermocht hätte“. <291> Er darf also mit Recht „Apostel der Wahrheit“ <292> genannt werden. Weil er die Wahrheit vorbehaltlos anstrebte, konnte er in seinem Realismus deren Objektivität anerkennen. Seine Philosophie ist wahrhaftig die Philosophie des Seins und nicht des bloßen Scheins. <290> Ebd., I, II, 109, 1 ad 1, greift den bekannten Satz des Ambrosiaster auf, In prima Cor 12, 3: PL 17, 258: „Alles Wahre, wer auch immer es sagt, ist vom Heiligen Geist“. <291> Leo XIII., Enzyklika Aetemi Patris (4. August 1879): AAS 11(1878-1879)109. <292> Paul VI., Apostol. Schreiben Lumen Ecclesiae (20. November 1974), Nr. 8: AAS 66(1974)683. Das Drama der Trennung zwischen Glaube und Vernunft 45. Mit der Errichtung der ersten Universitäten sah sich die Theologie mit anderen Formen des Forschens und des wissenschaftlichen Wissens unmittelbarer konfrontiert. Der hl. Albertus Magnus und der hl. Thomas waren die ersten, die, obwohl 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie an einer organischen Verbindung zwischen Theologie und Philosophie festhielten, der Philosophie und den Wissenschaften die nötige Autonomie zuerkannten, die diese brauchen, um sich den jeweiligen Forschungsgebieten erfolgreich widmen zu können. Vom späten Mittelalter an verwandelte sich jedoch die legitime Unterscheidung zwischen den beiden Wissensformen nach und nach in eine unselige Trennung. Infolge des Vorherrschens eines übertriebenen rationalistischen Geistes bei einigen Denkern wurden die Denkpositionen radikaler, bis man tatsächlich bei einer getrennten und gegenüber den Glaubensinhalten absolut autonomen Philosophie anlangte. Zu den Folgen dieser Trennung gehörte unter anderen auch ein wachsender Argwohn gegenüber der Vernunft. Einige begannen, sich zu einem allgemeinen, skeptischen und agnostischen Misstrauen zu bekennen, entweder um dem Glauben mehr Raum vorzubehalten oder aber um jede nur mögliche seiner Beziehungen zur Vernunft in Misskredit zu bringen. Was das patristische und mittelalterliche Denken als tiefe Einheit, die eine zu den höchsten Formen spekulativen Denkens befähigende Erkenntnis hervorbrachte, ersonnen und verwirklicht hatte, wurde letztendlich von jenen Systemen zerstört, die für eine vom Glauben getrennte und zu ihm alternative Vemunfterkenntnis eintraten. 46. Die auffälligsten Radikalisierungen sind bekannt und vor allem in der Geschichte des Abendlandes deutlich sichtbar. Das moderne philosophische Denken hat sich, so kann man ohne Übertreibung sagen, zu einem gehörigen Teil in seiner allmählichen Abwendung von der christlichen Offenbarung entwickelt, bis es schließlich zu klaren Gegenpositionen gelangte. Im vorigen Jahrhundert hat diese Bewegung ihren Höhepunkt erreicht. Einige Vertreter des Idealismus haben auf verschiedenste Weise versucht, den Glauben und seine Inhalte, ja sogar das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu Christi, in rational fassbare dialektische Strukturen umzuwandeln. Diesem Denken stellten sich verschiedene, philosophisch aufbereitete Formen eines atheistischen Humanismus entgegen, die den Glauben als für die Entwicklung der vollen Vernünftigkeit schädlich und entfremdend darstellten. Sie scheuten sich nicht, sich als neue Religionen zu präsentieren; damit war die Ausgangsbasis für Zielsetzungen geschaffen, die sich auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene zu totalitären Systemen und damit zu einem Trauma für die Menschheit auswuchsen. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung setzte sich eine positivistische Denkweise durch, die sich nicht nur von jedem Bezug zur christlichen Weltanschauung entfernt, sondern auch und vor allem jeden Hinweis auf die metaphysische und moralische Sicht fallen gelassen hatte. Die Folge davon ist, dass bestimmte Wissenschaftler, die keinen sittlichen Anhaltspunkt haben, Gefahr laufen, dass nicht mehr der Mensch und die Ganzheit seines Lebens im Mittelpunkt ihres Interesses steht. Mehr noch: Einige von ihnen scheinen in Kenntnis der dem technologischen Fortschritt innewohnenden Möglichkeiten außer der Logik des Marktes der Versuchung zu einer demiurgischen Macht über die Natur und über den Menschen selbst nachzugeben. 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Folge der Krise des Rationalismus hat sich schließlich der Nihilismus herausgebildet. Er schafft es, als Philosophie vom Nichts auf unsere Zeitgenossen seinen Zauber auszuüben. Seine Anhänger stellen Theorien darüber auf, dass die Suche in sich selbst ihr Ende hat, ohne irgendeine Hoffnung oder Möglichkeit, das Ziel der Wahrheit je zu erreichen. Nach nihilistischer Auslegung ist das Dasein nur eine Gelegenheit für Eindrücke und Erfahrungen, in denen das Flüchtige den Vorrang hat. Der Nihilismus steht am Anfang jener verbreiteten Geisteshaltung, wonach man keine endgültige Verpflichtung mehr übernehmen muss, weil ohnehin alles vergänglich und vorläufig ist. 47. Andererseits darf man nicht vergessen, dass sich in der modernen Kultur die Rolle der Philosophie selbst verändert hat. Von Weisheit und universalem Wissen ist sie allmählich auf eines unter vielen Gebieten menschlichen Wissens zusammengeschrumpft; sie ist sogar in gewisser Hinsicht in eine völlige Nebenrolle abgedrängt worden. Inzwischen haben sich andere Formen von Vernünftigkeit mit immer größerem Gewicht durchgesetzt und dabei die Nebensächlichkeit des philosophischen Wissens hervorgehoben. Statt auf die Anschauung der Wahrheit und die Suche nach dem letzten Ziel und dem Sinn des Lebens sind diese Formen der Vernünftigkeit als „instrumentale Vernunft“ darauf ausgerichtet, utilitaristischen Zielen, dem Genuss oder der Macht zu dienen. Zumindest können diese Formen darauf ausgerichtet werden. Wie gefährlich es ist, diesen Weg zu verabsolutieren, darauf habe ich bereits in meiner ersten Enzyklika hingewiesen, wo ich schrieb: „Der Mensch von heute scheint immer wieder von dem bedroht zu sein, was er selbst produziert, das heißt vom Ergebnis der Arbeit seines Verstandes und seiner Willensentscheidung. Die Früchte dieser vielgestaltigen Aktivität des Menschen sind nicht nur Gegenstand von ,Entfremdung‘, weil sie demjenigen, der sie hervorgebracht hat, einfachhin genommen werden; allzu oft und nicht selten unvorhersehbar wenden sich diese Früchte, wenigstens teilweise, in einer konsequenten Folge von Wirkungen indirekt gegen den Menschen selbst. So sind sie tatsächlich gegen ihn gerichtet oder können es jederzeit sein. Hieraus scheint das wichtigste Kapitel des Dramas der heutigen menschlichen Existenz in seiner breitesten und universellen Dimension zu bestehen. Der Mensch lebt darum immer mehr in Angst. Er befürchtet, daß seine Produkte, natürlich nicht alle und auch nicht die Mehrzahl, aber doch einige und gerade jene, die ein beträchtliches Maß an Genialität und schöpferischer Kraft enthalten, sich in radikaler Weise gegen ihn selbst kehren könnten“. <293> Im Gefolge dieser kulturellen Veränderungen haben es einige Philosophen, die Wahrheit um ihrer selbst willen zu suchen, und als ihr einziges Ziel die Erreichung der subjektiven Gewissheit oder der praktischen Nützlichkeit übernommen. Als Konsequenz davon kam es zur Trübung der wahren Würde der Vernunft, der nicht mehr die Möglichkeit gegeben wurde, das Wahre zu erkennen und nach dem Absoluten zu forschen. <293> Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. 15: AAS 71(1979)286. 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 48. Aus diesem letzten Abschnitt der Philosophiegeschichte ergibt sich also die Feststellung einer fortschreitenden Trennung zwischen Glaube und philosophischer Vernunft. Es stimmt zwar, dass sich bei aufmerksamer Beobachtung auch in der philosophischen Reflexion derer, die zur Vergrößerung des Abstandes zwischen Glaube und Vernunft beigetragen haben, mitunter wertvolle Denkansätze erkennen lassen, die, wenn sie mit redlichem Geist und Herzen vertieft und entwickelt werden, helfen können, den Weg der Wahrheit zu entdecken. Zu finden sind diese Denkansätze zum Beispiel in den gründlichen Analysen über Wahrnehmung und Erfahrung, über die Imagination und das Unbewusste, über Persönlichkeit und Intersubjektivität, über Freiheit und Werte, über Zeit und Geschichte; auch das Thema Tod kann für jeden Denker eine ernste Aufforderung sein, in sich den echten Sinn seines Daseins zu suchen. Das hindert jedoch nicht, dass das derzeitige Verhältnis von Glaube und Vernunft ein sorgfältiges Bemühen um Unterscheidung erfordert, weil sowohl die Vernunft als auch der Glaube verarmt und beide gegenüber dem je anderen schwach geworden sind. Nachdem die Vernunft ohne den Beitrag der Offenbarung geblieben war, hat sie Seitenwege eingeschlagen, die die Gefahr mit sich bringen, dass sie ihr letztes Ziel aus dem Blick verliert. Der Glaube, dem die Vernunft fehlt, hat Empfindung und Erfahrung betont und steht damit in Gefahr, kein universales Angebot mehr zu sein. Es ist illusorisch zu meinen, angesichts einer schwachen Vernunft besitze der Glaube größere Überzeugungskraft; im Gegenteil, er gerät in die ernsthafte Gefahr, auf Mythos bzw. Aberglauben verkürzt zu werden. In demselben Maß wird sich eine Vernunft, die keinen reifen Glauben vor sich hat, niemals veranlasst sehen, den Blick auf die Neuheit und Radikalität des Seins zu richten. Nicht unangebracht mag deshalb mein entschlossener und eindringlicher Aufruf erscheinen, dass Glaube und Philosophie die tiefe Einheit wiedererlangen sollen, die sie dazu befähigt, unter gegenseitiger Achtung der Autonomie des anderen ihrem eigenen Wesen treu zu sein. Der parre-sia (Freimütigkeit) des Glaubens muss die Kühnheit der Vernunft entsprechen. Kapitel V Die Wortmeldungen des Lehramtes im philosophischen Bereich Das Urteilsvermögen des Lehramtes als Dienst an der Wahrheit 49. Die Kirche legt weder eine eigene Philosophie vor noch gibt sie irgendeiner besonderen Philosophie auf Kosten der anderen den Vorzug. <294> Der tiefere Grund für diese Zurückhaltung liegt darin, dass die Philosophie auch dann, wenn sie mit der Theologie in Beziehung tritt, nach ihren eigenen Regeln und Methoden vorgehen muss; andernfalls gäbe es keine Gewähr dafür, dass sie auf die Wahrheit ausgerich- <294> Vgl. Pius XII., Enzyklika Humani generis (12. August 1950): AAS 42(1950)566. 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tet bleibt und mit einem von der Vernunft her überprüfbaren Prozess nach ihr strebt. Eine Philosophie, die nicht im Lichte der Vernunft nach eigenen Prinzipien und den für sie spezifischen Methoden vorginge, wäre wenig hilfreich. Im Grunde genommen ist der Ursprung der Autonomie, deren sich die Philosophie erfreut, daran zu erkennen, dass die Vernunft ihrem Wesen nach auf die Wahrheit hin orientiert und zudem in sich selbst mit den für deren Erreichung notwendigen Mitteln ausgestattet ist. Eine Philosophie, die sich dieser ihrer „Verfassung“ bewusst ist, muss auch die Forderungen und Einsichten der geoffenbarten Wahrheit respektieren. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, auf welche Abwege und in welche Verirrungen vor allem das moderne philosophische Denken nicht selten geraten ist. Es ist weder Aufgabe noch Zuständigkeit des Lehramtes einzugreifen, um die Lücke eines fehlenden philosophischen Diskurses auszufüllen. Seine Pflicht ist es hingegen, klar und entschieden zu reagieren, wenn fragwürdige philosophische Auffassungen das richtige Verständnis des Geoffenbarten bedrohen und wenn falsche und parteiische Theorien verbreitet werden, die dadurch, dass sie die Schlichtheit und Reinheit des Glaubens des Gottesvolkes verwirren, schwerwiegende Irrtümer hervorrufen. 50. Das kirchliche Lehramt kann und soll daher im Lichte des Glaubens autoritativ seine kritische Unterscheidungskraft gegenüber den Philosophien und Auffassungen ausüben, die nicht mit der christlichen Lehre übereinstimmen. <295> Aufgabe des Lehramtes ist es vor allem anzugeben, welche philosophischen Voraussetzungen und Schlussfolgerungen mit der geoffenbarten Wahrheit unvereinbar wären, und zugleich die Forderungen zu formulieren, die der Philosophie unter dem Gesichtspunkt des Glaubens auferlegt werden. Im Laufe der Entwicklung des philosophischen Wissens sind zudem verschiedene Denkschulen entstanden. Auch dieser Pluralismus stellt das Lehramt vor die Verantwortung, sein Urteil über die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit der Grundgedanken, auf die sich diese Schulen stützen, mit den Ansprüchen des Wortes Gottes und der theologischen Reflexion auszusprechen. <295> Vgl. I. Vat. Konzil, Erste Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi Pastor aetermts, DS 3070; II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, 25c. Die Kirche hat die Pflicht anzuzeigen, was sich in einem philosophischen System als unvereinbar mit ihrem Glauben herausstellen kann. Denn viele philosophischen Inhalte, wie die Themen Gott, Mensch, seine Freiheit und sein sittliches Handeln, rufen die Kirche unmittelbar auf den Plan, weil sie an die von ihr gehütete geoffen-barte Wahrheit rühren. Wir Bischöfe haben, wenn wir diese Unterscheidung anwenden, die Aufgabe, „Zeugen der Wahrheit“ zu sein bei der Ausübung eines demütigen, aber unermüdlichen Dienstes, den jeder Philosoph anerkennen sollte, zum Vorteil der recta ratio, das heißt der Vernunft, die über das Wahre in rechter Weise nachdenkt. 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 51. Diese Unterscheidung darf allerdings nicht in erster Linie negativ verstanden werden, so als läge es in der Absicht des Lehramtes, jede mögliche Vermittlung auszuschließen oder einzuschränken. Im Gegenteil, seine Interventionen wollen vor allem bezwecken, das philosophische Denken anzuregen, zu fördern und ihm Mut zu machen. Die Philosophen verstehen im übrigen als erste die Forderang nach Selbstkritik, nach Korrektur eventueller Irrtümer und die Notwendigkeit, die allzu engen Grenzen zu überschreiten, innerhalb der sich ihr Denken vollzieht. In besonderer Weise gilt es zu beachten, dass die Wahrheit nur eine ist, obwohl ihre Äußerungen den Stempel der Geschichte tragen und zudem das Werk einer von der Sünde verletzten und geschwächten menschlichen Vernunft sind. Daraus ergibt sich, dass keine historische Form der Philosophie legitim beanspruchen kann, die Gesamtwahrheit zu umfassen; dies gilt auch für die vollständige Erklärung des Menschen, der Welt und der Beziehung des Menschen zu Gott. In der heutigen Zeit ist angesichts der Vermehrung der oft äußerst detailliert konzipierten philosophischen Systeme, Methoden, Begriffe und Argumente eine kritische Unterscheidung im Lichte des Glaubens mit um so größerer Dringlichkeit angesagt: eine keineswegs einfache Unterscheidung, denn wenn schon das Erkennen der angeborenen und unveräußerlichen Fähigkeiten der Vernunft mit ihren konstitutiven, historischen Grenzen mühsam ist, so kann es sich manchmal als noch problematischer erweisen, in den einzelnen philosophischen Vorgaben das, was sie vom Glaubensstandpunkt aus an Gültigem und Fruchtbarem bieten, von dem zu unterscheiden, was sich bei ihnen als irrig oder gefährlich herausstellt. Die Kirche weiß freilich, dass die „Schätze der Weisheit und Erkenntnis“ in Christus verborgen sind (vgl. Kol 2,3); deshalb greift sie ein und spornt die philosophische Reflexion an, sich nicht den Weg zu versperren, der zum Erkennen des Geheimnisses führt. 52. Das Lehramt der Kirche hat nicht erst in jüngster Zeit eingegriffen, um seine Ansicht gegenüber bestimmten philosophischen Lehren zu bekunden. Als Beispiele im Laufe der Jahrhunderte seien hier erwähnt: die Lehräußerangen gegen die Theorien, welche die Präexistenz der Seelen vertraten, <296> sowie gegen verschiedene Formen von Götzendienst und abergläubischer Esoterik, die in astrologischen Auffassungen enthalten sind; <297> nicht zu vergessen die systematischeren Texte gegen einige, mit dem christlichen Glauben unvereinbare Auffassungen des lateinischen Averroismus. <298> <296> Vgl. Synode von Konstantinopel, DS 403. <297> Vgl. I. Konzil von Toledo, DS 205; I. Konzil von Braga, DS 459-460; Sixtus V., Bulle Coeli et terrae Creator (5. Januar 1586): Buüarium Romanum 44, Romae 1747, 176-179; Urban VIII., Inscrutabüis iudiciorum (1. April 1631): Bullarium Romanum 61, Romae 1758, 268-270. Vgl. Konzil von Vienne, Dekret Fidei catholicae, DS 902; V. Laterankonzil, Bulle Apostolici regiminis: DS 1440. Wenn sich das Lehramt seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts häufiger zu Wort gemeldet hat, so deshalb, weil in jener Zeit nicht wenige Katholiken es als 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihre Aufgabe ansahen, den verschiedenen Strömungen des modernen Denkens ihre eigene Philosophie entgegenzusetzen. Hier wurde es für das Lehramt der Kirche zur Verpflichtung, darüber zu wachen, dass diese Philosophien nicht ihrerseits in irrige und negative Formen abglitten. So ergingen gleichermaßen Zensuren: einerseits gegen den Fideismus <299> <300> und den radikalen Traditionalismus60 wegen ihres Misstrauens gegenüber den natürlichen Fähigkeiten der Vernunft; andererseits gegen den Rationalismus <301> und den Ontologismus, <302> weil sie der natürlichen Vernunft etwas zuschrieben, was nur im Lichte des Glaubens erkennbar ist. Die positiven Inhalte dieser Debatte wurden in der dogmatischen Konstitution Dei Filius formalisiert, mit der zum ersten Mal ein ökumenisches Konzil, nämlich das I. Vatikanum, zu den Beziehungen zwischen Vernunft und Glaube in feierlicher Form eingriff. Die in jenem Text enthaltene Lehre charakterisierte einprägsam und auf positive Art und Weise die philosophische Forschung vieler Gläubiger und stellt noch heute einen normativen Bezugspunkt für eine einwandfreie und konsequente christliche Reflexion in diesem besonderen Bereich dar. 36 Vgl. Theses a Ludovico Eugenio Bautain iussu sui Episcopi subscriptae (8. September 1840), DS 2751-2756; Theses a Ludovico Eugenio Bautain ex mandato S. Congr. Episcoporum et Religiosorum subscriptae (26. April 1844), DS 2765-2769. <300> Vgj. Hl. Indexkongregation, Dekret Theses contra traditionalismum Augustini Bonnetty (11. Juni 1855), DS 2811-2814. <301> Vgl. Pius IX., Breve Eximiam tuam (15. Juni 1857), DS 2828-2831; Breve Gravissimas inter (11. Dezember 1862), DS 2850-2861. <302> Vgl. Kongregation des Hl. Offiziums, Dekret Errores ontologistarum (18. September 1861), DS 2841-2847. 53. Mehr als mit einzelnen philosophischen Auffassungen haben sich die Urteile des Lehramtes mit der Notwendigkeit der Vemunfterkenntnis und daher letzten Endes der philosophischen Erkenntnis für die Glaubenseinsicht befasst. Das I. Vatikanische Konzil, das die Lehren, die das ordentliche Lehramt ständig für die Gläubigen aufgestellt hatte, in feierlicher Form zusammenfasste und neu bestätigte, hob hervor, wie untrennbar und zugleich voneinander unabhängig natürliche Gotteserkenntnis und Offenbarung, Vernunft und Glaube seien. Das Konzil ging von der durch die Offenbarung selbst vorausgesetzten Grandforderung nach der natürlichen Erkennbarkeit der Existenz Gottes, dem Ursprung und Ziel aller Dinge, <303> aus und schloss mit der bereits zitierten feierlichen Beteuerung: „Es gibt zwei Erkenntnisordnungen, die nicht nur im Prinzip, sondern auch im Gegenstand verschieden sind“. <304> Es musste also gegenüber jeder Art von Rationalismus der Unterschied der Glaubensgeheimnisse von den philosophischen Entdeckungen und die Transzendenz und Priorität jener gegenüber diesen bekräftigt werden; andererseits war es notwendig, den fideistischen Versuchungen gegenüber die Einheit der Wahrheit und somit auch den positiven Beitrag zu betonen, den die Vemunfter- <303> Vgl. I. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, II: DS 3004; und can. 2.1: DS 3026. <304> Ebd., IV: DS 3015, zitiert in: II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 59. 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kenntnis für die Glaubenserkenntnis leisten kann und soll: „Aber auch wenn der Glaube über der Vernunft steht, so kann es dennoch niemals eine wahre Unstimmigkeit zwischen Glaube und Vernunft geben: denn derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben mitteilt, hat in den menschlichen Geist das Licht der Vernunft gelegt; Gott aber kann sich nicht selbst verleugnen, noch (kann) jemals Wahres Wahrem widersprechen“. <305> <305> I. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, IV: DS 3017. 54. Auch in unserem Jahrhundert ist das Lehramt wiederholt auf das Thema zurückgekommen und hat vor der rationalistischen Versuchung gewarnt. In dieses Szenarium sind die Interventionen Papst Pius X. einzuordnen, der feststellte, dass dem Modernismus philosophische Anschauungen phänomenalistischer, agnosti-scher und immanentistischer Tendenz zugrunde lagen. <306> Auch die Bedeutung, die der katholischen Ablehnung der marxistischen Philosophie und des atheistischen Kommunismus zukam, darf nicht vergessen werden. <307> <306> Vgl. Enzyklika Pascendi dominici gregis (8. September 1907): AAS 40(1907)596-597. <307> Vgl. Pius XI., Enzyklika Divini Redemptoris (19. März 1937): AAS 29(1937) 65-106. Sodann erhob Papst Pius XII. seine Stimme, als er in der Enzyklika Humani gene-ris vor irrigen Erklärungen im Zusammenhang mit den Auffassungen von Evolutionismus, Existentialismus und Historizismus warnte. Er stellte klar, dass diese Auffassungen nicht von Theologen erarbeitet und vorgelegt worden sind, haben sie doch ihren Ursprung „außerhalb des Schafstalls Christi“; <308> er fügte allerdings hinzu, dass derartige Abirrungen nicht einfach verworfen, sondern kritisch untersucht werden sollten: „Nun sollen aber die katholischen Theologen und Philosophen, denen die schwere Aufgabe obliegt, die göttliche und menschliche Wahrheit zu schützen und sie den Herzen der Menschen einzupflanzen, diese mehr oder weniger vom rechten Weg abirrenden Auffassungen weder ignorieren noch unbeachtet lassen. Ja, sie sollen diese Auffassungen sogar gründlich kennen, sowohl weil Krankheiten nicht angemessen geheilt werden können, wenn sie nicht vorher richtig erkannt wurden, als auch, weil manchmal selbst in falschen Ansichten ein Körnchen Wahrheit verborgen liegt, als auch schließlich, weil diese den Geist her-ausfordem, bestimmte Wahrheiten, sowohl philosophische als auch theologische, genauer zu durchforschen und zu untersuchen“. <309> <308> Enzyklika Humani generis (12. August 1950): AAS 42(1950)562-563. <309> Ebd., aaO., 563-564. Schließlich musste auch die Kongregation für die Glaubenslehre in Erfüllung ihrer besonderen Aufgabe im Dienst des universalen Lehramtes des Papstes <310> eingrei-fen, um nachdrücklich auf die Gefahr hinzuweisen, die eine unkritische Über- <310> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor Bonus (28. Juni 1988), Art. 48-49: AAS 80(1988)873; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Donum veritatis (24. Mai 1990), Nr. 18: AAS 82(1990)1558. 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nähme der aus dem Marxismus stammenden Auffassungen und Methoden durch einige Befreiungstheologen mit sich bringt. <311> <311> Vgi. Instruktion über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung“ Libertatis nimtius (6. August 1984), VII-X: AAS 76(1984)890-903. Das Lehramt hat also in der Vergangenheit wiederholt und unter verschiedenen Bedingungen die kritische Unterscheidung in Bezug auf das Gebiet der Philosophie vorgenommen. Alles, was meine ehrwürdigen Vorgänger dazu geleistet haben, stellt einen wertvollen Beitrag dar, der nicht in Vergessenheit geraten darf. 55. Wenn wir uns die heutige Situation anschauen, sehen wir, dass die Probleme von einst wiederkehren, wobei sie aber neue Eigenheiten aufweisen. Es handelt sich nicht mehr nur um Fragen, die einzelne Personen oder Gruppen betreffen, sondern um Überzeugungen, die in der Gesellschaft so verbreitet sind, dass sie gewissermaßen zu einer gemeinsamen Denkweise werden. Das gilt zum Beispiel für das radikale Misstrauen gegen die Vernunft, das die jüngsten Entwicklungen vieler philosophischer Studien an den Tag legen. Von mehreren Seiten war diesbezüglich vom „Ende der Metaphysik“ zu hören: Man will, dass sich die Philosophie mit bescheideneren Aufgaben begnügt, sich also nur der Erklärung des Tatsächlichen oder der Erforschung nur bestimmter Gebiete des menschlichen Wissens oder seiner Strukturen widmet. In der Theologie selbst tauchen wieder die Versuchungen von einst auf. In einigen zeitgenössischen Theologien bahnt sich zum Beispiel neuerdings ein gewisser Rationalismus seinen Weg, vor allem wenn angeblich philosophisch begründete Aussagen als normativ für die theologische Forschung übernommen werden. Das geschieht vor allem dann, wenn sich der Theologe aus Mangel an philosophischer Fachkenntnis auf unkritische Weise von Aussagen beeinflussen lässt, die zwar in die gängige Sprache und Kultur Eingang gefunden haben, aber ohne ausreichende rationale Grundlage sind. <312> <312> Das I. Vatikanische Konzil hatte mit ebenso klaren wie gebieterischen Worten diesen Irrtum bereits verurteilt, indem es einerseits sagte: „Dieser Glaube aber [...] ist nach dem Bekenntnis der katholischen Kirche eine übernatürliche Tugend, durch die wir mit Unterstützung und Hilfe der Gnade Gottes glauben, dass das von ihm Geoffenbarte wahr ist, nicht etwa wegen der vom natürlichen Licht der Vernunft durchschauten inneren Wahrheit der Dinge, sondern wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann“: Dogmatische Konstitution Dei Filius, JII: DS 3008, und ccm. 3, 2: DS 3032. Andererseits erklärte das Konzil, dass die Vernunft niemals „dazu befähigt wird, sie [diese Geheimnisse] genauso zu durchschauen wie die Wahrheiten, die ihren eigentlichen (Erkenntnis)gegenstand ausmachen“: ebd., IV: DS 3016. Daraus zog es die praktische Folgerung: „Deswegen ist nicht nur allen gläubigen Christen verboten, solche Meinungen, von denen man erkennt, dass sie der Lehre des Glaubens entgegengesetzt sind - vor allem, wenn sie von der Kirche verworfen wurden -, als rechtmäßige Folgerungen der Wissenschaft zu verteidigen, sondern sie sind vielmehr durchaus verpflichtet, sie für Irrtümer zu halten, die den trügerischen Schein von Wahrheit vor sich hertragen“: ebd., IV: DS 3018. Es fehlt auch nicht an gefährlichen Rückfällen in den Fideismus, der die Bedeutung der Vernunfterkenntnis und der philosophischen Debatte für die Glaubenseinsicht, ja für die Möglichkeit, überhaupt an Gott zu glauben, nicht anerkennt. Ein heutzutage verbreiteter Ausdruck dieser fideistischen Tendenz ist der „Biblizis-mus“, dessen Bestreben dahin geht, aus der Lesung der Heiligen Schrift bzw. ihrer 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auslegung den einzigen glaubhaften Bezugspunkt zu machen. So kommt es, dass man das Wort Gottes einzig und allein mit der Heiligen Schrift identifiziert und auf diese Weise die Lehre der Kirche untergräbt, die das II. Vatikanische Konzil ausdrücklich bestätigt hat. Nachdem die Konstitution Dei Verbum darauf hingewiesen hat, dass das Wort Gottes sowohl in den heiligen Texten als auch in der Überlieferung gegenwärtig ist, <313> führt sie mit Nachdruck aus: „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. Voller Anhänglichkeit an ihn verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre der Apostel“. <314> Die Heilige Schrift ist daher nicht der einzige Anhaltspunkt für die Kirche. Denn die „höchste Richtschnur ihres Glaubens“ <315> kommt ihr aus der Einheit zwischen der Heiligen Überlieferung, der Heiligen Schrift und dem Lehramt der Kirche zu, die der Heilige Geist so geknüpft hat, dass keine der drei ohne die anderen bestehen kann. <316> Nicht unterschätzt werden darf zudem die Gefahr, die der Absicht innewohnt, die Wahrheit der Heiligen Schrift von der Anwendung einer einzigen Methode abzuleiten, und dabei die Notwendigkeit einer Exegese im weiteren Sinn außer acht lässt, die es erlaubt, zusammen mit der ganzen Kirche zum vollen Sinn der Texte zu gelangen. Alle, die sich dem Studium der Heiligen Schriften widmen, müssen stets berücksichtigen, dass auch den verschiedenen hermeneutischen Methoden eine philosophische Auffassung zugrunde liegt: sie gilt es vor ihrer Anwendung auf die heiligen Texte eingehend zu prüfen. <313> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 9-10. <314> Ebd., Nr. 10. <315> Ebd., Nr. 21. <316> Vgl. ebd., Nr. 10. Weitere Formen eines latenten Fideismus sind an dem geringen Ansehen, das der spekulativen Theologie entgegengebracht wird, ebenso erkennbar wie auch an der Geringschätzung für die klassische Philosophie, aus deren Begriffspotential sowohl das Glaubensverständnis als auch die dogmatischen Formulierungen ihre Begriffe geschöpft haben. Papst Pius XII. seligen Andenkens hat vor solcher Vernachlässigung der philosophischen Tradition und vor dem Aufgeben der überlieferten Terminologien gewarnt. <317> <317> Vgl. Enzyklika Humani generis (12. August 1950): AAS 42(1950)565-567;571-573. 56. Schließlich beobachtet man ein verbreitetes Misstrauen gegen die umfassenden und absoluten Aussagen, vor allem von Seiten derer, die meinen, die Wahrheit sei das Ergebnis des Konsenses und nicht der Anpassung des Verstandes an die objektive Wirklichkeit. Es ist sicherlich verständlich, dass es in einer in viele Fachbereiche unterteilten Welt schwierig wird, jenen vollständigen und letzten Sinn des Lebens zu erkennen, nach dem die Philosophie traditionell gesucht hat. Ich kann dennoch nicht umhin, im Lichte des Glaubens, der in Jesus Christus diesen letzten Sinn erkennt, die christlichen wie auch nichtchristlichen Philosophen zu ermutigen, 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in die Fähigkeiten der menschlichen Vernunft zu vertrauen und sich bei ihrem Philosophieren nicht zu bescheidene Ziele zu setzen. Die Lehre der Geschichte dieses nunmehr zu Ende gehenden Jahrtausends zeugt davon, dass das der Weg ist, der eingeschlagen werden soll: Die Leidenschaft für die letzte Wahrheit und der Wunsch, sie zu suchen, verbunden mit dem Mut zur Entdeckung neuer Wege, dürfen nicht verloren gehen! Es ist der Glaube, der die Vernunft dazu herausfordert, aus jedweder Isolation herauszutreten und für alles, was schön, gut und wahr ist, etwas zu riskieren. So wird der Glaube zum überzeugten und überzeugenden Anwalt der Vernunft. Das Interesse der Kirche für die Philosophie 57. Das Lehramt hat sich freilich nicht darauf beschränkt, nur die Irrtümer und Abweichungen der philosophischen Lehren aufzudecken. Mit derselben Aufmerksamkeit hat es die Grundprinzipien für eine echte Erneuerung des philosophischen Denkens unterstrichen und auch konkret einzuschlagende Wege aufgezeigt. In diesem Sinn vollzog Papst Leo XIII. mit seiner Enzyklika Aeterni Patris einen Schritt von wahrhaft historischer Tragweite für das Leben der Kirche. Jener Text war bis zum heutigen Tag das einzige päpstliche Dokument auf solcher Ebene, das ausschließlich der Philosophie gewidmet war. Der große Papst griff die Lehre des I. Vatikanischen Konzils über das Verhältnis von Glaube und Vernunft auf und entwickelte sie weiter, indem er zeigte, dass das philosophische Denken ein grundlegender Beitrag zum Glauben und zur theologischen Wissenschaft ist. <318> Nach über einem Jahrhundert haben viele in jenem Text enthaltene Hinweise sowohl unter praktischem wie unter pädagogischem Gesichtspunkt nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt; das gilt zuallererst für die Bedeutung in Bezug auf den unvergleichlichen Wert der Philosophie des hl. Thomas. Das Denken des Doctor An-gelicus neu vorzulegen, erschien Papst Leo XIII. als der beste Weg, mit der Philosophie wieder so umzugehen, dass sie mit den Ansprüchen des Glaubens übereinstimmt. Der Papst schrieb: ,Jm selben Augenblick, in dem er (der hl. Thomas), wie es sich gehört, den Glauben vollkommen von der Vernunft unterscheidet, vereint er die beiden durch Bande wechselseitiger Freundschaft: Er sichert jeder von ihnen ihre Rechte zu und schützt ihre Würde“. <319> <318> Vgl. Enzyklika Aeterni Patris (4. August 1879): A/l.S' 11(1878-1879)97-115. <319> Ebd., aaO., 109. 58. Die glücklichen Folgen, die jene päpstliche Aufforderung nach sich zog, sind bekannt. Die Forschungen über das Denken des hl. Thomas und anderer scholastischer Autoren erfuhren einen neuen Aufschwung. Starken Auftrieb erhielt die historische Forschung mit der Wiederentdeckung der bis dahin weithin unbekannten Schätze des mittelalterlichen Denkens zur Folge; außerdem entstanden neue tho-mistische Schulen. Durch die Anwendung der historischen Methode machte die Kenntnis des Werkes des hl. Thomas große Fortschritte; zahlreiche Gelehrte brach- 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten mutig die thomistische Überlieferung in die Diskussionen über die damaligen philosophischen und theologischen Probleme ein. Die einflussreichsten katholischen Theologen dieses Jahrhunderts, deren Denken und Forschen das II. Vatikanische Konzil viel zu verdanken hat, sind Kinder dieser Erneuerung der thomistischen Philosophie. So stand der Kirche im Laufe des 20. Jahrhunderts eine starke Gruppe von Denkern zur Verfügung, die in der Schule des Doctor Angelicus herangebildet worden waren. 59. Die thomistische und neothomistische Erneuerung war allerdings nicht das einzige Zeichen einer Wiederaufnahme des philosophischen Denkens in die christlich geprägte Kultur. Schon vor der Aufforderung Papst Leos und parallel zu ihr waren zahlreiche katholische Philosophen aufgetreten, die an jüngere Denkströmungen angeknüpft und dabei nach ihrer eigenen Methode philosophische Werke von großem Einfluss und bleibendem Wert hervorgebracht hatten. Darunter befanden sich einige, die Synthesen von solchem Profil entwickelten, dass sie den großen Systemen des Idealismus in nichts nachstanden; wieder andere legten die erkenntnistheoretischen Grundlagen für eine neue Behandlung des Glaubens im Lichte eines erneuerten Verständnisses des moralischen Gewissens; noch andere schufen eine Philosophie, die, ausgehend von der Analyse des Innerweltlichen, den Weg zum Transzendenten eröffnete; und schließlich gab es auch jene, welche die Forderungen des Glaubens im Horizont der phänomenologischen Methode anzuwenden versuchten. Von verschiedenen Perspektiven her hat man also fortwährend Formen philosophischer Spekulation hervorgebracht, die die großartige Tradition christlichen Denkens in der Einheit von Glaube und Vernunft lebendig erhalten wollten. 60. Das II. Vatikanische Konzil legt seinerseits eine sehr reiche und fruchtbare Lehre in Bezug auf die Philosophie vor. Ich kann besonders im Rahmen dieser Enzyklika nicht vergessen, dass ein ganzes Kapitel der Konstitution Gaudium et spes gleichsam eine Zusammenfassung biblischer Anthropologie und damit auch Inspirationsquelle für die Philosophie darstellt. Auf jenen Seiten geht es um den Wert der nach dem Bild Gottes geschaffenen menschlichen Person, es werden ihre Würde und Überlegenheit über die übrige Schöpfung begründet und die transzendente Fähigkeit ihrer Vernunft aufgezeigt. <320> Auch das Problem des Atheismus kommt in Gaudium et spes in den Blick; dabei werden die Irrtümer jener philosophischen Anschauung, vor allem gegenüber der unveräußerlichen Würde der Person und ihrer Freiheit, genau begründet. <321> Tiefe philosophische Bedeutung besitzt gewiss auch die Formulierung, die den Höhepunkt jenes Abschnittes bildet. Ich habe sie in meiner Enzyklika Redemptor hominis aufgegriffen; sie gehört zu den festen Bezugspunkten meines Lehrens: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. Denn Adam, der erste Mensch, war das Vorausbild des zukünftigen, nämlich Christi des Vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 14-15. Vgl. ebd., Nrn. 20-21. 80 81 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN Herrn. Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“. <322> <322> Ebd., Nr. 22; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. S: A.4S 71 (1979)271 -272. Das Konzil hat sich auch mit dem Studium der Philosophie befasst, dem sich die Priesteramtskandidaten widmen sollen; es handelt sich um Empfehlungen, die sich allgemeiner auf das christliche Lehren in seiner Gesamtheit ausdehnen lassen. Das Konzil lehrt; „Die philosophischen Disziplinen sollen so dargeboten werden, daß die Alumnen vor allem zu einem gründlichen und zusammenhängenden Wissen über Mensch, Welt und Gott hingeführt werden. Sie sollen sich dabei auf das stets gültige philosophische Erbe stützen. Es sollen aber auch die philosophischen Forschungen der neueren Zeit berücksichtigt werden“. <323> <323> II. Vat. Konzil, Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius, Nr. 15. Diese Weisungen sind wiederholt in anderen lehramtlichen Dokumenten bekräftigt und genauerhin erläutert worden, um vor allem für jene, die sich auf das Theologiestudium vorbereiten, eine solide philosophische Bildung zu gewährleisten. Ich habe meinerseits mehrmals die Bedeutung dieser philosophischen Bildung für alle betont, die sich eines Tages in der Seelsorge mit den Forderungen der modernen Welt auseinandersetzen und die Ursachen mancher Haltungen werden begreifen müssen, um umgehend darauf antworten zu können. <324> <324> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Konstitution Sapientia christiana (15. April 1979), Art. 79-80: AAS 71(1979)495-496; Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), Nr. 52: AAS 84(1992)750-751. Vgl. auch einige Kommentare zur Philosophie des hl. Thomas: Ansprache an die Päpstliche Internationale Universität Angelicum (17. November 1979): Insegnamenti II, 2(1979)1177-1189; Ansprache an die Teilnehmer am VIII. Internationalen Thomistischen Kongress (13. September 1980): Insegnamenti 111,2(1980)604-615; Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongress der „Sankt Thomas “-Gesellschaft (4. Januar 1986): Insegnamenti IX,1 (1986)18-24. Ferner: Hl. Kongregation für die Katholische Erziehung, Ratio fimdamentalis institutionis sacerdotalis (6. Januar 1970), 70-75: AAS 62(1970)366-368; Dekret Sacra Theologia (20. Januar 1972): AAS 64(1972)583-586. 61. Wenn sich unter verschiedenen Umständen eine Intervention zu diesem Thema - wobei man auch den Wert der Einsichten des Doctor Angelicus bekräftigte und auf der Aneignung seines Denkens bestand - als notwendig erwies, so hatte das seinen Grund darin, dass die Weisungen des Lehramtes nicht immer mit der erwünschten Bereitschaft befolgt worden sind. In vielen katholischen Schulen war in den Jahren unmittelbar nach dem II. Vatikanischen Konzil diesbezüglich ein gewisser Verfall zu beobachten, der einer geringeren Wertschätzung nicht nur der scholastischen Philosophie, sondern allgemeiner des Studiums der Philosophie überhaupt zuzuschreiben ist. Mit Verwunderung und Bedauern muss ich feststellen, dass nicht wenige Theologen diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Studium der Philosophie teilen. Es sind verschiedene Gründe, die dieser Abneigung zugrunde liegen. An erster Stelle ist das Misstrauen gegen die Vernunft festzuhalten, das ein Großteil der zeitgenössischen Philosophie dadurch bekundet, dass auf die metaphysische Erfor- 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schung der letzten Fragen des Menschen weitgehend verzichtet wird, um die Aufmerksamkeit auf Teil- und Gebietsprobleme, mitunter auch reine Formprobleme zu konzentrieren. Außerdem kommt das Missverständnis hinzu, das vor allem in Bezug auf die „Humanwissenschaften“ entstanden ist. Das n. Vatikanische Konzil hat mehrmals auf den positiven Wert der wissenschaftlichen Forschung für eine tiefere Erkenntnis des Geheimnisses des Menschen hingewiesen. <325> Die Aufforderung an die Theologen, sich diese Wissenschaften anzueignen und sie, wenn nötig, in ihrer Forschung korrekt anzuwenden, darf jedoch nicht als unausgesprochene Ermächtigung dazu interpretiert werden, die Philosophie in der Pastoralausbildung und in der prcieparatio fidei nur am Rande zu behandeln oder gar zu ersetzen. Endlich darf man das wiederentdeckte Interesse für die Inkulturation des Glaubens nicht vergessen. Besonders das Leben der jungen Kirchen bot Gelegenheit, neben gehobenen Denkformen das Vorhandensein vielfältiger Ausdrucksformen der Volksweisheit zu entdecken, die ein wirkliches Erbe an Kulturen und Traditionen darstellen. Die Untersuchung dieser überlieferten Bräuche muss jedoch im Gleichschritt mit der philosophischen Forschung einhergehen. Diese erst wird es ermöglichen, die positiven Züge der Volksweisheit hervortreten zu lassen, indem die notwendige Verbindung mit der Verkündigung des Evangeliums hergestellt wird. <326> Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nm. 57; 62. Vgl. ebd., Nr. 44. 62. Ich möchte nachdrücklich betonen, dass das Studium der Philosophie ein grundlegendes und untilgbares Wesensmerkmal im Aufbau des Theologiestudiums und in der Ausbildung der Priesteramtskandidaten darstellt. Es ist kein Zufall, dass dem Curriculum der Theologie eine Periode vorausgeht, in der eine besondere Beschäftigung mit dem Studium der Philosophie vorgesehen ist. Diese vom V. Laterankonzil bestätigte Entscheidung <327> hat ihre Wurzeln in der während des Mittelalters gereiften Erfahrung, als die Bedeutung einer konstruktiven Harmonie zwischen philosophischem und theologischem Wissen herausgestellt wurde. Diese Studienordnung hat, wenn auch auf indirekte Weise, zu einem guten Teil die Entwicklung der modernen Philosophie beeinflusst, erleichtert und gefördert. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist der von den Disputationes metciphysiccie von Francisco Suärez ausgeübte Einfluss: sie fanden sogar in den deutschen lutherischen Universitäten Eingang. Der Verlust dieser Methode war hingegen Ursache schwerwiegender Mängel sowohl in der Priesterausbildung als auch in der theologischen Forschung. Man denke an die Gleichgültigkeit dem modernen Denken und der modernen Kultur gegenüber, die dazu geführt hat, sich jeder Form von Dialog zu verschließen oder aber jede Philosophie unterschiedslos anzunehmen. Vgl. V. Laterankonzil, Bulle Apostolici regimini soUicitudo, sessio VIII: Conc. Oecum. Decreta, 1991, 605-606. Ich vertraue sehr darauf, dass diese Schwierigkeiten durch eine sinnvolle philosophische und theologische Ausbildung überwunden werden, die in der Kirche niemals verloren gehen darf. 85 86 87 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 63. Wegen der genannten Gründe schien es mir dringend geboten, mit dieser Enzyklika das starke Interesse zu betonen, das die Kirche der Philosophie entgegenbringt; ja, es geht um die engen Bande, welche die theologische Arbeit mit der philosophischen Suche nach der Wahrheit verbinden. Daraus erwächst für das Lehramt die Verpflichtung, genau zu unterscheiden und ein philosophisches Denken anzuregen, das sich nicht in Unstimmigkeit mit dem Glauben befindet. Meine Aufgabe ist es, einige Grundsätze und Bezugspunkte vorzulegen, die ich als notwendig erachte, um wieder eine harmonische und wirksame Beziehung zwischen Philosophie und Theologie aufbauen zu können. Im Lichte dieser Grundsätze wird es möglich sein, mit größerer Klarheit zu prüfen, ob und welches Verhältnis die Theologie zu den verschiedenen philosophischen Systemen oder Auffassungen, die die heutige Welt aufweist, unterhalten solle. Kapitel VI Die Wechselwirkung zwischen Theologie und Philosophie Die Glaubenswissenschaft und die Erfordernisse der philosophischen Vernunft 64. Das Wort Gottes richtet sich an jeden Menschen, zu jeder Zeit und an jedem Ort der Erde; und der Mensch ist von Natur aus Philosoph. Die Theologie, als durchdachte wissenschaftliche Erarbeitung des Verständnisses dieses Wortes im Lichte des Glaubens, kann sowohl für manche ihrer Verfahrensweisen wie auch für die Erfüllung bestimmter Aufgaben nicht darauf verzichten, mit den Philosophien in Beziehung zu treten, die im Laufe der Geschichte tatsächlich ausgearbeitet worden sind. Ohne den Theologen besondere Methoden empfehlen zu wollen, was dem Lehramt auch gar nicht zusteht, möchte ich vielmehr einige Aufgaben der Theologie ins Gedächtnis rufen, bei denen aufgrund des Wesens des geoffenbarten Wortes der Rückgriff auf das philosophische Denken geboten ist. 65. Die Theologie konstituiert sich als Glaubenswissenschaft im Lichte eines methodischen Doppelprinzips: dem auditus fidei und dem intellectus fidei. Durch das erste gelangt sie in den Besitz der Offenbarungsinhalte, so wie sie in der Heiligen Überlieferung, in der Heiligen Schrift und im lebendigen Lehramt der Kirche fortschreitend ausgefaltet worden sind. <328> Mit dem zweiten Prinzip will die Theologie den Anforderungen des Denkens durch die spekulative Reflexion entsprechen. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 10. Was die Vorbereitung auf einen korrekten auditus fidei betrifft, so leistet die Philosophie der Theologie ihren eigentlichen Beitrag dann, wenn sie die Struktur der Erkenntnis und der persönlichen Mitteilung sowie besonders die vielfältigen Formen und Funktionen der Sprache betrachtet und bedenkt. Ebenso wichtig ist der Beitrag 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Philosophie für ein zusammenhängendes Verständnis der kirchlichen Überlieferung, der Erklärungen des Lehramtes und der Sätze der großen Lehrer der Theologie: diese drücken sich nämlich häufig in Begriffen und Denkformen aus, die einer bestimmten philosophischen Tradition entlehnt sind. In diesem Pall wird vom Theologen verlangt, dass er nicht nur die Begriffe und Pormulierungen erklärt, mit denen die Kirche über ihre Lehre nachdenkt und sie erarbeitet; er muss auch die philosophischen Systeme, die möglicherweise Begriffe und Terminologie beeinflusst haben, gründlich kennen, um zu korrekten und kohärenten Interpretationen zu gelangen. 66. Was den intellectus fidei betrifft, so ist vor allem zu beachten, dass die göttliche Wahrheit, „die uns in den von der Lehre der Kirche richtig ausgelegten Heiligen Schriften vorgelegt wird“, <329> eine eigene, in ihrer Logik so konsequente Verständlichkeit besitzt, dass sie sich als ein echtes Wissen darstellt. Der intellectus fidei legt diese Wahrheit aus, indem er nicht nur die logischen und begrifflichen Stmkturen der Aussagen aufnimmt, in denen sich die Lehre der Kirche artikuliert, sondern auch und vorrangig die Heilsbedeutung sichtbar werden lässt, die diese Aussagen für den einzelnen und für die Menschheit enthalten. Von der Gesamtheit dieser Aussagen gelangt der Glaubende zur Kenntnis der Heilsgeschichte, die in der Person Jesu Christi und in seinem Ostergeheimnis ihren Höhepunkt hat. Durch seine Zustimmung aus dem Glauben hat er an diesem Geheimnis teil. <329> Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-II, 5, 3 ad 2. Die dogmatische Theologie muss ihrerseits imstande sein, den universalen Sinn des Geheimnisses des dreieinigen Gottes und des Heilsplanes sowohl in erzählerischer Weise als auch vor allem in Porm der Argumentation darzulegen. Das muss sie mit Hilfe von Ausdrücken und Begriffen tun, die aus der Urteilskraft heraus formuliert und allgemein mitteilbar sind. Denn ohne den Beitrag der Philosophie ließen sich theologische Inhalte, wie zum Beispiel das Sprechen über Gott, die Personbeziehungen innerhalb der Trinität, das schöpferische Wirken Gottes in der Welt, die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, die Identität Christi, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, nicht veranschaulichen. Dasselbe gilt für verschiedene Themen der Moraltheologie, wo ganz offenkundig Begriffe, wie z. B. Sittengesetz, Gewissen, Preiheit, persönliche Verantwortung, Schuld usw. zur Anwendung kommen, die im Rahmen der philosophischen Ethik definiert werden. Daher muss die Vernunft des Gläubigen eine natürliche, wahre und stimmige Kenntnis der geschaffenen Dinge, der Welt und des Menschen besitzen, die auch Gegenstand der göttlichen Offenbarung sind; mehr noch: die Vernunft des Gläubigen muss in der Lage sein, diese Kenntnis begrifflich und in der Porm der Argumentation darzulegen. Die spekulative dogmatische Theologie setzt daher implizit eine auf die objektive Wahrheit gegründete Philosophie vom Menschen, von der Welt und, radikaler, vom Sein voraus. 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 67. Die Fundamentaltheologie wird sich wegen des Charakters dieser theologischen Disziplin, deren Aufgabe die Rechenschaft über den Glauben ist (vgl. 1 Petr 3,15), darum kümmern müssen, die Beziehung zwischen dem Glauben und dem philosophischen Denken zu rechtfertigen und zu erklären. Schon das I. Vatikanische Konzil hatte die paulinische Lehre (vgl. Röm 1,19-20) neu eingebracht und die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass es Wahrheiten gibt, die auf natürlichem Weg erkennbar sind. Daher sind sie es auch auf philosophischem Weg. Ihr Erkennen stellt eine notwendige Voraussetzung für die Annahme der Offenbarung Gottes dar. Beim Erforschen der Offenbarung und ihrer Glaubwürdigkeit, begleitet von dem entsprechenden Glaubensakt, wird die Fundamentaltheologie zeigen müssen, dass im Lichte der Erkenntnis durch den Glauben einige Wahrheiten ans Licht kommen, welche die Vernunft bereits auf ihrem selbständigen Weg der Suche erreicht. Die Offenbarung verleiht diesen Wahrheiten dadurch Sinnfülle, dass sie sie auf den Reichtum des geoffenbarten Geheimnisses hinlenkt, in dem sie ihr letztes Ziel finden. Man denke zum Beispiel an die natürliche Gotteserkenntnis, an die Möglichkeit der Unterscheidung der göttlichen Offenbarung von anderen Phänomenen oder an die Anerkennung ihrer Glaubwürdigkeit, an die Fähigkeit der menschlichen Sprache, ausdrücklich und wahrhaftig auch von dem zu sprechen, was jede menschliche Erfahrung übersteigt. Von allen diesen Wahrheiten wird der Geist dazu gebracht, das Vorhandensein eines wirklich auf den Glauben vorbereitenden Weges anzuerkennen, der in die Annahme der Offenbarung einmünden kann, ohne die eigenen Prinzipien und ihre Autonomie im geringsten zu verletzen. <330> <330> „Die Erforschung der Bedingungen, unter denen der Mensch von sich aus die ersten grundlegenden Fragen stellt nach dem Sinn des Lebens, nach dem Ziel, das er ihm geben will, und nach dem, was ihn nach dem Tod erwartet, bildet für die Fundamentaltheologie den notwendigen Vorspann, damit auch heute der Glaube der Vernunft in ihrer aufrichtigen Suche nach der Wahrheit voll den Weg weisen kann“: Johannes Paul II., Schreiben an die Teilnehmer an dem internationalen Kongress für Fundamentaltheologie zum 125. Jahrestag der Veröffentlichung von „Dei Filius“ (30. September 1995), Nr. 4: L'Osser\>atore Romano, 3. Oktober 1995, S. 8. In demselben Maß wird die Fundamentaltheologie aufzeigen müssen, dass eine innere Vereinbarkeit zwischen dem Glauben und seinem wesentlichen Anspruch besteht, sich durch eine Vernunft darzustellen, die in der Lage ist, in voller Freiheit ihre Zustimmung zu geben. So wird der Glaube „einer Vernunft, die aufrichtig nach der Wahrheit sucht, voll den Weg weisen können. Auf diese Weise kann der Glaube als Geschenk Gottes, auch wenn er sich nicht auf die Vernunft stützt, sicher nicht auf sie verzichten; gleichzeitig erscheint es für die Vernunft notwendig, vom Glauben Gebrauch zu machen, um die Horizonte zu entdecken, die sie allein nicht zu erreichen vermöchte“. <331> <331> Ebd. 68. Die Moraltheologie hat vielleicht in noch höherem Maße den Beitrag der Philosophie nötig. Denn im Neuen Bund ist das menschliche Leben viel weniger durch Vorschriften geregelt als im Alten Bund. Das Leben im Heiligen Geist führt 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Glaubenden zu einer Freiheit und Verantwortlichkeit, die über das Gesetz selbst hinausgehen. Immerhin stellen das Evangelium und die apostolischen Schriften sowohl allgemeine Prinzipien christlicher Lebensführung als auch gewissenhafte Lehren und Gebote auf. Um sie auf die besonderen Verhältnisse des Lebens des einzelnen und der Gesellschaft anzuwenden, muss der Christ imstande sein, sein Gewissen und seine Denkkraft bis zum Äußersten einzusetzen. Das heißt mit anderen Worten, die Moraltheologie muss sich einer richtigen philosophischen Sicht sowohl von der menschlichen Natur und Gesellschaft wie von den allgemeinen Prinzipien einer sittlichen Entscheidung bedienen. 69. Man mag vielleicht einwenden, dass sich der Theologe in der gegenwärtigen Situation weniger der Philosophie als vielmehr der Hilfe anderer Formen des menschlichen Wissens bedienen sollte, wie der Geschichte und vor allem der Naturwissenschaften, deren jüngste außergewöhnliche Entwicklungen alle bewundern. Andere dagegen vertreten infolge einer gesteigerten Sensibilität für die Beziehung zwischen Glaube und Kultur die Ansicht, die Theologie sollte sich statt einer Philosophie griechischen und eurozentrischen Ursprungs lieber den traditionellen Weisheitsformen zuwenden. Wieder andere leugnen, von einer falschen Vorstellung des Pluralismus der Kulturen ausgehend, schlechthin den universalen Wert des von der Kirche empfangenen philosophischen Erbes. Diese hier angeführten Ansichten, die uns unter anderem bereits in der Lehre des Konzils begegnen, <332> sind teilweise wahr. Die Bezugnahme auf die Naturwissenschaften ist in vielen Fällen nützlich, weil sie eine vollständigere Kenntnis des Forschungsobjektes ermöglicht; sie darf jedoch nicht die notwendige Vermittlung einer typisch philosophischen, kritischen und Allgemeingültigkeit anstrebenden Reflexion in Vergessenheit geraten lassen, die im übrigen von einem fruchtbaren Austausch zwischen den Kulturen gefordert wird. Was ich dringend unterstreichen möchte, ist die Verpflichtung, nicht beim konkreten Einzelfall stehen zu bleiben und damit die vorrangige Aufgabe zu vernachlässigen, die darin besteht, den universalen Charakter des Glaubensinhaltes aufzuzeigen. Zudem darf man nicht vergessen, dass es der besondere Beitrag des philosophischen Denkens erlaubt, sowohl in den verschiedenen Lebensauffassungen wie in den Kulturen zu erkennen, „nicht was die Menschen denken, sondern welches die objektive Wahrheit ist“. <333> Nicht die verschiedenen menschlichen Meinungen, sondern allein die Wahrheit kann für die Theologie hilfreich sein. <332> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 15; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 22. <333> Hl. Thomas von Aquin, De Caelo, 1, 22. 70. Das Thema der Beziehung zu den Kulturen verdient eine spezielle, wenn auch notgedrungen nicht erschöpfende Überlegung wegen der von dort herrührenden Implikationen sowohl im philosophischen wie im theologischen Bereich. Der Prozess der Begegnung und Auseinandersetzung mit den Kulturen ist eine Erfahrung, 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN welche die Kirche von den Anfängen der Verkündigung des Evangeliums an erlebt hat. Das Gebot Christi an die Jünger, überall hinzugehen, „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8), um die von ihm geoffenbarte Wahrheit weiterzugeben, hat die Christengemeinde in die Lage versetzt, schon sehr bald die Allgemeingültigkeit der Verkündigung und die aus der Verschiedenheit der Kulturen entstehenden Hindernisse festzustellen. Ein Abschnitt aus dem Brief des hl. Paulus an die Christen von Ephesus bietet eine gute Hilfe, um zu verstehen, wie die Urgemeinde an dieses Problem herangegangen ist. Der Apostel schreibt: „Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Feme wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekommen. Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder“ (2,13-14). Im Lichte dieses Textes dehnt sich unsere Überlegung auf den Wandel aus, der sich in den Heiden ereignet hat, die einst zum Glauben gelangt sind. Angesichts der Fülle des von Christus vollbrachten Heils fallen die trennenden Wände zwischen den verschiedenen Kulturen. Die Verheißung Gottes wird nun in Christus zu einem Angebot für alle: Sie ist nicht mehr auf die Eigenart eines Volkes, seiner Sprache und seiner Bräuche beschränkt, sondern wird als Schatz, aus dem jeder frei schöpfen kann, auf alle ausgedehnt. Von verschiedenen Orten und Traditionen sind alle in Christus dazu berufen, an der Einheit der Familie der Kinder Gottes teilzuhaben. Christus erlaubt den beiden Völkern „eins“ zu werden. Jene, die „in der Feme“ waren, sind dank des vom Ostergeheimnis gewirkten Neuen „in die Nähe gekommen“. Jesus reißt die trennenden Wände nieder und vollzieht auf einzigartige und erhabene Weise die Vereinigung durch die Teilhabe an seinem Geheimnis. Diese Einheit ist so tief, dass die Kirche mit dem hl. Paulus sagen kann: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). In einem so einfachen Satz wird eine großartige Wahrheit beschrieben: Die Begegnung des Glaubens mit den verschiedenen Kulturen hat tatsächlich eine neue Wirklichkeit ins Leben gerufen. Wenn die Kulturen tief im Humanen verwurzelt sind, tragen sie das Zeugnis der typischen Öffnung des Menschen für das Universale und für die Transzendenz in sich. Deshalb stehen sie als verschiedene Annäherungen an die Wahrheit da; diese stellen sich als zweifellos nützlich für den Menschen heraus, den sie auf Werte hinweisen, die sein Dasein immer menschlicher machen können. <334> Insofern sich dann die Kulturen auf die Werte der antiken Überlieferungen berufen, enthalten sie - zwar unausgesprochen, deshalb aber nicht weniger real - den Bezug auf das Sich-Offenbaren Gottes in der Natur, wie wir vorher bei der Besprechung der Weisheitstexte und der Lehre des hl. Paulus gesehen haben. <334> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nm. 53-59. 71. Da die Kulturen in enger Beziehung zu den Menschen und ihrer Geschichte stehen, teilen sie dieselben dynamischen Kräfte, mit denen sich die menschliche Zeit Ausdruck verschafft. Demzufolge sind Veränderungen und Fortschritte zu 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verzeichnen, die auf den Begegnungen der Menschen miteinander und auf ihrem gegenseitigen Austausch über ihre Lebensmodelle beruhen. Die Kulturen nähren sich aus der Mitteilung von Werten, und ihre Lebenskraft und ihr Bestand rührt von der Fähigkeit her, offen zu bleiben für die Aufnahme des Neuen. Welche Erklärung gibt es für diese dynamischen Kräfte? Jeder Mensch ist in eine Kultur verflochten, hängt von ihr ab und beeinflusst sie. Er ist zugleich Kind und Vater der Kultur, in der er eingebunden ist. In jeder seiner Lebensäußerungen trägt er etwas mit sich, was ihn aus der Schöpfung heraushebt: seine ständige Offenheit für das Geheimnis und sein unerschöpfliches Verlangen nach Erkenntnis. Infolgedessen trägt jede Kultur das Prägemal der auf eine Vollendung hin gerichteten Spannung an sich und lässt sie durchscheinen. Man kann daher sagen, die Kultur hat die Möglichkeit in sich, die göttliche Offenbarung anzunehmen. Die Art und Weise, wie die Christen den Glauben leben, ist auch durchdrungen von der Kultur ihrer Umgebung und trägt ihrerseits dazu bei, fortlaufend deren Wesensmerkmale zu gestalten. Die Christen bringen in jede Kultur die von Gott in der Geschichte und in der Kultur eines Volkes geoffenbarte, unwandelbare Wahrheit von Gott ein. So pflanzt sich im Laufe der Jahrhunderte das Ereignis immer weiter fort, dessen Zeugen die am Pfingsttag in Jerusalem anwesenden Pilger waren. Als sie den Aposteln zuhörten, fragten sie sich: „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappado-zien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ {Apg 2,7-11). Die Verkündigung des Evangeliums in den verschiedenen Kulturen verlangt von den einzelnen Empfängern das Festhalten am Glauben; sie hindert die Empfänger aber nicht daran, ihre kulturelle Identität zu bewahren. Das erzeugt keine Spaltung, weil sich das Volk der Getauften durch eine Universalität auszeichnet, die jede Kultur aufnehmen kann, wodurch die Weiterentwicklung des in ihr implizit Vorhandenen hin zu seiner vollen Entfaltung in der Wahrheit begünstigt wird. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass eine Kultur niemals zum Urteilskriterium und noch weniger zum letzten Wahrheitskriterium gegenüber der Offenbarung Gottes werden kann. Das Evangelium steht nicht im Gegensatz zu dieser oder jener Kultur, als wollte es ihr bei der Begegnung mit ihr das aberkennen, was zu ihr gehört, und sie zur Annahme äußerer Formen nötigen, die nicht zu ihr passen. Im Gegenteil, die Verkündigung, die der Gläubige in die Welt und in die Kulturen trägt, ist eine wirkliche Form der Befreiung von jeder durch die Sünde eingeführten Unordnung und zugleich Aufruf zur vollen Wahrheit. Bei dieser Begegnung wird den Kulturen nichts aberkannt; sie werden sogar ermuntert, sich dem Neuen zu öffnen, das die Wahrheit des Evangeliums enthält, um daraus Ansporn zu weiteren Entwicklungen zu gewinnen. 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 72. Der Umstand, dass die Evangelisierung auf ihrem Weg zunächst der griechischen Philosophie begegnete, ist keineswegs ein Hinweis darauf, dass andere Wege der Annäherung ausgeschlossen wären. In unserer heutigen Zeit, in der das Evangelium nach und nach mit Kulturräumen in Berührung kommt, die sich bisher außerhalb des Verbreitungsbereiches des Christentums befunden hatten, eröffnen sich für die Inkulturation neue Aufgaben. Unserer Generation stellen sich ähnliche Probleme, wie sie die Kirche in den ersten Jahrhunderten zu bewältigen hatte. Meine Gedanken gehen spontan zu den Ländern des Orients, die so reich an sehr alten religiösen und philosophischen Überlieferungen sind. Unter ihnen nimmt Indien einen besonderen Platz ein. Ein großartiger geistiger Aufschwung führt das indische Denken zur Suche nach einer Erfahrung, die dadurch, dass sie den Geist von den durch Zeit und Raum gegebenen Bedingtheiten befreit, Absolutheitswert hat. Im Dynamismus dieser Suche nach Befreiung finden sich große metaphysische Systeme. Den Christen von heute, vor allem jenen in Indien, fällt die Aufgabe zu, aus diesem reichen Erbe die Elemente zu entnehmen, die mit ihrem Glauben vereinbar sind, so dass es zu einer Bereicherung des christlichen Denkens kommt. Für diese Unterscheidungsarbeit, zu der die Konzilserklärung Nostra aetate Anregung bietet, sollen sie eine Reihe von Kriterien berücksichtigen. Das erste ist die Universalität des menschlichen Geistes, dessen Grundbedürfnisse in den verschiedenen Kulturen identisch sind. Das zweite Kriterium, das sich aus dem ersten ergibt, besteht in Folgendem: Wenn die Kirche mit großen Kulturen in Kontakt tritt, mit denen sie vorher noch nicht in Berührung gekommen war, darf sie sich nicht von dem trennen, was sie sich durch die Inkulturation ins griechisch-lateinische Denken angeeignet hat. Der Verzicht auf ein solches Erbe würde dem Vorsehungsplan Gottes zuwiderlaufen, der seine Kirche die Straßen der Zeit und der Geschichte entlang führt. Dieses Kriterium gilt übrigens für die Kirche jeder Epoche, auch für die Kirche von morgen, die sich durch die in der heutigen Annäherung an die orientalischen Kulturen gewonnenen Errungenschaften bereichert fühlen wird. Sie wird in diesem Erbe neue Hinweise finden, um in einen fruchtbaren Dialog mit jenen Kulturen einzutreten, welche die Menschheit auf ihrem Weg in die Zukunft zum Erblühen bringen können. Drittens soll man sich davor hüten, den legitimen Anspruch des indischen Denkens auf Besonderheit und Originalität mit der Vorstellung zu verwechseln, eine kulturelle Tradition müsse sich in ihr Verschiedensein einkapseln und sich in ihrer Gegensätzlichkeit zu den anderen Traditionen behaupten; dies würde dem Wesen des menschlichen Geistes widersprechen. Was hier für Indien gesagt wird, gilt auch für das Erbe, das die großen Kulturen Chinas, Japans und der anderen Länder Asiens sowie der Reichtum der vor allem mündlich überlieferten traditionellen Kulturen Afrikas enthalten. 73. Im Lichte dieser Überlegungen wird die Beziehung, die sich zwischen Theologie und Philosophie anbahnen soll, in Form einer Kreisbewegung erfolgen. Für die Theologie wird das in der Geschichte geoffenbarte Wort Gottes stets Ausgangspunkt und Quelle sein, während das letzte Ziel nur das in der Aufeinanderfolge der 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Generationen nach und nach vertiefte Verständnis des Gotteswortes sein kann. Da andererseits das Wort Gottes Wahrheit ist (vgl. Joh 17,17), muss zu seinem besseren Verständnis die menschliche Suche nach der Wahrheit, das heißt das unter Respektierung der ihm eigenen Gesetze entwickelte Philosophieren, nutzbar gemacht werden. Dabei handelt es sich nicht einfach darum, in der theologischen Argumentation den einen oder anderen Begriff oder Bruchstücke eines philosophischen Gefüges zu verwenden; entscheidend ist, dass bei der Suche nach dem Wahren innerhalb einer Bewegung, die sich, ausgehend vom Wort Gottes, um dessen besseres Verständnis bemüht, die Vernunft des Glaubenden ihre Denkfähigkeiten einsetzt. Im übrigen ist klar, dass die Vernunft, wenn sie sich innerhalb dieser beiden Pole -Wort Gottes und sein besseres Verständnis - bewegt, gleichsam darauf hingewiesen, ja in gewisser Weise dazu angehalten wird, Wege zu meiden, die sie außerhalb der geoffenbarten Wahrheit und letzten Endes außerhalb der reinen, einfachen Wahrheit führen würden; sie wird sogar angespomt, Wege zu erforschen, von denen sie von sich aus nicht einmal vermutet hätte, sie je einschlagen zu können. Aus diesem Verhältnis zum Wort Gottes in Form der Kreisbewegung geht die Philosophie bereichert hervor, weil die Vernunft neue und unerwartete Horizonte entdeckt. 74. Den Beweis für die Fruchtbarkeit einer solchen Beziehung liefert die persönliche Geschichte großer christlicher Theologen, die sich auch als große Philosophen auszeichneten und Schriften von so hohem spekulativen Wert hinterließen, dass sie mit Recht neben die Meister der antiken Philosophie gestellt werden können. Das gilt sowohl für die Kirchenväter, von denen wenigstens die Namen des hl. Gregor von Nazianz und des hl. Augustinus genannt seien, als auch für die mittelalterlichen Gelehrten mit dem großen Dreigestim hl. Anselm, hl. Bonaventura und hl. Thomas von Aquin. Die fruchtbare Beziehung zwischen der Philosophie und dem Wort Gottes schlägt sich auch in der mutigen Forschung nieder, die von einigen jüngeren Denkern geleistet wurde. Unter ihnen möchte ich für den westlichen Bereich Persönlichkeiten nennen wie John Henry Newman, Antonio Rosmini, Jacques Maritain, Etienne Gilson und Edith Stein. Aus dem östlichen Bereich sind Gelehrte wie Vladimir S. Solov’ev, Pavel A. Florenskij, Petr J. Tschaadaev und Vladimir N. Lossky zu erwähnen. Wenn ich mich auf diese Autoren berufe, neben denen noch andere Namen stehen könnten, möchte ich natürlich nicht alle Gesichtspunkte ihres Denkens bestätigen, sondern lediglich sprechende Beispiele eines philosophischen Forschungsweges vorstellen, der aus der Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Glaubens beachtenswerte Vorteile gezogen hat. Eines ist sicher: Die Beachtung des geistlichen Weges dieser Lehrmeister muss dem Fortschritt in der Suche nach Wahrheit und in der Nutzbarmachung der erzielten Ergebnisse zum Wohl der Menschen dienen. Es bleibt zu hoffen, dass diese große philosophisch-theologische Tradition heute und in Zukunft zum Wohl der Kirche und der Menschheit ihre Fortsetzer und Verehrer finden möge. 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verschiedene Standorte der Philosophie 75. Wie sich aus der oben kurz angedeuteten Geschichte der Beziehungen von Glaube und Philosophie ergibt, lassen sich verschiedene Standorte der Philosophie in Bezug auf den christlichen Glauben unterscheiden. Da ist zuerst der Status der von der Offenbarung des Evangeliums völlig unabhängigen Philosophie: Gemeint ist die Philosophie, wie sie geschichtlich in den der Geburt des Erlösers vorausgehenden Epochen und danach in den vom Evangelium noch nicht erreichten Regionen Gestalt angenommen hat. In dieser Situation bekundet die Philosophie das legitime Bestreben, eine Unternehmung zu sein, die autonom ist; das heißt: sie geht nach ihren eigenen Gesetzen vor und bedient sich ausschließlich der Kräfte der Vernunft. Dieses Bestreben muss man unterstützen und stärken, auch wenn man sich der schwerwiegenden, durch die angeborene Schwäche der menschlichen Vernunft bedingten Grenzen bewusst ist. Denn das philosophische Engagement als Suche nach der Wahrheit im natürlichen Bereich bleibt zumindest implizit offen für das Übernatürliche. Mehr noch: Auch dann, wenn sich die theologische Argumentation philosophischer Begriffe und Argumente bedient, muss der Anspruch auf die rechte Autonomie des Denkens respektiert werden. Denn die nach strengen Vemunftkriterien entwickelte Argumentation ist Gewähr für das Erreichen allgemeingültiger Ergebnisse. Auch hier erfüllt sich das Prinzip, wonach die Gnade die Natur nicht zerstört, sondern vervollkommnet: Die Glaubenszustimmung, die den Verstand und den Willen verpflichtet, zerstört nicht die Willensfreiheit eines jeden Glaubenden, der das Geoffenbarte in sich aufnimmt, sondern vervollkommnet sie. Von diesem korrekten Anspruch weicht ganz klar die Theorie von der sogenannten „getrennten“ Philosophie ab, wie sie von einigen modernen Philosophen vertreten wird. Über die Bejahung der berechtigten Autonomie hinaus fordert sie eine Unabhängigkeit des Denkens, die sich klar als unzulässig erweist: Die aus der göttlichen Offenbarung kommenden Beiträge zur Wahrheit abzulehnen, bedeutet nämlich, sich zum Schaden der Philosophie den Zugang zu einer tieferen Wahrheitserkenntnis zu versperren. 76. Ein zweiter Standort der Philosophie ist jener, den viele mit dem Ausdruck christliche Philosophie bezeichnen. Die Bezeichnung ist an und für sich zulässig, darf aber nicht missverstanden werden: Es wird damit nicht beabsichtigt, auf eine offizielle Philosophie der Kirche anzuspielen, da ja der Glaube an sich keine Philosophie ist. Vielmehr soll mit dieser Bezeichnung auf ein christliches Philosophieren, auf eine in lebendiger Verbundenheit mit dem Glauben konzipierte philosophische Spekulation hingewiesen werden. Man bezieht sich dabei also nicht einfach auf eine Philosophie, die von christlichen Philosophen erarbeitet wurde, die in ihrer Forschung dem Glauben nicht widersprochen haben. Wenn von christlicher Philosophie die Rede ist, will man damit alle jene bedeutenden Entwicklungen des philosophischen Denkens erfassen, die sich ohne den direkten oder indirekten Beitrag des christlichen Glaubens nicht hätten verwirklichen lassen. 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es gibt daher zwei Aspekte der christlichen Philosophie: einen subjektiven, der in der Läuterung der Vernunft durch den Glauben besteht. Als göttliche Tugend befreit er die Vernunft von der typischen Versuchung zur Anmaßung, der die Philosophen leicht erliegen. Schon der hl. Paulus, die Kirchenväter und Philosophen wie Pascal und Kierkegaard, die uns zeitlich näher sind, haben sie gebrandmarkt. Mit der Demut gewinnt der Philosoph auch den Mut, sich mit manchen Problemen auseinander zu setzen, die er ohne Berücksichtigung der von der Offenbarung empfangenen Erkenntnisse kaum lösen könnte. Man denke zum Beispiel an die Probleme des Bösen und des Leides, an die Identität eines persönlichen Gottes und an die Frage nach dem Sinn des Lebens oder, direkter, an die radikale metaphysische Frage: „Warum gibt es etwas?“. Daneben steht der objektive Aspekt, der die Inhalte betrifft: die Offenbarung legt klar und deutlich einige Wahrheiten vor, die von der Vernunft, obwohl sie ihr natürlich nicht unzugänglich sind, vielleicht niemals entdeckt worden wären, wenn sie sich selbst überlassen geblieben wäre. In diesem Blickfeld liegen Fragen wie der Begriff eines freien und schöpferischen persönlichen Gottes, der für die Entwicklung des philosophischen Denkens und insbesondere für die Philosophie des Seins so große Bedeutung gehabt hat. In diesen Bereich gehört auch die Realität der Sünde, wie sie im Lichte des Glaubens erscheint, der hilft, das Problem des Bösen in geeigneter Weise philosophisch anzugehen. Auch die Auffassung von der Person als geistiges Wesen ist eine besondere Eigenart des Glaubens: Die christliche Botschaft von der Würde, der Gleichheit und der Freiheit der Menschen hat sicher das philosophische Denken beeinflusst, das die Modernen vollzogen haben. Als Beispiel, das unserer Zeit näher ist, kann man die Entdeckung der Bedeutung des geschichtlichen Ereignisses für die Philosophie erwähnen, das die Mitte der christlichen Offenbarung bildet. Nicht zufällig ist es zur Grundlage einer Geschichtsphilosophie geworden, das sich als ein neues Kapitel der menschlichen Suche nach der Wahrheit darstellt. Zu den objektiven Elementen der christlichen Philosophie gehört auch die Notwendigkeit, die Vernünftigkeit mancher von der Heiligen Schrift ausgesprochenen Wahrheiten zu erforschen, wie die Möglichkeit einer übernatürlichen Berufung des Menschen und eben auch die Erbsünde. Das sind Aufgaben, welche die Vernunft veranlassen anzuerkennen, dass es Wahres und Vernünftiges außerhalb der engen Grenzen gibt, in die sich einzuschließen sie geneigt wäre. Diese Themen erweitern tatsächlich den Bereich des Vernünftigen. Im Nachdenken über diese Inhalte sind die Philosophen nicht Theologen geworden; denn sie haben nicht versucht, die Glaubenswahrheiten von der Offenbarung her zu verstehen und zu deuten. Sie setzten die Arbeit auf ihrem eigenen Gebiet und mit ihrer rein rationalen Methode fort, dehnten aber ihre Untersuchung auf neue Bereiche des Wahren aus. Man kann sagen, dass es ohne diesen stimulierenden Einfluss des Wortes Gottes einen beachtlichen Teil der modernen und zeitgenössischen Philosophie gar nicht gäbe. Der Befund bewahrt seine ganze Bedeutung 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch angesichts der enttäuschenden Feststellung, dass nicht wenige Denker dieser letzten Jahrhunderte die christliche Rechtgläubigkeit aufgegeben haben. 77. Ein weiterer bedeutsamer Standort der Philosophie ergibt sich, wenn die Theologie selbst sich auf die Philosophie beruft. In Wirklichkeit hat die Theologie immer den philosophischen Beitrag gebraucht. Sie braucht ihn auch weiterhin. Da die theologische Arbeit ein Werk der kritischen Vernunft im Lichte des Glaubens ist, ist für sie bei ihrem ganzen Forschen eine in begrifflicher und argumentativer Hinsicht erzogene und ausgebildete Vernunft Voraussetzung und Forderung. Darüber hinaus braucht die Theologie die Philosophie als Gesprächspartnerin, um die Verständlichkeit und allgemeingültige Wahrheit ihrer Aussagen festzustellen. Nicht zufällig wurden von den Kirchenvätern und von den mittelalterlichen Theologen nichtchristliche Philosophien für diese Erklärungsfunktion übernommen. Diese historische Tatsache weist auf den Wert der Autonomie hin, den die Philosophie auch in diesem dritten Standort bewahrt, zeigt aber zugleich die notwendigen und tiefgreifenden Veränderungen auf, die sie auf sich nehmen muss. Ganz im Sinne eines unerlässlichen und vortrefflichen Beitrags wurde die Philosophie seit der Väterzeit ancilla theologiae genannt. Der Beiname wurde nicht verwendet, um eine sklavische Unterwerfung oder eine rein funktionale Rolle der Philosophie gegenüber der Theologie zu bezeichnen. Er wurde vielmehr in dem Sinne gebraucht, in dem Aristoteles von den Erfahrungswissenschaften als „Mägden“ der „ersten Philosophie“ sprach. Der Ausdruck, der heute wegen der oben angeführten Autonomieprinzipien schwer anwendbar ist, diente im Laufe der Geschichte dazu, auf die Notwendigkeit der Beziehung zwischen den beiden Wissenschaften und auf die Unmöglichkeit ihrer Trennung hinzuweisen. Würde sich der Theologe weigern, von der Philosophie Gebrauch zu machen, liefe er Gefahr, ohne sein Wissen Philosophie zu treiben und sich in Denkstrukturen einzuschließen, die dem Glaubensverständnis wenig angemessen sind. Der Philosoph wiederum würde sich, wenn er jeden Kontakt mit der Theologie ausschlösse, verpflichtet fühlen, sich eigenständig der Inhalte des christlichen Glaubens zu bemächtigen, wie das bei einigen modernen Philosophen der Fall war. Im einen wie im anderen Fall würde sich die Gefahr der Zerstörung der Grundprinzipien der Autonomie ergeben, deren Garantie jede Wissenschaft mit Recht für sich fordert. Der hier besprochene Status der Philosophie steht wegen der Implikationen, die er im Verständnis der Offenbarung mit sich bringt, zusammen mit der Theologie unmittelbarer unter der Autorität des Lehramtes und seiner Prüfung; dies habe ich vorher dargelegt. Denn aus der Glaubenswahrheit ergeben sich bestimmte Forderungen, welche die Philosophie in dem Augenblick respektieren muss, wo sie mit der Theologie in Verbindung tritt. 78. Im Lichte dieser Überlegungen wird es wohl verständlich, warum das Lehramt wiederholt die Verdienste des Denkens des hl. Thomas gelobt und ihn als führenden Lehrmeister und Vorbild für das Theologiestudium herausgestellt hat. Es war dem Lehramt weder daran gelegen, zu eigentlich philosophischen Fragen Stellung 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu nehmen noch die Zustimmung zu besonderen Auffassungen aufzuerlegen. Die Absicht des Lehramtes war und ist es weiterhin zu zeigen, dass der hl. Thomas ein authentisches Vorbild für alle ist, die nach der Wahrheit suchen. Denn in seinem Denken haben der Anspruch der Vernunft und die Kraft des Glaubens zur höchsten Zusammenschau gefunden, zu der das Denken je gelangt ist. Er hat es verstanden, das radikal Neue, das die Offenbarung gebracht hat, zu verteidigen, ohne je den typischen Weg der Vernunft zu demütigen. 79. Mit einer weiteren ausführlichen Darlegung der Inhalte des bisherigen Lehramtes möchte ich in diesem letzten Teil einige Forderungen aufzeigen, die heute die Theologie - und zuvor noch das Wort Gottes - an das philosophische Denken und die modernen Philosophien stellt. Wie ich bereits hervorgehoben habe, muss der Philosoph nach eigenen Regeln Vorgehen und sich auf seine eigenen Prinzipien stützen; die Wahrheit kann jedoch nur eine sein. Die Offenbarung mit ihren Inhalten wird niemals die Vernunft bei ihren Entdeckungen und in ihrer legitimen Autonomie unterdrücken können; umgekehrt wird jedoch die Vernunft in dem Bewusstsein, sich nicht zu absoluter und ausschließlicher Gültigkeit erheben zu können, nie ihre Fähigkeit verlieren dürfen, sich fragen zu lassen und zu fragen. Indem die geoffenbarte Wahrheit von dem Glanz her, der von dem subsistenten Sein selbst ausgeht, volle Erhellung über das Sein gewährt, wird sie den Weg der philosophischen Reflexion erleuchten. Die christliche Offenbarung wird somit zum eigentlichen Ansatz- und Vergleichspunkt zwischen philosophischem und theologischem Denken, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen. Daher ist es wünschenswert, dass sich Theologen und Philosophen von der einzigen Autorität der Wahrheit leiten lassen und eine Philosophie erarbeiten, die im Einklang mit dem Wort Gottes steht. Diese Philosophie wird der Boden für die Begegnung zwischen den Kulturen und dem christlichen Glauben sein, der Ort der Verständigung zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden. Sie wird hilfreich sein, damit sich die Gläubigen aus nächster Nähe davon überzeugen, dass die Tiefe und Unverfälscht-heit des Glaubens gefördert wird, wenn er sich mit dem Denken verbindet und nicht darauf verzichtet. Und wieder ist es die Lehre der Kirchenväter, die uns zu dieser Überzeugung führt: „Dasselbe glauben ist nichts anderes als zustimmend denken [...]. Jeder, der glaubt, denkt; wenn er glaubt, denkt er, und wenn er denkt, glaubt er [...]. Wenn der Glaube nicht gedacht wird, ist er nichts“. <335> Und an anderer Stelle heißt es: „Wenn einer die Zustimmung aufgibt, gibt er den Glauben auf, denn ohne Zustimmung glaubt man überhaupt nicht“. <336> <335> Hl. Augustinus, De praedestinatione sanctorum, 2, 5: PL 44, 963. <336> Ders., Defide, spe et caritate, 1: CCL 64, 61. 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel VII Aktuelle Forderangen und Aufgaben Die unverzichtbaren Forderungen des Wortes Gottes 80. Die Heilige Schrift enthält sowohl in expliziter wie impliziter Form eine Reihe von Elementen, die uns zu einem Menschenbild und einer Weitsicht von beträchtlicher philosophischer Stärke gelangen lassen. Die Christen wurden sich allmählich des in heiligen Büchern enthaltenen Reichtums bewusst. Aus jenen Seiten ergibt sich, dass die Wirklichkeit, die wir erfahren, nicht das Absolute ist: Sie ist weder ungeschaffen noch hat sie sich selbst geschaffen. Nur Gott ist der Absolute. Aus den Seiten der Bibel geht außerdem eine Sicht vom Menschen als imago Dei, Abbild Gottes, hervor, die genaue Hinweise auf sein Sein, seine Freiheit und die Unsterblichkeit seiner Seele enthält. Da die geschaffene Welt sich nicht selbst genügt, führt jede Illusion von Autonomie, welche die wesentliche Abhängigkeit übersieht, in der jedes Geschöpf - auch der Mensch - vor Gott steht, zu Konflikten, welche die rationale Suche nach der Harmonie und dem Sinn des menschlichen Daseins zunichte machen. Auch das Problem des sittlich Bösen - die tragischste Form des Bösen - wird in der Bibel aufgegriffen, die uns sagt, dass es nicht auf irgendeinen durch die Materie bedingten Mangel zurückzuführen ist, sondern auf eine Wunde, die von einem ungeordneten Sich-Äußem der menschlichen Freiheit herrührt. Schließlich zeigt das Wort Gottes das Problem auf, welchen Sinn das Dasein hat, und enthüllt seine Antwort, indem es den Menschen auf Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, hinweist, der das menschliche Dasein im Vollsinn verwirklicht. Weitere Aspekte ließen sich aus der Lektüre des heiligen Textes verdeutlichen; jedenfalls ergibt sich daraus die Zurückweisung jeder Form von Relativismus, Materialismus und Pantheismus. Die Grandüberzeugung dieser in der Bibel enthaltenen „Philosophie“ besteht darin, dass das menschliche Leben und die Welt einen Sinn haben und auf ihre Vollendung hin ausgerichtet sind, die sich in Jesus Christus erfüllt. Das Geheimnis der Menschwerdung wird immer der Mittelpunkt bleiben, auf den man sich beziehen muss, um das Rätsel vom menschlichen Dasein, der geschaffenen Welt und von Gott selber begreifen zu können. In diesem Geheimnis liegen extreme Herausforderungen für die Philosophie, weil die Vernunft aufgerufen ist, sich eine Logik zu eigen zu machen, welche die Schranken niederreißt, hinter denen sie sich zu verschanzen droht. Erst hier jedoch erreicht der Sinn des Daseins seinen Höhepunkt. Denn es wird das innerste Wesen Gottes und des Menschen verständlich: Im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes werden göttliche und menschliche Natur in 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer je eigenen Autonomie bewahrt, und zugleich offenbart sich ein einziges Band, das sie unvermischt in gegenseitige Beziehung setzt. 81. Wir müssen feststellen, dass eines der gewichtigsten Fakten in unserer derzeitigen Situation in der „Sinnkrise“ besteht. Die häufig wissenschaftlich geprägten Ansichten über Leben und Welt haben eine derartige Vermehrung erfahren, dass wir wirklich erleben, wie das Phänomen der Bruchstückhaftigkeit des Wissens um sich greift. Genau das macht die Suche nach einem Sinn schwierig und oft vergeblich. Noch dramatischer ist es, dass sich in diesem wirren Geflecht aus Daten und Fakten, zwischen denen man lebt und die den eigentlichen Gang des Daseins auszumachen scheinen, nicht wenige fragen, ob es überhaupt noch sinnvoll sei, eine Sinnfrage zu stellen. Die Mehrzahl der um eine Antwort streitenden Theorien bzw. die unterschiedlichen Sicht- und Interpretationsweisen in Bezug auf die Welt und das Leben des Menschen verschärfen nur diesen radikalen Zweifel, der leicht auf einen Zustand des Skeptizismus und der Gleichgültigkeit oder auf die verschiedenen Äußerungen des Nihilismus hinausläuft. Als Folge davon wird der menschliche Geist von einem zweideutigen Denken vereinnahmt, das ihn veranlasst, sich noch mehr in sich selbst, in die Grenzen seiner Immanenz zu verschließen, ohne irgendeinen Bezug zur Transzendenz zu haben. Eine Philosophie, die nicht mehr die Frage nach dem Sinn des Daseins stellt, würde ernsthaft Gefahr laufen, die Vernunft zu rein instrumentalen Funktionen zu degradieren, ohne jegliche echte Leidenschaft für die Suche nach der Wahrheit. Um sich in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes zu befinden, muss die Philosophie vor allem ihre Weisheitsdimension wiederentdecken, die in der Suche nach dem letzten und umfassenden Sinn des Lebens besteht. Wenn man es recht betrachtet, stellt diese erste Forderang für die Philosophie einen sehr nützlichen Ansporn dazu dar, ihrem eigentlichen Wesen gerecht zu werden. Denn wenn sie das tut, wird sie nicht nur die entscheidende kritische Instanz sein, die die verschiedenen Seiten des wissenschaftlichen Wissens auf ihre Zuverlässigkeit und ihre Grenzen hinweist, sondern sie wird sich auch als letzte Instanz für die Einigung von menschlichem Wissen und Handeln erweisen, indem sie diese dazu veranlasst, ein endgültiges Ziel und einen letzten Sinn anzustreben. Diese Weisheitsdimension ist heute um so unerlässlicher, weil die enorme Zunahme der technischen Macht der Menschheit ein erneuertes und geschärftes Bewusstsein für die letzten Werte verlangt. Sollten diese technischen Mittel ohne Hinordnung auf ein Ziel bleiben, das nicht bloß vom Nützlichkeitsstandpunkt her bestimmt wird, könnten sie sich sehr schnell als inhuman heraussteilen, ja sich in potentielle Zerstörer des Menschengeschlechts verwandeln. Das Wort Gottes offenbart das letzte Ziel des Menschen und verleiht seinem Handeln in der Welt einen umfassenden Sinn. Deshalb lädt das Wort Gottes die Philo- 97 98 Vgl. Konzil von Chalkedon, Symbolum, Definitio: DS 302. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. 15: AAS 71(1979)286-289. 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sophie ein, sich für die Suche nach der natürlichen Grundlage dieses Sinnes einzusetzen; diese Grundlage besteht in der Religiosität, die jedem Menschen als Person eigen ist. Eine Philosophie, die die Möglichkeit eines letzten und umfassenden Sinnes leugnen wollte, wäre nicht nur unangemessen, sondern irrig. 82. Diese der Weisheit verpflichtete Rolle könnte allerdings nicht von einer Philosophie wahrgenommen werden, die nicht selbst echtes und wahres Wissen wäre; das heißt eine Philosophie, die nicht nur auf einzelne, bedingte - ob funktionale, formale oder utilitaristische - Aspekte des Wirklichen, sondern auf seine vollständige und endgültige Wahrheit, also auf das Sein des Erkenntnisgegenstandes selbst gerichtet ist. Daher gilt eine zweite Forderung: Überprüfung der Fähigkeit des Menschen, zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen; eine Erkenntnis übrigens, die zur objektiven Wahrheit gelangt durch jene adaequatio rei et intellectus," auf die sich die Gelehrten der Scholastik beziehen. Diese Forderung, die dem Glauben eigen ist, wurde vom II. Vatikanischen Konzil ausdrücklich neu bekräftigt: „Die Vernunft ist nämlich nicht auf die bloßen Phänomene eingeengt, sondern vermag geistig tiefere Strukturen der Wirklichkeit mit wahrer Sicherheit zu erreichen, wenn sie auch infolge der Sünde zum Teil verdunkelt und geschwächt ist“. <337> <338> Eine radikal phänomenalistische oder relativistische Philosophie würde sich als ungeeignet dafür erweisen, diese Hilfe zu leisten, wenn es um die Vertiefung der im Wort Gottes enthaltenen Fülle geht. Die Heilige Schrift setzt nämlich immer voraus, dass der Mensch, auch wenn er der Doppelzüngigkeit und Lüge schuldig ist, die reine und einfache Wahrheit zu erkennen und zu begreifen vermag. In den Heiligen Büchern und besonders im Neuen Testament finden sich Texte und Aussagen von wirklich ontologischer Tragweite. Die inspirierten Verfasser wollten nämlich wahre Aussagen formulieren, Aussagen also, welche die objektive Wirklichkeit ausdrücken sollten. Man kann nicht behaupten, die katholische Überlieferung habe einen Irrtum begangen, als sie einige Texte des hl. Johannes und des hl. Paulus als Aussagen über das Sein Christi selbst verstanden hat. Die Theologie braucht daher, wenn sie sich dem Verstehen und Erklären dieser Aussagen widmet, den Beitrag einer Philosophie, welche die Möglichkeit einer objektiv wahren, freilich immer vervollkommnungsfähigen Erkenntnis nicht leugnet. Das Gesagte gilt auch für die Urteile des sittlichen Gewissens, von denen die Heilige Schrift annimmt, dass sie objektiv wahr sein können. <339> 00 Vgl. z. B. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I, 16, 1; Hl. Bonaventura, Coli in Hex., 3, 8, 1. <338> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 15. <339> Ygj Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nm. 57-61: AAS 85(1993)1179-1182. 83. Die beiden obengenannten Forderungen ziehen eine dritte nach sich: Erforderlich ist eine Philosophie von wahrhaft metaphysischer Tragweite; sie muss imstande sein, das empirisch Gegebene zu transzendieren, um bei ihrer Suche nach der Wahrheit zu etwas Absolutem, Letztem und Grundlegendem zu gelangen. Das ist eine selbstverständliche Forderung, die sowohl für die auf Grund der Weisheit 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie auch für die auf analytischem Wege gewonnene Erkenntnis Geltung hat; es ist im besonderen eine Forderung an die Erkenntnis des sittlich Guten, dessen letzter Grund das höchste Gut, Gott selber, ist. Ich spreche hier nicht von der Metaphysik als einer bestimmten Schule oder einer besonderen geschichtlichen Strömung. Ich möchte nur bekräftigen, dass die Wirklichkeit und die Wahrheit das Tatsächliche und Empirische übersteigen. Zudem will ich die Fähigkeit des Menschen geltend machen, diese transzendente und metaphysische Dimension wahrhaftig und sicher, wenngleich auf unvollkommene und analoge Weise, zu erkennen. So verstanden, darf die Metaphysik nicht als Alternative zur Anthropologie gesehen werden, gestattet es doch gerade die Metaphysik, dem Begriff von der Würde der Person, die auf ihrer geistigen Verfasstheit fußt, eine Grundlage zu geben. Besonders die Person stellt einen bevorzugten Bereich dar für die Begegnung mit dem Sein und daher mit dem metaphysischen Denken. Wo immer der Mensch einen Hinweis auf das Absolute und Transzendente entdeckt, öffnet sich für ihn ein Spalt zur metaphysischen Dimension des Wirklichen: in der Wahrheit, in der Schönheit, in den sittlichen Werten, in der Person des anderen, im Sein selbst, in Gott. Eine große Herausforderung, die uns am Ende dieses Jahrtausends erwartet, besteht darin, dass es uns gelingt, den ebenso notwendigen wie dringenden Übergang vom Phänomen zum Fundament zu vollziehen. Wir können unmöglich bei der bloßen Erfahrung stehen bleiben; auch wenn diese die Innerlichkeit des Menschen und seine Spiritualität ausdrückt und verdeutlicht, muss das spekulative Denken die geistliche Mitte und das sie tragende Fundament erreichen. Ein philosophisches Denken, das jede metaphysische Öffnung ablehnte, wäre daher völlig ungeeignet, im Verständnis der Offenbarung als Vermittlerin wirken zu können. Das Wort Gottes nimmt ständig auf das Bezug, was die Erfahrung und sogar das Denken des Menschen übersteigt; aber dieses „Geheimnis“ könnte weder enthüllt werden noch wäre die Theologie imstande, es auf irgendeine Weise verständlich zu machen, <340> wenn die menschliche Erkenntnis streng auf die Welt der sinnlichen Erfahrung beschränkt wäre. Die Metaphysik stellt sich deshalb als bevorzugte Vermittlung in der theologischen Forschung dar. Einer Theologie ohne metaphysischen Horizont würde es nicht gelingen, über die Analyse der religiösen Erfahrung hinauszutreten; außerdem würde sie es dem intellectus fidei unmöglich machen, den universalen und transzendenten Wert der geoffenbarten Wahrheit auf kohärente Weise zum Ausdruck zu bringen. <340> Ygl. 1. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Del Filius, IV: DS 3016. Wenn ich so sehr auf der metaphysischen Komponente bestehe, dann deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass sie der unumgängliche Weg ist, um die Krisensituation, die heutzutage große Teile der Philosophie durchzieht, zu überwinden und auf diese Weise manche in unserer Gesellschaft verbreiteten abwegigen Verhaltensweisen zu korrigieren. 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 84. Die Bedeutung des metaphysischen Anspruchs wird noch offenkundiger, wenn man die heutige Entwicklung der hermeneutischen Wissenschaften und der verschiedenen Sprachanalysen unter die Lupe nimmt. Die Ergebnisse, zu welchen diese Forschungen gelangen, können für das Glaubensverständnis sehr nützlich sein, insofern sie die Struktur unseres Denkens und Sprechens und den in der Sprache enthaltenen Sinn deutlich machen. Es gibt jedoch Vertreter dieser Wissenschaften, die dazu neigen, in ihren Forschungen dabei stehen zu bleiben, wie die Wirklichkeit zu verstehen und zu benennen ist, während sie davon absehen, die Möglichkeiten zu überprüfen, die der Vernunft eigen sind, um das Wesen der Wirklichkeit zu entdecken. Muss man in einer solchen Haltung nicht eine Bestätigung der Vertrauenskrise hinsichtlich der Fähigkeiten der Vernunft sehen, wie sie unsere Zeit durchmacht? Wenn sich dann auf Grund aprioristischer Annahmen diese Auffassungen dazu anschicken, die Glaubensinhalte zu verwischen oder ihre Allgemeingültigkeit zu leugnen, so unterdrücken sie nicht nur die Vernunft, sondern stellen sich selbst ins Abseits. Denn der Glaube setzt ganz klar voraus, dass die menschliche Sprache fähig ist, die göttliche und transzendente Wirklichkeit auf allgemeingültige Weise auszudrücken. Wenn die Worte auch analog gebraucht werden, so sind sie dennoch nicht weniger bedeutungsträchtig. <341> Träfe dies nicht zu, würde das Wort Gottes, das immer göttliches Wort in menschlicher Sprache ist, nicht imstande sein, irgendetwas über Gott auszusagen. Die Auslegung dieses Wortes darf uns nicht nur von einer Interpretation auf die andere verweisen, ohne uns je dahin zu bringen, ihm eine schlichtweg wahre Aussage zu entnehmen; andernfalls gäbe es Offenbarung Gottes nicht, sondern nur die Formulierung menschlicher Auffassungen über Ihn und über das, was Er wahrscheinlich von uns denkt. <341> Vgl. IV. Laterankonzil, De errore abbatis loachim, II: DS 806. 85. Ich bin mir wohl bewusst, dass diese vom Wort Gottes an die Philosophie gestellten Forderungen vielen, die die heutige Situation philosophischer Forschung erleben, schwierig erscheinen mögen. Ich greife deshalb auf, was die Päpste seit Generationen unaufhörlich lehren und was auch das II. Vatikanische Konzil bekräftigt hat, und möchte mit aller Deutlichkeit der Überzeugung Ausdruck geben, dass der Mensch imstande ist, zu einer einheitlichen und organischen Wissensschau zu gelangen. Das ist eine der Aufgaben, derer sich das christliche Denken im Laufe des nächsten Jahrtausends christlicher Zeitrechnung wird annehmen müssen. Da die Bruchstückhaftigkeit des Wissens eine fragmentarische Annäherung an die Wahrheit mit der sich daraus ergebenden Sinnzersplitterung mit sich bringt, verhindert sie die innere Einheit des heutigen Menschen. Sollte sich die Kirche etwa nicht darüber Sorgen machen? Diese der Weisheit geltende Aufgabe erwächst den Bischöfen direkt aus dem Evangelium; sie können sich der Verpflichtung nicht entziehen, dieser Aufgabe nachzukommen. Ich meine, dass alle, die heute als Philosophen den Forderungen entsprechen wollen, die das Wort Gottes an das menschliche Denken stellt, ihre Argumentation auf 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Grundlage dieser Postulate und in Kontinuität mit jener großen Tradition erarbeiten sollten, die bei den antiken Philosophen anfängt und über die Kirchenväter sowie die Meister der Scholastik führt, um schließlich die grundlegenden Errungenschaften des modernen und zeitgenössischen Denkens zu erfassen. Wenn der Philosoph aus dieser Tradition zu schöpfen und sich an ihr zu inspirieren vermag, wird er es nicht versäumen, sich als getreuer Anhänger des Autonomieanspruchs des philosophischen Denkens zu erweisen. In diesem Sinne ist es um so bedeutsamer, dass im Zusammenhang mit unserer gegenwärtigen Situation einige Philosophen zu Initiatoren der Wiederentdeckung der entscheidenden Rolle werden, die der Überlieferung für eine richtige Erkenntnisform zukommt. Der Verweis auf die Tradition ist nämlich nicht bloß eine Erinnerung an die Vergangenheit; er stellt vielmehr die Anerkennung eines Kulturerbes dar, das der ganzen Menschheit gehört. Man könnte sogar sagen, wir gehören zur Tradition und können nicht einfach über sie verfügen, wie wir wollen. Gerade diese Verwurzelung in der Überlieferung erlaubt uns heute, ein originelles, neues und in die Zukunft weisendes Denken zum Ausdruck zu bringen. Dieser Hinweis gilt auch in hohem Maße für die Theologie - nicht nur, weil sie die lebendige Überlieferung der Kirche als Urquelle besitzt, <342> sondern auch weil sie dadurch fähig sein soll, sowohl die tiefe theologische Überlieferung, die die vorangegangenen Epochen geprägt hat, als auch die ununterbrochene philosophische Tradition zurückzugewinnen, die durch ihre wirkliche Weisheit die Grenzen von Raum und Zeit zu überwinden vermocht hat. <342> Ygl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 24; Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius, Nr. 16. 86. Das Bestehen auf der Notwendigkeit einer engen kontinuierlichen Beziehung des heutigen zu dem in der christlichen Tradition erarbeiteten philosophischen Denkens will der Gefahr zuvorkommen, die sich in manchen, heute besonders verbreiteten Denkrichtungen verbirgt. Ich halte es für angebracht, wenigstens kurz auf sie einzugehen, um ihre Irrtümer und die sich daraus für die philosophische Tätigkeit ergebenden Gefahren festzustellen. Die erste dieser Denkrichtungen ist unter dem Namen Eklektizismus bekannt; ein Begriff, mit dem man die Haltung dessen bezeichnet, der in Forschung, Lehre und auch theologischer Argumentation einzelne, aus verschiedenen Philosophien stammende Ideen zu übernehmen pflegt, ohne sich um deren systematischen Zusammenhang und ihre Einbettung in einen geschichtlichen Kontext zu kümmern. Auf diese Weise gerät er in die Lage, den Wahrheitsanteil eines bestimmten Denkens nicht mehr von dem unterscheiden zu können, was an ihm möglicherweise irrtümlich oder unangemessen ist. Eine Extremform des Eklektizismus ist auch im rhetorischen Missbrauch der philosophischen Begriffe erkennbar, der sich der eine oder andere Theologe bisweilen hingibt. Eine solche Instrumentalisierung dient nicht der Wahrheitssuche und erzieht weder die theologische noch die philosophische Vernunft zu ernsthafter, wissenschaftlicher Argumentation. Das konsequente und 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gründliche Studium der philosophischen Lehren, ihrer besonderen Sprache und des Umfeldes ihrer Entstehung hilft, die Gefahren des Eklektizismus zu überwinden, und erlaubt eine angemessene Integration dieser Lehren in die theologische Argumentation. 87. Der Eklektizismus ist ein methodischer Irrtum, könnte aber auch Auffassungen in sich bergen, die für den Historizismus typisch sind. Um eine Lehre aus der Vergangenheit richtig zu verstehen, muss man sie in ihren geschichtlichen und kulturellen Zusammenhang einordnen. Die Grundthese des Historizismus besteht hingegen darin, dass die Wahrheit einer Philosophie auf der Grundlage ihrer Angemessenheit für eine bestimmte Periode und eine bestimmte historische Aufgabe festgestellt wird. Auf diese Weise wird, wenigstens implizit, die ewige Gültigkeit des Wahren geleugnet. Was in einer Epoche wahr gewesen ist, so behauptet der Historist, braucht es in einer anderen Zeit nicht mehr zu sein. Die Geschichte des Denkens wird für ihn somit kaum mehr als ein archäologischer Fund, aus dem man schöpft, um Positionen der Vergangenheit herauszustellen, die nunmehr großenteils überholt und für die Gegenwart ohne Bedeutung sind. Dagegen gilt es zu bedenken, dass man in der Formulierung, auch wenn sie in gewisser Weise an die Zeit und die Kultur gebunden ist, die in ihr ausgedrückte Wahrheit oder den Irrtum trotz der räumlichen und zeitlichen Distanz auf jeden Fall erkennen und als solche bewerten kann. Im theologischen Denken präsentiert sich der Historizismus meistens in einer Form des „Modernismus“. Mit der berechtigten Sorge, die theologische Argumentation zeitgemäß und für den heutigen Menschen annehmbar zu machen, bedient man sich nur jüngster Aussagen und des gängigen philosophischen Jargons; dabei werden die kritischen Ansprüche vernachlässigt, die im Lichte der Überlieferung eventuell erhoben werden müssten. Weil diese Form des Modernismus Aktualität mit Wahrheit verwechselt, erweist sie sich als unfähig, die Wahrheitsansprüche zu befriedigen, auf welche die Theologie Antwort zu geben berufen ist. 88. Eine weitere Gefahr, auf die es zu achten gilt, ist der Szientismus. Diese philosophische Auffassung weigert sich, neben den Erkenntnisformen der positiven Wissenschaften andere Weisen der Erkenntnis als gültig zuzulassen, indem sie sowohl die religiöse und theologische Erkenntnis als auch das ethische und ästhetische Wissen in den Bereich der reinen Phantasie verbannt. In der Vergangenheit äußerte sich diese Vorstellung im Positivismus und Neopositivismus, die Aussagen metaphysischen Charakters für sinnlos hielten. Die epistemologische Kritik hat diese Einstellung in Misskredit gebracht; so ist sie jetzt dabei, im Gewand des Szientismus wiederzuerstehen. In dieser Sicht werden die Werte in einfache Produkte des Gefühls verbannt; die Erkenntnis des Seins wird zurückgestellt, um der reinen Tatsächlichkeit Platz zu machen. Die Wissenschaft bereitet sich also darauf vor, sämtliche Aspekte des menschlichen Daseins durch den technologischen Fortschritt zu beherrschen. Die unbestreitbaren Erfolge der naturwissenschaftlichen Forschung und der modernen Technologie haben zur Verbreitung der szientisti- 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Gesinnung beigetragen. Diese scheint grenzenlos zu sein in Anbetracht dessen, wie sie in die verschiedenen Kulturen eingedrungen ist und welche radikalen Umwälzungen sie dort herbeigeführt hat. Man muss leider feststellen, dass alles, was die Frage nach dem Sinn des Lebens betrifft, vom Szientismus in den Bereich des Irrationalen oder Imaginären verwiesen wird. Nicht minder enttäuschend ist die Art, in der diese Denkströmung an die anderen großen Probleme der Philosophie herangeht. Sofern sie nicht ignoriert werden, begegnet man ihnen mit Analysen, die sich auf oberflächliche Analogien stützen, die einer rationalen Grundlage entbehren. Das führt zur Verarmung des menschlichen Denkens, dem jene Grundprobleme entzogen werden, die sich das animal rationale von Anbeginn seines Erdendaseins an ständig gestellt hat. Nachdem aus dieser Perspektive die aus der sittlichen Bewertung stammende Kritik zurückgestellt worden war, gelang es der szientistischen Denkart, viele zur Annahme der Vorstellung zu bringen, wonach das, was technisch machbar ist, eben dadurch auch moralisch annehmbar wird. 89. Von nicht geringeren Gefahren kündet der Pragmatismus, eine für diejenigen typische Denkhaltung, die es in ihren Entscheidungsprozessen ausschließen, auf theoretische Überlegungen zurückzugreifen oder auf ethischen Prinzipien gestützte Bewertungen vorzunehmen. Die praktischen Folgen aus dieser Denkrichtung sind beträchtlich. Insbesondere hat sich ein Demokratieverständnis durchgesetzt, das den Bezug zu wertorientierten und deshalb unwandelbaren Grundlagen unberücksichtigt lässt: Die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit eines bestimmten Verhaltens entscheidet sich auf Grund des Votums der parlamentarischen Mehrheit. <343> Welche Konsequenzen ein solcher Ansatz hat, liegt auf der Hand: Die großen moralischen Entscheidungen des Menschen werden in Wirklichkeit den Beschlüssen untergeordnet, die nach und nach von den institutioneilen Organen an sich gezogen werden. Mehr noch: Die Anthropologie selbst gerät in massive Abhängigkeit durch das Angebot einer eindimensionalen Sicht vom Menschen, der die großen sittlichen Nöte und die existentiellen Analysen über den Sinn von Leiden und Opfer, von Leben und Tod fern sind. <343> vgl. Johannes Paul II., Evangelium vitae (25. März 1998), Nr. 69: AAS 87(1995)481. 90. Die bis jetzt untersuchten Anschauungen führen ihrerseits zu einer allgemeineren Auffassung, die heute für viele Philosophien, die sich vom Sinn des Seins verabschiedet haben, den gemeinsamen Horizont zu bilden scheint. Ich meine die nihilistische Deutung, die zugleich die Ablehnung jeder Grundlage und die Leugnung jeder objektiven Wahrheit ist. Der Nihilismus ist, ehe er noch im Gegensatz zu den Ansprüchen und Inhalten des Wortes Gottes steht, Verneinung der Humanität des Menschen und seiner Identität. Denn man darf nicht übersehen, dass die Seinsvergessenheit unvermeidlich den Kontaktverlust mit der objektiven Wahrheit und daher mit dem Grund zur Folge hat, auf dem die Würde des Menschen fußt. So wird der Möglichkeit Platz geschaffen, vom Angesicht des Menschen die Züge zu 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN löschen, die seine Gottähnlichkeit offenbaren, um ihn fortschreitend entweder zu einem zerstörerischen Machtwillen oder in die Verzweiflung der Einsamkeit zu treiben. Wenn man dem Menschen einmal die Wahrheit genommen hat, ist die Behauptung, ihn befreien zu wollen, reine Illusion. Wahrheit und Freiheit verbinden sich entweder miteinander oder sie gehen gemeinsam elend zugrunde. <344> <344> Im selben Sinn schrieb ich in meiner ersten Enzyklika zur Erläuterung des Wortes aus dem Johannesevangelium: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Nm. 8, 32): „Diese Worte schließen eine wesentliche Forderung und zugleich eine Ermahnung ein: die Forderung eines ehrlichen Verhältnisses zur Wahrheit als Bedingung einer authentischen Freiheit; und auch die Ermahnung, dass jede nur scheinbare Freiheit, jede oberflächliche und einseitige Freiheit und jede Freiheit, die nicht von der ganzen Wahrheit über den Menschen und die Welt geprägt ist, vermieden werde. Auch heute, nach zweitausend Jahren, erscheint uns Christus als der, der dem Menschen die Freiheit bringt, die auf der Wahrheit begründet ist, als der, der den Menschen befreit von allem, was diese Freiheit in der Seele des Menschen, in seinem Herzen und in seinem Gewissen beschränkt, schmälert und gleichsam von den Ursprüngen selbst trennt“: Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. 12: AAS 71(1979)280-281. 91. Wenn ich auf die eben erwähnten Denkrichtungen einging, war es nicht meine Absicht, ein vollständiges Bild von der aktuellen Situation der Philosophie zu bieten: Sie ließe sich im übrigen schwerlich auf eine einheitliche Sicht reduzieren. Ich möchte unterstreichen, dass das Erbe an Wissen und Weisheit tatsächlich auf verschiedenen Gebieten eine Bereicherung erfahren hat. Es seien genannt: die Logik, die Sprachphilosophie, die Epistemologie, die Naturphilosophie, die Anthropologie, die eingehende Analyse der affektiven Erkenntniswege, die existentielle Annäherung an die Analyse der Freiheit. Andererseits hat die Bejahung des Immanenzprinzips, die im Mittelpunkt des rationalistischen Anspruchs steht, seit dem vorigen Jahrhundert Reaktionen ausgelöst, die in Bezug auf Postulate, die für unbestreitbar gehalten wurden, zu einem radikalen Verlust geführt haben. Auf diese Weise sind irrationale Strömungen entstanden, während die Kritik die Vergeblichkeit des absoluten Selbstbegründungsanspruchs der Vernunft hervorhob. Unsere Zeit ist von einigen Denkern als die Epoche der „Post-Moderne“ eingestuft worden. Dieser Begriff, der nicht selten in voneinander sehr weit entfernten Zusammenhängen verwendet wird, bezeichnet das Auftauchen einer Gesamtheit neuer Faktoren, die im Hinblick auf ihre Verbreitung und Wirksamkeit erkennen ließen, dass sie bedeutsame und dauerhafte Verändemngen zu verursachen vermögen. So ist der Begriff anfangs auf ästhetische, soziale und technologische Phänomene angewandt worden. Später wurde er in den philosophischen Bereich übertragen, wobei er jedoch eine gewisse Zweideutigkeit aufwies - sowohl deshalb, weil das Urteil über das, was als „postmodem“ eingestuft wird, manchmal positiv und manchmal negativ ist, als auch daher, weil es kein Einvernehmen über das heikle Problem der Abgrenzung der verschiedenen Geschichtsepochen gibt. Eines steht jedoch außer Zweifel: Die Denkrichtungen, die sich auf die Post-Moderne berufen, verdienen entsprechende Aufmerksamkeit. Denn nach Ansicht einiger von ihnen wäre die Zeit der Gewissheiten hoffnungslos vorbei; nunmehr müsste der Mensch lernen, vor einem Horizont völliger Sinnfeme im Zeichen des Vorläufigen und Vergänglichen zu leben. In ihrer zerstörerischen Kritik an jeder Gewissheit igno- 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rieren zahlreiche Autoren die notwendigen Unterscheidungen und leugnen auch die Glaubensgewissheiten. Dieser Nihilismus findet eine Art Bestätigung in der schrecklichen Erfahrung des Bösen, die unser Zeitalter gezeichnet hat. Der Dramatik dieser Erfahrung gegenüber vermochte der rationalistische Optimismus, der in der Geschichte den fortschreitenden Sieg der Vernunft als Quelle von Glück und Freiheit sah, nicht standzuhalten, so dass eine der ärgsten Bedrohungen am Ende dieses Jahrhunderts die Versuchung der Verzweiflung ist. Es trifft jedoch zu, dass eine bestimmte positivistische Geisteshaltung weiterhin die Illusion glaubhaft macht, dass dank der naturwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Mensch als Weltenschöpfer von sich allein aus dahin gelangen könne, sich der völligen Herrschaft über sein Schicksal zu versichern. Aktuelle Aufgaben für die Theologie 92. Was das Verständnis der Offenbarung betrifft, so musste die Theologie in den unterschiedlichen Geschichtsepochen stets die Ansprüche der verschiedenen Kulturen aufnehmen, um dann in ihnen mit einer in sich stimmigen Begrifflichkeit den Glaubensinhalt zu vermitteln. Auch heute hat sie eine doppelte Aufgabe. Denn sie muss einerseits der Verpflichtung nachkommen, die ihr das II. Vatikanische Konzil seinerzeit übertragen hat: Erneuerung ihrer Methoden im Hinblick auf einen wirkungsvolleren Dienst an der Evangelisierung. Sollte man aus dieser Sicht etwa nicht an die Worte denken, die von Papst Johannes XXIII. bei der Eröffnung des Konzils gesprochen worden sind? Er sagte damals: „Es ist notwendig, daß der lebendigen Erwartung derer, die wahrhaft die christliche, katholische und apostolische Religion lieben, entsprochen wird und daß diese Lehre in einer breiteren und tieferen Weise bekannt wird; es ist notwendig, daß die einzelnen besser gebildet und geformt werden; es ist notwendig, daß diese sichere und unveränderliche Lehre, die getreu eingehalten werden soll, in einer Weise vertieft und dargelegt wird, die den Erfordernissen unserer Zeit entspricht“. <345> <345> Ansprache zur Eröffnung des Konzils (11. Oktober 1962): AAS 54(1962)792. Andererseits muss die Theologie die Augen auf die letzte Wahrheit richten, die ihr mit der Offenbarung an vertraut wird, ohne sich mit einem Verweilen in Zwischenstadien zufrieden zu geben. Der Theologe tut gut daran, sich zu erinnern, dass seine Arbeit „der Dynamik entspricht, die dem Glauben selber innewohnt“ und dass das eigentliche Objekt seines Forschens „die Wahrheit, nämlich der lebendige Gott und sein in Jesus Christus geoffenbarter Heilsplan“ ist. <346> Diese Aufgabe, die in erster Linie die Theologie angeht, fordert zugleich die Philosophie heraus. Das Ausmaß der Probleme, die sich heute aufdrängen, erfordert in der Tat eine gemeinsame, wenn auch mit verschiedenen Methoden durchgeführte Arbeit, damit die Wahrheit wieder erkannt und zum Ausdruck gebracht wird. Die Wahrheit, die <346> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Donum veritatis (24. Mai 1990), Nm. 7-8: AAS 82(1990)1552-1553. 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus ist, erscheint nötig als universale Autorität, die sowohl die Theologie als auch die Philosophie leitet, anregt und wachsen lässt (vgl. Eph 4,15). An die Möglichkeit des Erkennens einer allgemeingültigen Wahrheit zu glauben, ist keineswegs eine Quelle der Intoleranz; im Gegenteil, es ist die notwendige Voraussetzung für einen ehrlichen und glaubwürdigen Dialog der Menschen untereinander. Nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, die trennenden Uneinigkeiten zu überwinden und gemeinsam den Weg zur ganzen, ungeteilten Wahrheit einzuschlagen, indem wir jenen Pfaden folgen, die allein der Geist des auferstandenen Herrn kennt. <347> <347> Indem ich Joh 16,12-13 kommentierte, habe ich in der Enzyklika Dominum et vivificantem geschrieben: „Jesus stellt den Beistand, den Geist der Wahrheit, als denjenigen dar, der ,lehren“ und .erinnern“ wird, der für ihn .Zeugnis ablegen“ wird; jetzt sagt er: ,Er wird euch in die ganze Wahrheit führen“. Dieses ,Einführen in die Wahrheit“ im Hinblick auf das, was die Apostel jetzt noch nicht tragen können, hängt notwendigerweise mit der Entäußerung Christi durch Leiden und Tod am Kreuz zusammen, die damals, als diese Worte gesprochen wurden, kurz bevorstand. Dann wird jedoch deutlich, dass dieses .Einführen in die ganze Wahrheit“ sich nicht nur auf das .scandalum crucis“ bezieht, sondern auch auf alles, was Christus ,getan und gelehrt hat“ (Apg 1,1). Denn das gesamte Mysterium Christi erfordert den Glauben, weil dieser es ist, der den Menschen auf angemessene Weise in die Wirklichkeit des geoffenbarten Geheimnisses einführt. Die .Einführung in die ganze Wahrheit“ verwirklicht sich also im Glauben und mit Hilfe des Glaubens: Sie ist das Werk des Geistes der Wahrheit und die Frucht seines Wirkens im Menschen. Der Heilige Geist muss hierbei der oberste Führer des Menschen, das Licht des menschlichen Geistes sein“: Nr. 6: AAS 78(1986)815-816. Wie sich die Forderung nach Einheit heute im Hinblick auf die aktuellen Aufgaben der Theologie konkret gestaltet, möchte ich jetzt aufzeigen. 93. Das Hauptziel, das die Theologie anstrebt, besteht darin, das Verständnis der Offenbarung und den Glaubensinhalt darzulegen. Der tatsächliche Mittelpunkt ihrer Reflexion wird darum die Betrachtung des Geheimnisses vom dreieinigen Gott sein. Zu diesem hat man Zugang, wenn man über das Mysterium der Inkarnation des Gottessohnes nachdenkt: über seine Menschwerdung und sein konsequentes Aufsichnehmen von Leiden und Tod, ein Mysterium, das einmünden wird in seine glorreiche Auferstehung und Erhöhung zur Rechten des Vaters; von dort wird er den Geist der Wahrheit aussenden, um seine Kirche zu stiften und zu beseelen. Vorrangige Aufgabe der Theologie wird vor diesem Horizont das Verständnis der kenosis Gottes sein, ein wahrhaft großes Geheimnis für den menschlichen Geist, dem es unhaltbar erscheint, dass Leiden und Tod die Liebe auszudrücken vermögen, die sich hingibt, ohne etwas dafür einzufordem. Aus dieser Perspektive ist eine sorgfältige Analyse der Texte grundlegend und dringend geboten; zuerst der Schrifttexte, dann jener Texte, in denen die lebendige Überlieferung der Kirche Ausdruck findet. In diesem Zusammenhang stellen sich heute manche, nur zum Teil neue Probleme, für die man keine entsprechende Lösung wird finden können, wenn man auf den Beitrag der Philosophie verzichtet. 94. Ein erster problematischer Aspekt betrifft das Verhältnis von Bedeutung und Wahrheit. Wie jeder andere Text, so übermitteln auch die Quellen, die der Theologe auslegt, zunächst eine Bedeutung, die erhoben und dargelegt werden muss. Nun erscheint diese Bedeutung als die Wahrheit über Gott, die von Gott selber 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch den heiligen Text mitgeteilt wird. Die Sprache Gottes, der durch den wunderbaren, die Logik der Menschwerdung widerspiegelnden „Mitabstieg“ seine Wahrheit mitteilt, nimmt also in der menschlichen Sprache Gestalt an. <348> Der Theologe muss sich bei der Auslegung der Offenbarungsquellen daher fragen, welches die tiefe und unverfälschte Wahrheit ist, die die Texte, freilich in den Grenzen der Sprache, mitteilen wollen. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 13. Was die biblischen Texte und besonders die Evangelien betrifft, so reduziert sich ihre Wahrheit sicher nicht auf die Erzählung einfacher historischer Geschehnisse oder auf die Enthüllung neutraler Fakten, wie es der historizistische Positivismus gern hätte. <349> Im Gegenteil, diese Texte berichten von Ereignissen, deren Wahrheit jenseits des gewöhnlichen geschichtlichen Geschehens liegt: sie liegt in ihrer Bedeutung in der und für die Heilsgeschichte. Ihre vollständige Darstellung findet diese Wahrheit in der fortwährenden Lesung und Deutung, welche die Kirche im Laufe der Jahrhunderte von diesen Texten vomimmt, wobei sie deren ursprüngliche Bedeutung unverändert bewahrt. Es ist daher dringend geboten, dass man sich auch philosophisch nach dem Verhältnis fragt, das zwischen dem Faktum und seiner Bedeutung besteht; ein Verhältnis, das den besonderen Sinn der Geschichte begründet. Vgl. Päpstliche Bibelkommission (21. April 1994): Instruktion über die historische Wahrheit der Evangelien: AAS 56(1964)713. 95. Das Wort Gottes wendet sich nicht an ein einziges Volk oder an eine bestimmte Epoche. In gleicher Weise formulieren die dogmatischen Aussagen, auch wenn sie bisweilen unter dem Einfluss der Kultur der Zeit stehen, in der sie definiert werden, eine feststehende und endgültige Wahrheit. Es erhebt sich also die Frage, wie sich die Absolutheit und Universalität der Wahrheit mit der unvermeidlichen Abhängigkeit der sie wiedergebenden Formeln von Geschichte und Kultur versöhnen lässt. Wie ich vorhin sagte, sind die Ansichten des Historizismus unvertretbar. Hingegen ist die Anwendung einer Hermeneutik, die für den metaphysischen Anspruch offen ist, in der Lage zu zeigen, wie sich von den historischen Umständen und Zufällen her, unter denen die Texte herangereift sind, der Übergang zu der von ihnen zum Ausdruck gebrachten Wahrheit vollzieht, die diese Abhängigkeiten hinter sich lässt. Der Mensch vermag mit Hilfe seiner begrenzten geschichtlichen Sprache Wahrheiten auszudrücken, die das Sprachereignis transzendieren. Denn die Wahrheit kann niemals auf die Zeit und die Kultur beschränkt werden; sie ist in der Geschichte zu erkennen, übersteigt aber diese Geschichte. 96. Diese Überlegung lässt uns die Lösung eines anderen Problems erahnen: nämlich das Problem der immerwährenden Gültigkeit der in den Konzilsdefinitionen 110 in 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verwendeten Begriffs spräche. Schon mein ehrwürdiger Vorgänger Pius XII. hat sich in seiner Enzyklika Humani generis mit dieser Frage auseinandergesetzt. <350> Die Reflexion über dieses Thema fällt nicht leicht, weil man ernsthaft dem Sinn Rechnung tragen muss, den die Worte in den verschiedenen Kulturen und in verschiedenen Epochen erhalten. Die Geschichte des Denkens zeigt allerdings, dass bestimmte Grundbegriffe durch die Entwicklung und die Vielfalt der Kulturen hindurch ihren universalen Erkenntniswert und somit die Wahrheit der Sätze, die sie ausdrücken, bewahren. <351> Andernfalls könnten die Philosophie und die Naturwissenschaften sich nicht untereinander austauschen, noch könnten sie von Kulturen übernommen werden, die verschieden von jenen sind, in denen sie erdacht und erarbeitet wurden. Das hermeneutische Problem besteht also, ist aber lösbar. Der realistische Wert vieler Begriffe schließt im übrigen nicht aus, dass ihre Bedeutung oft unvollständig ist. Das philosophische Denken könnte auf diesem Gebiet sehr hilfreich sein. Sein besonderer Einsatz bei der Vertiefung des Verhältnisses von Begriffssprache und Wahrheit und beim Angebot geeigneter Wege für ein richtiges Verständnis dieses Verhältnisses ist daher wünschenswert. <350> „Es ist klar, dass sich die Kirche nicht an ein beliebiges kurzlebiges philosophisches System binden kann; aber was von den katholischen Theologen übereinstimmend in Jahrhunderte langer Arbeit aufgestellt worden ist, um einigermaßen zu einem Verständnis und einer Erfassung des Dogmas zu kommen, ruht nicht auf einem so hinfälligen Fundament. Denn es ruht auf Prinzipien und Begriffen, die der wahren und richtigen Erkenntnis der geschaffenen Dinge entstammen: bei Gewinnung und Formung dieser Erkenntnisse war die göttliche Offenbarung, wie ein Stern, dem menschlichen Geist mittels der Kirche eine Leuchte. Daher ist es nicht zu verwundern, dass einige derartige Begriffe von Ökumenischen Konzilien nicht nur verwendet, sondern selbst festgelegt wurden, so dass es nicht erlaubt ist, davon abzugehen“: Enzyklika Humani generis (12. August 1950): AAS 42(1950)566-567; vgl. Internationale Theologenkommission, Dokument Interpretationis problema (Oktober 1989): Euch. Vat. 11, Nr. 2717-2811. 1 13 „Was den Sinn der dogmatischen Formeln betrifft, so bleibt er in der Kirche immer und in sich stimmig, auch wenn er mehr erhellt und vollständiger erkannt wird. Die Christgläubigen müssen sich also von der Meinung abwenden, nach der erstens die dogmatischen Formeln (oder bestimmte Arten von ihnen) die Wahrheit nicht in bestimmter Weise bezeichnen könnten, sondern nur ihre veränderlichen Annäherung, die sie gewissermaßen deformierten bzw. veränderten“: Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Verteidigung der katholischen Lehre über die Kirche Mysterium Ecclesiae (24. Juni 1973), Nr. 5: AAS 65(1973)403. 97. Wenngleich die Auslegung der Quellen eine wichtige Aufgabe der Theologie ist, so gilt ein weiteres, noch schwierigeres und anspruchsvolleres Bemühen dem Verständnis der geoffenbarten Wahrheit bzw. dem Prozess des intellectus fidei. Der intellectus fidei verlangt, wie ich schon angedeutet habe, den Beitrag einer Philosophie des Seins, die es vor allem der dogmatischen Theologie erlaubt, ihre Funktionen auf angemessene Weise auszuüben. Der dogmatische Pragmatismus vom Anfang dieses Jahrhunderts, wonach die Glaubenswahrheiten nichts anderes als Verhaltensregeln wären, ist bereits abgelehnt und zurückgewiesen worden; <352> trotzdem bleibt immer die Versuchung bestehen, diese Wahrheiten rein funktional zu verstehen. In diesem Fall würde man in ein unangemessenes und verkürztes Schema verfallen, dem die spekulative Klarheit fehlt. Eine Christologie zum Beispiel, die einseitig „von unten“ vorginge, wie man heute zu sagen pflegt, oder eine <352> yg] Kongregation des Hl. Offiziums, Dekret Lameniabili (3. Juli 1907), Nr. 26: AAS 40(1907)473. 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ekklesiologie, die ausschließlich nach dem Vorbild bürgerlicher Gesellschaften aufgebaut ist, könnten die Gefahr einer derartigen Verkürzung kaum vermeiden. Wenn der intellectus fidei den ganzen Reichtum der theologischen Überlieferung integrieren soll, muss er sich der Philosophie des Seins bedienen. Diese Philosophie des Seins wird fähig sein müssen, das Problem des Seins je nach den Ansprüchen und Beiträgen der ganzen philosophischen Tradition - auch der aus jüngster Zeit - wieder aufzugreifen; dabei muss sie aber vermeiden, in blutleere Wiederholungen veralteter Schemata zu verfallen. Die Philosophie des Seins ist im Rahmen der christlichen metaphysischen Überlieferung eine dynamische Philosophie, welche die Wirklichkeit in ihren ontologischen, kausalen und kommunikativen Strukturen sieht. Sie findet ihre Kraft und Beständigkeit darin, dass sie sich auf den Seinsakt selber stützt, der die volle und globale Öffnung gegenüber der ganzen Wirklichkeit gestattet. Dabei überschreitet sie jede Grenze, bis sie Den erreicht, der allem Vollendung schenkt. <353> In der Theologie, die ihre Prinzipien von der Offenbarung als neuer Erkenntnisquelle erhält, wird diese Sicht entsprechend dem engen Verhältnis zwischen Glaube und metaphysischer Vernünftigkeit bestätigt. <353> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Päpstliche Hochschule „Angelicum" (17. November 1979), Nr. 6: Insegnamenti,II, 2(1979)1183-1185. 98. Ähnliche Überlegungen lassen sich auch in Bezug auf die Moraltheologie anstellen. Die Wiedergewinnung der Philosophie ist auch für das Glaubensverständnis, das sich auf das Handeln der Gläubigen bezieht, dringend nötig. Angesichts der heutigen Herausforderungen auf sozialem, wirtschaftlichem, politischem und wissenschaftlichem Gebiet ist das sittliche Gewissen des Menschen desorientiert. In der Enzyklika Veritatis splendor habe ich hervorgehoben, dass viele der in der heutigen Welt vorhandenen Probleme einer „Krise um die Wahrheit“ entstammen. „Nachdem die Idee von einer für die menschliche Vernunft erkennbaren universalen Wahrheit über das Gute verloren gegangen war, hat sich unvermeidlich auch der Begriff des Gewissens gewandelt; das Gewissen wird nicht mehr in seiner ursprünglichen Wirklichkeit gesehen, das heißt als ein Akt der Einsicht der Person, der es obliegt, die allgemeine Erkenntnis des Guten auf eine bestimmte Situation anzuwenden und so ein Urteil über das richtige zu wählende Verhalten zu fällen; man stellte sich darauf ein, dem Gewissen des Einzelnen das Vorrecht zuzugestehen, die Kriterien für Gut und Böse autonom festzulegen und dementsprechend zu handeln. Diese Sicht ist nichts anderes als eine individualistische Ethik, aufgrund welcher sich jeder mit seiner Wahrheit, die von der Wahrheit der anderen verschieden ist, konfrontiert sieht“. <354> <354> Nr. 32: AAS 85(1993)1159-1160. In der gesamten Enzyklika habe ich die fundamentale Rolle, die der Wahrheit im Bereich der Moral zukommt, klar und deutlich unterstrichen. Was den Großteil der dringendsten ethischen Probleme betrifft, verlangt diese Wahrheit von Seiten der Moraltheologie ein aufmerksames Nachdenken, das fähig ist, auf seine Wurzeln im Wort Gottes hinzuweisen. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, muss sich die 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Moraltheologie einer der Wahrheit des Guten zugewandten philosophischen Ethik bedienen; einer Ethik also, die weder subjektivistisch noch utilitaristisch ist. Die erforderliche Ethik impliziert und setzt eine philosophische Anthropologie und eine Metaphysik des Guten voraus. Wenn die Moraltheologie diese einheitliche Auffassung anwendet, die notwendigerweise mit der christlichen Heiligkeit und mit der Übung der menschlichen und übernatürlichen Tugenden verbunden ist, wird sie imstande sein, in höchst angemessener und wirksamer Weise die verschiedenen Probleme anzugehen, für die sie zuständig ist: der Friede, die soziale Gerechtigkeit, die Familie, die Verteidigung des Lebens und der Umwelt. 99. Die theologische Arbeit in der Kirche steht zuallererst im Dienst der Glaubensverkündigung und der Katechese. <355> Die Verkündigung oder das Kerygma ruft zur Umkehr, indem die Wahrheit Christi dargelegt wird, die im Ostergeheimnis ihren Höhepunkt erreicht: denn allein in Christus ist es möglich, die Fülle der rettenden Wahrheit zu erkennen (vgl. Apg 4,12; 1 Tim 2,4-6). <355> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979), Nr. 30: AAS 71(1979)1302-1303; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Donum verUatis (24. Mai 1990), Nr. 7: AAS 82(1990)1552-1553. In diesem Zusammenhang versteht man gut, warum außer der Theologie auch dem Bezug zur Katechese eine beträchtliche Bedeutung zukommt: sie besitzt nämlich philosophische Implikationen, die im Lichte des Glaubens vertieft werden müssen. Die in der Katechese vermittelte Lehre hat für die Person eine bildende Wirkung. Die Katechese, die auch sprachliche Mitteilung ist, muss die Lehre der Kirche in ihrer Vollständigkeit vorlegen, <356> indem sie deren Ansatzpunkt mit dem Leben der Gläubigen aufzeigt. <357> So verwirklicht sich eine einzigartige Verbindung zwischen Lehre und Leben, die andernfalls unmöglich zu erreichen ist. Denn was in der Katechese mitgeteilt wird, ist nicht eine Sammlung begrifflicher Wahrheiten, sondern das Geheimnis des lebendigen Gottes. <358> <356> Ygj Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979), Nr. 30: AAS 71(1979)1302-1303. <357> Vgl. ebd., Nr. 22, aaO., 1295-1296. <358> Vgl. ebd., Nr. 7, aaO., 1282. Die philosophische Reflexion kann viel beitragen zur Klärung des Verhältnisses von Wahrheit und Leben, von Ereignis und lehrmäßiger Wahrheit. Besonders kann sie zur Klärung der Beziehung zwischen transzendenter Wahrheit und menschlich verständlicher Sprache beitragen. <359> Die Wechselbeziehung, die zwischen den theologischen Fächern und den von den verschiedenen philosophischen Strömungen erreichten Ergebnissen entsteht, vermag also eine wirkliche Fruchtbarkeit zum Ausdmck zu bringen, was die Vermittlung des Glaubens und sein tieferes Verständnis anbelangt. 122 I. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius, IV: DS 3019. 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schluss 100. Mehr als hundert Jahre seit der Veröffentlichung der Enzyklika Aetemi Patris Leos XIII., auf die ich auf diesen Seiten wiederholt Bezug genommen habe, schien es mir geboten, die Auseinandersetzung mit dem Thema des Verhältnisses von Glaube und Vernunft auf eher systematische Weise wiederaufzunehmen. Welche Bedeutung dem philosophischen Denken bei der Entfaltung der Kulturen und bei der Orientierung des persönlichen und sozialen Verhaltens zukommt, ist offenkundig. Auch auf die Theologie und ihre verschiedenen Disziplinen übt das philosophische Denken einen starken Einfluss aus, auch wenn dieser nicht immer explizit wahrgenommen wird. Ich habe es aus vielen Gründen für richtig und notwendig gehalten, den Wert der Philosophie für das Glaubensverständnis ebenso zu unterstreichen wie die Grenzen, an die sie stößt, wenn sie die Offenbarungswahrheiten vergisst oder zurückweist. Denn die Kirche hält zutiefst an ihrer Überzeugung fest, dass sich Glaube und Vernunft „wechselseitig Hilfe leisten können“, <360> indem sie füreinander eine Funktion sowohl kritisch-reinigender Prüfung als auch im Sinne eines Ansporns ausüben, auf dem Weg der Suche und Vertiefung voranzuschreiten. <360> „Niemand darf aus der Theologie so etwas machen wie eine einfache Sammlung von eigenen persönlichen 101. Wenn wir unseren Blick auf die Geschichte vor allem des abendländischen Denkens richten, lässt sich leicht erkennen, welcher Reichtum für den Fortschritt der Menschheit aus der Begegnung zwischen Philosophie und Theologie und aus dem Austausch ihrer jeweiligen Errungenschaften hervorgegangen ist. Die Theologie, die eine Offenheit und Originalität geschenkt bekommen hat, denen sie ihre Existenzberechtigung als Wissenschaft vom Glauben verdankt, hat mit Sicherheit die Vernunft dazu veranlasst, gegenüber der radikalen Neuheit offen zu bleiben, wie sie die Offenbarung Gottes darstellt. Das war zweifellos von Vorteil für die Philosophie, die erlebt hat, dass sich auf diese Weise neue Horizonte über weitere Bedeutungen erschließen, die zu vertiefen die Vernunft berufen ist. Im Lichte dieser Feststellung halte ich es - wie ich die Aufgabe der Theologie, ihr wahres Verhältnis zur Philosophie wiederherzustellen, betont habe - für meine Pflicht, die Notwendigkeit zu unterstreichen, dass um des Wohles und Fortschrittes des Denkens willen auch die Philosophie ihre Beziehung zur Theologie zurückgewinnen soll. Die Philosophie wird in der Theologie nicht die Überlegung des einzelnen Individuums finden, die, so tief und reich sie sein mag, immer auch die dem Denken eines Einzelnen eigenen perspektivischen Grenzen aufweist, sondern den Reichtum eines gemeinsamen Nachdenkens. Denn die Theologie stützt sich von ihrem Wesen her bei der Erforschung der Wahrheit auf das Merkmal der Kirchlichkeit <361> und auf die Tradition des Gottesvolkes mit ihrer Vielfalt an Wissen und Kulturen in der Einheit des Glaubens. Sendungsauftrag, die Wahrheit zu lehren, für die die Kirche verantwortlich ist“. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. 19: AAS 71(1979)308. 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 102. Während die Kirche so immer wieder auf die Bedeutung und die wahren Dimensionen des philosophischen Denkens zurückkommt, fördert sie zugleich sowohl die Verteidigung der Menschenwürde wie auch die Verkündigung der Botschaft, die das Evangelium enthält. Denn die dringend notwendige Vorbereitung auf diese Aufgaben besteht heute darin, die Menschen zur Entdeckung ihrer Fähigkeit zur Wahrheitserkenntnis <362> und ihrer Sehnsucht nach einem letzten, endgültigen Sinn des Daseins zu führen. In der Sicht dieser tiefen, der menschlichen Natur von Gott eingeschriebenen Bedürfnisse gewinnt auch die Bedeutung des Wortes Gottes deutlicher sichtbare Konturen: Sie ist menschlich und macht menschlicher. Dank der Vermittlung einer zu echter Weisheit gewordenen Philosophie wird der heutige Mensch allmählich erkennen können, dass er um so mehr Mensch sein wird, je mehr er sich, im Vertrauen auf das Evangelium, Christus öffnet. <362> Ygj jj yat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nm. 1-3. 103. Zudem ist die Philosophie gleichsam der Spiegel, in dem sich die Kultur der Völker niederschlägt. Eine Philosophie, die sich unter der Herausforderung der theologischen Ansprüche in Übereinstimmung mit dem Glauben entfaltet, gehört zu jener „Evangelisierung der Kultur“, die Paul VI. zu einem der Hauptziele der Evangelisierung erklärt hat. <363> Während ich nicht müde werde, auf die Dringlichkeit einer Neuevangelisierung hinzuweisen, rufe ich die Philosophen auf, die Dimensionen des Wahren, Guten und Schönen, zu denen das Wort Gottes hinführt, zu vertiefen. Das wird um so dringender, wenn man die Herausfordemngen berücksichtigt, die das neue Jahrtausend mitzubringen scheint: Sie betreffen in besonderer Weise die Regionen und Kulturen alter christlicher Tradition. Darauf zu achten, darf als ein grundlegender und origineller Beitrag auf dem Weg der Neuevangelisierung angesehen werden. <363> Yg[ Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 20: AAS 68(1976)18-19. 104. Das philosophische Denken ist oft das einzige Terrain für Verständigung und Dialog mit denen, die unseren Glauben nicht teilen. Die philosophische Bewegung der heutigen Zeit verlangt den aufmerksamen und kompetenten Einsatz gläubiger Philosophen, die fähig sind, die Erwartungen, Öffnungen und Problemstellungen dieses geschichtlichen Augenblicks zu erfassen. Während der christliche Philosoph im Lichte der Vernunft und nach ihren Regeln argumentiert, sich dabei aber immer von dem weitergehenden Verständnis leiten lässt, das ihm das Wort Gottes schenkt, kann er eine Überlegung entwickeln, die auch für den verständlich und wahrnehmbar sein wird, der die volle Wahrheit, die die göttliche Offenbarung kundtut, noch nicht begreift. Dieses Terrain von Verständigung und Dialog ist heute um so wichtiger, da die Probleme, die sich der Menschheit immer dringender stellen - man denke an die Probleme der Umwelt, des Friedens oder des Zusammenlebens von Rassen und Kulturen -, eine mögliche Lösung finden im Licht ei- 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ner klaren, ehrlichen Zusammenarbeit der Christen mit den Gläubigen anderer Religionen und mit allen, denen die Erneuerung der Menschheit am Herzen liegt, selbst wenn sie keinen religiösen Glauben teilen. Das hat das II. Vatikanische Konzil ausgesprochen: „Der Wunsch nach einem solchen Dialog, geführt einzig aus Liebe zur Wahrheit und unter Wahrung angemessener Diskretion, schließt unsererseits niemanden aus, weder jene, die hohe Güter der Humanität pflegen, deren Urheber aber noch nicht anerkennen, noch jene, die Gegner der Kirche sind und sie auf verschiedene Weise verfolgen“. <364> Eine Philosophie, in der etwas von der Wahrheit Christi, der einzigen endgültigen Antwort auf die Probleme des Menschen, <365> zum Leuchten kommt, wird eine wirksame Stütze für jene wahre und zugleich weltweite Ethik sein, die die Menschheit heute braucht. <364> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 92. <365> Vgl. ebd., Nr. 10. 105. Es drängt mich, diese Enzyklika mit einem letzten Gedanken abzurunden, mit dem ich mich vor allem an die Theologen wende, damit sie den philosophischen Implikationen des Wortes Gottes besondere Aufmerksamkeit schenken und eine Überlegung anstellen, aus der sich die spekulative und praktische Substanz der theologischen Wissenschaft ergibt. Ich möchte ihnen für ihren kirchlichen Dienst danken. Die engen Bande zwischen der theologischen Weisheit und dem philosophischen Wissen ist einer der ursprünglichsten Schätze christlicher Tradition bei der Vertiefung der geoffenbarten Wahrheit. Damm fordere ich sie auf, die metaphysische Dimension der Wahrheit wiederzugewinnen und besser herauszustellen, um so in einen kritischen und anspruchsvollen Dialog einzutreten sowohl mit dem philosophischen Denken unserer Zeit wie auch mit der gesamten philosophischen Tradition, ob sie nun im Einklang mit dem Wort Gottes oder aber im Gegensatz zu ihm steht. Sie sollen sich stets die Anleitung eines großen Meisters des Denkens und der Spiritualität vor Augen halten, des hl. Bonaventura, der den Leser, den er in sein Itinerarium mentis in Deum einführte, dämm bat, sich im klaren zu sein, dass „Lesung ohne Reue, Erkenntnis ohne Frömmigkeit, Suchen ohne den Überschwang des Staunens, Klugheit ohne die Fähigkeit zur Hingabe an die Freude, Tätigkeit losgelöst von der Religiosität, Wissen getrennt von der Liebe, Intelligenz ohne Demut, Studium ohne den Halt der göttlichen Gnade, Nachdenken ohne die von Gott inspirierte Weisheit - dass all das nicht ausreicht“. <366> Mein Gedanke gilt auch allen, denen die Verantwortung für die Priesterausbildung sowohl in akademischer als auch in pastoraler Hinsicht obliegt: Sie mögen sich mit besonderer Aufmerksamkeit um die philosophische Ausbildung derer kümmern, die künftig dem Menschen von heute das Evangelium verkünden sollen, und noch mehr derer, die sich später der Forschung und Lehre der Theologie widmen werden. Sie mögen sich bemühen, ihre Arbeit nach den Vorschriften des II. Vatikanischen Konzils <367> und der nachfolgenden Verfügungen zu vollziehen, aus denen die <366> Prolo’pis, 4: Opera omnia, Florenz 1891, Bd. V, 296. <367> Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius, Nr. 15. 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unabdingbare und dringende Aufgabe hervorgeht, zu der wir alle berufen sind: beizutragen zu einer unverfälschten und gründlichen Vermittlung der Glaubenswahrheit. Nicht zu vergessen ist die hohe Verantwortung für eine angemessene Vorbereitung des Lehrkörpers, dem der Philosophieunterricht an den Priesterseminarien und kirchlichen Fakultäten anvertraut werden soll. <368> Eine solche Lehrtätigkeit setzt natürlich eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung voraus; sie muss systematisch erfolgen, wenn sie das große Erbe der christlichen Tradition vorlegt, und sie muss angesichts der aktuellen Bedürfnisse von Kirche und Welt mit gebührendem Unterscheidungsvermögen wahrgenommen werden. <368> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sapientia Christiana (15. April 1979), Art. 67-68: AAS 71(1979)491-492. 106. Mein Appell richtet sich außerdem an die Philosophen und an alle, die Philosophie lehren: Sie mögen in Anbetracht einer ewig gültigen philosophischen Tradition den Mut haben, die Dimensionen echter Weisheit und auch metaphysischer Wahrheit des philosophischen Denkens zurückzugewinnen. Sie mögen Anfragen, die von aus dem Wort Gottes entspringenden Forderungen erhoben werden, an sich herankommen lassen und die Kraft haben, ihre rationale Argumentation in Beantwortung dieser Anfragen vorzunehmen. Sie mögen sich immer nach der Wahrheit ausstrecken und auf das Gute achten, das das Wahre enthält. Auf diese Weise werden sie jene unverfälschte Ethik formulieren können, welche die Menschheit besonders in der heutigen Zeit so dringend braucht. Die Kirche verfolgt die Forschungen der Philosophen mit Aufmerksamkeit und Sympathie; sie können daher sicher sein, dass die Kirche die berechtigte Selbständigkeit ihrer Wissenschaft stets achten wird. Besonders ermutigen möchte ich die Gläubigen, die auf dem Gebiet der Philosophie tätig sind: sie sollen die verschiedenen Bereiche menschlicher Tätigkeit erleuchten, indem sie eine Vernunft gebrauchen, die, vom Glauben unterstützt, noch sicherer und scharfsinniger wird. Schließlich muss ich auch noch ein Wort an die Naturwissenschaftler richten, die uns durch ihre Forschungen wachsende Kenntnis vermitteln vom gesamten Universum und von der unglaublich reichen Vielfalt seiner belebten und unbelebten Bestandteile mit ihren komplexen atomaren und molekularen Strukturen. Der Weg, den sie zurückgelegt haben, ist besonders in diesem Jahrhundert an Ziele gestoßen, die uns noch immer in Erstaunen versetzen. Wenn ich diesen mutigen Pionieren der wissenschaftlichen Forschung, denen die Menschheit in hohem Maße ihre derzeitige Entwicklung zu verdanken hat, meine Bewunderung und Ermutigung ausspreche, fühle ich mich gleichzeitig verpflichtet, sie aufzufordem, in ihren Bemühungen fortzufahren und dabei stets in jenem Weisheitshorizont zu bleiben, in dem die naturwissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften von den philosophischen und sittlichen Werten flankiert sind. Diese Werte sind der charakteristische und unverzichtbare Ausdruck der menschlichen Person. Der Wissenschaftler ist sich wohl bewusst, dass „die Suche nach der Wahrheit, auch wenn sie eine begrenzte Wirklichkeit der Welt oder des Menschen betrifft, nie ans Ende kommt, 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sondern immer zu etwas hinführt, das über dem unmittelbaren Forschungsgegenstand liegt; sie führt zu Fragen, die den Zugang zum Geheimnis ermöglichen“. <369> <369> Johannes Paul II., Ansprache an der Universität von Krakau zum 600-Jahr-Jubiläum der Alma Mater Jagellonica (8. Juni 1997), Nr. 4: L’Osservatore Romano, 9.-10. Juni 1997, S. 12. 107. Alle bitte ich, sich intensiv um den Menschen, den Christus im Geheimnis seiner Liebe gerettet hat, und um sein ständiges Suchen nach Wahrheit und Sinn zu kümmern. Verschiedene philosophische Systeme haben ihn durch Täuschung überzeugt, dass er sein absolut eigener Herr sei, der autonom über sein Schicksal und seine Zukunft entscheiden könne, wenn er ausschließlich auf sich selbst und seine Kräfte vertraut. Das wird niemals die Größe des Menschen ausmachen können. Bestimmend für seine Verwirklichung wird nur die Entscheidung sein, sich dadurch in die Wahrheit einzufügen, dass er im Schatten der Weisheit seine Wohnung errichtet und in ihr wohnen bleibt. Erst in diesem Wahrheitshorizont wird er begreifen, wie sich seine Freiheit im Vollsinn entfaltet und dass er zur Liebe und zur Erkenntnis Gottes berufen ist. Darin liegt seine höchste Selbstverwirklichung. 108. Mein letzter Gedanke gilt derjenigen, die das Gebet der Kirche als Sitz der Weisheit anruft. Ihr Leben ist ein wahres Gleichnis, dass den zurückgelegten Weg meiner Überlegung zu erleuchten vermag. Denn es lässt sich ein tiefer Einklang erahnen zwischen der Berufung der seligen Jungfrau Maria und der Berufung echter Philosophie. Wie die Jungfrau berufen wurde, ihr ganzes Sein als Mensch und Frau darzubringen, damit das Wort Gottes Heisch und einer von uns werden konnte, so ist die Philosophie berufen, ihre kritische Vemunftarbeit zu leisten, damit die Theologie als Verständnis des Glaubens fruchtbar und wirksam sei. Wie Maria durch ihre Zustimmung zu der von Gabriel verkündeten Botschaft nichts von ihrem wahren Menschsein und ihrer Freiheit eingebüßt hat, so verliert das philosophische Denken nichts von seiner Autonomie, wenn es sich der Anfrage stellt, die von der Wahrheit des Evangeliums kommt. Das philosophische Denken erlebt vielmehr, dass sein ganzes Forschen zur höchsten Verwirklichung angespomt wird. Diese Wahrheit haben die heiligen Mönche des christlichen Altertums sehr gut verstanden, wenn sie Maria „den geistigen Tisch des Glaubens“ <370> nannten. In ihr erblickten sie das stimmige Abbild der Philosophie und waren überzeugt, sie müssten in Maria philosophieren [philosophari in Maria], <370> he noerä tes pisteos träpeza“: Homilie zu Ehren der heiligen Maria, der Mutter Gottes, Pseudo-Epiphanios: PG 43, 493. 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge der Sitz der Weisheit der sichere Hafen für alle sein, die ihr Leben zur Suche nach der Weisheit machen. Möge der Weg zur Weisheit, dem letzten und glaubwürdigen Ziel jedes wahren Wissens, von jedem Hindernis befreit werden. Dafür rufen wir die Fürsprache derjenigen an, die der ganzen Menschheit für immer die Wahrheit dadurch mitgeteilt hat, dass sie sie hervorgebracht und in ihrem Herzen bewahrt hat. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 14. September, dem Fest Kreuzerhöhung, des Jahres 1998, dem zwanzigsten meines Pontifikates. Die Spiritualität des hl. Eugene de Mazenod leben und zur Geltung bringen Ansprache an das 33. Generalkapitel der Kongregation der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria (OMI) am 24. September Hochwürdiger Pater Wilhelm Steckling OMI, Generaloberer der Missionare Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria! Liebe Mitglieder des Generalkapitels! 1. Mit Freude empfange ich euch heute zum Abschluss eures 33. Generalkapitels mit dem Hauptthema Die Evangelisation der Armen auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend. Ich beglückwünsche Pater Wilhelm Steckling, den neuen Generaloberen, sowie seinen Rat; gemeinsam sind sie aufgerufen, die Missionare Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria auf dieser neuen Etappe zu leiten, um ihre Einheit zu festigen, ihre pastoralen Eigenschaften unermüdlich zu entwickeln und sich immer wirksamer an der Sendung der Kirche zu beteiligen. Mit euch allen danke ich dem Herrn für das wichtige Werk der Oblaten. Durch eure Gegenwart in allen Erdteilen, besonders in fernen Ländern, steht ihr in Beziehung zu Männern und Frauen unterschiedlicher Kulturen und Traditionen; dies ist ein Zeichen der Universalität der Kirche und ihrer Aufmerksamkeit gegenüber allen Völkern. Um den Menschen nahe zu sein - vor allem den Ärmsten, deren Zahl immer weiter zunimmt -, habt ihr eure Präsenz in den verschiedenen Provinzen umgestalten wollen, um neue Gruppen nach Asien, Lateinamerika, Afrika und in den hohen Norden Kanadas senden zu können. Außerdem bemüht ihr euch um die neuen Missionsbereiche, darunter besonders um die sozialen Kommunikationsmittel und um einen vertrauensvollen Dialog mit den Menschen von heute mit dem Ziel, eine immer brüderlichere Gesellschaft aufzubauen und ein Zeitalter der Gerechtigkeit und des Friedens anbrechen zu lassen. Ihr habt mutige Bemühungen unternommen, um den neuen und dringlichen pastoralen, apostolischen und missionarischen Bedürfnissen gerecht zu werden, aber auch um die nötige Inkulturation voranzutreiben: Dieser Prozess verlangt viel Zeit; 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN er erfordert zwar, dass man den Völkern zuhört, aber „die Eigenart und Vollständigkeit des christlichen Glaubens [dürfen] auf keine Weise geschmälert werden“ (Redemptoris missio, Nr. 52). Die Kirche schätzt eure Bereitschaft und euer Bemühen, auf den Aufruf des Herrn in den Ländern zu antworten, wo ihr hinge-schickt werdet, und euch in den Dienst der Ortskirchen zu stellen, trotz der begrenzten Mittel und der abnehmenden Zahl der Mitglieder eures Instituts. Ich bin sicher, dass der missionarische Elan eurer Generalversammlung vielerlei Früchte bringen und eurer Kongregation neuen Schwung geben wird. 2. Wie ihr wisst, setzt die Verkündigung des Evangeliums voraus, dass man Kraft, Mut und Hoffnung aus dem Gebetsleben schöpft, vor allem aus dem liturgischen Gebet, in dem Gott zahlreiche spirituelle Gnaden vermittelt, aus dem Stundengebet, das jede Person mit dem Lob der Universalkirche und demzufolge mit ihrer Sendung verbindet, aus der Meditation über die Heilige Schrift und aus der Eucharistie, wo Christus seine Jünger lehrt und wo er sich selbst als Nahrung für den apostolischen Weg hingibt. Die tägliche Disziplin, die Selbsthingabe an Gott und das Gemeinschaftsleben sind wahrhafte Zeugnisse echter Liebe, und sie stellen die wichtigste Form der Verkündung des Evangeliums dar. Es ist eine Art, Christus nachzuahmen. Dadurch kann man sagen: „Kommt und seht“ (Joh 1,39), und man kann das Herz der Menschen öffnen, damit sie das Wort Gottes wohlwollend aufnehmen. Denn dadurch, dass sie einander lieben, werden die Gläubigen von ihren Zeitgenossen erkannt, und dadurch können sie das Antlitz des Auferstandenen offenbaren (vgl. 1 Joh 4,11). Heute mehr denn je müssen Priester und Ordensmensch in innerer Verbundenheit mit ihrem Meister leben, nach Heiligkeit streben, wie es eure Regel fordert, damit sie für die Eingaben des Heiligen Geistes aufnahmebereit sind und besser auf die Appelle der Welt reagieren können. Das Gebetsleben entfremdet euch nicht von den Menschen; im Gegenteil: Es hilft uns, ihre wesentlichen Bedürfnisse noch tiefer zu empfinden. Und nur Christus, der Mensch wurde, um sich seinen Brüdern anzuschließen und um die ganze Menschheit zu retten, kann uns diese Bedürfnisse offenbaren. 3. Wie viele andere Institute seid auch ihr bemüht, Laien in eure Werke und euren besonderen geistlichen Weg einzubeziehen. Diese großherzige Zusammenarbeit ist für die Mission sehr wertvoll und bietet jedem Beteiligten die Möglichkeit, sein geistliches Leben nach dem ursprünglichen Konzept von Eugene de Mazenod zu entfalten, das heißt „geprägt von einem heldenhaften Ausmaß an Glauben, Hoffnung und apostolischer Liebe“, wie ich schon anlässlich seiner Kanonisation sagte. Stützt euch auch in Zukunft auf seine Spiritualität und seinen missionarischen Eifer, um das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu verbreiten! 4. Ihr habt euch mit der Abnahme der Mitgliederzahl in eurer Kongregation auseinandergesetzt. Es handelt sich um einen beklagenswerten Umstand und um eine Prüfung, die allerdings die missionarische Einsatzfreudigkeit der Oblaten in keiner Weise schwächen darf. Ganz im Gegenteil: Es sei eine Aufforderung zur Verdop- 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pelung eurer Bemühungen, um euer Ideal den Jugendlichen aller Kontinente vorzustellen, denn viele von ihnen sind edelmütig und hegen den Wunsch, Christus und seiner Kirche zu dienen! Ich empfehle euch der Fürsprache der Unbefleckten Jungfrau und des hl. Eugene de Mazenod und spende euch, den Mitgliedern eures Ordens und allen Menschen, die euch unterstützen, den Apostolischen Segen. Ja zur Beteiligung der Nonnen an Verantwortungs- und Gemeinschaftsstrukturen Ansprache an die Äbtissinnen des Zisterzienserordens am 25. September Liebe Schwestern Äbtissinnen des Zisterzienserordens! 1. Es ist mir eine besondere Freude, mich heute an euch zu wenden. Mit dieser eurer zweiten Versammlung kommt ein grundlegender Abschnitt des Weges zum Abschluss, bei dem es im Zisterzienserorden darum ging, den weiblichen Zweig voll an den Verantwortungs- und Gemeinschaftsstrukturen zu beteiligen. In dem Schreiben, das ich bei Gelegenheit des letzten Generalkapitels an Generalabt Don Mauro Esteva richtete, äußerte ich den Wunsch, eure Entscheidungen mögen den Beitrag der Nonnen bei der Erfüllung der Sendung der Zisterzienser in der Kirche und in der Welt aufwerten (vgl. O.R., dt., 10. Nov. 1995, S. 6). Es freut mich, dass dieses Ziel nun glücklich erreicht wurde. Es war ein wohlbedachter Weg, dem eine vertiefte Reflexion vorausging, unterstützt auch von den Worten, die ich in dem anlässlich des Marianischen Jahres 1988 veröffentlichten Apostolischen Schreiben über die Würde und Berufung der Frau zum Ausdruck gebracht hatte. In jenem Dokument schrieb ich: „Die Würde der Frau und ihre Berufung - ständiges Thema menschlicher und christlicher Reflexion - haben in den letzten Jahren eine ganz besondere Bedeutung gewonnen“ (Mulieris dignitatem, Nr. 1). 2. Schon seit einiger Zeit hatte euer Orden einen Weg beschritten, der darauf hinlief, seine Wesenszüge und seine rechtliche Identität besser zu umreißen, auch durch die Beteiligung der Nonnen an seinen Verantwortungs- und Gemeinschaftsstrukturen. Zu diesem Weg gehörte auch die delikate Frage der Mitwirkung der Nonnen bei der Ausübung der Regierungsgewalt innerhalb des Ordens. Grundlegende Motivierung für dieses Vorgehen war die „accomodata renovatio“ (zeitgemäße Erneuerung) des Ordenslebens, die das Konzil im Dekret Perfectae caritcitis gewünscht hatte (vgl. Nr. 1). Auch wenn er die Erneuerung und die Anpassung der Strukturen als zwei untrennbare Aspekte der gleichen Wirklichkeit betrachtete, hat der Zisterzienserorden der Erneuerung einen Vorrang und eine die Anpassung inspirierende und leitende Funktion beigemessen, immer jedoch Sorge tragend, dass sie von einer wirklich geistlichen Erneuerung beseelt sei. 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die vom II. Vatikanischen Konzil angeregte Aufgabe der Rückkehr zu den Quellen (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 2) hat euren Orden in der vertieften Nachforschung über seine Identität unterstützt und ihn zu einer aufrichtigen Bekehrung von Herz und Geist angeregt. Diese Überprüfung ließ euch in der Folge neue Lösungen finden, die imstande waren, der Anwesenheit der Nonnen innerhalb eures Ordens und ihrer unmittelbareren Beteiligung an seinem Leben und seinen Gegebenheiten angemessenen Ausdruck zu geben. 3. Der zurückgelegte Weg hat diese Linie eingehalten. Er hat seine Grundlage in der Erklärung des Generalkapitels, das in den Jahren 1968 bis 1969 im Orden stattfand und über die Hauptelemente des zisterziensischen Lebens heute handelte. Damals bestätigte die brüderliche Versammlung, dass „die Zisterziensemonnen keinen ,zweiten' Orden neben dem ,ersten1, dem der Mönche, bilden, sondern vollständig zum Zisterzienserorden selbst gehören (...). Darum besteht kein Zweifel, daß die Beteiligung der Nonnen an den Entscheidungen, die nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Kongregation oder den ganzen Orden betreffen, mit Umsicht, aber beständig und wirksam gefördert werden muß“ (Nr. 78). Dieses gleiche grundlegende Dokument eurer Ordensfamilie bringt klar zum Ausdruck, welches die Quellen eures Lebens sind: das Evangelium und das Lehramt der Kirche, die monastische Tradition, die Regel des hl. Benedikt, die zisterziensischen Überlieferungen, die aktive Teilnahme am Leben der Kirche und der Gesellschaft, das Wirken und die Anregung des Heiligen Geistes (vgl. Nr. 3-10). Diesen Entscheidungen gemäß ist euer Orden „mit Umsicht, aber beständig“ vorgegangen. Innerhalb von dreißig Jahren haben die Zisterzienser, auch dank der Mitarbeit der Commissio pro monialibus (Kommission für die Nonnen) und des diskreten, doch wirksamen Dienstes der Generalleitung, die Beteiligung des weiblichen Zweiges an den Verantwortungs- und Gemeinschaftsstrukturen kräftig gefördert. 4. Durch die Mitwirkung der Nonnen im Rat des Generalabtes, in der Synode des Ordens, in dem einen Generalkapitel sowie bei jeder anderen Form der Zusammenarbeit und des Dienstes innerhalb eurer Ordensfamilie finden heute die Würde der Frau und die Äußerungen des „weiblichen Genius“ im Zisterzienserorden die Möglichkeit, anerkannt, gewürdigt und zur Ehre Gottes sowie zum Nutzen der Kirche und der Menschheit fruchtbar gemacht zu werden, besonders im heutigen Kontext. Mit Recht kann man auf euch, liebe Klausurschwestem, anwenden, was das II. Vatikanische Konzil ausgesprochen hat, als es sich an die Frauen wandte: „Es kommt die Stunde, ja die Stunde ist schon da, in der die Berufung der Frau sich voll entfaltet, in der die Frau in der Gesellschaft einen Einfluß, eine Ausstrahlung, eine Macht erlangt, wie sie es bisher nie hatte. Und darum können in einem Augenblick, in welchem die Menschheit eine derart tiefe Umwandlung erfährt, die vom Geist des Evangeliums erleuchteten Frauen so viel dazu mitwirken, daß die Menschheit keinen Niedergang erlebt“ (Botschaft an die Frauen). 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Während sich der Zisterzienserorden mit der ganzen Kirche darauf vorbereitet, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten, eröffnen die Gelegenheiten, die euch, liebe Schwestern, heute zuerkannt und übergeben werden, wirklich ein neues Zeitalter. Ihr könnt darin für das Leben und die Geschichte eurer Ordensfamilie, die in diesem Jahr die Neunhundertjahrfeier der Gründung ihres Ursprungsklosters Citeaux begeht, eine Hauptrolle spielen. Wie eure Väter, die Gründer des „Neuen Klosters“, deren Nachfahren und Erbinnen ihr seid, habt auch ihr, liebe Schwestern, keine Furcht, diesen Weg einsatzfreudiger Zusammenarbeit zu gehen, um eure Berufung voll und ganz zu leben. Fahrt fort, beständig und einzig den Willen Gottes zu suchen, der euch berufen und in die Schule seines Dienstes gestellt hat, die Schule der Liebe. Schöpft an den Quellen, die eurer Ordensgemeinschaft eigen sind. Lasst euch bei eurer tatsächlichen Beteiligung an den Verantwortungs- und Gemeinschaftsstrukturen des Ordens stets vom Geist Gottes führen. 5. Mit dem innigen Wunsch, dass euer zur Aufwertung der Würde der Frau und des „fraulichen Genius“ führender Weg weitergehe im Vertrauen auf den Geist Christi, richte ich meinen Gedanken auf Maria, die Heilige Jungfrau. Sie ist die Frau vor allen anderen, vom Vater berufen, an seinem Heilsplan teilzuhaben und in ganz einzigartiger Weise beim Erlösungswerk mitzuwirken. Ihr, die der hl. Bernhard so zärtlich verehrte, vertraue ich euch hier Anwesende an, ebenso eure Mitschwestem und den ganzen Zisterzienserorden, der von Anfang an ihr zu eigen ist. Mit diesen Empfindungen erteile ich allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Wort Gottes in der Begegnung mit der Kultur der Menschen Ansprache an die Teilnehmer einer Studientagung über Bibelsprache und Massenmedien am 28. September Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit Freude empfange ich Sie anlässlich der von der Gesellschaft Lux Vide organisierten Internationalen Studientagung zum Thema: Biblical language and Contemporary communication. Ich danke Herrn Dr. Ettore Bemabei, dem Vorsitzenden der Gesellschaft Lux, für die freundlichen Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Auch möchte ich einen herzlichen Gruß an alle Teilnehmer an diesem interessanten Symposium richten, sowohl an die Spezialisten der Bibelexegese als auch an die Experten der modernen Kommunikationsmittel. Ihr Besuch bietet mir eine willkommene Gelegenheit, um Ihnen meine Achtung und Dankbarkeit auszusprechen für Ihr qualifiziertes Engagement im Bereich der Vertiefung und Verbreitung der biblischen Botschaft in der Öffentlichkeit durch die machtvollen Mittel der modernen Kommunikation, vor allem durch Kino und 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fernsehen. Dieser Dienst besitzt einen hohen menschlichen und geistigen Wert und verdient es, immer weiter ausgedehnt und vervollkommnet zu werden. Deshalb soll auch eine internationale Studientagung über dieses Thema die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie gehört nämlich in den Kreis der zahlreichen hermeneutischen Ansätze, die gegenwärtig auf verschiedenen Ebenen zu immer neuen Formen der Aktualisierung der Heiligen Schrift führen. 2. Wenn sich das Zusammentreffen der göttlichen Offenbarung und der modernen Medien im Respekt vor der Wahrheit des Bibelinhalts und unter korrekter Verwendung der technischen Hilfsmittel vollzieht, bringt es reiche Früchte. Einerseits bewirkt es nämlich eine Erhebung der Medien zu einer wertvolleren Aufgabe, die sie gewissermaßen von einem unsachgemäßen und manchmal banalisierenden Gebrauch befreit, und anderseits bietet es neue und außergewöhnlich wirkungsvolle Möglichkeiten, um der Öffentlichkeit das Wort Gottes nahe zu bringen, das zum Heil aller Menschen mitgeteilt wurde. Es soll sofort gesagt werden, dass zum Wesen der Heiligen Schrift zwei grundlegende und voneinander verschiedene Faktoren gehören, die aber auch tief miteinander verbunden sind. Es handelt sich einerseits um die absolut transzendente Dimension des Wortes Gottes und anderseits um den gleichermaßen wichtigen Aspekt seiner Inkulturation. Aufgrund der ersten Eigenschaft ist die Bibel nicht allein auf Menschenwort, und demnach auf ein reines Kulturprodukt, reduzierbar. Infolge der zweiten Eigenschaft allerdings ist sie unvermeidlich und zutiefst an der Menschheitsgeschichte beteiligt und spiegelt deren kulturelle Gegebenheiten wider. Gerade deshalb - und das ist die wirklich wichtige Folgerung - hat das Wort Gottes die Fähigkeit, „in andere Kulturen einzugehen, so daß es alle Menschen in ihrem kulturellen Kontext erreichen kann“. Zu Recht wird darauf in der Instruktion der Päpstlichen Bibelkommission über Die Interpretation der Bibel in der Kirche (Teil IV, B, Vatikanstadt 1993) hingewiesen. „Die wachsende Bedeutung der Kommunikationsmittel, Presse, Fernsehen usw., erheischt eine tatkräftige Verkündigung des Wortes Gottes und die Verbreitung ,biblischer' Kenntnisse auch durch diese Mittel. Ihre Eigenart und andererseits ihr gewaltiger Einfluß auf das breite Publikum verlangen jedoch für ihre Benutzung eine spezifische Ausbildung, die es erlaubt, kläglich improvisierte oder effekthascherische Behandlungen der Bibel zu verhindern“ (ebd., Teil IV, C, 3). 3. Diese providentielle Begegnung zwischen dem Wort Gottes und der Kultur der Menschen ist schon im Wesen der Offenbarung enthalten und spiegelt die „Logik“ der Menschwerdung wider. In der Dogmatischen Konstitution Dei Verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils steht: „Denn Gottes Worte, durch Menschenzunge formuliert, sind menschlicher Rede ähnlich geworden, wie einst des ewigen Vaters Wort durch die Annahme menschlich-schwachen Fleisches den Menschen ähnlich geworden ist“ (Nr. 13). 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser allgemeine Grundsatz findet seine besondere Anwendung im Bereich der Medien. Es geht darum, den Übergang oder - präziser formuliert - die Transposition von einer Sprachform in eine andere zu fördern: vom geschriebenen Wort, das im Herzen der Gläubigen und im Gedächtnis einer großen Zahl von Menschen starke Wurzeln hat, zur visuellen Kommunikation im Film, die auf den ersten Blick oberflächlicher erscheint, sich aber in mancher Hinsicht als stärker und wirkungsvoller als andere Kommunikationsformen herausgestellt hat. In dieser Hinsicht sind die Ansätze der vergangenen Jahre, zu denen auch Ihre qualifizierte Arbeit gehört, durchaus unserer Aufmerksamkeit wert, denn in nicht wenigen Fällen erreichen sie ein hohes künstlerisches Niveau. Deshalb freue ich mich, meine aufrichtige Wertschätzung für dieses neue „filmische“ Interesse sowohl für das Alte als auch für das Neue Testament zum Ausdruck bringen zu können, vor allem im Hinblick auf Ihr Vorhaben, die Bibel in ihrer Ganzheit darzustellen, obwohl die verschiedenen Bearbeitungen unweigerlich Stückwerk bleiben müssen. All dies trägt dazu bei, in den Menschen jenen Hunger und Durst nach dem Wort Gottes lebendig zu halten, die laut dem Propheten Amos in zunehmenden Maße auf der Erde zu finden sind (vgl. Am 8,11). Eingedenk der Worte des Apostels: „Auf jede Weise [...] wird Christus verkündigt, und darüber freue ich mich. Aber ich werde mich auch in Zukunft darüber freuen“ (Phil 1,18), wünsche ich mir, dass Ihr Dienst zugunsten einer immer größeren Verbreitung der biblischen Botschaft mit gestärktem Engagement weitergeht, um Werke produzieren zu können, in denen der künstlerische Aspekt mit einer tiefen religiösen Eingebung verknüpft ist, die in den Zuschauern nicht nur ästhetische Bewunderung, sondern auch innere Teilnahme und spirituelle Reifung zu wecken vermögen. Daher empfehle ich Sie und Ihre Tätigkeit dem himmlischen Schutz Marias, der Mutter des menschgewordenen Wortes; ich versichere Sie meiner ständigen Erinnerung im Gebet und segne Sie alle von Herzen. Katholische Ostkirchen — Mitwirkende an der Vollendung der Einheit Ansprache an die Patriarchen der orientalischen katholischen Kirchen am 29. September „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,3), der uns am heutigen Tag durch seinen Heiligen Geist versammelt hat, damit wir spüren „wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (vgl. Ps 133,1). Wir alle sind uns der Feierlichkeit und Bedeutung unseres heutigen Treffens zutiefst bewusst. Als mein verehrter Vorgänger Papst Leo XIII., der viel für den katholischen Orient getan hat, am 24. Oktober 1894 mit den orientalischen katholischen Patriarchen zusammen traf, richtete er folgende Worte an sie, die ich mei- 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nerseits heute wiederholen möchte: „Als eindeutiger Beweis unserer Zuneigung haben wir euch nach Rom eingeladen, denn es ist unser Wunsch, mit euch zu sprechen und ebenso unser Wunsch, das Ansehen der patriarchalen Autorität zu erhöhen.“ Seit jenem Tag ist ein langer Weg zurückgelegt worden. Der fruchtbarste Moment dieses Prozesses war wohl das II. Vatikanische Konzil, an dem einige von euch mit Freude teilgenommen haben, um der Stimme des christlichen Orients Ausdruck zu geben. Den Richtlinien des Konzils entsprechend habe ich am 18. Oktober 1990 Anweisungen zur Promulgation des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium gegeben, zur Bestätigung der Besonderheit der orientalischen Kirchen, die mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des Apostels Petrus, bereits eine volle Einheit bilden. In meinem Apostolischen Schreiben Orientale lumen habe ich vor drei Jahren meine Bewunderung für das reiche Erbe der orientalischen Kirchen erneut zum Ausdruck bringen wollen, damit „der Kirche und der Welt das vollständige Erscheinungsbild der Katholizität zurückgegeben werde, wie sie nicht nur in einer einzigen Überlieferung und schon gar nicht im Gegeneinander der Gemeinschaften Ausdruck findet; und daß es auch uns allen vergönnt sein möge, jenes von Gott geoffenbarte und ungeteilte Erbgut der Gesamtkirche voll auszukosten, das im Leben der Kirchen des Ostens wie in jenen des Westens bewahrt wird und weiter wächst“ (Nr. 1). Die gleiche Hochachtung und Liebe, die diesen Worten zugrunde lagen, haben mich zu der heutigen Begegnung mit den orientalischen katholischen Kirchen veranlasst, mit euch, den Patriarchen, die ihr ihnen als „Vater und Oberhaupt“ vorsteht. (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 9). Wir nähern uns dem Großen Jubiläum, das uns alle auffordert, das Evangelium des Heiles zu verkünden, „bei jeder Gelegenheit, ob man es hören will oder nicht“ (vgl. 2 Tim 4,2): „Wir hören gemeinsam das Flehen der Menschen, die das Wort Gottes in seiner Ganzheit hören wollen. Die Worte des Abendlandes haben die Worte des Orients nötig, damit das Wort Gottes seine unerforschlichen Reichtümer immer besser offenbare“ (Orientale lumen, Nr. 28). 2. Die orientalischen katholischen Kirchen sind zusammen mit den anderen Ostkirchen lebendige Zeugen einer Überlieferung, die über die Kirchenväter bis zu den Aposteln zurückreicht (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 1). Diese ihre Tradition „bildet ein Stück des von Gott geoffenbarten und ungeteilten Erbgutes der Gesamtkirche“ (ebd.). Nach dem Bild der Heiligen Dreifaltigkeit ist die Kirche Mysterium des Lebens und der Gemeinschaft, sie ist Braut des menschgewordenen Wortes, Haus Gottes. Um seine Kirche zu weiden und zu leiten, wählte Jesus der Herr die Zwölf, und seinem Willen entsprechend sollten deren Nachfolger, die Bischöfe, Hirten des Gottesvolkes sein bei seiner Pilgerschaft in das Reich Gottes, unter der Führung des Nachfolgers Petri, der an der Spitze der Apostel steht, (vgl. Lumen Gentium, Nr. 18). 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Bereich dieser Einheit „sind dank der göttlichen Vorsehung die verschiedenen Kirchen, die an verschiedenen Orten von den Aposteln und ihren Nachfolgern eingerichtet worden sind, im Laufe der Zeit zu einer Anzahl von organisch verbundenen Gemeinschaften zusammen gewachsen. Sie erfreuen sich unbeschadet der Einheit des Glaubens und der einen göttlichen Verfassung der Gesamtkirche ihrer eigenen Disziplin, eines eigenen liturgischen Brauches und eines eigenen theologischen und geistlichen Erbes. Darunter haben vorzüglich gewisse alte Patriarchatskirchen wie Stammmütter des Glaubens andere Kirchen sozusagen als Töchter geboren, mit denen sie durch ein engeres Liebesband im sakramentalen Leben und in der gegenseitigen Achtung von Rechten und Pflichten bis auf unsere Zeiten verbunden sind“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Obwohl das Konzil sich der im Lauf der Jahrhunderte entstandenen Spaltungen und der noch nicht vollständig wiederhergestellten Einheit zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen durchaus bewusst ist, erklärte es ohne Zögern, dass „die Kirchen des Orients die Fähigkeit haben, sich nach ihren eigenen Ordnungen zu regieren, wie sie der Geistesart ihrer Gläubigen am meisten entsprechen und dem Heil der Seelen am besten dienlich sind“ (vgl. Unitatis redintegra-tio, Nr. 16 und Orientalium Ecclesiarwn, Nr. 9). Gilt das nicht schon jetzt für eure Kirchen, die bereits in voller Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom sind? Und kann es nicht auch im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Patriarchen, ihre Väter und Oberhäupter, bekräftigt werden? Innerhalb der katholischen Kirche stellen eure Kirchen jenen christlichen Orient dar, dem wir unaufhörlich die Hände entgegenstrecken zur brüderlichen Begegnung der vollen Einheit. In ihren eigenen Gebieten und in der Diaspora bieten die orientalischen katholischen Kirchen ihre besonderen liturgischen, spirituellen, theologischen und kanonischen Reichtümer an. Als ihre Oberhäupter habt ihr vom Heiligen Geist die Berufung und den Auftrag erhalten, dieses spezielle Gut zu wahren und zu fördern, damit das Evangelium in stets reicherem Maße der Kirche und der Welt geschenkt werden kann, und der Nachfolger Petri hat die Pflicht, euch bei dieser Sendung zu unterstützen und zu helfen. 3. „Die Patriarchen bilden mit ihren Synoden die Oberbehörde für alle Angelegenheiten des Patriarchates“ (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 9). Die bischöfliche Kollegialität wird in der kanonischen Ordnung eurer Kirchen in besonders bedeutsamer Weise ausgeübt. Die Patriarchen arbeiten in enger Verbindung mit ihren Synoden. Ziel jeder wahren „Synodalität“ ist die Eintracht zur Verherrlichung der Trinität in der Kirche. Liebe Brüder in Christus, ihr glaubt, dass „sich die katholische Kirche unter allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften bewußt ist, das Amt des Nachfolgers des Apostels Petrus, des Bischofs von Rom, bewahrt zu haben, den Gott als ,immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit1 eingesetzt hat und dem der Heilige Geist beisteht, damit er alle anderen an diesem wesentlichen Gut teilhaben läßt“ (Ut unum sint, Nr. 88). „Das sind die Kennzeichen einer Haltung, die die Kirche von Rom immer als wesentlichen Bestandteil des Auftrags 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angesehen hat, der dem Apostel Petrus von Jesus Christus anvertraut wurde: ,die Brüder im Glauben und in der Einheit stärken“ (vgl. Lk 22,32). Diesem Einsatz liegt die Überzeugung zugrunde, daß sich Petrus (vgl. Mt 16,17-19) in den Dienst einer in Liebe vereinten Kirche stellen will“ (Orientale lumen, Nr. 20). Eure Anwesenheit hier, diese unsere heutige Begegnung, ist das lebendige Zeugnis dieser Gemeinschaft, die auf dem Wort Gottes und dem ihm durch die Kirche geleisteten Gehorsam begründet ist. 4. Ihr seid euch besonders bewusst, inwieweit dieser Petrusdienst der Einheit, wie ich bereits in der Enzyklika Ut unum sint schrieb, „eine Schwierigkeit für den Großteil der anderen Christen darstellt, deren Gedächtnis durch gewisse schmerzliche Erinnerungen gezeichnet ist“ (vgl. Nr. 88). In der gleichen Enzyklika habe ich die anderen Kirchen zu einem brüderlichen und geduldigen Dialog über die Art und Weise der Ausübung dieses Dienstamtes der Einheit eingeladen (vgl. ebd., Nm. 96-97). Diese Aufforderung richtet sich mit um so größerer Eindringlichkeit und Zuneigung an euch, verehrte Patriarchen der katholischen Ostkirchen. Es ist in erster Linie eure Aufgabe, gemeinsam mit uns nach den geeignetsten Formen zu suchen, damit dieses Dienstamt die Verwirklichung eines von allen anerkannten Liebesdienstes werde. Ich bitte euch, dem Papst diesen Dienst zu erweisen, im Namen eurer Mitverantwortung für die Wiederherstellung der vollen Einheit mit den orthodoxen Kirchen (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 24), einer Verantwortung, die ihren Grund hat in eurem Amt als Patriarchen von Kirchen, die mit der Orthodoxie das theologische, liturgische, spirituelle und kanonische Gut weitgehend teilen. Im gleichen Geist und aus dem gleichen Grund möchte ich, dass eure Kirchen auf lokaler wie auch auf universaler Ebene sowohl am ökumenischen Dialog der Liebe als auch an dem der Lehre voll teilnehmen. 5. Der seit den frühen Jahrhunderten überlieferten Tradition entsprechend haben die Patriarchatskirchen eine einzigartige Stellung in der katholischen Einheit. Beispielsweise bilden in ihnen die Patriarchen mit ihren Synoden die höchste Instanz für alle Angelegenheiten, was auch für das Recht der Ernennung neuer Bischöfe innerhalb der Grenzen des Patriarchalgebiets gilt, unbeschadet des unveräußerlichen Rechtes des Bischofs von Rom „in singulis casibus“ einzugreifen, (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 9). Die besondere Rolle der katholischen Ostkirchen kommt praktisch jener gleich, die aufgrund des Fehlens der vollen Gemeinschaft mit den orthodoxen Kirchen noch lückenhaft ist. Sowohl das Dekret Orientalium Ecclesiarum des II. Vatikanums als auch die Apostolische Konstitution Sacri canones (Seiten IX-X), die die Promulgation des Codex des kanonischen Rechtes der orientalischen Kirchen begleitet hat, betonten, dass die augenblickliche Situation und die sie bestimmenden Regeln auf die erhoffte volle Einheit der katholischen und orthodoxen Kirchen ausgerichtet sind. Eure Zusammenarbeit mit dem Papst und untereinander wird den orthodoxen Kirchen zeigen, dass die Tradition der „Synergie“ zwischen Rom und den Patriarcha- 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten - zwar begrenzt und verletzt - aber erhalten geblieben ist und sich vielleicht für das Wohl der einen in der ganzen Welt verbreiteten Kirche Gottes auch weiter entwickelt hat. Auch ist es wichtig, dass in dem gleichen Geist die orientalischen Kirchen, die gegenwärtig einem starken Migrationsstrom ausgesetzt sind, jenen Ehrenplatz beibehalten, der ihnen in ihren Heimatländern und in der „Synergie“ mit der römischen Kirche wie auch in den Gebieten gebührt, wo ihre Gläubigen ansässig werden. 6. Für die vom Konzil erwünschte Wiederherstellung der Rechte und Privilegien der katholischen ostkirchlichen Patriarchen gibt das Dekret Orientalium Ecclesiarum folgenden wertvollen Hinweis: „Es sind dies jene Rechte und Privilegien, die galten, als Ost und West noch geeint waren, mag auch eine gewisse Anpassung an die heutigen Verhältnisse notwendig sein“ (Nr. 9). Auch das Konzil von Florenz erklärte, nachdem es den Primat des Bischofs von Rom bestätigt hatte: „Wir erneuern überdies die in den Kanones überlieferte Rangordnung der übrigen ehrwürdigen Patriarchen, daß der Patriarch von Konstantinopel der zweite ist nach dem heiligsten Römischen Bischof, der dritte aber der von Alexandrien, der vierte aber der von Antiochien und der fünfte der von Jerusalem, selbstverständlich unter Wahrung aller Privilegien und Rechte“ (Denzinger-Hiinermann, 1308). Zweifellos wird mir die Vollversammlung der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, deren Studienprogramm auch dieses Thema vorsieht, in dieser Hinsicht nützliche Hinweise geben können. Verehrte Brüder in Christus, auf der Schwelle des Großen Jubiläums ist der Evangelisierungseifer eurer Patriarchalkirchen eine einzigartige Herausforderung für die treue und offene Verkündigung des Evangeliums, für die Erneuerung des Lebens und der Sendung der Kirche und eurer Kirchen. Der Geist und die Kirche beten: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20). Möge die heilige Jungfrau Maria all das durch ihre Fürsprache erwirken. Wir wenden uns an sie mit den Worten eines alten koptischen Hymnus, der später sowohl von der byzantinischen als auch von der lateinischen Kirche übernommen wurde: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin; verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o, du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau“. 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Dienst am leidenden Menschen Ansprache bei der Audienz für die Ordensschwestern im Krankendienst am 1. Oktober Liebe Schwestern! 1. Es ist für mich eine große Freude, dass ich euch anlässlich dieses Kongresses über „Die Ordensfrau im Gesundheitsdienst an der Schwelle des dritten Jahrtausends“ begegnen kann. Ich danke besonders dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, dass er einem lebhaften Wunsch von mir entsprochen und diese erfreuliche Initiative ergriffen und sie in sein Vorbereitungsprogramm auf das kommende Jubiläum aufgenommen hat. Euch alle, die ihr hier anwesend seid, begrüße ich herzlich, insbesondere den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, Erzbischof Javier Lozano Barragän, dem ich für seine an mich gerichteten liebenswürdigen Worte danke. Wachsam den Beginn des neuen Jahrtausends erwartend, wollt ihr gründlicher über eure Sendung im Dienst des leidenden Menschen nachdenken. Dabei wollt ihr in vertiefter Weise euren Blick auf Christus richten, um von ihm Anregung, Mut und die Fähigkeit zu vollkommener Hingabe an die zu erhalten, die, in oft tragischer Weise, die Grenzen des menschlichen Daseins erfahren. Ja, ihr seid euch bewusst, dass euer Einsatz für die Leidenden in dem Maße sinnvoll und wirksam wird, in welchem er, geführt vom Heiligen Geist, die kennzeichnenden Züge des göttlichen Samariters widerspiegelt, der für Seele und Leib Sorge trägt. Die Kirche blickt mit Bewundemng und Dankbarkeit auf euch, geweihte Frauen, die ihr im Beistand für die Kranken und Leidenden in ein überaus wichtiges Apostolat einbezogen seid. Euer Dienst trägt dazu bei, den Dienst der Barmherzigkeit Christi, der „umherzog, Gutes tat und alle heilte“ (Apg 10,38), in der Zeit weiterzuführen. Viele eurer Mitschwestem haben im Lauf der Jahrhunderte „ihr Leben im Dienst an den Opfern ansteckender Krankheiten geopfert und haben damit gezeigt, daß die Hingabe bis zum Heroismus zur prophetischen Natur des geweihten Lebens gehört“ {Vita consecrata, Nr. 83). Die liebende Hingabe, die euch drängt, den leidenden Gliedern des Herrn zu Hilfe zu kommen, prägt euer Apostolat mit einem Edelmut, der weder den Augen Gottes noch der Betrachtung der Menschen entgeht. 2. Wie die Schwestern, die euch vorangegangen sind, seid auch ihr berufen, euren Dienst an den Kranken den veränderten Zeitbedingungen anzupassen. Heute stellen euch ja die Verhältnisse im Krankendienst, worin ihr arbeitet, vor rasche Veränderungen und ungeahnte Herausforderungen. Wenn der Fortschritt der Wissenschaft und Technik und die Entwicklung der Verwaltung einerseits neuartige Möglichkeiten für die medizinische Praxis und die Krankenbehandlung eröffnet haben, so hat es dabei andererseits nicht gefehlt am Aufkommen von ernsten Problemen ethischer Natur bezüglich der Geburt und des Sterbens und des Ver- 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hältnisses zu den Leidenden. Wenn ferner die Entwicklung des Begriffs von Gesundheit und Krankheit einen positiven Verlauf genommen hat, bis hin zu dem Punkt, dass in diesen existentiellen Erfahrungen eine geistige Dimension anerkannt wird, so hat sich vielfach aber auch ein säkularisierter Begriff von Gesundheit und Krankheit durchgesetzt mit der traurigen Folge, dass es den Menschen manchmal verwehrt wird, der Zeit des Leidens als einer bedeutsamen Gelegenheit zu menschlichem und geistlichem Wachstum gegenüberzutreten. Diese tiefgreifenden Umkehrungen haben das Gesicht der Welt des Leidens und der Gesundheit verändert und verlangen nach einer neuen christlichen Antwort. Wie lassen sich technische und ethische Imperative harmonisch in Einklang bringen? Wie kann man über die Neigung zu Gleichgültigkeit, über fehlendes Mitleid, über den Mangel an Achtung und an Wertschätzung des Lebens in allen seinen Phasen den Sieg davontragen? Wie kann eine menschenwürdige Gesundheit gefördert werden? Wie ist eine christliche Präsenz sicherzustellen, die in Zusammenarbeit mit den in der Gesellschaft schon vorhandenen wirksamen Komponenten dazu beiträgt, dass die Werte des Evangeliums, die daher auch echt menschliche Werte sind, in die Welt des Leidens und der Gesundheit Eingang finden und mit Vorzug für den Schutz und die Unterstützung der Kleinen und der Armen eintreten? Diese Fragen führen ebenso zu vielen Herausfordemngen. Antwort darauf zu geben seid auch ihr, zusammen mit der ganzen kirchlichen Gemeinschaft, berufen. 3. Die erste Aufgabe eures geweihten Lebens in der frohen und mitreißenden Erfahrung Christi bleibt die, das Gottesvolk und die Welt an das erbarmungsvolle Antlitz des Herrn zu erinnern. Eher noch als in den Werken und den Zielen und Zwecken des Dienstes muss nämlich euer Charisma in einer Neuheit des Lebens aufleuchten, in welchem sich die charakteristischen Züge Jesu darstellen. Ist es denn nicht so, dass die Kirche geweihte Männer und Frauen braucht, die durch ihre Person und ihr Leben die fruchtbare Mütterlichkeit offenbaren, die die Kirche kennzeichnet? Nun, diese Fruchtbarkeit der Kirche steht nicht im Verhältnis zu den Tätigkeiten, sondern zur Echtheit der Hingabe an Christus, den Gekreuzigten. Euer ganzes Leben als geweihte Menschen muss daher von der Freundschaft mit Gott durchdrungen sein; so sollt ihr Herz und Hände Christi für die Kranken sein können. Dann offenbart sich in euch jener Glaube, der euch dazu führt, in den Kranken den Herrn selbst zu erkennen, und der zur sprudelnden Quelle eurer Spiritualität wird. 4. An zweiter Stelle müsst ihr in die Welt des Leidens und der Gesundheitsfürsorge durch eure Anwesenheit den Reichtum hineintragen, der mit eurem Frau-Sein verbunden ist. Denn es ist unbestreitbar, dass die frauliche Berufung zur Mutterschaft euch empfindsamer dafür macht, Bedürfnisse wahrzunehmen, und euch mit der genialen Fähigkeit ausstattet, die passende Antwort darauf zu geben. Wenn zu solchen natürlichen Gaben auch eine bewusste Haltung der Selbstlosigkeit kommt, und vor allem die Kraft des Glaubens und der Liebe nach dem Evangelium, dann geschehen wahre und eigentliche Wunder der Hingabe. Was die barmherzige Liebe 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN am meisten kennzeichnet - Zartgefühl, Sanftmut, Dankbarkeit, Opferbereitschaft, eifrige Sorge und hochherzige Hingabe seiner selbst an die Leidenden - wird zum Zeugnis der Liebe eines nahen, barmherzigen und immer treuen Gottes. Ein Held der Liebe zu den Kranken, Camillus von Lellis, forderte dazu auf, vom Herrn vor allem die Gnade einer mütterlichen Zuneigung zum Nächsten zu erbitten, so dass man den Kranken mit der Aufmerksamkeit dienen könne, wie sie eine liebevolle Mutter ihrem einzigen kranken Sohn gegenüber hat. 5. Das Bewusstsein von der Sendung, zu der ihr durch euren Dienst an den Kranken und zur Förderung der Gesundheit berufen seid, muss euch, liebe Schwestern, dazu drängen, im Ausüben eures Apostolates der barmherzigen Liebe treu und erneuerungsbereit zu sein. Diese beiden Haltungen - die Treue und die Kreativität - sind, fern davon einander zu widersprechen, vielmehr dazu berufen, in weisem unterscheidendem Handeln in Einklang gebracht zu werden. Wie es nicht dem Geist eurer Gründer und Gründerinnen entsprechen würde, sich auf überwundene Positionen festzulegen, so würde es gleicherweise zu den Charismen eurer Institute im Widerspruch stehen, ohne die notwendige Überprüfung Formen des Apostolates aufzugeben, die durch die jetzigen sozio-kulturellen Situationen schwierig geworden sind. Darum, liebe Schwestern, fordere ich euch auf, in Treue bei den Leidenden in den Krankenhäusern und in den anderen Gesundheitsinstitutionen zu bleiben und die Sorge für die Kranken mit dem Geist des Evangeliums zu bestärken. Wenn ihr eine Wahl zu treffen habt, möge die Aufmerksamkeit gegenüber den verlassensten Kranken stets einen bevorzugten Platz einnehmen. Euer Blick und euer Handeln mögen sich hochherzig auf die Länder der dritten Welt ausweiten, die zum Kampf gegen die Krankheit und zur Förderung der Gesundheit die elementarsten Hilfsmittel entbehren. Eure Beteiligung an der Neuevangelisierung werde -Gesundheit und Krankheit aus wertend - zu einer mutigen Verkündigung Christi, der in seinem Tod und seiner Auferstehung den Menschen fähig gemacht hat, die Erfahrung des Leidens zu einer Gelegenheit der Gnade für sich und für die anderen zu machen (vgl. Salvifici doloris, Nm. 25-27). Die Zusammenarbeit mit den Laien werde, ausgehend von einer echten Teilnahme an euren Charismen, zu einem wirksamen Werkzeug, um vom Evangelium her mit Wort und Tat auf die alten und neuen Armutssituationen und Krankheiten Antwort zu geben, die in unserer Zeit die Gesellschaft belasten. 6. Bei der Erfüllung eures Apostolats sei Maria, die Makellose Jungfrau, die als „Heil der Kranken“ verehrt wird, euch Beispiel. Als Abbild der Zärtlichkeit Gottes zeigt sie sich aufmerksam für die Bedürfnisse der andern, eifrig besorgt, darauf zu antworten, und voll Mitleid. Im Blick auf sie bemüht euch, immer voll Mitempfinden zu sein und fähig, eure Anwesenheit zu einem Zeugnis der Zärtlichkeit und der Hingabe zu machen, die ein Widerschein der vorsorglichen Liebe Gottes ist. Mit diesen Wünschen erteile ich euch von Herzen meinen Segen, den ich gern auch auf alle Mitschwestem in euren Kongregationen ausweite. 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Missionarischer Einsatz der Orientalischen Kirchen Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Orientalischen Kirchen am 1. Oktober Meine Herren Kardinäle, Eure Seligkeiten, verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt! 1. Mit tiefer Freude treffe ich mit euch bei der Vollversammlung eurer Kongregation zusammen, während ihr über einige Aspekte des für die kommenden Jahre vorgesehenen Aktionsplans eures Dikasteriums im Dienst der katholischen Ostkirchen nachdenkt. Mein ganz besonderer Dank gilt dem Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, Kardinal Achille Silvestrini, für die freundlichen Begrüßungsworte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Ferner möchte ich der Kongregation für den Dienst danken, mit dem sie dem Bischof von Rom zur Seite steht „bei der Ausübung des obersten Hirtenamtes für das Wohl und im Dienst der Weltkirche und der Teilkirchen, eine Aufgabe, die die Einheit des Glaubens und die Gemeinschaft des Gottesvolkes stärkt und die kirchliche Sendung in der Welt fördert“ (vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Nr. 1). 2. Die Kongregation für die Orientalischen Kirchen hat im Vergleich zu den anderen Dikasterien der Römischen Kurie eine ganz besonders schwierige Aufgabe, sowohl aufgrund ihrer institutionellen Zuständigkeit als auch im Hinblick auf den gegenwärtigen Zeitpunkt. Eure Kongregation „befaßt sich mit Angelegenheiten, die die Orientalischen Kirchen betreffen, sowohl im Hinblick auf Personen, als auf Dingen“ (vgl. Pastor bonus, Nr. 56). Diese Zuständigkeit „bezieht sich auf alle die Orientalischen Kirchen betreffenden Angelegenheiten, die im Hinblick auf die Struktur und Ordnung der Kirchen, die Ausübung der Lehr-, Heiligungs- und Führungsfunktion, auf Personen, ihre Stellung, Rechte und Pflichten, dem Apostolischen Stuhl unterbreitet werden müssen“ (vgl. Art. 58 § 1). Ferner „ist die apostolische und missionarische Tätigkeit in den Regionen, wo seit langer Zeit der orientalische Ritus vorherrscht, ausschließlich dieser Kongregation unterstellt, auch wenn sie von Missionaren der lateinischen Kirche ausgeführt wird“ (Art. 60). Diese aufgrund der schwierigen gegenwärtigen Situation der Orientalischen Kirchen ganz besonders mühevolle Arbeit der Kongregation erfordert vielseitige Fachkenntnisse. Das kommt vor allem in der Arbeit der Sonderausschüsse zum Ausdruck, wie in dem für Liturgie, für das Studium des christlichen Orients und für die Bildung des Klerus und der Ordensleute, die die Päpste im Rahmen der Kongregation gegründet haben. 3. Das II. Vatikanische Konzil betonte die reichen Verdienste der Ostkirchen um die Gesamtkirche, indem es ihre Vielfalt in der Einheit herausstellte. Im Dekret Orientalium Ecclesiarum heißt es einleitend: „Die Ostkirchen mit ihren Einrich- 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tungen und liturgischen Bräuchen, ihren Überlieferungen und ihrer christlichen Lebensordnung sind in der katholischen Kirche hochgeschätzt. In diesen Werten von ehrwürdigem Alter leuchtet ja eine Überlieferung auf, die über die Kirchenväter bis zu den Aposteln zurückreicht. Sie bildet ein Stück des von Gott geoffen-barten und ungeteilten Erbgutes der Gesamtkirche“ (Nr. 1). Aufgrund dieser Berufung wünschten die Konzilsväter, dass die Orientalischen Kirchen „neu erblühen und mit frischer apostolischer Kraft die ihnen anvertraute Aufgabe meistern“ (Nr. 1). Daher ist es Aufgabe der Kongregation, die Sorge der Gesamtkirche für diese Kirchen so zum Ausdruck zu bringen, dass alle „diesen Schatz in seiner ganzen Fülle kennen lernen können und so gemeinsam mit dem Papst den leidenschaftlichen Wunsch verspüren, daß der Kirche und der Welt das vollständige Erscheinungsbild der Katholizität zurückgegeben werde, wie sie nicht nur in einer einzigen Überlieferung und schon gar nicht im Gegeneinander der Gemeinschaften Ausdruck findet“ (Apostolisches Schreiben Orientale lumen, Nr. 1). 4. Aufgrund der geschichtlichen Umstände sind diese Kirchen, ebenso wie einige Teilkirchen des lateinischen Ritus, auf die Unterstützung, die Zuneigung und die besondere Fürsorge des Ul. Stuhls angewiesen. Einige orientalische Teilkirchen haben die Verfolgung der kommunistischen Regime überwunden und bemühen sich nun um ihren Wiederaufbau. Andere hingegen sind in politisch unbeständigen Gebieten tätig, wo das interreligiöse Zusammenleben nicht immer von Brüderlichkeit und gegenseitiger Achtung gekennzeichnet ist. Schließlich verpflichtet das ständig wachsende Migrationsphänomen den Apostolischen Stuhl zur Unterstützung und Förderung der pastoralen Betreuung orientalischer Katholiken in der Diaspora. 5. Immer noch sind jene Ergriffenheit und Freude lebendig, die vor zwei Tagen die bedeutende Begegnung mit den Patriarchen der katholischen Ostkirchen in mir geweckt hat. Jener Anlass gab mir Gelegenheit hervorzuheben, dass diese Geste als ein Beweis der Ehrerbietung des Apostolischen Stuhls für die ihnen eigene Würde zu werten ist. Zwei Aspekte, die bereits beim Treffen mit den Patriarchen erörtert worden sind, erscheinen mir ganz besonders wichtig: die Synodalität, die die Kirchen, denen sie vorstehen, auf besondere Art und Weise ausüben und der stets größere Beitrag, den sie im Hinblick auf die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft mit den orthodoxen Schwesterkirchen zu leistet berufen sind. Der neben dem Patriarchen stehende Synode der Bischöfe, Kennzeichen der Orientalischen Kirchen, ist eine uralte Art und Weise, die Kollegialität der Bischöfe zu leben, wie die Dogmatische Konstitution Lumen Gentium bekräftigt und darlegt (vgl. Nr. 22). Die Orientalischen Kirchen sind kraft ihrer theologischen und kulturellen Nähe gegenüber den Orthodoxen Kirchen berufen, mutig und entschlossen in ihrem ökumenischen Einsatz voranzugehen, auch wenn die Erinnerung an die Wunden der 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vergangenheit noch nicht verblasst ist und die Verwirklichung dieses Auftrags in der gegenwärtigen Situation oft nicht einfach ist. 6. Das Arbeitsprogramm eurer Plenarversammlung beweist den Einsatz, mit dem ihr die zukünftige Tätigkeit des Dikasteriums umreißt. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr dem Sektor der pastoralen Betreuung der in der Diaspora lebenden orientalischen Gläubigen ganz besondere Aufmerksamkeit schenken würdet. Dazu ist erforderlich, dass alle, Lateiner und Orientalen, die heiklen Implikationen einer Situation erkennen, die sowohl für das Überleben des christlichen Ostens wie auch für das allgemeine Überdenken ihrer Pastoralpläne eine wirkliche Herausforderung darstellen. Die Hirten der lateinischen Kirche sind aufgefordert, vor allem ihre eigenen Kenntnisse über das Leben und das Erbe der katholischen Ostkirchen zu vertiefen und diese Kenntnisse auch bei den ihrer Sorge anvertrauten Gläubigen zu mehren. Ferner sollten sie das Recht der orientalischen Gläubigen fördern und verteidigen, jener Tradition entsprechend zu leben und zu beten, die die Väter ihrer jeweiligen Kirchen an sie weitergegeben haben. „Im Hinblick auf die pastorale Betreuung der Gläubigen orientalischer Riten, die in Diözesen des lateinischen Ritus leben, müssen gemäß der Konzilsdekrete Christus Dominus (Nr. 23,3) und Orientalium Ecc-lesiarum (Nr. 4) die lateinischen Diözesanbischöfe so bald wie möglich für eine angemessene geistliche Betreuung der orientalischen Gläubigen sorgen, was, wo möglich, entweder durch Priester oder Pfarreien des entsprechenden Ritus oder auch durch einen bischöflichen Vikar geschehen kann“ (Schreiben an die indischen Bischöfe, 28. Mai 1987, Nr. 5c). Anderseits werden die Hirten der Orientalischen Kirchen sich auch weiterhin der Betreuung jener Gläubigen annehmen, die ihre Heimatländer verlassen haben und sich um angemessene Ausdrucksformen ihrer Tradition bemühen in einer Weise, die den heutigen Anforderungen dieser Gläubigen und den besonderen Situationen der Gesellschaft entspricht, in der sie leben. 7. In diesem Punkt ist es wichtig, denke ich, über die Aufgaben zu sprechen, die in den kommenden Jahren die Arbeit der Kongregation für die Orientalischen Kirchen kennzeichnen sollten. Sie ist berufen, die Gemeinden der katholischen Ostkirchen zu unterstützen und zu fördern. So wird sie ein Ausdruck „der Sorge für alle Gemeinden“ (vgl. 2 Kor 11,28), die allen Teilkirchen eigen ist, insbesondere aber die spezielle Berufung der römischen Kirche darstellt, die - wie Ignatius von Antiochien so schön formulierte - „der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht“. Es gibt zwei konkrete Möglichkeiten, diese Aufgabe auszuführen. Die Kongregation soll in erster Linie allgemeine Anweisungen formulieren, die auf ihrer vielfältigen und reichhaltigen Erfahrung begründet sind und die die einzelnen Kirchen ausarbeiten und ihren jeweiligen Situation entsprechend anpassen. Diesen Weg ging die Kongregation beispielsweise bei der Instruktion über die Anwendung liturgischer Vorschriften des Codex des Ostkirchenrechts. In dieser Hinsicht wer- 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den die Hirten jeder orientalischen Kirche sicherlich bald mit der Ausarbeitung der von ihr verlangten eigenen liturgischen Direktorien beginnen, denn sie sind ein unerlässliches Mittel, um die jeweilige liturgische Tradition voll zum Ausdruck zu bringen. Die auf liturgischem Gebiet bereits gegebenen Anweisungen müssen nun auch im Hinblick auf Ausbildung, Katechese und Ordensleben ausgearbeitet werden. Die Kongregation wird einige generelle Richtlinien festlegen, um den einzelnen Kirchen bei der Formulierung ihrer eigenen Ratio Studiorum (vgl. Codex des Ostkirchenrechts, can. 330) behilflich zu sein. Nützlich wäre auch die Ausarbeitung eines katechetischen Direktoriums, damit „die besondere Eigenart der Orientalischen Kirchen, die Bedeutung der Bibel und der Liturgie wie auch die Tradition der jeweiligen Kirche in der Patristik, in der Hagiographie und auch in der Ikonographie in der Katechese klar hervortritt“ (vgl. Codex des Ostkirchenrechts, can. 6212). Erleuchtend ist in dieser Hinsicht die ka-techetische Methode der Kirchenväter, die in der „Katechese“ für die Katechume-nen und in der „Mystagogie“ oder „mystagogischen Katechese“ als Einweihung in die göttlichen Mysterien zum Ausdruck kam. Mit besonderer Aufmerksamkeit müssen die Bemühungen zur Wiederherstellung der traditionellen Formen des Ordenslebens in den katholischen Ostkirchen verfolgt werden, vor allem im Hinblick auf das Mönchtum, das „seit jeher die eigentliche Seele der Ostkirchen gewesen ist“ (vgl. Orientale lumen, Nr. 9). 8. Neben der Ausarbeitung allgemeiner Richtlinien ist es Aufgabe der Kongregation, den katholischen Ostkirchen bei der Durchführung dieser Anweisungen zu helfen. Daher bemüht sie sich um Begegnungen und Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen, wie beispielsweise beim Treffen zwischen den Bischöfen und den höheren Oberen der Ostkirchen Europas und der Kongregation im Juli 1997 in der ungarischen Eparchie von Haidudorog. Ich hoffe, dass auch die für das kommende Jahr vorgesehene Begegnung mit den Patriarchen und Bischöfen des Nahen Ostens ein entsprechend positives Ergebnis bringen wird und dass auch für die sog. „Neue Welt“ eine ähnliche Initiative geplant und organisiert werden kann. 9. Schließlich ist es Aufgabe der Kongregation, im Geist des Apostolischen Schreibens Orientale lumen die Gesamtkirche mit dem Leben und den besonderen Eigenschaften der katholischen Ostkirchen vertraut zu machen. Zu diesem Zweck sollten eingehende geschichtliche und theologische Studien angeregt und unterstützt werden. Diese Kenntnis muss auch auf die pastorale Dimension ausgedehnt werden, damit die lateinischen Bischöfe konkrete Vorstellungen haben, wie die Gegenwart orientalischer Katholiken in ihren Diözesen hervorgehoben werden kann; es ist Sache des Dikasteriums, sich diesbezüglich mit angemessenen Richtlinien an sie zu wenden. 10. Wir stehen auf der Schwelle des Großen Jubeljahres 2000. Die heutige Welt braucht ein mutiges Werk der Evangelisierung. ,AJte Kirchen, im Osten wie im Westen, erreicht der Schrei der heutigen Menschen, die nach einem Sinn für ihr 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben fragen. Wir vernehmen den Ruf dessen, der den vergessenen und verlorenen Vater sucht (vgl. Lk 15,18-20; Joh 14,8). Die Menschen von heute bitten uns, ihnen Christus zu zeigen, der den Vater kennt und ihn uns offenbart hat (vgl. Joh 8,55, 14,8-11)“ (Orientale lumen, Nr. 4). Die Orientalischen Kirchen erfreuten sich einer außergewöhnlichen Evangelisierungskraft, und oft haben sie es verstanden, sich den kulturellen Erfordernissen anzupassen, die sich durch die Begegnung mit neuen Völkern ergaben. Es ist absolut notwendig, den Geist und die Bedingungen zu erwägen, um diese Praxis unter den heutigen Umständen erneut lebendig werden zu lassen. Die Kinder der Orientalischen Kirchen, die nicht zögerten, ihr Blut für die Treue zu Christus und der Kirche hinzugeben, werden auch in ihren Kirchen jene Erneuerung der Herzen und Strukturen bewirken können, die ihr christliches Zeugnis voll erstrahlen lassen wird. Die Kirche blickt mit tiefer Dankbarkeit und Bewunderung auf den missionarischen Einsatz der Orientalischen Kirchen in Indien in der Hoffnung, dass andere Kirchen diesem Beispiel folgen und alle diese wunderbare Zusammenarbeit unterschiedlicher Form und Tradition zum Aufbau des Gottesreiches dankbar anzunehmen wissen. Das Dekret über die katholischen Ostkirchen weist darauf hin, dass alle der pastoralen Leitung des Bischofs von Rom unterstehenden Kirchen „dieselben Rechte genießen und dieselben Verpflichtungen haben, auch bezüglich der unter Oberleitung des Bischofs von Rom auszuübenden Verkündigung des Evangeliums an die ganze Welt“ (vgl. Orientalium. Ecclesiarum, Nr. 3), (Schreiben an die indischen Bischöfe, 28. Mai 1987, Nr. 5b). 11. Ferner veranlasst uns dieser Eifer für die Evangelisierung, entschlossen die volle Einheit mit den anderen christlichen Religionen anzustreben. Die heutige Welt wartet auf diese Einheit, und wir haben sie „eines gemeinsamen Zeugnisses beraubt, das es vielleicht vermocht hätte, viele Dramen zu vermeiden, wenn nicht gar den Sinn der Geschichte zu ändern ... Weiter erschallt kräftig das Echo des Evangeliums, des Wortes, das nicht enttäuscht, nur geschwächt durch unsere Spaltung: Christus ruft, doch der Mensch hat Mühe, seine Stimme zu hören, weil es uns nicht gelingt, einmütige Worte weiterzugeben“ (Orientale lumen, Nr. 28). Nochmals wünsche ich euch viel Erfolg bei eurer Arbeit und erflehe für euch und eure Bemühungen den reichen Beistand des Himmels, als dessen Pfand ich euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen spende. 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gegen Ausbeutung und Vereinnahmung - Gastfreundschaft für Ausländer Botschaft vom 9. November 1997 zum 84. Welttag der Migranten und Flüchtlinge 1998 (in Deutschland begangen am 2. Oktober) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit tiefer pastoraler Sorge beobachtet die Kirche den wachsenden Strom von Migranten und Flüchtlingen und stellt sich die Frage nach den Ursachen dieses Phänomens und nach den besonderen Umständen, in denen sich diejenigen befinden, die aus verschiedenen Gründen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Tatsächlich scheint die Lage von Migranten und Flüchtlingen in aller Welt immer schlimmer zu werden. Gewalttätigkeiten zwingen manchmal ganze Völker zum Verlassen ihrer Heimat, um der anhaltenden Grausamkeit zu entgehen; häufiger sind es Armut und mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten, die einzelne Menschen und Familien ins Exil treiben, um in fernen Ländern ihren Lebensunterhalt zu finden, wobei sie oft nicht mit der gebotenen Gastfreundschaft empfangen werden. Angesichts der zahlreichen Initiativen zur Erleichterung des an Entbehrungen und Leiden reichen Loses von Migranten und Flüchtlingen möchte ich denen meine aufrichtige Anerkennung aussprechen, die sich ihrer annehmen, und sie von Herzen ermutigen, ihre großzügige Unterstützungsarbeit fortzusetzen und die zahllosen Schwierigkeiten, denen sie auf ihrem Weg begegnen, zu überwinden. Zu den mit kulturellen, sozialen und manchmal auch religiösen Barrieren verbundenen Problemen kommen noch solche, die mit anderen Phänomenen wie Arbeitslosigkeit (unter der auch traditionelle Einwanderungsländer leiden), Zerfall der Familie Mangel an Dienstleistungen und Ungewißheit in vielen Aspekten des täglichen Lebens Zusammenhängen. Zudem sehen die Gastländer in der rasch ansteigenden ■ Zahl der „Ausländer“, verursacht durch Mechanismen demographischer Dynamik, rechtliche Maßnahmen zur Familienzusammenführung sowie illegale Anwerbung in der sogenannten Schattenwirtschaft, eine Bedrohung der eigenen Identität. Wenn die Aussicht auf harmonische und friedliche Integration schwindet, werden Abkapselung in sich und Spannungen zur Umwelt und die nutzlose Zerstreuung von Energien zu reellen Gefahren mit oft dramatischen negativen Auswirkungen. Diese Menschen „finden sich am Ende zerstreuter vor als am Anfang, verwirrt in der Sprache, untereinander gespalten, unfähig zu Übereinstimmung und Gemeinsamkeit“ (vgl. Reconciliatio etpaenitentia, Nr. 13). In dieser Hinsicht ist die Rolle der Medien sowohl in negativem als auch positivem Sinn von entscheidender Bedeutung. Ihr Einfluss kann eine objektive Beurteilung und ein besseres Verständnis der Probleme der „Neuangekommenen“ bewirken und Vorurteile und gefühlsmäßige Reaktionen abbauen; er kann aber auch isolationistische, feindselige Haltungen fördern und so eine angemessene Integrierung erschweren oder gar vereiteln. 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. All das stellt die Christengemeinschaft vor dringliche Herausforderungen, die Aufmerksamkeit gegenüber Migranten und Flüchtlingen zu einer pastoralen Priorität machen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Welttag der Migranten eine willkommene Gelegenheit, um über immer wirksamere Initiativen auf diesem schwierigen Gebiet des Apostolats nachzudenken. Für die Christen ist die Aufnahme von Fremden und die Solidarität mit ihnen nicht nur Sache der Gastfreundschaft, sondern eine klare Verpflichtung, die sich aus der Treue zur Lehre Christi ergibt. Sorge für Migranten bedeutet für die Gläubigen, dass sie den von weither gekommenen Brüdern und Schwestern einen Platz in den einzelnen Christengemeinden sichern und sich dafür einsetzen, dass jedem von ihnen die allen Menschen eigenen Rechte zuerkannt werden. Die Kirche fordert alle Menschen guten Willens auf, ihren ganz persönlichen Beitrag zu leisten, damit jede Person geachtet werde und für die Menschenwürde demütigende Diskriminierungen ein Ende finden. Der Einsatz der Kirche ist auf das Gebet gestützt, am Evangelium ausgerichtet und von ihrer jahrhundertealten Erfahrung getragen. Die kirchliche Gemeinschaft hat auch eine Rolle der Einflussnahme auf die Verantwortlichen der Völker und der internationalen Gemeinschaft, auf Institutionen und Organe, die auf verschiedenen Ebenen mit dem Migrationsphänomen zu tun haben. Als Expertin in Menschlichkeit erfüllt die Kirche diese ihre Aufgabe sowohl durch die Erleuchtung der Gewissen durch Lehre und Zeugnis als auch durch die Förderung geeigneter Initiativen, um den Immigranten zu einer angemessenen Stellung in der Gesellschaft zu verhelfen. 3. Insbesondere fordert sie christliche Migranten und Flüchtlinge in konkreter Form auf, sich nicht abzukapseln und sich nicht gegenüber pastoralen Initiativen der sie aufnehmenden Diözese oder Pfarrgemeinde zu verschließen. Gleichzeitig jedoch warnt sie Priester und Gläubige, diese Menschen einfach assimilieren zu wollen, was ihre besondere Eigenart aufheben würde. Vielmehr befürwortet sie eine stufenweise Eingliederung dieser Brüder und Schwestern, die ihre Verschiedenheit hervorhebt, um eine wahre von Gastfreundlichkeit und Solidarität geprägte Familie im Glauben aufzubauen. Zu diesem Zweck sollte die Ortsgemeinde, in die Migranten und Flüchtlinge ein-zugliedem sind, ihnen Strukturen zur Verfügung stellen, die ihnen helfen aktiv die ihnen zukommenden Verantwortungen zu übernehmen. Dabei ist es Aufgabe des speziell mit der Sorge für die Migranten beauftragten Geistlichen, zwischen unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten zu vermitteln. Das setzt in ihm das Bewusstsein voraus, ein wirklich missionarisches Amt auszuüben „mit dem gleichen Antrieb, wie sich Christus selbst in der Menschwerdung von der konkreten sozialen und kulturellen Welt der Menschen einschließen ließ, unter denen er lebte“ (Ad gentes, Nr. 10). Die Tatsache, dass der Apostolats-Einsatz zugunsten von Migranten manchmal in einem Klima des Misstrauens oder auch der Feindseligkeit stattfindet, darf nie ein Grund sein, der Verpflichtung zu Solidarität und menschlicher Förderung zu entsagen. Das anspruchsvolle Wort Jesu: „... ich war fremd und obdachlos, und ihr habt 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mich aufgenommen“ (Mt 25,35) bewahrt in jeder Situation all seine Aussagekraft und spricht zum Gewissen derer, die diesen Weg gehen wollen. Die Aufnahme des Nächsten ist für den Gläubigen nicht nur Philanthrophie oder natürliche mitmenschliche Aufmerksamkeit. Es ist sehr viel mehr; denn als Christ weiß er, dass er in jedem Menschen Christus begegnet, der darauf wartet, in den Mitbrüdem, insbesondere in den ärmsten und bedürftigsten, geliebt zu werden. 4. Jesus, der eingeborene Menschensohn, ist das lebendige Beispiel der Solidarität Gottes mit den Menschen. „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“. (2 Kor 8,9). Nur eine für die Bedürfnisse der anderen wirklich offene christliche Gemeinde erkennt und verwirklicht das Erbe, das Jesus den Aposteln während des Abendmahls am Vorabend seines Todes am Kreuz, hinterlassen hat: „Wie ich euch geliebt habe so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). Der Erlöser fordert eine aufopfernde, unentgeltliche und uneigennützige Liebe. Höchst prophetisch klingen in diesem Zusammenhang die Worte des hl. Jakobus, der an die „zwölf Stämme, die in der Zerstreuung leben“, schreibt (womit wahrscheinlich die judenchristlichen Gemeinden der griechisch-römischen Welt gemeint sind): „Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat“ (Jak 2,14-17). 5. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf das leuchtende Beispiel eines Apostels aufmerksam machen, der ein lebendiges und prophetisches Zeugnis der Liebe Christi für die Migranten war. Ich spreche von Msgr. Giovanni Battista Scalabrini, den ich zu meiner großen Freude am heutigen 9. November seligsprechen konnte. Aus erster Hand erlebte er die dramatische Situation unzähliger Auswanderer die in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts Europa verließen und in die Länder der Neuen Welt strömten. Er erkannte die Notwendigkeit gezielter pastoraler Unterstützungsinitiativen über ein geeignetes Sozialhilfesystem. Sowohl treffende spirituelle Intuition als auch konkreten praktischen Sinn beweisend, gründete er zu diesem Zweck die Missionare und die Missionsschwestem vom hl. Karl Borromäus. Ferner unterstützte er nachdrücklich legislative und institutionelle Initiativen für den menschlichen und rechtlichen Schutz der Migranten gegen jede Form von Ausbeutung. In der gewiss veränderten sozialen Wirklichkeit von heute folgen die geistigen Söhne und Töchter Scalabrinis, denen sich später Laienmissionarinnen als Erben des gleichen Charismas angeschlossen haben, seinem Beispiel, um die Liebe Christi für die Migranten zu bezeugen und ihnen das Evangelium die universale Heilsbotschaft zu bringen. Möge Bischof Scalabrini durch sein Beispiel und seine 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fürsprache all jene unterstützen, die sich in aller Welt für Migranten und Flüchtlinge einsetzen. 6. Um auf diesem anspruchsvollen und komplexen Gebiet ein überzeugendes christliches Zeugnis zu geben, kommt es darauf an, „den Geist als den wiederzuentdecken, der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus [...] vorbereitet“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 45). Wie könnten wir vergessen, dass das Jahr 1998 dem Heiligen Geist geweiht ist, dessen Rolle auf außerordentlich wirksame Art und Weise im Pfingstereignis zum Ausdruck kommt? In der Botschaft zum 16. Weltfriedenstag schrieb ich: Die Ausgießung „des Heiligen Geistes läßt die ersten Jünger des Herrn, ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Sprache, den königlichen Weg des Friedens in der Brüderlichkeit wiederfinden“ (vgl. Nr. 12). Im antiken Babel hatten Stolz und Hochmut die Einheit der menschlichen Familie zerstört. Der zu Pfingsten ausgegossene Geist kam, um mit seinen Gaben die verlorene Gemeinschaft nach jenem trinitarischen Vorbild wiederherzustellen, in dem drei verschiedene Personen in der ungeteilten Einheit der göttlichen Natur vereint sind. Diejenigen, die den vom Heiligen Geist erleuchteten Aposteln zuhörten, waren außer sich vor Staunen, denn jeder von ihnen hörte sie in seiner Muttersprache reden (vgl. Apg 2,7-11). So wie in der Vergangenheit kann auch heute einmütiges Zuhören die Verschiedenheit der Kulturen vor Verwirrung bewahren, denn „jede Kultur ist ein Bemühen, über das Geheimnis der Welt und vor allem des Menschen nachzudenken; sie ist eine Weise der transzendenten Dimension des menschlichen Lebens Ausdruck zu geben. Jenseits aller Verschiedenheiten, die die einzelnen Menschen und die Völker unterscheiden, gibt es eine grundlegende Gemeinschaft, weil ja die verschiedenen Kulturen in Wirklichkeit nichts anderes als verschiedene Weisen sind, an die Frage über den Sinn des persönlichen Daseins heranzugehen“ (vgl. Ansprache an die 50. Generalversammlung der Vereinten Nationen, 5. Oktober 1995, Nr. 9). Das Jahr des Heiligen Geistes fordert somit die Gläubigen auf, die theologische Tugend der Hoffnung auf intensivere Art und Weise zu leben, denn sie bietet ihnen solide und tiefe Beweggründe für ihren Einsatz in der Neuevangelisierung und zugunsten jener, die - aus anderen Ländern und Kulturen stammend - unsere Hilfe erwarten, um ihre menschlichen Fähigkeiten voll zu entfalten. 7. Evangelisierung bedeutet, jedem über die Hoffnung, die uns erfüllt Rede und Antwort zu stehen (vgl. 1 Petr 3,15). Trotz ihrer Minderheitsstellung in der Gesellschaft haben die ersten Christen diese Pflicht mit Mut und Tatendrang erfüllt. Kraft der Parrhesie [d. i. Freimütigkeit im Reden], die der Heilige Geist über sie ausgegossen hatte, waren sie fähig, ihren Glauben mit Aufrichtigkeit zu bezeugen. „Die Christen sind“ auch heute „aufgerufen, sich auf das Große Jubiläum zu Beginn des dritten Jahrtausends vorzubereiten durch Erneuerung ihrer Hoffnung auf die endgültige Ankunft des Reiches Gottes, die sie Tag für Tag in ihrem Herzen, in 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der christlichen Gemeinschaft, der sie angehören, in dem sozialen Umfeld, in das sie hineingestellt sind [...] vorbereiten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 46) Das Phänomen der menschlichen Mobilität erinnert an das Bild der Kirche als das stets auf die himmlische Heimat ausgerichtete Pilgervolk auf Erden. Trotz seiner großen Beschwerlichkeit erinnert dieser Weg an die Welt der Zukunft, deren perspektivisches Bild zur Erneuerung der Gegenwart anregt, die im Hinblick auf die Begegnung mit Gott dem endgültigen Ziel aller Menschen, von Ungerechtigkeit und Unterdrückung befreit werden muss. „Maria, die das durch das Wirken des Heiligen Geistes fleischgewordene Wort empfing und sich dann in ihrem ganzen eben von seiner inneren Wirkung leiten ließ“, vertraue ich den apostolischen Einsatz der christlichen Gemeinschaft für die Migranten und Flüchtlinge an. „Sie bringt die Sehnsucht der Armen Jahwes voll zum Ausdruck und leuchtet als Vorbild für alle, die sich mit ganzem Herzen den Verheißungen Gottes anvertrauen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 48). Möge sie mit mütterlicher Fürsorge jene begleiten, die sich für Migranten und Flüchtlinge einsetzen; möge sie die Tränen trocknen und jene trösten, die ihre Heimat und ihre Lieben verlassen mussten. Möge auch mein Segen allen Trost spenden. Aus dem Vatikan, am 9. November 1997, im zwanzigsten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Aktives Mitwirken an der Erfüllung der Mission der Gesamtkirche Ansprache bei der Sonderaudienz für die Mitglieder des Katholischen Apostolates - Pallottiner am 6. Oktober Liebe Priester und Brüder der Gesellschaft des Katholischen Apostolates! 1. Mit Freude empfange ich euch zu dieser Sonderaudienz und richte durch euch einen herzlichen Gruß an alle Mitglieder eures Instituts wie auch an diejenigen, die in der Kirche am Charisma des hl. Vinzenz Pallotti teilhaben. Seit zwei Wochen seid ihr nunmehr mit den Arbeiten eurer Generalversammlung beschäftigt. Sie ist ein spirituelles und kirchliches Ereignis, das im zweiten, dem Heiligen Geist gewidmeten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 stattfindet. Gemeinsam mit euch bitte ich den göttlichen Geist um Erleuchtung, damit ihr die Zeichen der Zeit erkennt und es versteht, den Reichtum eures Charismas in unserer heutigen Zeit zu wahren und zu entwickeln. Zweckmäßigerweise befasst sich eure Konferenz mit dem Thema der Treue, was der Slogan: „Der Zukunft treu ...mit dem Blick auf Jesus, den Urheber und Vollen- 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der des Glaubens“ (vgl. Hebr 12,2), zum Ausdruck bringt. Das Thema drückt vor allem im Hinblick auf das dritte Jahrtausend den Wunsch für die Erneuerung der Treue zum apostolischen Einsatz aus. Ein Wunsch, der unterstützt werden sollte, ohne jedoch zu vergessen, dass Treue den Glauben voraussetzt in dem die Grundlage des christlichen Lebens verankert ist. Der Glaube ist der Horizont des spirituellen und apostolischen Wegs. Es ist Jesus, der die Gläubigen während des ganzen Lebens begleitet, sie in ihrer apostolischen Hingabe unterstützt und jeden guten Vorsatz zur Ausführung bringt. Meine Lieben, schaut voll Hoffnung in die Zukunft, und begegnet den Herausforderungen des dritten Jahrtausends mit Vertrauen in dem Bewusstsein, dass Christus an eurer Seite steht und derselbe ist „gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Er schenkt euch seinen Geist, der euch zur Fülle der Wahrheit und der Liebe zu führen weiß. Möge Christus die Ursache eurer Hoffnung sein: mit ihm an eurer Seite braucht Ihr nichts zu fürchten, denn er ist die unbesiegbare Stütze der ganzen menschlichen Existenz. 2. Den Glauben leben bedeutet, am Leben Christi teilhaben. In Jesus können wir unsere wahre Natur entdecken und unsere persönliche Würde voll zur Geltung bringen. Christus verkünden, um in jedem die völlige Wiederherstellung des Bildes Gottes zu erreichen, das ist das Endziel der Neuevangelisierung. Insbesondere haltet ihr, die ihr kraft eures Charismas berufen seid, den Glauben zu beleben und die Liebe in allen Bereichen neu zu entfachen, euch klar und deutlich die bevorzugte Option für das „Bild Gottes“ vor Augen, das im Leben jedes Bruders und jeder Schwester enthüllt werden muss. Erkennt in jedem Menschen das Antlitz Christi, und hebt den Wert eines jeden, unabhängig von seinen Verhältnissen oder seiner Stellung, hervor. So handelte der hl. Vinzenz Pallotti, der sich einzig und allein um die innere Erneuerung der Menschen im Hinblick auf ihre Heiligung sorgte. Um es diesem apostolischen Eifer gleichzutun, müsst ihr euch vor allem um eure persönliche Heiligkeit bemühen. Nur so könnt ihr sie in anderen fördern, eingedenk des Aufrufs zur allgemeinen Heiligkeit, die das Zweite Vatikanische Konzil deutlich hervorgehoben hat. Erfüllt von diesem Bewusstsein, werdet ihr zum Werk der Neuevangelisierung beitragen und euch auf wirksame Weise für den Eintritt in das neue Jahrtausend vorbereiten können, um aktiv an der Erfüllung der Mission mitzuwirken, die der Vater unseres Herrn Jesus Christus der ganzen Gemeinschaft der Kirche anvertraut hat. 3. Das Bemühen um persönliche Heiligung muss überall in euren Gemeinschaften in den verschiedenen Teilen der Welt gelebt werden: Arbeitet vereint und einträchtig, um wahre Zeugen des Evangeliums bei denen zu sein, denen ihr bei eurem täglichen Dienst begegnet. In meinem Apostolischen Schreiben Vita consecrata schrieb ich: „Die Kirche vertraut den Gemeinschaften des geweihten Lebens die besondere Aufgabe an, die Spiritualität der Gemeinschaft vor allem innerhalb der eigenen Gemeinschaft und 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dann in der kirchlichen Gemeinschaft und über deren Grenzen hinaus dadurch zu stärken, daß sie vor allem dort, wo die heutige Welt von Rassenhaß oder mörderischem Wahn zerrissen ist, den Dialog der Liebe eröffnet“ (Nr. 51). Als Zeugen geschwisterlichen Lebens, verstanden als in Liebe geteiltes Leben, werdet ihr ein ausdrucksvolles Zeichen der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. Vita consecrata, Nr. 42). Dieses tiefe Einvernehmen unter euch wird euch helfen, die „Einheit in Christus“ zu leben, um bereit zu sein, den spirituellen und materiellen Bedürfnissen eines jeden zu entsprechen. In diesem Zusammenhang wiederholte euer Gründer gerne, dass „von allen Gaben diejenige die herrlichste ist, die uns erlaubt, zum Heil der Seelen beizutragen“ (vgl. Opere complete XI, S. 257). Diese Gabe sollte nicht nur innerhalb eures Instituts geteilt werden, sondern auch mit den Laien, den täglichen Mitarbeitern in eurem Apostolat. Nehmt sie mit herein in euer gemeinschaftliches Leben, und lasst sie daran teilhaben. In dem eben zitierten Apostolischen Schreiben betonte ich: .flicht wenige Institute sind heute, ... zu der Überzeugung gelangt, daß sich ihr Charisma mit den Laien teilen läßt“ (Vita consecrata, Nr. 54). „Die Beteiligung der Laien führt nicht selten zu unerwarteten und fruchtbaren Vertiefungen mancher Aspekte des Charismas, indem sie eine spirituellere Deutung dieses Charismas erweckt und den Anstoß gibt, Hinweise für neue apostolische Tatkräfte zu geben“ (ebd., Nr. 55). Auf diese Weise ermöglicht euch die vom hl. Vinzenz Pallotti geistig entworfene und gegründete Gesellschaft des Katholischen Apostolats nicht nur die Koordinierung der verschiedenen Fähigkeiten eurer Gemeinschaften, sondern auch die Eingliederung in das Herz der apostolischen Mission der Kirche in der Welt von heute. Möge Maria, die getreue und gehorsame Dienerin des Herrn und das hervorragende Beispiel der Treue im apostolischen Einsatz, euch ihren Beistand gewähren. Im Abendmahlsaal in Jerusalem mit den Jüngern im Gebet vereint, in Erwartung der Gabe des Heiligen Geistes, ist sie euch ein Beispiel des unablässigen Gebets, der Einsatzbereitschaft und aktiven Teilnahme an der Sendung der Kirche. Möge Gott dank ihrer mütterlichen Fürsprache in euch und eurer Gesellschaft das Pfingstwunder erneuern. Nochmals möchte ich meine Hochachtung für den apostolischen Dienst zum Ausdruck bringen, den ihr der Kirche erweist, und euch wie auch allen anderen Mitgliedern der pallottinisehen Gemeinschaften von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen erteilen. Aus dem Vatikan, am 1. Oktober 1998 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Migrationsprobleme sind nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu lösen Ansprache an die Teilnehmer des 4. Weltkongresses über die Pastoral der Migranten und Flüchtlinge: „Die Wanderungsbewegungen am Vorabend des dritten Jahrtausends“ am 9. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Begegnung mit euch aus Anlass des Kongresses über die Pastoral der Migranten und Flüchtlinge ist eine Freude für mich. Ihr habt dabei das Thema behandelt: „Die Wanderungsbewegungen am Vorabend des dritten Jahrtausends.“ Gern empfange ich euch, und ich begrüße euch alle herzlich. Vor allem danke ich Bischof Stephen Fumio Hamao für die in aller Namen an mich gerichteten Worte, und ich möchte einem jeden meine guten Wünsche für einen großmütigen und nutzbringenden kirchlichen Dienst aussprechen. Ich vertraue darauf, dass die im Lauf des Kongresses erarbeiteten Analysen, die getroffenen Entscheidungen und die zur Reife gekommenen Vorschläge für alle, die in der Kirche und in der Gesellschaft die Sorge für die Migranten und Flüchtlinge teilen, einen wertvollen Ansporn bilden. Die Migrationen stellen ein Problem dar, dessen Dringlichkeit zunimmt in gleichem Schritt mit seiner Komplexität. Heute besteht fast überall die Tendenz, die Grenzen zu schließen und die Kontrollen sehr zu verschärfen. Über Migrationen wird jedoch heute mehr als früher und immer alarmierender gesprochen, nicht nur deshalb, weil die Schließung der Grenzen unkontrollierte Ströme von illegalen Einwanderern in Bewegung gebracht hat, mit allen Risiken und Unsicherheiten, die dieses Phänomen mit sich bringt, sondern auch, weil die Lebensbedingungen, die den Ursprung des wachsenden Migrationsdruckes bilden, Symptome zunehmender Verhärtung aufweisen. 2. In diesem Zusammenhang scheint es mir angemessen, erneut zu betonen, dass das erste Recht des Menschen darin besteht, in seiner eigenen Heimat zu leben. Dieses Recht aber wird nur dann wirksam, wenn die Faktoren, die zur Auswanderung drängen, ständig unter Kontrolle gehalten werden. Diese Faktoren sind unter anderem die internen Konflikte, die Kriege, das Regierungssystem, die ungerechte Verteilung der Wirtschaftsgüter, die inkonsequente Agrarpolitik, die vernunftwidrige Industrialisierung, die überhandnehmende Korruption. Um diese Situationen zu korrigieren, ist es unbedingt notwendig, eine ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung, die fortlaufende Überwindung der sozialen Ungleichheiten, die sehr gewissenhafte Achtung der menschlichen Person und das gute Funktionieren der demokratischen Strukturen zu fördern. Unerlässlich ist es auch, im derzeitigen Wirtschafts- und Finanzsystem, das von Industrieländern zum Schaden der Entwicklungsländer beherrscht und manipuliert wird, angebrachte korrigierende Eingriffe in Gang zu setzen. 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Schließung der Grenzen ist ja oft nicht bloß von einem verminderten oder nicht mehr bestehenden Bedarf an immigrierter Arbeitskraft verursacht, sondern dadurch, dass sich ein Produktionssystem durchsetzt, das nach der Logik der Ausbeutung der Arbeit angelegt ist. 3. Bis vor kurzer Zeit wurde der Reichtum der Industrieländer vor Ort produziert, auch mit dem Beitrag zahlreicher Immigranten. Mit der örtlichen Verlagerung des Kapitals und der Unternehmertätigkeiten wird ein großer Teil dieses Vermögens in Entwicklungsländern produziert, wo billige Arbeitskraft zur Verfügung steht. Auf diese Weise haben die Industrieländer einen Weg gefunden, den Beitrag billiger Arbeitskraft auszunutzen, ohne die Belastung der Anwesenheit von Immigranten tragen zu müssen. So laufen diese Arbeiter Gefahr, zu neuen „Leibeigenen“ erniedrigt zu werden, gebunden an ein bewegliches Kapital, das, von Mal zu Mal unter so vielen Situationen der Armut jene auswählt, in denen die Arbeitskraft am billigsten ist. Es ist klar, dass ein solches System unannehmbar ist, denn in ihm wird die menschliche Dimension der Arbeit praktisch ignoriert. Es ist notwendig, ernstlich über die Geographie des Hungers in der Welt nachzudenken, damit die Solidarität die Übermacht über das Profitstreben und über jene Marktgesetze gewinnt, die die Würde der menschlichen Person und ihre unveräußerlichen Rechte nicht in Betracht ziehen. Es muss beständig an den Ursachen gearbeitet und eine internationale Zusammenarbeit in Gang gebracht werden, die auf die politische Stabilität und die Beseitigung der Unterentwicklung abzielt. Es ist eine Herausforderung, eine Frucht der Erkenntnis, dass der Aufbau einer Welt auf dem Spiel steht, in der ausnahmslos jeder Mensch, unbeschadet der Rasse, Religion und Nationalität, ein ganz menschliches Leben leben kann, frei von Versklavung unter andere Menschen und von der drückenden Angst, sein Dasein im Elend verbringen zu müssen. 4. Die Immigration ist eine komplexe Frage. Sie betrifft nicht nur die Menschen, die auf der Suche nach sichereren und würdigeren Lebensbedingungen sind, sondern auch die Bevölkerung der Aufnahmeländer. In der modernen Welt bildet die öffentliche Meinung oft die Hauptnorm, die von politischen Führern und Gesetzgebern beachtet wird. Es besteht die Gefahr, dass die Information, die lediglich von den unmittelbaren Problemen des jeweiligen Landes infiltriert ist, sich auf völlig unzulängliche Aspekte beschränkt, weit davon entfernt, die tragische Bedeutung der Situation zum Ausdruck zu bringen. Zum Welttag der Migranten 1996 schrieb ich: „Bei der Lösung des Problems der Migration im allgemeinen und der gesetzwidrigen Migranten im besonderen spielt die Haltung der Gesellschaft des Aufnahmelandes eine bedeutende Rolle. In dieser Hinsicht ist es sehr wichtig, daß die öffentliche Meinung gut informiert ist über die reale Situation, in der sich das Herkunftsland der Migranten befindet, über die Tragödien, in die sie verwickelt sind, und über die Risiken, die eine Rückkehr mit sich bringt“ (Botschaft zum Welttag der Migranten 1996, Nr. 4; O.R., dt. 38, 22.9.1995, S. 12). 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist daher eine Aufgabe der Information, dem Bürger zu helfen, sich ein angemessenes Bild von der Situation zu machen, die grundlegenden Rechte des anderen zu begreifen und zu respektieren sowie den eigenen Teil an Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen, auch auf der Ebene der internationalen Gemeinschaft. 5. In diesem Zusammenhang sind die Christen aufgefordert, mit größerer Klarheit und Entschiedenheit ihre Verantwortungen in der Kirche und in der Gesellschaft zu übernehmen. Als Bürger eines Immigrationslandes und im Bewusstsein der Forderungen ihres Glaubens müssen die Christen zeigen, dass das Evangelium Christi im Dienst des Wohles und der Freiheit aller Kinder Gottes steht. Sowohl als einzelne wie auch als Pfarrgemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen dürfen sie nicht darauf verzichten, zugunsten der Randgruppen und der ihrer eigenen Machtlosigkeit ausgelieferten Menschen Stellung zu nehmen. Die Diskussion über die Immigration ist ein Thema, das nie erschöpft ist und immer wieder aufgenommen wird. Die Christen müssen darin präsent sein und Vorschläge zur Eröffnung sicherer Perspektiven unterbreiten, die auch auf der politischen Ebene verwirklicht werden müssen. Das bloße Brandmarken des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit genügt nicht. Über das Engagement bei Plänen zum Schutz und zur Förderung der Rechte des Migranten hinaus hat die Kirche die Pflicht, immer vollständiger die Rolle des guten Samariters zu übernehmen und sich allen Ausgeschlossenen zum Nächsten zu machen (vgl. Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge 1997, Nr. 2). 6. „Die Wanderungsbewegungen am Vorabend des dritten Jahrtausends.“ Die Nähe des Jubiläums lädt uns ein, das Morgenrot eines neuen Tages für die Migrationen zu erwarten und die „Sonne der Gerechtigkeit“, Jesus Christus, anzurufen, dass er die Finsternis erhelle, die sich am Horizont der Länder verdichtet, aus denen auszuwandem viele Menschen gezwungen sind. Die Christen, die sich der Hilfe und Sorge für die Migranten gewidmet haben, finden in dieser Hoffnung einen weiteren Beweggrund zum Einsatz. Ich möchte hier an das erinnern, was ich bereits im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente geschrieben habe: „Im Geist des Buches Leviticus (25,8-28) werden sich die Christen zur Stimme aller Armen der Welt machen müssen, indem sie das Jubeljahr als eine passende Zeit hinstellen, um unter anderem an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ (Nr. 51). Bekanntlich sind diese Nationen die gleichen, aus denen heute die größten und anhaltenden Migrantenströme kommen. Der Einsatz für die Gerechtigkeit in einer Welt wie die unsere, mit unerträglichen Ungleichheiten behaftet, ist ein bezeichnender Aspekt der Vorbereitung auf die Feier des Jubiläums. Es würde gewiss zu einer vielsagenden Geste, wenn die Versöhnung als die dem Jubiläum eigene Dimension Ausdruck fände in einer für einen großen Teil der Immigranten sanierenden Form, für jene nämlich, die mehr als die anderen unter der Tragödie einer misslichen, unsicheren Lage leiden, und das sind die irregulären Migranten. 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das laufende Jahr ist jenes, das die Kirche in der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend in besonderer Weise dem Heiligen Geist geweiht hat. Wir wollen ihn bitten, in uns die Empfindungen, Wünsche und Ängste des Herzens Christi zu erwecken. Die Jungfrau Maria, deren menschliches Leben von der Mühsal der Verbannung und der Auswanderung gezeichnet war, möge denen Trost und Hilfe schenken, die fern ihrer Heimat leben. Ihnen gegenüber wecke sie in allen die Gefühle der Solidarität und Aufnahmebereitschaft. In dieser Perspektive ermutige ich euch, liebe Brüder und Schwestern, zum Durchhalten in eurer wertvollen Arbeit und erteile euch als Unterpfand meiner Zuneigung einen besonderen Apostolischen Segen, den ich gern auch auf alle eure Lieben ausdehne. Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz - herausragende Tochter Israels und treue Tochter der Kirche Predigt bei der Heiligsprechung auf dem Petersplatz am 11. Oktober 1. Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi rühmen (vgl. Gal 6,14). Die Worte, die der hl. Paulus einst an die Galater schrieb und die wir eben gehört haben, könnten auch über der menschlichen und geistlichen Erfahrung von Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz stehen, die heute feierlich in das Buch der Heiligen eingeschrieben wird. Auch sie kann dem Apostel nachsprechen: Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi rühmen. Es ist das Kreuz Christi! Der Baum des Kreuzes trägt in ewiger Blüte immer wieder neue Früchte des Heils. Deshalb schauen die Gläubigen vertrauensvoll auf das Kreuz. Aus seinem Geheimnis der Liebe schöpfen sie Mut und Kraft, um dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn in Treue nachzufolgen. So hat sich die Botschaft vom Kreuz in das Herz vieler Männer und Frauen eingesenkt und ihr Leben verändert. Ein lebendiges Beispiel für diese außerordentliche innere Erneuerung ist die geistliche Entwicklung von Edith Stein. Aus einer jungen Frau, die nach der Wahrheit suchte, ist durch das stille Wirken der göttlichen Gnade eine Heilige und Märtyrerin geworden: Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz. Heute wiederholt sie für uns vom Himmel her die Worte, die ihr Leben geprägt haben: „Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi rühmen.“ 2. Am 1. Mai 1987 hatte ich in Köln während meines Pastoralbesuches in Deutschland die Freude, der Kirche diese hochherzige Zeugin des Glaubens als Selige vor Augen zu stellen. Elf Jahre später darf ich heute hier auf dem Petersplatz in Rom diese herausragende Tochter Israels und treue Tochter der Kirche vor aller Welt feierlich zur Heiligen erklären. 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie damals, so verneigen wir uns in dieser Stunde vor dem Zeugnis, das Edith Stein abgelegt hat. Wir verkünden das unbezwingbare Zeugnis ihres Lebens und Sterbens. Neben Theresia von Avila und Theresia von Lisieux reiht sich Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz in die Schar heiliger Männer und Frauen ein, die der Ruhm des Ordens vom Berge Karmel sind. Liebe Schwestern und Brüder, die Ihr zu dieser festlichen Feier versammelt seid, lasst uns Gott preisen für das Werk seiner Gnade, das er an Edith Stein vollbracht hat. 3. Ich grüße die zahlreichen Pilger, die nach Rom gekommen sind, vor allem die Angehörigen der Familie Stein, die sich zu diesem freudigen Ereignis mit uns verbinden wollen. Einen herzlichen Gruß richte ich an die Vertreter der Karmeliti-schen Gemeinschaft, die für Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz zur „zweiten Familie“ geworden ist. Außerdem heiße ich die offizielle Delegation der Bundesrepublik Deutschland willkommen. Sie wird angeführt vom scheidenden Bundeskanzler Helmut Kohl, den ich mit Respekt und von Herzen grüße. Ich begrüße auch die Vertreter der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie den Oberbürgermeister der Stadt Köln. Auch aus meinem Heimatland Polen ist eine offizielle Delegation unter der Leitung von Ministerpräsident Jerzy Buzek angereist. Ich grüße sie aus ganzem Herzen. Besonders erwähnen möchte ich die Pilgergruppen aus den Diözesen Breslau, Köln, Krakau, Münster, Speyer und Bielsko-Zywiec, die mit ihren Kardinälen, Bischöfen und Seelsorgern unter uns sind. Sie reihen sich ein in die große Schar der Gläubigen aus Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika und aus meiner Heimat Polen. 4. Liebe Schwestern und Brüder! Weil Edith Stein Jüdin war, wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Rosa und vielen anderen katholischen Juden aus den Niederlanden in das Konzentrationslager nach Auschwitz gebracht, wo sie mit ihnen in den Gaskammern starb. Heute gedenken wir ihrer aller in großer Ehrfurcht. Noch wenige Tage vor ihrem Abtransport hatte die Ordensfrau die Frage nach einer möglichen Rettung mit den Worten abgewehrt: „Tun Sie das nicht, warum soll ich eine Ausnahme erfahren? Ist dies nicht gerade Gerechtigkeit, daß ich keinen Vorteil aus meiner Taufe ziehen kann? Wenn ich nicht das Los meiner Schwestern und Brüder teilen darf, ist mein Leben wie zerstört.“ Wenn wir fortan Jahr für Jahr das Gedächtnis der neuen Heiligen feiern, müssen wir uns auch an die Shoah erinnern, an den grausamen Plan, ein Volk zu vernichten - einen Plan, dem Millionen jüdischer Schwestern und Brüder zum Opfer fielen. Der Herr lasse über sie sein Angesicht leuchten und schenke ihnen seinen Frieden (vgl. Num 6,25 f). Um Gottes und der Menschen willen erhebe ich noch einmal tief betrübt meine Stimme und rufe: Ein solches verbrecherisches Tun darf sich nie mehr wiederholen, an keiner ethnischen Gruppe, an keinem Volk, an keiner Rasse, nirgendwo auf 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser Welt! Es ist ein Schrei, der allen gilt: allen Menschen guten Willens; allen, die an den Ewigen und Gerechten glauben; allen, die sich in Christus, dem menschgewordenen Wort, verbunden wissen. Wir alle müssen zusammenstehen. Die Würde des Menschen ist es wert. Es gibt nur eine einzige Menschheitsfamilie. Darauf hat auch die neue Heilige eindringlich hingewiesen: „Unsere Menschenliebe ist das Maß unserer Gottesliebe. Für die Christen - und nicht nur für sie -gibt es keine ,fremden Menschen“. Die Liebe Christi kennt keine Grenzen.“ 5. Liebe Schwestern und Brüder! Die Liebe Christi war das Feuer, das das Leben von Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz entflammt hat. Längst bevor es ihr bewusst wurde, war sie von diesem Feuer ergriffen. Zunächst hatte sich Edith Stein der Freiheit verschrieben. Lange war sie eine Suchende. Ihr Geist wurde nicht müde, sich der Forschung zu widmen, und ihr Herz streckte sich nach Hoffnung aus. Voller Begeisterung legte sie den mühseligen Weg der Philosophie zurück. Dafür wurde sie schließlich belohnt: Sie eroberte die Wahrheit. Oder besser gesagt: Sie wurde von der Wahrheit erobert. Denn sie durfte entdecken, dass die Wahrheit einen Namen hat: Jesus Christus. Von diesem Augenblick an war das menschgewordene Wort ihr Ein und Alles. Als sie auf diesen Lebensabschnitt als Karmelitin zurückblickte, schrieb sie an eine Benediktinerin: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ Obwohl Edith Stein von ihrer jüdischen Mutter religiös erzogen worden war, hatte sie sich mit vierzehn Jahren „das Beten ganz bewußt und aus freiem Entschluß abgewöhnt“. Sie wollte ihr Leben ausschließlich aus sich selbst heraus gestalten, ganz darauf bedacht, ihre Freiheit in den Entscheidungen ihres Lebens zu behaupten. Am Ende eines langen Weges durfte sie zur überraschenden Erkenntnis gelangen: Nur wer sich an die Liebe Christi bindet, der wird wirklich frei. Diese Frau hatte die Herausforderungen eines so umwälzenden Jahrhunderts wie des unseren zu bestehen. Ihre Erfahrung wird zum Beispiel für uns. Die moderne Welt prahlt mit der verlockenden Tür, die sagt: Alles ist erlaubt. Dabei übersieht sie die schmale Pforte der Unterscheidung und des Verzichts. Deshalb wende ich mich besonders an Euch, liebe junge Christen, vor allem an die vielen Ministranten, die in diesen Tagen nach Rom gepilgert sind: Gebt acht! Euer Leben ist kein endloser Tag der offenen Tür! Hört in Euer Herz hinein! Begnügt Euch nicht mit der Oberfläche, sondern geht den Dingen auf den Grund! Und wenn es Zeit ist, habt den Mut, Euch zu entscheiden! Der Herr wartet auf Euch, dass Ihr Eure Freiheit in Seine guten Hände legt. 6. Die heilige Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz ist zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liebe Christi und die Freiheit des Menschen ineinander greifen; denn auch Liebe und Wahrheit gehören innerlich zusammen. Die Suche nach Wahrheit und deren Vermittlung in Liebe waren für sie kein Gegensatz. Im Gegenteil: Sie hat verstanden, dass beide einander brauchen. In unseren Tagen wird Wahrheit vielfach mit Mehrheit verwechselt. Zudem ist die Überzeugung verbreitet, in bestimmten Fällen Wahrheit und Liebe gegeneinander 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausspielen zu müssen. Aber Wahrheit und Liebe sind aufeinander angewiesen. Schwester Teresia Benedicta ist dafür eine Zeugin: Von keinem ließ sich die „Märtyrerin aus Liebe“, die ihr Leben für ihre Freunde hingab, in der Liebe übertreffen. Zugleich aber hat sie um die Wahrheit gerungen, von der sie schreibt: „Kein geistiges Werk kommt ja ohne schwere Wehen zur Welt. Es will auch immer den ganzen Menschen in Anspruch nehmen.“ Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz sagt uns allen: Akzeptiert nichts als Wahrheit, was ohne Liebe ist. Aber akzeptiert auch nichts als Liebe, was ohne Wahrheit ist! Eines ohne das andere wird zur Lüge, die zerstört. 7. Schließlich weist uns die hl. Teresia Benedicta vom Kreuz darauf hin, dass die Liebe Christi sich im Leiden bewähren muss. Wer wirklich liebt, der bleibt auch vor dem Leiden nicht stehen. Der Liebende stellt sich in die Leidensgemeinschaft mit dem Geliebten. Edith Stein war sich dessen bewusst, was ihre jüdische Herkunft mit sich bringen sollte, und drückte es treffend aus: „Unter dem Kreuz verstand ich das Schicksal des Volkes Gottes. [...] Gewiß weiß ich heute mehr davon, was es heißt, dem Herrn im Zeichen des Kreuzes vermählt zu sein. Mit der Vernunft allein wird man es niemals begreifen, weil es ein Geheimnis ist.“ Das Geheimnis des Kreuzes hat allmählich ihr ganzes Leben umfasst und ihr die höchste Hingabe abverlangt. Als am Kreuz Vermählte hat sie nicht nur tiefgreifende Seiten über die „Kreuzeswissenschaft“ verfasst, sondern ist die Schule des Kreuzes zu Ende gegangen. Viele unserer Zeitgenossen wollen das Kreuz zum Schweigen bringen. Aber nichts ist sprechender als das totgeschwiegene Kreuz! Die wahre Botschaft des Leidens ist eine Lektion der Liebe. Die Liebe befrachtet das Leiden; und das Leiden vertieft die Liebe. Durch die Erfahrung des Kreuzes hat sich für Edith Stein zugleich ein Weg geöffnet für eine neue Begegnung mit dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus. Für sie gehörten Glaube und Kreuz untrennbar zusammen; sie leuchten einander aus. In der Schule des Kreuzes gereift, durfte sie entdecken, welchen Wurzeln sich ihr Lebensbaum verdankt. Sie hat begriffen, wie viel es ihr bedeutet, „Tochter des auserwählten Volkes zu sein, nicht nur geistig, sondern auch blutsmäßig zu Christus zu gehören“. 8. „Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24). Liebe Schwestern und Brüder, diese Worte sprach der göttliche Lehrer gegenüber der Samariterin am Jakobsbrannen aus. Was er der Gesprächspartnerin, die ihn zufällig traf, aber ihm aufmerksam zuhörte, geschenkt hat, das spiegelt sich bei Edith Stein im „Aufstieg zum Berge Karmel“ wider. Die Tiefe des göttlichen Geheimnisses wurde für sie in der betrachtenden Stille erfassbar. Im Laufe ihres Lebens reifte sie allmählich in der Erkenntnis Gottes. Sie erkannte immer mehr ihre besondere Berufung, mit Christus den Kreuzweg zu gehen, das Kreuz gelassen und vertrauensvoll in die Arme zu nehmen und es in der Nachfolge ihres geliebten Bräutigams 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu lieben: Die heilige Teresia Benedicta vom Kreuz wird uns heute als Vorbild gezeigt, an dem wir uns ausrichten können. Sie steht auch vor uns als Beschützerin, bei der wir Zuflucht nehmen dürfen. Dank sei Gott für dieses Geschenk. Die neue Heilige sei für uns ein Beispiel für unseren Einsatz im Dienst an der Freiheit und für unsere Suche nach Wahrheit. Ihr Zeugnis trage dazu bei, die Brücke gegenseitigen Verständnisses zwischen Juden und Christen immer fester zu machen. Schwester Teresia, Du vom Kreuz Gesegnete - bitte für uns! Amen. Edith Stein - Beispiel und Begleiterin Grußworte nach dem Konzert des Mitteldeutschen Rundfunks in der Aula Paul VI. am 11. Oktober 1. Der festliche Tag der Heiligsprechung von Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz ist mit einem feierlichen „Te Deum“ ausgeklungen. Wir hatten die Freude, an einer außerordentlichen musikalischen Darbietung teilnehmen zu dürfen, die uns geholfen hat, das Wirken von Gottes Barmherzigkeit zu betrachten. Während ich den Melodien, die wir hörten, nachsinne, kommt mir ein Wort von Edith Stein in den Sinn, von der wir einige sprechende Texte gehört haben: „Es gibt Dinge, in denen man sich besser ohne Worte versteht.“ Wenn die Musik die edlen Gefühle des menschlichen Geistes deutet, erübrigen sich die Worte, um sich verständlich zu machen. Die Musik ist eine umfassende, tiefe und sehr ausdrucksstarke Sprache. Zudem zeigt das heutige Konzert, dass Musik zum Gotteslob werden kann. Danken wir dem Herrn für das schöne gemeinsame Erlebnis, das er uns heute Abend geschenkt hat. 2. Ich danke dem Sinfonieorchester und dem Chor des Mitteldeutschen Rundfunks unter der Leitung von Professor Howard Arman für dieses großartige Geschenk. Es bewegt mich, dass mein Landsmann Krzysztof Penderecki nach Rom gekommen ist, um das von ihm komponierte „Te Deum“ zu dirigieren, das er mir vor 20 Jahren anlässlich meiner Wahl in das oberste Hirtenamt der Kirche gewidmet hat. Den Musikern, Interpreten und all jenen, die in irgendeiner Weise zum guten Gelingen dieses Konzertes beigetragen haben, gilt mein herzlicher Dank. 3. Einen herzlichen Gruß entbiete ich allen, die sich heute hier eingefunden haben: den Verantwortlichen im politischen und kirchlichen Leben, den Angehörigen und Pilgern. Besonders erwähnen möchte ich die Pilger deutscher Sprache, die zur Heiligsprechung ihrer Landsmännin nach Rom gekommen sind. Stellvertretend für jene, die an der Vorbereitung dieses bedeutenden Ereignisses beteiligt waren, grüße ich Kardinal Joachim Meisner und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann. 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Ich drücke meine Dankbarkeit darüber aus, dass viele Mitglieder des jüdischen Volkes unter uns sind, vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Jedem einzelnen gilt mein herzlicher Graß; besonders heiße ich die Angehörigen von Edith Stein willkommen, die so zahlreich vertreten sind. Sie haben die Ehre, zu ihrer Verwandtschaft ein so glänzendes Beispiel für eine Frau mit Kultur und Glaube zählen zu dürfen. 5. Liebe Schwestern und Brüder! Gott beruft uns alle zur Heiligkeit. Er hat einen Plan mit jedem einzelnen. Manchmal ist es schwierig, Gottes Plan zu entdecken. Man braucht Geduld und Treue, Stille und Bereitschaft, hinzuhören. Übrigens: Auch um ein Konzert zu genießen, wie wir es heute Abend geschenkt bekamen, braucht man ein aufmerksames Gehör. Edith Stein ist für uns Beispiel und Begleiterin. Auch sie hat vom geheimnisvollen Plan, den Gott für ihr Leben geschrieben hatte, am Anfang nur „einzelne verlorene Töne“ einer Melodie wahrgenommen, die ihr aus der Feme zugetragen wurden. In der Schule des Kreuzes fanden diese Töne dann ihren Zusammenhang und wurden zu einer ganzen Symphonie. Auf ihre Fürsprache hin möge auch unser Leben zu einer harmonischen Symphonie zum Lob und zur Ehre Gottes werden. Mit diesen Gedanken segne ich Euch von Herzen. Der Priester: Leiter der Gemeinde, Lehrer des Wortes und Diener der Sakramente Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 15. Oktober Sehr geehrte Herren Kardinäle und liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt! 1. Ich freue mich, euch anlässlich der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus zu treffen. Sie sieht euch versammelt in tiefempfundener Liebe zu jenem unersetzlichen „Geschenk und Geheimnis“, dem Amtspriestertum. Ich grüße euch alle herzlich und ganz besonders Kardinal Dano Castrillon Hoyos, der mir in aller Namen Ehrerbietung und Zuneigung zum Ausdruck gebracht hat. Es ist das Vorhaben eurer Vollversammlung, den Priestern zu helfen, die Heilige Pforte des nun schon nahen Großen Jubeljahres in der rechten Verfassung zu durchschreiten, im Herzen das Bewusstsein erneuter Treue zur eigenen Identität und, daraus folgend, der einsatzfreudigen Hingabe an die missionarische Dynamik. Als Gegenstand eurer Betrachtung habt ihr passend ein Thema von grundlegender Bedeutung gewählt, nämlich: „Der Priester: Leiter der Gemeinde, Lehrer des Wortes und Diener der Sakramente in der Perspektive der Neuevangelisierung.“ Es gewinnt seine ganze Bedeutung, wenn es im Licht des Jubiläums betrachtet wird. Das Heilige Jahr Zweitausend will ja nicht ein einmaliges chronologisches Ereignis fei- 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN em, sondern der „Großtaten Gottes“ (vgl. Apg 1) gedenken, dokumentiert in den zweitausend Jahren Geschichte der Kirche, die die Menschwerdung des Wortes ausdehnt über die verschiedenen Orte und Zeiten. Das Jubiläum will ein Herz aufrütteln, das durch unsere persönliche Schuld „zerbrochen und zerschlagen“ ist. Es will den missionarischen Elan wieder aufleben lassen in dem Bewusstsein, dass allein Jesus Christus der Erlöser ist. Und es will jeden hinführen zur Freude der Begegnung mit der erbarmenden Liebe Gottes, der das Heil aller Menschen will (vgl. 1 Tim 2,4). 2. Das Priestertum Christi stellt eine Folge der Menschwerdung dar. Geboren von der immerwährenden Jungfrau Maria, ist der eingeborene Sohn Gottes in die Ordnung der Geschichte eingetreten. Er ist Priester geworden, der einzige Priester, und darum haben diejenigen, die in der Kirche mit der Würde des Amtspriestertums bekleidet sind, in einer besonderen Weise Anteil an seinem einzigen Priestertum. Das Amtspriestertum ist ein unersetzbarer Teil in der Struktur der Erlösung; es ist ein Kanal, durch den normalerweise das zum Leben notwendige frische Wasser fließt. Dieses Priestertum, zu dem man durch eine frei geschenkte Gnade berufen wird (vgl. Hebr 5,4), ist ein neuralgischer Punkt im ganzen Leben und der Sendung der Kirche. Durch das Sakrament der Priesterweihe wird der Priester umgestaltet in „Christus selbst“, um die Werke Christi zu vollbringen. Dank eines spezifischen Merkmals ereignet sich in ihm die Angleichung an Christus, das Haupt und den Hirten. Sie ist unauslöschlich und ein von der Priesterweihe untrennbares Merkmal (vgl. Pres-byterorum ordinis, Nr. 2; Lumen Gentium, Nr. 21; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1558): ein Geschenk Gottes, für immer gegeben! Der im Heiligen Geist gesalbte Priester muss sich daher die absolute und unbedingte Treue zum Herrn und zu seiner Kirche vornehmen, denn die Verpflichtung des Priestertums trägt das Zeichen der Ewigkeit in sich. Der Priester ist, wie Christus und in Christus, ein Gesandter. Die heilbringende „Sendung“, die ihm zum Wohl der Menschen anvertraut wird, ist ein Erfordernis seiner „priesterlichen Weihe“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28) und ist schon eingeschlossen in die „Berufung“, mit der Gott den Menschen anruft. Darum bilden „Berufung, Weihe und Sendung“ die Trilogie einer gleichen Wirklichkeit, konstitutive Elemente im Wesen des Priestertums (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 16). 3. An diese Wirklichkeiten zu erinnern, von der Unersetzbarkeit des geweihten Priestertums zu sprechen, heißt heute eine Tat vollbringen, die für den, der das kirchliche Leben gründlich untersucht, nicht anders als wahrhaft providentiell erscheinen muss. Denn es fehlt nicht an mehr oder weniger ausdrücklichen Versuchen, in allem kirchlichen Geschehen seine vom göttlichen Gründer gewollte Natur zu entstellen. Es geht ja auf den Willen Christi zurück, dass seine Kirche, das Volk Gottes auf dem Weg, als hierarchisch geordnete Gesellschaft gegründet und zusammengefügt ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 20), in der, wenn auch alle mit der gleichen Würde ausgezeichnet sind, doch nicht alle die gleichen Aufgaben haben. 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielmehr trägt jeder nach der Verschiedenheit der Ämter, das heißt der Pflichten und Dienste, gemäß seinem eigenen Stand zur Bezeugung des Evangeliums in der Welt bei. Darum möchte ich euch ermutigen in eurem Bemühen, im Licht der in dieser Vollversammlung entwickelten Überlegungen die Sendung des Priesters hervorzuheben. 4. Der Priester ist vor allem Führer des ihm anvertrauten Volkes. Die Struktur der Kirche geht über das „demokratische“ wie auch über das „autokratische“ Modell hinaus, denn sie beruht auf der „Sendung“ des Sohnes Gottes von Seiten des Vaters und auf der Übertragung der „Sendung“ durch die Gabe des Heiligen Geistes an die Zwölf und an ihre Nachfolger (vgl. Joh 20,21). Das ist die schon in Presby-terorum Ordinis zu findende Lehre. Das. Konzilsdekret spricht an dieser Stelle von der „Vollmacht, mit der Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet“ (Nr. 2). Das ist eine Vollmacht, die ihren Ursprung nicht von unten her hat und die daher in ihrer Ausdehnung und Ausübung nicht von einem Zusammenschluss an der Basis autonom bestimmt werden kann. Der Priester ist sodann in Verbindung mit seinem Bischof Lehrer des Wortes Gottes. Er ist Lehrer des Wortes und zuerst Diener des Wortes (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 4). Alle Gläubigen sind kraft der Sakramente der christlichen Initiation ihrem eigenen Lebensstand entsprechend zur Evangelisierung berufen, aber der geweihte Diener erfüllt diese Sendung mit einer maßgeblichen Befugnis und einer Gnade, die ihm nicht aufgrund des auch notwendigen Wissens und der. Kompetenz, sondern durch das Weihesakrament zukommen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 35). Der Priester ist ferner Diener der Sakramente. Man kann in der Tat keine echte Evangelisierung durchführen ohne das Bestreben, dass sie in die Feier der Sakramente einmündet. Es kann also keine Evangelisierung geben, die nicht auf diese Feier hin ausgerichtet ist (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5). 5. Das alles muss im Hinblick auf die Neuevangelisierung gelebt werden, die im Einsatz für das Große Jubiläum einen besonders kräftigen Ausdruck findet. Hier kreuzen sich providentiell die Wege, die im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente, in den Direktorien fiir die Priester und die ständigen Dia-kone und in der Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester entworfen wurden, mit dem, was die Frucht der gegenwärtigen Vollversammlung sein wird. Dank der allgemeinen und überzeugten Anwendung dieser Dokumente wird der nunmehr übliche Ausdruck „Neuevangelisierung“ wirksamer in die Praxis übertragen werden können. Der Titel eurer Vollversammlung rückt das Besondere des Priesters ins rechte Licht, sein Dasein in der Kirche und gegenüber der Kirche (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 16). Den Priestern helfen, die charakteristischen tragenden Pfeiler des heiligen Dienstamtes wieder zu entdecken, das wird für sie zur besten Vorbereitung, um die 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwelle der Heiligen Pforte als Menschen zu überschreiten, die zur Wahrheit über sich selbst bekehrt sind: zu der Wahrheit, dass sie Menschen sind, die Christus, dem Haupt und Hirten, kraft eines besonderen Merkmals angeglichen sind. Nur von da her ergibt sich die Sendung. Sie verlangt, dass jeder Christ genau er selbst sei und dementsprechend handle. So versteht man dann die Unersetzbarkeit der verschiedenen Lebensstände in der Kirche. Es ist daher notwendig, die Identität und die Besonderheit eines jeden immer mehr deutlich zu machen. Nur in der Achtung vor den verschiedenen und einander ergänzenden Identitäten wird die Kirche vollkommen gläubig und daher glaubwürdig sein und wird reich an Hoffnung ins neue Jahrtausend eintreten können (vgl. Pastor es dabo vobis, Nr. 12). In dieser Perspektive lade ich euch ein, eure ganze Initiative ihr in die Hände zu legen, die gleich dem Tagesanbruch das immer neue Kommen des Herrn Jesus in der Geschichte anzeigt, und ich erteile allen meinen Segen. Aufrichtiger Dank für die Hilfe und die Kraft des Gebetes Ansprache bei der Sonderaudienz für die polnischen Pilger anlässlich des 20. Jahrestages der Papstwahl am 16. Oktober 1. „Ich danke meinem Gott jedes mal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag an bis jetzt. Ich vertraue darauf, daß er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu. Es ist nur recht, daß ich so über euch alle denke, weil ich euch ins Herz geschlossen habe“ (Phil 1,3-7). Mit diesen Worten begrüße ich die Pilger, die sich aus Polen und aus verschiedenen Auswanderungsländem kommend hier auf dem Petersplatz versammelt haben, wie auch alle meine Landsleute überall auf der Welt. Besonders begrüße ich den Kardinal-Primas und danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat; herzlich grüße ich Kardinal Fran-ciszek, Metropolit von Krakau, Kardinal Andrzej Deskur, Kardinal Kazimierz Swiatek, Metropolit von Minsk-Mohylew und Apostolischer Administrator der Diözese Pinsk, sowie die Erzbischöfe, Bischöfe, Priester und geweihten Menschen. Ich begrüße den Präsidenten der Republik Polen, den Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Senats, die Abgeordneten und Senatoren sowie die Vertreter der Lokalbehörden, darunter besonders die Ortsverwaltung von Krakau, die hier durch den Provinzpräsidenten und den Bürgermeister vertreten ist, und die Abordnung der Stadt Warschau. 2. Ihr Lieben! Ihr seid zum Grab des Apostelfürsten gekommen, um zusammen mit mir Gott zu danken für die zwanzig Jahre meines pastoralen Dienstes für die Universalkirche. Diese Begegnung erinnert mich an den Augenblick in der Sixtinischen Kapelle, als man mich nach dem vorschriftsmäßig abgelaufenen Wahlgang 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fragte: „Nimmst du die Wahl an?“ Damals antwortete ich: „Im Gehorsam des Glaubens vor Christus meinem Herrn, in vollkommener Hingabe an die Mutter Gottes und die Kirche und im Bewußtsein der großen Schwierigkeiten - nehme ich die Wahl an.“ Die Wege der göttlichen Vorsehung sind unergründlich. Vom Wawel-Hügel hat mich Christus zum Vatikanischen Hügel berufen, vom Grab des hl. Stanislaus zum Grab des hl. Petrus, damit ich die Kirche entlang der Wege der konziliären Erneuerung leite. Vor meinem geistigen Auge habe ich in diesem Moment die Gestalt des Dieners Gottes Kardinal Stefan Wyszynski. Am Festtag der hl. Hedwig von Schlesien - im Laufe des Konklaves - trat er an mich heran und sagte mir: „Wenn sie dich wählen, dann lehne bitte nicht ab.“ Ich antwortete: „Vielen Dank. Gott vergelte es Ihnen, Herr Kardinal.“ Von der Gnade und den Worten des Primas des Jahrtausends gestärkt, konnte ich also mein „Fiat“ zu den unergründlichen Plänen der göttlichen Vorsehung sprechen. Heute möchte ich die Worte wiederholen, die ich in der Audienzhalle am Tag nach dem Beginn meines Pontifikats zu meinen Landsleuten sprach: „Auf dem Stuhl Petri säße jetzt nicht dieser polnische Papst [...], wäre da nicht der heroische Glaube“ unseres großen Primas, „wäre da nicht sein Glaube, gäbe es nicht seine heroische Hoffnung, sein grenzenloses Vertrauen in die Mutter der Kirche. Gäbe es nicht Jasna Göra“ (vgl. O.R., dt, Nr. 44, 3.11.1978). Wenn ich auf meine vergangene Amtszeit auf dem Stuhl Petri schaue, danke ich Gott, dass er mir die Gnade gegeben hat, die frohe Botschaft des Heils vielen Völkern und Nationen in allen Erdteilen zu verkünden, darunter auch meinen Landsleuten in Polen. Die Evangelisierung stellt ein wesentliches Amt der Sendung des Nachfolgers Petri dar, (sozusagen) seine tägliche Mühe beim Aufbau der Zivilisation der Liebe, der Wahrheit und des Lebens. 3. Vom Beginn meines apostolischen Amtes an fand ich meine Stütze im Gebet und im Opfer des ganzen Gottesvolkes; darin spielt die Kirche in Polen eine besondere Rolle. Nach der Wahl auf den Stuhl Petri bat ich meine polnischen Landsleute: „Vergeßt mich nicht beim Gebet in Jasna Göra und im ganzen Land, damit dieser Papst, der Blut von eurem Blut und Herz von eurem Herzen ist, der Kirche und der Welt in den schweren Zeiten, die ihr am Ende dieses zweiten Jahrtausends bevorstehen, gute Dienste leistet“ (vgl. O.R. dt., Nr. 44, 3.11.1978). Diese Hilfe durch das Gebet erfahre ich ständig. Euer Gebet begleitet mich jeden Tag und zu jeder Stunde auf den Wegen meines päpstlichen Amtes. Ich weiß das, und in meinem Innern spüre ich diese tiefe Verbindung, die durch das Gebet zustande kommt, wenn wir nämlich aneinander denken, wenn wir unser Herz und unsere menschlichen Probleme mit anderen teilen und sie in die Hände des allmächtigen und guten Vaters im Himmel legen. Ich bin euch besonders dankbar für euer Verharren im Gebet in den Zeiten meines Leidens und meiner Krankheit, vor allem an jenem denkwürdigen 13. Mai 1981. Es ist für mich schwer, davon ohne Ergriffenheit zu sprechen. Ihr habt während dieser ganzen Zeit gebetet und wart ganz besonders mit mir verbunden in Solidarität und geistlicher Nähe. Wie sollten wir uns in diesem Augenblick nicht an den 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „weißen Marsch“ von Krakau erinnern, zu dem sich eine große Zahl von Menschen im Gebet versammelte; sie waren vom Glauben anjiie göttliche Vorsehung und von der Liebe zur Kirche beseelt und bezeugten auf diese Weise ihre rührende Verbundenheit mit dem Papst. Heute möchte ich euch all das in Erinnerung rufen und sagen: „Gott vergelte es euch!“ Auch ich selbst versuche, es zu vergelten - mit dem täglichen Gebet für alle meine Landsleute, für unsere ganze Nation, für ganz Polen, mein Heimatland, wo mein Leben, mein Herz und meine Berufung immer noch tiefe Wurzeln haben. Die Probleme meines Vaterlandes waren und sind mir immer sehr nahe gegangen. Alles, was mein Land erlebt, bewahre ich in der Tiefe meines Herzens. Das Wohl meiner Heimat ist auch mein eigenes, und alles, was ihr Unrecht antut, sie entehrt oder sie in Gefahr bringt, gehört immer in einem gewissen Sinne auch zu mir, es wird Teil meines Herzens, meiner Gedanken und meiner Gefühle. 4. Seit mehreren Jahren bereite ich mich mit der ganzen Kirche auf den Eintritt in das dritte Jahrtausend vor. Welche historische Vorbereitung auf das Große Jubeljahr war doch für mich der 1000. Jahrestag der Taufe Polens, jene außerordentliche Erfahrung des Kampfes meiner ganzen Nation für die Treue zu Gott, zum Kreuz und zum Evangelium, als die Kirche dort verfolgt wurde! Als ich vor zwanzig Jahren mein Petrusamt in der Kirche aufnahm, sagte ich: „Öffnet die Tore für Christus!“ Heute stehen wir auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend, und diese Worte nehmen eine besondere Bedeutung an. Ich richte sie daher erneut an meine Landsleute als meinen allerbesten Wunsch. Reißt die Tore weit auf für Christus - die Tore der Kultur, der Wirtschaft, der Politik, der Familie, des persönlichen und sozialen Lebens. Denn es ist uns kein anderer Name auf Erden gegeben, durch den wir gerettet werden sollen, außer dem des Erlösers (vgl. Apg 4,2). Christus allein ist unser Mittler beim Vater, die einzige Hoffnung, die nicht enttäuscht. Ohne Christus wird der Mensch sich selbst nie richtig kennen, nie vollständig verstehen, wer er ist und wohin er geht. Die Tore für Christus öffnen bedeutet, sich ihm und seiner Lehre öffnen; Zeugen seines Lebens, Leidens und Todes zu sein. Es bedeutet, sich im Gebet und den heiligen Sakramenten mit ihm zu verbinden. Ohne die Verbindung mit Christus verliert alles seinen Sinn, und die Grenze zwischen Gut und Böse wird verwischt. Polen braucht heutzutage Menschen mit einem festen Glauben und einem rechten Gewissen, das vom Evangelium und der Soziallehre der Kirche geformt ist: Menschen, für die die göttlichen Dinge am wichtigsten sind und die ihre Entscheidungen nach den Geboten Gottes und dem Evangelium zu treffen vermögen. Es bedarf mutiger und verantwortungsbewusster Christen, die an allen Bereichen des sozialen und nationalen Lebens beteiligt sind und keine Hindernisse oder Widerstände fürchten. Die Zeit der Neuevangelisierung ist gekommen. Deshalb, meine Lieben, wende ich mich an euch mit diesem Ruf: „Öffnet die Tore für Christus!“ Seid seine Zeugen bis an die Grenzen der Erde (vgl. Apg 1,8). Ihr sollt wahrhafte Jünger Christi sein, die das Antlitz der Erde neu machen und in den Herzen der Menschen 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der ganzen Nation das Feuer der Liebe und der Gerechtigkeit entzünden können. 5. An diesem für mich so wichtigen Tag richte ich meine geistigen Blicke auf Unsere Liebe Frau von Jasna Göra und lege alle Nöte der Kirche in Polen und meiner Mitbürger in ihre mütterlichen Hände. Heute, am 16. Oktober, gedenkt die Kirche der hl. Hedwig von Schlesien - Patronin meiner Wahl zum Stuhl Petri. Ich bitte euch erneut, dafür zu beten, dass ich das Werk zu Ende führen kann, das Gott mir zu seinem Ruhm im Dienst der Kirche und der Welt aufgetragen hat (vgl. Joh 17,4). Von Herzen segne ich euch alle, die ihr hier seid, eure Familien, eure Freunde und mein gesamtes Heimatland. Im Zeichen des roten Kreuzes vom Heiligen Land Ansprache an den Rat des Ritterordens vom Heiligen Grab am 17. Oktober Herr Kardinal, sehr geehrte Herren, liebe Brüder und Schwestern! 1. Herzlich begrüße ich euch zum heutigen Treffen, das anlässlich der Versammlung des Großmagisteriums und der Statthalter des alten und berühmten Ordens vom Heiligen Grab in Rom stattfindet. Ich danke Kardinal Carlo Fumo, eurem Großmeister, für die edlen Grußworte, die er an mich gerichtet und mit denen er euer aller Empfinden zum Ausdruck gebracht hat. Außerdem möchte ich ihm für das Geschenk danken, das er mir im Namen aller überreicht hat. Meine Lieben! Euer apostolisches und karitatives Engagement entspringt in erster Linie einer tiefen Motivation aus dem Glauben: Glauben an Christus, Gottes menschgewordenen Sohn, wahrer Gott und wahrer Mensch, dessen lebloser Leib im Grab ruhte und der am Ostermorgen aus diesem Grab auferstand. Die wenigen Monate, die uns noch vom Heiligen Jahr trennen, sind eine willkommene Gelegenheit, um diesen Glauben an den Herrn Jesus Christus mit Überzeugung zu bekräftigen; dieser Glaube soll durch ein entschiedenes Zeugnis auch jenen mitgeteilt werden, die sich an euch wenden und von euch ein Wort der Hoffnung und eine karitative Geste erwarten. Ein Wort und die Geste, die aus einer vollkommenen Treue zum Erlöser des Menschen hervorgehen. 2. Das typische Kennzeichen eures Ordens ist das rote Kreuz vom Heiligen Land. Es symbolisiert die Wundmale des Herrn und sein Blut, das die gesamte Menschheit erlöst hat. Dieses Kreuz sei in euer Herz eingeprägt, damit ihr in jeder Situation Zeugen Christi, lebendige und aktive Mitglieder eurer jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften seid. Mit der inneren Anregung zur Verehrung des Kreuzes Christi werdet ihr den Menschen um euch die Liebe zu jenem Land zu vermitteln wissen, wo der Erlöser während seines irdischen Daseins gelebt hat, und die Gemüter der Gläubigen mobilisieren, damit den von der Anwesenheit Christi gehei- 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ligten Orten nie die nötige Hilfe zur Verwirklichung des providentiellen göttlichen Heilsplanes fehlt. Wie wichtig und bedeutend ist daher euer Auftrag! Eurem besonderen Charisma treu, seid ihr aufgerufen, in gewisser Weise den karitativen Eifer des Apostels Paulus nachzuahmen, der „zur Hilfeleistung für die Heiligen“ in Jerusalem beitragen wollte (vgl. 2 Kor 8,4) und deshalb die verschiedenen Kirchen aufforderte, sich in ihren Almosen für die Brüder in Jerusalem großzügig zu zeigen, denn „wenn die Heiden an ihren geistlichen Gütern Anteil erhalten haben, so sind sie auch verpflichtet, ihnen mit irdischen Gütern zu dienen“ (Röm 15,27). 3. Und was sollten wir noch zu eurem wertvollen Dienst für die Einheit der Gläubigen sagen? Den Geboten des Zweiten Vatikanischen Konzils gehorsam, und gemäß den Fähigkeiten eines jeden sollt ihr überzeugte Verfechter der Ökumene sein und angemessene Programme zur Kooperation mit anderen christlichen Konfessionen erarbeiten; außerdem sollt ihr - unter der Leitung der Bischöfe - einen aufmerksamen und fruchtbaren Dialog mit den Anhängern anderer Religionen pflegen, um den Frieden im Land des Friedensfürsten zu festigen - in jener Stadt Jerusalem, die das Symbol der ewigen Glückseligkeit ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zur vollen Entfaltung dieser typischen Berufung der Heiligen Stadt beizutragen. Die erste und wirksamste Möglichkeit ist sicherlich das Gebet, denn ohne das ständige Gebet bleiben alle Bemühungen zum Aufbau der Stadt vergeblich. Seid also engagierte Apostel des Gebets. Zweitens sollt ihr Projekte für den Frieden und die Kooperation fördern, die darauf abzielen, das Heilige Land zu einer Region der Begegnung und des Dialogs zu machen, bei gegenseitiger Achtung und in loyaler Zusammenarbeit. Was die dort lebenden Christen betrifft, die gegenwärtig nicht wenige Schwierigkeiten durchmachen, so sei es eure Sorge, sie eure brüderliche Hilfe spüren zu lassen, begleitet von jener lobenswerten Großzügigkeit, die alle eure Initiativen auszeichnet. Der Herr wird euch dafür belohnen und eure Mühen segnen. 4. Meine Lieben! Die Zielsetzungen, die ihr vor euch habt, werden umso wichtiger, je mehr sich das Jubeljahr nähert. Die Heilige Stadt, die - wie Rom - zur Pilgerfahrt im Glauben auffordert, sei das Ziel eures geistigen Weges der Reue und Umkehr. In diesem Geist reist ins Heilige Land und fordert auch andere Menschen zu Pilgerfahrten nach Jerusalem auf. Denen, die sich nicht dorthin begeben können, bringt die Praxis des Kreuzwegs näher. Die Zugehörigkeit zum Orden vom Heiligen Grab wird auf diese Weise ein Ansporn zur persönlichen Askese auf der Grundlage der tiefen Lehre, die wir im Kreuz erkennen. Sie wird auch ein Ansporn sein zu pastoralem Handeln im Rahmen der Neuevangelisierung. Auf diesem spirituellen und apostolischen Weg unterstütze euch eure himmlische Patronin Maria, Königin von Palästina, die sich in ihrem irdischen Dasein voll und ganz für die Verwirklichung des göttlichen Heilsplans zur Verfügung stellte. 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Wünschen spende ich jedem von euch den Apostolischen Segen, den ich gerne auf alle Mitglieder des Ordens und ihre Familien ausdehne. Verkündigung des Wortes in unermüdlicher Belehrung bis zur Wiederkunft des Herrn Predigt bei der Eucharistiefeier zum 20. Jahrestag des Pontifikatsbeginns am 18. Oktober 1. „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“ (Lk 18,8). Diese Frage, die Christus eines Tages an seine Jünger stellte, hat im Lauf der zweitausend Jahre des christlichen Zeitalters viele Male den Männern gegolten, die die göttliche Vorsehung berufen hat, den Petrusdienst zu übernehmen. In diesem Augenblick denke ich an alle meine fernen und nahen Vorgänger. Ich denke in besonderer Weise an mich und an das, was am 16. Oktober 1978 geschah. Mit der heutigen Feier danke ich dem Herrn, zusammen mit euch allen, für diese zwanzig Jahre Pontifikat. Es kommt mir wieder der 26. August 1978 in Erinnerung, als in der Sixtinischen Kapelle die an meinen unmittelbaren Vorgänger gerichteten Worte des nach der Rangordnung ersten Kardinals erklangen: „Nimmst du deine kanonische Wahl zum Papst an?“ „Ich nehme sie an“, antwortete Kardinal Albino Luciani. „Wie willst du genannt werden?“ fuhr Kardinal Villot fort. „Johannes Paulus“ war die Antwort. Wer hätte damals gedacht, dass nach kaum einigen Wochen dieselben Fragen an mich als seinen Nachfolger gestellt würden? Auf die erste Frage antwortete ich: „Im Gehorsam des Glaubens, vor Christus, meinem Herrn - der Mutter Christi und der Kirche mich anvertrauend - der großen Schwierigkeiten bewußt -, nehme ich an.“ Und auf die anschließende Frage: „Wie willst du genannt werden?“ antwortete auch ich: „Johannes Paulus.“ Nach der Auferstehung fragte Christus den Petrus dreimal: „Liebst du mich?“ Der Apostel antwortete, seiner Schwachheit bewusst: „Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich lieb habe“ (vgl. Joh 21,15-17), und er empfing von Ihm den Auftrag: „Weide meine Schafe“ (Joh 21,17). Diese Sendung hat der Herr dem Petrus und in ihm allen seinen Nachfolgern anvertraut. Die gleichen Worte hat er auch an den, der heute zu euch spricht, gerichtet in dem Augenblick, in welchem ihm die Aufgabe übertragen wurde, den Glauben der Brüder zu stärken. Wie oft habe ich mir in Gedanken die Worte Jesu wieder vergegenwärtigt, die Lukas uns in seinem Evangelium bewahrt hat. Kurz bevor er sein Leiden auf sich nahm, sagte Jesus zu Petrus: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,31-32). „Die Brüder im Glauben stärken“, das ist also einer der wesentlichen Aspekte des Hirtendienstes, 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der dem Petrus und seinen Nachfolgern übertragen ist. In der heutigen Liturgiefeier stellt Jesus die Frage: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“ Es ist eine Frage, die alle angeht, besonders aber die Nachfolger Petri. „Wenn er kommt, wird er finden ...?“ Mit dem Ablauf eines jeden Jahres kommt seine Wiederkunft näher. Wenn wir das Messopfer feiern, antworten wir nach der Wandlung immer: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Wird er, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden? 2. Die liturgischen Lesungen dieses Sonntags können eine zweifache Antwort auf diese Frage wachrufen. Die erste entnehmen wir der Mahnung, die der hl. Paulus an seinen treuen Mitarbeiter Timotheus richtet. Der Apostel schreibt: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,1-2). Hier ist ein genaues Aktionsprogramm zusammengefasst. Der apostolische Dienst, und insbesondere der Petrusdienst, besteht in der Tat an erster Stelle in der Unterweisung. Um die göttliche Wahrheit zu lehren, muss derjenige, der dies tut, selbst fest sein in dem, was er gelernt und wovon er sich überzeugt hat, wie der Apostel ferner an Timotheus schreibt (vgl. 2 Tim 3,14). Der Bischof, und erst recht der Papst, muss beständig zu den Quellen der Weisheit zurückkehren, die zum Heil führen. Er muss das Wort Gottes lieben. Nach zwanzig Dienstjahren auf dem Stuhl Petri kann ich nicht umhin, mir heute einige Fragen zu stellen: Bist du all dem nachgekommen? Bist du ein fleißiger und wachsamer Lehrer des Glaubens in der Kirche gewesen? Hast du den Menschen von heute das große Werk des II. Vatikanischen Konzils nahe zu bringen gesucht? Warst du bestrebt, den Erwartungen der Gläubigen in der Kirche gerecht zu werden und auch jenem Hunger nach Wahrheit, der außerhalb der Kirche in der Welt zu spüren ist? Und in meinem Geist hallt die Aufforderung des hl. Paulus wider: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten“ - der auch dich richten wird -: „Verkünde das Wort“ (2 Tim 4,1-2)! Das Wort verkünden! Das ist meine Aufgabe. Alles tun, was möglich ist, damit der Menschensohn, wenn er kommt, auf Erden den Glauben vorfinden kann. 3. Und dann gibt es noch eine andere Antwort. Wir können sie der ersten biblischen Lesung, der Lesung aus dem Buch Exodus entnehmen. Sie stellt uns wie ein Symbol das Bild des Mose im Gebet vor Augen. Er hält die Hände zum Himmel erhoben, während er von einem Hügel aus die Schlacht seines Volkes gegen die Amalekiter verfolgt. Wenn Mose die Hände erhob, war Israel der Stärkere, und als Mose fühlte, dass ihm die Arme schwer wurden, bot man ihm einen Steinbrocken zum Sitzen an, während Aaron und Hur, der eine von der einen und der andere von 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der anderen Seite, seine Hände stützten. Und er verharrte im Gebet bis zum Sonnenuntergang, bis zum Sieg Josues über Amalek (vgl. Ex 17,11-13). Das ist ein Bild von außerordentlicher Ausdruckskraft: das Bild des betenden Hirten. Es ist schwierig, einen mehrsagenden Hinweis auf alle die Situationen auszumachen, in denen das neue Israel, die Kirche, sich im Kampf gegen die verschiedenen „Amalekiter“ befindet. In gewissem Sinn hängt alles von den zur Höhe erhobenen Händen des Mose ab. Das Gebet des Hirten stützt die Herde. Das ist sicher. Aber es ist auch wahr, dass das Gebet des Volkes den stützt, der die Aufgabe hat, es zu leiten. So war es von Anfang an. Als Petrus in Jerusalem im Gefängnis festgehalten wurde, um, wie Jakobus, nach den Festtagen zum Tod verurteilt zu werden, betete die ganze Kirche für ihn (vgl. Apg 12,1-5). Die Apostelgeschichte berichtet, dass er auf wunderbare Weise aus dem Gefängnis entkam (vgl. Apg 12,6-11). Im Lauf der Jahrhunderte ist es unzählige Male so gewesen. Ich selbst bin Zeuge dafür, dass ich es in erster Person erfahren habe. Das Gebet der Kirche ist eine große Macht! 4. Hier möchte ich allen danken, die mir in diesen Tagen ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht haben. Dank für die vielen Glückwunschbotschaften, die mir gesandt wurden; Dank vor allem für das beständige Gebetsgedenken! Ich denke in besonderer Weise an die Kranken und Leidenden, die mir mit dem Aufopfem ihrer Leiden nahe sind. Ich denke an die Klausurklöster und an die vielen Ordensmänner und Ordensfrauen, an die Jugendlichen und an die Familien, die unaufhörlich einen einmütigen Ruf für mich und für meinen universalen Dienst zum Herrn erheben. Ich habe in diesen Tagen das Herz der Kirche neben mir schlagen hören! Dank euch allen, die ihr hier auf dem Petersplatz anwesend seid und euch mit mir vereint in meinem Lobgebet an Gott für die zwanzig Jahre des Dienstes an der Kirche und an der Welt als Bischof von Rom! Ein besonderes Dankeswort gilt dem Präsidenten der Italienischen Republik und denen, die ihn heute morgen begleitet haben, um mich mit ihrer Anwesenheit zu ehren. Mit brüderlicher Zuneigung danke ich sodann Kardinal Camillo Ruini, der zu Beginn der Feier euer aller Treue zu Christus und zum Nachfolger Petri zum Ausdruck gebracht hat. Ich bin gerührt über die Anwesenheit so zahlreicher Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe und besonders von Priestern der Diözese Rom und der Kurie, die an dieser feierlichen eucharistischen Konzelebration teilnehmen. Ich möchte in diesem Augenblick euch allen, meine Lieben, sagen, wie kostbar für mich eure Unterstützung während dieser zwanzig Jahre des Dienstes an der Kirche auf der Kathedra Petri war. Ich möchte meinen Dank bezeigen für die Herzlichkeit, mit der die Stadt Rom und Italien mich von den ersten Tagen meines Petrusdienstes an aufgenommen haben. Ich bitte den Herrn, er möge euch reichlich vergelten, was ihr getan habt und noch tut, um mich in der mir übertragenen Aufgabe zu unterstützen. Liebe Brüder und Schwestern von Rom, von Italien und der Welt! Der Sinn unserer Versammlung zum Gebet auf dem Petersplatz besteht darin: - Gott zu danken 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für die liebevolle Sorge, womit er beständig sein Volk auf dem Weg durch die Geschichte führt und stärkt; - meinerseits erneut das „Ja“ zu sagen, das ich vor nunmehr zwanzig Jahren im Vertrauen auf die Gnade Gottes gesprochen habe; - und, was euch betrifft, von euch zu erbitten, immer für diesen Papst zu beten, damit er seine Sendung bis auf den Grund erfüllen kann. Von ganzem Herzen vertraue ich aufs neue mein Leben und mein Dienstamt der Jungfrau Maria, Mutter des Erlösers und Mutter der Kirche, an. In kindlicher Hingabe an sie wiederhole ich: Totus tuus! Amen. Weitergabe des Glaubens stärkt den eigenen Glauben Botschaft vom 31. Mai 1998 anlässlich des Weltmissionssonntags am 18. Oktober „... ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). 1. Der Weltmissionssonntag dieses Jahres, das dem Heiligen Geist gewidmet und das zweite Jahr der Vorbereitungsphase auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 ist, kann nur in Ihm seinen Bezugspunkt haben. Der Geist ist die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung, dessen „Werk großartig in der Mission ad gentes aufleuchtet, wie es in der ersten Kirche aufscheint“ (Redemptoris missio, Nr. 21). Das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche und in der Welt kann gewiss nicht mit statistischen Analysen oder anderen wissenschaftlichen Hilfsmitteln verstanden werden, denn es befindet sich auf einer anderen Ebene, derjenigen der Gnade, die im Glauben empfangen wird. Es handelt sich oft um ein verborgenes, geheimnisvolles, doch mit Sicherheit tiefwirkendes Handeln. Der Heilige Geist hat die antreibende Kraft nicht verloren, die er zur Zeit der Urkirche besaß; er wirkt heute wie zu den Zeiten Jesu und der Apostel. Die Wunder, die Er vollbringt, von denen in der Apostelgeschichte berichtet wird, wiederholen sich auch in unseren Tagen, bleiben jedoch oft unbekannt, da in vielen Teilen der Welt die Menschen nunmehr in säkularisierten Kulturen leben, die die Realität interpretieren, als ob Gott nicht existieren würde. Der Weltmissionssonntag soll deshalb Gelegenheit bieten, unser Augenmerk auf die wunderbaren Taten des Heiligen Geistes zu lenken, damit sich in uns der Glaube stärke und, eben aufgrund des Wirkens des Heiligen Geistes, ein großes missionarisches Wiedererwachen in der Kirche geschehen kann. Ist nicht die Festigung des Glaubens und das Zeugnis der Christen das Hauptziel des Jubiläums? Pflege von menschlichen Beziehungen 2. Das Bewusstsein davon, dass der Geist im Herzen der Gläubigen wirkt und in die Ereignisse der Geschichte eingreift, ist Anlass für den Optimismus der Hoff- 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nung. Das erste große Zeichen dieses Wirkens, das ich als Gegenstand der gemeinsamen Reflexion vorschlagen möchte, ist paradoxerweise die Krise der modernen Welt: ein komplexes Phänomen, das in seiner Negativität als Reaktion oft inständige Fürbitten an den belebenden Geist hervorruft und den verzehrenden Wunsch nach der Frohbotschaft des Heilands freilegt, der den Herzen der Menschen innewohnt. Wie könnte man in diesem Zusammenhang nicht an die weise Betrachtung über die heutige Welt erinnern, die das II. Ökumenische Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Nm. 4-10) erläutert? In den letzten Jahrzehnten hat sich die darin analysierte epochale Krise noch verschlimmert: das Fehlen von Idealen und Werten hat sich oft noch ausgedehnt; der Sinn für die Wahrheit ist geschwunden, und ein moralischer Relativismus ist gewachsen; nicht selten scheint eine individualistische, eigennützige Ethik vorzuherrschen, der es an festen Bezugspunkten fehlt; oft wird betont, wie der moderne Mensch, wenn er Gott ablehnt, sich weniger als Mensch fühlt, von Ängsten und Spannungen erfüllt ist, in sich selbst verschlossen, unzufrieden und egoistisch. Die praktischen Konsequenzen sind gut sichtbar: das Modell der Konsumgesellschaft, das oft kritisiert wurde, herrscht immer mehr vor; die oft legitimen Sorgen um zahlreiche materielle Probleme nehmen die Menschen oft so sehr in Anspruch, dass zwischenmenschliche Beziehungen kalt und schwierig werden. Die Menschen sind gefühllos, aggressiv, können nicht mehr lächeln, grüßen, „Danke“ sagen oder sich für die Probleme des anderen interessieren. Aufgrund einer Reihe wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Faktoren gibt es in den fortschrittlichsten Gesellschaften eine besorgniserregende „Sterilität“, die gleichsam spirituell und demographisch ist. Doch gerade diese Situationen, die die Menschen an die Grenzen der Verzweiflung führen, spornen oft dazu an, Ihn anzurufen, der „der Herr ist und Leben schenkt“, denn der Mensch kann ohne Sinn und Hoffnung nicht leben. Begegnen von Völkern und Kulturen 3. Ein zweites große Zeichen der Gegenwart des Geistes ist die Wiedergeburt des religiösen Sinns unter den Völkern. Dabei handelt es sich um eine Bewegung, die nicht ohne Zweideutigkeit ist, die jedoch auf unmissverständliche Weise die theoretische und praktische Unzulänglichkeit atheistischer Philosophien und Ideologien und Materialismen, die den Horizont des Menschen auf die weltlichen Dinge beschränkt, unter Beweis stellt. Der Mensch kann sich nicht selbst genügen. Heute hat sich die Überzeugung verbreitet, dass die Vorherrschaft der Natur und des Universums, die fortschrittlichsten Wissenschaften und Techniken dem Menschen nicht ausreichen, da sie nicht imstande sind, den letzten Sinn für die Wirklichkeit zu wecken: Sie sind nur einfache Instrumente, nicht Zweck des Lebens des Menschen und der Geschichte der Menschheit. 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neben dem religiösen Wiedererwachen ist es auch wichtig, auf „die Durchsetzung bei den Völkern jener evangelischen Werte, die Jesus in seinem Leben verkörpert hat (Friede, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Sorge für die Kleinen)“ (Redemptoris missio, Nr. 3), hinzuweisen. Betrachten wir die Geschichte der letzten beiden Jahrhunderte, so wird uns bewusst, wie unter den Völkern das Bewusstsein von den Werten der menschlichen Person und den Rechten des Mannes und der Frau, vom universalen Streben nach Frieden, dem Wunsch, Grenzen und Rassenunterschiede zu überwinden, der Tendenz zur Begegnung von Völkern und Kulturen, von der Toleranz gegenüber jenen, die als verschieden betrachtet werden, dem Engagement für Taten der Solidarität und der Freiwilligenarbeit, von der Verweigerung von politischen Autoritarismus und der Festigung der Demokratie sowie vom Streben nach einer gerechteren internationalen Verteilung auf wirtschaftlichem Gebiet gewachsen ist. Wie könnte man in dem allem nicht das Wirken der Göttlichen Vorsehung erkennen, die die Menschheit und die Geschichte zu Lebensumständen leitet, die für alle würdiger sind? Deshalb dürfen wir nicht pessimistisch sein. Der Glaube an Gott führt vielmehr zu Optimismus, zu jenem Optimismus, der von der evangelischen Botschaft ausgeht: „Wenn man die heutige Welt oberflächlich betrachtet, ist man nicht wenig betroffen von den negativen Tatsachen, die zum Pessimismus führen können. Aber dieses Gefühl ist nicht gerechtfertigt: Wir glauben an Gott ... Gott ist dabei, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann“ (Redemptoris missio, Nr. 86). 4. Der Geist ist in der Kirche gegenwärtig und leitet sie in ihrer Mission unter den Völkern. Es ist tröstend, zu wissen, dass nicht wir, sondern Er selbst die Hauptperson der Mission ist. Dies gibt Gemütsruhe, Freude, Hoffnung und Mut. Es sind nicht die Ergebnisse, um die sich der Missionar sorgen muss, denn sie befinden sich in den Händen Gottes: Er muss sich mit all seinen Kräften einsetzen und zulassen, dass der Herr in der Tiefe wirkt. Der Geist weitet die Perspektive der kirchlichen Sendung außerdem bis an die Grenzen der Welt aus. Daran erinnert uns alljährlich der Weltmissionssonntag, indem betont wird, dass es notwendig ist, die Horizonte der Evangelisierung niemals einzugrenzen, sondern sie fortwährend den Dimensionen der ganzen Menschheit zu öffnen. Sogar die Tatsache, dass es in der Kirche, die aus dem gekreuzigten Christus geboren wurde, noch heute Verfolgung und Martyrium gibt, wird zu einem wichtigen Zeichen der Hoffnung für die Mission. Wie könnte man in diesem Zusammenhang nicht daran erinnern, dass Missionare und einfache Gläubige weiterhin ihr Leben im Namen Christi hingeben? Auch die Geschichte der letzten Jahre beweist, dass die Verfolgung neue Christen mit hervorbringt und dass das Leid, das Christus für das Evangelium erlitten hat, für den Aufbau des Reiches Gottes unverzichtbar ist. Ich möchte auch an jene Menschen erinnern und ihnen meinen Dank aussprechen, die in ihrem alltäglichen Dienst Gott ihr Gebet und ihr Leiden für die Mission und die Missionare opfern. 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorbild der jungen Kirchen 5. In den jungen Kirchen wird die Gegenwart des Geistes mit einem anderen großen Zeichen sichtbar: Die jungen christlichen Gemeinschaften sind vom Glauben begeistert, und ihre Mitglieder, insbesondere die jungen, werden zu deren überzeugten Förderern. Der Ausblick, der sich diesbezüglich unseren Augen bietet, ist tröstlich. Gläubige, die sich erst vor kurzem bekehrt haben oder noch Katechume-nen sind, verspüren den Hauch des Geistes und werden in der Begeisterung des Glaubens zu Missionaren im eigenen Umfeld. Ihr apostolisches Handeln spiegelt sich auch nach außen wieder. In Lateinamerika haben sich zum Beispiel das Prinzip und die Praxis der „Mission unter den Völkern“ insbesondere nach den beiden letzten CELAM-Konferenzen in Puebla (1979) und Santo Domingo (1992) gefestigt. Es fanden bereits fünf Lateinamerikanische Missionskongresse statt, und die Bischöfe verkünden mit Stolz, dass sie, obschon noch großer Bedarf an apostolischem Personal besteht, mehrere tausend Priester, Schwestern und Laienmitarbeiter in der Mission, insbesondere in Afrika, zählen können. Auf diesem Kontinent ist die Entsendung von apostolischem Personal von einer Nation in die andere eine besondere Praxis, die sich als gegenseitige Hilfe unter den Kirchen erweist, zu der die Bereitschaft zur Mission nach außen hinzukommt. Die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, die im Frühling dieses Jahres in Rom gefeiert wurde, hat die missionarische Dimension der asiatischen Kirchen, in denen in Indien, auf den Philippinen, in Korea, Thailand, Vietnam und Japan verschiedene missionarische Säkularinstitute entstanden sind, in ein besonderes Licht gestellt. Asiatische Priester und Schwestern arbeiten in Afrika, Ozeanien, in den Ländern des Nahen Ostens und in Lateinamerika. Öffnen der Herzen für Christus 6. Angesichts des Aufblühens apostolischer Initiativen in allen Teilen der Erde ist es nicht schwierig zu erkennen, wie der Geist sich in den verschiedenen Charismen zeigt, die die Weltkirche bereichern und wachsen lassen. Der Apostel Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther ausführlich über die Verteilung der Geistesgaben und das Wachstum der Kirche (vgl. 1 Kor 12-14). Die .(Zeit des Geistes“, in der wir leben, führt uns immer mehr zu einer Vielzahl von Ausdrucks-formen, einem Pluralismus der Methoden und Formen, in denen der Reichtum und die Lebendigkeit der Kirche zum Vorschein kommen. Hierin liegt die Bedeutung der Missionen und der jungen kirchlichen Gemeinschaften, die bereits im Stillen, in der Art des Heiligen Geistes, eine wohltuende Erneuerung ihres Lebens bewirkt haben. Zweifelsohne stellt sich das dritte Jahrtausend als erneuerter Aufruf zur Weltmission und gleichsam zur Inkulturation des Evangeliums in den verschiedenen Ortskirchen heraus. 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. In meiner Enzyklika Redemptoris missio habe ich geschrieben: „In der Geschichte der Kirche ist die Befolgung des missionarischen Auftrages immer ein Zeichen kraftvollen Lebens gewesen, wie die Nachlässigkeit diesem gegenüber Zeichen einer Glaubenskrise ist“ (Nr. 2). Deshalb fordere ich dazu auf, gegen jeglichen Pessimismus den Glauben im Wirken des Geistes zu festigen, der alle Gläubigen zur Heiligkeit und zum missionarischen Einsatz beruft. Wir konnten erst vor kurzem das 175jährige Jubiläum des Werkes der Glaubensverbreitung feiern, das in Lyon im Jahr 1822 von einer jungen Laiin, Pauline Jaricot, gegründet wurde, deren Heiligsprechungsprozess bereits eingeleitet wurde. Durch eine glückliche Eingebung hat diese Initiative zum Wachstum einiger grundlegender Werte in der Kirche beigetragen, die heute von den Päpstlichen Missionswerken verbreitet werden: Der Wert der Mission selbst, die in der Kirche eine Lebendigkeit des Glaubens hervorrufen kann und die mit dem Einsatz wächst, indem man mitteilt: „Der Glaube wird stark durch Weitergabe“ (Redemptoris missio, Nr. 2); der Wert der Universalität des missionarischen Einsatzes, da alle, ohne Ausnahme, berufen sind, hochherzig an der Mission der Kirche teilzuhaben; das Gebet, das Opfer des eigenen Leidens und das Zeugnis des Lebens als wichtigste Elemente der Mission, die allen Söhnen und Töchtern Gottes zugänglich sind. Schließlich erinnere ich an den Wert der missionarischen Berufe „ad vitam“: Ist die gesamte Kirche ihrem Wesen nach missionarisch, so sind die Missionare und Missionarinnen „ad vitam“ dafür das lebendige Beispiel. Ich nutze deshalb diese Gelegenheit, um meinen Aufruf an all jene, die in den Diensten der Kirche stehen, damnter insbesondere die Jugendlichen, zu erneuern: „Die Sendung ... ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein“, betonte ich in meiner Enzyklika Redemptoris missio (Nr. 1), und aus diesem Grund müssen wir auf die Stimme Christi hören, die uns noch heute ruft: „Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Men-schenfischem machen“ (vgl. Mf4,19). Fürchtet euch nicht! Öffnet Christus die Pforten eurer Herzen und eures Lebens! Lasst euch von der Mission der Verkündigung des Reiches Gottes mitreißen: deshalb wurde der Herr „gesandt“ (vgl. Lk 4,43), und deshalb hat er diesen Auftrag an seine Jünger aller Zeiten weitergegeben. Gott, der in seiner Hochherzigkeit nicht übertroffen werden kann, wird euch das Hundertfache und das ewige Leben geben (vgl. Mt 19,29). Ich vertraue Maria, dem Vorbild der Missionarität und Mutter der Missionskirche, all jene an, die ad gentes oder im eigenen Land und in jedem Lebensstatus an der Verkündigung des Evangeliums teilhaben, und erteile allen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am Pfingstfest, dem 31. Mai 1998. Joannes Paulus PP. II 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich fühle mich ganz als Römer und Italiener Ansprache an den Präsidenten der Republik in Italien, Oscar Luigi Scalfaro, beim Besuchs im Quirinal am 20. Oktober Herr Präsident! 1. Da bin ich nun wieder in diesem historischen Palast, am höchsten Amtssitz der Italienischen Republik, zu einem seit langem geplanten und vor einem Monat offiziell angekündigten Besuch. Ich danke für den liebenswürdigen Willkommensgruß, mit dem Sie mich empfangen haben und worin Sie auch das Empfinden des italienischen Volkes zum Ausdruck brachten. Und ich danke für die Aufmerksamkeit, womit Sie sich in Anerkennung der jeweiligen Kompetenzen für die Verwirklichung jener Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche „zur Förderung des Menschen und zum Wohl des Landes“ einsetzen, wie es den Wünschen in den Übereinkünften vom 18. Februar 1984 entspricht. Der heutige Besuch liegt in gleicher Linie mit anderen fruchtbaren Begegnungen und bezeugt, dass die Zusammenarbeit von Kirche und Staat in Italien im konkreten Leben der italienischen Bürger und der Institutionen wohltuende Wirkungen hervorbringen kann. Darüber kann ich mich nur freuen und bei diesem bedeutsamen Anlass einen öffentlichen Dank zum Herrn erheben. 2. Heute, bin ich als Nachfolger Petri und Hirt der Universalkirche hier. Es ist mir ja gegeben, von Rom - von diesem „unserem“ Rom aus - meine apostolische Sendung auszuüben. Kraft des von Christus mir übertragenen Auftrags, der mich zum Bischof von Rom und Primas von Italien macht, fühle ich mich - auch wenn ich aus einem fernen Land komme - ganz als Römer und Italiener. Mein Verflochtensein mit der Geschichte der Stadt Rom und Italiens ist keine lediglich formelle Tatsache. Vielmehr hat im Lauf der Jahre meine herzliche Anteilnahme am Leben eines Volkes, zu dem mich die Vorsehung schon in meinen Jugendjahren geführt hat, zugenommen, seitdem ich nach der Priesterweihe von meinem Bischof zur Vervollständigung meiner akademischen Studien in diese Stadt gesandt wurde. Schon damals konnte ich mit der lebhaften Menschlichkeit und der aufrichtigen Religiosität der Römer Kontakt aufnehmen. Ich erinnere mich noch immer an die via del Quirinale, denn ich habe in dieser Straße, Haus Nr. 26, gewohnt, im Belgischen Kolleg. Jeden Tag ging ich morgens und abends durch die via del Quirinale, vorbei am Präsidentenpalast. Es war in den Jahren zwischen 1946 und 1948. Diese Nähe hat sich dann bei der häufigen Rückkehr nach Rom vertieft und hat sich gefestigt während des II. Vatikanischen Konzils. Bei der Ernennung zum Kardinal hat mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., mich zum Mitglied des römischen Klerus gemacht und mir als Titelkirche die Kirche des hl. Caesarius auf dem Palatin zugewiesen. Dann berief mich der Herr am Nachmittag des 16. Oktober vor zwanzig Jahren, Nachfolger des Petrus zu werden, und band mein Leben nach geheimnisvollem Plan für immer an Italien. Aber ich 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte noch andere Umstände erwähnen. Hier in Italien, vor allem in Montecas-sino, haben meine Klassenkameraden gekämpft. Einige von ihnen mussten das Leben lassen und sind in der Nähe von Ancona und an anderen Orten begraben. In gewissem Sinn haben sie mir den Weg bereitet. In diesen zwanzig Pontifikatsjahren habe ich immer mehr an den Freuden und Leiden, an den Problemen und Hoffnungen der italienischen Nation teilgenommen und habe bei den Pastoralbesuchen und den häufigen Begegnungen tiefe Beziehungen zu den Gläubigen aller Regionen aufgenommen und überall Erweise der Achtung und Zuneigung empfangen. 3. Rom und der Sitz des Petrus! Seit zweitausend Jahren begegnen sich diese beiden Wirklichkeiten und berufen sich aufeinander, auch in der Aufeinanderfolge der Personen und der Institutionen. Die Formen dieses Verhältnisses waren im Lauf der Jahrhunderte verschiedenen Wechselfällen unterworfen, wobei sich lichtvolle mit dunklen Momenten mischten. Niemandem jedoch entgeht es, dass sie zueinander gehören und dass man die Geschichte der einen nicht verstehen kann, ohne auf die Sendung der anderen Bezug zu nehmen. Diese besondere Beziehung im Lauf der Jahrhunderte macht den Nutzen deutlich, den beide Institutionen aus dieser providentiellen Nähe ziehen. Der Anwesenheit des Petrus und seiner Nachfolger verdanken Rom und die Menschen Italiens den größten Reichtum ihres geistigen Erbes und ihrer kulturellen Identität: den christlichen Glauben. Hier können wir nicht umhin daran zu denken, welche erstaunlichen Werke die Bereiche der Kunst, der Rechtswissenschaft, der Literatur, des Städtebaus und der karitativen Werke hervorgebracht haben, ganz zu schweigen vom vielgestaltigen Erbe an Überlieferungen und Volksbräuchen. Das alles stellt einen vielsagenden Ausdruck der eingewurzelten und glücklichen Präsenz des Christentums im Leben des italienischen Volkes dar. Aus diesen Reichtümem an Menschlichkeit und an Kultur hat die Kirche Christi außerdem wertvolle Mittel zur Verbreitung des Evangeliums in jedem Teil der Welt geschöpft. 4. Das rege Einvernehmen zwischen Italien und der katholischen Kirche muss sich jetzt in der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend festigen, ja noch intensiver werden. Mit dieser Feier wollen die Christen dem Herrn danken für das entscheidende Ereignis der Menschwerdung des Sohnes Gottes und sich darauf vorbereiten, geistig erneuert die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten. Das Jubiläum ist ein vor allem geistliches Ereignis, eine den Nachfolgern Christi und allen Menschen guten Willens vorgeschlagene Gelegenheit zu Versöhnung und Bekehrung, damit sie die Seele und das Ferment für ein neues, von wahrer Gerechtigkeit und wirklichem Frieden gekennzeichnetes Jahrtausend werden können. Unser Jahrhundert hat Tragödien kennen gelernt, verursacht durch Ideologien, die sich der Illusion hingaben, im Kampf gegen jede Form von Religion eine Gesellschaft ohne Gott, ja sogar gegen Gott aufzubauen. 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge das kommende Jubiläum allen die Möglichkeit bieten, über die dringende Verantwortung zum Aufbau einer Welt nachzudenken, die das „Haus des Menschen“, jedes Menschen, sein soll, in voller Achtung vor dem menschlichen Leben, von seiner Geburt bis zu seinem natürlichen Ende. Die Christen haben in dieser Hinsicht die Sendung, zu verkündigen und zu bezeugen, dass Christus die Mitte und das Herz der neuen Menschheit ist, die danach strebt, die „Kultur der Liebe“ zu verwirklichen. Das Jubiläum wird auch für das italienische Volk eine kostbare Gelegenheit bilden, seine echte Identität neu zu entdecken und sich im Licht der großen christlichen Werte für seine eigene Tradition einzusetzen zum Aufbau eines von Fortschritt und geschwisterlichem Zusammenleben gekennzeichneten neuen Zeitalters. 5. Der Einsatz und die Zusammenarbeit aller werden dazu führen, dass das kommende Heilige Jahr zu einem weiteren Kapitel der einzigartigen Geschichte von Treue zum Evangelium und zu bereitwilliger Gastfreundschaft wird, die Italien kennzeichnen. Der Gedanke wendet sich spontan hin zu der Blüte heiliger Männer und Frauen, die das italienische Volk aufweist. Es ziemt sich auch, der unzählbaren Scharen von Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen zu gedenken, die in allen Gegenden Italiens und in so vielen Teilen der Welt zu Meistern und Lehrern geworden sind und zum Guten angeleitet haben. Und was ist überdies von all den Vätern und Müttern zu sagen, die bescheiden und hingebend, liebevoll und treu an ihre Kinder Lebensmodelle voll menschlicher und christlicher Weisheit weitergegeben haben? Gerade im Blick auf diese Tatsachen und auf die bildende Arbeit der Familie, von der sie abhängen, empfinde ich die Pflicht, besorgt dazu aufzurufen, dass in der italienischen Gesellschaft auf jeden Fall diese nach dem Plan des Schöpfers gewollte erstrangige Institution geschützt und unterstützt wird. In der unerschütterlichen Treue der Ehegatten und in ihrem großmütigen Offensein für das Leben liegen die Hilfen zum moralischen und zivilen Wachsen des Landes. Gesunde Familien, gesundes Land: Man darf sich nicht Vortäuschen, das letztere haben zu können, ohne dafür zu sorgen, dass alles Nötige getan wird, damit es die ersteren gibt. Eine gesunde Familie versteht es, die Werte, auf die sich jedes geordnete Zusammenleben stützt, weiterzugeben, angefangen mit dem grundlegenden Wert des Lebens, nach dessen größerer oder geringerer Respektierung sich der Grad der Kultur eines Volkes bemisst. Möge - das ist mein Wunsch - in diesem Licht alles getan werden im Hinblick auf den bereiten und weisen Schutz jeder menschlichen Lebensäußerung, um das Übel der Abtreibung zu besiegen und jede Form von Legalisierung der Euthanasie abzuwehren. Ebenso habe ich den Wunsch, im weiten Kontext des Dienstes am Leben mögen die in der italienischen Verfassung niedergelegten Prinzipien von Freiheit und Pluralismus in eine entsprechende Gesetzgebung übertragen werden, auch in Bezug auf das Recht der Eltern, das Erziehungsmodell zu wählen, das sie zum kulturellen Wachstum ihrer Kinder für das geeignetste halten. Das alles setzt nicht nur voraus, dass ein wirkliches Recht zum Studium gewährleistet wird, sondern auch 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Möglichkeit, den bevorzugten Schultyp zu wählen, ohne Diskriminierungen oder Strafen, wie es übrigens in den meisten Ländern Europas bereits der Fall ist. 6. Die Liebe zu Italien drängt mich, auch besorgt an die ernsten Probleme zu erinnern, die noch die Nation belasten, an erster Stelle die Arbeitslosigkeit. Ebenso möchte ich den vielen Immigranten, den Opfern von Entführungen und Gewalttaten, den Jugendlichen, die sich besorgte Fragen über ihre Zukunft stellen, solidarische Aufmerksamkeit bezeigen. Diesbezüglich bringe ich denen meine große Wertschätzung zum Ausdruck, die in den Institutionen und in den zahlreichen und verdienstvollen Formen freiwilligen Dienstes sich für die Lösung dieser Probleme einsetzen. In diesen Jahren hat die Kirche das Leben Italiens mit dem „Großen Gebet für Italien“ begleitet; darüber hinaus hat sie eingehend Hinweise und ideelle Beiträge dafür zum Vorschlag gemacht, dass die Nation ihre tiefe Seele zurückgewinnt und ihr großes Erbe an Glauben und Kultur fruchtbar werden lässt. Ich bin mir des nicht leichten Augenblicks sehr bewusst, den Italien gerade durchlebt, und ich verspreche mein beständiges Gebetsgedenken vor dem Herrn für dieses Volk, das mir so lieb ist. Herr Präsident! In diesem feierlichen Augenblick möchte ich den Wunsch aussprechen, dass die italienische Nation eingedenk ihrer Tradition und treu gegenüber den zivilen und geistigen Werten, die sie kennzeichnen, aus diesen Werten überreiche Möglichkeiten zur Orientierung und Elan gewinnen möge, um die ersehnten Ziele echter Moral, des Wohlstands und der Gerechtigkeit zu erreichen und der Vereinigung der Nationen geeignete Beiträge für die Sache der Entwicklung und des Friedens anzubieten. In dieser Hoffnung rufe ich die Fürbitte der heiligen Schutzpatrone und besonders der Jungfrau Maria an, die überall in diesem Land so zärtlich geliebt wird, und ich wünsche Ihnen und allen Italienern den steten Segen des Herrn. Im gemeinsamen Dienst am Gemeinwohl Ansprache an die Teilnehmer am Europa-Kongress des Päpstlichen Rates für die Familie am 23. Oktober Sehr geehrte Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren! 1. Anlässlich der zweiten Versammlung der europäischen Politiker und Gesetzgeber, organisiert vom Päpstlichen Rat für die Familie, freue ich mich, Sie im Hause des Nachfolgers Petri empfangen zu können. Ich richte meinen herzlichen Dank an Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, den Präsidenten dieses Rates, für die freundlichen Worte, die er in Ihrem Namen soeben an mich gerichtet hat. 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank für Ihre Beteiligung - auf Anregung des Päpstlichen Rates für die Familie - an den Überlegungen des Hl. Stuhls über die Fragen, die sich in Bezug auf Familie und Ethik immer neu stellen. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt erfordert eine ernsthafte und tiefgehende sittliche Betrachtung sowie eine angemessene Gesetzgebung, um die Wissenschaft in den Dienst des Menschen und der Gesellschaft zu stellen. In der Tat kann dieser Fortschritt niemanden davon entbinden, sich die moralischen Grundfragen zu stellen und darin angemessene Antworten für die gesellschaftliche Ordnung zu finden (vgl. Veritatis splendor, Nm. 2-3). Zwar soll man sich um eine differenzierte Kenntnis der verschiedenen wissenschaftlichen Aspekte bemühen, aber diejenigen, die politische und soziale Entscheidungen in ihren jeweiligen Ländern zu treffen haben, sind auch aufgerufen, ihr Vorgehen im wesentlichen auf anthropologische und sittliche Werte zu gründen und nicht auf den technischen Fortschritt, der als solcher weder ein Kriterium für Moral noch für das Gesetz darstellt. Im Laufe dieses Jahrhunderts mussten wir in Europa mehrmals feststellen, dass jedes mal, wenn solche Werte geleugnet wurden, die für die Öffentlichkeit getroffenen Entscheidungen sowohl den Menschen als auch die Völker immer nur unterdrückten. 2. Schon Sophokles und Cicero hatten darauf hingewiesen, und auch der zeitgenössische Philosoph Jacques Maritain erinnert daran, dass „das Gemeinwohl der Menschen im guten Leben der Vielen“ besteht (vgl. Les droits de Thomme et la loi naturelle, S. 20). Der Ausgangspunkt dieser Philosophie ist der Mensch, der „eine absolute Würde besitzt, weil er in direkter Beziehung zum Absoluten steht“ (vgl. ebd., S. 16). Wir wissen, wie manche Leute in unseren Tagen die Einstellung des Politikers zu rechtfertigen versuchen, der „in seinem Tun den Bereich des privaten Gewissens klar von dem des öffentlichen Verhaltens trennt“ {Evangelium vitae, Nr. 69). Tatsächlich aber steht und fallt der Wert der politischen Aktion, vor allem im Rahmen einer demokratischen Rechtsordnung, „mit den Werten, die sie verkörpert und fördert: Grundlegend und unumgänglich sind sicherlich die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung ihrer unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte sowie die Übernahme des Gemeinwohls1 als Ziel und regelndes Kriterium für das politische Leben“ {ebd., Nr. 70). 3. Die Kirche verfolgt die Entwicklung der wesentlichen Strukturen des Soziallebens mit besonderer Aufmerksamkeit; darunter ist besonders die Familie als grundlegende Zelle der Gesellschaft zu nennen, die nur dann existieren kann, wenn ihre Lebensprinzipien geachtet werden. Für jede Nation und für die Menschheit insgesamt stellt die Familie ein Gut von allerhöchstem Wert dar. Schon in der Antike, wie Aristoteles belegt, war sie als die erste und grundsätzliche Sozialeinrichtung anerkannt, die dem Staat höher- und vorangestellt ist (vgl. Nikomachische Ethik, VII, 12,18) und die wirksam zur Güte der Gesellschaft als solche beitragen kann. Es ist also nötig, dass diejenigen, die zur Führung der Geschicke eines Landes berufen sind, die Eheinstitution anerkennen und bestätigen. Die Ehe besitzt in der Tat 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einen besonderen Rechtsstatus, der den Eheleuten Rechte und Pflichten zuteilt, sowohl in der Beziehung zueinander als auch gegenüber den Kindern. Die Rolle der Familien in der Gesellschaft, deren Fortbestand sie gewährleisten, ist daher wesentlich. Die Familie fördert die Sozialisierung der Jugendlichen und trägt zur Eindämmung verschiedener Ausdrucksformen der Gewalt bei, sowohl durch die Weitergabe von Werten als auch durch die Erfahrung der Brüderlichkeit und Solidarität, die jeden Tag darin ermöglicht wird. In der Suche nach rechtsgültigen Lösungen für die moderne Gesellschaft kann sie nicht auf die gleiche Stufe mit einfachen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften gestellt werden, und diese dürfen nicht die Sonderrechte genießen, die ausschließlich mit dem Schutz der ehelichen Verpflichtung und der auf die Ehe gründenden Familie verknüpft sind - Familie als Gemeinschaft des Lebens und der dauerhaften Liebe, Frucht der vollkommenen und treuen Selbsthingabe der Ehepartner, aufgeschlossen für das Leben. In Bezug auf die Verantwortungsträger im bürgerlichen Leben ist es angezeigt, dass sie die nötigen Voraussetzungen für den spezifischen Charakter der Ehe, für ihre Stabilität und für die Aufnahme des (Geschenks des) Lebens schaffen können. Zwar soll die rechtmäßige Freiheit der Personen geachtet werden, andere Formen des Zusammenlebens zwischen den Personen durch ihre rechtliche Anerkennung mit der Ehe gleichzusetzen ist aber eine folgenschwere Entscheidung, die für Ehe und Familie nur Nachteile mit sich bringen kann. Es wäre auf lange Sicht schädlich, wenn die Gesetze, die nicht mehr auf den Grundsätzen des Naturrechts, sondern auf der Willkür der Menschen beruhen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1904), verschiedenen Formen des Zusammenlebens denselben Rechtsstatus zuerkennen, was zu vielerlei Verwirrung führt. Die Reformen in puncto Familien-struktur betreffen also in erster Linie eine Festigung des Ehebandes und eine immer stärkere Unterstützung der Familieneinrichtungen, denn man muss bedenken, dass die Kinder, die zukünftigen Hauptdarsteller des Soziallebens, auch das Ergebnis der erhaltenen Werte und der Sorgfalt sind, die in ihre geistige, sittliche und menschliche Erziehung gesteckt wird. Man darf die Würde des Menschen und der Familie nie irgendwelchen politischen oder wirtschaftlichen Aspekten oder auch den Meinungen verschiedener „Pressuregroups“ unterordnen, so wichtig diese auch sein mögen. Die Ausübung der Macht beruht auf der Suche nach der objektiven Wahrheit und auf der Dimension des Dienstes für den Menschen und die Gesellschaft, wobei jedem Menschen, selbst dem ärmsten und dem kleinsten, die transzendente und unantastbare Würde als Person zuerkannt werden muss. Das ist die Grundlage, auf der die politischen und rechtlichen Entscheidungen, die für die Zukunft unserer Zivilisation unverzichtbar sind, erarbeitet werden sollen. 4. Die Kinder sind darüber hinaus einer der wichtigsten Schätze einer Nation, und es ist deshalb angebracht, den Eltern bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrags zu helfen, unter Achtung der Grundsätze der Verantwortlichkeit und der Subsidiarität, damit auf diese Weise der hohe Wert dieses Dienstes bestätigt wird. Das ist für jede Landesgemeinschaft eine Pflicht und eine legitime Solidarität. In gewissem 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maße hängt jede Gesellschaft und ihre Zukunft von der jeweiligen Familienpolitik ab. 5. Heutzutage stellen viele Handlungen gegen das Leben, die als Gesten der Freiheit bezeichnet werden, genau das dar, was ich als „Kultur des Todes“ bezeichnet habe (vgl. Evangelium vitae, Nr. 12). Sie wendet sich vor allem gegen die ungeborenen Kinder und gegen kranke oder alte Leute. Es ist offensichtlich, dass wir sowohl einer Schwächung des Sinns und des Wertes des Lebens gegenüberstehen als auch einer Art Betäubung des Gewissens. Jeder Angriff gegen das Leben einer Person ist auch ein Angriff gegen die gesamte Menschheit, denn zwischen allen Menschen verläuft ein Band der Brüderlichkeit, und was einem Bruder widerfährt, kann die anderen nicht ungerührt lassen. Die Christen und die Menschen guten Willens sind also aufgefordert, ihre Kräfte mit Entschlossenheit und Geduld zu vereinen, um der „Kultur des Lebens“ zum Sieg zu verhelfen, vor allem in Bezug auf die Jugend, die auf sittlicher, anthropologischer und biologischer Ebene eine angemessene Erziehung erhalten soll. Schon in zartester Kindheit muss sie zu Freiheit und Verantwortungsbewusstsein erzogen werden, damit diese zu dem werden, was sie wirklich sind: „unveräußerlicher Eigenbesitz und umfassende Öffnung“ (Veritatis splendor, Nr. 86). So werden die jungen Menschen in der Lage sein, das zu verstehen, was der Mensch ist, sie können verantwortlich für das Leben handeln und sich in ihrem jeweiligen Umfeld für das Leben einsetzen. Das Leben in einer Welt ohne Bezugspunkte verteidigen setzt voraus, dass man sich an klaren und objektiven anthropologischen Tatsachen orientiert, um beweisen zu können, dass eine Person - von ihrem Ursprung an und bis zu ihrem natürlichen Ende - einzig und der Achtung würdig ist, die jedem menschlichen Wesen eben aufgrund seines Ursprungs und seiner Bestimmung zusteht. Jede Verletzung des Lebens ist eine Form der Leugnung der persönlichen Würde eines Menschenwesens, die auch die Menschheit und die Solidarität zwischen den Personen entstellt, weil sie „die .geistige“ Verwandtschaft schändet, die die Menschen zu einer großen Familie vereinigt, da sie alle an demselben grundlegenden Gut teilhaben: der gleichen Personwürde“ (Evangelium vitae, Nr. 8). Alle Menschen sind aufgerufen, nach dem Wohl der Einzelpersonen und nach dem Gemeinwohl zu suchen, in dem sie gerechte und unparteiische Gesetze schaffen, denn die Kraft der Gesetze führt zur Redlichkeit der Personen und zum Vertrauen, das für das Zusammenleben in der Gesellschaft notwendig ist (vgl. ebd., Nr. 59). Ich lade sie außerdem ein, sich verstärkt um die Formung des sittlichen und bürgerlichen Gewissens der Menschen zu sorgen. Durch die rechte Vernunft erleuchtet das Gewissen die Bürger in ihrem persönlichen und gemeinschaftlichen Verhalten, das auf Prinzipien der Wahrheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Nächstenliebe gründen soll. Liebe Teilnehmer an diesem Treffen! Sie alle, Gesetzgeber, Politiker, Verantwortliche für Familien- oder Studentenverbände, ermutige ich, diese Überlegungen weiterzuführen und Ihre eigene moralischen und geistigen Überzeugungen an die Leute weiterzugeben, mit denen Sie Zusammenarbeiten. Dieser Dienst muss den 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen geleistet werden, damit ihr Leben im Einklang mit dem sei, was sie wahrhaft zu sein berufen sind. Unseren Zeitgenossen soll geholfen werden, nach der Wahrheit zu suchen und ihr Leben auf eine gesunde Anthropologie aufzubauen: Nur diese beiden geben dem Dasein seinen tiefen Sinn, wie ich in meiner jüngsten Enzyklika Fides et ratio hervorgehoben habe. Zum Abschluss dieser Begegnung bitte ich Christus, Ihnen allen seinen Geist zu geben, um den grundlegenden Werten und den Überzeugungen treu bleiben zu können, die Ihre Sendung in der Gesellschaft leiten sollen. Von ganzem Herzen erteile ich Ihnen, Ihren Mitarbeitern und den Mitgliedern Ihrer Familien den Apostolischen Segen. Erkenntnis und Weisheit sind Geschenk und Verpflichtung Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung des akademischen Jahres der kirchlichen Universitäten in Rom am 23. Oktober 1. „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner. Denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt“ {Ps 24,1-2). Die in der heutigen Liturgie verkündeten Worte des Psalmisten sprechen von der Herrschaft Gottes über die Welt. Er hat sie geschaffen und den Menschen als Aufgabe anvertraut; eine Aufgabe, die sowohl den Bereich des Erkennens als auch den des Arbeitens betrifft. In diesem Sinn ist die Welt die Berufung des Menschen. Der Apostel Paulus ermahnt uns, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an uns erging (vgl. Eph 4,1). Gemeint ist die christliche Berufung, die den Getauften zur Nachfolge Christi und zur Gleichförmigkeit mit ihm verpflichtet. Der Ausdruck kann aber auch im weiteren Sinne verstanden werden. Demnach kann die Welt selbst für die menschliche Person ein Aufruf sein, dem der Mensch seit jeher wirkungsvoll zu folgen versucht hat. Daraus ist die Wissenschaft entstanden, ein unermesslicher Erkenntnisreichtum, das Ergebnis von Verwunderung, Eingebungen, Vermutungen und Erfahrungen. So entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte und von Generation zu Generationen, in den verschiedenen Zeitabschnitten unserer Geschichte der Wissensschatz der Menschheit. 2. Wir alle hier sind die Erben dieses progressiven Reifeprozesses an Erkenntnis, den die früheren Generationen eingeleitet und entwickelt haben. Insbesondere ihr, liebe Rektoren, Dozenten und Studenten der kirchlichen Universitäten in Rom, seid durch eure wissenschaftliche Arbeit in den verschiedenen theologischen, philosophischen, humanistischen, historischen und juristischen Disziplinen an diesem Forschungsprozess beteiligt. Euch alle heiße ich herzlich willkommen. Mein dankbarer Gruß gilt auch Kardinal Pio Laghi, der die heutige Feier leitet, wie auch den Großkanzlem der Päpstlichen Universitäten. Es ist wichtig, ein neues akademi- 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sches Jahr in dem Bewusstsein zu beginnen, dass der Schatz der menschlichen Kultur ein Erbe unserer Vorgänger ist, gleichzeitig aber auch eine Aufgabe für unsere jeweilige erkenntnis- und arbeitsmäßige Kreativität darstellt. Durch das Wissen setzt sich der Mensch, seiner besonderen Natur entsprechend, mit der Schöpfung in Verbindung, die er auf sich selbst bezieht. Dennoch kann die Welt die Bemfung des Menschen nicht erschöpfen. 3. Der Psalmist spricht vom „Hinaufziehen zum Berg des Herrn“: „Wer darf hinaufziehn zum Berg des Herrn, wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?“ (Ps 24,3). In diesem Sinnbild finden wir die Vervollständigung der Wahrheit über den Menschen: Er ist in der Welt und für die Welt geschaffen und gleichzeitig berufen, zu Gott aufzusteigen. Indem Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis schuf, rief er ihn zur Suche nach seinem „Urbild“ auf, nach demjenigen, dem er mehr gleicht als jedem Geschöpf und durch dessen Kenntnis er auch sich selbst kennt. Hier hat die gesamte metaphysische Spannung des Menschen ihren Ursprung. Hierauf gründet seine Offenheit für das Wort Gottes, seine Neigung, denjenigen zu suchen, der unsichtbar ist und dennoch die Fülle der Realität verkörpert. 4. Weiter schreibt der Psalmist: „Der reine Hände hat und ein lauteres Herz, der nicht betrügt und keinen Meineid schwört... Das sind die Menschen, die nach ihm fragen, die dein Antlitz suchen, Gott Jakobs“ (Ps 24,4,6). Während ich diese Worte wiederhole, denke ich unwillkürlich an euch, liebe Studenten, die ihr so zahlreich an dieser nunmehr traditionellen Messfeier teilnehmt: Priester, Ordensleute und Laien. Durch das Studium der verschiedenen Disziplinen seid ihr aufgerufen, das „Antlitz“ des Herrn zu suchen, d. h. die Offenbarung seines Mysteriums, das, was Jesus Christus auf so vollkommene und endgültige Art und Weise erfüllt hat. „Niemand weiß..., wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Lk 10,22) - so lauten die Worte des soeben verlesenen Lukcisevangeli-ums. Die Vermittlung Christi ist unbedingt notwendig, um das wahre Antlitz Gottes zu kennen. Seine Vermittlung betrifft Verstand und „Herz“ zugleich, die Ordnung von Erkenntnissen und die Ordnung von Gesinnung und Verhalten. „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe“ (7 Joh 4,8). „Wer sagt: Ich habe ihn erkannt!, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm“ (7 Joh 2,4). 5. Insbesondere auf der Ebene des „Herzens“ ordnet sich die in den Bibeltexten der heutigen Messfeier enthaltene Botschaft ein. Sie erinnern daran, dass das Antlitz des Herrn in der Liebe (erste Lesung) und der Einfachheit (Evangelium) zu suchen und zu finden ist. In seinem Brief an die Epheser bekräftigt der Apostel den Primat der Liebe im Dienst an der Einheit, die auf dem dreieinigen Gott begründet ist: „... ein Geist, 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ...ein Herr, ...ein Gott und Vater“ (vgl. Eph 4,4-6). Jeder trägt durch seine Gabe zum Aufbau der Gemeinschaft bei; auch das Studium, vor allem das eingehende und systematische Studium, ist ein wertvolles Geschenk. Um dem, der es besitzt, und seinen Brüdern Früchte zu bringen, muss auch das Studium durch Liebe fruchtbar gemacht werden, denn ohne sie haben all unsere wissenschaftlichen Kenntnisse keinen Sinn (vgl. 1 Kor 13,2). Die Liebe geht mit der Einfachheit des Herzens derjenigen einher, die das Evangelium, die Worte Christi wiedergebend, als die „Unmündigen“ bezeichnet. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Lk 10,21). Dieser wunderbare aus dem Herzen Christi strömende Segen erinnert uns daran, dass wirkliche geistige Reife stets mit Einfachheit verbunden ist, die weder in der Oberflächlichkeit des Lebens und des Geistes noch in der Leugnung der Problematik der Wirklichkeit besteht, sondern vielmehr in der Fähigkeit, den Kern jeder Frage zu erfassen und ihre wesentliche Bedeutung wie auch ihre Beziehung zum Ganzen wiederherzustellen. Einfachheit ist Weisheit. 6. Euch allen, liebe Brüder und Schwestern, Mitglieder der großen kirchlichen akademischen Gemeinde Roms, wünsche ich, dass das soeben begonnene Jahr euch helfen möge, in der Erkenntnis der Wahrheit zu reifen, denn das ist die Berufung und Bestimmung des Menschen. Mit den Worten meiner unlängst veröffentlichten Enzyklika Fides et ratio möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass ,jeder, der die Liebe zu ihr (der wahren Weisheit) im Herzen trägt, den richtigen Weg einzuschlagen vermag, um sie zu erreichen und in ihr Ruhe in seiner Mühsal sowie geistige Freude zu finden“ (Nr. 6). Bedenkt, dass die Zeit des Studiums nicht der Mission entzogen wird, sondern ihr zugute kommt. Am vergangenen Sonntag haben wir den Weltmissionstag gefeiert. Ich möchte daran erinnern, dass die Stadtmission der Diözese Rom vor allem im kommenden Jahr in verschiedenen Bereichen, und somit auch in den Universitäten, stattfinden wird. Die kirchliche Hochschule ist ein ganz besonderer Ort des Zeugnisses, durch die Vermittlung des Kulturguts und die Vorbereitung derjenigen, die bemfen sind, im breiten kirchlichen Bereich den guten Samen der Wahrheit des Evangeliums zu säen. Möge jeder einzelne von euch das Angesicht des Herrn suchen, finden und schauen, um auf wirksame Weise sein Licht wiederzugeben, das dem menschlichen Leben reiche Bedeutung verleiht. Möge Maria, leuchtendes Licht der Liebe und Thron der Weisheit, für euch eintre-ten und euch bei dieser Suche begleiten. 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die neuen Seligen - Zeugen, die zur Nachfolge aufrufen Predigt bei der Seligsprechung auf dem Petersplatz am 25. Oktober 1. „Die Armen sollen es hören und sich freuen“ (Ps 34,3). Mit diesen Worten lädt uns die heutige Liturgie zur Freude ein, während wir dem Herrn für die neuen Seligen danken. Die Freude der Kirche kommt im Lobgesang zum Ausdruck, den die Gemeinde zum Himmel richtet. Ja, die Armen sollen sich freuen, wenn sie die Werke sehen, die Gott im Leben seiner treuen Diener vollbringt. Die Kirche ist das „Volk der Armen“; sie hört es und freut sich, denn in diesen ihren Gliedern, die nun in die Schar der Seligen aufgenommen wurden, sieht sie die erbarmende Liebe des himmlischen Vaters aufscheinen. In dieser Liturgie wollen wir also die von Jesus inspirierten Worte zu den unsrigen machen: „Gepriesen bist Du, Vater, Herr des Himmels und der Erde, denn Du hast den Kleinen das Geheimnis des Himmelreiches enthüllt“ (Alleluja-Vers zum Evangelium). „Die Kleinen“, wie verschieden ist doch die menschliche von der göttlichen Logik! „Die Kleinen“ sind, laut Evangelium, jene, die sich bewusst sind, dass sie Geschöpfe Gottes sind, und doch meiden sie jegliche Anmaßung. Sie setzten all ihre Erwartungen auf den Herrn und werden daher niemals enttäuscht. Die grundlegende Haltung der Gläubigen nämlich ist die Unzertrennbarkeit von Glaube und Demut. Auch Zefirino Agostini, Antonio de Sant’Anna Galväo, Faustino Mfguez und Theodore Guerin, die neuen Seligen, legen dafür Zeugnis ab. Je mehr man im Glauben wächst, desto „kleiner“ fühlt man sich, nach dem Vorbild Jesu Christi, der „Gott gleich war, er hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäu-ßerte sich“ (vgl. Phil 2,6-7) und kam zu den Menschen als ihr Diener. 2. Die neuen Seligen sind für euch ein Beispiel, das zum Nachahmen einlädt, und Zeugen, die zur Nachfolge aufrufen. Sie haben auf Gott vertraut. Ihre Existenz beweist, dass die Kraft der Kleinen im Gebet ist, wie das ja auch durch das Wort Gottes der heutigen Liturgie hervorgehoben wird. Die Heiligen und Seligen sind vor allem Männer und Frauen des Gebets. Immerdar preisen sie den Herrn, und ihr Mund verkündet sein Lob, sie rufen zum Herrn, und er erhört sie, er rettet sie von all ihren Drangsalen, wie wir im Antwortpsalm gehört haben (vgl. Ps 34,2.18). Ihr Gebet durchdringt die Wolken, es währt ewig, ist unermüdlich und lässt nicht nach, bis der Allerhöchste es erhört (vgl. Ps 35,16-18). Die Kraft des Gebets jener vom Geist erfüllten Männer und Frauen rührt nicht zuletzt daher, dass sie sich bewusst sind, schwach und unwürdig zu sein. Es ist der Glaube und nicht die Anmaßung, wodurch bei den Jüngern Christi Mut und Treue gestärkt werden. Sie wissen, wie auch schon der Apostel Paulus, dass der Herr den Kranz der Gerechtigkeit all jenen vorbehält, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten (vgl. 2 Tim 4,8). 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft“ (2 Tim 4,17). Diese Worte des Apostels an Timotheus lassen sich sehr gut auf Don Zefirino Agostini übertragen, der trotz all der unzähligen Schwierigkeiten nie den Mut hat sinken lassen. Er wird uns heute als demütiger und standhafter Zeuge des Evangeliums vorgestellt, der in einer für die Diözese Verona in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts fruchtbaren Zeit gelebt hat. Standhaft war sein Glaube, wirkungsvoll seine Liebestätigkeit und glühend sein priesterlicher Geist, der ihn auszeichnete. Durch die Liebe des Herrn gedrängt, galt sein Apostolat vor allem den Ärmsten der Armen. Sein vorrangiges Anliegen war die christliche Mädchenerziehung, besonders dann, wenn sie aus armen Verhältnissen stammten. Er hatte sehr wohl die herausragende Rolle der Frau als Protagonistin bei der Sanierung der Gesellschaft in ihrer Rolle als Erzieherin zu den Werten der Freiheit, Aufrichtigkeit und Nächstenliebe verstanden. Den Ursulinen, seinen geistigen Töchtern, empfahl er: „Die Mädchen aus armen Verhältnissen sollen euch ein ganz besonderes Anliegen sein, ihnen sollt ihr die meiste Aufmerksamkeit schenken. Macht ihren Geist sensibel und erzieht ihr Herz zur Tugendhaftigkeit, rettet ihre Seelen vor dem unheilbringenden Kontakt zur verdorbenen Welt“ (vgl. Scritti alle Orsoline, Nr. 289). Möge sein Beispiel alle jene ermutigen, die ihn heute als Seligen verehren und ihn als Beschützer anrufen. 4. „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird“ (2 Tim 4,17). Diese Botschaft des hl. Paulus an Timotheus spiegelt das Leben des Bruders Antonio de Sant’Anna Galväo wider, der seiner eigenen Ordensweihe gerecht werden wollte, indem er sich mit Liebe und Hingabe für die Notleidenden, Kranken und Sklaven im damaligen Brasilien aufopferte. Lasst uns also Gott danken für all seine Wohltaten und für den mächtigen Einfluss, den der Heilige Geist durch den sei. Bmder Galväo bis heute auf so viele Seelen ausübt. Die rein franziskanische Prägung seines Glaubens, den er im Sinne des Evangeliums gelebt und bei seinem Apostolat in den Dienst des Nächsten gestellt hat, wird uns heute als Ansporn dienen, ihn als ,Mann des Friedens und der Nächstenliebe“ nachzuahmen. Er betrachtete es als seine Mission, jene „Recolhimen-tos“, d. h. jene der Gottesmutter und der Vorsehung geweihten Stätten der Sammlung und Zuflucht, zu gründen, welche auch heute noch erstaunlich viele Früchte tragen. Er selbst war ja ein tief frommer Verehrer des Allerheiligsten Altarsakramentes, ein Meister und Verteidiger der Nächstenliebe im Sinne des Evangeliums, ein weiser Ratgeber für das geistige Wohl so vieler Seelen und ein Verteidiger der Armen. Möge die unbefleckt empfangene Gottesmutter Maria, als deren „Sohn und immerwährender Diener“ er sich betrachtete, die Herzen der Gläubigen erleuchten und in ihnen ein solches Verlangen nach Gott erwecken, dass sie sich durch ihr eigenes Lebenszeugnis als authentische Christen für den Dienst am Himmelreich auf opfern. 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. „... wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,14). Heute wird der Priester Faustino Mfguez zur Ehre der Altäre erhoben, und dadurch erfüllen sich auch gleichsam die Worte Jesu, die wir im Evangelium gehört haben. Der neue Selige hat ganz auf seine persönlichen Wünsche und Ansprüche verzichtet. Er folgte Jesus, seinem Meister, nach und stellte sein Leben in den Dienst der Kinder-und Jugenderziehung, wobei ihm der hl. Jose de Calasanz als Vorbild diente. Als Erzieher war sein Ziel die ganzheitliche und umfassende Bildung der Person. Als Priester strebte er unermüdlich nach der Heiligkeit der Seelen, als Wissenschaftler war es sein Anliegen, die Krankheiten zu lindem, um so die Menschheit von ihren körperlichen Leiden zu befreien. In der Schule, unterwegs, im Beichtstuhl und im Labor war Pater Faustino Miguez stets Spiegel Christi, niemals wies er jemanden ab, stets war er bereit zu verzeihen, und immer war er frohen Mutes. Er war ein „Mann des Volkes und für das Volk“, nichts und niemand war ihm fremd. Daher stellte er auch fest, dass die Frauen in der Gesellschaft an den Rand gedrängt sind und ihr Dasein von Ignoranz gezeichnet war. Statt dessen betrachtete er die Frau „als Seele der Familie und als interessantesten Teil der Gesellschaft“. Mit dem Ziel, sie von Kindheit an zu leiten und sie auf den Pfad der menschlichen und christlichen Tugendhaftigkeit zu führen, gründete er das Institut Calasancio der Töchter der „Divina Pastora“ (der göttlichen Hirtin), welches der Erziehung der jungen Mädchen zur Frömmigkeit und Weisheit diente. Sein leuchtendes Lebensbeispiel, geprägt durch Gebet, Studium und Apostolat, wird heute durch das Zeugnis seiner geistigen Töchter und so vieler Erzieher fortgesetzt, die ihre Arbeit mit Mut und Frohsinn verrichten, um so das Abbild Jesu in Geist und Herz der Jugend einzuprägen. 6. „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird“ (2 Tim 4,17). In diesen Worten an Timotheus schaut der hl. Paulus auf die Jahre seines apostolischen Wirkens zurück und verleiht angesichts seiner Gegner seiner Hoffnung auf Gott Ausdruck. Die Worte des Apostels waren in Mutter Theodore Guerins Herz eingeprägt, als sie ihre Heimat Frankreich im Jahre 1840 verließ, um mit ihren fünf Mitschwestem die Gefahren und Ängste im indischen Grenzland auf sich zu nehmen. Ihr Leben und ihr Werk war stets durch die starke Hand der Vorsehung geführt, und auf diese göttliche Vorsehung setzte sie ihr ganzes Vertrauen. Sie verstand, dass sie sich völlig in Gottes Dienst stellen und stets seinen Willen suchen musste. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und Missverständnisse, die nicht wenig Bedrängnis und Leid mit sich brachten, fühlte sie tief in ihrem Herzen, dass Gott ihre Gemeinschaft der Schwestern von der Vorsehung gesegnet hatte, denn er ließ diese wachsen und schmiedete ihre Mitglieder untereinander zu einer Herzensgemeinschaft zusammen. In den Schulen und Waisenhäusern ihrer Gründung ließ das Zeugnis von Mutter Theodore so manchen Jungen und so manches Mädchen die liebende Fürsorge Gottes in ihrem Leben erkennen. Auch heute noch lehrt sie uns Christen, sich selbst ganz der Vorsehung unseres himmlischen Vaters hinzugeben und bei unserem Handeln ganz auf seinen Willen 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu hören. Das Leben der sei. Theodore Guerin ist ein beredtes Zeugnis dafür, dass mit Gott und für Gott alles möglich ist. Mögen ihre geistigen Töchter und alle, die ihr Charisma erfahren durften, auch heutzutage vom selben Geist erfüllt sein. 7. Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid aus den verschiedensten Teilen der Welt hier zusammengekommen, um dieses festliche Ereignis zu feiern, so möchte ich euch nun von Herzen grüßen und euch für eure Anwesenheit danken. Das Zeugnis, das uns die neuen Seligen liefern, soll uns auch ermutigen, weiterhin bereitwillig auf dem Pfad des Evangeliums zu wandeln. Lasst uns auf jene schauen, die vor Gott Gnade für ihre demütige Unterordnung unter seinen Willen gefunden haben. Möge unser Geist den Ansporn verspüren, geduldig und stets bereitwillig das Evangelium zu befolgen. „Wer Gott wohlgefällig dient, der wird angenommen, und sein Bittruf erreicht die Wolken“ (Sir 35,20). Das ist die Lektion, die unsere Brüder und Schwestern uns erteilen: wir sollen Gott ehren, lieben und ihm dienen mit unserem ganzen Dasein, und wir sollen uns immer bewusst sein: „wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,14). Möge Gott, der Herr, der „das Flehen des Bedrängten hört“ (Sir 35,16), uns allen in reichem Maß seine Barmherzigkeit zukommen lassen, denn „nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen“ (Ps 34,19), und er rettet die Armen und „entreißt sie all ihren Ängsten“ (Ps 34,18). Er schafft Recht den Gerechten und stellt die Gleichheit wieder her (vgl. Sir 35,18). Möge die Jungfrau Maria, die Königin aller Heiligen, für uns und alle Gläubigen bei Gott um die Gaben der Demut und Treue flehen, so dass unser Gebet immer aufrichtig sei und Wohlgefallen vor dem Herrn finde. Amen. Durch Erziehung und Bildung Wertebewusstsein vermitteln Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen am 26. Oktober Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! l.Mit Freude heiße ich euch willkommen anlässlich der Vollversammlung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, die heute begonnen hat. In diesem Rahmen werdet ihr in den kommenden Tagen versuchen, einige allgemeine Richtlinien für eine bessere Orientierung des Erziehungswerks der Kirche auszuarbeiten. Diese Begegnung erlaubt es mir, euch allen meine Dankbarkeit auszusprechen, denn ihr unterstützt mich im Bereich des Bildungswesens, der für das Leben der Kirche von großer Bedeutung ist. Ich danke Kardinal Pio Laghi für die Worte, die er an mich gerichtet hat, und für die Wünsche, die er zu meinem zwanzigsten Pontifikatsjubiläum ausgesprochen 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat. Ich begrüße den neuemannten Sekretär, Msgr. Giuseppe Pittau, und drücke den Verantwortlichen der Kongregation meinen aufrichtigen Dank für ihre Arbeit aus; sie mag manchmal trocken sein oder sich im Verborgenen abspielen, aber sie ist doch sehr wertvoll für die Priesterseminare, die kirchlichen Fakultäten, die katholischen Universitäten und Schulen und die Zentren zur Entfaltung der Berufungen. 2. Wir sind alle von der Priorität des erzieherischen Engagements der Kirche auf allen Ebenen überzeugt. Wir sind uns ebenfalls der Schwierigkeiten dieses Engagements bewusst, das sich mit dem technologischen Fortschritt und den gegenwärtigen kulturellen Veränderungen messen soll. Die Anwendung moderner Informationstechnologie in verschiedenen Bereichen des Lebens und der bürgerlichen Gemeinschaft hat schon in den vergangenen Jahren einen bedeutenden Wandel in den Prozessen des Lernens, der Beziehungen und der Persönlichkeitsreifung verursacht, und diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Es gibt auch positive Auswirkungen, so zum Beispiel die Erleichterung der Kommunikation, die Bereicherung des Gedankensaustauschs und der Information, die Überwindung von Grenzen; es fehlt jedoch nicht an negativen Folgen, wie Oberflächlichkeit, mangelnde Kreativität, Fragmentierung. Demgegenüber ist die Kirche zu prophetischem Handeln aufgemfen, indem sie das Modell eines ganzheitlichen und gut gerüsteten Menschen nahe legt. In seinem zweiten Brief an Timotheus schreibt Paulus: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; so wird der Mensch Gottes zu jedem guten Werk bereit und gerüstet sein“ (3,16-17). Die Herausforderung besteht darin, solche „gerüsteten“ Persönlichkeiten heranzubilden, mit einer harmonischen Entfaltung aller ihrer Fähigkeiten und Ansätze, damit sie in der Lage sind, sich mit den beiden Flügeln des Glaubens und der Vernunft zur Betrachtung der Wahrheit emporzuheben. Der Welt eine solche Anschauung des Menschen vorzuschlagen und die entsprechenden pädagogischen Optionen in die Tat umzusetzen, ist weder einfach noch selbstverständlich. Paulus mahnt: „es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln“ (2 Tim 4,3). Wir - wie damals Timotheus -sind aber aufgefordert, aufmerksam darüber zu wachen, dass die Verkündigung des Evangeliums zur Gänze durchgeführt wird und die Menschen zum Heil führt. 3. Ich möchte die Arbeit eurer Kongregation insgesamt und das Programm dieser Tage der Vollversammlung im Lichte dieser beiden Texte des hl. Paulus interpretieren. Der ganze Einsatz des Büros für Priesterseminare zielt darauf ab, den Priesteramtskandidaten eine umfassende Ausbildung zuteil werden zu lassen, die besonderen Wert auf die menschliche, spirituelle, intellektuelle und pastorale Dimension legt. In diesem Zusammenhang ist die Beziehung zwischen menschlicher und geistlicher Bildung von besonderer Bedeutung. Ihr werdet daher die Kriterien zur Ver- 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wendung der Humanwissenschaften bei der Aufnahme und Ausbildung der Priesteramtskandidaten präzisieren. Ich denke, es ist nützlich, sich des Beitrags dieser Wissenschaften zu bedienen bei der Erkennung und Förderung des Reifungsprozesses auf den Gebieten der menschlichen Tugenden, der Beziehungsfähigkeit zu den anderen, des gefühlsmäßigen und sexuellen Wachstums und der Erziehung zur Freiheit und zum sittlichen Gewissen. All dies soll aber auf den eigenen, speziellen Zuständigkeitsbereich beschränkt bleiben, ohne die göttliche Gabe und die spirituelle Eingebung zu ersticken und den Raum des Unterscheidungsvermögens und der Begleitung der Berufungen einzuengen, die ihrem Wesen nach zum Zuständigkeitsbereich der Erzieher im Seminar gehören. Ein weiterer wichtiger Punkt der umfassenden Ausbildung ist ein vollkommener Einklang zwischen den Erziehungsmaßnahmen im engeren Sinn und den theologischen Ansätzen, die tiefe Spuren in der Mentalität und im Empfindungsvermögen der Studenten hinterlassen und deshalb mit dem allgemeinen Ausbildungsprogramm koordiniert werden sollen. Ich empfehle daher, dass der theologische Unterricht wenn möglich auf die Priesterausbildung ausgerichtet ist und dass die ratio studiorum der Seminare in diesem Sinne weiterentwickelt wird. Bei dieser Aufgabe können uns die Kirchenväter und die großen Theologen und Heiligen - „non solum discentes sed et patientes divina“ (Dionysios Areopagites, De divinis nomi-nibus, II, 9) - einiges beibringen als Personen, die das (göttliche) Mysterium durch die Liebe erkannten, „per quandam connaturalitatem“, wie der hl. Thomas von Aquin sagen würde (Summa theologica, II-II, 9.45, a. 2), und die ihre Bindung zu den jeweiligen Kirchen stark empfunden haben. 4. Die Aussicht des einheitlichen und gerüsteten Menschen eignet sich ausgezeichnet zur Vervollständigung aller Bemühungen der Universitätsabteilung eurer Kongregation zu einer immer höheren Qualifizierung der kirchlichen Fakultäten und Universitäten und zu einem wachsenden Bewusstsein der katholischen Universitäten bezüglich ihrer Identität und Aufgabe. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass wir uns dem Jahr 2000 nähern und daher bald auch den 10. Jahrestag seit der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Ex corde Ecclesiae feiern. Durch dieses Dokument wollte ich meine besondere Aufmerksamkeit in Bezug auf die katholischen Universitäten zum Ausdruck bringen. Zweifellos haben diese Universitäten einen spezifischen Auftrag, denn sie bezeugen die Fürsorge der Kirche zugunsten der Förderung eines umfassenden Wissens, das allen Dimensionen des Menschlichen aufgeschlossen ist. Mit der Zeit wird allerdings immer offensichtlicher, dass diese besondere Aufgabe der Universität nicht vollkommen erfüllt werden kann ohne den angemessenen Ausdruck ihrer kirchlichen Natur und ihrer Verbindung zur Kirche - sowohl auf lokaler als auch weltkirchlicher Ebene. Die Bischöfe - als erste Verantwortungsträger für die katholische Identität, die diese Ausbildungszentren prägen muss - spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Dies bedeutet, dass die Bischöfe die Verantwortlichen der verschiedenen katholischen Universitäten bei der Erfüllung ihres Auftrags als ka- 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tholische Bildungseinrichtungen, und vor allem bei der Evangelisierung, begleiten und führen sollen, ohne die akademischen Ansprüche zu vernachlässigen, die an jede Universität gestellt werden, damit sie in die internationale Forschungs- und Wissensgemeinschaft aufgenommen werden kann. Nur so können sie ihrer besonderen Berufung entsprechen und die Studenten nicht nur zur Entwicklung technischer Fähigkeiten oder zu einer hohen Berufsqualifikation führen, sondern auch zur Fülle des Menschseins und zur Bereitschaft, als Zeugen für das Evangelium innerhalb der Gesellschaft aufzutreten. 5. Auch die Schulabteilung eures Dikasteriums bewegt sich nach den Richtlinien zur Bildung des gerüsteten Menschen. Alle haben die großen Schwierigkeiten vor Augen, mit denen die Welt der Schule in diesen Jahren konfrontiert wird. Darin spiegelt sich der Weg der ganzen Menschheit wider - mit ihren Problemen und ihren Grenzen, aber auch mit ihren Hoffnungen und Möglichkeiten. Es soll hier ausreichen, auf die Aufmerksamkeit der internationalen Gremien, der Regiemngen und der öffentlichen Meinung gegenüber der Schule hinzuweisen. Im gegenwärtigen Abschnitt der Geschichte, von tiefgreifenden Veränderungen gezeichnet, ist die Kirche ihrer besonderen Einstellung gemäß aufgerufen, das reiche Erbe ihrer Tradition im Bildungswesen zugänglich zu machen und auf die immer neuen Bedürfnissen der kulturellen Entwicklung der Menschheit zu reagieren. Ich ermutige daher die Teilkirchen und die für Erziehungseinrichtungen zuständigen Orden und Gemeinschaften, auch in Zukunft Personen und Mittel in ein Vorhaben zu investieren, das für die Zukunft von Kirche und Welt so dringend und wichtig ist, wie es auch im jüngsten Rundbrief Die katholische Schule auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend deutlich gemacht wurde. 6. Das dynamische Prinzip des ganzheitlichen und in allen seinen Dimensionen vollständig gerüsteten Menschen kann den Bezugsrahmen für die Tätigkeit des Päpstlichen Werkes für die Berufungen darstellen. Das ist einfach zu verstehen, wenn man bedenkt, dass die verschiedenen Bestandteile des menschlichen Daseins nur im Geheimnis der Berufung wirklich lebendig zusammenlaufen können. Unter diesem Gesichtspunkt fehlt es in der heutigen Welt nicht an Gründen zur Beunruhigung. Viele Jugendliche sind sich ihrer Situation als Berufene nicht bewusst, sie verlieren sich in einem Meer an Informationen, verschiedenartigen Impulsen und Daten und erleben eine Art ständiges Nomadentum ohne konkrete Bezugspunkte. Eine solcher Zustand, der oft Angst vor der Zukunft und vor jeder endgültigen Verpflichtung weckt, muss dieses Päpstliche Werk dazu bringen, den eingeschlagenen Weg entschlossen weiterzugehen, auch durch eine angemessene Unterstützung derer, die auf verschiedenen Ebenen mit diesem wichtigen Bereich der Kir-chenpastoral betraut sind. Alle diese Themen, die ihr im Laufe eurer Generalversammlung erörtern werdet, empfehle ich der seligen Jungfrau, Mutter der Kirche und Sitz der Weisheit. Ihr vertraue ich auch eure tägliche Arbeit an, liebe Mitglieder und Leiter der Kongre- 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gation für das Katholische Bildungswesen. Die Muttergottes führe und begleite euch in eurem Dienst für das Evangelium und den Apostolischen Stuhl. Ich versichere euch, dass auch ich eure Arbeit aufmerksam verfolge und euch mit meinem Gebet nahe bin. Gerne erteile ich nun euch und allen Seminaren und Studieneinrichtungen einen besonderen Apostolischen Segen. Gemeinsam den Glauben an Christus und die Treue zur Kirche bekennen! Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger bei der Seligsprechung und anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Kommission „Ecclesia Dei“ am 26. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gestern haben wir auf feierliche Weise die drei Priester Zefirino Agostini, Antonio de Sant’Anna Galväo, Faustino Mfguez und die Jungfrau Theodore Guerin seliggesprochen. Alle vier waren sie Ordensgründer. Mit großer Freude empfange ich euch heute, die ihr aus den verschiedensten Teilen der Welt hierher gekommen seid, um an diesem feierlichen Ereignis teilzunehmen. Herzlich begrüße ich alle, die zur Seligsprechung von Don Zefirino Agostini hierher gepilgert sind. Einen ganz besonderen Gruß entbiete ich dem Bischof von Verona und allen anderen anwesenden Bischöfen. Auch möchte ich besonders die Kongregation der Ursulinen Töchter Mariens willkommen heißen zum freudigen Ereignis der Erhebung ihres Gründers zur Ehre der Altäre. In einer von materiellen und spirituellen Schwierigkeiten geprägten Gegend am Rande seiner Geburtsstadt Verona setzte sich Don Zefirino Agostini mit allen Mitteln für die Verbesserung der menschlichen und christlichen Lebensbedingungen ein. Er hat im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld Initiativen ergriffen, um den Armen und Notleidenden zu helfen. Mit großer Hingabe leitete er die Schule zur Unterweisung in der christlichen Lehre. Sein Eifer war begleitet von inständigem Gebet, vor allem von der eucharistischen Anbetung. Aus dem ständigen Dialog mit Gott schöpfte er die Energie für sein intensives Apostolat. Mögen seine Lehren und sein Leben alle inspirieren, die ihn heute als Seligen verehren. 2. Mit großer Freude begrüße ich die zahlreichen Pilger, die zu dieser feierlichen Seligsprechung gekommen sind. Bruder Antonio de Sant’Anna Galväo oder kurz Bruder Galväo genannt, ist der erste Selige, der in Brasilien geboren wurde. Seine Heimatstadt Guaratinguetä darf sich glücklich schätzen, dass einer ihrer Söhne zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Allabendlich versammelte sich die Familie des sei. Bruders Galväo zu Hause vor dem Bild der hl. Anna, um zu beten, und daher stammt auch das besondere Interesse und die Fürsorge, die er für die Ärmsten der 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Armen hegte und die im Hause Galväo aufgenommen wurden. Jahre später sollte er dann Tausende von Notleidenden, Kranken und Sklaven um sich versammeln, denen er Trost und Zuspruch spendete, was ihm sehr bald das Attribut „Mann des Friedens und der Liebe“ eintrug. Bitten wir Gott, dass das Beispiel des sei. Bruders Galväo, die treue Beobachtung seiner Weihe als Ordensmann und Priester eine neue Blüte von Berufungen zum Priestertum und Ordensleben anrege, die in Brasilien so notwendig sind. Möge dieser Glaube von den Werken der Nächstenliebe begleitet sein, die den sei. Bruder Galväo zur „Süßigkeit Gottes“ werden ließen. Möge dieser Glaube in den Kindern Gottes jenen Frieden und jene Gerechtigkeit wachsen lassen, die nur in einer mit Gott versöhnten Gesellschaft aufkeimen. 3. Herzlich willkommen heiße ich heute auch die Pilger und Bischöfe aus Galizien, der Heimat des neuen Seligen Faustino Mfguez, sowie alle übrigen Pilger, die aus ganz Spanien, Lateinamerika und Afrika hierher gekommen sind, wo die Töchter der „Divina Pastora“, der Göttlichen Hirtin, das Erziehungsideal ihres Gründers entfalten. Pater Faustino war ein einfacher und gottesfürchtiger Mann, der sehr bald in Gott jenen Freund entdeckte, der ihn brauchte, um die Herzen der Jugendlichen zu formen und die Schmerzen der Kranken zu lindem. Er selbst war ein beispielhafter Schüler der „Escuela Pia“, d. h. der katholischen Schulen Galiziens seiner Zeit, und sein ganzes apostolisches Wirken und seine Erziehungsarbeit waren von der Pädagogik der Liebe geprägt. Seine Lieblingstugend war die Demut. Er lehnte während seines ganzen Lebens jede Art von Auszeichnung ab, da er nur danach trachtete, „im Verborgenen zu leben und als Unbekannter zu sterben“. Er war stark im Leid und beständig im Gehorsam, wider alle Hoffnung hoffte er, wohl wissend, dass Gott auch das Schlechte zum Guten wendet. Liebe Brüder und Schwestern, das außerordentliche Zeugnis dieses Ordensmannes ist eine Einladung an uns alle, in besonderer Weise aber an die Schwestern seiner Kongregation, die Erziehungsarbeit zu lieben und in ihr einen unverzichtbaren kirchlichen Dienst am Evangelium zum Wohl der Gesellschaft zu sehen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte auch die vielen englischsprachigen Pilger heute ganz herzlich willkommen heißen, die zur Seligsprechung von Mutter Theodore Guerin nach Rom gekommen sind. Mein besonderer Gruß gilt den hier anwesenden Bischöfen und den Schwestern der göttlichen Vorsehung. Mutter Theodore erinnert die Männer und Frauen von heute daran, im Herzen Jesu Ruhe und Trost zu suchen und Kraft aus dem Gebet zu gewinnen. Auch die heutige Gesellschaft braucht diese Art von Hingabe, Weisheit und selbstaufopfemder Liebe, die ihr Leben ausstrahlte. Daher möchte ich euch ermutigen, sie dadurch zu verehren, dass ihr sie nachahmt. Durch die Fürsprache der sei. Theodore Guerin mögt ihr stets unter den Augen Gottes voranschreiten, seinen Willen suchen und mutig allen Prüfungen standhalten können, denen er euch in eurem Leben vielleicht gegenüberstellen wird. 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch die Pilger französischer Zunge heiße ich herzlich willkommen, die zur Seligsprechung von Mutter Theodore Guerin gekommen sind. Möge die Kirche in Frankreich und den französischsprachigen Ländern sich an ihrem absoluten Vertrauen auf die göttliche Vorsehung inspirieren, um ihr Verkündigungswerk fortzusetzen. 5. Ganz herzlich begrüße ich euch, liebe Pilger, die ihr es euch nicht habt nehmen lassen, anlässlich der Feier des zehnjährigen Bestehens des Motu proprio ,Ecclesia Dei“ nach Rom zu kommen, um aufs neue euren Glauben an Christus und eure Treue zur Kirche zu bestätigen. Liebe Freunde, eure Anwesenheit beim „Nachfolger Petri, dem es in erster Linie obliegt, über die Einheit der Kirche zu wachen“ (Dogmatische Konstitution Pastor aetemus des I. Vatikanischen Konzils), ist von ganz besonderer Bedeutung. Um den Schatz zu bewahren, den Christus ihr anvertraut hat, ist es Pflicht der Kirche, die sich entschieden der Zukunft zuwendet, stets über ihre Verbundenheit mit der Tradition nachzudenken, die von Christus stammt, der Kirche durch die Apostel vermittelt wurde und sich im Laufe der Geschichte konstituiert hat. Gemäß dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente rufe ich alle Katholiken auf, im Geist der Umkehr (Nm. 14,32,34,50) Zeichen der Einheit zu setzen und ihre Zugehörigkeit zur Kirche zu erneuern, damit wir der rechtmäßigen Pluralität und den verschiedenen Mentalitäten Respekt entgegenbringen und sie keinen Anlass zur Trennung darstellen, sondern uns vielmehr anregen, gemeinsam das Evangelium zu verkünden. So möge der Heilige Geist, der alle Charismen zur Einheit zusammenfügt, uns alle ermutigen, auf dass wir alle den Herrn verherrlichen und das Heil allen Völkern verkündet werde. Ich möchte meiner Hoffnung und meinem Wunsch Ausdruck geben, dass alle Glieder der Kirche Erben des von den Aposteln überlieferten Glaubens bleiben, den wir in all seiner Schönheit würdig und treu durch die Feier der heiligen Mysterien bekennen, um so immer mehr der Gnade teilhaftig zu werden (vgl. Konzil von Trient, VII. Session, 3. März 1547, Dekret über die Sakramente) und in inniger und tiefer Verbundenheit mit der heiligsten Dreifaltigkeit zu leben. Die Kirche betrachtet die vom II. Vatikanischen Konzil angekündigte und von Papst Paul VI. durchgeführte Liturgiereform als ein Gut, aber sie setzt auch jenen Menschen gegenüber Zeichen des Verständnisses, die „sich an einige frühere Formen in der Liturgie und Disziplin der lateinischen Tradition gebunden fühlen“ (Motu proprio Ecclesia Dei, Nr. 5). In diesem Sinn muss auch das Motu proprio Ecclesia Dei verstanden und angewandt werden. Daher hoffe und bete ich, dass alle im Geist des II. Vatikanischen Konzils und in voller Harmonie mit der Tradition handeln und dass dieses Handeln auf die Einheit in der Liebe und auf die Treue zur Wahrheit ausgerichtet ist. Es ist die „Wirksamkeit desselben Heiligen Geistes, kraft deren die gesamte Herde Christi in der Einheit des Glaubens bewahrt wird und voranschreitet“ (II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25) und kraft deren der Nachfolger Petri und die Bischöfe als Nachfolger der Apostel das 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN christliche Mysterium lehren. In besonderer Weise sind es die in Ökumenischen Konzilien versammelten Bischöfe „cum Petro et sub Petro“, die die Lehre der Kirche bestätigen und bekräftigen. Die Kirche ist die treue Erbin der Tradition, die seit über zwanzig Jahrhunderten eine lebendige Realität darstellt und sich fortentwickelt. Sie gibt der gesamten kirchlichen Gemeinschaft immer wieder neuen Auftrieb. Die letzten Ökumenischen Konzilien - das Konzil von Trient, das I. und das II. Vatikanische Konzil - haben besondere Sorgfalt und Mühe darauf verwendet, das Geheimnis des Glaubens in klarer Form darzustellen, und sie haben notwendige Reformen zum Wohl der Kirche eingeleitet mit dem Anliegen, die Apostolische Tradition kontinuierlich fortzusetzen, was auch schon in den Anfängen das Anliegen des hl. Hippolyt war. Es obliegt also in erster Linie den Bischöfen, in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri die Leitung des Gottesvolkes entschieden und deutlich auszuüben, damit der katholische Glaube überall gerettet (vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Quin-que iam anni; CIC, can. 386) und in würdiger Weise gefeiert werde. In der Tat ist, wie es der hl. Ignatius von Antiochien ausdrückt, „wo immer der Bischof sich zeigt, da ist auch die Kirche“ (vgl. O.R. 26.121.10.98), {Brief an die Smyrnäer, VIII., 2). In brüderlicher Weise lade ich außerdem die Bischöfe dazu ein, den Gläubigen gegenüber, die sich der alten Liturgie verbunden fühlen, Verständnis und pastorale Aufmerksamkeit entgegenzubringen. An der Schwelle des Dritten Jahrtausends mögen sie allen Katholiken helfen, die Feier der heiligen Geheimnisse mit jener Ehrfurcht zu begehen, die auch wirklich ihr geistliches Leben nähren kann und zur Quelle des Friedens wird. Euch alle vertraue ich der Fürsprache der Jungfrau Maria an, die das vollkommene Vorbild der Nachfolge Christi und die Mutter der Kirche ist. In diesem Sinne, hebe Brüder und Schwestern, erteile ich euch und allen euren Angehörigen und Freunden meinen Apostolischen Segen. Herzlich grüße ich alle Pilger, die anlässlich der zehn Jahre des Motu proprio Ecclesia Dei zu den Gräbern der Apostelfürsten nach Rom gekommen sind. Gerne erteile ich euch und allen euren Lieben daheim den Apostolischen Segen. Herzlich heiße ich auch die englischsprachigen Pilger willkommen, die anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Motu proprio Ecclesia Dei hierher gekommen sind, um die Gräber der Apostel zu verehren. Auf euch und eure Familien rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes herab. 6. Liebe Brüder und Schwestern, wenn ihr nun in eure Heimat zurückkehrt, überbringt euren Familien und Pfarreien den Gruß des Papstes und seinen Apostolischen Segen, den ich nun euch allen und euren Lieben von Herzen erteile. 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verstandeserkenntnis schließt Glaubenserkenntnis nicht aus Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften am 27. Oktober Herr Präsident, meine Damen und Herren Mitglieder der Akademie! 1. Es ist mir eine Freude, Sie heute morgen zu empfangen und Ihnen anlässlich der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften meinen herzlichen Gruß zu entbieten. Die Versammlung wird das Thema der Wandlungen im Verständnis des Begriffs „Natur“ behandeln. Ich danke Herrn Nicola Cabibbo für seine liebenswürdigen, an mich gerichteten Worte. Herzlich begrüße ich Erzbischof Giuseppe Pittau, den ehemaligen Kanzler Ihrer Akademie, und danke Msgr. Marcello Sanchez Sorondo, der seine Nachfolge übernommen hat. Die Reflexionen, die Sie unternehmen, sind besonders berechtigt. Im Altertum hatte Aristoteles bestimmte Ausdrucksweisen geschaffen, die im Mittelalter aufgenommen und vertieft wurden und deren der hl. Thomas sich bedient hat, um seine theologische Lehre auszuarbeiten. Es ist zu wünschen, dass die Wissenschaftler und die Philosophen auch weiterhin ihren Beitrag zur theologischen Forschung und zu den verschiedenen Formen der menschlichen Erkenntnis leisten, um das Geheimnis Gottes, des Menschen und der Schöpfung immer tiefer zu erfassen. Die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Disziplinen im brüderlichen Dialog (vgl. Fides et ratio, Nr. 33) können sehr frachtbar sein, da sie uns eine erweiterte Sicht vermitteln von dem, was wir sind, und dem, was wir werden. 2. Im Lauf der Jahrhunderte ist der Naturbegriff Gegenstand von vielerlei Untersuchungen gewesen, besonders in der Theologie und der Philosophie. Der von Ulpia-nus entwickelte Begriff beschränkte die Natur auf den biologischen und instinktiven Aspekt des Menschen (vgl. Inst., I, 2). In einer gewissen Anzahl heutiger Theorien findet sich erneut diese Versuchung, das menschliche Sein auf diese rein materielle und physische Wirklichkeit zu reduzieren und den Menschen zu einem Wesen zu machen, das sich einzig und allein wie die anderen Arten von Lebewesen verhielte. Die Ausdehnung des wissenschaftlichen Bereichs hat dazu geführt, die Bedeutung dieses Ausdrucks vielfältig zu erweitern. In manchen Wissensgebieten bezieht er sich auf die Idee von Gesetz oder Modell; in anderen ist er mit der Vorstellung von Regelmäßigkeit und Allgemeinheit verbunden; in wieder anderen verweist er ganz allgemein oder bei gewissen Aspekten des lebendigen Seins auf die Schöpfung; in noch anderen schließlich zieht er die menschliche Person in ihrer einzigartigen Einmaligkeit und in ihrem menschlichen Streben in Betracht. Er ist auch mit dem Kulturbegriff verbunden, um den Gedanken der fortschreitenden Formung der Persönlichkeit des Menschen auszudrücken, wobei die ihm gegebenen Elemente - das heißt: seine Natur - verbunden sind mit Elementen, die im Kontakt mit der Gesellschaft erworben werden - das heißt: der kulturellen Dimension, durch die der Mensch sich verwirklicht (vgl. Aristoteles, Politieia I, 2, 11- 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 12). Die die Schöpfung und den Menschen betreffenden wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der letzten Zeit - im unermesslich Kleinen und Großen - haben den Sinn des Naturbegriffs, auf die sichtbare und verstandesmäßig erfassbare, erschaffene Schöpfungsordnung angewandt, beträchtlich verändert. 3. Angesichts dieser begrifflichen Verschiedenheiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung ist es gut, sich die Frage über die Bedeutungen dieses Begriffs zu stellen, denn die Auswirkungen auf den Menschen und die Aufmerksamkeit, die die Wissenschaftler ihm widmen, sind durchaus nicht belanglos. Die Hauptgefahr besteht darin, eine Person zu einer Sache zu degradieren oder sie gleichwertig wie andere Elemente der Natur zu betrachten und so den Menschen, den Gott ins Zentrum der Schöpfung gestellt hat, zu relativieren. In dem Maße wie man vorrangig an einzelnen Elementen interessiert ist, kommt man in Versuchung, die Natur eines Lebewesens oder der Schöpfung, jeweils als Ganzes genommen, nicht mehr zu erfassen und sie zu einer bloßen Zusammenfügung von Elementen mit verschiedenen Wechselbeziehungen herabzuwürdigen. Infolgedessen wird der Mensch nicht mehr in seiner geistig-körperlichen Einheit wahrgenommen, mit seiner Seele, dem geistigen Prinzip im Menschen, die „die Form seines Leibes“ ist (vgl. Konzil von Vienne, Konstitution Fidei catholicae, DH, 902). 4. In der Philosophie und in der katholischen Theologie hat der Begriff „Natur“ eine besondere Bedeutung, und es ist angebracht, sie hervorzuheben. In erster Linie lässt der Begriff „Natur“ an die Wirklichkeit Gottes in seinem eigenen Wesen denken; er bringt die göttliche Einheit zum Ausdruck: dass „die heilige und unaussprechliche Dreifaltigkeit, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, ihrer Natur nach ein Gott ist, von einer Substanz, einer Natur, auch einer Erhabenheit und Kraft“ (11. Synode von Toledo, Glaubensbekenntnis, DH, 525). Der gleiche Ausdruck steht auch dort, wo es sich um die Schöpfung handelt, um die sichtbare Welt, die ihr Dasein Gott verdankt und die ihre Wurzel in einem Schöpfungsakt hat, durch den „die Welt begann, als [...] die ganze Natur ... aus dem Nichts geschaffen wurde“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 338). Nach dem göttlichen Plan findet die Schöpfung ihre Zielsetzung in der Verherrlichung ihres Urhebers (vgl. Lumen Gentium, Nr. 36). Wir stellen somit auch fest, dass dieser Begriff ebenso den Sinn der Geschichte zum Ausdruck bringt, die von Gott kommt und ihrem Ziel entgegengeht, der Rückkehr aller geschaffenen Dinge zu Gott. Die Geschichte darf also nicht als eine zyklische Geschichte verstanden werden, denn der Schöpfer ist auch der Gott der Heilsgeschichte. „Ein und derselbe Gott, der die Verstehbarkeit und Vernünftigkeit der natürlichen Ordnung der Dinge, auf die sich die Wissenschaftler vertrauensvoll stützen, begründet und gewährleistet, ist identisch mit dem Gott, der sich als Vater unseres Herrn Jesus Christus offenbart“ (Fides et ratio, Nr. 34). Mittels seiner Vernunft und der verschiedenen verstandesmäßigen Handlungen, die der Natur des Menschen eigen sind, insofern als er Mensch ist (vgl. hl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I-II, q. 71, a. 2), vermag der Mensch „auf Grund [seiner] Natur den Schöpfer zu erreichen“ (Fides et 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ratio, Nr. 8), wenn er das Werk der Schöpfung betrachtet, denn der Schöpfer lässt sich durch die Größe seines Werkes erkennen. Die Schönheit dieses Werkes und die gegenseitige Abhängigkeit der geschaffenen Wirklichkeiten drängen die Gelehrten zu Bewunderung und Hochachtung vor den der Schöpfung eigenen Prinzipien. „Die Natur, die Gegenstand der Philosophie ist, [kann] zum Verstehen der göttlichen Offenbarung beitragen“ (ebd., Nr. 43). Diese verstandesmäßige Erkenntnis schließt indessen eine andere Form der Erkenntnis nicht aus, nämlich die des Glaubens, der auf der Offenbarungswahrheit und der Tatsache beruht, dass der Herr sich den Menschen mitteilt. 5. Wenn man den Begriff der Natur auf den Menschen, den Höhepunkt der Schöpfung, anwendet, erhält er einen besonderen Sinn. Das einzige Wesen auf Erden, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat, besitzt eine seiner geistigen Natur entspringende Würde, die das Prägemal des Schöpfers in sich trägt, denn er wurde nach seinem Bild und ihm ähnlich erschaffen (vgl. Gen 1,26) und mit den höchsten Gaben ausgestattet, die ein Geschöpf besitzt: Verstand und Willen. Sie gestatten ihm, dass er sich frei entscheiden und sich Gott zuwenden kann, um auf seinen Anruf zu antworten, und dass er sich seiner eigenen Natur entsprechend verwirklichen kann. In der Tat ist der Mensch aufgrund seiner geistigen Natur fähig, die übernatürlichen Wirklichkeiten aufzunehmen und zu dem ewigen Glück zu gelangen, das ihm frei und unentgeltlich von Gott angeboten ist. Diese Beziehung ist möglich, weil Gott und der Mensch zwei Wesenheiten geistiger Natur sind. Gregor von Na-zianz hat das zum Ausdmck gebracht, als er vom Herrn sprach, der sich mit unserer menschlichen Natur bekleidet hat: „Christus heilte Gleichartiges mit Gleichartigem“ (vgl. Oratio 28,13). In der Perspektive dieses kappadokischen Kirchenvaters gestattet uns die metaphysische und ontologische Annäherung, das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung zu begreifen, wodurch Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch, die menschliche Natur angenommen hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Von der menschlichen Natur sprechen heißt auch in Erinnerung bringen, dass es eine Einheit und eine Solidarität des ganzen Menschengeschlechtes gibt. Denn der Mensch muss „in der vollen Wahrheit seiner Existenz, seines persönlichen und zugleich gemeinschaftsbezogenen Seins“ (Redemptor hominis, Nr. 14) betrachtet werden. 6. Zum Abschluss unseres Treffens möchte ich Ihnen Mut zusprechen, Ihre wissenschaftliche Arbeit im Geist eines dem Schöpfer, dem Menschen und der ganzen Schöpfung erwiesenen Dienstes fortzusetzen. So werden die Menschen Gott loben, denn alles kommt ja von ihm (vgl. 1 Chron 29,14); sie werden die Würde jedes Menschen achten und die Antwort auf die grundlegenden Fragen nach ihrem Ursprung und ihrem letzten Ziel finden (vgl. Fides et ratio, Nr. 1). Sie werden Sorge tragen für die Schöpfung, „von Gott gewollt als ein Geschenk an den Menschen, als ein Erbe, das für ihn bestimmt und ihm anvertraut ist“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 299) und das von Natur aus gut ist (vgl. Konzil von Florenz, Bulle Cantate Domino, DH, 1333). 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wünsche Ihnen fruchtbares Arbeiten in einem ergiebigen Dialog zwischen den verschiedenen Disziplinen, die Sie vertreten, und erteile Ihnen von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Wirkungsvoller Beitrag zur Verbreitung christlicher Kultur Ansprache bei der Audienz für Mitglieder Stiftung „Johannes Paul II.“ am 29. Oktober „Gott liebt einen fröhlichen Geber“ (2 Kor 9,7). Mit diesen Worten des hl. Paulus heiße ich alle Anwesenden willkommen. Herzlich begrüße ich die Mitglieder des Verwaltungsrates der Stiftung sowie deren Präsident, Erzbischof Szczepan We-soly, dem ich für seine einleitenden Worte danke. Ebenso möchte ich herzlich den Erzbischof von Detroit, Kardinal Adam J. Maida, begrüßen sowie Erzbischof Jos-zef Kowalczyk, Apostolischer Nuntius in Polen, Msgr. Stanislaw Rylko, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien, und Msgr. Stanislaw Dziwisz, beigeordneter Präfekt des päpstlichen Hauses und Vizepräsident des Rates. Ganz besonders begrüße ich alle Freunde und Wohltäter der Stiftung, die heute hier anwesend sind. Selbstverständlich gilt mein Gruß auch allen jenen Gönnern, die heute nicht hierher kommen konnten, die Stiftung aber geistig und materiell in großzügiger Weise unterstützen. Mit den Worten, die ich einleitend gebrauchte, wollte der Apostel Paulus den Gläubigen der Gemeinde von Korinth Mut zusprechen, denn sie organisierten die materielle Versorgung der Gemeinde von Jerusalem. Der Apostel schreibt: „Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang, denn Gott liebt einen fröhlichen Geber. In seiner Macht kann Gott alle Gaben über euch ausschütten, so daß euch allezeit in allem alles Nötige ausreichend zur Verfügung steht und ihr noch genug habt, um allen Gutes zu tun.[...] Gott, der Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung, wird auch euch das Saatgut geben und die Saat aufgehen lassen; er wird die Früchte eurer Gerechtigkeit wachsen lassen. In allem werdet ihr reich genug sein, um selbstlos schenken zu können; und wenn wir diese Gabe überbringen, wird sie Dank an Gott hervorrufen“ (2 Kor 9,7-11). Des Apostels „Dankeshymnus an Gott“ für die Großzügigkeit der Menschen guten Willens sendet die Kirche unaufhörlich zum Himmel empor. Heute tue auch ich das, indem ich all das vor Gott trage, was diese Stiftung im Laufe von siebzehn Jahren dank der Güte und Großzügigkeit so vieler Freunde aus aller Welt vollbracht hat. Ich weiß, wie groß euer Beitrag zur Verbreitung der christlichen Kultur ist. Dabei denke ich nicht nur an die Veröffentlichungen, die durch Mittel der Stiftung realisiert werden konnten, sondern vor allem an die große Hilfe, die Jugendlichen in Polen oder im Ausland für ihre Studien in verschiedenen Fächern geboten wird. Solche Hilfeleistungen sind besonders heute von großer Bedeutung, da sich neue Möglichkeiten für unsere Brüder und Schwestern der Nachbarstaaten aufgetan ha- 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben, die gleichzeitig neue Herausforderungen für sie darstellen. Diese jahrelange Investition ist höchst wertvoll. Sie wächst unaufhörlich, da die Stipendiaten nach Beendigung ihres Studiums selbst ihre erworbenen Fähigkeiten einsetzen und anderen zur Verfügung stellen. Ebenso wertvoll sind die Erfahrungen, die den Jugendlichen in Polen durch einen Studienaufenthalt in Rom während der Sommerfe-rien ermöglicht werden, damit sie die christlichen Wurzeln der polnischen Kultur und der Kultur in der Welt kennen lernen. So finden auch Tausende von Pilgern aus Polen und den verschiedenen Ländern Europas und anderer Kontinente im Polnischen Haus in Rom nicht nur ein Dach, sondern auch spirituelle Obhut und Hilfe. Dank dieser Hilfe können sie leichter die Früchte ihrer Pilgerreise zu den apostolischen Ursprüngen genießen. Aber es gibt noch ein weiteres Werk, das heute Erwähnung verdient. Dank der Stiftung wird die Dokumentation dieses Pontifikates zusammengestellt. Zwanzig Jahre lang waren wir Zeugen vieler Ereignisse im Leben der Kirche und der Welt, die durch den Willen der göttlichen Vorsehung unsere Geschichte und auch unseren Alltag bilden. Es ist gut, dass die Erinnerung an diese Zeichen göttlicher Liebe für die kommenden Generationen bewahrt wird, auf dass auch sie in den Dank für die Gnaden, die uns in dieser Zeit zuteil wurden, einstimmen können. Dies sind nur einige der Tätigkeitsbereiche, in welchen die Stiftung dank eurer Großzügigkeit und dank der Großzügigkeit von Menschen guten Willens auf der ganzen Welt aktiv werden konnte. So werden sich hoffentlich die Worte des Apostels erfüllen, nach denen alle, die diesen Dienst in Anspruch nehmen, „in ihrem Gebet für euch ... sich angesichts der übergroßen Gnade, die Gott euch geschenkt hat, eng mit euch verbunden fühlen [werden]. Dank sei Gott für sein unfassbares Geschenk“ (2 Kor 9,14-15). Es ist meine Überzeugung, dass dieses Werk nicht nur äußerlich Frucht trägt, sondern auch zur Herzensbildung sowohl einzelner Personen als auch der ganzen Gesellschaft beiträgt. Der Apostel spricht vom „freudigen Geber“, der mit den anderen von Herzen teilt, „nicht verdrossen und nicht unter Zwang“, der „reich an guten Werken“ wird, sich um die Liebe Gottes verdient macht und dem reiche Gnaden zuteil werden. Auf diese Weise „wachsen die Früchte seiner Gerechtigkeit“. Aus dieser Güte und aus dieser Gerechtigkeit entsteht der wahre Sinn für Solidarität mit den anderen, welcher die verschiedenen Menschengrappen miteinander verbindet. Eure Anwesenheit hier ist ein beredtes Beispiel. Ihr kommt nicht nur aus europäischen Ländern, sondern sogar aus Nord-und Südamerika, ja sogar aus dem fernen Indonesien. In verschiedenen Teilen der Welt entstehen neue Freundeskreise der Stiftung, werden neue Kontakte geschlossen, bildet sich eine große Gemeinschaft von Menschen, die sich an diesem Werk beteiligen möchten. Heute danken wir Gott für die Gnade dieses Verbundenseins im Guten. Gestern wurden die neuen Gedenkplatten geweiht, auf denen die Namen eurer und vieler anderer Wohltäter eingemeißelt sind. Es ist dies ein äußeres Zeichen der Dankbarkeit allen jenen gegenüber, die das Hilfswerk der Stiftung so großzügig unterstützt haben. Wir wissen jedoch, dass die Anzahl derer, die das Werk durch 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr Gebet, durch ihr Leid und oft auch durch den „Obolus der Witwenschaft“ unterstützen, noch unendlich größer ist. In tiefer Dankbarkeit möchte ich auch derer heute gedenken. Möge der gute Gott es ihnen durch seine reiche Gnade vergelten. Durch die Hilfeleistungen für die Stiftung, die meinen Namen trägt, bringt ihr auch euer Wohlwollen und eure Verbundenheit mit dem Papst zum Ausdruck. Auch hierfür danke ich euch, und ich möchte dieses Wohlwollen dadurch vergelten, dass ich alle, die mich in meinem Petrusamt unterstützen, im Gebet dem gütigen Gott anvertraue. So bitte ich euch nun, dass ihr meinen Dank und meine Grüße auch euren Lieben, den Mitgliedern der Freundeskreise der Stiftung und allen jenen übermittelt, die auf irgend eine Weise an diesem guten Werk teilhaben. Ich segne euch von Herzen. Festigung der Bande zwischen Glaube und Kultur Grußworte beim Empfang für die Freunde der „Stiftung Johannes Paul II.“ am 29. Oktober Exzellenz, liebe Freunde! Ganz herzlich heiße ich die Mitglieder eurer Stiftung anlässlich des Treffens hier in Rom willkommen. Euer Besuch findet kurz nach dem zwanzigsten Jahrestag der Wahl dieses Sohnes Polens auf den Stuhl Petri statt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch für die spirituelle Nähe während all dieser Jahre danken. Diese Stiftung wurde mit dem Ziel gegründet, die reichen spirituellen Werte zu pflegen, die so sehr zu Polens tausendjähriger christlicher Kultur gehören, und ich bin sehr dankbar für eure Unterstützung dieses wertvollen Unternehmens und eure Mühen, dessen Fortbestehen durch die Gründung eines immerwährenden Stiftungsfonds zu garantieren. Ein wesentliches Merkmal der kirchlichen Sendung ist die Festigung der Bande zwischen Glaube und Kultur, was ganz besonders für die heutige Zeit gilt, stehen wir doch an der Schwelle zum Dritten Christlichen Jahrtausend. Die Neuevangelisierung verlangt nicht nur nach einer erneuerten Wertschätzung des großen kulturellen Erbes, das Polens Vergangenheit geprägt hat, sondern auch nach persönlichem Engagement aller Gläubigen zur Bildung einer modernen Gesellschaft, die von denselben tiefen menschlichen und geistigen Werten inspiriert ist. Während meines letzten Pastoralbesuchs in Polen betonte ich, dass „es von unserer Beharrlichkeit im Glauben der Väter, von der Glut unserer Herzen und von der Offenheit unseres Geistes abhängt, ob die kommenden Generationen durch solch ein Zeugnis der Heiligkeit, wie es uns der hl. Adalbert, der hl. Stanislaus und die hl. Königin Hedwig hinterlassen haben, zu Christus geführt werden“ (Angelus in Krakau, 8. Juni 1997). 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meine lieben Freunde, ich bete dafür, dass durch eure Unterstützung der Stiftung reiche Früchte für die Erneuerung des christlichen Lebens und für die Förderung des Gottesreiches erwachsen. Euch alle vertraue ich der Gottesmutter von Tschenstochau an, deren vertrautes Antlitz uns auf unserer Pilgerschaft begleitet. Dialog der Spiritualität - Spiritualität des Dialogs Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog am 30. Oktober Verehrter Herr Kardinal Arinze, Eminenzen, liebe Brüder im Bischofsamt und liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es ist mir eine Freude, euch, die Mitglieder, Berater und Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, heute hier anlässlich eurer Vollversammlung begrüßen zu können. Wir kommen heute zusammen im Bewusstsein, dass das Große Jubiläum des Jahres 2000 immer näher rückt. Es wird dies ein ganz besonderer Moment der Gnade und Freude sein, wenn die ganze Kirche ihr großes Lob- und Dankgebet zum Vater empor senden wird für das unschätzbare Geschenk der Erlösung, das Christus für uns durch seine Menschwerdung, seinen Tod und seine Auferstehung errungen hat. Bald beginnt das dritte und letzte Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf dieses einmalige Ereignis der Heilsgeschichte, und das Thema wird in diesem Jahr die erste göttliche Person der Dreifaltigkeit, nämlich Gott Vater sein, durch den Jesus Christus gesandt wurde und zu dem er zurückgekehrt ist (vgl. Joh 16,28). Das besondere Ziel dieses letzten Vorbereitungsjahres ist es, den Horizont der Gläubigen zu erweitern, wie ich in meinem Apostoüschen Schreiben Tertio millennio adve-niente hervorhob, so dass das „ganze christliche Leben wie eine große Pilgerschaft zum Haus des Vaters ist“, eine Reise des Glaubens, „die das Innerste der Person involviert, erweitert, sich dann auf die gläubige Gemeinschaft erweitert, um schließlich die ganze Menschheit zu erreichen“ (Nr. 49). 2. Damit es auch wirklich zu dieser Horizonterweiterung kommt, bedarf es der Me-tanoia, der „Bekehrung der Herzen“. Das war ja auch das Thema eurer Reflektio-nen in diesen Tagen, eine Themenwahl, die nicht besser hätte ausfallen können, denn des Menschen Herz ist der Ausgangspunkt dieser inneren Reise und spielt eine wesentliche Rolle innerhalb eines jeden religiösen Dialogs. So dienen eure Diskussionen also einem sehr wichtigen Zweck, denn sie helfen der Kirche, immer mehr und immer wirkungsvoller am Dialog mit unseren Brüdern und Schwestern unterschiedlicher religiöser Traditionen beteiligt zu sein. Das gilt besonders für den Dialog mit den Muslimen und - anknüpfend an die vor kurzem zu Ende gegangene Sondersynode der asiatischen Bischöfe - mit den Hinduisten, Buddhisten, Schin- 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tuisten und deren Denk- und Lebensweise, die es bereits in Asien gab, bevor das Evangelium dort verkündet wurde. Eure Überlegungen sind in den Kontext des „Dialogs der Spiritualität und der Spiritualität des Dialogs“ eingebettet, was sozusagen eine Fortführung und Vertiefung des Themas eurer letzten Vollversammlung ist. In der Tat kann authentische und dauerhafte Bekehrung der Herzen nicht erreicht werden, wenn sie nicht im Geist des Gebets stattfindet.„Das Gebet ist das Band, das uns am wirksamsten verbindet, weil sich dank ihm die Gläubigen dort begegnen, wo Ungleichheiten, Unverständnis, Groll und Feindseligkeiten überwunden werden, nämlich vor Gott, dem Herrn und Vater aller“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1992, Nr. 4). Deshalb wissen wir ja auch die Bedeutung der christlichen Gebetsgemeinschaften, besonders der kontemplativen Orden innerhalb der multireligiösen Gesellschaften, zu schätzen. Solche Gemeinschaften legen nicht nur Zeugnis für die Frohe Botschaft Jesu Christi ab, sondern sie werden auch zu Brücken der Freundschaft und Solidarität, indem sie sich für einen fruchtbaren Dialog und für Zusammenarbeit zwischen Christen und Menschen anderer Religionen einsetzen. 3. Wir stehen an der Schwelle eines neuen Jahrtausends, an dessen Beginn die Herausforderung an die Kirche gestellt wird, die reiche Frucht heranreifen zu lassen, deren Samen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ausgesät worden war. Mit den Konzilsvätern mahne ich euch und alle Söhne und Töchter der Kirche, „daß ihr mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit mit Beken-nem anderer Religionen sowie durch euer Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennt, wahrt und fördert“ (Nostra aetate, Nr. 2). Auf diese Weise wird die Kirche sensibel für das Werk des Heiligen Geistes in den Herzen der Andersgläubigen. Daher werden wir auch im Stande sein, auf dem, was bereits erreicht wurde, aufzubauen, die Kräfte von heute zu konsolidieren und alle jene zu ermutigen, die in Zukunft Zusammenarbeiten wollen bei der Suche nach der transzendenten Wahrheit. Möge Maria, die Königin der Apostel, eure Fürsprecherin sein. So erteile ich euch nun von Herzen meinen Apostolischen Segen. 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Geist der Vergebung und Versöhnung zur Wirkung bringen Ansprache an die Teilnehmer der Studientagung über die Inquisition am 31. Oktober Meine Herren Kardinale, liebe Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit großer Freude begrüße ich Sie anlässlich der Studientagung über die Inquisition, die von der Historisch-Theologischen Kommission für das Heilige Jahr 2000 angeregt und organisiert worden ist. An jeden einzelnen richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft und für Ihren Beitrag zur Vorbereitung auf das bevorstehende Jubeljahr - auch durch die Auseinandersetzung mit diesem sicher nicht einfachen, aber für unsere Zeit zweifellos interessanten Thema. Besonders danke ich Kardinal Roger Etchegaray für die freundlichen Grußworte, mit denen er dieses Treffen eingeführt und die Zielsetzungen der Tagung erläutert hat. Zugleich spreche ich sowohl den Mitgliedern der Kommission für ihr Engagement bei der Vorbereitung dieses Symposiums als auch den Rednern, die die verschiedenen Sitzungen animiert haben, meinen aufrichtigen Dank aus. Es ist unschwer zu erkennen, dass das Thema Ihrer Überlegungen eine sorgfältige Unterscheidung und eine beachtliche Kenntnis der geschichtlichen Tatsachen voraussetzt. Der unentbehrliche Beitrag der Geschichtsforscher wird den Theologen sicher dabei helfen, eine exaktere Bewertung dieses Phänomens zu bieten, denn gerade aufgrund seiner Komplexität muss es in ausgeglichener und gewissenhafter Weise untersucht werden. 2. Diese Tagung über die Inquisition findet wenige Tage nach der Veröffentlichung der Enzyklika Fides et ratio statt; darin wollte ich unsere von Skeptizismus und Relativismus versuchten Zeitgenossen an die grundlegende Würde der Vernunft und an ihre angeborene Fähigkeit zur Erkennung der Wahrheit erinnern. Die Kirche, die den Auftrag erhalten hat, das in der göttlichen Offenbarung empfangene Heilswort zu verkündigen, erkennt im Streben nach Erkenntnis der Wahrheit eine ununterdrückbare Eigenschaft des nach dem Abbild Gottes geschaffenen Menschen. Sie weiß, dass die Erkenntnis durch den Glauben und die natürliche Erkenntnis durch wechselseitige Freundschaft miteinander verbunden sind, wobei jede ihr eigenes Objekt und eigene Rechte besitzt (vgl. Fides et ratio, Nr. 57). Zu Beginn der Enzyklika nahm ich Bezug auf die Inschrift über dem Tempel von Delphi, die auch Sokrates inspiriert hat: „Erkenne dich selbst.“ Dies ist eine grundlegende Wahrheit: Sich selbst erkennen ist für den Menschen typisch, denn er unterscheidet sich von allen anderen auf der Erde geschaffenen Wesen durch seine Veranlagung, sich die Frage über den Sinn seines Daseins zu stellen. Aufgrund 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dessen, was er über die Welt und über sich selbst weiß, kann der Mensch einem weiteren Gebot entsprechen, das ebenfalls aus der griechischen Gedankenwelt stammt: „Werde, was du bist.“ Das Erkennen spielt daher eine wesentliche Rolle auf dem Weg des Menschen zur vollständigen Erfüllung seiner Menschlichkeit: Das gilt ganz besonders im Bereich der Geschichtskenntnis, denn sowohl die Einzelpersonen als auch die Gesellschaften werden sich nur dann völlig ihrer selbst bewusst, wenn sie ihre Vergangenheit verarbeitet haben. 3. In der Enzyklika Fides et ratio habe ich auch meine Sorge angesichts des Phänomens der Fragmentierung des Wissens zum Ausdruck gebracht; sie trägt in der Tat dazu bei, dass die Kenntnisse ihren Sinn verlieren und von ihrer wahren Zielsetzung abgelenkt werden. Dieses Phänomen ist auf vielfältige Ursachen zurückzuführen. Der Fortschritt des Wissens selbst hat zu einer zunehmenden Spezialisierung geführt: Eine Folge davon ist der Mangel an Kommunikation zwischen den verschiedenen Disziplinen. Daher habe ich die Philosophen und die im kulturellen Bereich tätigen Männer und Frauen aufgefordert, „vor allem ihre Weisheitsdimension, die in der Suche nach dem letzten und umfassenden Sinn des Lebens besteht“, wiederzufinden (ebdNr. 81), denn die Vereinheitlichung von Wissen und Handeln ist ein Grundbedürfnis unseres Geistes. In dieser Perspektive scheint es unentbehrlich, auf die Funktion der epistemologi-schen Überlegung hinzuweisen - im Hinblick auf die gegenseitige Ergänzung der verschiedenen Wissensbereiche in einer harmonischen Einheit, die die Identität und Unabhängigkeit einer jeden Disziplin achtet. Im übrigen stellt dies eine der wertvollsten Errungenschaften des zeitgenössischen Gedankenguts dar (vgl. ebd., Nr. 21). Nur wenn er sich streng an sein Forschungsgebiet hält und die entsprechende Methodologie befolgt, ist der Wissenschaftler in seinem Zuständigkeitsbereich ein Diener der Wahrheit. Dass man von einer einzigen Disziplin ausgehend nicht zur Gesamtheit der Wahrheit gelangen kann, ist heute in der Tat eine von vielen Menschen geteilte Überzeugung. Die Zusammenarbeit zwischen Vertretern verschiedener Wissenschaftszweige wird deshalb zur Notwendigkeit. Darüber hinaus empfinden die Forscher selbst das Bedürfnis nach gegenseitiger Aussprache, wenn sie es mit einem vielschichtigen Thema zu tun haben, selbstverständlich unter Achtung der Zuständigkeit eines jeden. Aus diesem Grunde war die Historisch-Theologische Kommission für das Heilige Jahr 2000 zu Recht der Ansicht, dass man keine adäquaten Überlegungen über das Phänomen der Inquisition anstellen kann, ohne zuerst die Meinung von allgemein anerkannten Geschichtswissenschaftlern angehört zu haben. 4. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Problem der Inquisition gehört zu einem vieldebattierten Abschnitt der Kirchengeschichte, und ich habe schon in der Vergangenheit die Christen aufgefordert, sich aufrichtig damit auseinander zu setzen. In meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio cidveniente hielt ich wörtlich fest: „Ein anderes schmerzliches Kapitel, auf das die Kinder der Kirche 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit reuebereitem Herzen zurückkommen müssen, stellt die besonders in manchen Jahrhunderten an den Tag gelegte Nachgiebigkeit angesichts von Methoden der Intoleranz oder sogar Gewalt im Dienst an der Wahrheit dar“ (Nr. 35). Diese Frage, die sowohl die Welt der Kultur als auch die politischen Auffassungen jener Zeit betrifft, hat eine rein theologische Wurzel und setzt einen gläubigen Blick auf das Wesen der Kirche und auf die Anforderungen des Evangeliums voraus, die ihr Leben leiten. Das kirchliche Lehramt kann sich sicher nicht einen Akt ethischer Natur - wie die Bitte um Vergebung - vornehmen, ohne sich zuerst präzise über die Situation jener Zeit informiert zu haben. Es darf sich aber auch nicht auf die von der öffentlichen Meinung vermittelten Ansichten über die Vergangenheit stützen, denn diese sind oft mit Leidenschaften und Emotionen überladen, die eine ausgeglichene und objektive Beurteilung verhindern. Wenn das Lehramt dies nicht berücksichtigen würde, käme es seiner wesentlichen Pflicht, nämlich der Achtung der Wahrheit, nicht mehr nach. Deshalb besteht der erste Schritt in der Befragung der Historiker, die nicht nach einem Urteil ethischer Art gefragt werden, das außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches läge, sondern nach ihrer Hilfe zur bestmöglichen Rekonstruktion der Ereignisse, Bräuche und Einstellungen von damals im Zusammenhang des geschichtlichen Umfelds. Nur wenn die Geschichtswissenschaft die tatsächliche Wahrheit festgestellt hat, werden die Theologen und das Lehramt der Kirche in die Lage versetzt, ein objektiv begründetes Urteil zu äußern. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen von ganzem Herzen für Ihren in voller Freiheit angebotenen Dienst danken und Ihnen erneut die Wertschätzung der Kirche für Ihre Arbeit aussprechen. Ich bin überzeugt, dass diese Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheit leistet und daher indirekt an der Neuevangelisierung mitwirkt. 5. Zum Schluss möchte ich Sie an einer Überlegung teilhaben lassen, die mir besonders am Herzen liegt. Die Bitte um Vergebung, von der in letzter Zeit so oft die Rede ist, betrifft in erster Linie das Leben der Kirche, ihren Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums, ihr Zeugnis für Christus, ihr Engagement für die Einheit, in einem Wort die Folgerichtigkeit, die das christliche Dasein prägen muss. Aber das Licht und die Kraft des Evangeliums, von denen die Kirche lebt, sind in der Lage, gleichsam wegen ihrer Überfülle auch die Entscheidungen und Taten der bürgerlichen Gesellschaft - unter voller Achtung ihrer Unabhängigkeit - zu erleuchten und zu unterstützen. Deshalb hört die Kirche nicht auf, sich mit ihren eigenen Mitteln für den Frieden und die Förderung der Menschenrechte einzusetzen. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend darf man zu Recht hoffen, dass die politisch Verantwortlichen und die Völker - vor allem jene, die in dramatische, vom Hass und von der Erinnerung an alte Wunden genährte Konflikte verwickelt sind - sich von dem Geist der Vergebung und Versöhnung leiten lassen, den die Kirche bezeugt, und sich um eine 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beilegung der Streitigkeiten durch einen aufrichtigen und offenen Dialog bemühen. Ich vertraue diesen Wunsch Ihren eigenen Überlegungen und Ihrem Gebet an. Für jeden erbitte ich den ständigen Schutz Gottes. Ich versichere Sie meines Gebetsgedenkens und spende Ihnen und den Menschen, die Ihnen nahe stehen, gerne einen besonderen Apostolischen Segen. Der Beitrag des Alters zum Lebensauftrag Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz: „Die Kirche und der alte Mensch“ am 31. Oktober Meine Herren Kardinale, verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, verehrte Damen und Herren! Mit großer Freude heiße ich alle Teilnehmer dieser vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst organisierten internationalen Konferenz willkommen, die sich mit einem traditionellen Aspekt der pastoralen Sorge der Kirche beschäftigt. Meine Hochachtung gilt all denen unter euch, die ihre Arbeit jener vielschichtigen Problematik widmen, die die alte Komponente der Gesellschaft betrifft, eine Komponente, die in allen Gesellschaften der Welt stets größer wird. Ich danke Msgr. Javier Lozano Barragän für die edlen Worte, mit denen er die allgemeine Einstellung erläutert hat. Eure Konferenz möchte das Problem mit jener Hochachtung für den alten Menschen behandeln, wie sie auch in der Heiligen Schrift zum Ausdruck kommt, wenn von Abraham und Sara die Rede ist (vgl. Gen 17,15-22), wenn sie das Zeugnis Simeons und Hannas über Jesus (vgl. Lk 2,23-38) beschreibt, wenn die Priester als Älteste bezeichnet werden (vgl. Apg 14,23; 1 Tim 4,14; 5,17,19, Tit 1,5; 1 Petr 5,1), wenn sie in der Huldigung der vierundzwanzig Ältesten die Ehrerbietung der gesamten Schöpfung zusammenfasst (vgl. Ojfb 4,4) und schließlich Gott selbst den „Hochbetagten“ {Dan 7,9-22) nennt. 2. Euer Studienprogramm unterstreicht die Größe und Kostbarkeit des menschlichen Lebens, dessen Wert in jedem Alter und unter allen Umständen unverändert bleibt. So wird jenes Evangelium vom Leben maßgeblich bekräftigt, das die Kirche, während sie beharrlich das Geheimnis der Erlösung ergründet, mit stets neuem Staunen erfüllt und das sie den Menschen aller Zeiten verkünden muss (vgl. Evangelium vitae, Nr. 2). Die Konferenz beschäftigte sich nicht nur mit den demographischen und medizinisch-psychologischen Aspekten des alten Menschen, sondern bemühte sich auch um eine Vertiefung des Arguments, indem sie die in diesem Zusammenhang gemachte Aussage der Offenbarung und die Wirklichkeit, die wir leben, gegenüberstellte. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich auch das Werk der Kirche auf historischdynamische Art und Weise hervorgetan, mit nützlichen und angemessenen Aktua- 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lisierangsvorschlägen für alle Fürsorgeinitiativen, in verantwortungsvoller Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden. 3. Das Alter ist der dritte Lebensabschnitt: das entstehende, das sich entwickelnde und das schwindende Leben sind drei Momente des Mysteriums unserer Existenz, jenes menschlichen Lebens, das „aus Gott kommt, sein Geschenk, sein Abbild und Ebenbild, Teilhabe an seinem Lebensatem ist“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 39). Als Belohnung für die treue Einhaltung der Gesetze Gottes verspricht das Alte Testament den Menschen ein langes Leben: „Gottesfurcht bringt langes Leben“ (■Spr 10,27). Man war allgemein davon überzeugt, dass die Verlängerung des physischen Lebens bis zum „hohen Alter“ (Gen 25,8), wenn der Mensch „lebenssatt“ (Gen 25,8) sterben konnte, als ein Beweis des besonderen Wohlwollens Gottes zu werten war. In einer Gesellschaft, die im Alter oft nur eine Problematik zu sehen scheint, muss auch dieser Wert neu entdeckt werden. Aufmerksamkeit für die komplexen Probleme, die die Welt des alten Menschen kennzeichnen, bedeutet für die Kirche, ein „Zeichen der Zeit“ zu ergründen und es im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeder Generation angemessenen Art und Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben (vgl. Gaudium et spes, Nr. 4). 4. Ein Kennzeichen unserer Zeit ist die wesentliche Verlängerung der Lebenserwartung, die, zusammen mit dem Geburtenrückgang, für die Überalterung der Weltbevölkerung verantwortlich ist. Erstmalig in der Geschichte der Menschheit steht die Gesellschaft vor einer derart tiefen Veränderung der Bevölkerungsstruktur, dass sie gezwungen ist, ihre Sozialleistungssysteme - mit Auswirkungen auf allen Ebenen - den neuen Gegebenheiten anzupassen. Es geht um die Neuordnung der Gesellschaft und ihrer Wirtschaftsstruktur ebenso wie um eine neue Auffassung vom Kreislauf des Lebens und den Beziehungen der verschiedenen Altersgruppen zueinander. Das ist eine wahre Herausforderung für die Gesellschaft, die sich insofern als gerecht erweist, wie sie den sozialen Anforderungen all ihrer Mitglieder entspricht: Ihr Zivilisationsgrad steht in direktem Verhältnis zu ihrer Fähigkeit, die schwächeren Elemente des Sozialstaates zu schützen. 5. Auch der alte Mensch, der oft nur als Empfänger von Sozialleistungen betrachtet wird, muss aufgefordert werden, zu diesem Werk beizutragen; die alternde Bevölkerung kann mit der Zeit größere Reife, Intelligenz, Ausgeglichenheit und Weisheit erlangen. Daher ermahnt Sirach: „Verweile gern im Kreis der Alten, wer weise ist, dem schließ dich an!“ (Sir 6,34); und weiter: „Verachte nicht die Überlieferung der Alten, die sie übernommen haben von ihren Vätern. Dann wirst du Einsicht lernen, um antworten zu können, sobald es notwendig ist“ (Sir 8,9). Daraus folgt, dass der alte Mensch nicht nur als Objekt der Aufmerksamkeit, der Nähe und des Dienstes zu betrachten ist. Auch er kann auf wertvolle Art und Weise zum Leben beitragen. Dank seiner im Laufe der Jahre gesammelten reichen Erfahrung 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kann und muss er Spender der Weisheit, Zeuge der Hoffnung und Liebe sein (vgl. Evangelium vitae, Nr. 94). Die Beziehung zwischen der Familie und den Alten muss als eine Beziehung des Gebens und des Erhaltens gesehen werden. Auch der alte Mensch gibt: Seine jahrelange Erfahrung darf nicht ignoriert werden. Auch wenn sie, was möglich ist, nicht der sich wandelnden Zeit entspricht, so gibt es doch viel Erlebtes, dem die Angehörigen zahlreiche Hinweise entnehmen können, denn hierin überleben Gemeinschaftsgeist, Traditionen, Berufswahl, Treue zur Religion usw. Wir alle kennen die besondere Beziehung zwischen Alten und Kindern. Aber auch den Erwachsenen kann, wenn es ihnen gelingt, ein Klima der Achtung und Zuneigung gegenüber alten Menschen aufzubauen, ihre Weisheit und Erkenntnisfähigkeit zugute kommen, um mit Umsicht und Vernunft zu handeln. 6. In dieser Hinsicht muss die Gesellschaft zur Solidarität unter den Generationen wieder zurückfinden: Sie muss den Sinn und die Bedeutung des Alters in einer Kultur neu entdecken, in der der Mythos der Produktivität und der physischen Leistungsfähigkeit eine allzu dominierende Rolle spielt. Wir müssen dem alten Menschen die Möglichkeit geben, ein ruhiges und würdiges Leben zu führen, und seiner Familie muss auch in wirtschaftlicher Hinsicht geholfen werden, um stets jener natürliche Bereich zu sein, der die verschiedenen Generationen miteinander verbindet. Auch im Hinblick auf die oft notwendige gesundheitliche und rehabilitative Unterstützung muss einiges gesagt werden. Die technologischen Fortschritte im medizinischen Bereich dienen der Verlängerung des Lebens, tragen aber nicht unbedingt zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Wir brauchen Fürsorgeprogramme, die vor allem die Würde des alten Menschen berücksichtigen und ihm, soweit es möglich ist, helfen, seine Selbstachtung zu wahren, damit er sich nicht als unnütze Last empfindet und den Tod herbeisehnt und verlangt (vgl. Evangelium vitae, Nr. 94). 7. Die Kirche, die zu prophetischen Gesten in der Gesellschaft aufgerufen ist, verteidigt das Leben von seiner Entstehung an bis zu seinem Ende durch den Tod. Insbesondere im Hinblick auf diesen letzten Abschnitt, der sich oft über Monate und Jahre hinzieht und schwere Probleme aufwirft, appelliere ich heute an die Sensibilität der Familien, damit sie ihre Lieben bis an das Ende ihrer irdischen Pilgerschaft begleiten mögen. Unweigerlich kommen uns hier die gramerfüllten Worte aus der Heiligen Schrift in den Sinn: „Mein Sohn, wenn dein Vater alt ist, nimm dich seiner an, und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und beschäme ihn nicht in deiner Vollkraft! Denn die Liebe zum Vater wird nicht vergessen. Zur Zeit der Bedrängnis wird sie dir vergolten werden“ (Sir 3,12-15). 8. Die Achtung, die wir dem alten Menschen schulden, verpflichtet mich erneut, all jene Praktiken zur Verkürzung des Lebens zu verurteilen, die mit Euthanasie bezeichnet werden. 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angesichts einer säkularisierten Mentalität, die das menschliche Leben, insbesondere das schwache menschliche Leben, missachtet, muss betont werden, dass es sich auch hier um ein Geschenk Gottes handelt, zu dessen Schutz wir uns alle ein-setzen müssen. Dazu ist vor allem das im Gesundheitswesen tätige Personal verpflichtet, dessen spezielle Aufgabe es ist,„Diener des Lebens“ in all seinen Phasen zu sein, insbesondere in denjenigen, die von Schwäche und Krankheit gezeichnet sind. „Die Versuchung der Euthanasie gehört zu den alarmierendsten Symptomen der ,Kultur des Todes1, die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften um sich greift“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 64). Euthanasie ist ein Angriff auf das Leben, den keine menschliche Autorität recht-fertigen kann, denn das Leben des Unschuldigen ist ein Gut, über das niemand verfügen kann. 9. Indem ich mich nun an alle alten Menschen der Welt wende, möchte ich ihnen sagen: Liebe Brüder und Schwestern, verliert nicht den Mut: das Leben geht nicht hier, auf der Erde, zu Ende; im Gegenteil, es nimmt hier lediglich seinen Anfang. Wir müssen Zeugen der Auferstehung sein! Freude sollte den alten Menschen auszeichnen; unbeschwerte Freude, denn die Zeit ist reif, und es naht jener Lohn, den der Herr Jesus Christus für seinen treuen Diener bereithält. Unwillkürlich fallen uns die ergreifenden Worte des Apostels Paulus ein: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten“ (2 Tim 4,7-8). In diesem Sinne erteile ich allen Anwesenden, euren Lieben und ganz besonders den alten Menschen von ganzem Herzen meinen Segen. Erfolgreiche Förderung mariologischer Forschung Ansprache bei der Öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien am 7. November Meine Herren Kardinäle, sehr geehrte Herren Botschafter, verehrte Mitglieder der Päpstlichen Akademien, liebe Brüder und Schwestern! 1. Diese dritte öffentliche Sitzung der Päpstlichen Akademien wurde einberufen, um den Beitrag zum christlichen Humanismus an der Schwelle des Dritten Christlichen Jahrtausends hervorzuheben, und sie ist auch Gelegenheit, erneut mit Ihnen hier zusammenzukommen. Von Herzen begrüße ich Sie alle, die Sie hier anwesend sind. 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Besonders begrüße ich Kardinal Paul Poupard, den Präsidenten des Rates zur Koordinierung der Päpstlichen Akademien, und ich danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen aller soeben an mich gerichtet hat. Auch begrüße ich alle hier anwesenden Kardinäle, euch, geliebte Brüder im Bischofsamt, die Herren Botschafter, die Priester und Ordensleute und alle Mitglieder der Päpstlichen Akademien. Schließlich begrüße ich auch Herrn Prof. Bruno Cagli, den Präsidenten der „Accademia Nazionale di Santa Cecilia“, und bedanke mich herzlich bei dem Jugendchor dieser Akademie, der unter der Leitung des Dirigenten, Herrn Martino Faggiani, mit seinen musikalischen Weisen, die die Liebe des christlichen Volkes zu Maria zum Ausdruck bringen, zur feierlichen Gestaltung dieses Zusammentreffens beiträgt. 2. In der Tat ist die heutige Veranstaltung der Jungfrau Maria geweiht. Sie ist die Ikone und das Modell der durch Christus erlösten Menschheit. Die. ihr geschenkte Aufmerksamkeit ist nicht zuletzt auf den theologischen Beitrag zurückzuführen, der durch die Vorträge über die verschiedenen Aspekte der Rolle Mariens in der Heilsgeschichte zustande kam. Die Reflexion über den im Laufe der Jahrhunderte in den verschiedensten Kulturen sich entwickelnden Menschen konnte wirklich ungemein viele Anregungen zur Weiterentwicklung aus der Gegenüberstellung mit dem Mysterium Jesu aufnehmen, der das im Schoße Mariens fleischgewordene Gotteswort ist. Im Brief an die Galater schreibt der Apostel Paulus: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen und damit wir die Sohnschaft erlangen“ {Gal 4,4-5). Die Worte des Apostels führen uns zum Mittelpunkt der Geschichte selbst, denn „als die Zeit erfüllt war“, wurde der Gottessohn von einer Frau geboren, Maria aus Nazaret, die so auf einzigartige Weise am Geheimnis des Wortes teilnahm, da sie ja in der Zeit den vor aller Zeit gezeugten Sohn des Vaters zur Welt brachte. Maria ist eine Tochter des auserwählten Volkes und daher Tochter der Kultur dieses Volkes, die durch diese einzigartige Begegnung mit dem Wort Gottes bereichert wurde. Sie ist es auch, die aktiv am Zustandekommen des ersten Wunders Jesu in Kana teilhat, wodurch er seine Herrlichkeit zeigt (vgl. Joh 2,1-2); sie ist es, die auf Golgota gegenwärtig ist und der Jesus dort sagt, dass sie von nun an die Mutter jenes Jüngers sei, den er liebte, und somit auch unsere Mutter. Die Evangelien und die christliche Tradition lehren uns, dass wir in ihr den „Sitz“ anzuerkennen haben, wo sich innerhalb der Geschichte die Fleischwerdung erfüllt hat. Die ganzen 2000 Jahre hindurch waren das Leben Jesu und die Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil von einer besonderen marianischen Dimension geprägt. Die jungfräuliche Mutter steht den Herzen der Menschen aller Zeiten und Kulturen nahe, und davon legen auch die Meisterwerke der Kunst, die der menschliche Genius geschaffen und die in jeder Epoche der Geschichte Blüten hervorgebracht haben, Zeugnis ab. 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Jungfrau erscheint im Neuen Testament in ihrem schlichten Auftreten als eine außergewöhnliche Frau. Die Kirchenväter und Meister christlicher Spiritualität haben den Glauben des Gottesvolkes in Worte gekleidet und so die Glaubenswahrheiten betont, welche die außergewöhnliche Besonderheit Mariens hervorheben. Sie ist die „Theotokos“, die „Deipara“, d. h. die Gottesgebärerin, welche die Kirche durch einen „Kult eigener Art“ ehrt (Lumen Gentium, Nr. 66). An der Schwelle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ist es mir eine Freude, an den großartigen Schatz von Liebe, Frömmigkeit und Kunst zu erinnern, von dem die Ostkirchen im Laufe der zweitausendjährigen Geschichte Zeugnis geben. Sie verehren die allerseligste Gottesmutter Maria als „Theotokos“ und verleihen ihr Titel wie „Panhagia“, Allheilige, „Hyperhagionorma“, die über alle Maßen Heilige, „Platytera“, die Größere, die Weitherzige, „Hodigitria“, die uns den Weg Weisende, „Elcousa“, die Barmherzige. In der Tradition der orientalischen Frömmigkeit wird Maria als Jungfrau verehrt und besungen, ihre Ikonen rufen uns allen ins Gedächtnis, dass die Gottesmutter das bevorzugte Bildnis der durch Christus erlösten Menschheit ist. Die Orientalischen Kirchen bieten uns also durch ihr reiches kulturelles Erbe ihrer Marienfrömmigkeit nicht nur einen ökumenischen Weg, sondern auch ein Modell christlicher Menschlichkeit. 4. Was das Abendland anbelangt, so gehen Theologie, Spiritualität und Kunst bei ihrer Verehrung der Gottesmutter und zur Hervorhebung ihrer universalen geistigen Mutterschaft vom Mysterium der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und des fleischgewordenen Wortes aus. Ihre Verbindung mit Christus ist auch der Archetyp der Verbindung der Kirche und der einzelnen Christen mit dem Erlöser. Die Jünger des Herrn hatten ziemlich bald verstanden, dass die allerseligste Gottesmutter Maria die Erste unter den Erlösten und das vollkommene Abbild der Erlösung ist. Der sei. Johannes Duns Scotus, der ein großer Verehrer der Unbefleckten Empfängnis war, schreibt diesbezüglich: „Wenn Christus uns also vollkommen mit Gott versöhnt hat, so hat er auch bewirkt, daß jemand von dieser schweren Erblast befreit wird“ (vgl. Opus Oxoniense, III, d. 3. q. 1). Es ist sehr erfreulich, dass die Internationale Päpstliche Marianische Akademie und das Päpstliche Athenäum Antonia-num einen Lehrstuhl für marianische Studien errichtet und ihm den Namen dieses großen Theologen gegeben haben. Anknüpfend an das Apostolische Schreiben Marialis cultus meines verehrten Vorgängers und Dieners Gottes, Paul VI., war es meine Absicht, durch die Enzyklika Redemptoris Mater die wesentliche Verbindung hervorzuheben, die zwischen Maria und der Kirche besteht, indem ich besonders die Sendung innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen unterstrichen hatte. Im Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem rief ich sodann in Erinnerung, wie weitgehend Maria den christlichen Humanismus erleuchtet und bereichert, der ja seinerseits durch das Evangelium inspiriert wird. Dabei kommen außer den verschiedenen Aspekten der „neuen Menschlichkeit“ die Würde und der „Genius“ der Frau zum Ausdruck. Maria wurde von Gott auserwählt für die Verwirklichung seines Heilsplanes, und sie hilft uns, die Sendung der Frau im Leben der Kirche und bei der Verkündigung des Evangeliums zu verstehen. 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Liebe Brüder und Schwestern, es ist mir eine Freude, auf den Vorschlag des Rates für die Koordinierung der Päpstlichen Akademien hin den Preis dieser Päpstlichen Akademien an Frau Dr. Deyanira Flores Gonzales aus Costa Rica zu verleihen für ihr Werk zur Mariologie mit dem Titel La virgen Maria al pie de la cruz (Joh 19,25-21) en Ruperto de Deutz [Die Jungfrau Maria am Fuße des Kreuzes (Joh 19,25-27) bei Rupertus von Deutz], welches an der theologischen Fakultät des Marianums vorgestellt wurde. Auch übergebe ich bei dieser Gelegenheit gerne als Zeichen der Wertschätzung eine Medaille meines Pontifikates an die beiden Akademiker, die eben erst ihre Doktorwürde erhielten, und zwar an Frau Dr. Marielle Lamy aus Frankreich für ihre Doktorarbeit: Le culte marial entre doctrine et devo-tion: etapes et enjeux de la controverse de Tlmmaculee Conception au Moyen Age (Xlle - XVe siecles) [Marienverehrung zwischen Doktrin und Frömmigkeit: Etappen und Stationen der Kontroverse um die Unbefleckte Empfängnis im Mittelalter des 12.-15. Jahrhunderts], die sie an der Universität Paris X Nanterre vorgestellt hatte, und an den Franziskanerpater Johannes Schneider aus Österreich für seine Doktorarbeit: Virgo Ecclesia facta: la presenza di Maria nel Crocifisso di San Damiano e nett’ Officium Passionis di San Francesco d’Assisi [Virgo Ecclesia facta: die Gegenwart Mariens vor dem Kruzifix von San Damiano und im Officium Passionis des hl. Franz von Assisi], die er am Päpstlichen Athenäum Antonianum in Rom vorgelegt hat. Bekanntlich ist ja der Zweck des vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Päpstlichen Akademiepreises, die jungen Studenten, Künstler und Institutionen zu ermutigen, zur Entwicklung der Theologie, des christlichen Humanismus und der daraus hervorgehenden Kunst beizutragen. Vor allem möchte ich hier meinem Wunsch Ausdruck verleihen, dass ein erneuerter Schaffenseifer die Wissenschaftler bei ihrer Forschung im Bereich der Mariologie beseelt und sie so die Charakteristiken des durch den Heiligen Geist und Gnadenspender befruchteten Humanismus herausarbeiten, dessen Modell und Abbild Maria ist. In diesem Sinne erteile ich Ihnen, Ihren Familien und allen Ihren Freunden meinen besonderen Apostolischen Segen. Bischöfe sind Träger und Vermittler des Heiligen Geistes Predigt bei der Gedenkmesse für die im vergangenen Jahr verstorbenen Kardinäle und Bischöfe am 10. November 1. „Unsere Heimat aber ist im Himmel“ (Phil 3,20). Die Worte des Apostels Paulus laden uns ein, Geist und Herz zum Himmel zu erheben, der wahren Heimat der Kinder Gottes. Ihr haben wir uns in den vergangenen Tagen während der Liturgiefeiem zu Allerheiligen und Allerseelen zugewendet. In dieser geistlichen Atmosphäre haben wir uns zum heiligen Messopfer hier in der Petersbasilika eingefunden, um jener Kardinäle und Bischöfe zu gedenken, 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die im letzten Jahr diese Welt verlassen haben und in die himmlische Heimat eingegangen sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich insbesondere an die verehrten Kardinäle erinnern, die uns verlassen haben: Laurean Rugambwa, Eduardo Francisco Pironio, Antonio Quarracino, Jean Bailand, Antonio Ribeiro, Alberto Bovone, John Joseph Carberry, Agostino Casaroli, Anastasio Ballestrero und Alois Grillmeier. Vor allem ihnen wie auch den verstorbenen Erzbischöfen und Bischöfen gelten die Worte des Psalmisten: „Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen auf sein Wort“ (Ps 130,5). Tag und Nacht über die Herde Christi wachend, waren diese unsere Brüder wie die „Hüter“ der Kirche. Grundlage ihrer apostolischen Arbeit war der Glaube und ihre aufmerksame Wachsamkeit ging weit über die irdischen Grenzen hinaus, denn ihre Seelen warteten auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen (vgl. Ps 130,6). 2. Während das Jahr zu Ende geht, das ich, als Vorbereitung auf das Große Jubeljahr, insbesondere dem Heiligen Geist widmete, haben wir die berühmte Weissagung des Propheten Ezechiel vernommen, in der der Geist Gottes mit außerordentlicher Aussagekraft als Protagonist der Auferweckung des willenlosen und durch Hoffnungslosigkeit fast leblos gewordenen Volkes Israel erscheint. Gott fordert den Propheten auf, sich nicht nur an die ausgetrockneten Gebeine - Metapher für das „Haus Israel“ (Ez 37,11) - zu wenden, sondern mit einer einzigartigen und ausgesprochen kühnen Epiklese sogar an den Geist selbst: „Geist, komm herbei von den vier Winden! Hauch diese Erschlagenen an, damit sie lebendig werden“ CEz 37,9). Wie oft haben unsere Brüder, derer wir heute gedenken, in ihrem Leben und bei der Ausübung ihres Amtes den göttlichen Tröster angerufen: Komm, Sancte Spiritus. Komm, creator Spiritus! Wie oft haben sie „den Geist prophetisch angerufen“, damit er seine belebende Gnade auf das Volk Gottes ausgieße! Ist denn die Aufgabe des geweihten Dieners, und in ganz besonderem Maße die des Bischofs, nicht nahezu eine große Epiklese, die ihren Höhepunkt in der Feier der Sakramente erreicht, insbesondere in der Eucharistie, in der Firmung und in der Weihe? Nach dem Bild Christi geweiht, ist jeder Hirt in der Kirche berufen, aktives Werkzeug der Einwirkung des Heiligen Geistes zu sein, der, eines Wesens mit dem Vater, erleuchtet, Trost spendet, heilt und wiederbelebt. Möge der Schöpfergeist sich dieser seiner treuen Diener annehmen, damit ihnen bei ihrer Begegnung mit Christus im Paradies die Fülle des Lebens zuteil werde. 3. Im Evangelium haben wir erneut die der Überlieferung des Evangelisten Johannes entsprechende Schilderang vom Tod Christi gehört. Diese eindrucksvollen Seiten des Evangeliums erlauben uns, in die Tiefen Gottes einzudringen, die allein das fleischgewordene Wort, die Fülle der Gnade und der Wahrheit, hat offenbaren können. Wenn wir die von Johannes überlieferte Darstellung der Kreuzigung betrachten und bei dem letzten Wort: „...und gab seinen Geist auf“ (Joh 19,30), verweilen, erkennen wir im Licht des Glaubens, dass der Vater in eben dieser extre- 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men Selbstaufopferung des Gottessohnes den Heiligen Geist in Fülle in der Welt ausgegossen hat. Der gute Hirt, der gekommen ist, damit die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10), erfüllt seine Mission in jenem Augenblick, in dem er, ans Kreuz geschlagen und zu nichts mehr fähig, als sich selbst aufzuopfem, „seinen Geist aufgibt“; und in dieser höchsten Geste gießt er den Heiligen Geist aus für das Heil der Welt. Das ist der Weg für jeden Christen, ja, für jeden Menschen: Verwirklichung durch Selbsthingabe. Insbesondere ist das der Weg derjenigen, die durch ein ganz besonderes Gnadengeschenk in der Kirche Christus, dem guten Hirten, gleichförmig geworden sind, der „sein Leben hingibt für die Schafe“ (vgl. Joh 10,11). So wie Christus, nach der Erfahrung äußerster Ohnmacht, mit seinem Leib durch die Kraft des Heiligen Geistes auferweckt worden ist, wird der gleiche Geist all jene zu neuem und ewigen Leben erwecken, die voll Großherzigkeit ihre Existenz dem Evangelium geweiht haben. 4. „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27). Mit diesen an den Apostel Johannes gerichteten letzten Worten des gekreuzigten Jesus wollen wir unsere Reflexion beenden. Die verehrten Brüder im Kardinalsund Bischofsamt, die wir heute der Güte Gottes anvertrauen, „haben Maria zu sich genommen“ (vgl. Joh 19,27). Möge sie, die barmherzige Mutter, sie mit allen Heiligen im Haus des Vaters aufnehmen. Amen. Wahrheit als Geschenk — Annahme in Freiheit Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Universität Urbaniana der „Propaganda Fide“ am 11. November Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, verehrte Rektoren der Päpstlichen Universitäten und Hochschulen Roms, liebe Studenten! 1. Es ist mir eine große Freude, dieser akademischen Feier vorzustehen, bei der ich am Ende die renovierte Aula Magna dieser Universität segnen werde. Hier werden alle jene geistlich und theologisch vorbereitet, die sich in die verschiedensten Teile der Welt als die neuen Apostel aufmachen, um das Evangelium Jesu Christi zu verkünden. Ganz herzlich begrüße ich vor allem Kardinal Josef Tomko, den Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und Großkanzler der Päpstlichen Universität Urbaniana, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er zu Beginn dieser Feier im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Außerdem möchte ich auch Kardinal Joseph Ratzinger, dem Präfekten der Kongregation für die Glau- 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN benslehre, für seinen soeben gehaltenen gelehrten Vortrag meinen lebhaften Dank zum Ausdruck bringen. Mein Gruß gilt den Rektoren und Professoren der Päpstlichen Universitäten und Hochschulen von Rom; ganz besonders herzlich grüße ich alle Dozenten, Studenten und Mitarbeiter der Urbaniana sowie alle, die gekommen sind, um an dieser Feier als Ausdruck theologischer Reflexion und kirchlicher Gemeinschaft teilzunehmen. 2. Kardinal Ratzinger hat uns soeben ganz meisterhaft in die Lektüre eines besonderen Aspektes der Enzyklika Fides et ratio eingeführt. An seine Ausführungen anknüpfend, möchte ich nun Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was sozusagen den Kemgehalt der Enzyklika ausmacht: jenes Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft. In der heutigen Zeit, die so sehr durch epochemachende Veränderungen innerhalb der Gesellschaft und der Kultur gezeichnet ist, ist es wichtig, diesen Aspekt genau zu betrachten. Der rasante Übergang zu Denkformen, die unter der Bezeichnung „Postmodeme“ zusammengefasst werden, erfordert es, dass auch die Kirche diesem Prozess die nötige Aufmerksamkeit schenkt, indem sie ihre Stimme erhebt, damit niemandem der besondere Beitrag vorenthalten wird, der diesbezüglich aus dem Evangelium hervorgeht (vgl. Fides et ratio, Nr. 91). Diese Art von Fürsorge ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn man an die differenzierte Rolle denkt, die die Philosophie bei der Gewissensbildung und in den verschiedenen Kulturen spielt, was sich bis auf die Gesetze hin auswirkt, die das soziale und zivile Leben regeln. Selbst wenn der Philosophie eine gewisse Autonomie ihres epistemologischen Status zukommt, so kann sie dennoch aus dem Bereich des Glaubens einige Vorteile ziehen, die ihr den Weg zu noch höheren Erkennmissen weisen. 3. Keinem bleibt die Bedeutung der Philosophie verborgen, die sie im Lauf der Jahrhunderte mehr und mehr gewonnen hat. Einige Denksysteme bleiben sogar bis in unsere Zeit aktuell, da ihnen eine spekulative Intensität zu eigen ist, durch welche der Geschichte der Menschheit ein wahrer Fortschritt zuteil wurde. Andererseits darf aber die Rolle der Philosophie nicht nur von einem eingeschränkten Personenkreis bestimmt werden, was ich ja auch in der Enzyklika zum Ausdruck bringen wollte, indem ich schrieb, dass „jeder Mensch auf eine gewisse Art ein Philosoph ist und seine philosophischen Auffassungen besitzt, nach denen er sein Leben ausrichtet. Er bildet sich auf die eine oder andere Weise eine Gesamtanschauung und eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Daseins: in diesem Licht deutet er sein persönliches Schicksal und regelt sein Verhalten“ (Fides et ratio, Nr. 30). Der Akt des Denkens zeichnet den Menschen innerhalb der Schöpfung aus. Durch das Denken kann er auf die beste Weise der Aufgabe gerecht werden, die ihm der Schöpfer bei der Pflege und Bewahrung des Gartens Eden anvertraut hat, wo sich „der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ befindet (vgl. Gen 2,15.17; vgl. Fides et ratio, Nr. 22). Durch das Denken also wird einem jeden eine Erfahrung - 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sozusagen - der „Selbst-Transzendens“ zuteil: In der Tat überschreitet er sich selbst sowie die Grenzen, die ihn daran hindern, sich dem Unendlichen zu nähern. 4. Je mehr sich der Mensch aber dieser Unendlichkeit öffnet, desto mehr entdeckt er auch die Grenzen, die er in sich trägt. Es ist dies eine recht dramatische Erfahrung, denn während er in neue Weiten vorstößt, entdeckt er zur gleichen Zeit, dass er nicht im Stande ist, sie zu überschreiten. Dazu kommt dann die Erfahrung von Sünde, von der das menschliche Dasein gezeichnet ist, in einer Weise, dass sogar die Vernunft deren Last wahmimmt. Ein Passus aus dem Brief an Diognet, der zu den Anfängen der christlichen Literatur gehört und sich fast wie eine Art Kommentar zum Buch Genesis ausnimmt, lässt uns den tieferen Sinn dieses Sachverhaltes besser verstehen: „An diesem Orte nämlich ist ein Baum der Erkenntnis und ein Baum des Lebens gepflanzt; aber nicht der Baum der Erkenntnis tötet, sondern der Ungehorsam“ (XII, 1 in: Bibliothek der Kirchenväter, Kempten, 1913, Bd. 12, 5. 172). Dies ist also der wirkliche Grund für die Schwäche unseres Denkens und die Unfähigkeit, unser eigenes Dasein zu überschreiten. Der Ungehorsam ist ein Zeichen für das Verlangen nach Unabhängigkeit, welches das menschliche Handeln untergräbt. Auf diese Weise blockiert der Mensch seinen Aufstieg zu Gott auch im Bereich der philosophischen Reflexion. Wenn die Wissenschaft sich überheblich mit sich selbst beschäftigt, läuft sie Gefahr, nicht immer den Perspektiven des Lebens Ausdruck zu verleihen, wenn sie aber vom Glauben begleitet wird, dann hilft sie uns, das Wohl des Menschen im Auge zu behalten. Der Apostel Paulus ermahnt uns: „die Erkenntnis macht aufgebläht, die Liebe dagegen baut auf1 (7 Kor 8,1). Der durch die Liebe gestärkte und durch sie zum Ausdruck kommende Glaube liefert der Wissenschaft ein Wahrheitskriterium, welches auf das Wesen des Menschen und seine wahren Bedürfnisse ausgerichtet ist. 5. In einem akademischen Umfeld, wie wir es heute hier vorfinden, halte ich es für wichtig, einen weiteren Aspekt hervorzuheben, den ich auch in Fides et ratio erwähnt habe, und zwar bekräftige ich dort die Ansicht, dass die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Philosophie und Theologie nicht nur notwendig, sondern sogar dringend ist, und dass bei richtiger Verwirklichung desselben für beide Teile immense Vorteile daraus erwachsen. Ich rief in der Enzyklika auch dazu auf, dass die für die Priesterausbildung Verantwortlichen „sich mit besonderer Aufmerksamkeit um die philosophische Ausbildung derer kümmern, die künftig dem Menschen von heute das Evangelium verkünden sollen“ (Fides et ratio, Nr. 105). Dies ist das Echo desselben Aufrufes, den seinerzeit die Konzilsväter entschieden an die Kirche richteten (vgl. Optatam totius, Nr. 15). Während die Philosophie den jungen Studenten den Horizont erweitert, so dass sie im Stande sind, die Bedürfnisse des Menschen von heute und seine Denkweisen und Probleme anzugehen und zu verstehen, werden sie durch die Vertiefung der theologischen Studien befähigt, auf die Fragen von heute im Sinne Christi zu antworten, der „der Weg, die Wahrheit 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und das Leben“ (Joh 14,6) ist, da sie so ihren Blick auf den tieferen Sinn des Daseins richten. In einer Zeit, in der es scheint, dass das Wissen in viele kleine Teilbereiche zersplittert, muss die Theologie als erste Formen finden, die es gestatten, die fundamentale Einheit zu identifizieren, die die verschiedenen Wege der Forschung untereinander verbindet. Das heißt, sie muss das Endziel der Forschung aufzeigen, welche Jesus Christus, die von Gott geoffenbarte Wahrheit, ist. Von einer für das Mysterium und seine Offenbarung offenen Philosophie her kann auch die Theologie Unterstützung bei ihrer Aufgabe erwarten, welche darin besteht, dem Menschen verständlich zu machen, dass das Begreifen der Glaubensinhalte auch der Würde und dem Verstand des Menschen zugute kommt. 6. In der Enzyklika habe ich das Erbe des christlichen Denkens wiederaufgenommen, indem ich schrieb, dass „die Beziehung, die sich zwischen Theologie und Philosophie anbahnen soll, in Form einer Kreisbewegung erfolgen wird“ (Fides et ratio, Nr. 73), was vorher schon von Kardinal Ratzinger in Erinnerung gerufen worden war. Auf diese Weise werden sich sowohl Theologie als auch Philosophie gegenseitig helfen, nicht der Versuchung zu verfallen, die im Mysterium der Offenbarung verborgene immerwährende Neuheit, die uns Jesus Christus gebracht hat, in ein vertrocknetes System hineinzupressen. So wird die Offenbarung stets diese dynamische und radikale Neuheit bewahren, die kein menschliches Denken je voll und ganz wird erklären noch erschöpfen können. Die Wahrheit kann immer nur als ein Geschenk angenommen werden, das uns Gott völlig umsonst anbietet und in Freiheit angenommen werden soll. Der Reichtum dieser Wahrheit fügt sich in das menschliche Gedankengut ein und will auch durch die Formenvielfalt der menschlichen Sprache seinen entsprechenden Ausdruck finden. Die Teilbereiche der Wahrheit, die jeder in sich trägt, sollen dazu hinneigen, sich wieder mit jener einzigen und definitiven Wahrheit zusammenzufügen, die in Christus ihren vollkommensten Ausdruck findet. In ihm wird die Wahrheit über den Menschen unbegrenzt im Heiligen Geist gegeben (vgl. Joh 3,34), so dass unser Denken nicht mehr nur der Vernunft, sondern auch dem Herzen Rechnung tragen wird. Jene „Wissenschaft der Heiligen“ legt von diesem tiefgründigen und fruchtbaren Denken Zeugnis ab, was mich vor einem Jahr auch dazu bewegte, die hl. Therese von Lisieux zur „Kirchenlehrerin“ zu erklären. Sie steht dabei im Gefolge so vieler heiliger Männer und Frauen, die auf bedeutende Weise die Geschichte des christlichen Denkens sowohl in theologischer als auch in philosophischer Hinsicht geprägt haben. Es ist an der Zeit, dass die Erfahrungen und Gedanken der Heiligen achtsam und systematisch um der Vertiefung der christlichen Wahrheit willen aufgewertet werden. 7. Theologen und Philosophen sind nach Art ihrer jeweiligen Disziplin dazu aufgerufen, ihren Blick auf den einzigen sich in der Schöpfung und der Heilsgeschichte offenbarenden Gott als immerwährende Quelle ihrer Forschung zu richten. Die 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit, die „von oben“ kommt, geht, wie die Geschichte zeigt, nicht zu Lasten der Geisteswissenschaften, sondern sie verhilft ihnen zu höherer Erkenntnis, was einen authentischen Fortschritt für die Menschheit bedeutet, und zwar dergestalt, dass sie die Entfaltung einer Denkweise fördert, die bis zu den innersten Tiefen des Menschen vorzudringen im Stande ist und sich auch im Leben als fruchtbar erweist. All diese Gedanken und Wünsche vertraue ich der Fürsprache Mariens an, die wir als „Sitz der Weisheit“ anrufen, und indem ich sie bitte, euch stets als Schützerin zu begleiten, und auch eure „Denkschmiede“, die Universität, unter ihren Schutz stelle, erteile ich allen meinen Apostolischen Segen. Verkündigung des Wortes im Dienst für den Nächsten Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 12. November Liebe Brüder und Schwestern des Päpstlichen Rates „Cor Unum“! 1. Es ist mir eine große Freude, euch heute anlässlich der Vollversammlung eures Dikasteriums zu empfangen, die das herannahende Große Jubiläum des Jahres 2000 zum Thema hat. Für die freundlichen Worte, die euer Präsident, Erzbischof Paul Josef Cordes, im Namen aller an mich gerichtet hat, möchte ich mich herzlich bedanken. Auch möchte ich den Mitgliedern, den Angestellten und Konsultoren des Dikasteriums meine Anerkennung entgegenbringen für die Hingabe, mit der sie ihre Arbeit leisten, und vor allem für den besonderen Einsatz, den sie bei der Vorbereitung für das gute Gelingen des Jubiläums aufbringen. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich allen Gläubigen vorgeschlagen, dieses letzte Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum als einen „Weg zum Vater“ (Nr. 50) zu beschreiten, um so die Tugend der Liebe zu vertiefen. Und genau das ist auch das Thema und der Anlass eurer Zusammenkunft: „Dem Großen Jubiläum entgegen - das Jahr 1999: der Vater der Liebe.“ Ich vertraue darauf, dass eure diesbezüglichen Überlegungen dazu beitragen werden, vorab schon nützliche Initiativen im Hinblick auf dieses geschichtliche Ereignis einzuleiten. 2. Schon immer hat sich der Mensch in seinem Herzen Fragen zu den großen Themen gestellt, wie es sich zum Beispiel mit dem Geheimnis von Gottes Gerechtigkeit angesichts des Problems des Bösen und des Leides verhält oder warum der Mensch danach strebt, sich voll und ganz in der Liebe zu verwirklichen. Für den, der seinen Nächsten mit den Augen der Liebe betrachtet, ist das Elend in der Welt ein Grund zu tiefer Besorgnis, und nicht selten kann das ungerechte Leid so vieler auch Zweifel an Gottes Güte und Vorsehung aufkommen lassen. Solche Situationen vor Augen, können wir nicht gleichgültig bleiben; im Gegenteil: Das Große Jubiläum soll eine günstige Gelegenheit sein, um die Bindung des Glaubens an 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott zu erneuern, der den Menschen in seiner unvergleichlichen und unendlichen Liebe väterlich annimmt. Auch soll es eine Gelegenheit sein, um unsere Großherzigkeit denen gegenüber zu verstärken, die sich in Schwierigkeiten befinden. Es ist die Aufgabe des Päpstlichen Rates „Cor Unum“, die Aufmerksamkeit der gesamten Kirche den Armen gegenüber entgegenzubringen und besonders die Sorge des Heiligen Vaters für ihr Leid und ihre Not. Auf diese Weise wird euer Dikaste-rium zum Überbringer der Sendung, welche die Kirche schon immer denjenigen zugewandt hat, die am meisten Not leiden. Sie ist Christus gleich, der durch sein Leben dafür Zeugnis gegeben und den Jüngern dies als Testament hinterlassen hat. Das Gleichnis des barmherzigen Samariters ist diesbezüglich beispielhaft: Ein Fremder beugt sich in Liebe zu dem ausgeraubten und verletzten Passanten herab und wendet all seine Zeit und sein Geld auf, um für ihn zu sorgen. Er ist ein Abbild Jesu, der sein Leben hingegeben hat, um den Menschen zu retten: den leidenden und einsamen Menschen, das Opfer von Gewalt und Sünde. An einer anderen bekannten Stelle des Evangeliums über das Jüngste Gericht identifiziert sich der Herr mit all jenen, die hungern und dürsten, mit den Kranken und Gefangenen (vgl. Mt 25,40;45). Daher sehen wir in Christus die Liebe Gottes verwirklicht. Er ist Fleisch geworden und hat in jeder Beziehung Menschengestalt angenommen, ohne aber selbst der Sünde, auch nicht in den schmerzhaftesten und problematischsten Momenten, zu verfallen. Er „zog [...] umher, tat Gutes und heilte alle, die in der Gewalt des Teufels waren“ (vgl. Apg 10,38). In der Person des menschgewordenen Gottessohnes wird deutlich, dass Gott die Liebe ist nicht nur dem Wort nach, sondern auch „in Tat und Wahrheit“ (7 Joh 3,18). Die Worte Christi sind also immer auch von Zeichen begleitet, die von allem Zeugnis able-gen, was Er uns vom Vater offenbart. Seine Sorge um die Kranken, Ausgestoßenen und Leidenden offenbart uns, dass für Gott der Dienst am Menschen wichtiger ist als die sachliche Beachtung des Gesetzes. Die Liebe Gottes garantiert, dass der Mensch nicht zu Leid und Tod verdammt ist, sondern dass er von aller Knechtschaft befreit und erlöst werden kann. In der Tat gibt es ein größeres Übel, gegen welches Christus regelrecht gekämpft hat. Es ist der Kampf gegen die Sünde, gegen den Geist des Bösen, der den Menschen zur Knechtschaft zwingt. Die Wunder Jesu sind Zeichen umfassender Heilung der Person, die immer vom Herzen ausgeht, wie Er selbst bei der Heilung des Gelähmten erklärt hatte: „Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben. Darauf sagte er zu dem Gelähmten: Steh auf und nimm deine Tragbahre und geh nach Hause“ (Mt 9,6). In seinen Worten und seinen Taten erkennen wir also die Sorge für die Nöte des Geistes, der nach Liebe verlangt, und für die Nöte des Leibes, der vom Leid befreit werden will. 3. Liebe Brüder und Schwestern, ihr repräsentiert die zahlreichen katholischen Organisationen, die auf der ganzen Welt die karitative Tätigkeit der Kirche ausüben. Euch möchte ich meinen besonderen Dank aussprechen für die vielseitigen Unternehmungen, die ihr im Namen der kirchlichen Gemeinschaft ausübt und so auf 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vielfältige Weise Zeugnis von der Liebe Christi für die Ärmsten ablegt. Euer Werk ist ein Hoffnungszeichen für so viele Menschen und Teil der Neuevangelisierung, welche die Kirche beim Übergang zu einem neuen Jahrtausend ausübt. Es ist eine Evangelisierung, die Übereinstimmung in Wort und Tat, in Verkündigung und Zeugnis erfordert und das Evangelium von der Liebe überall verbreitet. Indem die Christen inmitten der Armen und Notleidenden gegenwärtig sind, wollen sie für den Menschen von heute ein beredtes Zeichen für die väterliche Liebe Gottes setzen, denn sie wissen, dass der himmlische Vater unsere Herzen mit der wahren Liebe erfüllt. Es ist mir bewusst, dass euer Päpstlicher Rat in einzigartiger Weise die im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente vorgegebenen Anregungen für das kommende Jahr beherzigt hat, das, wie gesagt, Gott Vater gewidmet ist. Dafür bin ich euch dankbar, denn ihr habt dabei als Übermittler dieser Botschaft fungiert und euch für einige Initiativen eingesetzt, um jenes Teilen von Gütern sichtbar zu machen, von der die Urgemeinde ein so bewegtes Zeugnis abgelegt hat. Besonders möchte ich an dieser Stelle die „100 Projekte des Heiligen Vaters“ erwähnen. Mit dieser Initiative haben einige Hilfsorganisationen und reichere Diözesen Entwicklungsprojekte in weniger begünstigten Teilen der Welt unterstützt. Diese Projekte lassen sich in den „Werken der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit“ auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Die Tradition der Kirche hat dies immer wieder bekräftigt, um so dem Gebot der Liebe konkreten Ausdruck zu verleihen und dem Menschen in seinen leiblichen und geistigen Nöten entgegenzukommen. Die kirchliche Gemeinschaft kennt keine Trennung von „Stämmen und Sprachen, ... Nationen und Völkern“ (Offb 5,9), und sie nimmt sich des ganzen Menschen an und vertritt so ein wirklich universales Menschenbild. Auch die Initiative, genannt „Panis caritatis“ [Brot der Nächstenliebe], verdient, an dieser Stelle erwähnt zu werden. Sie verbreitet sich derzeit in Italien und hat in erster Linie zum Ziel, die brüderlichen und gemeinschaftlichen Bande sichtbar zu machen, welche die Menschen untereinander knüpfen müssen wegen der gemeinsamen Beziehung zu Gott, dem Vater der Menschheit. 4. Alle diese Initiativen sowie die umfangreichen und bedeutenden Programme, die die katholischen Organisationen in vielen Ländern der Welt entwickeln, zeigen, dass die Kirche für die Bedürfnisse des Menschen sensibel ist. Jedoch weiß sie auch und bezeugt gleichzeitig, dass die unmittelbaren Bedürfnisse des Menschen weder die einzigen noch die wichtigsten sind. In diesem Sinne äußert sich Jesus im Evangelium: „Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung?“ (Mt 6,25). Der Mensch ist ein auf die Transzendenz hin offenes Geschöpf und verspürt in seinem tiefsten Inneren einen starken Drang nach der Wahrheit und nach dem Guten, die allein volle Genugtuung seiner Bedürfnisse bieten. Es ist der Hunger und Durst nach Gott, der wie zu jeder Zeit auch heute nicht im menschlichen Gewissen erloschen ist. Die Kirche fühlt sich dazu berufen, die Botschafterin von Gnade und Barmherzigkeit, uns von Gott Vater in Christus Jesus geschenkt, für den Menschen von heute zu sein. 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Tätigkeit des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ ist in diesem Bereich anzusiedeln und als ein Zeichen größeren Heils zu sehen, eines Heils, das den Menschen in seiner tiefsten Dimension umfasst und sich im ewigen Leben erfüllt. In dieser Perspektive, ausgerichtet auf jene Liebe, die „niemals enden wird“ (vgl. 1 Kor 13,8), wünsche ich euch für das Jahr 1999, die Vigil zum Großen Jubiläum, dass euer Werk, das so wichtig für die Kirche und das christliche Zeugnis in der Welt von heute ist, die Botschaft von der Liebe und von der Brüderlichkeit vollkommen und wirkungsvoll zum Ausdruck bringen möge. Dazu versichere ich euch meiner festen Unterstützung im Gebet und erteile euch allen meinen Apostolischen Segen, den ich auf alle jene ausweite, die irgendwo auf der Welt mit eurem Dikasterium Zusammenarbeiten und ihr Wirken in den Dienst der Ärmsten und Notleidenden stellen. Vorrangiges diplomatisches Ziel - Schutz und Verteidigung der Menschenwürde Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses: „Zwanzig Jahre päpstliche Diplomatie unter Johannes Paul II.“ am 13. November Liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich Sie am Ende Ihrer Konferenz mit dem Thema: „Zwanzig Jahre päpstliche Diplomatie unter Johannes Paul II.“ Zunächst möchte ich den Organisatoren dieses Treffens, der internationalen diplomatischen Akademie und dem europäischen Institut für staatlich-kirchliche Beziehungen, wie auch den verschiedenen Referenten danken, die einen Überblick über die diplomatische Tätigkeit des Hl. Stuhls gegeben haben und auf spezielle Fragen über bestimmte und auf Verhandlungsebene oft schwierige Situationen eingegangen sind. Eine solche Initiative beweist Ihre Aufmerksamkeit gegenüber dem Hl. Stuhl und seiner Tätigkeit in aller Welt. Ich hoffe, dass Ihre fruchtbare Arbeit vielen Gelegenheit geben wird, die verschiedenen Aspekte der diplomatischen Mission des Papstes und des Hl. Stuhls zu entdecken und zu vertiefen. Ihr Symposium schließt sich den Feierlichkeiten für das zwanzigjährige Pontifikat des Papstes an, der Sie nun empfangt. Gegenstand Ihrer Reflexionen war eine wichtige und besondere Dimension seines Hirtenamtes, seine aktive Teilnahme am diplomatischen Leben. Der Papst ist der Diener der Diener Gottes, Diener Gottes des Herrn der Geschichte, der die Welt für die Menschen erschafft, nicht um sie ihrem Schicksal zu überlassen, sondern um sie zu ihrer vollen Verwirklichung zu führen; er ist auch Diener der Menschen. Der Herr hat seine tiefe Liebe zum Menschen der Kirche übertragen. Daher ist die diplomatische Aufgabe des Dieners der Diener Gottes - einer alten Tradition und den internationalen Grundsätzen entsprechend - ein konkreter Dienst an der Menschheit im Rahmen seines Hirtenamtes. Ziel des Hl. Stuhls ist es somit, allen 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen und Völkern seinen besonderen Beitrag anzubieten und ihnen zu helfen, in Frieden und Eintracht unter Berücksichtigung des Gemeinwohls und der ganzheitlichen Entwicklung von Menschen und Völkern ihre Bestimmung stets besser zu verwirklichen. 2. Ihre Konferenz hat sich mit den letzten zwanzig Jahren dieses Jahrhunderts und Jahrtausends befasst, eine Zeit, die uns mit zahlreichen Veränderungen konfrontiert hat - Zeichen des tiefen Verlangens nach einem oft durch großes Leid erkämpften Leben in Freiheit, aber auch Zeichen tiefer Unruhe und inniger Hoffnung. Gelegentlich als Wegbereiter und Urheber, bei anderen Anlässen lediglich als Beobachter und Zeuge von Veränderungen, erlebt die Diplomatie ihrerseits eine Übergangsphase. In der heutigen Zeit steht sie keinen Feinden mehr gegenüber; von gemeinsamen Zielen ausgehend, bemüht sie sich, auf die Herausforderungen der Globalisierung zu antworten und die ohne Unterlass drohenden Gefahren auf weltweiter Ebene auszuschalten. Effektiv befassen sich die Diplomaten heute nicht mehr in erster Linie mit Angelegenheiten der Landeshoheit, mit Grenz- und Territorialfragen, obwohl diese Probleme in einigen Regionen noch nicht gelöst worden sind. Neue Destabilisierungsfaktoren sind extreme Armut, soziales Ungleichgewicht, ethnische Spannungen, die Zerstörung der Umwelt, mangelnde Demokratie und die Missachtung der Menschenrechte, während Integrationsfaktoren nicht mehr lediglich auf dem Gleichgewicht der Kräfte fußen, auf nuklearer oder militärischer Abschreckung oder auf der Verständigung zwischen den Regierungen. 3. So wird man verstehen, warum die päpstliche Diplomatie kein anderes Ziel verfolgt, als die Würde des Menschen und alle Formen des menschlichen Zusammenlebens - in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Ortsgemeinde, im regionalen, nationalen und internationalen Leben - zu fördern, weltweit zu verbreiten und zu verteidigen. Auf ihre Art und Weise beteiligt sie sich aktiv an der juristischen Formulierung von Werten und Idealen, die die Gesellschaft spalten würden. Insbesondere bemüht sie sich um die konkrete Anerkennung grundlegender Prinzipien im nationalen und internationalen Leben. Sie handelt in der Überzeugung, dass zur Gewährleistung der Sicherheit und Stabilität der Menschen und Völker, dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit entsprechend, auch im Hinblick auf die Sicherheit die verschiedenen Aspekte des humanitären Rechts ausnahmslos allen Völkern gegenüber Anwendung finden müssen. Überall in der Welt ist es die Pflicht der Kirche, ihre Stimme zu erheben, damit die Stimme der Armen von allen als wesentlicher Aufruf zu Anteilname und Solidarität vernommen werde. Ziel der Hirtensorge des Nachfolgers Petri und der in aller Welt verstreuten Ortskirchen ist das geistige, sittliche und materielle Wohl aller. Das diplomatische Leben gründet auf ethischen Grundsätzen, die den Menschen in den Mittelpunkt von Analysen und Entscheidungen stellen und die Würde jedes menschlichen Wesens und Volkes anerkennen, denn ein jeder hat seiner Natur entsprechend das unveräußerliche Recht auf ein angemessenes Leben. In meiner Enzyklika Centesimus annus hatte ich bereits Gelegenheit, daran zu erinnern, dass 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke“ oder persönliche Interessen „mißbraucht werden können“ (Nr. 46). Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die Ungleichheit zwischen den Kontinenten aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen endlos aufrechterhalten wird; Diplomaten und die Verantwortlichen der Nationen müssen bestrebt sein, die ethischen Aspekte in den Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen hervorzuheben. In dieser Hinsicht sollten die Diplomaten, die mit dem alltäglichen Leben der Bevölkerungen in Berührung kommen, welche sie entdecken und kennen und lieben lernen, auf die verzweifelte Lage jener Menschen und Völker aufmerksam machen, die von Situationen bedrängt werden, denen sie nicht gewachsen sind, da sie an internationale Systeme gebunden sind, die stets härtere Bedingungen an die Entwicklungsländer stellen. Wie allgemein üblich, gilt auch die diplomatische Tätigkeit des Apostolischen Stuhls den Regierungen, internationalen Organisationen und anderen in der heutigen Gesellschaft stets zahlreicher vertretenen maßgeblichen Einrichtungen. Gleichzeitig wendet der Hl. Stuhl sich aber auch an alle verantwortlichen Gestalter des internationalen Lebens, Einzelpersonen und Gruppen, um ihre Zustimmung, ihren guten Willen und ihre Mitarbeit für die wesentlichen Belange des Menschen anzuregen. Die päpstliche Diplomatie fußt vor allem auf der in fast allen Ländern der Welt bestehenden Einheit innerhalb der katholischen Kirche. Diese Gemeinschaft, die die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ortskirchen und dem Bischof von Rom gewährleistet, ist nicht nur ein unverjährbarer Grundsatz der Kirchenlehre, sondern auch ein internationaler Reichtum. Ich danke Ihnen für Ihren Beitrag - Analysen und Vorschläge - zur Reflexion über die Kriterien, die die Diplomatie des Apostolischen Stuhls lenken, und erteile Ihnen und Ihren Lieben von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Film als faszinierendes Medium zur Vermittlung der Botschaft vom Leben Ansprache an die Teilnehmer einer Internationalen Studientagung über das Filmwesen am 19. November Herr Kardinal, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, verehrte Damen und Herren! 1. Mit Freude treffe ich Sie bei dieser internationalen Studientagung zum Thema: „Kunst, Leben und kinematographische Darstellung. Ästhetik, spirituelle Erfordernisse und kulturelle Ansprüche.“ Jeden von Ihnen heiße ich herzlichst willkommen. 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Insbesondere begrüße und danke ich Kardinal Paul Poupard für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ferner gilt meine Anerkennung dem Päpstlichen Rat für die Kultur und dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, die, in Zusammenarbeit mit der Einrichtung für Schauspiel- und Filmwesen, Filmfachleute und -liebhaber eingeladen haben, um eine interessante Initiative fortzusetzen, die bereits im vergangenen Jahr positive Ergebnisse erbracht hat. Diese Tage intensiver Arbeit haben Ihnen Gelegenheit gegeben, mit Hilfe von Experten, Regisseuren, Drehbuchautoren, Kunstkritikern und Fachleuten für Kommunikationstechnik über die Sprache des Films nachzudenken, die nicht selten das Niveau wahrer Kunst erreicht und von der Kirche in zunehmendem Maße mit Aufmerksamkeit und Interesse verfolgt wird. Ich freue mich, dass Sie zur Erörterung dieser Thematik und zur angemessenen Beantwortung der heutigen kulturellen Herausforderungen Mittel und Sachkenntnisse Ihrer Dikasterien vereint haben, um, insbesondere im Hinblick auf das kommende Jahrtausend, Seite an Seite einen bedeutenden Beitrag für die gemeinsame Evangelisierungsaufgabe zu leisten. Den Förderern und Organisatoren, Referenten und Teilnehmern wie auch allen, die auf dem Gebiet der Kultur, des Filmwesens, der Kommunikation und der Kunst tätig sind, wünsche ich viel Erfolg bei ihrer Arbeit. 2. Als ich im vergangenen Jahr die Teilnehmer der Konferenz mit dem Thema „Der Film, Vermittler von Geistigkeit und Kultur“ empfing, betonte ich, dass, wenn diese moderne Kommunikations- und Kulturform gut durchdacht, produziert und verbreitet wird, sie „zur Entwicklung eines wahren Humanismus beitragen kann“. Es freut mich zu sehen, dass - als Fortsetzung dieser Linie - das diesjährige Treffen dem Film und dem Wert des Lebens gewidmet ist. Effektiv dienten diese Tage der Reflexion über den Film als geeignetes Mittel, um die Würde des Menschen und den Wert des Lebens zu verteidigen. Durchaus angemessen ist in dieser Hinsicht der an die Gläubigen und alle Menschen guten Willens gerichtete Aufruf der italienischen Bischöfe „Das Leben mitteilen“. Zum zwanzigsten Tag für das Leben sucht er jenes „christlich orientierte Kulturprojekt“ der kirchlichen Gemeinschaft an der Schwelle des dritten Jahrtausends zu vertiefen. In diesem Projekt darf das Filmwesen nicht fehlen; im Gegenteil, es spielt eine wesentliche Rolle, da es die Welt der sozialen Kommunikation und andere Kulturformen miteinander verbindet. Bedenken wir, welch positiven oder negativen Einfluss das Filmwesen auf die öffentliche Meinung und das Bewusstsein vor allem der jungen Menschen ausüben kann. Das menschliche Leben hat eine ihm eigene Heiligkeit, die stets verteidigt und gefördert werden muss. Sie ist das erhabene Geschenk Gottes. Hier geht es um eine Herausforderung, der alle mit Verantwortungsbewusstsein begegnen müssen, um den Film zu jenem angemessenen Ausdrucksmittel zu machen, das fähig ist, den Wert des Lebens unter Hochachtung der Würde jeder menschlichen Person hervorzuheben. 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. In dieser Hinsicht kann das Filmwesen vieles geben und leisten. Ein vielsagender Beweis hierfür sind die von Ihnen für dieses Treffen ausgewählten drei Filme. Von Anfang an war die Leinwand - wie Kardinal Poupard eben erwähnte - der Spiegel der menschlichen Seele, die, oft ohne es zu wissen, unablässig auf der Suche nach Gott ist. Mit Spezialeffekten und aufsehenerregenden Bildern gelingt es dem Film, das Universum des Menschen tief zu ergründen. Der Film versteht es, das Leben und sein Geheimnis im Bild festzuhalten. Wenn er schließlich durch die Vereinigung und Harmonisierung verschiedener Künste - von der Literatur bis zur szenischen Darstellung, von der Musik bis zur Schauspielkunst - zu Poesie wird, dann kann er Anlass zu innerem Staunen und tiefer Meditation werden. Daher muss die durch moderne technologische Mittel unterstützte künstlerische Freiheit des Autors heute Vermittler einer positiven Botschaft sein, die in ständiger Beziehung zur Wahrheit, zu Gott und der menschlichen Würde steht. Die Kultur und ihre Ermittlungsbereiche, die sozialen Kommunikationsmittel und ihre weitreichenden und komplexen Verflechtungen, die Künste und die von ihnen ausgehende Anziehungskraft, die das Leben bereichern und der Schönheit und der Wahrheit Gottes öffnen, stehen im Mittelpunkt der kirchlichen Sendung, deren Anliegen der Mensch ist, in seiner gmndlegenden und vitalen Beziehung zu Gott, in seinem Verhältnis zu den Mitmenschen und der gesamten Schöpfung. Daher betrachtet die Kirche das Filmwesen als einen besonderen künstlerischen Ausdruck des Jahres 2000, den sie in seiner pädagogischen, kulturellen und pasto-ralen Dimension fördert. Im Film fließen Kreativität, technischer Fortschritt, Intelligenz und Reflexion, Phantasie und Realität, Traum und Empfindungen zusammen. Das Filmwesen ist ein faszinierendes Mittel zur Weitergabe der immerwährenden Botschaft vom Leben und zur Veranschaulichung seiner außergewöhnlichen Wunder. Gleichzeitig kann es mit starker und wirksamer Sprache Gewalttätigkeiten und Unterdrückung anprangem. So lehrt der Film und klagt an, bewahrt die Erinnerung an die Vergangenheit, wird zum lebendigen Gewissen der Gegenwart und fördert die Suche nach einer besseren Zukunft. 4. Nie aber darf die Filmtechnik vorherrschend sein gegenüber dem Menschen und dem Leben und sie dem künstlerischen Schaffen unterordnen. Wissenschaftliche Fortschritte haben dem Film unerhoffte, vor einiger Zeit noch unvorstellbare, Horizonte geöffnet, die der bildlichen Darstellung ermöglicht haben, im Guten wie im Bösen, andere Errungenschaften der menschlichen Erfindungsgabe zu übertreffen und die Aufmerksamkeit und das Erstaunen des Zuschauers einzufangen. Gleichzeitig hat der Film, in der Versuchung nur als Selbstzweck zu dienen, gelegentlich den Kontakt zur Wirklichkeit und den positiven Werten des Lebens verloren. Wie oft wird im Film das menschliche Wesen vernichtet, seine Menschlichkeit entstellt und zerstört und wird zum Mittel von Degradierung, statt von Wachstum! Sie sind sich dessen in ganz besonderem Maße bewusst: der Film kann ohne eine klare und konstante Beziehung zu den moralischen Werten und seinen ursprünglichen Zielsetzungen nicht voll sich selbst zum Ausdruck bringen. Es ist Aufgabe derjenigen, die in diesem Bereich arbeiten, mit Sachverstand und Erfahrung den 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN positiven Sinn des Filmwesens zu erforschen und Drehbuchautoren, Produzenten und Schauspielern zu helfen, mittels ihrer beruflichen Fähigkeiten, ihrer Phantasie, zu Boten von Kultur und Frieden, von Hoffnung und Solidarität, in einem Wort, zu Vermittlern wahrer Menschlichkeit zu werden. Von Herzen hoffe ich, dass alle, die in der Welt des Films tätig sind, sich mit der großen Aufgabe der Förderung eines wahren Humanismus identifizieren. Ich fordere die Christen auf zur Mitverantwortung in dieser umfangreichen künstlerischen und beruflichen Zusammenarbeit zum Schutz und zur Förderung der wahren Werte des menschlichen Lebens. Das ist ein wertvoller Dienst, mit dem sie angesichts des dritten Jahrtausends zum Werk der Neuevangelisierung beitragen. Zu diesem Zweck erbitte ich für Sie und Ihre Arbeit die reichen Gaben des Heiligen Geistes, und als Zeichen meiner Hochachtung und Zuneigung erteile ich allen hier Anwesenden, Ihren Mitarbeitern und Familien von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Missionarische Dimension der Kirche beleben und fördern Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker am 20. November Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, meinen herzlichen Willkommensgruß an euch alle, Mitglieder der Vollversammlung und Mitarbeiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, zu richten. Ich danke Kardinal Jozef Tomko für die freundlichen Worte, die er auch im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Ich begrüße jeden von euch und danke euch für euren großzügigen Einsatz zugunsten der Verbreitung der Botschaft des Evangeliums. Das Thema eurer diesjährigen Vollversammlung kreist um „Die missionarische Dimension der Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens“. Es ist von höchster Wichtigkeit und Aktualität und fügt sich in die Spur der Weisungen ein, die in der Enzyklika Redemptoris missio und in dem Apostolischen Schreiben Vita consecrata enthalten sind. Zu Recht habt ihr eure Überlegungen auf die Rolle des geweihten Lebens im Rahmen der Mission „ad gentes“ konzentriert, denn der Beitrag, den diese große Gruppe von Mönchen, Ordensleuten, Mitgliedern der Institute religiösen und missionarischen Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens zur Evangelisierung geleistet hat, ist in der Tat bedeutend. Im letzten Jahrhundert hat sich auch eine große Zahl von Ordensfrauen in diese missionarische Dynamik eingefügt und mit ihrem besonderen Charisma das barmherzige Antlitz Gottes und das mütterliche Herz der Kirche bezeugt. 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Geschichte eines jeden Volkes wurde von der Gegenwart der geweihten Menschen, von ihrem Zeugnis, ihrer karitativen und evangelisierenden Tätigkeit und ihrer Opferbereitschaft geprägt. All das ist nicht nur Geschichte der Vergangenheit. In den Missionsgebieten leben heute noch zahlreiche Ordenspriester. Mit den Ordensschwestern und den Brüdern stellen sie die Mehrheit der lebendigen Kräfte für die Mission. In den Ländern, wo die Präsenz der Kirche erst in jüngster Zeit wieder zugenommen hat, stehen die Ordensleute ebenfalls in erster Linie bei der Verkündigung des Evangeliums an alle Völker. Heute möchte ich den Ordensmännem und -frauen aufs neue meine aufrichtige und dankbare Ermutigung aussprechen. Meine Lieben! Der Papst und die ganze Kirche zählen auf euch - vor allem für die Mission „ad gentes“, die vorrangige Aufgabe und Handlungsmodell der ganzen kirchlichen Sendung ist (vgl. Redemptoris mis-sio, Nm. 34. 66). 2. Im Lichte der Weisungen des II. Vatikanischen Konzils gibt es viele Zeichen des Heiligen Geistes, die das geweihte Leben selbst und seine missionarische Rolle prägen. Auch durch die Synoden wurde der Kirche die missionarische Berufung der verschiedenen Lebensformen (christliche Laien, Priester, Ordensleute) besser bewusst. Innerhalb der christlichen Gemeinschaft sind diese verschiedenen Stände notwendig und aufeinander bezogen: Daher müssen sie in gegenseitiger Gemeinsamkeit gefördert und unterstützt werden. Außerdem haben sich die Mitglieder der Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens in den Jahren nach dem Konzil sehr großzügig für die von der Kirche vorgeschlagene Erneuerung und für die Vertiefung ihrer spezifischen Charismen eingesetzt. So konnten sie die missionarische Dimension wiederentdecken, die in der Konstitution und in der Praxis eines jeden von ihnen niedergelegt ist. Wir müssen dem Herrn auch dafür danken, dass die Berufungen zum geweihten Leben in seinen unterschiedlichen Formen in den jungen Kirchen merklich zunehmen, was ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft der Mission darstellt. Die aus diesen Kirchen hervorgegangenen Ordensmänner und -frauen setzen sich mit ihrem tatkräftigen Zugegensein ein und tragen zum weltweiten Missionierungswerk bei. Auch die Bischöfe - als Hirten des Christenvolkes, Anreger der kirchlichen Gemeinschaft und Initiatoren des seelsorgerischen Engagements - sind sich in den letzten Jahren ihrer Rolle als Hüter und Förderer der Charismen geweihten Lebens stärker bewusst geworden. Wie ich in meinem obengenannten Apostolischen Schreiben sagte: „Die Bischöfe auf der Synode haben dies wiederholt bestätigt: ,de re nostra agitur, ,es geht um etwas, das uns betrifft1. Tatsächlich steht das geweihte Leben als entscheidendes Element für die Sendung der Kirche in deren Herz und Mitte“ (Nr. 3). In diesem Zusammenhang richte ich einen dringenden Aufruf an die Bischöfe, die für - in vielen Missionsgebieten so zahlreiche - Diöze-saninstitute verantwortlich sind, sie mögen der Ausbildung und dem geistlichen Wachstum der Kandidaten besondere Sorgfalt widmen. 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Trotz der bisher gemachten, bedeutenden Fortschritte bleiben die Bedürfnisse der Mission „ad gentes“ auch heute enorm und dringend. In Redemptoris missio schrieb ich: „Die Missionstätigkeit stellt auch heute noch die größte Herausforderung für die Kirche dar. Während wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends des Erlösungswerkes nähern, wird es immer deutlicher, daß jene Völker, zu denen noch keine erste Verkündigung von Christus gedrungen ist, die Mehrheit der Menschheit bilden“ (Nr. 40). Und ich fügte hinzu: „In unserer Zeit, mit einer Menschheit in Bewegung und auf der Suche, braucht es einen neuen Anstoß zur Missionstätigkeit der Kirche. Die Horizonte und die Möglichkeiten der Mission weiten sich aus, und wir Christen sind aufgerufen zu apostolischem Mut, der auf das Vertrauen in den Geist gegründet ist“ (Nr. 30). Auch bei der Ernennung von Bischöfen in manchen - vor allem asiatischen - Diözesen wird mir bewusst, dass die Mission noch in den Anfängen steckt. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend erfordert die Mission „ad gentes“ ein wiederbelebtes Engagement und neue Missionare, womit gerade die Ordensleute kraft ihrer Berufung besonders angesprochen sind. Das hatte ich schon in meinem Apostolischen Schreiben herausgestellt: ,A.uch heute verlangt diese Verpflichtung weiterhin dringend die Mitwirkung der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens: Die Verkündigung des Evangeliums Christi erwartet von ihnen den größtmöglichen Beitrag. Auch die Institute, die in den jungen Kirchen entstehen oder tätig sind, werden aufgefordert, sich der Mission unter den Nichtchristen innerhalb und außerhalb ihrer Heimat zu öffnen. Trotz begreifbarer Schwierigkeiten, die manche von ihnen durchmachen mögen, ist es gut, alle daran zu erinnern, daß, wie ,der Glauben stark wird durch die Weitergabe <371>, die Mission das geweihte Leben stärkt, ihm neue Begeisterung und neue Motivation verleiht und es zur Treue anspomt. Die Missionstätigkeit bietet ihrerseits breiten Raum für die Aufnahme der verschiedenen Formen des geweihten Lebens“ (Vita consecrata, Nr. 78). <371> „Jesus aus Nazaret, der König der Juden“ - diese Inschrift hatten sie am Kreuz angebracht. Kurz vor dem Tod Christi sagte einer der beiden anderen mit ihm gekreuzigten Verurteilten zu ihm: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). Welches Reich? Der Gegenstand seiner Bitte war sicher kein irdisches Reich, sondern ein anderes. Ich lade also die Institute mit einer besonderen Weihe ein, sich noch stärker um die Mission „ad gentes“ zu bemühen, denn ich bin überzeugt, dass dieser missionarische Eifer ihnen echte Berufungen zuführen und als Sauerteig für eine wahre Erneuerang der Gemeinschaften wirken wird. Ich wende mich nun an euch, liebe Hirten der älteren und jüngeren Kirchen, und bitte euch, das geweihte Leben nicht nur zu fördern, sondern es auch in diesem Sinne anzuregen. Die rein missionarischen Institute erwarten Bestätigung und Ermutigung bei der Erstevangelisierang und in der missionarischen Bewegung (vgl. Redemptoris missio, Nrn. 65-66); die kontemplativen wie aktiven Ordensmänner und Ordensfrauen müssen dazu angespomt werden, „sich, je nach der Eigenart ihres Instituts, in besonderer Weise in der Missionsarbeit einzusetzen“ (CIC, can. 783; vgl. Redemptoris missio, Nr. 69); die geweihten Menschen sollen - zusammen mit den Diözesanpriestem und den Laien - ermutigt werden, sich in der Mission „ad gentes“ zu engagieren, auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit ihres Amtes ist (vgl. Redemptoris missio, Nm. 67-68, 71-72). 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die ganze Kirche benötigt diesen blühenden apostolischen Einsatz. Die Evangelisierung und das Missionswerk stellen nämlich in der Tat den ursprünglichen und grundlegenden Beitrag dar, den sie der Menschheit bietet. 4. Es ist klar, dass die Mission nicht aus einer rein organisatorischen Tätigkeit besteht oder sich darin erschöpft, sondern ganz eng mit der universalen Berufung zur Heiligkeit verbunden ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 90). Dies gilt für alle Christen und um so mehr für jene, die ihren Glauben zum Ausdruck bringen, indem sie das Lebensprojekt eines Institutes geweihten Lebens oder einer Gesellschaft apostolischen Lebens teilen. Sie sind zu einer innigen Beziehung mit Gott, der Liebe ist, berufen (vgl. Vita consecrata, Nr. 84). Das religiöse Bekenntnis verlangt von ihnen eine immer vollkommenere und sichtbare Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus (vgl. ebd., Nr. 93). Das Gemeinschaftsleben treibt sie an, diese Gemeinsamkeit zu leben und Zeichen und Werkzeug der Einheit des Gottesvolkes zu sein (vgl. ebd., Nr. 51), während ihr kirchlicher Dienst sie zur Folgerichtigkeit zwischen ihrem Leben und ihrer apostolischen Tätigkeit auffordert (vgl. ebd., Nr. 85). „Streben nach Heiligkeit: Das ist zusammengefaßt das Programm jedes geweihten Lebens [...] Um Christi willen alles verlassen, [wobei] er allen Dingen vorgezogen wird, um voll an seinem Ostergeheimnis teilhaben zu können“ {ebd., Nr. 93): Dies ist der Sinn einer Nachfolge, die die Menschen berühren und verwandeln kann. Die Gemeinschaften des geweihten Lebens, auch in den jungen Kirchen, werden ihre größte Aufmerksamkeit auf dieses Programm und auf diese Nachfolge lenken; sie werden so zu Oasen und „Schulen wahrhaft evangeliumsgemäßer Spiritualität“ und können sich selbst, den anderen Gläubigen und der Welt die endgültigen Werte und die letzten Ziele des menschlichen Weges aufzeigen. Ich empfehle eure Vollversammlung dem Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria, Königin der Apostel, und rufe ihren mütterlichen Beistand auf die Ordensmänner und Ordensfrauen herab, die in jedem Winkel der Erde in der Mission tätig sind. Euch alle und jeden einzelnen versichere ich meines Gedenkens im Gebet und spende euch gerne einen besonderen Apostolischen Segen. Das Königtum Jesu Christi in verschiedenen Kulturen und Traditionen Predigt bei der feierlichen Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien am Christkönigssonntag, 22. November <372> <372> „Jesus aus Nazaret, der König der Juden“ - diese Inschrift hatten sie am Kreuz angebracht. Kurz vor dem Tod Christi sagte einer der beiden anderen mit ihm gekreuzigten Verurteilten zu ihm: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). Welches Reich? Der Gegenstand seiner Bitte war sicher kein irdisches Reich, sondern ein anderes. 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der gute Schächer spricht, als ob er das vorherige Gespräch zwischen Pilatus und Christus mitangehört hätte. Vor Pilatus war die Anklage gegen Christus erhoben worden, er wolle sich zum König machen. Pilatus hatte Jesus in diesem Zusammenhang gefragt: „Bist du der König der Juden?“ ([Joh 18,33). Christus hatte das nicht geleugnet, sondern erklärt: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier“ (Joh 18,36). Auf die neuerliche Frage von Pilatus, ob er ein König sei, hatte Jesus direkt geantwortet: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37). Der Papst fuhr auf Englisch fort: 2. Die heutige Liturgie spricht von dem irdischen Reich Israel und erinnert an die Salbung von König David. Ja, Gott hatte das Volk Israel auserwählt; er sandte ihm nicht nur die Propheten, sondern auch die Könige, als das Auserwählte Volk darauf bestand, einen irdischen Herrscher zu haben. Von allen Königen, die auf dem Thron Israels gesessen haben, war David der bedeutendste. Wenn die erste Lesung dieser Feier von jenem Reich erzählt, dann deshalb, um darauf hinzuweisen, dass Jesus von Nazaret aus dem Geschlecht König Davids stammte, aber auch und vor allem, um zu betonen, dass das Königtum Christi von einer anderen Art ist. Die Worte, die Maria bei der Verkündung hörte, sind bezeichnend: „Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1,32-33). Dieses Königtum ist also nicht nur das irdische Königtum Davids, das ein Ende fand. Es ist das Reich Christi, das nie enden wird, das ewige Reich, das Reich der Wahrheit, der Liebe und des ewigen Lebens. Der mit Jesus gekreuzigte, gute Schächer ist in gewisser Weise in den Mittelpunkt dieser Wahrheit vorgedrungen. Eigentlich wurde er irgendwie sogar zum Propheten dieses ewigen Reiches, als er am Kreuz hängend sagte: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). Und Christus sagte darauf zu ihm: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). 3. Als Jesus uns beten lehrte: „Dein Reich komme“, lud er uns ein, auf dieses Königreich zu schauen, das nicht von dieser Welt ist. Seinem Gebot gehorsam, haben die Apostel, die Jünger und die Missionare aller Zeiten ihr Bestes gegeben, um die Grenzen dieses Reiches durch die Evangelisierung auszudehnen. Dabei handelt es sich nämlich sowohl um ein Geschenk des Vaters (vgl. Lk 12,32) als auch um das Ergebnis der persönlichen Antwort von Menschen. In der „neuen Schöpfung“ werden wir nur dann in das Reich des Vaters eingehen können, wenn wir dem Herrn auf unserer irdischen Pilgerreise nachgefolgt sind (vgl. Mt 19,28). Dies ist also das Lebensprogramm eines jeden Christen: dem Herrn - Weg, Wahrheit und Leben - nachfolgen, um das von ihm verheißene und gegebene Reich zu 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besitzen. Heute eröffnen wir mit dieser festlichen Eucharistiefeier die Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien; sie steht unter dem Thema: „ Jesus Christus und die Völker Ozeaniens: Seinen Weg gehen, Seine Wahrheit verkünden, Sein Leben leben. “ Willkommen, verehrte, liebe Brüder im Bischofsamt, die ihr mit der Seelsorge der Teilkirchen von Ozeanien betraut seid. Mit euch grüße ich alle, die an der Arbeit der Synode beteiligt sind oder aktiv bei ihrer Vorbereitung mitgewirkt haben. Einen herzlichen Gruß möchte ich außerdem an die christlichen Gemeinschaften und alle Völker Ozeaniens richten, die gegenwärtig im Geiste mit uns verbunden sind. „Jesus, das menschgewordene Wort, wurde vom Vater in die Welt gesandt, um ihm das Heil zu bringen und um das Reich Gottes zu verkündigen und zu gründen [...] Der Vater erweckte ihn von den Toten und machte ihn dadurch - auf vollkommene Weise und für immer - zum Weg, zur Wahrheit und zum Leben für alle, die glauben“ (Instrumentum laboris, Nr. 5). Jener weit auseinandergezogene und abgelegene Teil der Kirche, der sich über die riesigen Territorien Ozeaniens erstreckt, kennt diesen Weg und weiß, dass dort die Wahrheit und das Leben zu finden sind: der Weg des Evangeliums, der uns von all den Heiligen und Märtyrern angezeigt wurde, die ihr Leben für das Evangelium hingegeben haben (vgl. Instrumentum laboris, Nr. 4). Auf Französisch sagte der Papst: 4. Während sich die Universalkirche in unseren Tagen darauf vorbereitet, in das dritte Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung einzutreten, sind die Hirten Ozeaniens in Gemeinschaft versammelt und mit dem Nachfolger Petri verbunden in dem Versuch, der pastoralen Fürsorge neue Impulse zu geben, um die Königswürde Christi in der Verschiedenheit der Kulturen und der menschlichen, sozialen und religiösen Traditionen und in der bewundernswerten Vielfalt ihrer Völker zu verkünden. In der zweiten Lesung erklärt der Apostel Paulus, woraus das Königtum besteht, von dem Jesus spricht. Er schreibt an die Kolosser: Wir müssen Gott danken, der uns „der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen [hat] in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“ (1,13-14). Und genau diese Vergebung der Sünden ist zum Erbe des guten Schächers auf Golgota geworden. Er macht als erster die Erfahrung der Tatsache, dass Christus König ist, weil er der Erlöser ist. Danach erläutert der Apostel, was die Königswürde Christi eigentlich ist: „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,15-17). Christus ist also König, vor allem als Erstgeborener der ganzen Schöpfung. 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der paulinische Text geht folgendermaßen weiter: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (ebd., 1,18-20). Durch diese Worte bestätigt und rechtfertigt der Apostel erneut, was er über das Wesen des Königtums Christi offenbart hatte: Christus ist König als Erstgeborener der Toten. Mit anderen Worten: Als Erlöser der Welt ist der gekreuzigte und auferstandene Christus der König der neuen Menschheit. Zur italienischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 5. „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ {Lk 23,42). Auf dem Kalvarienberg hatte Jesus einen recht ungewöhnlichen Leidensgefährten, nämlich einen Verbrecher. Für diesen Unglücklichen wurde der Weg des Kreuzes unweigerlich zum Weg ins Paradies (vgl. Lk 23,43), zum Weg der Wahrheit und des Lebens, zum Weg ins Reich. Heute erinnern wir uns an ihn als den „guten Schächer“. Zu diesem feierlichen Anlass, bei dem wir uns um den Altar Christi versammelt haben, um eine Synode zu eröffnen, die einen ganzen Erdteil mit seinen Problemen und Hoffnungen vor sich hat, können wir uns das Gebet des „guten Schächers“ zu eigen machen: „Jesus, denk an mich, denk an uns, denk an die Völker, denen die hier versammelten Hirten jeden Tag das lebendige und wahre Brot deines Evangeliums geben -über unermessliche Weiten, über Land und Meer. Wir beten ,Dein Reich komme“ und merken dabei, dass dein Versprechen Wirklichkeit wird: Nachdem wir dir gefolgt sind, kommen wir zu dir, in dein Reich, von dir - am Kreuz erhöht - angezogen (vgl. Joh 12,32); zu dir, im Mittelpunkt der Geschichte und über sie erhöht, Alfa und Omega, Anfang und Ende (vgl. Offb 22,13), Herr der Zeit und der Ewigkeit! An dich wenden wir uns mit den Worten eines alten Hymnus: Durch deinen schmerzlichen Tod, o König der ewigen Herrlichkeit, hast du das ewige Leben für die Völker erwirkt, deshalb nennt dich die ganze Welt den König der Menschen. Herrsche über uns, Herr Christus!“ Amen. 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN INCARNA TIONIS MYSTERIUM Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 vom 29. November 1. Den Blick fest auf das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes gerichtet, schickt sich die Kirche an, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten. Wie nie zuvor empfinden wir es in diesem Augenblick als unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns das Lob- und Danklied des Apostels zu eigen zu machen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen“. [...] Er „hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,3-5.9-10). Aus diesen Worten geht klar hervor, dass die Heilsgeschichte in Jesus Christus ihren Höhepunkt und letzten Sinn findet. In ihm haben wir alle „Gnade über Gnade“ (Joh 1,16) empfangen; so wurde es uns gewährt, mit dem Vater versöhnt zu werden (vgl. Röm 5,10; 2 Kor 5,18). Die Geburt Jesu in Betlehem ist kein Ereignis, das sich in die Vergangenheit verbannen ließe. Denn vor ihm steht die ganze Menschheitsgeschichte: unsere Gegenwart und die Zukunft der Welt werden von seinem Dasein erleuchtet. Er ist „der Lebendige“ (Offb 1,18), „der ist und war und der kommt“ (Offb 1,4). Vor ihm muss jeder im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sein Knie beugen, und jeder Mund muss bekennen, dass er der Herr ist (vgl. Phil 2,10-11). Durch die Begegnung mit Christus entdeckt jeder Mensch das Geheimnis seines eigenen Lebens. <373> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. Jesus ist die wahre Neuheit, die jede Erwartung der Menschheit übersteigt. Er wird es durch die aufeinanderfolgenden Geschichtsepochen hindurch für immer bleiben. Die Menschwerdung des Gottessohnes und das Heil, das er durch seinen Tod und seine Auferstehung gewirkt hat, sind daher das eigentliche Kriterium für die Beurteilung der zeitlichen Wirklichkeit und jedes Vorhabens, das sich zum Ziel setzt, das Leben des Menschen immer menschlicher zu machen. 2. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 steht vor der Tür. Seit meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis habe ich auf dieses Datum mit der alleinigen Absicht hingewiesen, die Herzen aller darauf vorzubereiten, sich auf das Wirken des Geistes einzulassen. <374> Es wird ein festliches Ereignis sein, das gleichzeitig in Rom und in allen, über die Welt verstreuten Teilkirchen stattfindet. Es wird gleichsam zwei Vgl. Nr. 1: AAS 71(1979)258. 1 2 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zentren haben: einerseits die Stadt, in der nach dem Willen der Vorsehung der Stuhl des Nachfolgers Petri steht, und andererseits das Heilige Land, in dem der Sohn Gottes durch die Annahme unserer fleischlichen Gestalt von einer Jungfrau namens Maria als Mensch geboren wurde (vgl. Lk 1,27). Daher wird das Jubeljahr außer in Rom mit gleicher Würde und Bedeutung in dem Land gefeiert werden, das mit Recht „heilig“ heißt, hat es doch Jesus zur Welt kommen und sterben sehen. Jenes Land, in dem sich die erste christliche Gemeinde gebildet hat, ist der Ort, wo sich die Offenbarungen Gottes an die Menschheit ereignet haben. Es ist das Gelobte Land, das die Geschichte des jüdischen Volkes geprägt hat und das auch von den Anhängern des Islam verehrt wird. Möge uns das Jubiläum einen weiteren Schritt im wechselseitigen Dialog voranbringen, bis wir eines Tages alle - Juden, Christen und Muslime - miteinander in Jerusalem den Friedensgruß aus-tauschen können. <375> <375> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Redempdonis anno (20. April 1984): AAS 76(1984)627. Die Jubiläumszeit führt uns in jene kraftvolle Sprache ein, welche die göttliche Pädagogik des Heiles anwendet, um den Menschen zu Umkehr und Buße anzuhalten; sie ist Anfang und Weg seiner Rehabilitierung und die Voraussetzung für die Wiedererlangung dessen, was der Mensch mit seinen Kräften allein nicht erreichen könnte: die Freundschaft Gottes, seine Gnade, das übernatürliche und damit das einzige Leben, in dem sich die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens erfüllen können. Der Eintritt in das neue Jahrtausend ermutigt die christliche Gemeinschaft dazu, bei der Verkündigung des Reiches Gottes im Glauben auf neue Horizonte hinauszublicken. Aus diesem besonderen Anlass verlangt es die Pflicht, mit Festigkeit und Treue auf die Lehre des II. Vatikanischen Konzils zurückzugreifen, die in den missionarischen Einsatz der Kirche neues Licht gebracht und dabei die heutigen Erfordernisse der Evangelisierung berücksichtigt hat. Auf dem Konzil ist sich die Kirche auf sehr lebendige Weise ihres Geheimnisses und der apostolischen Aufgabe bewusst geworden, die ihr von ihrem Herrn übertragen wurde. Dieses Bewusstsein verpflichtet die Gemeinschaft der Gläubigen, in der Welt zu leben, wohl wissend, dass sie „der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“ <376> sein muss. Um dieser Verpflichtung wirksam zu entsprechen, muss sie in der Einheit bleiben und in der von ihr gelebten Communio wachsen. <377> Das bevorstehende Jubiläumsereignis stellt einen starken Ansporn in dieser Richtung dar. <376> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 40. <377> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 36: AAS 87(1995)28. Der Gang der Gläubigen in das dritte Jahrtausend leidet keineswegs unter einer Ermüdung, wie sie die Last von zweitausend Jahren Geschichte mit sich bringen könnte; vielmehr fühlen sich die Christen ermuntert durch das Bewusstsein, der Welt das wahre Licht zu bringen: Jesus Christus, den Herrn. Wenn die Kirche Je- 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sus von Nazaret als wahren Gott und vollkommenen Menschen verkündet, eröffnet sie jedem Menschen die Aussicht, „vergöttlicht“ und damit mehr Mensch zu werden. <378> Das ist der einzige Weg, durch den die Welt die hohe Berufung, zu der sie ausersehen ist, entdecken und in dem von Gott gewirkten Heil leben kann. Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 41. 3. In diesen Jahren der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubeljahr bereiten sich in Übereinstimmung mit dem, was ich in meinem Schreiben Tertio millennio ad-veniente geschrieben habe, <379> die Ortskirchen durch Gebet, Katechese und Einsatz in den verschiedenen Formen der Seelsorge auf diesen Termin vor, der die gesamte Kirche in eine neue Zeit der Gnade und Sendung hineinführt. Das Näherrücken des Jubiläums ruft zudem wachsendes Interesse bei denjenigen hervor, die nach einem geeigneten Zeichen suchen, das ihnen hilft, die Spuren der Gegenwart Gottes in unserer Zeit zu erkennen. Vgl. Nr. 39-54: AAS 87(1995)31 -37. Die Vorbereitungsjahre auf das Große Jubeljahr wurden unter das Zeichen der Heiligsten Dreifaltigkeit gestellt, durch Christus - im Heiligen Geist - zu Gott Vater. Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist der Ursprung des Glaubensweges und sein letztes Ziel, wenn unsere Augen endlich auf ewig das Antlitz Gottes schauen werden. Während wir die Menschwerdung Gottes feiern, heften wir den Blick unverwandt auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit. Jesus von Nazaret, der Gott geoffen-bart hat, hat den im Herzen jedes Menschen verborgenen Wunsch nach Gotteserkenntnis erfüllt. Was die Schöpfung wie ein Siegel bewahrte, das ihr von Gottes Schöpferhand eingeprägt worden war, und was die Propheten des Alten Testaments als Verheißung angekündigt hatten, das tritt in der Offenbarung Christi endgültig in Erscheinung. <380> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 2.4. Jesus enthüllt das Antlitz Gottes des Vaters „voll Erbarmen und Mitleid“ {Jak 5,11) und macht mit der Aussendung des Heiligen Geistes das dreifältige Geheimnis der Liebe offenbar. Es ist der Geist Christi, der in der Kirche und in der Geschichte wirkt: auf ihn muss man unablässig hören, um die Zeichen der neuen Zeit zu erkennen und im Herzen der Gläubigen die Erwartung der Wiederkunft des verherrlichten Herrn immer lebendiger zu machen. Das Heilige Jahr wird daher ein einziger, ununterbrochener Lobgesang auf die Dreifaltigkeit, auf den Allerhöchsten, sein müssen. Zu Hilfe kommen uns dabei die poetischen Worte des hl. Kirchenlehrers Gregor von Nazianz: „Ehre sei Gott dem Vater und dem Sohn, König des Universums. Ehre sei dem Geist, lobenswürdig und allheilig. Die Dreifaltigkeit ist ein einziger Gott, der alles schuf und ausfüllte: 6 7 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Himmel mit himmlischen Wesen und die Erde mit irdischen. Das Meer, die Flüsse und die Quellen füllte er mit Wasserpflanzen, während er alles mit seinem Geist belebte, auf daß jede Kreatur ihren weisen Schöpfer preise, den einzigen Grund des Lebens und Fortbestehens. Mehr als jedes andere verherrliche das vernunftbegabte Geschöpf ihn stets als großen König und gütigen Vater“. <381> Lehrgedichte, XXXI, Hymnus alias: PG 37, 510-511. 4. Möge sich dieser Hymnus an die Dreifaltigkeit zum Dank für die Menschwerdung des Sohnes gemeinsam erheben von all denen, die durch den Empfang der einen Taufe denselben Glauben an den Herrn Jesus Christus teilen. Der ökumenische Charakter des Jubeljahres möge ein konkretes Zeichen für den Weg sein, den die Gläubigen der verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vor allem in diesen letzten Jahrzehnten zurückgelegt haben. Das Hören auf den Geist soll uns alle dazu befähigen, endlich in voller Gemeinschaft die Gnade der von der Taufe eröffneten Gotteskindschaft sichtbar zu bekunden: wir alle sind Kinder eines einzigen Vaters. Der Apostel versäumt es nicht, auch für uns heute die verpflichtende Mahnung zu wiederholen: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,4-6). Um es mit den Worten des hl. Irenäus zu sagen: Wir können es uns nicht leisten, vor der Welt das Bild eines ausgedörrten Bodens abzugeben, nachdem wir das Wort Gottes als Regen vom Himmel empfangen haben; noch werden wir uns jemals anmaßen können, zu einem einzigen Brot zu werden, wenn wir verhindern, dass das Mehl mit Hilfe des Wassers, das in uns ausgegossen worden ist, zu einem Teig verknetet wird. <382> Vgl. Adversus haereses, III, 17: PG 7, 930. Alle Jubeljahre sind wie eine Einladung zu einem Hochzeitsfest. Aus den über die Welt verstreuten verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften eilen wir alle zu dem Fest, das vorbereitet wird; wir bringen mit, was uns schon verbindet, und der allein auf Christus gerichtete Blick lässt uns an die Einheit glauben, die Frucht des Geistes ist. Als Nachfolger des Petrus ist der Bischof von Rom hier, um die Einladung zur Feier des Jubiläums zu bekräftigen, damit nun die zweitausendste Wiederkehr des zentralen Geheimnisses des christlichen Glaubens als Weg der Versöhnung und als Zeichen echter Hoffnung für alle erlebt werde, die auf 9 10 848 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus und seine Kirche, das Sakrament „der innigsten Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit“, <383> blicken. <383> Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. I. 5. Wie viele historische Ereignisse ruft das Jubiläumsereignis in uns wach! In Gedanken gehen wir zurück in das Jahr 1300, als Papst Bonifatius VIII., dem Wunsch des ganzen Volkes von Rom entsprechend, feierlich das erste Jubeljahr der Geschichte ausrief. Indem er auf eine uralte Überlieferung zurückgriff, wonach allen, die die Petersbasilika in der Ewigen Stadt besuchten, „reiche Nachlässe und Ablässe der Sünden“ gespendet wurden, gewährte er aus jenem Anlass „nicht nur volle und reichliche, sondern sogar vollste Vergebung aller Sünden“. <384> Von da an hat die Kirche das Jubeljahr stets als einen bedeutsamen Abschnitt ihres Schreitens auf die Fülle Christi zu gefeiert. Bulle Antiquorum habet {22. Februar 1300): Bullarium Romanum III/2, S. 94. Die Geschichte zeigt, mit welch leidenschaftlichem Aufbruch das Volk Gottes die Heiligen Jahre stets gelebt hat. Es sah in ihnen eine wiederkehrende Gelegenheit, bei der die Aufforderung Jesu zur Umkehr auf intensivste Weise spürbar wird. Missbräuche und Verständnislosigkeit sind im Verlauf dieses Weges nicht ausgeblieben, bei weitem größer waren aber die Zeugnisse echten Glaubens und aufrichtiger Liebe. Das beweist auf beispielhafte Weise die Gestalt des hl. Philipp Neri, der anlässlich des Jubeljahres 1550 als greifbares Zeichen für die freundliche Aufnahme der Pilger die „Caritas romana“ ins Leben rief. Ausgehend von der Durchführung des Jubeljahres und den Früchten der Bekehrung, welche die Gnade der Vergebung in unzähligen Gläubigen hervorgebracht hat, ließe sich eine lange Geschichte der Heiligkeit schreiben. 6. Ich hatte während meines Pontifikates im Jahre 1983 die Freude, das außerordentliche Jubeljahr anlässlich der 1950-Jahr-Feier der Erlösung des Menschengeschlechtes auszurufen. Dieses Geheimnis, das sich im Tod und in der Auferstehung Jesu vollzogen hat, stellt den Höhepunkt eines Ereignisses dar, das mit der Menschwerdung des Gottessohnes seinen Anfang nimmt. So kann dieses Jubiläum zu Recht als „Großes Jubiläum“ angesehen werden, und die Kirche äußert den lebhaften Wunsch, alle Gläubigen in ihre Arme zu schließen, um ihnen die Freude der Versöhnung anzubieten. Aus der ganzen Kirche wird der Lob- und Dankhymnus zum Vater emporsteigen, der uns in seiner unvergleichlichen Liebe in Christus zugestanden hat, ,Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19) zu sein. Anlässlich dieses großen Festes sind auch die Anhänger anderer Religionen sowie auch alle, die dem Glauben an Gott fern stehen, herzlich eingeladen, sich an unserer Freude zu beteiligen. Als Brüder und Schwestern der einen Menschheitsfamilie überschreiten wir gemeinsam die Schwelle eines neuen Jahrtausends, das den Einsatz und die Verantwortung aller einfordem wird. Für uns Gläubige wird das Jubiläumsjahr mit aller Klarheit die von Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung vollbrachte Erlösung heraussteilen. Niemand n 12 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kann nach diesem Tod von der Liebe Gottes getrennt werden (vgl. Rom 8,21-39), es sei denn durch eigene Schuld. Die Gnade der Barmherzigkeit kommt allen entgegen, damit alle, die versöhnt wurden, auch „gerettet werden [können] durch sein Leben“ (Röm 5,10). Ich lege daher fest, dass das Große Jubiläum des Jahres 2000 in der Weihnachtsnacht 1999 mit der Öffnung der Heiligen Pforte der Petersbasilika im Vatikan beginnt, die der in Jerusalem und in Betlehem vorgesehenen Eröffnungsfeier und der Öffnung der Heiligen Pforte in den anderen Patriarchalbasiliken in Rom um einige Stunden vorausgehen wird. Für die Basilika Sankt Paul vor den Mauern wird die Öffnung der Heiligen Pforte auf Dienstag, 18. Januar, den Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen, verlegt, um auch auf diese Weise den besonderen ökumenischen Charakter zu unterstreichen, der dieses Jubiläum kennzeichnet. Darüber hinaus lege ich für die Teilkirchen fest, dass die Eröffnung des Jubiläumsjahres am heiligen Tag des Geburtsfestes des Herrn mit einer festlichen Eucharistiefeier unter dem Vorsitz des Diözesanbischofs in der Kathedrale und auch in der Konkathedrale begangen wird. In der Konkathedrale kann der Bischof den Vorsitz der Feier einem von ihm bevollmächtigten Vertreter übertragen. Da der Ritus der Öffnung der Heiligen Pforte der Vatikanbasilika und den Patriarchalbasiliken Vorbehalten ist, sind für die Eröffnung der Jubiläumszeit in den einzelnen Diözesen, entsprechend den Hinweisen im „Rituale für die Feier des Großen Jubiläums in den Teilkirchen“, folgende liturgische Handlungen vorgesehen: die statio in einer anderen Kirche, von der sich dann der Pilgerzug zur Kathedrale bewegt, die liturgische Hervorhebung des Evangelienbuches und die Lesung einiger Abschnitte dieser Bulle. Weihnachten 1999 möge für alle ein leuchtender Festtag, das Präludium zu einem besonders tiefen Erlebnis göttlicher Gnade und Barmherzigkeit sein, das bis zum Abschluss des Jubiläumsjahres andauem soll: dem Fest der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus am 6. Januar 2001. Jeder Gläubige nehme die Einladung der Engel an, die unaufhörlich verkünden: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“ (vgl. Lk 2,14). So wird die Weihnachtszeit das pulsierende Herz des Heiligen Jahres sein, das in das Leben der Kirche die Fülle der Gaben des Geistes für eine Neuevangelisierung einbringen wird. 7. Die Einrichtung des Jubeljahres ist im Laufe ihrer Geschichte reicher geworden an Zeichen, die den Glauben des christlichen Volkes bezeugen und eine Hilfe für seine Frömmigkeit sind. Unter diesen Zeichen ist vor allem die Wallfahrt zu erwähnen. Sie spielt auf die Situation des Menschen an, der sein Leben gern als einen Weg beschreibt. Von der Geburt bis zum Tod ist es jedem Menschen eigen, homo viator zu sein. Die Heilige Schrift ihrerseits bezeugt mehrmals die Bedeutung des Brauches, dass man sich auf den Weg zu den heiligen Stätten macht; es war Brauch, dass der Israelit in die Stadt pilgerte, wo die Bundeslade aufbewahrt wurde, oder dass er entweder das Heiligtum in Bet-El (vgl. Ri 20,18) oder jenes in Schilo besuchte, wo das Gebet Hannas, der Mutter Samuels, erhört worden war (vgl. 1 Sam 1,3). Auch Jesus unterwarf sich willig dem Gesetz und zog mit Maria 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Josef hinauf in die heilige Stadt Jerusalem (vgl. LA: 2,41). Die Geschichte der Kirche ist das lebendige Tagebuch einer niemals endenden Pilgerschaft. Unterwegs zur Stadt der heiligen Petrus und Paulus, zum Heiligen Land oder zu den alten und neuen Heiligtümern, die der Jungfrau Maria und den Heiligen geweiht sind: das ist das Ziel vieler Gläubiger, die auf diese Weise ihre Frömmigkeit fördern. Die Wallfahrt ist seit jeher ein bedeutsamer Vorgang im Leben der Gläubigen gewesen, der in den verschiedenen Epochen unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen angenommen hat. Sie erinnert an den persönlichen Weg des Glaubenden auf den Spuren des Erlösers: eine Übung tätiger Askese, der Reue über die menschlichen Schwächen und der inneren Vorbereitung auf die Erneuerung des Herzens. Durch Wachen, Fasten und Gebet kommt der Pilger auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit voran, indem er sich bemüht, mit Hilfe der Gnade Gottes „zum vollkommenen Menschen [zu] werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt dar[zu]stellen“ (Eph 4,13). 8. Zur Wallfahrt gesellt sich das Zeichen der Heiligen Pforte, die zum ersten Mal während des Jubeljahres 1423 in der Basilika des heiligsten Erlösers im Lateran geöffnet wurde. Sie erinnert an den Übergang von der Sünde zur Gnade, den zu vollziehen jeder Christ aufgerufen ist. Jesus hat gesagt: „Ich bin die Tür“ (Joh 10,7), um anzuzeigen, dass niemand zum Vater Zugang hat, außer durch ihn. Diese Selbstbestimmung Jesu bezeugt, dass er allein der vom Vater gesandte Erlöser ist. Es gibt nur einen Zugang, der den Eintritt in das Leben der Gemeinschaft mit Gott aufschließt: dieser Zugang ist Jesus, der einzige und absolute Heilsweg. Auf ihn allein lässt sich das Wort des Psalmisten in vollem Ausmaß anwenden: „Das ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte treten hier ein“ (.Ps 118,20). Der Hinweis auf die Tür erinnert an die Verantwortung jedes Gläubigen, deren Schwelle zu überschreiten. Durch jene Tür gehen, heißt bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, und den Glauben an ihn stärken, um das neue Leben zu leben, das er uns geschenkt hat. Es ist eine Entscheidung, welche die Freiheit der Wahl und zugleich den Mut zum Loslassen voraussetzt im Wissen darum, dass man das göttliche Leben gewinnt (vgl. Mt 13,44-46). In diesem Geist wird der Papst als erster in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1999 durch die Heilige Pforte gehen. Während er ihre Schwelle überschreitet, wird er der Kirche und der Welt das Heilige Evangelium zeigen, die Quelle des Lebens und der Hoffnung für das bevorstehende dritte Jahrtausend. Durch die Heilige Pforte, die in symbolischer Hinsicht am Ende eines Jahrtausends größer ist, <385> wird uns Christus tiefer in die Kirche, seinen Leib und seine Braut, einführen. So verstehen wir, wie bedeutungsvoll der Hinweis des Apostels Petrus ist, wenn er schreibt, dass, vereint mit Christus, auch wir uns „als lebendige Steine zu einem geistigen Haus, zu einer heiligen Priesterschaft aufbauen lassen, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (1 Petr 2,5). <385> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Terlio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 33: AAS 87(1995)25. 851 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Ein weiteres, den Gläubigen wohlbekanntes besonderes Zeichen ist der Ablass, der eines der wesentlichen Elemente des Jubiläumsereignisses ausmacht. In ihm offenbart sich die Fülle des Erbarmens des Vaters, der mit seiner Liebe, die zuallererst in der Vergebung der Schuld zum Ausdruck kommt, allen entgegenkommt. Üblicherweise gewährt Gott Vater seine Vergebung durch das Sakrament der Buße und Versöhnung. <386> Denn der Gläubige, der sich bewusst und aus freien Stücken der schweren Sünde überlässt, trennt sich damit vom Gnadenleben mit Gott und schließt sich selbst von der Heiligkeit aus, zu der er berufen ist. Die Kirche, gestützt auf die ihr von Christus verliehene Vollmacht, in seinem Namen Schuld zu vergeben (vgl. Mt 16,19; Joh 20,23), stellt in der Welt die lebendige Gegenwart der Liebe Gottes dar, der sich über jede menschliche Schwäche niederbeugt, um sie aufzunehmen in die Umarmung seines Erbarmens. Ja, durch den Dienst seiner Kirche breitet Gott in der Welt seine Barmherzigkeit aus durch jene kostbare Gabe, die mit dem uralten Namen „Ablass“ bezeichnet ist. <386> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), Nm. 28-34: AAS 77(1985)250-273. Das Bußsakrament bietet dem Sünder „eine neue Möglichkeit, sich zu bekehren und die Gnade der Rechtfertigung wiederzuerlangen“, <387> die durch das Opfer Christi erwirkt worden ist. So wird er wieder in das Leben Gottes und in die volle Teilnahme am Leben der Kirche zurückgeführt. Wenn der Gläubige seine Sünden bekennt, erhält er wirklich die Vergebung und kann, als Zeichen für die wiedergewonnene Gemeinschaft mit dem Vater und mit seiner Kirche, wieder an der Eucharistie teilnehmen. Die Kirche ist jedoch von alters her immer zutiefst davon überzeugt gewesen, dass die von Gott ungeschuldet gewährte Vergebung als notwendige Folge eine tatsächliche Lebensänderung, einen zunehmenden innerlichen Abbau des Bösen und eine Erneuerung der eigenen Existenz einschließt. Der sakramentale Akt sollte mit einer existentiellen Handlung, mit einer tatsächlichen Reinigung von der Schuld, die eben Buße genannt wird, einhergehen. Vergebung heißt nicht, dass dieser existentielle Prozess überflüssig würde, sondern vielmehr, dass er einen Sinn erhält, dass er angenommen und aufgenommen wird. <387> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1446. Die eingetretene Versöhnung mit Gott schließt nämlich nicht aus, dass gewisse Folgen der Sünde zurückgeblieben sind, von denen man geläutert werden muss. Gerade in diesem Bereich gewinnt der Ablass, durch den das „Vollgeschenk des göttlichen Erbarmens“ <388> zum Ausdruck gebracht wird, an Bedeutung. Mit dem Ablass wird dem reuigen Sünder die zeitliche Strafe für Sünden erlassen, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind. <388> Johannes Paul II., Bulle Aperite portas Redemptori (6. Januar 1983), Nr. 8: AAS 75(1983)98. 10. Auf Grund ihrer Eigenschaft, die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes zu verletzen sowie die persönliche Freundschaft, die Gott für den Menschen hegt, zu verachten, zieht die Sünde in der Tat eine doppelte Folge nach sich. Einerseits bringt sie, wenn es sich um eine schwere Sünde handelt, den Entzug der Gemeinschaft 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit Gott und somit den Ausschluss von der Teilhabe am ewigen Leben mit sich. Dem reuigen Sünder gewährt jedoch Gott in seinem Erbarmen die Vergebung der schweren Sünde und den Nachlass der „ewigen Sündenstrafe“, die sie eigentlich nach sich ziehen würde. Außerdem „zieht jede Sünde, selbst eine geringfügige, eine schädliche Bindung an die Geschöpfe nach sich, was der Läuterung bedarf, sei es hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten Purgatorium [Läuterungszustand]. Diese Läuterung befreit von dem, was man zeitliche Sündenstrafe1 nennt“,17 eine Sühne, durch die getilgt wird, was der vollen Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern im Wege steht. Auf der anderen Seite lehrt die Offenbarung, dass der Christ auf seinem Bekehrungsweg nicht allein gelassen ist. In Christus und durch Christus ist sein Leben durch ein geheimnisvolles Band mit dem Leben aller anderen Christen in der übernatürlichen Einheit des mystischen Leibes verbunden. So kommt es zwischen den Gläubigen zu einem wunderbaren Austausch geistlicher Güter, kraft dessen die Heiligkeit des einen den anderen zugute kommt, und zwar mehr als die Sünde des einen den anderen schaden kann. Es gibt Menschen, die geradezu ein Übermaß an Liebe, an ertragenem Leid, an Reinheit und Wahrheit zurücklassen, das die anderen einbezieht und aufrichtet. Es ist die Wirklichkeit der „Stellvertreterschaft“, auf die sich das ganze Geheimnis Christi gründet. Seine überreiche Liebe rettet uns alle. Trotzdem gehört es zur Größe der Liebe Christi, dass sie uns nicht im Zustand passiver Empfänger belässt, sondern in sein heilbringendes Wirken und insbesondere in sein Leiden einbezieht. Das besagt die bekannte Stelle aus dem Kolosserbrief: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (1,24). Wunderbar ausgedrückt ist diese tiefgründige Wirklichkeit auch an einer Stelle der Geheimen Offenbarung, wo die Kirche als die Braut beschrieben wird, die mit einem Gewand aus weißem Linnen, aus blendend reinem Leinen bekleidet ist. Und der hl. Johannes sagt: „Das Leinen bedeutet die gerechten Taten der Heiligen“ ('Offb 19,8). Denn im Leben der Heiligen wird das blendend weiße Leinen gewoben, welches das Kleid der Ewigkeit ist. Alles kommt von Christus, aber da wir sein Eigentum sind, wird auch das, was uns gehört, zu seinem Eigentum und gewinnt eine heilbringende Kraft. Das ist gemeint, wenn man vom „Schatz der Kirche“ spricht, der aus den guten Werken der Heiligen besteht. Für die Erlangung des Ablasses beten heißt, in diese geistliche Gemeinschaft eintreten und sich damit ganz den anderen öffnen. Denn auch im geistlichen Bereich lebt keiner nur für sich allein. Und die heilsame Sorge um das eigene Seelenheil wird erst dann von Furcht und Egoismus befreit, wenn sie zur Sorge auch um das Heil des anderen wird. Das ist die Wirklichkeit der Gemeinschaft der Heiligen, das Geheimnis der „stellvertretenden Wirklichkeit“ und des Gebetes als Weg zur Vereinigung mit Christus und mit seinen Heiligen. Er nimmt <389> <389> Katechismus der Katholischen Kirche, Nt. 1472. 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns zu sich, damit wir zusammen mit ihm das makellose Gewand des neuen Menschengeschlechtes weben, das Gewand der Braut Christi aus blendend weißem Leinen. Diese Lehre über die Ablässe macht also zunächst deutlich, „wie traurig und bitter es ist, sich von Gott dem Herrn abgewandt zu haben (vgl. Jer 2,19). Denn wenn die Gläubigen die Ablässe erwerben, begreifen sie, daß sie aus eigener Kraft nicht fähig wären, das Übel, das sie durch die Sünde sich selbst und der ganzen Gemeinschaft zugefügt haben, wieder gutzumachen; so werden sie zu heilbringenden Taten der Demut angespomt“. <390> Die Wahrheit von der Gemeinschaft der Heiligen, welche die Gläubigen mit Christus und untereinander verbindet, sagt uns außerdem, wie sehr ein jeder den anderen - Lebenden wie Verstorbenen - dabei helfen kann, immer inniger mit dem Vater im Himmel verbunden zu sein. <390> Paul VI., Apostol. Konstitution Indulgentiamm doctrina (1. Januar 1967), Nr. 9: AAS 59(1967)18. Indem ich mich auf diese Lehraussagen stütze und den mütterlichen Sinn der Kirche deute, verfüge ich, dass alle Gläubigen, sofern sie angemessen vorbereitet sind, während des ganzen Jubiläumsjahres in den reichlichen Genuss des Ablassgeschenkes kommen können, wie es den dieser Bulle beigefügten Anweisungen entspricht (vgl. Dekret). 11. Diese genannten Zeichen gehören schon zur Tradition der Jubiläumsfeier. Das Volk Gottes soll es aber nicht versäumen, mit wachem Geist noch andere mögliche Zeichen für das im Jubeljahr wirksame Erbarmen Gottes zu erkennen. In dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich auf einige solcher Zeichen hingewiesen, <391> die in angemessener Weise dazu dienen können, die außerordentliche Gnade des Jubiläums intensiver zu erleben. Ich führe sie hier kurz an. <391> Vgl. Nm. 33.37.51: AAS 87(1995)25-26; 29-30; 36. Da ist vor allem das Zeichen der Reinigung des Gedächtnisses: es verlangt von allen einen mutigen Akt der Demut, nämlich die Verfehlungen zuzugeben, die von denen begangen wurden, die den Namen Christen trugen und tragen. Das Heilige Jahr ist seinem Wesen nach eine Zeit des Aufrufes zur Umkehr. Das ist auch das erste Wort der Verkündigung Jesu, das sich auf vielsagende Weise mit der Bereitschaft zum Glauben verbindet: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Der Imperativ, den Christus hier setzt, folgt aus der Bewusst-werdung des Umstandes, dass „die Zeit erfüllt ist“ (ebd.). Das Sich-Erfüllen der Zeit Gottes setzt sich in den Aufruf zur Umkehr um. Diese aber ist vor allem Frucht der Gnade. Der Geist ist es, der jeden dazu drängt, „in sich zu gehen“ und zu merken, dass er zum Haus des Vaters zurückkehren muss (vgl. Lk 15,17-20). Die Gewissenserforschung ist also einer der bedeutsamsten Vorgänge der persönlichen Existenz. Denn durch sie wird jeder Mensch mit der Wahrheit des eigenen Lebens konfrontiert. So entdeckt er, wie weit seine Handlungen von dem Ideal entfernt sind, das er sich zuvor gesteckt hat. 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Geschichte der Kirche ist eine Geschichte der Heiligkeit. Das Neue Testament bestätigt nachdrücklich folgende charakteristische Eigenschaft der Getauften: Sie sind in dem Maße „heilig“, wie sie sich von der dem Bösen unterworfenen Welt trennen und der Verehrung des einzigen und wahren Gottes hingeben. Tatsächlich tritt diese Heiligkeit in den wechselvollen Lebensgeschichten vieler von der Kirche anerkannter Heiliger und Seliger ebenso in Erscheinung wie im Leben einer unendlichen Schar unbekannter Männer und Frauen, deren Zahl sich unmöglich errechnen lässt (vgl. Offb 7,9). Ihr Leben gibt Zeugnis von der Wahrheit des Evangeliums und bietet der Welt das sichtbare Zeichen für die Möglichkeit der Vollkommenheit. Man muss jedoch eingestehen, dass die Geschichte auch viele Ereignisse verzeichnet, die ein Antizeugnis gegenüber dem Christentum darstellen. Wegen jenes Bandes, das uns im mystischen Leib miteinander vereint, tragen wir alle die Last der Irrtümer und der Schuld derer, die uns vorausgegangen sind, auch wenn wir keine persönliche Verantwortung dafür haben und nicht den Richterspruch Gottes, der allein die Herzen kennt, ersetzen wollen. Aber auch wir haben als Söhne und Töchter der Kirche gesündigt, und es wurde der Braut Christi verwehrt, in ihrer ganzen Schönheit zu erstrahlen. Unsere Sünde hat das Wirken des Geistes im Herzen vieler Menschen behindert. Unser schwacher Glaube hat viele der Gleichgültigkeit verfallen lassen und sie von einer echten Begegnung mit Christus abgehalten. Als Nachfolger Petri fordere ich, dass die Kirche, gestärkt durch die Heiligkeit, die sie von ihrem Herrn empfängt, in diesem Jahr der Barmherzigkeit vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht. Alle haben gesündigt, und niemand kann sich vor Gott gerecht nennen (vgl. 1 Kön 8,46). Man möge ohne Furcht wiederholen: „Wir haben gesündigt“ (Jer 3,25), doch soll die Gewissheit lebendig erhalten werden, dass dort, „wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß geworden“ ist (Röm 5,20). Die Umarmung, die der Vater demjenigen vorbehält, der ihm reumütig entgegengeht, wird der gerechte Lohn für das demütige Eingeständnis der eigenen und der Schuld anderer sein; es stützt sich auf das Bewusstsein von dem tiefen Band, das alle Glieder des mystischen Leibes Christi untereinander vereint. Die Christen werden aufgefordert, vor Gott und vor den Menschen, die ihr Verhalten verletzt hat, zu den von ihnen begangenen Fehlem zu stehen. Das sollen sie tun, ohne irgendetwas dafür einzufordem, stark allein durch die „Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist“ (vgl. Röm 5,5). Es wird nicht an Personen fehlen, die ohne Vorurteile fähig sind anzuerkennen, dass die vergangene und gegenwärtige Geschichte häufig Fälle von Ausgrenzung, Ungerechtigkeiten und Verfolgungen gegenüber den Söhnen und Töchtern der Kirche vermerkt hat und weiter vermerkt. Niemand möge sich in diesem Jubeljahr von der Umarmung des Vaters ausschließen. Niemand verhalte sich wie der ältere Bruder im Gleichnis des Evangeliums, der sich weigert, das Haus zu betreten, um am Fest teilzunehmen (vgl. Lk 15,25-30). Die Freude über die Vergebung möge stärker und größer sein als jeder Groll. Wenn das geschieht, wird die Braut vor den Augen der Welt in jener 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schönheit und Heiligkeit erstrahlen, die aus der Gnade des Herrn stammen. Seit zweitausend Jahren ist die Kirche die Wiege, in die Maria Jesus legt und ihn allen Völkern zur Anbetung und Betrachtung anvertraut. Möge durch die Demut der Braut die Herrlichkeit und Kraft der Eucharistie, die sie in ihrem Schoß feiert und bewahrt, noch stärker strahlen. Im Zeichen der konsekrierten Gestalten von Brot und Wein offenbart der auferstandene und verherrlichte Jesus Christus als Licht der Heiden (vgl. Lk 2,32) die Kontinuität seiner Menschwerdung. Er bleibt lebendig und wahrhaftig mitten unter uns, um die Gläubigen mit seinem Leib und seinem Blut zu speisen. Der Blick sei daher fest auf die Zukunft gerichtet. Der barmherzige Vater stellt die Sünden, die wir wirklich bereut haben, nicht in Rechnung (vgl. Jes 38,17). Er vollbringt nun etwas Neues und nimmt in verzeihender Liebe den neuen Himmel und die neue Erde vorweg. Im Hinblick auf einen erneuerten Einsatz für das christliche Zeugnis in der Welt des nächsten Jahrtausends möge der Glaube erstarken, die Hoffnung wachsen und die Liebe immer tätiger werden. 12. Ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, das heute besonders nötig ist, stellt die Liebe dar, die uns die Augen für die Bedürfnisse derer öffnet, die in Armut und am Rande der Gesellschaft leben. Diese Zustände erfassen heute weite gesellschaftliche Räume und bedecken mit ihrem Todesschatten ganze Völker. Die Menschheit steht neuen und subtileren Formen von Sklaverei gegenüber, als wir sie aus der Vergangenheit kennen; für allzu viele Menschen bleibt Freiheit weiterhin ein Wort ohne Inhalt. Nicht wenige Nationen, besonders die ärmsten, werden von einer Schuldenlast förmlich erdrückt, die solche Ausmaße angenommen hat, dass eine Rückzahlung praktisch unmöglich ist. Es ist allerdings klar, dass ohne die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Völkern aller Sprachen, Rassen, Nationalitäten und Religionen kein wirklicher Fortschritt erreicht werden kann. Es müssen Formen der Unterdrückung beseitigt werden, die zur Vorherrschaft der einen über die anderen führen: wir haben es dabei mit Sünde und Ungerechtigkeit zu tun. Wem es darum geht, nur hier auf der Erde Schätze anzuhäufen (vgl. Mt 6,19), der ist „vor Gott nicht reich“ (Lk 12,21). Außerdem muss man eine neue Kultur internationaler Solidarität und Zusammenarbeit schaffen, in der alle - besonders die reichen Länder und der private Bereich - ihre Verantwortung für ein Wirtschaftsmodell übernehmen, das jedem Menschen dient. Es darf der Zeitpunkt nicht weiter hinausgezögert werden, an dem sich auch der arme Lazarus neben den reichen Mann setzen kann, um an demselben Mahl teilzunehmen, und nicht mehr gezwungen ist, sich von dem zu ernähren, was vom Tisch des Reichen herunterfällt (vgl. Lk 16,19-31). Die extreme Armut ist Quelle von Gewalt, Groll und Skandalen. Abhilfe schaffen kann man hier nur durch aktiven Einsatz für die Gerechtigkeit und damit für den Frieden. Das Jubeljahr ist ein weiterer Aufruf zur Umkehr des Herzens durch die Änderung der Lebensweise. Es erinnert alle daran, dass sie weder die Güter der Erde absolut setzen dürfen, weil sie nicht Gott sind, noch die Herrschaft oder den Herrschaftsanspruch des Menschen, weil die Erde Gott und nur ihm allein gehört: „Das Land ge- 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir“ (Lev 25,23). Möge dieses Gnadenjahr das Herz derer berühren, die das Schicksal der Völker in Händen haben! 13. Ein dauerndes, aber heutzutage besonders beredtes Zeichen für die Wahrheit der christlichen Liebe ist das Gedächtnis der Märtyrer. Ihr Zeugnis soll nicht vergessen werden. Sie sind diejenigen, die das Evangelium verkündet haben, indem sie aus Liebe ihr Leben hingaben. Der Märtyrer ist vor allem in unseren Tagen Zeichen jener größeren Liebe, die jeden anderen Wert einschließt. Sein Dasein spiegelt die letzten von Christus am Kreuz gesprochenen Worte wider: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Der Gläubige, der seine christliche Berufung, für die das Martyrium eine schon in der Offenbarung angekündigte Möglichkeit ist, ernsthaft erwogen hat, kann diese Perspektive nicht aus seinem Lebenshorizont ausschließen. Die zweitausend Jahre seit der Geburt Christi sind von dem beständigen Zeugnis der Märtyrer geprägt. Unser nunmehr zu Ende gehendes Jahrhundert hat vor allem als Folge des Nationalsozialismus, des Kommunismus und der Rassen- oder Stammeskämpfe zahllose Märtyrer hervorgebracht. Menschen aller Gesellschaftsschichten haben für ihren Glauben gelitten, indem sie ihr Festhalten an Christus und der Kirche mit dem Leben bezahlten oder mutig endlose Jahre der Gefangenschaft und Entbehrungen aller Art auf sich nahmen, um nicht vor einer Ideologie zurückzuweichen, die sich in das Regime einer grausamen Diktatur verwandelt hatte. Vom psychologischen Gesichtspunkt her ist das Martyrium der eindrucksvollste Beweis für die Wahrheit des Glaubens, die selbst dem gewaltsamsten Tod ein menschliches Gesicht zu geben vermag und ihre Schönheit auch in den grausamsten Verfolgungen zum Ausdruck bringt. Erfüllt von der Gnade des kommenden Jubeljahres werden wir mit größerer Kraft den Dankhymnus zum Vater erheben und singen können: Te mcirtyrum candidatus laudat exercitus. Ja, das ist das Heer derer, die „ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht [haben]“ (Offb 7,14). Darum wird die Kirche überall auf der Erde im Zeugnis der Märtyrer verankert bleiben und ihr Gedächtnis sorgsam verteidigen müssen. Möge das Volk Gottes, das durch das Beispiel dieser glaubwürdigen Kämpfer jeden Alters, jeder Sprache und Nationalität im Glauben gestärkt ist, mit Zuversicht die Schwelle des dritten Jahrtausends überschreiten. Die Bewunderung für ihr Martyrium verbinde sich im Herzen der Gläubigen mit dem Wunsch, mit Gottes Gnade ihrem Beispiel folgen zu können, falls es die Umstände erfordern würden. 14. Die Freude über das Jubiläum wäre nicht vollkommen, wenn sich der Blick nicht derjenigen zuwendete, die in vollem Gehorsam gegenüber dem Vater für uns den Sohn Gottes leibhaftig hervorgebracht hat. In Betlehem kam für Maria „die Zeit ihrer Niederkunft“ (Lk 2,6); vom Geist erfüllt, brachte sie den Erstgeborenen der neuen Schöpfung zur Welt. Nach ihrer Berufung, die Mutter Gottes zu sein, hat Maria vom Tag der jungfräulichen Empfängnis an ihre Mutterschaft voll gelebt 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und sie auf Golgota zu Füßen des Kreuzes gekrönt. Hier ist sie durch das wunderbare Geschenk Christi auch zur Mutter der Kirche geworden, die allen den Weg zeigt, der zum Sohn führt. Die Jungfrau Maria war eine Frau, die sich der Stille aussetzte, die zuhören konnte und sich in die Hände des Vaters gab. Deshalb wird sie von allen Generationen als „selig“ angerufen, weil sie die vom Heiligen Geist an ihr vollbrachten Wunder zu erkennen vermochte. Niemals werden die Völker aufhören, die Mutter des Erbarmens anzurufen, und immer werden sie unter ihrem Schutz Zuflucht finden. Sie, die mit ihrem Sohn Jesus und ihrem Mann Josef zum heiligen Tempel Gottes pil-gerte, beschütze den Weg aller, die in diesem Jubiläumsjahr zu Pilgern werden. Besonders eindringlich möge in den nächsten Monaten ihre Fürbitte für das christliche Volk sein, damit es die Fülle der Gnade und Barmherzigkeit erlange, während es sich über die zweitausend Jahre freut, die seit der Geburt seines Erlösers vergangen sind. An Gott Vater im Heiligen Geist gehe das Lob der Kirche für das Geschenk der Erlösung im Herrn Jesus Christus jetzt und in Ewigkeit. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 29. November, dem ersten Adventssonntag des Jahres des Herrn 1998, im einundzwanzigsten Jahr meines Pontifikates. Anweisungen für die Erlangung des Jubiläumsablasses Mit vorliegendem Dekret, das in dem vom Heiligen Vater in der Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 zum Ausdruck gebrachten Willens verfasst ist, und kraft der ihr von demselben Papst übertragenen Vollmacht legt die Apostolische Pönitentiarie die Ordnung fest, die für die Erlangung des Jubiläumsablasses einzuhalten ist. Alle Gläubigen können, wenn sie entsprechend vorbereitet sind, während des ganzen Jubeljahres gemäß den im folgenden ausgeführten Bestimmungen in den reichlichen Genuss des Ablassgeschenkes gelangen. Unter der Voraussetzung, dass die sowohl in allgemeiner Form wie auf besonderes Reskript hin gewährten Ablässe während des Großen Jubiläums in Kraft bleiben, wird daran erinnert, dass der Jubiläumsablass den Seelen der Verstorbenen durch Fürbittgebet zugewendet werden kann: mit diesem Angebot wird eine hervorragende Übung übernatürlicher Liebe vollbracht, kraft des Bandes, durch das im mystischen Leib Christi die noch auf Erden pilgernden Gläubigen mit jenen vereint sind, die ihren irdischen Lebensweg schon abgeschlossen haben. Auch während des Jubeljahres bleibt überdies die Regelung in Geltung, dass ein vollkommener Ablass nur einmal am Tag gewonnen werden kann. <392> Vgl. Enchiridion indulgentiarum, LEV 1986 norm. 21, § 1. Der Höhepunkt des Jubiläums ist die Begegnung mit Gott Vater durch den Erlöser Jesus Christus, der in seiner Kirche besonders in ihren Sakramenten gegenwärtig 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist. Deswegen hat der ganze Weg des Jubeljahres, von der Wallfahrt vorbereitet, als Ausgangs- und Endpunkt die Feier des Bußsakramentes und der Eucharistie, des Paschamysteriums Christi also, der unser Friede und unsere Versöhnung ist: das ist die verwandelnde Begegnung, die auf das Geschenk des Ablasses für sich und für andere hin öffnet. Nach Ablegung der sakramentalen Beichte, die ordentlicherweise nach can. 960 CIC und nach can. 720 § 1 CCEO persönlich und vollständig sein muss, kann der Gläubige durch Erfüllung der verlangten Anordnungen das Geschenk des vollkommenen Ablasses während einer angemessenen Zeitfrist auch täglich empfangen oder zuwenden, ohne die Beichte wiederholen zu müssen. Es ist jedoch besser, dass die Gläubigen häufig die Gnade des Bußsakramentes empfangen, um in der Bekehrung und Reinheit des Herzens zu wachsen. <393> Die Teilnahme an der Eucharistie, die für jeden Ablass notwendig ist, soll am selben Tag erfolgen, an dem die vorgeschriebenen Werke erfüllt werden. <394> <393> Vgl. ebd., norm. 23, §§ 1-2. <394> Vgl. ebd., norm. 23, § 3. Mit diesen zwei herausragenden Momenten müssen vor allem das Zeugnis der Gemeinschaft mit der Kirche einhergehen, das durch ein Gebet nach Meinung des Heiligen Vaters bekundet wird, sowie auch die Ausführung von Handlungen der Nächstenliebe und der Buße nach den weiter unten gegebenen Anweisungen: solche Handlungen sollen jene echte Umkehr des Herzens zum Ausdruck bringen, zu der die Gemeinschaft mit Christus in den Sakramenten hinführt. Denn Christus ist unsere Vergebung und die Sühne für unsere Sünden (vgl. 1 Joh 2,2). Indem er den Heiligen Geist, der „die Vergebung aller Sünden ist“, <395> in die Herzen der Gläubigen ausgießt, bringt er jeden zu einer kindlichen und vertrauensvollen Begegnung mit dem Vater des Erbarmens. Dieser Begegnung entspringen die Bemühungen um Umkehr und Erneuerung, um kirchliche Gemeinschaft und Liebe zu den Brüdern und Schwestern. <395> „Quia ipse est remissio omnium peccatorum“: Missale Romanum, Super oblata, Sabbato post Dominicam VII Paschae. Auch für das kommende Jubiläum wird die Regelung bestätigt, wonach die Beichtväter für diejenigen, die rechtmäßig verhindert sind, sowohl das vorgeschriebene Werk als auch die geforderten Bedingungen ändern können. <396> Die klausurierten Ordensmänner und Ordensfrauen, die Kranken und alle, die nicht imstande sind, ihre Wohnung zu verlassen, können statt des Besuches einer bestimmten Kirche die Kapelle ihres Hauses aufsuchen; sollte auch das nicht möglich sein, können sie den Ablass dadurch erlangen, dass sie sich geistig mit denen verbinden, die das vorgeschriebene Werk in ordentlicher Weise erfüllen, und dass sie Gott ihre Gebete, Leiden und Entbehrungen aufopfem. <396> Vgl. Euch, indulg., norm. 27. Was die Erfüllung der Bedingungen betrifft, so werden die Gläubigen den Jubiläumsablass erlangen können: 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1) In Rom, wenn sie eine Wallfahrt zu einer der Patriarchalbasiliken - der Basilika Sankt Peter im Vatikan oder der Erzbasilika des Heiligsten Erlösers am Lateran oder der Basilika Santa Maria Maggiore oder der Basilika Sankt Paul an der Via Ostiense - unternehmen und dort mit Andacht an der hl. Messe oder an einer anderen liturgischen Feier, wie den Laudes oder der Vesper, oder an einer Frömmigkeitsübung (z. B. Kreuzweg, Rosenkranz, Gebet des Hymnus Akathistos zu Ehren der Muttergottes) teilnehmen; außerdem, wenn sie als Gruppe oder einzeln eine der vier Patriarchalbasiliken besuchen und dort für eine angemessene Zeit in Verehrung der Eucharistie und in andächtiger Betrachtung verweilen und diese dann mit dem „Vaterunser“, mit einer anerkannten Form des Glaubensbekenntnisses und mit der Anrufung der seligen Jungfrau Maria abschließen. Zu den vier Patriarchalbasiliken kommen bei diesem besonderen Anlass des Großen Jubiläums folgende andere Stätten zu denselben Bedingungen hinzu: die Basilika Santa Croce in Geru-salemme, die Basilika San Lorenzo al Verano, das Heiligtum der Muttergottes von der Göttlichen Liebe (Madonna del Divino Amore), die christlichen Katakomben. <397> Vgl. Euch, indulg., conces. 14. 2) Im Heiligen Land, wenn sie unter Beachtung derselben Bedingungen die Grabeskirche in Jerusalem oder die Geburtskirche in Betlehem oder die Verkündigungsbasilika in Nazaret besuchen. 3) In den anderen kirchlichen Jurisdiktionsbereichen, wenn sie eine Wallfahrt zur Kathedrale oder zu anderen vom Bischof bestimmten Kirchen oder Orten machen und dort andächtig an einer liturgischen Feier oder einer anderen Frömmigkeitsübung teilnehmen, wie sie oben für die Stadt Rom angegeben wurden; außerdem, wenn sie als Gruppe oder einzeln die Kathedrale oder ein vom Bischof bestimmtes Heiligtum besuchen, dort für eine angemessene Zeit in andächtiger Betrachtung verweilen und diese dann mit dem „Vaterunser“, mit einer anerkannten Form des Glaubensbekenntnisses und mit der Anrufung der seligen Jungfrau Maria abschließen. 4) An jedem Ort, wenn sie für eine angemessene Zeit Brüder und Schwestern, die sich in Not oder Schwierigkeiten befinden (Kranke, Gefangene, einsame alte Menschen, Behinderte usw.), besuchen, dabei gleichsam zu Christus pilgern, der in diesen Menschen gegenwärtig ist (vgl. Mt 25, 34-36), und die üblichen geistlichen und sakramentalen Bedingungen, einschließlich der vorgeschriebenen Gebete, erfüllen. Die Gläubigen werden sicher solche Besuche im Laufe des Heiligen Jahres wiederholen; bei jedem dieser Besuche können sie den vollkommenen Ablass erlangen, natürlich nur einmal am Tag. Den vollkommenen Jubiläumsablass kann man auch durch Unternehmungen erlangen, welche die Bußgesinnung, die gleichsam die Seele des Jubiläums ist, konkret und hochherzig in die Tat umsetzen. Sie bestehen unter anderem darin, dass die Gläubigen sich wenigstens einen Tag lang überflüssigen Konsums enthalten (z. B. nicht rauchen, keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen, entsprechend den all- 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gemeinen Normen der Kirche und den Einzelbestimmungen der Bischofskonferenzen fasten oder Enthaltsamkeit üben) und eine angemessene Geldsumme den Armen zuwenden; dass sie mit einem ansehnlichen Beitrag Werke religiösen oder sozialen Charakters unterstützen (besonders zu Gunsten verwahrloster Kinder, in Schwierigkeiten geratener Jugendlicher, bedürftiger alter Menschen und Fremder in den verschiedenen Ländern auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen); dass sie einen angemessenen Teil ihrer Freizeit Tätigkeiten widmen, die der Gemeinschaft zugute kommen, oder dass sie andere ähnliche Formen persönlichen Opfers auf sich nehmen. Rom, aus der Apostolischen Pönitentiarie, am 29. November 1998, dem ersten Adventssonntag. William Wakefield Kardinal Baum + Luigi De Magistris Großpönitentiar Regens Gott kommt uns als Vater mit offenen Armen entgegen Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung des dritten Vorbereitungsjahres zum Großen Jubiläum am Ersten Adventssonntag, 29. November 1. „Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“ (Kehrvers zum Antwortpsalm). Das sind Worte des Antwortpsalms, der heute die Liturgie des ersten Adventsonntags begleitet, eine liturgische Zeit, die Jahr für Jahr wieder die Erwartung des Kommens Christi neu werden lässt. In diesen Jahren des Ausblicks auf das dritte Jahrtausend hat der Advent eine neue und einzigartige Dimension angenommen. Tertio millennio adveniente: das Jahr 1998, das sich dem Ende zuneigt, und das nächste Jahr 1999 stellen uns an die Schwelle eines neuen Jahrhunderts und eines neuen Jahrtausends. „An der Schwelle“ begann auch unsere heutige Liturgiefeier, an der Schwelle der Vatikanischen Basilika, vor der Heiligen Pforte, mit der Überreichung und Verlesung der Bulle zur Ankündigung des Großen Jubiläums des Jahres Zweitausend. „Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“, ein Kehrvers, der ausgezeichnet zum Jubiläum passt. Er ist sozusagen ein „Jubiläums-Kehrvers“, nach der Etymologie des lateinischen Wortes „jubilare“, in dem ein Hinweis auf die Freude steckt. Pilgern wir also mit Freude! Gehen wir froh und wachsam, voll Erwartung, wie in jener Zeit, die an das Kommen Gottes in die Menschennatur erinnert, eine Zeit, die ihre Fülle erreichte, als Christus im Stall von Betlehem geboren wurde. Wenn wir den Advent begehen, erwarten wir ein Ereignis, das in der Geschichte seinen Platz hat und zugleich über sie hinausgeht. Wie jedes Jahr wird sich dieses Ereignis in der Nacht der Geburt des Herrn zutragen. Die Hirten eilen in den Stall von Betlehem, später werden die Magier aus dem Osten kommen. Die einen wie die andern sind in gewissem Sinn ein Symbol für die ganze Familie der Menschen. 861 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Aufforderung der heutigen Liturgie: „Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“ verbreitet sich in allen Ländern, in allen Kontinenten, in jedem Volk und jeder Nation. Die Stimme der Liturgie - das heißt: die Stimme der Kirche - ertönt überall und lädt alle zum Großen Jubiläum ein. 2. Diese letzten drei Jahre vor dem Jahr Zweitausend sind eine Zeit sehr intensiver Erwartung, ausgerichtet auf die Meditation über die Bedeutung des bevorstehenden geistlichen Ereignisses und über die notwendige Vorbereitung. Der Inhalt dieser Vorbereitung ist nach der Formel gebildet, die sich als Lob auf die Dreifaltigkeit am Ende jedes liturgischen Gebetes wiederholt. So gehen wir voll Freude dem Vater entgegen, auf dem Weg, der unser Herr Jesus Christus ist, der mit ihm lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes. Darum war das erste Jahr dem Sohn, das zweite dem Heiligen Geist geweiht, und das heute beginnende letzte Jahr vor dem Großen Jubiläum wird das Jahr des Vaters sein. Vom Vater eingeladen, gehen wir durch den Sohn im Heiligen Geist ihm entgegen. Durch ihren trinitarischen Charakter sprechen uns diese drei Jahre der unmittelbaren Vorbereitung auf das neue Jahrtausend nicht nur von Gott in sich selbst als unsagbares Geheimnis des Lebens und der Heiligkeit, sondern auch von Gott, der uns entgegenkommt. 3. Darum klingt der Kehrvers „Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“ - oder wie er im Messbuch der italienischen Diözesen lautet: „Gehen wir mit Freude dem Herrn entgegen“ - so passend. Wir können Gott begegnen, weil er uns entgegengekommen ist. Das hat er, geradeso wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn (vgl. Lk 15,11-32) getan, weil er voll Erbarmen ist, „dives in misericordia“, und weil er uns begegnen will, woher immer wir kommen mögen und wohin immer uns unser Weg führen mag. Gott kommt uns entgegen, ob wir ihn nun gesucht oder ihn ignoriert haben oder ihm gar aus dem Weg gegangen sind. Er kommt uns als erster mit offenen Armen entgegen wie ein liebevoller und barmherziger Vater. Wenn Gott sich aufmacht, um uns entgegenzukommen, werden wir ihm dann den Rücken kehren können? Wir dürfen aber dem Vater nicht allein entgegengehen, sondern müssen zusammen mit allen gehen, die zur „Familie Gottes“ gehören. Lim uns gebührend auf das Jubiläum vorzubereiten, müssen wir uns bereit machen, jeden Menschen anzunehmen. Alle sind unsere Brüder und Schwestern, weil Kinder desselben himmlischen Vaters. In dieser Perspektive können wir die zweitausendjährige Geschichte der Kirche lesen. Es ist eine tröstliche Tatsache, festzustellen, wie die Kirche in diesem Übergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend einen neuen missionarischen Antrieb erkennt. Das geht aus den Kontinentalsynoden hervor, die in diesen Jahren stattgefunden haben einschließlich der jetzt in Gang befindlichen für Australien und Ozeanien. Und es geht auch aus den Informationen hervor, die beim Vorbereitungskomitee für das Große Jubiläum einlaufen und die Initiativen betreffen, die von den Lokalkirchen in Vorbereitung auf das geschichtliche Ereignis unternommen wurden. 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich möchte in besonderer Weise den Kardinalpräsidenten des Komitees, den Generalsekretär und die Mitarbeiter begrüßen. Sodann gilt mein Gruß den anwesenden Kardinalen, Bischöfen und Priestern und auch euch allen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr an dieser festlichen Liturgiefeier teilnehmt. Besonders denke ich auch an den Klerus, die Ordensmänner, Ordensfrauen und engagierten Laien von Rom, die zusammen mit dem Kardinalvikar und den Weihbischöfen heute morgen hier sind, um den letzten Abschnitt der Stadtmission zu eröffnen, der sich an die einzelnen sozialen Umfelder richtet. Es ist ein wichtiges Stadium, bei dem die ganze Diözese sich in einem großen Evangelisierungswerk in jedem Lebens- und Arbeitsbereich einsetzt. Am Schluss der Messe werde ich den Missionaren das Missionskreuz überreichen. Christus muss an jedem Ort und in jeder Situation verkündigt und bezeugt werden. Ich fordere alle auf, dieses große Unternehmen mit dem Gebet zu begleiten. Insbesondere rechne ich mit dem Beitrag der klausurierten Ordensleute, der Kranken und der alten Menschen, die, wenn sie bei dieser apostolischen Initiative auch nicht unmittelbar beteiligt sein können, so viel durch ihr Gebet und die Aufopferung ihrer Leiden dazu mithelfen können, dass die Herzen aufnahmebereit werden für das Evangelium. Maria, die uns in der Adventszeit zu erwartungsvoller, eifriger Betrachtung des Erlösers auffordert, helfe euch allen, hochherzige Apostel ihres Sohnes Jesus zu sein. 4. Im Evangelium haben wir heute gehört, wie Jesus zur Wachsamkeit aufruft: „Seid wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ Und gleich darauf: „haltet ... euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ (Mt 24,42.44). Die Mahnung, zu wachen, kommt in der Liturgie oft vor, besonders im Advent, der Vorbereitungszeit nicht nur auf Weihnachten, sondern auch auf das endgültige, glorreiche Kommen Christi am Ende der Zeiten. Sie hat also eine unverkennbare eschatologische Bedeutung und fordert den Gläubigen auf, jeden Tag, jeden Augenblick in der Gegenwart dessen zu verbringen, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,4), dem die Zukunft der Welt und des Menschen gehört. Das ist die christliche Hoffnung! Ohne diese Aussicht würde unsere Existenz sich darauf beschränken, für den Tod zu leben. Christus ist unser Erlöser: „Redemptor mundi et Redemptor hominis.“ Erlöser der Welt und Erlöser des Menschen. Er ist zu uns gekommen, um uns zu helfen, die Schwelle zu überschreiten, die zur Pforte des Lebens führt, die „Heilige Pforte“, die Er selbst ist. 5. Diese tröstliche Wahrheit möge uns immer vor Augen stehen, wenn wir als Pilger auf das Große Jubiläum zugehen. Sie bildet den letzten Grund für die Freude, zu der uns die heutige Liturgiefeier auffordert: „Gehen wir mit Freude dem Herrn entgegen!“ Da wir an Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, glauben, glauben wir an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tertio millennio adveniente. In dieser Perspektive gewinnen die Jahre, die Jahrhunderte und die Jahrtausende jenen endgültigen Sinn des Daseins, den das Jahr Zweitausend uns enthüllen will. Im Blick auf Christus wollen wir uns die Worte eines alten polnischen Volksliedes zu eigen machen: „Das Heil ist durch das Kreuz gekommen, / das ist ein großes Geheimnis. / Alles Leiden hat einen Sinn: / es führt zur Fülle des Lebens.“ Mit diesem Glauben im Herzen, der der Glaube der Kirche ist, eröffne ich heute als Bischof von Rom das dritte Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum. Ich eröffne es im Namen des himmlischen Vaters, der „die Welt so sehr geliebt [hat], daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt ...das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Gelobt sei Jesus Christus! Bedeutung und Sinn der Jakobus-Wallfahrt Auszug aus der Botschaft an den Erzbischof von Santiago de Compostela, Julian Barrio Barrio, vom 29. November Im Lauf der Jahrhunderte haben sich die verschiedenen Routen des „Jakobusweges“ mit Pilgern bevölkert, die auf der Wanderschaft zu dem damals so genannten „finis terrae“ waren, um die so sehr ersehnte „perdonanza“ zu erlangen und zugleich das von den Aposteln übermittelte Licht des Evangeliums neu in ihr Herz aufzunehmen. [...] In dieser Gesinnung unternommen, wird der Jakobus weg nach Santiago zu einem Vorgang wirklicher Bekehrung und einem schrittweisen Ablegen des „alten Menschen“, um den neuen Menschen anzuziehen, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Wenn ich mir die unauslöschliche Erinnerung an meine früheren Besuche in Santiago vergegenwärtige, denke ich in diesem Augenblick an die Männer und Frauen, die Jugendlichen und die Erwachsenen, die aus Galizien und dem übrigen Spanien, aus Europa und Übersee sich auf den Weg nach Compostela machen werden. Sie werden einem jahrhundertealten Weg folgen, der reich ist an wunderbaren Wegmarken von Werken der Kunst und der Kultur, geprägt vom Zeugnis des festen Glaubens, das viele Generationen hinterlassen haben. Sie werden anderen Menschen begegnen und Gelegenheit haben, die erschiedenen Gebräuche und Kulturen zu schätzen, in denen das Wesen des Menschen sich am besten auszudrücken vermag, und werden sich auf diese Weise für eine universalere Sicht und ein besseres Verständnis der verschiedenen Völker öffnen. Gesten der Herzlichkeit und der geschwisterlichen Annahme werden dazu führen, dass die Worte Jesu, „das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), eine besondere Bedeu- 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung gewinnen. Meditation und besinnliches Beten werden dem Pilger helfen, in sich zu blicken, um die tiefste Wahrheit über das eigene Sein zu finden. Botschaft zum Fest des hl. Andreas am 30. November an seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch vom 25. November An Seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel, Ökumenischer Patriarch „Friede sei mit den Brüdern, Liebe und Glaube von Gott, dem Vater, und Jesus Christus, dem Herrn“ (Eph 6,23). Das Fest des Apostels Andreas, Bruder des Petrus, das unsere Kirchen am gleichen Tag feiern, ist für mich eine neuerliche und willkommene Gelegenheit, meinen brüderlichen Gruß an Ihre Heiligkeit, an die Heilige Synode und an alle Gläubigen des Ökumenischen Patriarchats zu richten. Die Delegation, die ich zu diesem freudigen Anlass gesandt habe, wird sich Ihnen im Gebet anschließen, um mit dem Hymnus dieses Festtages um die Fürsprache des hl. Andreas, „des Erstberufenen der Apostel und Bruders ihres Anführers“, zu bitten, damit „der Herr des Alls unseren Seelen das große Erbarmen und dem Erdkreis seinen Frieden gewähre“ (vgl. Apolytikion). Die Festfeier der Apostel leitet unsere Gedanken zum Gebot des Herrn, der uns aufgetragen hat, allen Menschen und zu jeder Zeit das Evangelium zu vermitteln und sie zu lehren, „alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,20). Der apostolische Glaube, die apostolische Tradition und die apostolische Sendung unterstreichen die dringende Notwendigkeit, die Unterschiede und Schwierigkeiten zu überwinden - die uns gegenwärtig noch an der Erreichung der vollen Gemeinschaft hindern -, um der Welt ein eindrucksvolleres Zeugnis des Friedens und der Einheit zu bieten. Auf dem zuweilen steinigen und steilen Weg zur Einheit schöpfen wir unsere Kraft aus dem Gebet unseres Herrn Jesus Christus für seine Kirche und aus der Macht des Heiligen Geistes, der uns in unserer Schwäche immer zu Hilfe kommt und uns Hoffnung schenkt. Im übrigen können diese Schwierigkeiten auch zu einer Chance für geistliches Wachsen und für Fortschreiten auf dem Weg zur Einheit werden. Am letzten Sonntag in diesem Novembermonat, der Vigil des Festtags des hl. Andreas, wird die Kirche von Rom in das letzte Vorbereitungsjahr im Hinblick auf das Jubeljahr 2000 eintreten. Mit dem Heiligen Jahr gedenken wir der Menschwerdung des Wortes Gottes, des Herrn und Erlösers der Welt, und es stellt daher einen besonderen Moment in der Erneuerung unseres gemeinsamen Engagements dar, bei dem wir zusammen den Menschen verkünden, dass Jesus Christus der Herr ist - wie es damals die Apostel, 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und unter ihnen die beiden Brüder Petrus und Andreas, Apostel und Märtyrer, getan haben. Mit diesen Empfindungen des Glaubens und Friedens, der Liebe und Gemeinschaft versichere ich Ihre Heiligkeit meiner brüderlichen Zuneigung im Herrn. Aus dem Vatikan, 25. November 1998 Aushöhlung der Menschenrechte nicht zulassen Botschaft an den Präsidenten der 53. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Herrn Didier Opertti Badän, vom 30. November An Seine Exzellenz Herrn Didier Opertti Badän Präsident der dreiundfünfzigsten Sitzung der Generalversammlung der Organisation der Vereinten Nationen Mit besonderer Freude nehme ich durch diese Botschaft teil an der Fünfzigjahrfeier der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Organisation der Vereinten Nationen, Hüterin eines der kostbarsten und bedeutendsten Dokumente der Geschichte des Rechtes. Das tue ich um so lieber, als die katholische Kirche keine Bedenken hatte, in einer sehr bedeutsamen Konstitution des II. Vatikanischen Konzils zu versichern, dass auch sie, weil sie ,Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ teilt, fordert, dass ,jede Form einer Diskriminierung in den Grundrechten der Person, ... da sie dem Plan Gottes widerspricht, beseitigt werden muß“ (Gaudium et spes, Nm. 1 u. 29). Die Erklärung der Menschenrechte verkündete eine gewisse Anzahl von grundlegenden Rechten, die alle Gliedern der menschlichen Familie zustehen, und hat damit in entscheidender Weise zur Fortentwicklung des internationalen Rechtes beigetragen. Sie hat in die nationale Rechtsprechung eine Interpellation eingebracht und es für Millionen von Männern und Frauen möglich gemacht, menschenwürdiger zu leben. Und dennoch: Wer die heutige Welt betrachtet, muss feststellen, dass diese verkündeten, kodifizierten und gefeierten Menschenrechte noch immer schweren und fortgesetzten Verletzungen ausgesetzt sind. Dieses Jahresgedächtnis Ist also für jeden der Staaten, die sich gern auf den. Text von 1948 berufen, ein Aufruf zur Gewissenserforschung. Allzu häufig nämlich behauptet sich bei einigen die Tendenz, nach eigenem Ermessen dieses oder jenes Recht auszuwählen und solche, die ihren augenblicklichen Interessen entgegenstehen, zu vernachlässigen. Andere haben keine Bedenken, einzelne Rechte aus ihrem Kontext zu isolieren, um, Freiheit mit Eigenmächtigkeit verwechselnd, besser so handeln zu können, wie es ihnen passt, oder um 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich Vorteile zu sichern, die auf menschüche Solidarität sehr wenig Wert legen. Ohne jeden Zweifel bedrohen solche Haltungen die organische Struktur der Erklärung der Menschenrechte, die jedes Recht abstimmt auf andere Rechte, andere Pflichten und Grenzen, die eine gerechte Sozialordnung erfordert. Im übrigen führen solche Haltungen manchmal zu einem überzogenen Individualismus, der die Stärkeren dazu verführen kann, die Schwachen zu beherrschen und so die feste Verbindung zwischen Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, die im Text niedergelegt ist, zu lockern. Lassen wir es also nicht zu, dass mit dem Dahingehen der Jahre dieser fundamentale Text zu einem bloßen Monument wird, das man bewundert, oder, schlimmer noch, zu einem nur mehr in Archiven aufgehobenen Dokument! Darum möchte Ich wiederholen, was ich bei meinem ersten Besuch am Sitz ihrer Organisation, am 2. Oktober 1979, sagte: „Wenn die Wahrheiten und Prinzipien, die in diesem Dokument enthalten sind, vergessen und übergangen würden und dabei die anfängliche Evidenz verlieren sollten, mit der sie im Augenblick der schmerzhaften Geburt aufleuchteten, dann könnte die hohe Zielsetzung der Organisation der Vereinten Nationen - das heißt, das Zusammenleben der Menschen und der Nationen - von einer neuen Zerstörung bedroht sein“ (O.R. dt., Nr. 9 vom 5. Okt. 1979, S. 6). Sie werden also nicht erstaunt sein, wenn der Hl. Stuhl sich gern der Erklärung des Generalsekretärs anschließt, der kürzlich versicherte, dass dieses Jahresgedächtnis, Gelegenheit biete, „sich nicht nur zu fragen, wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unsere Rechte schützen kann, sondern wie wir die Erklärung angemessen schützen können“ (Kofi Annan, Kommission der Menschenrechte, Genf, 23. März 1998). Der Kampf für die Menschenrechte stellt also immer noch eine Herausforderung dar, die angenommen werden muss, und er erfordert von Seiten aller Beteiligten Ausdauer und Kreativität. Wenn es z. B. dem Text von 1948 gelungen ist, einen starren Begriff von der höchsten Gewalt des Staates zu relativieren - einer Gewalt, die ihn von der Rechenschaftsablage über sein Verhalten gegenüber den Bürgern dispensieren würde -, so kann man zur Zeit doch nicht leugnen, dass andere Formen der Souveränität in Erscheinung getreten sind. In der Tat sind heute die internationalen Akteure - Personen oder Organisationen zahlreich, die sich in Wirklichkeit einer Souveränität erfreuen, vergleichbar jener eines Staates. Sie beeinflussen entscheidend das Schicksal von Millionen von Männern und Frauen. Es wäre also ratsam, die geeigneten Mittel zu finden, um sicher zu sein, dass auch sie die Grundsätze der Erklärung durchführen. Vor fünfzig Jahren gestattete es im übrigen der politische Kontext der Nachkriegszeit den Verfassern der Erklärung nicht, die Deklaration mit einer anthropologischen Basis und eindeutig moralischen Hinweisen auszustatten, aber sie wussten gut, dass die verkündeten Grundsätze schnell ihren Wert verlieren würden, wenn die internationale Gemeinschaft nicht darauf bedacht wäre, sie in den einzelnen nationalen, kulturellen und religiösen Traditionen zu verwurzeln. Vielleicht ist dies die Aufgabe, die wir jetzt haben, um der Einheit ihres Zukunftsbildes zu dienen, eine berechtigte Pluralität In der Ausübung der von diesem Text verkündeten Frei- 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit zu fördern und zugleich die Universalität und Unteilbarkeit der Rechte sicherzustellen, womit er sie ausstattet. Dieses „Gemeinsame Verständnis“, auf das die Präambel der Erklärung sich beruft, zu fördern und es mehr und mehr zum letzten Bezugspunkt werden zu lassen, wo menschliche Freiheit und Solidarität zwischen Personen und Kulturen sich begegnen und sich gegenseitig befruchten, das ist die Herausforderung, die angenommen werden muss. Darum würde es bedeuten, das ganze Gebäude der Menschenrechte zu untergraben, wollte man die Universalität, beziehungsweise das Vorhandensein bestimmter Grundprinzipien in Zweifel ziehen. An diesem Ende des Jahres 1998 sehen wir in der Menschheit um uns her zu viele Brüder und Schwestern, die von Naturkatastrophen niedergeschlagen, durch Krankheiten aufgerieben, in Unwissenheit und Armut entkräftet oder Opfer endloser grausamer Kriege sind. Neben ihnen gibt es andere, besser Versorgte, die vor Unsicherheit geschützt zu sein scheinen und - mitunter prahlerisch - das Notwendige, ja das Überflüssige genießen. Was ist aus dem „Anspruch eines jeden auf eine soziale und internationale Ordnung“ geworden, „in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können“ (Art. 28)? Die Würde, die Freiheit und das Glück werden nie vollständig sein ohne die Solidarität. Das lehrt uns die beängstigende Geschichte dieser letzten fünfzig Jahre. Übernehmen wir also dieses kostbare Erbe, und lassen wir es vor allem Frucht bringen für das Glück aller und zur Ehre eines jeden von uns! Mit dem inständigen Gebet, dass sich unter den Völkern, die Sie vertreten, Brüderlichkeit und Eintracht weiter entfalten mögen, rufe ich auf alle die Fülle des göttlichen Segens herab. Aus dem Vatikan am 30. November 1998 Globalisierung der Solidarität - Kreditvergabe zu gerechten Konditionen Ansprache an den Rat der Interparlamentarischen Union am 30. November Herr Vorsitzender des Rats der Interparlamentarischen Union, meine Herren! Mit Freude und Dankbarkeit empfange ich Sie hier anlässlich Ihrer Konferenz in Rom. Ich würdige den Geist dieses Treffens und schätze die Informationen, die Sie mir über Ihre Arbeit geliefert haben. Im Jahr 1996 übernahmen die Mitglieder der Interparlamentarischen Union - anlässlich des von der FAO organisierten Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs über die Ernährung - die feierliche Verpflichtung, die Zielsetzungen des Gipfeltreffens voranzutreiben und sich insbesondere dafür einzusetzen, dass die Zahl der Menschen, die an Unterernährung leiden, noch vor dem Jahr 2015 um die 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hälfte reduziert wird. Außerdem wiesen sie auf die Notwendigkeit hin, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen als Bezugspunkt und Orientierung einer umweltverträglichen Entwicklung der Landwirtschaft auf der ganzen Welt. Sie haben sich nun an der Schwelle zum dritten Jahrtausend hier versammelt, um Ihre Untersuchung über die Fragen der Nahrungssicherheit fortzusetzen und die Hindernisse und Herausforderungen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, näher zu analysieren. Die Tagesordnung Ihrer Versammlung sieht drei konkrete Themen vor, die von grundlegender Bedeutung sind, wenn man die Verpflichtungen des Gipfeltreffens von 1996 wirklich in die Tat umsetzen will: Wie kann man ein stabiles Niveau der Nahrungssicherheit erreichen, das der zunehmenden Nachfrage gerecht wird, und was kann man tun, damit die verschiedenen wirtschaftlichen Gegebenheiten (wie Produktion, Verteilung, internationaler Handel, wissenschaftliche Forschung, finanzielle Investitionen usw.) auf das Hauptziel, nämlich Nahrungssicherheit für alle Menschen, ausgerichtet werden? Wie kann man eine angemessene Grundlage der gemeinsamen Ressourcen (Artenvielfalt, Boden, Fischerei, Wasser, Wälder) erhalten, und wie kann man eine harmonische Entwicklung des menschlichen, technologischen und finanziellen Kapitals fördern? Wie könnten die nötigen parlamentarischen Initiativen aussehen, um Lösungen zu den unmittelbaren Problemen der Nahrungssicherheit einerseits und zu den tieferen Ursachen der Armut anderseits zu finden? Es handelt sich dabei um ein realistisches Programm, denn es erkennt die Interaktion verschiedener politischer, sozialer und wirtschaftlicher Elemente bei der Entwicklung und eventuellen Lösung des Problems der Nahrungssicherheit; es ist aber auch ein ehrgeiziges und großherziges Programm, denn es erkennt die Fähigkeit des Menschen, eine Lösung auf so vielschichtige Probleme zu finden, und es fordert Sie und Ihre Kollegen zu entschlossenem Handeln zur Erreichung solch edler Zielsetzungen auf. Ich kann mich über solche Initiativen nur freuen und hege die feste Hoffnung, dass sie in Form von konkreten Vorschlägen und Aktionen reiche Fracht tragen werden. Es ist nicht Aufgabe der Hierarchie der katholischen Kirche, spezifische technische Lösungen zu bieten; sie hat vielmehr den Auftrag, die Männer und Frauen guten Willens stets zu unterstützen, die nach Lösungen suchen, dabei aus freien Stücken alle ihre menschlichen Fähigkeiten einbringen und den Teil an Verantwortung übernehmen, den ihre Rolle in der Gesellschaft von ihnen fordert. Die Kirche setzt sich darüber hinaus für eine Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit ein, damit alle Teilnehmer am Sozialleben sich gegenseitig anregen, ihre unterschiedlichen Auffassungen unvoreingenommen erörtern und auf diese Weise die Wege zu raschen und wirksamen Lösungen finden. Eine richtige Einstellung gegenüber der internationalen Wirtschaft muss die Erfüllung des Rechtes auf Nahrung aller Menschen und jedes einzelnen auf der ganzen Welt zu jeder Zeit und ohne Unterschied ermöglichen - gemäß der Bestimmungen, die in den verschiedenen internationalen Vertragswerken festgelegt sind. Die ver- 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schiedenen Umstände, von denen Naturkatastrophen, internationale Konflikte oder Bürgerkriege begleitet sind, dürfen nie als Entschuldigung gelten, um dieser Verpflichtung nicht nachzukommen: Sie bindet nicht nur die internationalen Organisationen und die Regierungen der Länder, in denen Mangel an Nahrung herrscht, sondern auch - und in ganz besonderer Weise - die Staaten, in denen dank der Barmherzigkeit Gottes Reichtum und materielle Güter in Fülle vorhanden sind. Eine dauerhafte und allgemeine Nahrungssicherheit hängt von einer großen Zahl politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen ab, auf die die Hungrigen in den meisten Fällen überhaupt keinen Einfluss haben: Sie sind hingegen oft mit anderen politischen Entscheidungen verknüpft, die innerhalb verschiedener Staaten und in Abhängigkeit nationaler oder individueller Machtfaktoren getroffen werden. Eine richtig verstandene internationale Solidarität muss sich im Gegenteil dafür einset-zen, dass alle nationalen und internationalen Beschlüsse sowohl die Interessen des Landes als auch die außerstaatlichen Bedürfnisse berücksichtigen können, wobei vermieden werden muss, dass die einen zu einem Hindernis für die anderen werden, und immer versucht werden soll, einen Beitrag zum Fortschritt der Welt, vor allem dem der weniger entwickelten Länder, zu leisten. Wie sollten wir in diesem Zusammenhang nicht auch das Problem der Auslandsschulden der ärmsten Länder erwähnen sowie die Schwierigkeiten, auf die zahlreiche weitere Entwicklungsländer stoßen, wenn sie Kredite zu solchen Bedingungen haben möchten, die eine ausgeglichene menschliche und soziale Entwicklung ermöglichen und fördern? Euer Arbeitsprogramm nennt die finanziellen Aspekte und das Problem der Schulden als bedingende Faktoren für die Nahrungssicherheit. Gott erleuchte die Politiker der besser gestellten Länder, damit sie die geeigneten Mittel finden zur großzügigen Deckung der Kosten für die internationalen Programme ü zum Nachlass oder schlichtweg zur Streichung der so schweren Last, die die benachteiligten Bevölkerungsschichten so vieler Regionen der Erde erdrückt! Zur Zeit der Veröffentlichung der Erklärung des römischen Gipfeltreffens von 1996 und des dazugehörigen Aktionsplans hat die internationale Gemeinschaft im Hinblick auf die Erreichung der entsprechenden Ziele einstimmig eine gewisse Anzahl von Verpflichtungen in allen Bereichen der nationalen und internationalen Wirtschaft übernommen. Im Laufe der zwei Jahre, die seit der Erklärung des Weltemährungsgipfels vergangen sind, wurden zahlreiche weitere Zusagen gemacht und internationale Projekte ausgearbeitet, um die extreme Armut zu lindem und das Problem der finanziellen Bürde, die auf den Ärmsten der Welt lastet, auf angemessene Weise anzugehen. Es ist ganz offensichtlich, dass die internationalen politischen Willenserklärungen und die multilateralen Vertragswerke wirkungslos bleiben, solange sie nicht von einer zugkräftigen nationalen Gesetzgebung und vom politischen Willen zu ihrer konkreten Umsetzung gestützt sind. Aus diesem Grunde sind Ihr Dialog und der Erfahrungsaustausch zwischen Vertretern der gesetzgeberischen Gewalten so vieler Länder und Gegenden der Welt ein ermutigendes Hoffnungszeichen. Die Kenntnis und das Verständnis für die Situation anderer Länder oder Regionen der Welt können sich nur positiv auf die Glo- 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN balisierung der Solidarität auswirken. Gleichzeitig kann Ihr Treffen - mit der Hilfe des allmächtigen Gottes - auch ein zusätzliches Mittel zur Förderung einer veränderten Einstellung bei den tieferen Motivationen der politischen Entscheidungen sein, so dass sich die Herzen der Männer und Frauen nicht mehr von einem hedonistischen Lebensstil und von einem egoistischen und maßlosen Konsumdenken einnehmen lassen, sondern nach einer klaren Wahrnehmung ihrer sozialen Verantwortung streben - auch gegenüber ihren ärmsten Brüdern und Schwestern, die in entfernteren und vergessenen Gegenden unseres Planeten leben. Ich bitte den Heiligen Geist, Sie in Ihren Aufgaben zum Wohl der Menschheit zu leiten, und erteile Ihnen, Ihren Angehörigen und Freunden von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Solidarität zwischen Ethik und Recht Ansprache bei der Sonderaudienz für den Verband der Italienischen Katholischen Juristen am 5. Dezember Sehr geehrte Herren! 1. Mit Freude richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an euch alle, die ihr euch anlässlich der jährlichen Studientagung des Verbandes der Italienischen Katholischen Juristen versammelt habt. Besonders begrüße ich euren Vorsitzenden, Prof. Giuseppe Dalla Torre, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Meine Gedanken gehen zu allen Mitgliedern eurer Vereinigung, die an Universitäten und Gerichten - gemäß den Weisungen des Konzils (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7) - die zeitliche Ordnung im christlichen Sinn anregen möchten durch ihr berufliches Engagement in der Gesellschaft und durch die Suche an den rechtswissenschaftlichen Instituten nach allem, was dem Wohl des Menschen und der Gemeinschaft förderlich ist. Unser heutiges Treffen ist von ganz besonderer Art, denn es ist in die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des Verbandes der Italienischen Katholischen Juristen eingefügt: Die Gründung erfolgte nämlich im Jahr 1948 - innerhalb des „Movimento Laureati“ [Vereinigung der Hochschulabsolventen] der Katholischen Aktion - als Ergebnis jener tiefen Gewissenkrise einer ganzen Generation von Juristen angesichts der ideologischen Forderungen der Staatsethik, die sowohl in Italien als auch in ganz Europa die Erfahrung mit dem totalitären Regime prägten. Diese Juristen waren sich der Tatsache bewusst, dass die ausgeklügelten Rechtswerkzeuge, zu deren Erarbeitung auch sie beigetragen hatten, für verwerfliche politische Zielsetzungen und zur Festigung des totalitären Regimes missbraucht wurden. Außerdem hatten sie die tragischen und trügerischen Schlussfolgerungen vor Augen, zu denen eine rein positivistische Auffassung des Rechts führen konnte -bis hin zu den fürchterlichen Missachtungen der Menschenrechte in den Vernichtungslagern und während des verheerenden Zweiten Weltkriegs. 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Mit der Gründung eures Verbandes wollten diese Juristen dem Bedürfnis gerecht werden, die wahrhafte Grundlage des Rechts wiederzufinden und es der Willkür der Politiker und der Logik des Stärkeren zu entziehen. Sie sahen im Naturrecht die solide und echte Grundlage des positiven Rechts und machten diese Überzeugung zum steten Bezugspunkt ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit. In den vergangenen fünfzig Jahren hat sich eure Vereinigung für die Entwicklung der von der italienischen Verfassung aus dem Jahr 1948 geforderten Rechtsordnung eingesetzt, vor allem für die drei grundlegenden Richtlinien, die im ersten Teil enthalten sind: das Persönlichkeitsprinzip, das pluralistische Prinzip auf der Grundlage des Kriteriums der Subsidiarität, das Prinzip der Präexistenz der Rechte der Person und der Gemeinschaften vor jeder Konzession von Seiten des Staates. In Anlehnung an diese Richtlinien haben die Mitglieder eures Verbandes sozusagen die Rolle eines „kritischen Gewissens“ innerhalb der größeren Gemeinschaft aller italienischen Juristen gespielt, sowohl indem sie - jedes mal wenn die Rechtserfahrung die zunehmenden Unterschiede herausstellte - auf die in der Verfassung verankerten Werte hinwies, als auch indem sie in jenen Werten die Lösung zu den neuen, vom wissenschaftlichen und technischen Fortschritt aufgeworfenen Fragen fand. Diese edle Motivation inspirierte auch die unermüdlichen kulturellen Bemühungen der katholischen italienischen Juristen gegen das Ehescheidungsgesetz aus dem Jahr 1970 und das Abtreibungsgesetz aus dem Jahr 1978, sowie ihren wertvoller Beitrag zu den Themen des Umweltschutzes und der Bioethik zu einer Zeit, wo sich die Rechtswissenschaft in Italien noch nicht dafür interessierte. Wie sollten wir uns nicht über den beachtlichen und qualifizierten Fortschritt freuen, den ihr in diesen fünf Jahrzehnten gemacht habt? Wie sollten wir dem Herrn nicht für die Leidenschaft und Kompetenz danken, mit denen der Verband der Italienischen Katholischen Juristen in seiner fünfzigjährigen Geschichte sich angesichts der Evolution der Gesellschaft und der Rechtserfahrung für den Primat der Person und die Frage des Gemeinwohls eingesetzt hat? Das Motto, das ihr für dieses Jubiläum ausgewählt habt „Seit fünfzig Jahren im Einsatz für die Gerechtigkeit des Rechts“ erinnert uns an die stete Treue der gläubigen Juristen zur Ethik, und es drückt euer erneuertes Engagement aus, euch in den Dienst einer Rechtsordnung zu stellen, die sich an den wichtigsten menschlichen und christlichen Werten orientiert. So werdet ihr auch in Zukunft euren Beitrag zur italienischen Gesellschaft und zur Rechtswissenschaft leisten, der immer nützlicher und anerkannt erscheint. 3. Der stete Bezugspunkt eures Verbands war die Bestätigung des Naturrechts, das als grundlegend für eine echte Entfaltung der Personen und der Gesellschaft betrachtet wurde. Dieser Bezug stellt heute einen wichtigen Kontakt zur modernen Rechtslehre her, denn darin findet sich ein universaler Konsens zur Frage der Menschenrechte, der die damaligen Auffassungen der Naturrechtslehre verkörpert. Eine Sorge ist heute allen Juristen gemein: den Menschenrechten zu ihrer vollen Durchsetzung zu verhelfen angesichts der schweren Verletzungen, die trotz aller 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN feierlichen Grundsatzerklärungen in verschiedenen Teilen der Welt festzustellen sind. Dieser Vorsatz läuft allerdings die Gefahr eines nur mäßigen Erfolgs oder der Verwechslung wirklicher Rechte mit subjektiven und egoistischen Ansprüchen, wenn ein breiter und umfassender Konsens über ihre Grundlage fehlt. Daher sind eure Bemühungen um eine gesunde Naturrechtslehre wahrhaft lobenswert und verdienstvoll, denn sie ist die einzige Gewähr für ein sicheres und absolutes Fundament der Menschenrechte. 4. Das Thema eurer diesjährigen Versammlung lautet: „Solidarität zwischen Ethik und Recht“. In der Perspektive des kommenden Jahrtausends habt ihr in der Thematik der Solidarität sozusagen die logische Schlussfolgerung der fünfzigjährigen Betrachtungen eurer Vereinigung über das Naturrecht erkannt. Dieses Thema ist heute wichtiger denn je und eng mit dem des Naturrechts verknüpft: In der Dimension der Solidarität kommt nämlich ein Recht zum Ausdruck, das nicht ein der Willkür unterworfenes Werkzeug in der Hand des Stärkeren, sondern ein sicheres Mittel der Gerechtigkeit ist. Mein Wunsch ist, dass diese Überlegungen, die dazu bestimmt sind, der Forschung der katholischen Juristen als Orientierung zu dienen, auch zur wirksamen Eindämmung individualistischer Auffassungen beitragen, die das positive Recht verzerren und es auf eine reine Äußerung individueller Ansprüche reduzieren, ohne das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und die Verpflichtung zur Solidarität zu berücksichtigen. Mit diesen Wünschen empfehle ich jeden von euch und eure Arbeit dem mütterlichen Schutz der „Sedes Sapientiae“ und bitte um steten göttlichen Beistand. Als Unterpfand der Gnade des Himmels erteile ich euch allen von Herzen den Apostolischen Segen. Aus adventlichem Glauben sichtbare Zeichen für eine hoffnungsvolle Zukunft setzen Predigt am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 1. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus [...] Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,3-4). Die heutige Liturgie führt uns in die Dimension dessen ein, was „vor der Erschaffung der Welt“ war. Auf dieses „vor“ berufen sich noch andere Texte des Neuen Testamentes, darunter auch der wunderbare Prolog des Johannesevangeliums. Vor der Erschaffung erwählt der ewige Vater den Menschen „in“ Christus, seinem ewigen Sohn. Eine Erwählung, die Frucht und Ausdruck der Liebe ist. Durch den ewigen, menschgewordenen Sohn wurde die Schöpfungsordnung für immer mit der Erlösungsordnung, das heißt mit der Ordnung der Gnade, verbun- 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den. Das ist die Bedeutung des heutigen Festes, das in vielsagender Weise im Advent gefeiert wird, der liturgischen Zeit, in der die Kirche sich darauf vorbereitet, am Weihnachtsfest das Kommen des Messias zu feiern. 2. „Die ganze Schöpfung jubelt, und auch Er, der den Himmel in Händen hält, steht der Festfeier nicht fern. Was sich heute ereignet, ist wahrhaft ein Hochfest. Alle kommen zusammen in einem einzigen Gefühl der Freude, alle sind von einem einzigen Empfinden der Schönheit erfüllt: der Schöpfer, alle Geschöpfe und auch die Mutter des Schöpfers, die ihm an unserer Natur, an unseren Versammlungen und an unseren Festen Anteil gegeben hat“ (vgl. Nikolaos Kabasilas, 2. Predigt über die Verkündigung, in: La Madre di Dio, Abbazia di Praglia, 1997). Dieser Text eines alten orientalischen Schriftstellers passt gut zum heutigen Fest. Auf dem Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000, in einer Zeit der Versöhnung und der Freude, bezeichnet das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter einen Abschnitt, der reich ist an wichtigen Hinweisen für unser Leben. Wie wir im Evangelium des hl. Lukas gehört haben, sagte der Bote Gottes zur hl. Jungfrau: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28). Der Gruß des Engels stellt Maria mitten in das Geheimnis Christi hinein: denn in ihr, der „Begnadeten“, vollzieht sich die Menschwerdung des ewigen Sohnes, der das Geschenk Gottes für die ganze Menschheit ist (vgl. Enzyklika Re-demptoris Mater, Nr. 8). Im Kommen des Sohnes Gottes sind alle Menschen gesegnet; der Versucher, der Böse, ist für immer besiegt. Sein Haupt ist zerschmettert, damit niemand traurigerweise von jener Verfluchung mitbetroffen sein sollte, an die die Worte des Buches Genesis uns soeben erinnert haben (Gen 3,14). In Christus - so schreibt der Apostel Paulus an die Epheser - erfüllt uns der himmlische Vater mit allem Segen seines Geistes, erwählt er uns zu wahrer Heiligkeit und macht uns zu seinen Adoptivkindern (vgl. Eph 1,3-5). In Ihm werden wir zum Zeichen der Heiligkeit, der Liebe und der Herrlichkeit Gottes auf Erden. 3. Aus diesen Gründen hat die Katholische Aktion Italiens für ihre Ausbildungswege zum missionarischen Einsatz Maria, die ohne Erbsünde Empfangene, als Königin und besondere Patronin erwählt. Darum seid ihr, liebe Brüder und Schwestern, heute hier beim Sitz des Petrus und nehmt an eurer zehnten Nationalversammlung teil. Seit eurer Gründung sind einhundertdreißig Jahre vergangen, und in diesem Jahr begeht ihr das dreißigjährige Bestehen des neuen Statuts, das die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über die Laien und ihre Sendung in der Kirche in praktische Anweisungen übersetzt. Herzlich begrüße ich den Generalassistenten, Msgr. Agostino Superbo, und den Nationalpräsidenten, Rechtsanwalt Giuseppe Gervasio, und ich danke ihnen beiden für ihre an mich gerichteten Worte. Mein Gruß gilt den ehrwürdigen Kardinalen und den andern Brüdern im Bischofsamt wie auch den zahlreichen Diözesanassis-tenten, die bei dieser Feier anwesend sind. Ich begrüße euch alle, die ihr die große 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schar der eingeschriebenen Mitglieder der Katholischen Aktion jeder Diözese Italiens vertretet. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Eure Sendung wird an der Schwelle des dritten Jahrtausends im Hinblick auf die Neuevangelisierung noch dringender. Ihr seid berufen, in eurem täglichen Wirken eine immer fruchtbarere Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen zu fördern, wie es der christlich ausgerichtete kulturelle Plan verlangt. Für die Kirchen Italiens handelt es sich darum - wie ich schon beim Nationalkongress der italienischen Diözesen in Palermo sagte -, sich erneut um eine echte christliche Spiritualität zu bemühen, damit jeder Getaufte ein Mitwirkender des Heiligen Geistes, des „Hauptagenten der Neuevangelisierung“ (Nr. 2), werden könne. In diesem Rahmen muss sich euer Wirken, d. h. das Wirken der Mitglieder der Katholischen Aktion, nach einigen klaren Richtlinien vollziehen, an die ich hier erinnern möchte: Heranbildung einer im Glauben reifen Laienschaft; Entwicklung und Verbreitung einer gereiften christlichen Gewissenhaftigkeit, die richtungweisend ist bei persönlichen Lebensentscheidungen; Animation der zivilen Gesellschaft und der Kulturen in Zusammenarbeit mit allen, die sich in den Dienst der menschlichen Person stellen. Um nach diesen Richtlinien vorzugehen, muss die Katholische Aktion ihre Eigenart als kirchliche Vereinigung bestätigen, das heißt dem Wachstum der christlichen Gemeinschaft dienen in enger Verbundenheit mit den Bischöfen und Priestern. Dieser Dienst erfordert eine lebendige, aufmerksame und verfügungsbereite Katholische Aktion, um wirksam dazu beizutragen, der missionarischen Spannung Eingang in die gewöhnliche Pastoral zu verschaffen, die Pastoral für die Begegnung und den Dialog mit denen zu öffnen, die, obschon getauft, doch nur in teilweiser Zugehörigkeit zur Kirche leben oder eine gleichgültige, abseits stehende oder manchmal vielleicht feindselige Haltung zeigen. Die Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen trägt in der Tat eine missionarische Dimension in sich, und diese erfordert - im jetzigen kulturellen Umfeld und im täglichen Leben - das Zeugnis und den Dienst der gläubigen Laien, und zwar nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von Vereinigungen im Dienst der Evangelisierung. Gerade wegen der sie kennzeichnenden Eigenart des Wirkens im weltlichen Bereich sind die einzelnen sowie die Vereinigungen berufen, den Weg des Mitteilens und des Dialogs zu gehen, den Weg, auf dem jeden Tag die Verkündigung des Wortes und das Wachstum im Glauben vorankommen. 5. Die erneuerte Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen ist auch der Boden, auf dem die Katholische Aktion als kirchliche Laienvereinigung einen besonderen und bedeutenden Dienst für die Erneuerung der italienischen Gesellschaft, ihrer Gewohnheiten und ihrer Institutionen entfalten kann: die Belebung des Sozialgeflechts im christlichen Geist, des zivilen Lebens und der wirtschaftlichen und politischen Dynamik. Eure reiche Geschichte zeigt, dass die christliche Ermu- 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tigung besonders notwendig ist unter Verhältnissen wie den jetzigen, in denen Italien berufen ist, fundamentale Fragen für die Zukunft des Landes und seiner Jahrtausende alten Kultur in Angriff zu nehmen. Es ist dringend notwendig, nach wirksamen Strategien zu forschen und konkrete Lösungen zustande zu bringen, die stets das Allgemeinwohl und die unveräußerliche Würde der Person im Auge haben. Unter den großen Fragen, zu denen euer Einsatz erforderlich ist, muss erinnert werden an die Aufnahme und die heilige Achtung des Lebens, an den Schutz der Familie, an die Verteidigung der Garantien für Freiheit und Unparteilichkeit in der Ausbildung und der Unterweisung der jungen Generationen und an die tatsächliche Anerkennung des Rechtes auf Arbeit. 6. Damit, liebe Brüder und Schwestern, ist eure Sendung an den Pforten des nun schon nahen dritten Jahrtausends umrissen: So arbeiten, dass Italien nie das strahlende Licht des Evangeliums abhanden kommt, das ihr immer freimütig verkünden und konsequent leben müsst. Nur so seid ihr glaubwürdige Zeugen für die christliche Hoffnung und könnt sie bei allen verbreiten. Maria, die ,3egnadete“, beschütze euch, sie, auf die wir heute schauen, strahlend in der Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes. Christus verkündet das Gesetz der Liebe Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluss der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien am 12. Dezember 1. „...die Liebe Christi drängt uns“: Caritas Christi urget nos (2 Kor 5,14). Diese Worte des Apostels Paulus leiten uns bei der Meditation im Laufe dieser Eucharistiefeier, die die Arbeiten der Sonderversammlung der Bischofssynode für Australien und Ozeanien beschließt. Die Liebe Christi drängte die Apostel zu Beginn der Evangelisierung in alle Teile der Welt. Besonders drängte sie Paulus: Er wird der Völkerapostel genannt, weil er nach seiner Bekehrung das Evangelium Christi in nicht wenige der damals bekannten Länder brachte. Sein Weg für die Evangelisierung führte ihn durch die ganze Mittelmeerregion: von Jerusalem über Griechenland nach Rom, und dann sogar bis nach Spanien. In späterer Zeit haben sich andere Wege aufgetan, und die Sphäre der christlichen Verkündigung erweiterte sich in dem Maße, wie die Boten des Evangeliums in Kontakt mit neuen Ländern kamen. Die Evangelisierung erreichte schrittweise Nordafrika und die europäischen Gegenden nördlich der Alpen, die Völker des Römischen Reiches, die germanischen und dann die slawischen Völker. Mit der Taufe der Rus' begann nicht nur die Evangelisierung des europäischen Ostens, sondern auch - im Laufe der Zeit - die der großen Gebiete jenseits des Kaukasus. Im südlichen Teil Asiens waren schon die Missionare der ersten Generation gewesen, darunter der hl. Thomas, der 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostel von Indien - gemäß einer Tradition, die den christlichen Gemeinschaften jenes großen Landes lieb und teuer ist. Der Papst sagte dann auf Englisch: 2. Die Evangelisierung Australiens und Ozeaniens fand erst später statt, als die großen Seefahrer diesen Teil der Welt, der von Europa am weitesten entfernt ist, erreichten. Mit ihnen kamen auch Missionare in jene Länder: Sie brachten das Evangelium mit und bekräftigten oft dessen göttliche Wahrheit mit ihrem Martyrium. Wir brauchen nur den hl. Peter Chanel unter vielen anderen zu erwähnen. Wir hatten nun Gelegenheit, all das während dieser Wochen der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien neu zu erleben. Wir haben versucht, das gemeinsam zu tun, Bischöfe, Priester, Ordensmänner und -frauen und Laien -, eingedenk der Worte des hl. Paulus: Caritas Christi urget nos. Das Hauptthema; das uns leitete, war: „Jesus Christus und die Völker Ozeaniens: Seinen Weg gehen, Seine Wahrheit verkünden, Sein Leben leben. “ Das Jahr 2000 nähert sich schnell, und vor uns liegt das große Ereignis des Heiligen Jahres. Bald werden wir das Jubeljahr feiern, das den zweitausendsten Jahrestag der Geburt Christi anzeigt und uns an die Ursprünge des Evangeliums und der Kirche erinnert. Mit der Geburt Jesu ist das Mysterium der Dreifaltigkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist in die Menschheitsgeschichte eingegangen, um den Menschen zu einem neuen Geschöpf zu machen in Jesus Christus. In Christus erschien vor der Welt jenes große Gesetz der Liebe, das in der heutigen Liturgie verkündet wurde: das neue Gesetz der Seligpreisungen, von dem wir gerade im Evangelium gehört haben. Während das dritte Jahrtausend also näherrückt - Tertio millennio adveniente -, ist die Kirche zur Pilgerin geworden und bereist die Wege der ganzen Welt. Sie empfindet ein tiefes Bedürfnis, nachzudenken, und möchte gewissermaßen sich selbst auf diesen Wegen wiederfinden, wo das Evangelium gegangen und sogar „gerannt“ ist und durch die Macht des Geistes Christi die Liebe offenbart hat. Die Heilsgeschichte schreitet auch weiterhin auf den Pfaden der Vergangenheit voran. Der Papst ging dann zum Französischen über: 3. Die Synode, die heute zu Ende geht, entspricht genau dieser Zielsetzung - so wie die vorigen Sonderversammlungen für die verschiedenen Erdteile. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Wir halten daran fest und wollen dadurch den künftigen Jahrhunderten und den kommenden Generationen das reiche Erbe der Evangelisierung Ozeaniens weitergeben. Es ist in der Tat nötig, dass diese Völker voll an der Liebe Christi teilhaben, die in vergangenen Zeiten die Boten der Frohbotschaft auf alle Straßen der Welt geführt hat. Dort sind sie neuen Völkern und neuen Nationen begegnet, die ebenfalls berufen waren, Erben des Reiches Gottes zu sein. 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Synodenväter dieser Versammlung für Australien und Ozeanien; ich grüße euch herzlich und danke euch für die geleistete Arbeit, vor allem aber für das Zeugnis der Gemeinschaft, das ihr mir und der ganzen Kirche gegeben habt. Ich danke Kardinal Schotte und seinen Mitarbeitern im Generalsekretariat der Bischofssynode für ihren Dienst an den Teilkirchen. Ihr seid aus Australien, von Neuseeland, von den Inseln des Pazifiks, von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln hierher gekommen und habt die geistigen Reichtümer eurer Völker, aber auch die Probleme, auf die sie stoßen, mitgebracht. Wie könnten wir daher nicht darauf hinweisen, dass sogar in euren Gesellschaften die Religion verschiedenen Drohungen und Isolierungsversuchen ausgesetzt ist? Wie sollten wir nicht herausstellen, dass man sie manchmal auf eine individuelle Erfahrung beschränken möchte, die keinerlei Einfluss auf das Sozialleben haben kann? Ihr habt über die Auswirkungen der Kolonisation und der Einwanderung gesprochen, über die Lebensbedingungen der ethnischen Minderheiten und über die Glaubensprobleme der jungen Menschen. Die Herausforderungen der Moderne und der Säkularisation wurden ebenfalls erörtert; sie erfordern Aufmerksamkeit und pastorale Liebe in verschiedenen Bereichen wie: Berufungen, Gerechtigkeit und Frieden, Familie, kirchliche Gemeinschaft, katholische Erziehung, sakramentales Leben, Ökumenismus und interreligiöser Dialog. Zur italienischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 4. Ihr habt eure Gedanken über das leitende Thema ausgetauscht und wart euch einig: Jesus Christus ist auch für die Völker Ozeaniens der Weg, dem sie folgen sollen, die Wahrheit, die sie verkünden sollen, und das Leben, das sie leben sollen. Auf der ganzen Welt hat die Neuevangelisierung dieses Programm; es wird in großherziger Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist, der das Antlitz der Erde erneuert (vgl. Ps 104,30), in die Tat umgesetzt. Meine Lieben! An jeden von euch ergeht mein Friedensgruß; dem Herrn - der Weg, Wahrheit und Leben ist - empfehle ich die Kirchen in Ozeanien und wende mich an sie mit den Worten des Propheten Jesaja: „Singt dem Herrn ein neues Lied, verkündet seinen Ruhm bis ans Ende der Erde! Es jauchze das Meer und alles, was es erfüllt, die Inseln und ihre Bewohner“ (Jes 42,10). Es begleite euch Maria, die Mutter der Kirche; die Liebe Christi möge euch drängen und allezeit mit euch sein. Amen! 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religiosität - ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt der Universität Predigt bei der heiligen Messe für die Universitätsstudenten am 15. Dezember 1. „Der Herr ist denen nahe, die ihn suchen.“ Die Worte des Antwortpsalms geben genau den Sinn des Advents wieder und unterstreichen jene Haltung, die wir haben müssen, um diese liturgische Zeit in ihrer ganzen Fülle zu leben. Diese Worte sind besonders bedeutungsvoll für alle, die aus Glaubens- und Berufsgründen das Suchen und Forschen zu einer wichtigen Dimension in ihrem Leben gemacht haben. Heute ist dieses Wort in besonderer Weise an euch, geschätzte und liebe Vertreter der römischen und italienischen Universitäten, gerichtet: an die Rektoren, Dozenten und Studenten, die in immer größerer Zahl an diesem mittlerweile zur Tradition gewordenen Adventstreffen in Vorbereitung auf das Weihnachtsfest teilnehmen. Euch alle heiße ich hier herzlich willkommen. Besonders begrüße ich den Minister für das Universitätswesen und für wissenschaftliche Forschungsarbeit sowie alle anderen akademischen Autoritäten. Auch begrüße ich die Vertretung der Verwaltungsdirektoren, die heute zum ersten Mal an dieser Eucharistiefeier teilnehmen, und ich möchte dem Rektor und der Studentin meinen, Dank aussprechen, die vorhin sozusagen als Sprecher der gesamten akademischen Gemeinschaft Roms und Italiens fungiert haben. 2. Unser Treffen findet im Advent statt, dessen Liturgie uns eine tiefe und ansprechende Botschaft bereithält. Angesichts des nahen Herrn „Dominus prope“ (vgl. Phil 4,5) - und angesichts des Königs, dem wir Anbetung schulden - „Regem ven-turum, Dominum, venite adoremus“ (Römisches Brevier) - dürfen wir den großen Fragen des Lebens gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Handelt es sich dabei doch um stets aktuelle Fragen, die den Ursprung und das Ziel des Menschen betreffen. Diese Fragen begleiten uns ständig, ja man könnte sagen, sie koexistieren mit uns. Wer bin ich? Woher komme ich, und wohin gehe ich? Was ist der Sinn meiner Existenz und meines Daseins als menschliches Geschöpf? Warum ist in mir diese immerwährende „Unruhe“, wie es der hl. Augustinus auszudrücken pflegte? Aus welchem Grund muss ich immerzu den Forderungen der Moral entsprechen, das Gute vom Bösen unterscheiden, das Gute tun und das Böse meiden und besiegen? Dies sind Fragen, denen keiner entrinnen kann. Die Heilige Schrift liefert hierzu hinreichende Antworten, angefangen vom Buch Genesis. Und diese Antworten stellen in gewisser Weise den Inhalt der Adventszeit dar, wie sie die Kirche begeht, wenn sie die Vergangenheit aktualisiert und uns in die Zukunft hinein projiziert. „Der Herr ist denen nahe, die ihn suchen“, sagt die heutige Liturgie und eröffnet uns faszinierende Perspektiven. „Nahe“ und „fern“ sind in der Tat Kategorien, die Maßeinheiten, eine zeitliche Distanz in Stunden, Jahren, Jahrhunderten und Jahr- 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tausenden ausdrücken. Im Zusammenhang mit dem Advent sind wir vor allem eingeladen, das Wesen und die tiefere Bedeutung einer solchen Distanz zu betrachten, oder, anders gesagt, wie sie auf Gott verweist. Wie ist es überhaupt möglich, die Gottesnähe oder -ferne zu erfassen? Ist es nicht das „unruhige Herz“ des Menschen, das die spirituelle Dimension der Feme und Nähe zu Gott am präzisesten und angemessensten wiedergibt? 3. All das macht also das menschliche Wesen aus: Sichtbarkeit und Mysterium, Gottesnähe und -ferne, unsteter Besitz und kontinuierliches Suchen. Nur, wenn wir diese innersten Koordinaten des menschlichen Wesens in unsere Betrachtung mit einbeziehen, können wir den Advent als eine Zeit des Wartens auf den Messias verstehen. Wer ist der Messias, der Erlöser der Welt? Warum und worin besteht sein Kommen? Um diese Marschroute einzuschlagen, müssen wir nochmals auf das Buch Genesis Bezug nehmen. Es offenbart uns, dass die Sünde und ihr Eintritt in die Geschichte die Ursache der Entfernung zwischen Gott und dem Menschen ist, wofür die Vertreibung Adams und Evas aus dem irdischen Paradies das beredte Symbol bildet. Gott selbst zeigt uns aber in der Folge, dass die Entfernung des Menschen aufgrund der Sünde nicht unwiderrufbar ist. Im Gegenteil. Er hält den Menschen dazu an, auf den Gesalbten zu warten, auf lenen, der in der Kraft des Heiligen Geistes kommen wird, um dem Fürsten der Lüge gegenüberzutreten. Ausdrücklich verkündet das Buch Genesis, dass dieser der Sohn der Frau ist, und es lädt dazu ein, ihn zu erwarten und sich auf seinen würdigen Empfang vorzubereiten. Die folgenden Bücher des Alten Bundes präzisieren und führen dies weiter aus. Sie sprechen vom Messias, der innerhalb des Volkes Israel, des von Gott unter allen Völkern auserwählten Volkes, geboren werden wird. le näher die , jriille der Zeit“ (vgl. Gal 4,4) rückte, desto mehr erfüllte sich auch allmählich die Erwartung, und man verstand immer mehr deren Sinn und Wert. Mit lohannes, dem Täufer, wird diese Erwartung zur Frage, zu jener Frage, welche die länger des Vorläufers an Christus richten: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten“ (Lk 7,19)? Eben diese Frage sollte ihm noch des öfteren gestellt werden, und wir wissen, dass die Antwort zur Ursache seines Todes wird. Auf diese wunderbare Weise sollte sich die Verheißung erfüllen, die der Menschheit nach dem ersten Sündenfall zuteil wurde. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Die Adventszeit ist uns geschenkt, damit wir uns nochmals den Inhalt dieser Frage zu eigen machen können. Es geht nicht einfach nur darum, die Jünger Johannes des Täufers nachzuahmen oder in die Vergangenheit zurückzukehren, sondern es geht viel mehr darum, intensiv den Fragen und Hoffnungen unserer Tage gerecht zu werden. Die tägliche Erfahrung und die Ereignisse jeder Epoche zeigen, dass die Menschheit und jeder einzelne in ständiger Erwartung des Reiches Gottes sind. Christus kommt uns im Laufe der Geschichte als die erwartete Erfüllung der menschlichen 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ereignisse entgegen. Nur in ihm werden wir, wenn der vergängliche Horizont der Zeit und der mitunter wunderbaren und anziehenden irdischen Wirklichkeiten erreicht ist, die endgültige Antwort auf die Frage nach der Ankunft des Messias finden, die den menschlichen Geist zum Vibrieren bringt. Auch für euch, liebe Studenten und verehrte Dozenten, soll das Warten auf Christus zu einer täglichen Suche nach der Wahrheit werden, welche die Pfade des Lebens in all seinen Ausdrucksformen erleuchtet. Die Wahrheit drängt sodann zur Liebe, dem authentischen Zeugnis, welches das Dasein der Person und die Strukturen der Gesellschaft selbst verwandelt. Die biblische Offenbarung hebt die tiefe und innige Verbindung zwischen Wahrheit und Liebe klar und deutlich hervor, wenn sie dazu aufruft, dass „wir ... uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ wollen (Eph 4,15), und vor allem, wenn Jesus, der den Vater offenbart, sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Den Höhepunkt der Gotteserkenntnis erreicht man in der Liebe, in jener Liebe, die das Herz der Menschen mit der Wahrheit Christi erleuchtet und verwandelt. Der Mensch braucht Liebe, und er braucht auch Wahrheit, um nicht den zerbrechlichen Schatz der Freiheit zu zerstreuen. 5. In der Universität gibt es ein lebendiges Zeichen des Evangeliums, nämlich die Kapelle. Mit Zufriedenheit stelle ich fest, dass immer mehr Kapellen in den verschiedenen Universitätszentren der Stadt entstehen. An sie alle werde ich heute Nachmittag das Kreuz der Stadtmission überreichen. Meine Lieben, schätzt und liebt diese Universitätskapellen, seid stets und gerne zur Zusammenarbeit in den pastoralen Werken bereit, die einen großen und wichtigen Aufgabenbereich darstellen und immer mehr zum Tragen kommen. An dieser Stelle möchte ich gerne meiner hohen Wertschätzung allen Dozenten gegenüber Ausdruck verleihen, die ihre Zeit und Energie der Vorbereitung auf das Jubiläum der Universitätsdozenten widmen, sowie allen jenen, die aktiv an der Vorbereitung auf den Weltjugendtag des Jahres 2000 beteiligt sind. Außerdem ist es auch eine Freude festzustellen, wie viele Kulturgruppen in den verschiedenen Fakultäten im Entstehen begriffen sind. Es wäre mein Wunsch, dass sie alle im Dienst des Wortes Gottes stehen, welches - auf dem Boden selbst der kühnsten Forschung ausgesät - ihn zum Wohl des Menschen fruchtbar werden lässt. Ebenso bete ich, die Initiative der Universitätskatechesen über das Vaterunser, intensiviert in diesem der Mission in den verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen der Stadt gewidmeten Jahr, möge in jedem Glaubenden das Bewusstsein vertiefen helfen, zum Ferment des Evangeliums in der Welt der Universität berufen zu sein. 6. „Regem venturum, Dominum, venite adoremus!“ Die Adventszeit und speziell die Novene vor Weihnachten, die morgen beginnt, regt uns an, den Blick auf den kommenden Herrn zu richten. In eben dieser Sicherheit über seine glorreiche Wiederkunft erhält unser Warten und unsere tägliche Arbeit einen Sinn. 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn wir mit der inneren Haltung Marias, der „Jungfrau des aufmerksamen Hörens“, auf Ihn schauen, bekommt unser oft schwieriger und mühsamer Einsatz Kraft und wird unsere mühevolle Forschung fruchtbar. „Der Herr ist denen nahe, die ihn suchen!“, wiederholt uns die Liturgie in diesen Tagen. Richten wir unseren Blick auf Ihn und rufen zu Ihm: Komm, Herr Jesus! Komm, Erlöser der Menschen! Komm, uns zu retten! „Dominus prope“: Der Herr ist nahe! Kommt, lasst uns anbeten! Amen! Der Baum als Symbol für Leben und Wachstum Ansprache zur offiziellen Übergabe des Weihnachtsbaumes aus Bad Säckingen auf dem Petersplatz (verlesen von Kardinal Ratzinger) am 19. Dezember Verehrter Bruder im Bischofsamt, liebe Schwestern und Brüder! 1. Mit dem Christbaum, den ihr aus eurer Heimat nach Rom gebracht habt, fühlen wir uns alle reich beschenkt. Die Schwarzwaldtanne ist ein Zeichen eurer Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und zugleich ein sprechender Gruß der Kirche von Freiburg an alle, die sich an Weihnachten aus der Stadt Rom und dem ganzen Erdkreis mit dem Zentmm der Christenheit verbinden. Ich danke allen, die sich um dieses Geschenk verdient gemacht haben. Besonders grüße Ich Herrn Weihbischof Wolfgang Kirchgässner, der für Erzbischof Oskar Saier eure Gruppe anführt Ich bitte Sie, ihm meine besten Wünsche für eine baldige vollständige Genesung zu übermitteln. Stellvertretend für die gesamte Delegation möchte ich einige Persönlichkeiten besonders nennen: den Landtagspräsidenten von Baden-Württemberg, den Landrat des Landkreises Waldshut und den Bürgermeister von Bad Säckingen. Ich freue mich, dass ihr die Brücke schlagt zu verschiedenen Ländern Europas: So heiße ich, auch die Vertreter eurer Partnerstädte herzlich willkommen. 2. Wenn ich in den vergangenen Tagen von meinem Arbeitszimmer auf den Petersplatz blickte, dann hat mich der Baum zur geistlichen Betrachtung angeregt. Schon in meiner Heimat hatte ich Bäume sehr gern. Wenn man sie anschaut, fangen sie gleichsam zu sprechen an. Ein Dichter, der unweit eurer Heimat geboren wurde und am Bodensee gelebt hat, sieht in den Bäumen eindringliche Prediger: „Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie verkündigen das Urgesetz des Lebens.“ Im Blühen des Frühlings, in der Reife des Sommers, in den Früchten des Herbstes und im Sterben des Winters erzählt der Baum das Geheimnis des Lebens nach. Daher haben die Menschen von alters her auf das Bild des Baumes zurückgegriffen, um sich mit den Grundfragen des eigenen Lebens auseinander zu setzen. 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Leider ist der Baum in unserer Zeit auch ein beredter Spiegel dafür, wie der Mensch bisweilen mit seiner Umwelt umgeht, die Gottes Schöpfung ist. Sterbende Bäume sind stumme Mahner dafür, dass es Menschen gibt, die offensichtlich weder das Leben noch die Schöpfung als Geschenk achten, sondern sie oft nur nach ihrem Nutzwert schätzen. Erst allmählich scheint die Einsicht zu dämmern, dass dort, wo Bäume verdorren, schließlich auch der Mensch zugrunde geht. 4. Wie die Bäume, so brauchen auch die Menschen Wurzeln, die in die Tiefe greifen. Denn nur wer tief genug in fruchtbarem Boden verwurzelt ist, der steht fest. Er kann sich nach oben ausstrecken, um das Licht der Sonne aufzunehmen, und gleichzeitig den Winden wehren, die ihn umwehen. Wer aber glaubt, auf das Fundament verzichten zu dürfen, dessen Existenz hängt auf Dauer wie Wurzeln ohne Erdreich in der Luft. Die Heilige Schrift nennt uns das Fundament, in das wir unser Leben einwurzeln können, um festen Stand zu haben. Der Apostel Paulus gibt uns den guten Rat: „Bleibt in Jesus Christus verwurzelt und auf ihn gegründet. Haltet in dem Glauben fest, in dem ihr unterrichtet worden seid“ (vgl. Kol 2,7). 5. Der Baum auf dem Petersplatz lenkt meine Gedanken noch in eine andere Richtung: Ihr habt ihn neben die Krippe gestellt und als Christbaum geschmückt. Muss man da nicht an das Paradies denken, an den Baum des Lebens, aber auch an den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen? Mit der Geburt des Sohnes Gottes hat die neue Schöpfung begonnen. Der erste Adam wollte sein wie Gott und aß vom Baum der Erkenntnis. Jesus Christus, der neue Adam, war wie Gott, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich, wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich (vgl. Phil 2,6 f.): von der Geburt bis zum Tod, von der Krippe bis zum Kreuz. Vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. So steht der Baum neben der Krippe und deutet bereits auf das Kreuz, den Lebensbaum. 6. Herr Weihbischof, liebe Schwestern und Brüder! Noch einmal drücke ich euch meine tiefe Dankbarkeit für eure weihnachtliche Gabe aus. Nehmt als Gegengabe die Botschaft des Baumes mit, wie sie der Psalmist in Worte gefasst hat: „Wohl dem Mann, der Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht. Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zu rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen“ (Ps 1,2 f.). Mit diesen Gedanken wünsche ich euch allen sowie euren Angehörigen und Freunden daheim ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest. Alles, was ihr im Neuen Jahr beginnt, möge euch mit Gottes Hilfe gut gelingen. Der Patron eurer Heimat, der hl. Fridolin, sei euch dabei ein mächtiger Fürsprecher. Von Herzen erteile ich euch den Apostolischen Segen. 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine Bilanz des Dankes mit hoffnungsvollen Perspektiven Ansprache beim Empfang für die Mitarbeiter der Römischen Kurie zur Entgegennahme der Weihnachtswünsche am 22. Dezember 1. „Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen! Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Tempel des Herrn“ (Ps 84,2-3). Diese Psalmverse, die wir bei der Vorbereitung auf die hl. Messe rezitieren, können uns gut in die Weihnachtsatmosphäre einführen. Sie rufen uns ja das angstvolle Suchen Marias und Josefs in der Heiligen Nacht nach einer „Wohnung“, einer angemessenen Stätte für die Geburt Jesu, in Erinnerung. Ein fruchtloses Suchen, „weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7). Der Sohn Marias wird in einem Stall zur Welt kommen, während doch auch er, wie es das Recht eines jeden Kindes ist, ein richtiges Haus und ein einladendes Dach hätte haben müssen. Wie viele Empfindungen weckt diese Erwägung! Weihnachten lässt an das Heim der Familie denken, an die familiäre Atmosphäre, in der das Kind als Geschenk und als Quelle großer Freude aufgenommen wird. Traditionsgemäß wird das Weihnachtsfest in der Familie verlebt, zusammen mit lieben Menschen. Es ist Brauch, zu Weihnachten einander Glückwünsche auszutauschen, zu danken und einander um Verzeihung zu bitten in einer Atmosphäre echt christlicher Frömmigkeit. 2. Ich möchte, dass diese Atmosphäre auch das heutige Treffen mit Ihnen kennzeichne, meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, liebe geweihte Männer und Frauen und in der Römischen Kurie tätige Laien. Ich danke dem teuren Kardinal Bemardin Gantin für die herzlichen Worte, die er im Namen Ihrer aller an mich gerichtet hat, die Sie berufen sind, in besonderer Weise am Geheimnis dieses Hauses und dieser Familie, nämlich der Kirche, teilzuhaben. Das II. Vatikanische Ökumenische Konzil hat die Kirche nicht ohne Grund mit einem Haus und einer Familie verglichen. Es hat sie als Haus Gottes definiert, dessen „lebendige Steinen wir sind und worin wir wohnen“ (vgl. Lumen Gentium, Nm. 6 und 18). Es hat sie „Familie Gottes“ genannt (vgl. ebd., Nm. 6.28.32.51), von der wir ein Teil sind. Die Römische Kurie bildet einen bevorzugten Ausdruck dieses „gastfreundlichen Gottes“. Denn hier kehren die Bischöfe aus aller Welt zum Ad-Limina-Besuch oder zu anderen gewöhnlichen oder außergewöhnlichen Zusammenkünften ein, wie es kürzlich anlässlich der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien und der anderen vorausgegangenen kontinentalen Synoden der Fall war. Ja, der Apostolische Stuhl will das Haus der ganzen Kirche sein, ein Haus, in welchem besonders intensiv die Geburt des Sohnes Gottes erwartet wird. 3. „Seht doch, wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen!“ (Ps 133,1). Das bevorstehende Ereignis des Jubiläums muss in der ganzen Kirche, und in besonderer Weise in der Römischen Kurie, eine Atmosphäre der Erwartung und des 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geistlichen Eifers finden. Der dritte und letzte Abschnitt der unmittelbaren Vorbereitung lädt uns 1999 dazu ein, tief hineinzublicken in das Geheimnis von Gott Vater, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab“ (vgl. Joh 3,16). In den vergangenen Jahren sind - dank des hochherzigen Einsatzes des Zentralkomitees, der Dikasterien der Römischen Kurie, der Nationalkomitees und der Diözesangemeinschaften - die Feiern des Jubiläums und seine geistliche Dimension immer deutlicher bestimmt und charakterisiert worden. Diese Arbeit hatte ihren Höhepunkt in der Veröffentlichung der Bulle Incarnatio-nis Mysterium, mit der ich offiziell das Heilige Jahr angesagt habe. Im Hintergrund waren sodann auch Momente der Reflexion von Bedeutung, wie die Symposien über die Shoah und über die Inquisition, die es möglich machten, über einige schmerzliche Tatsachen der Vergangenheit nachzudenken mit dem Ziel, ein immer freimütigeres und konsequenteres kirchliches Zeugnis anzubieten. Ferner sind weitere Initiativen in allen kirchlichen Gemeinschaften der Welt zur Blüte gekommen. In der Diözese Rom zum Beispiel geht die Stadtmission, die sich unter der Führung des Kardinalvikars und der Weihbischöfe vollzieht, mit zahlreichen und bedeutenden apostolischen und missionarischen Früchten voran. Es ist ein geistlicher Eifer, von dem ich hoffe, dass er immer noch mehr zunimmt, damit die Kirche einmütig der Welt Zeugnis für das Evangelium geben und verkündigen kann, dass Christus der einzige Retter der Welt ist, gestern, heute und immer (vgl. Hehr 13,8). 4. „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1). Im Monat Oktober hat der Herr mir die Gnade gewährt, zwanzig Jahre seit meiner Wahl zum Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche zu feiern. Ich danke ihm noch einmal für die Gaben, mit denen er mich überschüttet hat. Bei dieser Jubiläumsfeier fühlte ich mich von der Liebe der ganzen katholischen Kirche umgeben, die mir mit ihrem Gebet und mit zahlreichen Gesten hingebender Anteilnahme sehr nahe war. Neben den Glückwünschen der kirchlichen Gemeinschaft erfreuten mich solche von Vertretern; der anderen religiösen Bekenntnisse, von Staatsoberhäuptern, von Persönlichkeiten aus der Welt der Kultur und der Wirtschaft, wie auch Wünsche von einzelnen Menschen, unter ihnen viele Kinder und alte, kranke und leidende Menschen, Jugendliche und Familien. Ich möchte allen meine lebhafte Dankbarkeit aussprechen. Im Gedanken an die Frage, die Jesus an Petrus richtete: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ (Joh 21,16), bitte ich alle, auch weiterhin zu beten, damit ich jeden Tag mit erneuter Liebe dem Herrn und den Brüdern und Schwestern, die er mir anvertraut hat, dienen kann. 5. „Ich habe mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen“ (vgl. 1 Kor 9,19). Die Sorge für die Universalkirche hat mich auch dieses Jahr zu einigen Apostolischen Reisen veranlasst, wie der Herr Kardinaldekan hervorgehoben hat. Es waren Momente tiefer Bewegung und geistlicher Freude. Vor allem muss ich die sehn-lichst erwartete Reise auf die Insel Kuba erwähnen, wo die Anwesenheit des Nach- 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN folgers Petri so großen Enthusiasmus hervorgerufen und einen vielversprechenden Aufschwung zu geistiger Erneuerung angeregt hat. Und die apostolische Pilgerfahrt nach Nigeria, wo ich die Freude hatte, Pater Cyprian Michael Iwene Tansi selig zu sprechen und ihn als Vorbild für die Evangelisierung und die Versöhnung vorzustellen in eben dem Land, aus dem er stammt und das ihn als unermüdlichen Prediger der Frohen Botschaft und Friedensvermittler sah. Im vergangenen Juni konnte ich mich erneut nach Österreich begeben, um eine Tochter und zwei Söhne dieses Landes selig zu sprechen: Schwester Restituta Kafka, Pater Schwartz und Pater Kern. Und im letzten Teil des Jahres ging ich noch einmal nach Kroatien, wo ich die Freude hatte, der Verehrung der Gläubigen den Seligen Alojzije Stepinac vorzustellen, den heroischen Kardinalerzbischof von Zagreb, der durch die Hingabe seines Lebens die glorreiche Schar der Märtyrer dieses Landes noch vermehrt hat. Gegenüber den unaufhörlichen Schikanen von Seiten des kommunistischen Regimes verstand er es, sich mutig und unbesiegt zu einem Geschenk für Christus und die Brüder zu machen und sich für die Einheit der Kirche zu opfern. Der Göttlichen Vorsehung für die Pilgerreisen dankend, die ich im Jahre 1998 machen konnte, vertraue ich dem Herrn zugleich die weiteren an, die ich mit seiner, Hilfe im kommenden Jahr werde unternehmen können, beginnend mit der Pastoraireise nach Mexiko, wo ich, so Gott will, das Apostolische Schreiben überreichen werde, worin ich die Ergebnisse der Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika zusammengestellt habe. 6. „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (7 Kor 9,16). Das Bewusstsein, stets evangelisieren zu müssen, leitet ständig die Kirche, die berufen ist, zu jeder Zeit Christus, die Wahrheit des Menschen, zu verkünden. Um dieser Anforderung zu entsprechen, habe ich einige wichtige Dokumente veröffentlichen wollen; darunter in erster Linie die Enzyklika Fides et ratio. In ihr wollte ich Vertrauen in das Bemühen des menschlichen Denkens zum Ausdruck bringen und die Zeitgenossen einladen, die Rolle der Vernunft wiederzuentdecken und den Glauben als einen wertvollen Verbündeten auf ihrem Weg zur Wahrheit anzuerkennen. Zeugen für die Wahrheit des Evangeliums sind auch die Seligen und Heiligen, die ich zur Ehre der Altäre erheben durfte. Unter ihnen allen möchte ich an Schwester Teresia Benedicta a Cruce, Edith Stein, erinnern, Jüdin, Philosophin, Nonne, Märtyrerin. In einer Welt, so gequält wie die, in der zu leben uns aufgegeben ist, erhebt sie sich vor uns, um uns aufzufordem, durch die enge Pforte der Unterscheidung und der Annahme des Kreuzes zu gehen und nie die Liebe von der Wahrheit zu trennen, um uns nicht der Gefahr der zerstörerischen Lüge auszusetzen. Ein weiteres kostbares Zeugnis für die Wahrheit haben jene abgelegt - Bischöfe, Priester, geweihte Menschen und Laien -, die im Lauf des Jahres in verschiedenen Ländern Afrikas, Asiens und Amerikas gelitten und manchmal auch mit Blutvergießen ihre Treue zu Christus und der Kirche bezahlt haben. Ich hoffe, dass ihr Op- 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fer die Gläubigen ermutigt und dazu beiträgt, in der Welt eine Atmosphäre echter Freiheit und wahren Friedens herzustellen. 7. „... der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen“ (Mk 10,45). Im Bewusstsein ihrer Sendung nimmt die Kirche Anteil an den Freuden und Hoffnungen der Menschen, um das Werk Christi fortzusetzen, „der in die Welt kam, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen“ (Gaudium et spes, Nr. 3). Dieser brennende apostolische und missionarische Wunsch drängt die Kirche zur Anteilnahme an den Problemen und Dramen der Menschheit in jedem Winkel der Welt Zur achtungsvollen, konkreten Präsenz der Kirche unter den Völkern hat in diesem Jahr die Unterzeichnung von Verträgen zwischen dem Hl. Stuhl und einigen Staaten beigetragen. Mein dankbares Gedenken richtet sich besonders an alle, die sich bemühen, die Zuneigung Gottes zu jedem Menschen durch einen treuen, oft verborgenen und demütigen Dienst greifbar zu machen. Diese bewundernswerte Hingabe wurde noch großzügiger und kam im rechten Augenblick bei leidvollen Naturkatastrophen, die verschiedene Zonen der Erde übertroffen haben. Es sei nur an die vernichtende Auswirkung des Orkans „Mitch“ erinnert, die der Kardinaldekan angedeutet hat. Bei den verschiedenen Anlässen wurden wunderbare Seiten menschlicher und christlicher Solidarität verzeichnet. 8. „Alle sollen eins sein ... damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Die durch die weihnachtlichen Feste hervorgerufene familiäre Atmosphäre, der nahende Beginn des dritten christlichen Jahrtausends und die Dringlichkeit der Neuevangelisierung machen die Aufforderung Christi zur Einheit all derer, die kraft der einen Taufe ihm gehören, immer noch drängender. Zahlreiche ökumenische Begegnungen und Initiativen haben im Lauf dieses Jahres dazu beigetragen, diese Atmosphäre der Aufmerksamkeit, des Dialogs und sachlichen Suchens nach der Einheit zwischen den christlichen Kirchen zu verstärken, eine notwendige Voraussetzung, um einen positiven und fruchtbaren Ökumenis-mus zu verwirklichen. Dankbaren Herzens Gott gegenüber denke ich an die Begegnungen mit den führenden Persönlichkeiten der christlichen Konfessionen bei Gelegenheit der Apostolischen Reisen und an die Teilnahme der Beobachter des Hl. Stuhls an der 8. Versammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Wenn ich mit Freude die ungetrübte Zusammenarbeit feststelle, die zwischen den an Cliristus Glaubenden im Werden ist, dann wünsche und hoffe ich, dass unter dem Antrieb des Großen Jubiläums ein neuer ökumenischer Zeitabschnitt erlebt werden kann. 9. Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofs- und Priesteramt, Mitglieder der Gemeinschaften des geweihten Lebens und liebe Laien-Mitarbeiter, dieser rasche Überblick über die wichtigsten Aspekte der Tätigkeiten des Hl. Stuhls im zu Ende gehenden Jalir - wie er Brauch ist bei diesem jährlichen Treffen - wirft ein Licht auf den täglichen Dienst, den jeder von Ihnen leistet, da- 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit die Frohe Botschaft von der Menschwerdung des göttlichen Wortes jeden Menschen und jeden Winkel der Erde erreicht. Ihre Anwesenheit an der Seite des Bischofs von Rom gestattet es diesem, seine Sendung, der „Felsen“ zu sein, auf dem die Kirche Christi erbaut wird (vgl. Mt 16,18), konkret auszuüben und die Brüder im Glauben zu stärken, zu unterstützen und zu leiten (vgl. Lk 22,31). Darum möchte ich jedem einzelnen danken für die Hochherzigkeit, die Kompetenz und die Diskretion, womit Sie dem Apostolischen, Stuhl dienen. Jedem wünsche ich, sich immer mehr des Dienstes bewusst zu sein, den Sie der Kirche und dem Evangelium leisten, sich innerlich darüber zu freuen und in der täglichen Mühe die Liebe Christi zu entdecken, die, auch dank Ihrer, den Armen, den Gefangenen, den Blinden, den Unterdrückten und allen, die nach Wahrheit und Frieden suchen, die Frohe Botschaft des Heiles bringt (vgl. Lk 4,18). Das heilige Weihnachtsfest finde uns alle, wie Maria, voll Staunen vor Dem, der „Gott gleich war, aber nicht daran festhielt, wie Gott zu sein, sondern sich entäu-ßerte und wie ein Sklave wurde und den Menschen gleich“(vgl. Phil 2,6-7). Das Weihnachtsgeheimnis wecke in jedem die Gesinnung der Demut und Liebe, wie sie im Herzen Christi war, und mache alle würdig, Kinder des einen Vaters zu sein. Mit diesen Wünschen rufe ich auf jeden die Weihnachtsgabe der Freude herab und entbiete auch jedem die besten Wünsche zum Neuen Jahr. Von Herzen erteile ich Ihnen und Ihren Lieben einen besonderen Apostolischen Segen. Frohe Weihnachten! Menschwerdung Gottes ist für die Menschheit der Höhepunkt ihrer Berufung Predigt bei der Christmette am 25. Dezember 1. „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude ... Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lik 2,10-11). In dieser Heiligen Nacht lädt uns die Liturgie ein, voll Freude das große Ereignis der Geburt Jesu in Betlehem zu feiern. Wie wir im Evangelium nach Lukas gehört haben, kam er in einer Familie zur Welt, die arm war an materiellen Gütern, aber reich an Freude. Er wurde in einem Stall geboren, weil in der Herberge kein Platz für ihn war (vgl. Lk 2,7); man legte ihn in eine Krippe, denn es war keine Wiege für ihn da; er kam in völliger Verlassenheit zur Welt; keiner wusste davon. Die Hirten, denen die Engel seine Geburt verkündet hatten, waren die ersten, die ihn aufnahmen und erkannten. Dieses Ereignis birgt ein Geheimnis. Das offenbaren die Chöre der Himmelsboten, die die Geburt Jesu besingen, indem sie „Gott in der Höhe“ verherrlichen und Frieden auf Erden „bei den Menschen seiner Gnade“ (vgl. Lik 2,14) verkünden. Der Lobpreis, der die Jahrhunderte durchzieht, ist zum 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet geworden, das in der Heiligen Nacht aus unzähligen Menschenherzen aufsteigt, die den Sohn Gottes weiterhin aufnehmen. 2. Mysterium: Ereignis und Geheimnis. Ein Mensch wird geboren, der der ewige Sohn des allmächtigen Vaters ist, des Schöpfers des Himmels und der Erde: In diesem einzigartigen Ereignis wird das göttliche Geheimnis offenbar. Im Wort, das Fleisch geworden ist, ereignet sich das Wunder der Menschwerdung Gottes. Das Geheimnis erklärt das Ereignis dieser Geburt: einem Kind huldigten die Hirten im Stall von Betlehem. Es ist „der Retter der Welt“, „der Messias, der Herr“ (vgl. Lk2,ll). Ihre Augen sahen ein neugeborenes Kind, in Windeln gewickelt, das in einer Krippe lag. In diesem „Zeichen“ erkannten sie durch das innere Licht des Glaubens den Messias, den die Propheten angekündigt hatten. 3. Seht den Immanuel, den Gott-mit-uns, der kommt, um die Erde mit Gnade zu erfüllen. Er kommt zur Welt, um die Schöpfung zu verwandeln. Er wird Mensch unter Menschen, damit jeder Mensch in Ihm und durch Ihn von Grund auf erneuert wird. Durch seine Geburt führt er uns alle in den Raum Gottes ein. Denn er schenkt jedem, der bereit ist, sein Geschenk im Glauben anzunehmen, die Möglichkeit, an seinem göttlichen Leben teilzuhaben. Darin liegt die Rettung, von der die Hirten in der Nacht von Betlehem Kunde erhalten: „Heute ist euch der Retter geboren“ (vgl. Lk 2,11). Christi Ankunft unter uns ist der Angelpunkt der Geschichte, die seitdem eine neue Bedeutung bekommen hat. Gott selbst ist es, der gleichsam Geschichte schreibt, indem er sich in sie hineinbegibt. Das Ereignis der Menschwerdung Gottes weitet sich und greift so auf die Menschheitsgeschichte in ihrer ganzen Fülle aus, von der Schöpfung bis zur Parusie. Deshalb singt in der Liturgie die ganze Schöpfung und bricht in Freude aus: In die Hände klatschen sollen die Ströme, jubeln sollen alle Bäume des Waldes, freuen sollen sich die vielen Inseln (vgl. Ps 98,8; 96,12; 97,1). Alle Geschöpfe auf dieser Erde vernehmen diese Botschaft. Im tiefen Schweigen des Alls hallt das kosmische Echo dessen wider, was die, Liturgie der Kirche in den Mund legt: Christus natus est nobis. venite, adoremus! 4. Christus ist uns geboren, kommt, lasset uns anbeten! Ich denke schon an das Weihnachtsfest im kommenden Jahr, wenn ich, so Gott will, durch die Öffnung der Heiligen Pforte den Anfang des Großen Jubiläums setzen werde. Es wird wahrhaftig ein großes Heiliges Jahr werden. Denn es wird in ganz besonderer Weise die zweitausendjährige Wiederkehr der Menschwerdung Gottes begangen, die Ereignis und Geheimnis zugleich ist. Darin hat die Menschheit den Höhepunkt ihrer Berufung erreicht. Gott ist Mensch geworden, um dem Menschen Anteil zu geben an seinem göttlichen Leben. Seht, das ist die Kunde des Heils, die Botschaft der Heiligen Weihnacht! Die Kirche verkündet sie in dieser Nacht auch durch meinen Mund. Die Völker und Nationen der ganzen Erde sollen es vernehmen: Christus natus est nobis - Christus ist uns geboren. Venite adoremus! — Kommt, lasset uns anbeten. 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bethlehem weitet den Blick für das Leben Botschaft vor dem Segen Urbiet Orbi am Weihnachtstag, 25. Dezember 1. „Regem venturum Dominum, venite, adoremus“, „Kommt, laßt uns anbeten unsem Herrn, den König, der da kommen soll.“ Wie oft haben wir diese Worte während des Advents wiederholt und damit die Erwartung der ganzen Menschheit ausgedrückt. Von seinen frühesten Anfängen an auf Zukunft hin angelegt, sehnt sich der Mensch nach Gott, der Fülle des Lebens. Schon immer fleht er um einen Retter, der ihn vom Bösen und vom Tod befreit und sein Verlangen nach Glückseligkeit stillt, das ihm angeboren ist. Schon im Garten von Eden hatte ihm nach dem Sündenfall Gott, der treue und barmherzige Vater, einen Retter angekündigt (vgl. Gen 3,15), der den zerbrochenen Bund wiederherstellen und eine neue Beziehung des Einvernehmens, der Freundschaft und des Friedens aufbauen sollte. 2. Diese frohe Kunde, die den Kindern Abrahams verheißen war, seit sie aus Ägypten heraufgezogen waren (vgl. Ex 3,6-8), fand über die Jahrhunderte hinweg ihren Widerhall im Hoffnungsruf, der über die Lippen der Propheten Israels kam. Immer wieder erinnerten sie die Leute: „Prope estDominus: venite, adoremus.“ „Der Herr ist nahe: Kommt, lasset uns anbeten!“ Kommt, lasst uns Gott anbeten, der diejenigen nicht verlässt, die ihn ehrlichen Herzens suchen und sich darum mühen, sein Gesetz zu halten. Nehmt seine Botschaft auf, die die gebrochenen und mutlosen Herzen aufrichtet. Prope est Dominus: Seiner früheren Verheißung getreu, hat Gott, der Vater, sie jetzt im Geheimnis der Weihnacht erfüllt. <398> <398> Ja, seine Verheißung, die in so vielen Gläubigen zuversichtliche Erwartung genährt hat, sie ist zum Geschenk geworden, zu Betlehem in der Mitte der Heiligen Nacht. Daran hat uns gestern die Liturgie der Messe erinnert: „Hodie scietis quia veniet Dominus, et mane videbitiis gloriam eins. “ „Heute sollt ihr es erfahren: Der Herr kommt, 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und morgen werdet ihr seine Herrlichkeit schauen.“ In dieser Nacht haben wir die Herrlichkeit Gottes gesehen, die durch den Jubelgesang der Engel verkündet wurde; zusammen mit den Hirten, die Wache hielten bei ihrer Herde, haben Wir den Herrn angebetet, den König über das All. Mit den Augen des Glaubens haben auch wir den Messias gesehen, den Friedensfürsten, der in einer Krippe lag, und neben ihm Maria und Josef in stiller Anbetung. 4. Mit den Chören der Engel und der staunenden Hirten vereinen wir uns heute und singen mit Jubel: „ Christus natus est nobis: venite, adoremus. “ „Christus ist uns geboren: Kommt, lasset uns anbeten.“ Seit der Nacht von Betlehem bis auf den heutigen Tag erweckt die Geburt des Herrn Freudengesänge über die Zärtlichkeit Gottes, die in die Herzen der Menschen eingesenkt ist: In allen Sprachen der Welt feiert man das Ereignis höchster Erhabenheit und tiefster Niedrigkeit: den Immanuel, den Gott mit uns in Ewigkeit. Wie viele eindrucksvolle Lieder hat Weihnachten in jedem Volk und jeder Kultur hervorgebracht! Wer kennt die Gefühle nicht, die sie wecken? Ihre Melodien tragen dazu bei, das Geheimnis der Heiligen Nacht neu zu erleben; sie zeigen die Begegnung zwischen dem Evangelium und den Straßen der Menschen. Ja, die Geburt des Herrn ist in die Herzen der Völker eingedrungen, die nach Betlehem schauen und gemeinsam über das Wunder staunen. Auch die Versammlung der Vereinten Nationen hat die keineswegs unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda (vgl. Mt 2,6) einstimmig zum Ort auserkoren, an dem die Feier der Geburt Jesu im Jahr 2000 eine besondere Gelegenheit für Pläne der Hoffnung und des Friedens sein wird. 5. Spürt man nicht den scharfen Kontrast zwischen der Fröhlichkeit der Weihnachtslieder und den großen Schwierigkeiten dieses Augenblicks? Wir kennen ihre besorgniserregenden Auswirkungen auf Grund der Berichte, 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Fernsehen und Zeitungen tagtäglich rund um den Erdball verbreiten: Es sind äußerst traurige Situationen, oft verbunden mit menschlicher Schuld, sogar Bosheit, die mit Bruderhass und sinnloser Gewalt getränkt ist. Das Licht, das von Betlehem ausgeht, rette uns vor der Gefahr zu resignieren angesichts eines so leidvollen und erschütternden Schauspiels. Aus der Botschaft von Weihnachten mögen alle diejenigen Hoffnung schöpfen, die sich um Erleichterung bemühen für die schwierige Situation im Nahen Osten unter Achtung der internationalen Verpflichtungen. Neuen Ansporn durch Weihnachten möge in der Welt der Konsens über dringende und angemessene Maßnahmen erhalten mit dem Ziel, die Produktion und den Handel von Waffen zu stoppen, das menschliche Leben zu schützen, die Todesstrafe abzuschaffen, die Kinder und Jugendlichen von jeder Form von Ausbeutung zu befreien, die blutbefleckten Hände derer aufzuhalten, die für die Genozide und Kriegsverbrechen verantwortlich sind, den Umweltproblemen besonders nach den jüngsten Naturkatastrophen die unerlässliche Aufmerksamkeit zu widmen, die ihnen im Hinblick auf die Bewahrung der Schöpfung und der Menschenwürde zukommt! 6. Die Weihnachtsfreude, die die Geburt des Retters besingt, schenke allen Vertrauen in die Kraft der Wahrheit und geduldige Beharrlichkeit, das Gute zu tun. Für jeden von uns erklingt die göttliche Kunde von Betlehem: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (.Lk 2,10-11). Heute strahlt Urbi et Orbi, über der Stadt Rom und über dem gesamten Erdkreis, das Antlitz Gottes auf: Jesus offenbart ihn uns als den Vater, der uns liebt. 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr alle, die ihr nach dem Sinn des Lebens sucht; ihr, die ihr die Erwartung auf Erlösung, Freiheit und Frieden in eurem Herzen tragt, kommt, um das Kind zu sehen, das aus Maria geboren wurde: Es ist Gott, unser Retter, der einzige, der diesen Namen verdient, der einzige Herr. Kommt, lasset uns anbeten! Kirche und Stadt Rom bereiten sich auf das Große Jubiläum vor Predigt bei Vesper und „Te Deum“ zum Jahresabschluss in der römischen Kirche Sant’Ignazio di Loyola a Campo Marzio am 31. Dezember 1. Die Kirche in Rom und überall auf der Welt versammelt sich heute Abend, um das „Te Deum“ zu singen, während das Jahr 1998 dem Ende zugeht. „Te Deum laudamus: te Dominum confitemur. Te aetemum Patrem omnis terra ve-neratur: Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir. Dir, dem ewigen Vater, huldigt das Erdenrund.“ Wir stehen nun an der Schwelle von 1999, dem Jahr, das uns in das Große Jubiläum hineinführen wird: Es ist dem Vater im Himmel gewidmet, entsprechend dem trinitarischen Rhythmus, der diesen Drei-Jahres-Zeitraum kennzeichnet, der das zwanzigste Jahrhundert und das zweite Jahrtausend abschließt. Der trinitarische Rhythmus, der in das tägliche Leben der Christen eingeschrieben ist, klingt in der Schlussformel jedes liturgischen Gebets mit: „Durch unseren Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes; Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Gott, der Vater, unbeschreibliches Geheimnis, hat sich uns offenbart durch den Sohn, Jesus Christus, für uns geboren, gestorben und auferstanden, und heiligt uns in der Kraft des Heiligen Geistes. An die Heiligste Dreifaltigkeit wenden wir uns im „Te Deum“ mit den ehrwürdigen Worten einer langen Tradition: „Patrem immensae majestatis; venerandum tuum verum et unicum Filium; Sanc-tum quoque Paraclltum Spiritum - [an den] Vater unermeßbarer Majestät; deinen wahren und einzigen Sohn; und den Heiligen Fürsprecher Geist.“ Vater des Lebens und ,der Heiligkeit, Vater unser im Himmel! Vater, den „niemand kennt... nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27). Vater Jesu Christi und unser Vater. 2. Der Bibeltext, den wir soeben gehört haben, erinnert uns daran, dass Gott uns nicht nur, als „die Zeit erfüllt war“, seinen eingeborenen Sohn sandte, sondern auch „den Geist seines Sohnes in unser Herz [sandte], den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,4-7). 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abba, Vater! In diesen Worten, die der Geist im Herzen der Glaubenden weckt, hallt der Ruf Jesu wider, wie ihn die Jünger von seinen Lippen vernommen hatten. Wenn wir ihn zu dem unseren machen, bringen wir uns die Wirklichkeit unserer Annahme an Kindes Statt in Christus, dem ewigen und einzigen Sohn des Vaters, menschgeworden im Schoß Marias, lebendig zu Bewusstsein. Während wir heute Abend vom ausklingenden Jahr 1998 Abschied nehmen, treten wir vor den Vater, um Ihm zu danken für all das Gute, das Er uns in diesen vergangenen zwölf Monaten geschenkt hat. Wir kommen zu Ihm, um für unsere und anderer Menschen Sünden um Vergebung zu bitten und mit zuversichtsvollem Vertrauen zu rufen: „Heiliger Gott; heiliger, starker Gott; heiliger, unsterblicher Gott, erbarme dich unser!“ Und wir sagen ihm: „Gepriesen seist Du, Herr, Vater im Himmel. In Deiner unendlichen Barmherzigkeit hast Du Dich der Armseligkeit des Menschen angenommen und uns Jesus geschenkt, Deinen Sohn, geboren von einer Frau. Er ist unser Retter und Freund, unser Bruder und Erlöser“ (Johannes Paul II., Gebet zum dritten Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum). 3. In diesem Augenblick des Gebets geht mein Gedanke mit besonderer Zuneigung zu den Einwohnern unserer Stadt. Ich vertraue sie dem Herrn an zusammen mit ihren Familien, den Pfarreien, den öffentlichen Einrichtungen. Ich bete besonders für diejenigen, welche, von Schwierigkeiten und Leid bedrückt, es schwer haben, mit Hoffnung ins neue Jahr zu blicken. Allen gilt mein herzlicher Wunsch auf Frieden und Wohlergehen im Jahr 1999, das vor der Türe steht. Weiter möchte ich alle mit Liebe grüßen, die bei diesem geistlichen Anlass zum Jahresende zugegen sind, angefangen beim Kardinalvikar, den Weihbischöfen von Rom und den anderen Bischöfen, die diese Feier mit uns begehen. Ein besonders herzlicher Gruß gilt Pater Kolvenbach, dem General der Gesellschaft Jesu, und den Jesuitenpatres, denen dieses an Erinnerungen und Zeugnissen der Heiligkeit reiche Gotteshaus anvertraut ist. Dem Bürgermeister von Rom und den Mitgliedern der Stadtverwaltung drücke ich aufrichten Dank für ihre Teilnahme und das erneute Geschenk eines Votivkelchs aus, wobei ich mit großer Freude an den Besuch zurückdenke, den der Herr mich Anfang 1998 dem Kapitol abstatten ließ. Mein Gedanke geht weiter zum Präfekten von Rom, der vor wenigen Tagen diese wichtige Verantwortung übernommen hat, zum Präsidenten des Regionalrates von Latium sowie zu allen zivilen, militärischen und religiösen Persönlichkeiten, die sich hier eingefunden haben. 4. Wie sollen wir Gott danken für die reichen Gaben, die er uns im nun zu Ende gehenden Jahr beschert hat? Heute Abend will ich ihm zusammen mit euch vor allem für das danken, was er in unserer Diözesangemeinschaft vollbracht hat. Ich denke hier sofort an die Pfarreibesuche, kostbare und bereichernde Gelegenheiten fruchtbarer pastoraler Begegnungen. Im Lauf dieser zwanzig Jahre habe ich 278 römische Pfarreien besucht; in jeder von ihnen habe ich Eifer im Glauben und in Werken angetroffen dank des Einsatzes der Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Laien, seien es Römer oder aus anderen Teilen Italiens und der Welt Stammende. Sodann danke ich dem Herrn für die Stadtmission, die dieses Jahr vor allem von den Familienbesuchen gekennzeichnet war. Die Missionare haben bei ihren Hausbesuchen eine insgesamt positive Aufnahme erfahren und konnten auch bei denen, die nicht regelmäßig in die Kirche gehen, bedeutsame Glaubensbezeugungen feststellen. Ich möchte wünschen, dass solche pastoralen Kontakte zu jeder Familie fortgesetzt werden, sei es anlässlich der Haussegnungen oder durch andere geeignete Initiativen, wie sie in nicht wenigen römischen Pfarreien bereits mit Erfolg erprobt wurden. Heute Abend will ich dem Herrn insbesondere danken für die Tausende von Missionaren, die schon seit zwei Jahren am Werk - ein Hilfsmittel der Vorsehung darstellen, um der diözesanen Pastoral einen wachsenden apostolischen Impuls zu vermitteln auch im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. In einem Jahr werden wir bereits im Heiligen Jahr sein, und aus allen Ecken der Erde werden zahlreiche Pilger einzutreffen beginnen. Ich wünsche mir von Herzen, dass sie von einer lebendigen und an religiösem Engagement reichen Kirche empfangen werden; einer weitherzigen und für die Nöte der Brüder - besonders der ärmsten und bedürftigsten unter ihnen - aufgeschlossenen Kirche. 5. Wenn ich auf das abgelaufene Jahr zurückblicke, kann ich nicht umhin, auf die Härten und Probleme hinzuweisen, die auch in Rom das Dasein vieler unserer Brüder und Schwestern geprägt haben. Ich denke an die Familien, die nur mit Schwierigkeiten für ihre täglichen Ausgaben aufkommen können; an die Minderjährigen in Schwierigkeiten und die Jugendlichen ohne Zukunftsaussichten; an die Kranken, die Alten und die in Einsamkeit Lebenden; an die in einem Zustand der Verwahrlosung Befindlichen, an die Obdachlosen und die, welche sich von der Gesellschaft verstoßen fühlen. Möge ihnen das neue Jahr Trost und Hoffnung bringen. Durch breitangelegte Zusammenarbeit und soziale, wirtschaftliche und politische Anweisungen, die für Initiativen und Veränderungen offener sind, wird es in der Stadt zur Förderung von zunehmend von Vertrauen und Kreativität gekennzeichneten Haltungen kommen. In besonderer Weise möchte ich erneut die Gläubigen einladen, ihre Anstrengungen der Reflexion und Planung fortzusetzen, damit Rom, „sich seines spirituellen und zivilen Auftrags bewußt und sein Erbe an Menschlichkeit, Kultur und Glauben fruchtbar machend, die zivile und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt fördere auch zum Wohl der ganzen italienischen Nation“ (vgl. Leaera sul Vangelo del la-voro [Brief an die Diözese Rom über das Evangelium von der Arbeit], 8. Dezember 1998; Nr. 8). Es ist mein Wunsch, dass unsere „Metropole“, grundlegend in allen Dimensionen des gesellschaftlichen und geistlichen Lebens erneuert, sich der Begegnung mit dem Jubiläum stellen kann. 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Dieser mein Wunsch wird zum Gebet, dass der Herr die Anstrengungen aller fruchtbar werden lasse. Ihm vertrauen wir all unsere Wünsche und Pläne an. Ihm gilt unser Lobpreis und unser kindliches, zuversichtsvolles Gebet: „Dir, dem Vater des Lebens, dem Anfang ohne Beginn, der höchsten Güte und dem ewigen Licht, mit dem Sohn und dem Heiligen Geist, sei Ehre und Preis, Lob und Dank in alle Ewigkeit. Amen“ (Johannes Paul II., Gebet zum dritten Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum). 896 IV. Ad-Limina-Be suche AD-LIMINA-BESUCHE Auftrag und Dienst der Bischöfe in säkularer Gesellschaft •Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Australien am 14. Dezember Verehrter Kardinal Clancy, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Herzlich begrüße ich euch, die Bischöfe von Australien, mit den Worten des Apostels Petrus: „Friede sei mit euch allen, die ihr in (der Gemeinschaft mit) Christus seid“ (1 Petr 5,14). Euer Ad-limina-Besuch findet zur selben Zeit wie die Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien statt, bei der ihr - inmitten der Freuden und Sorgen eures priesterlichen Amtes - das „Colloquium fratemita-tis“ [mitbrüderliches Gespräch] mit euren Brüdern im Bischofsamt aus Neuseeland, Papua-Neuguinea, den Salomoninseln und der ganzen Region des Pazifischen Ozeans aufgenommen habt über die zentrale Bedeutung Christi als Weg, Wahrheit und Leben der Völker eures Kontinents. Vertreter eurer Konferenz haben darüber hinaus die Leiter verschiedener Dikasterien des Hl. Stuhls besucht, um mannigfaltige Aspekte eures Amtes in der besonderen Situation der Kirche in eurem Land zu erörtern. Ich möchte euch dazu ermutigen, euer Augenmerk auf die tiefverwurzelten Stärken der katholischen Gemeinschaft Australiens zu richten, die auch inmitten von oft beunruhigenden Veränderungen auf das Wort Gottes hört und reiche Früchte der Heiligkeit und des Dienstes für das Evangelium bringt. 2. Eure Treffen mit einigen Kongregationen der Römischen Kurie kreisten um Fragen des Lehramts und der Sittlichkeit; sie betrafen die Liturgie, die Rolle des Bischofs, Evangelisierung und Mission, Priestertum und Ordensleben sowie das katholische Erziehungswesen. Eure eigene, persönliche Verantwortung als Bischöfe ist in jedem dieser Bereiche absolut wesentlich, und daher wird dies das Grundthema meiner kurzen Betrachtungen sein. Die Persönlichkeit des Diözesan-bischofs ist aus dem II. Vatikanischen Konzil mit größerer Ausdruckskraft und Klarheit hervorgegangen. Zusammen mit euren bischöflichen Mitbrüdem und in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri wurde euch durch den Heiligen Geist die Aufgabe übertragen, für die Kirche Gottes zu sorgen, für die Braut, die durch das Blut des einzigen Sohnes Gottes, unseres Herrn Jesus Christus, erworben wurde (vgl. Apg 20,28). Die Bischöfe sind „sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“, so wie der Nachfolger Petri „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit“ aller Bischöfe und - mit ihnen - der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen ist. Da die von den Einzelbischöfen geleiteten Ortskirchen einen Anteil des der pastoralen Führung der Bischöfe anvertrauten Gottesvolkes darstellen, sind sie in sich selbst noch nicht vollständig, denn sie existieren in und durch die Gemeinschaft mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Aus diesem Grund müssen alle Bischöfe „die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen“ (vgl. Lumen Gentium, 899 AD-UMINA-BESUCHE Nr. 23). Jeder einzelne Bischof ist demnach aufgerufen, seine volle Verantwortung zu übernehmen und allem, was dem von uns empfangenen Glauben schaden könnte (vgl. 1 Kor 4,7), resolut entgegenzutreten. Damit sein Amt der Heiligung, Lehre und Leitung auch tatsächlich wirksam sein kann, ist ein untadeliger Lebenswandel des Bischofs unentbehrlich: Er muss sichtlich nach Heiligkeit streben und sich selbst von ganzem Herzen und ohne zu zögern in den Dienst des Evangeliums stellen. 3. Bis vor kurzem war die katholische Gemeinschaft Australiens in stetem Wachstum begriffen. Ihr habt die außergewöhnliche Geschichte einer großen Institution, die trotz begrenzter Ressourcen in kurzer Zeit aufgebaut wurde. Es entstanden Diözesen, Gemeinden, Ordensgemeinschaften, Schulen, Seminare und Organisationen aller Art - als Zeugnis für die Stärke des katholischen Glaubens in eurem Land und für die unermessliche Großherzigkeit derer, die ihn dorthin gebracht hatten. Jetzt mag es scheinen, dass dieser Schwung nachgelassen hat, und die Kirche in Australien steht einer komplexen Situation gegenüber, die sorgfältige Unterscheidung seitens der Bischöfe und eine vertrauensvolle und engagierte Antwort seitens aller Katholiken erfordert. Die Frage, die all dem zugrunde liegt, betrifft die Beziehung zwischen Kirche und Welt. Diese Frage war für das II. Vatikanische Konzil und ist heute - über dreißig Jahre später - für das Leben der Kirche von wesentlicher Bedeutung. Von unserer Antwort auf diese Frage hängt auch unsere Antwort auf eine ganze Reihe weiterer wichtiger und praktischer Fragen ab. Die fortgeschrittene Säkularisierung der Gesellschaft zieht die Neigung nach sich, die Grenzen zwischen Kirche und Welt zu verwischen. Gewissen Ansichten der vorherrschenden Kultur ist es gegeben, die christliche Gemeinschaft auf eine Art zu beeinflussen, die das Evangelium nicht zulässt. Manchmal besteht sogar eine Unwilligkeit, kulturelle Annahmen so in Frage zu stellen, wie das Evangelium es verlangt. Das geht oft Hand in Hand mit einer unkritischen Einstellung in bezug auf das Problem des sittlich Schlechten, und die Realität der Sünde sowie das Bedürfnis nach Vergebung werden nur widerstrebend anerkannt. Diese Haltung macht sich eine allzu optimistische Anschauung der Moderne zu eigen, gepaart mit einem gewissen Unbehagen gegenüber dem Kreuz und seinen Auswirkungen auf das christliche Leben. Die Vergangenheit wird allzu leicht in den Hintergrund gedrängt, und das Horizontale wird so sehr betont, dass der Sinn für das Übernatürliche geschwächt wird. Ein überzogener Respekt vor dem Pluralismus führt zu einem Relativismus, der die vom Glauben gelehrten und für den menschlichen Verstand zugänglichen Wahrheiten in Frage stellt; dies wiederum führt zu Verwirrung darüber, was wahre Freiheit ausmacht. All das verursacht Unsicherheit über den unverwechselbaren Beitrag, den die Kirche in der Welt zu leisten berufen ist. In seinen Ansprachen über den Dialog der Kirche mit der Welt verwendete Papst Paul VI. den Begriff „colloquium salutis“ [Dialog zum Heil]; also nicht einfach Dialog um seiner selbst willen, sondern ein Dialog, der seinen Ursprung in der 900 AD-L1MINA-BESUCHE Wahrheit hat und die befreiende und rettende Wahrheit zu vermitteln sucht. Das „colloquium salutis“ erfordert, dass die Kirche anders ist - eben um des Dialogs willen. Die unerschöpfliche Quelle dieser Andersartigkeit ist die Kraft des Ostergeheimnisses, das wir verkünden und mitteilen. Im österlichen Geheimnis entdecken wir die absolute und allgemeingültige Wahrheit - die Wahrheit über Gott und über den Menschen -, die der Kirche anvertraut wurde und die sie den Männern und Frauen aller Zeiten anbietet. Wir Bischöfe dürfen nie das Vertrauen in die von uns empfangene Bemfung verlieren: eine Berufung zur bescheidenen und beharrlichen „diakonia“ dieser Wahrheit. Der apostolische Glauben und die apostolische Sendung, die wir erhalten haben, erlegen uns die feierliche Pflicht auf, diese Wahrheit auf allen Ebenen unseres Amtes zu verkünden. 4. Als „Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums“ (Lumen Gentium, Nr. 26) findet der bischöfliche Dienst für die Wahrheit seine spezifische und vorrangige Anwendung im liturgischen Leben seiner Diözese. Er muss alles Notwendige tun, um sicherzustellen, dass die Liturgie, worin sich das Werk unserer Erlösung vollzieht (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 2), ihrem innersten Wesen treu bleibt: Lob und Huldigung dem ewigen Vater (vgl. ebd., Nr. 7). Der Bischof muss besonders für eine fundierte Ausbildung in liturgischer Theologie und Spiritualität an Priesterseminaren und ähnlichen Einrichtungen sorgen. Außerdem muss er sich um die Bereitstellung der Ressourcen bemühen, die seine Diözese benötigt, in Form von speziell ausgebildeten Priestern, Diakonen und Laien, funktionstüchtigen Kommissionen und Arbeitsgruppen für die Förderung der Liturgie und liturgischer Musik und Kunst und für den Bau und die Instandhaltung von Kirchen, die in ihrer Anlage und Ausstattung eine enge Anlehnung an die eigentlichen Werte der katholischen Tradition zeigen. Es müssen auch hier - sowohl im Klerus als auch unter den Laien - angemessene Mittel verfügbar sein für eine ständige Weiterbildung und für eine dauernde Katechese bezüglich der tieferen Bedeutung der verschiedenen liturgischen Handlungen. In vielen Fällen mag es hilfreich sein, die Ressourcen mit den Nachbardiözesen oder auch auf nationaler Ebene zusammenzulegen. Allerdings sollten solche Maßnahmen den Auftrag des Bischofs zur Organisation, Fördemng und Überwachung des liturgischen Lebens seiner Teilkirche nicht schmälern (vgl. Vicesimus quintus annus, Nr. 21). Da das Messopfer „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11), ermutige ich euch, Priester und Laien in gleicher Weise zu erheblichen Opfern zu ermahnen, um die Sonntagsmesse anzubieten und zu besuchen. Frühere Generationen von Katholiken in Australien bewiesen die Tiefe ihres Glaubens durch ihre hohe Achtung gegenüber der Eucharistie und den anderen Sakramenten. Dieser Geist ist ein wesentlicher Teil des katholischen Lebens, ein Teil unserer spirituellen Tradition, der neu bekräftigt werden muss. 5. Bei der Vorbereitung und Durchführung des nahen Großen Jubeljahres als eine Zeit der Bekehrung und Versöhnung ist auch reichlich Spielraum für bedeutende 901 AD-L1MINA-BESIJ CHE katechetische Anstrengungen bezüglich des Bußsakraments. Heute ist es möglich und geboten, gewisse oberflächliche Anwendungsweisen der Humanwissenschaften im Hinblick auf die Formung der Gewissen zu überwinden. Die Kirche in Australien sollte die Katholiken zu einer neuerlichen Begegnung mit dem rettenden Geheimnis der Liebe und Gnade des Vaters einladen - durch jene einzigartig tiefgehende und umwandelnde Erfahrung des Menschen, nämlich die individuelle, vollständige Beichte und Lossprechung. Der Katechismus der Katholischen Kirche weist darauf hin, dass dies „nach wie vor der einzige ordentliche Weg der Versöhnung der Gläubigen mit Gott und der Kirche“ ist (vgl. Nr. 1484). Die persönliche Natur von Sünde, Reue, Vergebung und Versöhnung ist der Grund, weshalb der Zweite Bußritus das Sündenbekenntnis des einzelnen und individuelle Absolution fordert. Aus demselben Grund sind allgemeine Beichte und Lossprechung nur in schweren Notlagen zulässig, die von den liturgischen und kanonisti-schen Normen eindeutig definiert sind. Als Hauptverantwortliche für das Leben und die Disziplin der Kirche wisst ihr den Gläubigen die theologischen, seelsorgerischen und anthropologischen Begründungen klarzumachen für die Praxis der Kirche, Kinder, die zum Vemunftgebrauch gelangt sind, zum Bußsakrament zuzulassen, bevor sie die Erstkommunion empfangen (vgl. CIC, can. 914). Es geht dabei um die Achtung vor der Integrität ihrer persönlichen, individuellen Beziehung zu Gott. 6. Wie die gegenwärtige Synode wiederholt bestätigt hat, besteht eine direkte Verbindung zwischen dem Amt des Bischofs und der Situation der Priesterschaft in seiner Diözese, sowohl bezüglich der Anwerbung geeigneter Priesteramtskandidaten als auch im Hinblick auf die Ausübung des priesterlichen Auftrags. Ihr berichtet über einen Rückgang in der Zahl jener, die dem Aufruf Gottes zum Priesteramt und zum Ordensleben folgen, über die abnehmende Zahl der im aktiven Kirchendienst Tätigen und über das zunehmende Alter derer, die gegenwärtig in der Kirche ihren Dienst leisten. Auf dieses pastorale Problem habt ihr richtigerweise mit Gebet und mit verschiedenen Programmen zur Berufungsförderung reagiert. Die Tatsache, dass der Mangel an Berufungen nicht überall in gleichem Maße spürbar ist, ist eher ein Anzeichen dafür, dass das Ideal des Engagements, des Dienstes und der bedingungslosen Selbsthingabe um Jesu Christi willen immer noch viele Herzen anspricht, vor allem dort, wo die jungen Leute Priestern begegnen, die die Liebe des Guten Hirten, der sein Leben für seine Schafe hingibt (vgl. Joh 10,11; Pastores dabo vobis, Nr. 40), so radikal wie möglich leben. Heute zeigt die jüngere Katholikengeneration eine beachtliche Fähigkeit, auf den Aufruf zu einem selbstlosen und anspruchsvollen geistlichen Leben zu reagieren, gerade weil die jungen Menschen so rasch einsehen, dass die vorherrschende, ich-bezo-gene Kultur nicht in der Lage ist, die tieferen Bedürfnisse des menschlichen Herzens zu befriedigen. Sie möchten auf dieser Suche geleitet werden; sie brauchen echte Zeugen für die Botschaft des Evangeliums. 902 AD-LIMINA-BES UCHE Die Abnahme der Zahl der Priester im aktiven Dienst wird auf vielerlei Weise durch eine verstärkte Teilnahme der Laien im Rahmen der Gemeinde wettgemacht. Oft arbeiten Laien - Männer und Frauen - bei liturgischen Gelegenheiten, in der Katechese, in der materiellen Verwaltung der Gemeinde und bei ihren Bemühungen, durch ihre eigenen Werke des Apostolats auch andere der Kirche zuzuführen, eng mit ihren Pfarrern zusammen (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Es obliegt dem Bischof, diese Zusammenarbeit angemessen zu organisieren und vor allem darauf zu achten, dass der Gemeindepriester nicht einfach als ein Amtsträger unter vielen aufgefasst wird, der zwar eine besondere Verantwortung für die Sakramente trägt, dessen Unterweisungspflicht und Leitung aber durch den Willen der Mehrheit oder einer lautstarken Minderheit beschränkt wird. Der australische Sinn für Gleichheit darf nicht als Vorwand benutzt werden, um dem Pfarrer die Autorität und die Pflichten abzuerkennen, die zu seinem Amt gehören, denn dann würde der Eindruck erweckt, als sei der priesterliche Dienst für die örtliche Kirchengemeinde weniger wesentlich. Jeder Bischof versteht, wie wichtig es ist, seinen Priestern nahe zu sein, ein Vater für sie zu sein, sie zu bestärken und - wenn nötig - zurechtzuweisen. In einem von subjektivem Denken und sittlichem Relativismus beherrschten kulturellen Umfeld muss die Weitergabe des Glaubens und die Darstellung der kirchlichen Lehre und Disziplin der Bereich sein, um den sich die Nachfolger der Apostel besonders bemühen. Leider stößt das Lehramt der Kirche zuweilen auf Vorbehalte und Bedenken; diese Tendenz wird manchmal sogar angefacht von einem davon abweichenden Interesse der Medien oder in einigen Fällen auch von der Absicht, die Medien in einer Weise von Verschlagenheit zu nutzen, um die Kirche zu Veränderungen zu zwingen, die sie nicht vollziehen kann. Aufgabe der Bischöfe ist nicht, Auseinandersetzungen zu gewinnen, sondern Seelen für Christus zu gewinnen; sich nicht auf ideologische Streitereien, sondern auf einen spirituellen Kampf für die Wahrheit einzulassen; sich nicht um Rechtfertigung oder Werbung für sich selbst, sondern um die Verkündung und Verbreitung des Evangeliums zu bemühen. 7. Es besteht ein großes Bedürfnis, die Wahrheit klar und mit Liebe auszusprechen; das muss vertrauensvoll getan werden, denn die von uns verkündete Wahrheit gehört Christus. Sie ist eigentlich die Wahrheit, nach der sich alle Menschen sehnen, wie uninteressiert oder widerstrebend sie auch erscheinen mögen. Unser „colloquium salutis“ kann nur dann zu guten Ergebnissen führen, wenn der Heilige Geist durch unser Wesen atmet und zu unserer Stimme wird. Lasst uns also in dieser Zeit der Gemeinschaft den Heiligen Geist anrufen: ,(Zunächst ist sein Erscheinen milde“, wie der hl. Kyrill von Jerusalem sagt. „Gar leicht ist seine Last [...] Er kommt, um zu erlösen, zu heilen, zu lehren, zu mahnen, zu kräftigen, zu trösten, zu erleuchten“ (Katechesen, XVI, 16; in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 41, München/Kempten 1922, S. 297)). Eurem Gebet und eurer Betrachtung, eurer Verantwortung und Aktion empfehle ich eindringlich das Dokument, in dem eure Treffen mit den verschiedenen Dikasterien des Hl. Stuhls zusammengefasst 903 AD-LIMINA-BES UCHE sind. Wir sind uns alle wohl bewusst, dass die dreifache Aufgabe des Bischofs, zu lehren, heiligen und leiten, schwierig und oft mühsam ist und dass sie Leiden und das Kreuz mit sich bringt. Das Dokument selbst stellt allerdings fest: „Im Geheimnis des Kreuzes erlernen wir eine Weisheit, die unsere eigene Schwachheit und unsere Beschränkungen übersteigt: Wir lernen, daß Wahrheit und Liebe in Christus eins sind, und in ihm finden wir den Sinn unserer Berufung“ (vgl. Nr. 17). Es ist vor allem die Mutter des Erlösers, die uns in ihrem geisterfüllten „Magnifi-kat“ zum Lob Gottes führt; er hat uns „aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen“ (7 Petr 2,9). Maria, Hilfe der Christen, wache über euer Land und euer Volk. Als Unterpfand der Gnade und des Friedens in ihm, der immer „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6), erteile ich euch und den Priestern, Ordensleuten und Laien, die in Australien leben, gerne meinen Apostolischen Segen. Bedeutung der Laien- und Familienbildung für den Aufbau von Kirche und Gesellschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Bulgarien am 7. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch zum zweiten Mal nach den stattgehabten Veränderungen in eurem Land und in ganz Osteuropa. Ihr seid zu eurem Ad-li-mina-Besuch nach Rom gekommen und bringt damit eure Verbundenheit mit dem Nachfolger des Petrus greifbar zum Ausdruck. Ich danke eurem Vorsitzenden für seine an mich gerichteten Worte. In den letzten Jahren war es euer Bestreben, eure Gemeinden zum Wohl der Gläubigen und der ganzen Kirche mit den notwendigen materiellen und pastoralen Strukturen auszustatten. Ich danke euch für diesen Einsatz und für eure zahlreichen Bemühungen, die - dessen bin ich sicher - Früchte zu tragen beginnen und in Zukunft noch mehr tragen werden. Dort, wo die christliche Präsenz zutage kommt und dank der unbedingt notwendigen Freiheit der Menschen und der Völker wieder neu zutage kommt, verstärkt sich die Hoffnung der Gläubigen. Sie fühlen sich immer mehr dazu motiviert, Tag für Tag die kirchliche Gemeinschaft aufzubauen und gleichzeitig, von der Gnade des Heiligen Geistes angeregt, sich am sozialen Leben zu beteiligen. 2. Durch euch möchte ich die Priester, Ordensleute und Laien ermutigen, dass sie nicht aufhören, ihre Energien für den Dienst des Evangeliums einzusetzen. Ich freue mich über die zunehmende Zahl der Gläubigen; sie ist ein Zeichen für die Lebendigkeit eurer Gemeinden. Damit sie in ihrem täglichen Leben Zeugen Christi sein können, empfinden sie die Notwendigkeit, öfter die Sakramente zu empfangen und aktiver an der Sonntagsliturgie teilzunehmen. In dieser tiefen Ver- 904 AD-LIM1NA-BES UCHE bundenheit mit Christus finden sie die Kraft und den Eifer, ihre Taufberufung im persönlichen Leben, im Leben der Familie und der Gesellschaft zu verwirklichen. Insbesondere ist es wichtig, dass sie unterstützt werden, damit sie sich mit den Problemen in der zivilen Gesellschaft, die noch von der Zeit der totalitären Ideologien her gezeichnet und im Bewusstsein belastet ist, auseinandersetzen und ihren eigenen Beitrag zu deren moralischem Aufbau und zum staatlichen Leben im Geist brüderlicher Zusammenarbeit mit all ihren Mitbürgern leisten können. Ein ernsthaftes Studium der Soziallehre der Kirche wird für sie eine wertvolle Hilfe sein. 3. Ich freue mich mit euch über die ersten Früchte eurer Pastoralbeschlüsse, und ich danke für die Hirten und die Gläubigen, die in der Prüfung, im Dunkel der Verfolgung und in langen Leidenszeiten den Glauben bewahrt und einen gerechten Kampf geführt haben. Mögen ihr Zeugnis und die Hingabe ihres Lebens im Martyrium Same der Frohen Botschaft und Beispiel für unsere Zeitgenossen sein! Einer dieser Zeugen, ein Symbol für alle, ist der Martyrerbischof Evgenij Bossil-kov, den seligzusprechen ich am vergangenen 15. März die Freude hatte. In einem gegen Ende 1948/Anfang 1949 geschriebenen Brief beteuerte er: „Die Spuren unseres Blutes werden den Weg in eine leuchtende Zukunft öffnen, und wenn wir es auch nicht mehr sehen, so werden andere ernten, was wir im Leiden gesät haben.“ Dieser Schatz wurde den Händen der Hirten und der Gläubigen Bulgariens übergeben, damit sie Sorge dafür tragen und ihn dem Volk vorstellen als einen Weg der Freiheit und des Lebens. Die Seligsprechung von Bischof Bossilkov war für eure Gemeinden zu Recht ein Erlebnis tiefer Freude: Für eine Ortskirche bildet die Erhebung eines ihrer Söhne zur Ehre der Altäre eine Anerkennung ihrer Treue zu Christus und zum Sitz des Petrus. Die Heiligen und die Glaubenszeugen lehren uns, dass der Weg zum Siege Gottes im Leben des Menschen in der Bereitschaft zum Zusammenwirken mit der Gnade Gottes besteht, denn Gott ist es, „der wachsen läßt“ (1 Kor 3,7). Dieses Zusammenwirken eben ist der Weg des geistlichen Lebens, und es ist ein entscheidendes Element für das Christenleben in der Zeit, in der wir uns auf das Große Jubiläum vorbereiten. Die persönliche Bekehrung und die Rückkehr zu Gott sind unerlässliche Bedingungen für die Umwandlung der Herzen und der zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen, um eine Zeit der Gerechtigkeit und des Friedens herbeizuführen. „Alles wird das vorrangige Ziel des Jubeljahres nämlich die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen, anstreben müssen. Damit dieses Zeugnis wirksam ist, muss in jedem Gläubigen eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit geweckt werden, ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einem Klima immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besonders des am meisten Bedürftigen“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Ich hege den Wunsch, das dritte Jahrtausend möge dank der Bemühungen aller Menschen guten Willens das Jahrtausend der Freiheit in der Wahrheit sein, denn nur die Wahrheit macht uns wirklich 905 AD-LIMINA -BES UCHE frei und lässt uns den Weg zu dem Glück einschlagen, nach dem wir uns sehnen. „Wahrheit und Freiheit verbinden sich entweder miteinander, oder sie gehen gemeinsam elend zugrunde“, wie ich kürzlich in der Enzyklika Fides et ratio (Nr. 90) geschrieben habe. Christus, der Herr, ist der Weg; er heilt unsere inneren und äußeren Wunden und stellt in uns das Abbild Gottes wieder her, das wir durch die Sünde verdunkelt haben. 4. Zu den vorrangigen Aufgaben der kirchlichen Gemeinschaft gehört die Aufmerksamkeit gegenüber der Familie. Die Ehe ist die grundlegende Institution der Gesellschaft und der Kirche. Es ist wichtig, die junge Generation zu der Erkenntnis zu führen, dass es notwendig ist, eine feste Beziehung zu einer Person aufzubauen dank der verpflichtenden Treue, die die Liebe festigt und die Partner reifen lässt. Das Geschenk seiner selbst an den Partner in der Ehe befähigt auch beide, ohne Zögern in verantwortungsbewusster Haltung das eigene Leben zu schenken und so die vom Schöpfer erhaltene Sendung zu verwirklichen, mit Freude und in aller Ehrfurcht neues Leben anzunehmen und Kinder zu erziehen, damit sie reife Christen werden, die fähig sind, sich am Leben ihres Landes zu beteiligen. Es ist unerlässlich, dass die Erziehung der Kinder ihre Grundlage in der Lehre einer Hierarchie von wirklich echten Werten hat und nicht von der Mode oder von rein persönlichem Interesse diktiert ist. Die Gesellschaft wird sich nach und nach entwickeln dank der tiefen Umwandlung der Familien, die berufen sind, die moralischen und geistigen Werte zu leben und an die junge Generation weiterzugeben. Alle waren in den letzten Jahrzehnten Zeugen der traurigen Folgen des Mangels an Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben. Euer Volk hat am eigenen Leib diese Wahrheit erfahren: Damit eine neue Gesellschaft aufgebaut werden kann, muss die Ehrfurcht vor dem Leben, vor jedem Leben, vor allem vor dem wehrlosen, der Eckstein sein. In der jetzigen Situation ist euer Land in der Tat berufen, mit einem gesunden moralischen Impuls der unterscheidungslosen Anziehungskraft der Konsumgesellschaft zu widerstehen: dem moralischen Relativismus, dem Rückzug auf sich selbst, der Apathie, dem Mangel an Achtung vor dem Leben. Diese Haltungen müssen auf seiten der Christen einem entschlossenen Aufbruch zur Heiligkeit und einem immer solidarischeren Einsatz für die Brüder und Schwestern weichen. Alle Menschen guten Willens müssen daran erinnern, dass die menschliche Person das Zentrum des sozialen Lebens ist und in ihrer grundlegenden Würde geachtet werden muss. Der Kampf für die wahre Freiheit nimmt den Weg über die Verteidigung jedes menschlichen Daseins, besonders der Kleinsten und Bedürftigsten. Unter euren verheirateten Landsleuten begegnen manche sicherlich Schwierigkeiten in ihrem Ehe- und Familienleben. Ich bete für diese geprüften Familien und fordere sie auf, den Eifer neu zu entfachen, der sie zu Beginn ihres Ehebundes erfüllte: Die Treue, die nicht als Last, sondern in freudiger Wahl übernommen wurde, wird Befürchtungen und Missverständnisse, die nach und nach in den Beziehungen aufgekommen sind, überwinden lassen und zur Quelle einer echten Ent- 906 AD-UMINA-BES UCHE faltung und eines tiefempfundenen Glückes werden. Euch als Hirten kommt es zu, mit Hilfe des Klerus und der Katechisten den Eltern zu helfen und die Jugendkatechese zu intensivieren und weiterhin auch für eine angemessene Ehevorbereitung Sorge zu tragen. Die Entdeckung des christlichen Geheimnisses und der Wahrheit über die menschliche Liebe wird den Jugendlichen helfen, geistlich und menschlich heranzureifen. 5. Um den pastoralen Wirklichkeiten, wie sie sich in eurem Land darstellen, wirksam zu begegnen, ist es angebracht, dass die Priester trotz ihrer oftmaligen Arbeitsüberlastung ihr Bemühen um die Verkündigung des Evangeliums und der Vorbereitung auf die Sakramente verstärken. In der Sorge für die ihnen anvertraute Herde werden sie auch Wert darauf legen, weiterhin mit den Laien zusammenzuarbeiten, denen kraft ihrer Taufe eine besondere und aktive Rolle in der Sendung der Kirche zukommt. Dank ihrer hochherzigen Bereitwilligkeit und der Zuständigkeit, die sie auf verschiedenen Gebieten besitzen, werden sie unter der Führung ihrer Bischöfe einen unschätzbaren Beitrag anbieten können. Eine eurer Sorgen ist auch die unzureichende Zahl der Priester. Ich fordere euch auf, die Pastoral der Berufungen weiter zu entfalten in den Schulen, in der Katechese und in den Familien, damit die Jugendlichen den Ruf Gottes vernehmen können. Um in den jungen Menschen den Wunsch zu wecken, sich auf den Weg des Priestertums einzulassen, ist das Zeugnis des Klerus wichtig. Durch das Beispiel, ihres freudigen Lebens, die geistliche Leitung und andere angemessene Initiativen werden die Priester in den Jugendlichen den Wunsch wecken können, dem Willen Gottes gemäß sich zu der mutigen Entscheidung bereit zu machen, Christus zu folgen (vgl. Direktorien für Dienst und Leben der Priester, Nr. 32). Auf diese Periode der anfänglichen Unterscheidung muss eine Reihe von Vorbereitungen auf das Priesteramt in Form vertiefter philosophischer und theologischer Unterweisung folgen, damit die Priester auf die zahlreichen Fragen der Menschen unserer Zeit antworten können. „Die philosophischen Disziplinen sollen so dargeboten werden, daß die Alumnen vor allem zu einem gründlichen und zusammenhängenden Wissen über Mensch, Welt und Gott hingeführt werden. Sie sollen sich dabei auf das stets gültige philosophische Erbe stützen. Es sollen aber auch die philosophischen Forschungen der neueren Zeit berücksichtigt werden“ (II. Vatikan. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, Nr. 15). Ebenso sollen - fährt das Konzil fort - „die theologischen Fächer im Licht des Glaubens unter Führung des kirchlichen Lehramtes“ (vgl. ebd., Nr. 16) gelehrt werden. Dank gut ausgebildeter Priester wird die Kirche in der Tat allen Kulturen das Evangelium verkünden können. 6. Ihr kommt aus einem Land, wo sich seit Jahrhunderten die westlichen und östlichen Traditionen im gemeinsamen Lob des Herrn begegnen. Alle aber geht ihr aus der Evangelisierung durch das grandiose Werk der hll. Kyrillos und Methodios 907 AD-LIMINA-BESUCHE hervor, die mit ihrem außergewöhnlichen Charisma dem bulgarischen Volk in seiner besonderen Kultur die Frohe Botschaft gebracht haben. Diese gegenseitige Ergänzung östlicher und lateinischer Tradition, die ihr persönlich innerhalb eurer Bischofskonferenz erfahrt, stellt eine kräftige Aufforderung zur Vereinigung der beiden Lungen Europas dar. Wenn diese Einheit eine Verpflichtung für alle Mitglieder der katholischen Kirche ist, so ist sie eine unumgängliche Aufgabe für alle, die an Christus glauben. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente gab ich dem Wunsch Ausdruck, „daß das Jubiläum die geeignete Gelegenheit für ein fruchtbares Zusammenwirken im gemeinsamen Tun all der vielen Dinge sei, die uns einen und die sehr viel mehr sind als diejenigen, die uns trennen“ (Nr. 16). Daher fordere ich euch auf, nach jenen Mitteln zu suchen, die es euch gestatten, das Band zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen stärker zu machen, besonders in der Gemeinschaft mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern. Das Miteinander-Teilen von Gaben und unseres kulturellen und geistigen Erbes kann uns nur gegenseitig bereichern, um die tiefen christlichen Wurzeln zu entdecken, die zur Geschichte eures Landes und des ganzen Kontinents gehören. Beim Abschluss eures Besuches bitte ich euch, euren Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen und allen lieben Gläubigen von Bulgarien die herzlichen Grüße des Papstes und mein Gebetsversprechen zu überbringen. Ich vertraue der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria die Prüfungen und die Hoffnungen der katholischen Kirche in Bulgarien an. Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, und allen, deren Hirten ihr seid, erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Ehe und Familie - Verantwortungsträger für Bildung und Erziehung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischofskonferenz des Indischen Ozeans am 29. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder im Priesteramt! 1. Es ist mir eine Freude, euch anlässlich eures Ad-limina-Besuches in diesem Haus zu empfangen, denen die Aufgabe der Leitung des Gottesvolkes übertragen ist und die ihr im dreifachen Lehr-, Heiligungs- und Hirtenamt ausübt. Ihr, die Mitglieder der Bischofskonferenz des Indischen Ozeans (CEDOI), bringt durch eure Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel und durch das Zusammentreffen mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern eure lebendige und dynamische Gemeinschaft mit der Gesamtkirche zum Ausdruck. So ist es auch mein Wunsch, dass bei dieser Gelegenheit euer pastoraler Eifer für den Dienst des Evangeliums 908 AD-LIMINA-BES UCHE gestärkt wird und dass in euren Gemeinschaften dadurch ein neuer Antrieb zum christlichen Leben und missionarischen Engagement entsteht. Dem Präsidenten eurer Bischofskonferenz, Msgr. Maurice Piat, Bischof von Port-Louis auf der Insel Mauritius möchte ich meinen Dank dafür aussprechen, dass er bei seiner Ansprache mit viel Feingefühl all das zum Ausdruck gebracht hat, was euch bewegt, und auch dass er bei dieser Gelegenheit die jüngsten kirchlichen Entwicklungen eurer Region vorgestellt hat. Durch euch grüße ich auch ganz herzlich alle Priester und Ordensleute, die Katechisten und Laien eurer Diözesen sowie alle Volksgruppen, die auf den Inseln des Indischen Ozeans leben. Möge Gott ihnen seine Wohltaten erweisen, auf dass sie stets in Frieden und Solidarität leben. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Kardinal Jean Margeot namentlich zu nennen, dem ihr meine besten Segenswünsche und meine Verbundenheit im Gebet übermitteln sollt. 2. Das Umfeld, in dem ihr euer Bischofsamt ausübt, bringt eine große Mannigfaltigkeit mit sich. Es ist mein Wunsch, dass all die humanitären und religiösen Gruppierungen, die sich in den verschiedenen Regionen gebildet haben, weiterhin aktiv beim Aufbau brüderlicher und auf den Frieden ausgerichteter Vereinigungen mitarbeiten, in denen ein jeder gemäß seiner Verschiedenheit anerkannt und akzeptiert wird und so auf ganz legale Weise am Gemeinschaftsleben teilnehmen kann. Die besonderen menschlichen Situationen, die ihr in eurem Land vorfindet, stellen auch einen gewissen Reichtum dar und zeugen von der Universalität und Einheit, welche die Kirche Christi unter den Völkern stiften muss. Andererseits ist für euch die Tatsache, dass eure Diözesen über die nicht immer nahe beieinander liegenden Inseln zerstreut sind, ein Appell, die Zusammenarbeit innerhalb der Bischofskonferenz zu stärken und immer mehr Beziehungen zu den nahe gelegenen Teilkirchen zu entwickeln, damit Klerus und Gläubige für ihre Aufgaben die notwendige Unterstützung finden. 3. Beim Eintritt in das letzte Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum ist die Kirche dazu angehalten, ihren eigenen Horizont „gemäß der Sichtweite Christi selbst zu erweitern: der Sichtweite des ,Vaters im Himmel' (vgl. Mt 5,45), von dem er gesandt worden und zu dem er zurückgekehrt ist (vgl. Joh 16,28)“ (Tertio millenio adveniente, Nr. 49). All eure Gemeinschaften sollen somit auf besondere Weise den Blick zum Vater aller Menschen emporrichten, um aus dem innigen Verhältnis zu Ihm gleichsam wie aus einer Quelle der Liebe zu schöpfen, jener Liebe, die uns ins Dasein gerufen hat und die mutig zu bezeugen wir bemfen sind. Möge diese letzte Etappe allen Gläubigen ermöglichen, entschieden den langwierigen Weg der Bekehrung der Herzen einzuhalten, damit wir so, beseelt mit dem Willen, in immer größerer Treue die Botschaft des Evangeliums zu leben, dem neuen Jahrtausend entgegengehen können! Es ist mein Wunsch, dass eure Diözesen bei den Jubiläumsfeiern die Möglichkeit haben, sich mit brennendem Eifer für 909 AD -LIMINA -BESUCHE die Neuevangelisierung einzusetzen, indem sie sich auf die Heilige Schrift stützen und das Wort Gottes meditieren, indem sie auf die regelmäßige Teilnahme an der Feier der Eucharistie vertrauen, in der das fleischgewordene Wort auf sakramentale Weise sein Opfer für das Heil der Welt vergegenwärtigt. Bei dieser Gelegenheit soll die Kirche ein besonderes Augenmerk auf jene Gläubigen richten, die sich von der kirchlichen Gemeinschaft distanziert haben, und bei ihrer Mission ?ur Evangelisierung sämtliche Kräfte aufbieten, um zu allen Menschen zu gelangen, um ihnen die Liebe Christi zu zeigen und in ihnen neue Hoffnung zu wecken! 4. Eure Gemeinschaften brauchen, um zu leben und sich zu entwickeln, geweihte Diener, die zutiefst von einem apostolischen Geist beseelt sind. Durch euch möchte ich alle eure Priester aufrichtig ermutigen, die sich durch Selbstentsagung y in den Dienst der Kirche stellen, indem sie die Frohbotschaft Christi bis zu den entferntesten Inseln tragen. Ich möchte sie dazu einladen, eine Gemeinschaft von Priestern zu sein, die in immer tieferer Einigkeit mit ihrem Bischof steht. Mögen sie der ihnen aufgetragenen Mission treu bleiben und so die Größe jener Gabe erkennen, die Gott ihnen übertragen hat! Wenn sie auf innige Weise ein geistiges Leben in gegenseitiger Brüderlichkeit führen, werden sie darin auch lebendige Unterstützung für die Dynamik ihrer apostolischen und pastoralen Tätigkeit finden. Um die Vitalität der weit verstreuten christlichen Gemeinden zu fördern, kann es durchaus nützlich sein, bei euch den ständigen Diakonat noch mehr zu fördern, der für die Mission der Kirche eine wichtige Bereicherung darstellt. Ich hatte ja bereits die Gelegenheit, darauf hinzuweisen: „Eine Forderung, die beim Beschluß der Wiedereinrichtung des ständigen Diakonats besonders stark empfunden wurde, war die nach einer verstärkten und unmittelbaren Anwesenheit der kirchlichen Amtsträger in den verschiedenen Bereichen von Familie, Arbeit, Schule usw. sowie in den bestehenden Pastoralstrukturen“ (Generalaudienz, 6. Oktober 1993, Nr. 6; vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen und Kongregation für den Klerus: Direktiorium für Dienst und Leben der Ständigen Diakone, 22. Februar 1998). Mein herzlicher Gruß gilt auch allen Ordensleuten. Mögen sie weiterhin voll und ganz ihre Hingabe zu Gott leben und dem Wirken des Heiligen Geistes immer größere Bereitwilligkeit entgegenbringen, auf dass man in ihnen Zeichen dafür erkenne, dass Gott die Menschen heiligt. Liebe Brüder im Bischofsamt, bei der Ausübung dieses eures Amtes obliegt es euch auch, in besonderer Weise euch um die Priester- und Ordensberufungen zu kümmern. Eure Gemeinschaften sollen aufmerksam die Einladung des Herrn an die Jugendlichen weitergeben, ihm im Dienst der Kirche und der Welt nachzufolgen. Und so appelliere ich eindringlich an eure Jugendlichen, ihre innere Bereitschaft kundzutun, auf Christus zu hören. Ihre Familien bitte ich, ihnen in großzügiger Weise behilflich zu sein, um den Anforderungen des Herrn Genüge zu leisten. 910 AD-LIMINA-BESUCHE Auch freut mich euer Vorhaben, den Seminaristen gemeinsame Ausbildungsstrukturen zu ermöglichen, um ihnen so zu helfen, die Sorge um die echten Werte eures Landes aufrecht zu erhalten. Dadurch wird es ihnen möglich sein Priester zu werden, die ein solides und stets verfügbares geistiges Fundament im Dienste des Evangeliums aufweisen (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 95). So wird es auch für euch viel einfacher sein, eine in sich geeinte und zur engeren Zusammenarbeit bereitwillige Priesterschaft heranzubilden. 5. Die Familienpastoral ist eine eurer Flauptanliegen. Während viele Menschen die Notwendigkeit der Ehe in Frage stellen, obwohl sie Zusammenleben, so ist es dennoch oberste Forderung der kirchlichen Mission, die menschliche und spirituelle Bedeutung dieser Institution sowie der Institution der Familie den Menschen wieder lebendig ins Bewusstsein zurückzurufen. Es ist dies eine von Gott gewollte Realität, die für das Leben der Kirche und der Gesellschaft wesentlich ist. Oberste Pflicht der Familie ist es, „die Wirklichkeit ihrer Einheit treu zu leben in dem ständigen Bemühen, eine echte Gemeinschaft von Personen zu bilden“ (Fa-miliaris consortio, Nr. 18). Die christlichen Eheleuten haben den drängenden Sendungsauftrag, Zeugnis von der Einheit und Unauflöslichkeit dieser Gemeinschaft abzulegen, welches sein Fundament und seine Kraft in Jesus Christus besitzt. Es ist mein eindringlicher Wunsch, dass die Jugendlichen eures Landes die ihnen zukommende Verantwortung in diesem so wichtigen Existenzbereich auch übernehmen und dass sie sich darauf vorbereiten, geeinte und für das Leben offene Familien zu gründen. Und so möchte ich euch Mut zusprechen, euch weiterhin dafür einzusetzen, die Jugend zur humanen Liebe zu erziehen. Es ist angesichts vieler permissiver Zustände und des Infragestellens wesentlicher Werte des menschlichen Lebens notwendig geworden, dass die Jugendlichen die Größe und die Rolle des Ehesakramentes wiederentdecken, welches aus den Eheleuten Mitwirkende der Liebe unseres Schöpfergottes macht, die das Geschenk des Lebens weitergeben. Ihnen wird dieses Sakrament zur wertvollen Hilfe, da er ihnen die Gnade zuteil werden lässt, einander zu lieben, so wie auch Christus sie geliebt hat. So werden sie ihre menschliche Liebe vervollkommnen, die Einheit als Paar stärken und auf den Pfaden der Heiligkeit wandeln. Es ist von wesentlicher Bedeutung, den jungen Paaren beständige Unterstützung zukommen zu lassen, damit ihre Liebe sich durch Großherzigkeit und Wahrhaftigkeit auszeichne. Es muss ihnen auch ein wirklich überzeugendes Beispiel von christlichen Familien vor Augen gestellt werden, die durch ihre gegenseitige Treue und Offenheit auch anderen Menschen gegenüber etwas ausstrahlen. 6. Eine solide menschliche und geistige Erziehung soll den Jugendlichen helfen, ihre Bildung zu vertiefen, die Dimensionen ihres ganzen Daseins zu entwickeln und den ihnen zukommenden Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Die bei euch in vielen Diözesen bestehenden katholischen Schulen spielen also eine wichtige 911 AD-LIMINA-BESUCHE Rolle, da sie Anteil an der Weitergabe der Frohbotschaft des Evangeliums und der wirklichen moralischen und spirituellen Werte haben. Die Erziehungstätigkeit der Kirche muss aber auch die christlichen Laien darauf vorbereiten, aktiv in allen Lebensbereichen eures Landes präsent zu sein, von der Gerechtigkeit und Wahrheit Zeugnis abzulegen, da sie ja im Alltag des Daseins das Salz der Erde sind. Wie ich bereits im Apostolischen Schreiben Christifideles laici erwähnt habe „können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die ,Politik' einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Förderung des Allgemeinwohls dienen“ (Nr. 42). Daher lade ich die Katholiken dazu ein, in Zusammenarbeit mit den Menschen guten Willens im Geist des Dienens tätig zu werden, wo immer dies möglich ist, damit so eine gerechte und von Solidarität geprägte Gesellschaft gefördert wird. 7. Die Kirche hat den Auftrag, der gesamten Gesellschaft die Präsenz der Liebe Gottes kundzutun, eingedenk, dass sie „den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam geht und das gleiche irdische Geschick mit der Welt erfährt und gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft ist“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 40). Die Botschaft des Evangeliums von der Freiheit und der Hoffnung, die auch an die Menschen unserer Zeit gerichtet ist, ist in diesem Jahr umso eindringlicher, da der einhundertfünfzigste Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei begangen wird, dieses schändlichen Handels, dem auch Männer, Frauen und Kinder eurer Inseln zum Opfer gefallen waren. Das bald beginnende letzte Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum lädt uns dazu ein, noch deutlicher hervorzuheben, dass die Kirche vorwiegend für die Armen und Ausgestoßenen Partei ergreift. Daher ist auch das Liebeszeugnis im Leben eines Christen von erstrangiger Bedeutung. In euren Diözesen gibt es zahlreiche Menschen, die sich großzügig dem Dienst der Geringsten und Ärmsten der Gesellschaft gewidmet haben. Diese legen somit Zeugnis davon ab, dass Gott, der Vater aller Menschen, keinem seiner Kinder gegenüber gleichgültig bleiben kann, was vor allem für jene gilt, die Not leiden. Durch ihren karitativen Einsatz möchte die Kirche auch kundtun, dass sie dadurch der Bedeutung des menschlichen Lebens und der menschlichen Würde einen besonderen Stellenwert beimisst. „Die unverletzliche Würde eines jeden Menschen neu zu entdecken und entdecken zu lassen, ist eine wesentliche Aufgabe, ja, in einem gewissen Sinn die zentrale und alle anderen einschließende Aufgabe im Kontext des Dienstes an der Menschheitsfamilie, zu dem die Kirche und in ihr die Laien berufen sind“ (Christifideles laici, Nr. 37). Daher ist es mein sehnlichster Wunsch, dass die Soziallehre der Kirche für die Gläubigen ein Leitfaden und ein immer größerer Ansporn sein möge, der Liebe Christi nachzueifem. 912 AD-UMINA-BESUCHE 8. Das Zusammentreffen mit Angehörigen anderer religiöser Traditionen ist für die Katholiken eures Landes eine gelebte Realität. Und es ist mir daher eine Freude, zu wissen, dass zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Allgemeinen gute Beziehungen herrschen. In der Tat ist es wichtig, dass die auf gegenseitigem Verständnis beruhende Achtung der anderen die Voraussetzung der Kontakte mit konfessionsverschiedenen oder nicht christlichen menschlichen und religiösen Gruppierungen darstellt, auf dass ein gemeinsamer Dienst am Menschen und der Einsatz für dessen Würde gefördert werde. Mein Wunsch wäre, dass bezüglich der wichtigen Fragen, die sich dem Menschen von heute im Bereich der Ethik und der Menschenrechte stellen, fruchtbare Kontakte geknüpft würden, um so die gemeinsamen Werte in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Auf der Suche nach besserer gegenseitiger Kenntnis werden sich besonders durch den Dialog des Lebens Bande der Brüderlichkeit und des Verständnisses konsolidieren können, welche die Stabilität der Gesellschaft und die Achtung der Religionsfreiheit garantieren. 9. Liebe Brüder im Bischofsamt, am Ende unserer Zusammenkunft möchte ich gemeinsam mit euch Gott danken für all das, was er in eurem Land vollbracht hat. Die Lebendigkeit des christlichen Glaubens auf den Inseln des Indischen Ozeans ist geprägt von solch schillernden Persönlichkeiten wie Bruder Scubilion und Pater Jacques-Desire Laval. Möge das Beispiel dieser Seligen auch all jene inspirieren, die sich heutzutage bemühen, eine immer brüderlichere Welt zu schaffen und die versuchen, sämtliche Arten von Sklaverei zu beseitigen, die unsere Welt immer noch heimsuchen! Mögen sie für alle Jünger Christi als Modell bei ihrer Suche nach Heiligkeit und Dienst am Nächsten dienen! Euch alle vertraue ich der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria an. Sie ist ein vollkommenes Beispiel für die Liebe zu Gott und zum Nächsten. So erteile ich euch und allen euren Diözesanen nun von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Beitrag der Kirche zum gesellschaftlichen Wandel durch Verhaltensänderung der Menschen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der kubanischen Bischöfe am 9. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, wenige Monate nach meinem denkwürdigen Besuch in eurem Land, euch hier in Audienz zu empfangen. Damals konnte ich in direkter Weise die Herzens wärme der Kubaner und den Reichtum an Werten erfahren, welche dieses sympathische Volk auszeichnen. Mit den Worten des Apostels Paulus rufe ich euch darum zu: „Ich höre nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke; denn ich habe von eurem Glauben an Jesus, den Herrn, und von eurer Liebe zu allen Heiligen 913 AD-LIMINA -BES U CHE gehört“ (vgl. Eph 1,15-16). Gleichzeitig bitte ich den Herrn der Geschichte aber auch, dass „Kuba allen eine Atmosphäre der Freiheit, des gegenseitigen Vertrauens, sozialer Gerechtigkeit und dauerhaften Friedens bieten kann“ (Ansprache am Flughafen von Havanna, 21. Januar 1998, Nr. 5). Für all die Mühen, die ihr zusammen mit euren Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien nicht gescheut habt, um meinen Pastoralbesuch vorzubereiten, bin ich euch zutiefst dankbar. Es war euch ja auch nach Abschluss dieses Besuches ein Anliegen, dass all die ursprünglichen Hoffnungen, die an meine euch hinter-lassene Botschaft geknüpft waren, nicht zugrunde gehen und dass die Lehre, die ihr aus derselben gezogen habt, schrittweise in die Tat umgesetzt werden kann. 2. In den fast fünf Monaten, die seit meinem unvergesslichen Besuch in eurem Land vergangen sind, konnte ich feststellen, wie sehr mein Aufruf, dass „Kuba sich mit all seinen großartigen Möglichkeiten für die Welt öffnen und die Welt sich für Kuba öffnen möge“ (ebd., Nr. 5), von verschiedenen Nationen und Organisationen aufgenommen wurde und dass viele kirchliche Gemeinschaften sowohl ihre Sehnsüchte als auch deren Umsetzung intensivierten, indem sie durch konkrete Gesten ihre brüderliche Verbindung mit den Kindern Gottes zum Ausdruck brachten, die in diesem schönen Land leben. Ihr dürft sicher sein, dass der HI. Stuhl und der Nachfolger Petri aufgrund der ihnen obliegenden besonderen geistlichen Sendung weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun werden, damit diese Antwort auf meinen Aufruf noch größeres Echo finde und die Aufmerksamkeit, die mein Pastoralbesuch hervorgerufen hat, nicht verloren gehe, sondern die erhofften Früchte für das kubanische Volk erwirke. In diesem Sinne wusste ich auch die Gesten zu schätzen, die kubanische Regierungsvertreter nach meiner Rückkehr nach Rom mir gegenüber zum Ausdruck brachten. Darin möchte ich eine Initiative und den Anfang einer Einstellung sehen, der der kubanischen Zivilbevölkerung schließlich jene gesetzlichen und sozialen Freiräume zugesteht, die es ihr erlauben, autonom und aktiv zu wachsen, so dass das Land den ihm zustehenden Platz im Kreise der Staaten und Nationen einnehmen kann. 3. Die erwünschte Öffnung beschränkt sich aber nicht nur auf eine bloße Verbesserung der internationalen Beziehungen, die darauf hinzielen, einen Prozess der gegenseitigen solidarischen Verflechtung unter den Völkern im derzeitigen Kontext der Globalisierung zu fördern, sondern es geht dabei vor allem um eine innere Bereitschaft in einem jeden von uns, so dass die geistige Erneuerung und Öffnung eine echte persönliche Umkehr mit sich bringt. Auf diese Weise wird auch ein Reformprozess und eine Veränderung in der Sozialstruktur erzielt. Diesbezüglich sagte ich gleich bei meiner Ankunft in Kuba: „Haben Sie keine Angst, Christus Ihr Herz zu öffnen, lassen Sie ihn in Ihr Leben, Ihre Familien, Ihre Gesellschaft ein-treten, damit auf diese Weise alles erneuert werde. Die Kirche wiederholt diesen Ruf, den sie an alle ohne Ausnahme richtet, an die einzelnen, an die Familien, an 914 AD-LIMINA-BES U CHE die Völker: Sie mögen in der treuen Nachfolge Jesu Christi den vollen Sinn ihres Lebens finden, sich in den Dienst des Nächsten begeben und die Beziehung in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft verwandeln, was sich stets zum Wohl des Vaterlandes und der Gesellschaft auswirken wird“ (ebd., Nr. 4), und ich wiederholte dies in Santa Clara: „Habt keine Furcht, öffnet eure Familien und Schulen für die Werte des Evangeliums Jesu Christi, denn diese sind für kein soziales Vorhaben eine Gefahr“ (Predigt, Nr. 4). Die Menschen und Nationen, die ideologische, historische Grenzen und Einschränkungen überwinden, welche das Wachsen des Menschen in Freiheit und Verantwortung verhindern, müssen es auch ermöglichen, dass die Wahrheit, die der Mensch in seinen tiefsten menschlichen Gründen erstrebt, aufrichtig gesucht, mit Freuden gefunden, mit Enthusiasmus verkündet und großzügig mit allen geteilt wird, und zwar ohne jegliche willkürliche Beschränkungen der fundamentalen Freiheiten, wie zum Beispiel der Rede-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit. Dadurch lässt sich auch ein Status des Zusammenlebens der Gesellschaft erreichen, der auf gegenseitigem Vertrauen, Teilnahme, Solidarität und Gerechtigkeit gründet. In diesem Sinne ist Kuba berufen, seiner eigenen Identität, deren Wurzeln zutiefst christlich sind, Gestalt zu verleihen, sie zu leben und auf Transparenz, Öffnung und Solidarität hinzuarbeiten. 4. Die katholische Kirche von Kuba, deren legitime Oberhirten ihr seid, ist eine lebendige Gemeinschaft, die sich für Liebe und Versöhnung einsetzt und die Wahrheit verbreitet, die aus dem Evangelium Jesu Christi hervorgeht, sei es gelegen oder ungelegen (vgl. 2 Tim 4,2). Die Kirche ist auch nicht nur in bemerkenswerter Weise ein Bestandteil der Geschichte eurer Heimat, sondern sie ist auch ein Bestandteil des Gegenwartsgeschehens, und in gewissem Sinn ist sie auch neben weiteren Instanzen mitverantwortlich für die Zukunft. Durch ihre täglichen Mühen und „zwischen Verfolgungen seitens der Welt und Tröstungen seitens Gottes“ (Augustinus, De Civ. Dei, XVIII, 51, 2; BKV, Kempten/München 1916, S. 182 f.) trägt sie zur Bereicherung der ganzen Gesellschaft, und zwar nicht nur der Gläubigen, bei, denn ihr Anliegen ist es, die Spiritualität eines jeden einzelnen, das Umsetzen der höchsten Werte und die Brüderlichkeit unter den Menschen zu nähren und zu fördern. Deshalb trägt die gesamte Gesellschaft einen Nutzen davon, wenn die Kirche anerkannt wird und mit dem nötigen Freiraum und den Mitteln rechnen kann, um ihre Mission zu erfüllen. Der Staat muss, auch wenn es sich um einen laizistischen Staat handelt, bei seiner Aufgabe, dem Gesamtwohl aller Bürger zu dienen, diese Mission anerkennen und diese Freiräume garantieren. Die Kirche, die in allen Nationen lebt, präsentiert sich als das „neue Volk Gottes“, das „obwohl es tatsächlich nicht alle Menschen umfaßt und gar oft als kleine Herde erscheint, für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils“ ist (Lumen Gentium, Nr. 9). 915 AD-LIM1NA -BES U CHE 5. Ihr, meine lieben Brüder im Bischofsamt, seid „durch den Heiligen Geist, der euch mitgeteilt worden ist, wahre und authentische Lehrer des Glaubens, Priester und Hirten geworden“ (Christus Dominus, Nr. 2). Euch ist die beständige tägliche Sorge für eure Schafe in vollem Umfang anvertraut (vgl. Lumen Gentium, Nr. 27). Ich rufe euch dazu auf, dies als authentische Diener der Versöhnung zu tun (vgl. 2 Kor 5,8), so dass die Botschaft, die ich Kuba hinterlassen habe, Aufnahme und Fortführung finde und unter eurer Leitung reiche Frucht trage. Für euer Land ist dies eine historische Stunde, und ihr müsst als Hirten die Herausforderungen annehmen, die sich aus meinem Besuch ergeben haben. Eure Stimme darf niemals verstummen, denn es ist die Stimme Christi, der euch gesandt und euch zu eurem Dienst geweiht hat! Möge eure Mühe stets als der Einsatz der wirklichen Fürsprecher und wahren Hirten der Kirche verstanden werden, die sich in dieser mir so lieb gewordenen Nation auf der Pilgerschaft befindet! Mögen alle in euch die „Freudenboten“ sehen, die .Frieden ankündigen“ (vgl. Jes 52,7), so wie ich es euch auch schon bei unserer Begegnung in Havanna zurief, als ich euch eine Botschaft hinterließ, die als programmatisch verstanden werden kann und nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat! Die Ausübung eures Amtes wird mitunter erschwert und steht daher immer im Zeichen des Kreuzes Christi. Lasst euch deswegen nicht entmutigen, sondern harrt aus im Gebet, opfert auf dem Altar des Herrn eure Mühen und das Unverständnis auf, welches die mutige und entschlossene Ausübung der euch anvertrauten kulturellen, prophetischen und karitativen Mission mit sich bringt. Ihr seid auf diesem Weg nicht allein, denn die Kraft des Heiligen Geistes steht euch bei, zu der sich auch die Solidarität und Zuneigung der ganzen Kirche sowie das Gebet des Stellvertreters Christi gesellen, Den Herrn der Ernte werde ich bitten, dass er nicht nur bald neue Arbeiter in seinen Weinberg sende, welche Kuba wirklich benötigt, sondern dass er auch die Initiativen, die Kreativität und die Bereitschaft der Priester und Ordensleute vermehre, die sich großzügig und mit Hingabe in Kuba einsetzen, so dass die Evangelisierung nicht nur bezüglich des Eifers, der Methoden und der Ausdrucksweisen eine neue sei, sondern auch bezüglich ihrer Vorhaben, das Evangelium in allen Bereichen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens einzupflanzen und gegenwärtig werden zu lassen. 6. Bei meinem Besuch in Kuba hatte ich die Gelegenheit, an einige Aspekte des „sozialen Evangeliums“ zu erinnern. Die gläubigen Laien müssen reif und mit Beharrlichkeit und Wagemut auf die Herausforderungen der Anwendung der kirchlichen Soziallehre auf das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben der Nation antworten. In diesem Sinne sind die Gläubigen berufen, am öffentlichen Leben mit vollem Recht und unter gleichen Voraussetzungen teilzunehmen, um so ihren eigenen Beitrag zum nationalen Fortschritt zu leisten und sich großzügig am Wiederaufbau des Landes zu beteiligen. Dafür müssen sie aber auch Zugang zu den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens haben. Gemeint sind hier zum Beispiel der Erziehungsbereich oder die sozialen Kommunikationsmittel, 916 AD-LIMINA-BESU CHE und zwar im angepassten gesetzlichen Rahmen. Die kubanischen Christen müssen am Streben nach dem Gemeinwohl teilnehmen, indem sie durch ein kritisches Bewusstsein und mit ihren Fähigkeiten dazu beitragen und sogar ihre Mühen aufop-fem, die so den Veränderungen, die das Land und seine Bewohner in dieser Stunde brauchen, zugute kommen. Der echten Menschenwürde begegnet man in der von Christus geoffenbarten Wahrheit. Er ist das Licht der Welt, und wer an ihn glaubt, wird nicht in Finsternis wandeln (vgl. Joh 12,46). Daher müssen die Verdunkelung des Lichts, die persönliche Lüge und das doppelte soziale Antlitz durch die Kultur der Wahrheit überwunden werden. Damit kommt durch den tiefen Respekt, der allen Menschen und Kulturen entgegenzubringen ist, die Überzeugung zum Ausdruck, die Fülle des Lebens dadurch zu erreichen, indem man den Rahmen der verschiedenen Arten des Materialismus übersteigt und Zugang zum unaussprechlichen und alles übersteigenden Licht erhält, das uns ganz vom Egoismus befreit. 7. Der Regen, der beim Abschied von Kuba vom Himmel fiel, erinnerte mich an den Hymnus „Rorate caeli“, und ich betete dafür, dass der Samen, den ihr Hirten und Gläubigen unter großen Opfern und mit Geduld ausgesät habt, reiche Frucht bringe und dass Kuba unter gleichberechtigten Bedingungen seine Pforten für die erlösende Kraft Christi öffnen könne, auf dass alle Kubaner einen neuen Advent in der Geschichte ihres Landes erleben mögen. Wenn ihr nun nach Hause zurückkehrt, dann überbringt allen Kubanern von Herzen meine Segensgrüße, sie mögen versichert sein, dass der Papst ihnen immer nahe steht. Möget ihr auch versichert sein, dass ,jedesmal wenn ich an euch denke, immer wenn ich für euch alle bete, [...] ich es mit Freude [tue ...]. Ich vertraue darauf, daß er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu. Es ist nur recht, dass ich so über euch alle denke, weil ich euch ins Herz geschlossen habe. [...] Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat. Und ich bete darum, daß eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt“ (Phil 1,3-10). Der Jungfrau der Nächstenliebe von Cobre, Mutter aller Kubaner, an deren Krönung beim Besuch in eurem Land ich gern zurückdenke, vertraue ich all eure Vorhaben und Hoffnungen sowie euer aller Freud und Leid an, und ich erteile euch nun von ganzem Herzen den besonderen Apostolischen Segen. 917 AD-UMINA-BESUCHE Beitrag der Ortskirche zur Förderung von Gerechtigkeit und gesamtgesellschaftlicher Entwicklung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Madagaskar am 26. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit Freude empfange ich euch anlässlich eures Ad-limina-Besuchs. Ihr seid von Christus beauftragt, das Volk Gottes in Madagaskar zu leiten, und seid nun auf eurer Wallfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten hierhergekommen. Bei dieser Gelegenheit habt ihr mit dem Nachfolger Petri und mit seinen Mitarbeitern einen fruchtbaren Gedankenaustausch, der die Verbundenheit zwischen der Kirche in eurem Land und dem Apostolischen Stuhl zu festigen vermag. Deshalb wünsche ich, dass nach der Rückkehr zum euch anvertrauten Volk euer pastoraler Eifer und die missionarische Dynamik eurer Gemeinschaften noch weiter gestärkt werden, damit das Evangelium allen Menschen verkündet werden kann. In seinen freundlichen Worten hat der Vorsitzende eurer Bischofskonferenz, Kardinal Armand Gaetan Razafindratandra, Erzbischof von Antananarivo, in eurem Namen einen detaillierten Überblick über das Leben der Kirche auf der großen Insel geliefert und über die allgemeinen Umstände, unter denen sie ihre Sendung erfüllt. Ich danke ihm herzlich dafür. Zu diesem freudigen Anlass grüße ich von ganzem Herzen die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die Katechisten und alle Gläubigen eurer Diözesange-meinschaften. Überbringt meine herzlichen Grüße auch dem madagassischen Volk; ich kenne seine positiven Eigenschaften der Aufnahmebereitschaft, der Solidarität und des Mutes zur Überwindung der vielfältigen Schwierigkeiten des täglichen Lebens. 2. Die Bischöfe haben - wie die Apostel - den Auftrag erhalten, das Heilsmysterium vollständig und mutig zu verkünden. „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,2). Diese schwierige Aufgabe erfordert von jedem Bischof, dass er seine Energie aus der Gnade Christi schöpft, die er am Tage seiner Bischofsweihe durch die Gabe des Geistes in Fülle erhalten hat und die im Gebet ständig erneuert wird. Die Kirche braucht Hirten, die die verschiedenen di-özesanen Einrichtungen aufbauen und sorgfältig verwalten und die das Volk Gottes leiten. Um diesen Dienst zu erfüllen, müssen sie menschliche noch mehr aber geistliche Qualitäten besitzen sowie vom Streben nach Heiligkeit in ihrem Leben beseelt sein, damit sie sich Christus, der sie aussendet, vollkommen angleichen. Christus lieben und mit ihm in inniger Verbundenheit zu leben heißt auch, die Kirche zu lieben und sich - wie er - ihr zu schenken, um für die unendliche Liebe Gottes zu den Menschen Zeugnis abzulegen. 918 AD-LIMINA-BESUCHE Das Zweite Vatikanische Konzil hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass die Bischöfe immer enger Zusammenarbeiten, um ihr Amt auf fruchtbringende Weise erfüllen zu können (vgl. Christus Dominus, Nr. 37). Ich fordere euch deshalb nachdrücklich auf, die Bande kollegialer Einheit und Zusammenarbeit untereinander immer weiter zu vertiefen, vor allem innerhalb eurer Bischofskonferenz, in lebendiger Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri. Die pastorale Solidarität der Diözesen eures Landes ist vor ein paar Wochen besonders deutlich geworden, als nämlich eine nationale Synode über das Thema Die Kirche: durch die Eucharistie versammelte Familie Gottes abgehalten wurde. Ihr hattet dieses Ereignis als Fortsetzung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika organisiert. Es ist mein Wunsch, dass diese für das Leben der Kirche in Madagaskar so wichtige Initiative, die in den Gesamtkontext der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 eingebettet ist, für jede eurer Gemeinschaften eine gute Gelegenheit zur Stärkung ihres Glaubens an Jesus Christus sei und dass sie in allen „Gläubigen eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit weckt, ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einem Klima immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besonders des am meisten Bedürftigen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42). 3. Nun wende ich mich an die Priester eurer Diözesen, die eure wichtigsten Mitarbeiter im apostolischen Amt sind; ich möchte sie der Dankbarkeit der Kirche versichern für die Großherzigkeit, mit der sie ihren priesterlichen Auftrag im Dienst am Gottesvolk ausführen. Ich lade sie ein, mit Freude und Enthusiasmus an ihrer Berufung festzuhalten, indem sie ein Leben führen, das der Größe des von ihnen erhaltenen Geschenks würdig ist. „Denn der Priester ist kraft seiner sakramentalen Weihe vom Vater gesandt durch Jesus Christus, Haupt und Hirt seines Volkes. Ihm ist er in besonderer Weise nachgestaltet, um in der Kraft des Heiligen Geistes im Dienst der Kirche und zum Heil der Welt zu leben und zu wirken“ (Pastores dabo vobis, Nr. 12). Dem Wirken des Geistes fügsam sollen sie ihren Blick immer auf Christus gerichtet halten, damit sie mutig auf den Pfaden der Heiligkeit voranschreiten, ohne sich der Lebensart der Welt anzupassen. Durch die regelmäßige Feier der Sakramente und des Stundengebets sowie durch die Meditation über das Wort Gottes sind sie dazu berufen, die tiefe Einheit zwischen ihrem geistlichen Leben, ihrem Amt und ihrem alltäglichen Tun zu leben. Dem Zölibat treu, den sie in freier und von Liebe getragener Entscheidung angenommen haben und unablässig beherzt erneuern, erkennen sie darin ein „unschätzbares Geschenk Gottes, [... einen] ,Antrieb der Hirtenliebe, [... eine] einzigartige Teilnahme an Gottes Vaterschaft und an der Fruchtbarkeit der Kirche und [... ein] Zeugnis vor der Welt für das eschatologische Reich“ (Pastores dabo vobis, Nr. 29). Wenn sie in Schwierigkeiten sind, sollt ihr für sie aufmerksame und aufgeschlossene Hirten sein, die ihnen neue Hoffnung geben und ihnen durch ihre Worte und ihr Beispiel helfen, ihren Weg weiterzugehen! Ich ermahne euch mit Nachdruck, sie zu unterstützen, damit sie ihren priesterlichen Verpflichtungen gemäß leben können; dazu müsst 919 AD-LIMINA-BESUCHE ihr die geistlichen und materiellen Voraussetzungen schaffen, die es ihnen erlauben, den berechtigten Aufgaben ihres Amtes gerecht zu werden. Liebe Brüder im Bischofsamt! Seid jedem eurer Priester nahe; unterhaltet mit ihnen auf Vertrauen und Dialog gegründete Beziehungen; sie sollen für euch wirklich Söhne und Freunde sein! Ihr seid in erster Linie für ihre Heiligung und ständige Weiterbildung verantwortlich und müsst ihnen deshalb die geeigneten Mittel an die Hand geben, damit sie im Laufe ihres ganzen Lebens die menschliche, spirituelle, intellektuelle und seelsorgerische Dimension ihrer priesterlichen Ausbildung vertiefen können, um ihr Wesen und Handeln Christus, dem Guten Hirten, immer ähnlicher werden zu lassen. Schließlich wünsche ich, dass die Diözesanpriester und Ordensleute innerhalb des Presbyteriums einander brüderlich aufnehmen - in der berechtigten Verschiedenheit ihrer Charismen und Entscheidungen. Im gemeinsamen Gebet und im Teilen werden sie Unterstützung und Stärkung für ihr Amt und ihr persönliches Leben finden. 4. Eine eurer ständigen Sorgen ist die Weckung und das Wachstum von Berufungen zum Priesteramt und zum geweihten Leben. Die vielen Jugendlichen, die den Appell Christi hören und ihm nachzufolgen bereit sind, stellen ein Zeichen der Vitalität eurer Ortskirchen und eine Ermutigung für die Zukunft dar. Trotzdem sind große Vorsicht und eine gute Unterscheidung geboten, um ihre Berufung zu festigen und es jedem zu ermöglichen, eine freie und bewusste Antwort auf den Aufruf Christi zu geben. Das Leben in der Nachfolge des Herrn ist anspruchsvoll und erfordert, dass bei der Auswahl der Kandidaten verschiedene Kriterien hinsichtlich seelischer Ausgeglichenheit sowie geistiger, affektiver, psychologischer und intellektueller Fähigkeiten zur Anwendung kommen, gekoppelt mit einem festen Willen. Ich möchte an dieser Stelle die Bitte wiederholen, die von den Vätern der Afrikasynode zum Ausdruck gebracht wurde, dass „die Ordensinstitute, die keine Häuser in Afrika haben, sich nicht als autorisiert betrachten dürfen, ohne Vorgespräch mit dem Ortsbischof dort nach neuen Berufen zu suchen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 94). Denn entwurzelte Jugendliche werden große Schwierigkeiten haben, den erhaltenen Aufruf reifen zu lassen, und sie werden von den vielfältigen Lockungen einer ihnen unbekannten Gesellschaft in Versuchung gebracht. Von einem weisen Unterscheidungsvermögen hängt auch die Hoffnung ab, afrikanische missionarische Berufungen entstehen und sich entwickeln zu sehen, um das Evangelium in allen Gegenden des Kontinents und sogar noch darüber hinaus zu verkünden. Euch, die ihr die ersten Vertreter Christi in der Priesterausbildung seid (vgl. Pasto-res dabo vobis, Nr. 65), obliegt es, die Lebens- und Unterrichtsqualität in den Seminaren sorgfältig zu überwachen. Ich fordere euch auf, harmonische Erziehungsgemeinschaften aufzubauen, die den Seminaristen ein konkretes Beispiel musterhaften christlichen und priesterlichen Lebens bieten. Denn wie können sich die jungen Leute richtig auf das Priesteramt vorbereiten, wenn sie nicht das Vorbild 920 AD-L1MINA -BES UCHE wahrhafter Lehrer und Zeugen vor Augen haben? Ich weiß, wie schwierig es für euch ist, Priester auszuwählen, die im geistlichen Leben erfahren, im theologischen und philosophischen Bereich gut qualifiziert und die Jugendlichen zu begleiten fähig sind. Es ist mein großer Wunsch, dass ihr für diesen Auftrag sachverständige Erzieher heranbildet, auch wenn deswegen auf anderen Gebieten der Seelsorge Abstriche gemacht werden müssen. Diese Aufgabe ist heute eine der wichtigsten für das Leben der Kirche, besonders in eurem Land. Eine spezielle Ermutigung möchte ich an jene Männer und Frauen richten, die für die Vorbereitung der jungen Leute auf ihre vollkommene Weihe im Priesteramt oder im Ordensleben verantwortlich sind. Auf dem Weg der Suche nach Gott gefestigt, mögen sie jenen, die der Herr zu seiner Nachfolge aufruft, die Schönheit ihrer Berufung zeigen und ihnen helfen, den Plan Gottes für ihr Leben zu erkennen! Sie sollen von ihrer Begegnung mit Christus strahlen wie die Jünger nach der Verklärung! Mögen die Seminaristen ein immer lebhafteres Bewusstsein für die Größe und Würde des an sie ergangenen Aufrufs entwickeln! Es ist nötig, dass sie im Verlauf ihrer Ausbildungszeit einen ausreichenden affektiven Reifegrad erreichen und tiefinnerlich davon überzeugt sind, dass Zölibat und Keuschheit für den Priester unabdingbar sind. Die Lehre über den Sinn und den Rang der Weihe an Christus im Priesteramt muss im Mittelpunkt ihrer Ausbildung stehen, damit sie ihr ganzes Wesen aus freiem Willen und großzügig für die Nachfolge Christi einsetzen können, um sich an seiner Sendung zu beteiligen. 5. Die Institute geweihten Lebens leisten einen wichtigen und geschätzten Beitrag in vielen Bereichen des Lebens der Kirche in eurem Land. Das Engagement geweihter Menschen im Evangelisierungswerk muss auf ganz besondere Weise deutlich machen, „daß einer, je mehr er aus Christus lebt, ihm umso besser in den anderen dienen kann, indem er bis in die vorderste Missionsfront vorstößt und größte Risiken auf sich nimmt“ (Vita consecrata, Nr. 76). Mögen die Mitglieder religiöser Gemeinschaften ihre Hingabe an Christus vollständig leben, indem sie durch ihre ganze Existenz für ihn Zeugnis geben und den Reichtum ihrer Charismen in den Dienst der Kirche stellen! Sie sollen, vom Heiligen Geist geleitet, entschlossen den Weg der Heiligkeit vorangehen und allen Menschen ihre Freude darüber offenbaren, dass sie sich ganz Gott geschenkt haben für den Dienst an ihren Brüdern! Den geweihten Personen möchte ich die Dankbarkeit und Unterstützung der Kirche für das Apostolat aussprechen, das sie in der Logik ihrer Liebe zu Christus und ihrer Selbsthingabe im Dienst an den Kranken, Bedürftigsten und Ärmsten der Gesellschaft ausüben. Durch ihre Präsenz im Erziehungswesen helfen sie den Jugendlichen, in ihrer Menschlichkeit zu wachsen und sich eine menschliche, kulturelle und religiöse Ausbildung anzueignen, die sie darauf vorbereitet, ihren Platz in Kirche und Gesellschaft einzunehmen. 921 AD-LIM1NA-BESU CHE Um es den Instituten geweihten Leben zu ermöglichen, ihre eigenen Charismen in einer immer engeren Gemeinschaft mit den Diözesankirchen zum Ausdruck zu bringen, möchte ich - wie ich schon im Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa schrieb - „die Verantwortlichen der Ortskirchen sowie auch der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens auffordern, den Dialog untereinander zu fördern, um im Geiste der Kirche als Familie gemischte Studiengruppen ins Leben zu rufen als Zeugnis der Brüderlichkeit und Zeichen der Einheit im Dienst der gemeinsamen Sendung“ (Nr. 94). 6. Als Getaufte sind alle Gläubigen zu einer vollen Beteiligung an der Sendung der Kirche aufgerufen. Ich freue mich über den vorbildlichen Beitrag zahlreicher Laien für das kirchliche Leben in eurem Land. Besonders würdige ich die Arbeit der Katechisten, die sich oft unter schwierigen Umständen um die Verkündigung des Evangeliums an ihre Brüder bemühen, in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen und Priestern die Animation der Gemeinden gewährleisten und dafür Sorge tragen. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Verwurzelung und Vitalität der Kirche. Außerdem vermitteln sie ihren Kindern den Sinn des Dienstes für Christus. Ich lade sie ein, „das Bewußtsein, Glieder der Kirche Jesu Christi zu sein, teilzuhaben am Geheimnis seiner communio und an seiner apostolischen und missionarischen Kraft“, immer wachzuhalten (Christifideles laici, Nr. 64). Ich möchte auch, dass die Laien eine solide Ausbildung erhalten, damit sie ihre Verantwortung als Christen im Gesellschaftsleben übernehmen können, denn sie müssen sich selbstlos und beharrlich für den Aufbau der irdischen Stadt einsetzen, die Würde jedes Menschen achtend und nach dem Gemeinwohl suchend. Angesichts der Ungerechtigkeiten und der Kräfte, die den Frieden zwischen Personen und Gruppen zerstören, sowie aller anderen Dinge, die den Geist verderben, sollen sie die Solidarität immer weiter entwickeln, das echte fihavanana nämlich, das den Menschen auf die göttliche Ebene des Heils erheben kann! Besondere Fürsorge muss der Familie, dieser ersten und lebendigen Zelle der Gesellschaft, zuteil werden. Die Formung des Gewissens, insbesondere um entschieden die Achtung allen menschlichen Lebens zu fordern und um den Kindern die grundsätzlichen Werte nahezubringen, ist eine wesentliche Aufgabe der Kirche und ihrer Hirten. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, auf die so viele junge Paare stoßen, ermutige ich euch, eure Bemühungen fortzusetzen, um ihnen zu helfen, den wahren Sinn der menschlichen Liebe, der ehelichen Keuschheit und der auf Treue und Unauflöslichkeit gegründeten christlichen Ehe besser zu verstehen. An die Jugendlichen von Madagaskar möchte ich einen starken Aufruf zum Vertrauen und zur Hoffnung richten. Ich kenne ihre großen Befürchtungen, aber ich weiß auch um die Schätze, die Gott ihnen gegeben hat, um die Zukunft mutig und mit klarem Verstand anzugehen. Mögen sie ihre besondere Verantwortung im Leben von Kirche und Gesellschaft auf sich nehmen, indem sie ein lebhaftes Bewusstsein ihrer Berufung als Menschen und Christen entwickeln, die sie dazu ver- 922 AD-LIMINA-BES UCHE pflichtet, Säleute des Friedens und der Liebe zu sein! Christus wartet auf sie, er zeigt ihnen den Weg des Lebens. 7. Das Zeugnis für die Liebe Christi zu den Kranken und Armen ist eine kennzeichnende Eigenschaft des christlichen Lebens. Durch ihre sozialen Einrichtungen wirkt die Kirche für eine umfassende Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft. Ich bin all jenen dankbar, die durch ihren bescheidenen Dienst, dem Beispiel Christi folgend, die Liebe der Kirche gegenüber den Leidenden und Verzweifelten zum Ausdruck bringen. Man kann das Elend nicht einfach als Schicksalsfügung hinnehmen. Den Armen muss geholfen werden, in ihrer Menschlichkeit zu wachsen, damit sie auch in ihrer Würde als Kinder Gottes anerkannt werden. Euer Land ist sehr verheißungsvoll, trotz aller Schwierigkeiten. Ich ermutige euch deshalb, Initiativen der Solidarität und Dienstleistungen für die Bevölkerung zu entwickeln, die sich oft in einer wirtschaftlich wie sozial besorgniserregenden Lage befindet. Einen besonderen Platz müssen dabei Erziehung und menschliche Entfaltung einnehmen, denn sie werden es jedem Menschen ermöglichen, die Geschenke zum Ausdruck zu bringen, die Gott ihm gab, als er ihn nach seinem Abbild schuf. Wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio schrieb: „Die Entwicklung eines Volkes ereignet sich in erster Linie weder durch Geld noch durch materielle Hilfe und auch nicht durch technische Strukturen, sondern vielmehr durch die Formung der Gewissen, durch das Reifen der Einstellungen und Gebräuche. Der Mensch ist Hauptfigur der Entwicklung, nicht das Geld und nicht die Technik“ (Nr. 58). 8. Die brüderlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen in Madagaskar belegen eure Bemühungen um eine großherzige und zukunftsweisende Antwort auf die Bitte des Herrn: „Alle sollen eins sein“ (,Joh 17,21). Diese Kontakte konkretisieren sich vor allem durch die Stellungnahmen des Rates der christlichen Kirchen von Madagaskar, der sich wiederholt für die Förderung der Gerechtigkeit und der umfassenden Entwicklung des Menschen im Leben der Nation ausgesprochen hat. Es ist sehr wichtig, die Suche nach Einheit unter den Christen in einer vom Evangelium inspirierten Zusammenarbeit voranzutreiben, die ein wahrhaftes gemeinsames Zeugnis für Christus und ein Mittel zur Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen sein soll. Auf diesem langen Weg, der zur vollen Gemeinschaft unter Brüdern führt, müssen sich alle zusammen Christus zuwenden. Darüber hinaus spielt das Gebet eine besondere Rolle, um vom Herrn die Bekehrung der Herzen und die Einheit der Jünger Christi zu erhalten. Um den Bedürfnissen einer loyalen Zusammenarbeit noch besser gerecht zu werden, ist es unentbehrlich, dass die Gläubigen bereit sind, ihren Brüdern in einem Geist der Wahrheit zu begegnen, ohne die Unterschiede zu verhehlen, die uns noch von der vollen Gemeinschaft trennen (vgl. Päpstlicher Rat 923 AD-LIMINA-BESUCHE für die Einheit der Christen, Direktorium zur Ausfiihrung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, 1993). Außerdem ist es wünschenswert, dass konfessionsverschiedene Paare mit einer den Bedürfnissen angepassten Seelsorge und in einem Geist ökumenischer Aufgeschlossenheit unterstützt werden. Trotz der Probleme, die dabei auftreten können, werden sie durch die Liebe, die sie gegenüber dem Ehepartner und den Kindern zeigen, zu wahren Erbauern der Einheit. 9. Liebe Brüder im Bischofsamt! Zum Abschluss dieses brüderlichen Treffens möchte ich euch erneut auffordem, voll Vertrauen weiterzuarbeiten. In diesem Jahr, das dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Gegenwart in der Gemeinschaft der Jünger Christi gewidmet ist, lade ich die Katholiken Madagaskars ein, die Zeichen der Hoffnung zu erkennen, die es in ihrem eigenen Leben und im Leben der Welt gibt. Sie sollen „ihre Hoffnung auf die endgültige Ankunft des Reiches Gottes [beleben], die sie Tag für Tag in ihrem Herzen, in der christlichen Gemeinschaft, der sie angehören, in dem sozialen Umfeld, in das sie hineingestellt sind, und so auch in der Weltgeschichte vorbereiten“ (Tertio millennio ad-veniente, Nr. 46). Ich empfehle euch, die Mitglieder eurer Diözesen und das ganze madagassische Volk, der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria und der sei. Victoire Rasoa-manarivo, die die geistige Qualität des Laientums in eurem Land so wunderbar zum Ausdruck gebracht hat. Von ganzem Herzen erteile ich allen den apostolischen Segen. Vielfältiger Einsatz der Laien für das Evangelium Ansprache beim Ad-Limina-Besuch der Bischöfe von Neuseeland am 21. November Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Im Frieden des auferstandenen Herrn begrüße ich euch, die Bischöfe von Neuseeland, zu eurem Ad-Limina-Besuch, der von besonderer Bedeutung und Intensität ist, da er mit eurer Teilnahme an der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien zusammenfällt, deren Mittelpunkt Christus ist, das Licht der Nationen und die Hoffnung jedes Volkes und jedes Zeitalters. Ihr und eure bischöflichen Mitbrüder aus Australien, den Pazifikinseln, Papua-Neuguinea und den Salomoninseln habt euch versammelt, um darüber nachzudenken, was es auf der Schwelle des dritten Jahrtausends heißt, „seinen Weg gehen, seine Wahrheit verkünden und sein Leben leben“. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, dass diese Tage euch große Freude und Ermunterung bringen werden, in dem Bewusstsein, dass durch die Gnade Jesu Christi „ihr ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche 924 AD-L1M1NA-BESU CHE Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk seid, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (vgl. 1 Petr 2,9). Ein ganz besonders bedeutsamer Aspekt eures Ad-Limina-Besuches ist euer Gebet an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, deren Andenken in dieser Stadt die gesamte Kirche stets daran erinnert, was es heißt, dem Herrn in tiefer Treue ergeben zu sein. Es verdeutlicht den Nachfolgern der Apostel auf ganz besondere Art und Weise, wie viel der Herr von ihnen fordern kann. Als Bischöfe denkt ihr hier erneut über euer Dienstamt nach und wie viel Einsatzbereitschaft, Opfersinn und oft auch Leid es um des Evangeliums willen erfordert. In der Tat lehren wir ein großes Paradoxon: wie der hl. Paulus sagt, „verkündigen wir Christus als den Gekreuzigten“ (vgl. 1 Kor 1,23) und erklären: „Denn, wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 16,25). Das Kreuz Jesu Christi ist die Quelle der Gnade, die uns Kraft gibt; die Quelle unserer Gemeinschaft. Erst dem prägenden Beispiel seines Todes nachfolgend (vgl. Phil3,l0) konnten Petrus und Paulus ihre Meinungsverschiedenheiten überwinden (vgl. Gal 2,11-21) und jene Einheit bekräftigen, die sie schließlich veranlasste, einstimmig jene Liebe zu verkünden, die alle Gegensätze überwindet. Als älterer Bruder bestärke ich euch, Mut zu fassen und, dem Beispiel der Apostel folgend, mit neuem Glauben und neuer Liebe weiterzugehen und das zu tun, was Christus von euch für das Wohl jener verlangt, die er mit dem Blut des Kreuzes erlöst hat. 2. Ohne tiefe und andächtige Reflexion über das Opfer Christi auf Golgotha werden wir nie wirklich die Beziehung zwischen der Kirche und der Welt verstehen. Dieses zentrale Thema des II. Vatikanischen Konzils, das in diesen Synodentagen intensiv in unserem Geist und unseren Herzen gegenwärtig ist, wenn wir gewissermaßen erneut jene große Gnade der Gemeinschaft und Brüderlichkeit erleben, die damals die Konzilsväter teilten. Nach der Zerstörung zweier Weltkriege und in einer durch die Tragödien von Auschwitz und Hiroshima erschütterten Welt suchten die Konzilsväter nach neuen Kräften, den Gnadengaben des Heiligen Geistes für eine neue Evangelisierung. Es sollte nicht vergessen werden, dass das Konzil um einen intensiveren Einsatz für die Sendung der Kirche bemüht war, ein Ziel, das in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen hat. Stets wirft die Aufgabe der Evangelisierung die Frage nach der Beziehung zwischen Kirche und Welt auf, die von wesentlicher, ja entscheidender Bedeutung für euer Dienstamt in der Kirche Neuseelands ist. Eure Sorge muss es sein, im Kontext einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft neue Evangelisierungsimpulse zu geben und zu lenken. Diese Verweltlichung der Gesellschaft ist ein komplexes Phänomen und nicht ohne positive Aspekte; es kann aber zu einer Situation führen, in der die christliche Gemeinschaft selbst verweltlicht wird und die Trennung zwischen Kirche und Welt nicht mehr klar zu erkennen ist. Das Konzil betonte, dass der kirchliche Dialog mit der Kultur sehr 925 AD-LIMINA -BES U CHE ernst zu nehmen ist. Das bedeutet aber nicht, dass Kultur als derart absolut gesehen werden sollte, dass ihr, wie es der Fall war, erlaubt wird, kirchliche Angelegenheiten weitgehend zu bestimmen. Wenn das geschieht, haben wir das, was der Diener Gottes, Papst Paul VI. in seiner ersten Enzyklika als ,Anpassung an den Geist der Welt“ bezeichnete, der, wie er betonte, „die Kirche nicht beleben und auf die Macht und Stärke der Gnadengaben des Heiligen Geistes vorbereiten kann“; nicht er ist es, der „die Kirche in ihrer Nachfolge Christi stark macht“; und „den Wunsch nach brüderlicher Barmherzigkeit schürt oder eine bessere Vermittlung der Heilsbotschaft ermöglicht“ (vgl. Ecclesiam suam, Nr. 51). Keine menschliche Kultur kann dem Kreuz Jesu Christi voll entsprechen, das uns stets daran erinnert, dass die Unterscheidung zwischen Kirche und Welt paradoxerweise die wesentliche Voraussetzung für den Dialog mit der Kultur ist, zu dem das Konzil aufgerufen hat. 3. Dieses Paradoxon ist zutiefst in der Bibel verwurzelt, in ihrer tiefgründigen und kraftvollen Theologie göttlicher und menschlicher Heiligkeit. Das alte Testament stellt klar heraus, dass Israel heilig sein soll, da Gott selbst heilig ist (vgl. Lev 19,2). Das bedeutete, dass Israel anders sein musste, denn auch Gott ist unendlich anders als die Welt, wie die Bibel bei der Formulierung ihrer Lehre der göttlichen Transzendenz eindeutig hervorhebt. Aber dieses Anderssein Israels ist kein Anderssein um seiner selbst willen; es ist weder nach innen noch nach außen gerichtet. Ebenso wie Gott alles „gut“ machen kann (vgl. Gen 1,31), weil er über die Schöpfung erhaben ist, so muss auch Israel des Dienstes willen anders sein. Ebenso wie die unendliche Erhabenheit Gottes die Weitergabe vollkommener Liebe ermöglicht, die im Ostergeheimnis Christi ihren Höhepunkt erreicht, so erfordert die Heiligkeit des Gottesvolkes, aus der Sicht der Bibel, kritische Freiheit gegenüber der Kultur und den Kulturen, die uns umgeben, denn sie bietet die Möglichkeit für den wahren und aufrichtigen Dienst an der Menschenfamilie. Das, was im alten Testament für Israel zutraf, gilt auch für die Kirche des neuen Testaments und selbst die der heutigen Zeit. Die Kirche erscheint und ist in vieler Hinsicht anders; aber diese Unterschiedlichkeit existiert nur des Dialogs und Dienstes willen - in anderen Worten, der Evangelisierung willen. Gelegentlich hat das Konzil Handlungen rechtfertigen müssen, die eigentlich mit seinen Zielen unvereinbar waren, da sie die von ihm angestrebte Neuevangelisierung erschwerten oder gar verhinderten. Das Problem im Hinblick auf die „Anpassung an den Geist der Welt“ ist, dass die Einzigartigkeit und transzendente Natur der Kirche durch die irrige Annahme angegriffen werden, dass Dialog und Dienst eben eine solche Anpassung erfordern, obwohl effektiv das Gegenteil der Fall ist. Diese allgemeine Überlegung lässt sich auch auf gewisse spezielle Aspekte des heutigen kirchlichen Lebens in Neuseeland übertragen. 4. Einer der wichtigsten unter ihnen ist der Bereich des katholischen Erziehungswesens. Zweifellos haben die katholischen Schulen eures Landes nicht nur den 926 AD-LIMINA-BES V CHE Katholiken selbst, sondern der ganzen Gesellschaft einen hervorragenden Dienst erwiesen. Sie gehören zu den großen Errungenschaften der Evangelisierungsgeschichte eures Landes und wir dürfen nicht versäumen, all denjenigen zu danken, insbesondere den Ordensmännem und -frauen, die durch ihre vorzügliche Arbeit eure katholischen Schulen zu jener vorrangigen Einrichtung gemacht haben, die sie heute sind. Wahr ist auch, dass es Aufgabe der katholischen Schulen ist, ein bestimmtes Erziehungsideal zu verwirklichen, im vollen Einklang mit der katholischen Lehre und zur Vertiefung des Glaubens und der Einsatzbereitschaft aller Beteiligten. Wenn sie sich nicht von anderen Schulen unterscheiden würden, könnten sie wohl kaum die ihnen gewidmeten Mittel rechtfertigen, da sie ihrer angemessenen Rolle im kirchlichen Leben nicht gerecht werden. Die speziell religiöse Erziehung katholischer Schulen muss allumfassend, systematisch und tiefgreifend sein, eingehende Kenntnisse des katholischen Glaubens und der katholischen Sitten- und Soziallehre vermitteln. In dieser Hinsicht bleibt der Katechismus der katholischen Kirche ein Anhaltspunkt nicht nur für die Bischöfe als erste Glaubensvermittler, sondern auch für die Priester und Lehrer, die mit ihnen Zusammenarbeiten. Damit ihre Schüler die Liebe Gottes erfahren können, müssen die katholischen Schulen die ersten Schritte auf dem lebenslangen Weg des Gebets lehren, jenes kontemplativen Abenteuers, das zur Freundschaft mit Christus führt, die Liebe zur Kirche aufrecht erhält und Hoffnung gibt auf den ewigen Bund mit Gott. Die Besonderheit der katholischen Schule geht jedoch über Katechese und Religionsunterricht hinaus; sie berührt jeden Aspekt der Erziehung und vermittelt jenen wahren christlichen Humanismus, der der Kenntnis Christi und der Liebe zu ihm entspringt. Eine solche Erziehung ermöglicht den Jugendlichen, das Wunder der menschlichen Würde und den höchsten Wert des menschlichen Lebens anzuerkennen. Sie hilft ihnen, sich jener Wahrheit bewusst zu werden, über die ich in meiner letzten Enzyklika Fides et ratio nachgedacht habe: Glaube braucht Vernunft, wenn er nicht zu Aberglauben werden soll und Vernunft braucht Glauben, um vor endloser Enttäuschung bewahrt zu bleiben, denn der Mensch ist für eine absolute und universale Wahrheit geschaffen - die Wahrheit Gottes - eine Wahrheit, der wir sicher sein können. Nur durch die Erkenntnis der Wahrheit kann die menschliche Seele Ruhe finden, insbesondere in dieser zutiefst ruhelosen Zeit, die die Jugend oft verleitet, Unterhaltung mit Freude und Information mit Weisheit zu verwechseln. Schließlich sollte die speziell katholische Identität eurer Schulen nicht nur an ihren zweifellos wichtigen äußeren Kennzeichen erkennbar sein, sondern vor allem an ihrer Fähigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität, und die auf der tiefen und immer währenden Liebe zu Christus und seiner Kirche gründende wahre Heiligkeit des Lebens zu lehren. 5. Ein notwendiger konstruktiver Unterschied kann auch darin gesehen werden, wie die Berufung von Priestern und Laien mit dem Leben und der Sendung der Kirche verbunden sind, was wiederum wichtige Auswirkungen auf die Seminar- 927 AD-LIMINA -BESUCHE ausbildung hat. Die Tendenz, die theologische Grundlage dieses Unterschieds zu verdecken, kann zu einer falsch verstandenen Klerikalisierung der Laien und zu einer Laisierung des Klerus führen. Natürlich ist es für den Klerus möglich, auf falsche und verderbliche Art und Weise abgesondert zu sein, was zu einem Klerikalismus führt, der mit Recht abgelehnt werden muss. Aber nun ist klar, dass, wo der wesentliche Unterschied zwischen der Berufung zu geistlichen Berufen und der zum Laiendienst ignoriert wird, die Berufungen zum Priestertum fast vollkommen untergehen, und das entspricht sicherlich weder dem Willen Christi noch dem Werk des Heiligen Geistes und war keineswegs die Absicht des Konzils, als es für eine größere Beteiligung der Laien am kirchlichen Leben plädierte. Das Konzil beabsichtigte vor allem den Einsatz von Laien im Bereich der Familie, des Handels, der Politik, des geistigen und kulturellen Lebens - die dem spezifischen Gebiet der Sendung der Laien entsprechen. Das Konzil betonte daher den grundlegend weltlichen Charakter der Laienberufung (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31, vgl. auch Evangelii nuntiandi, Nr. 70, Christifideles laici, Nr. 17). Das bedeutet nicht, dass Laien keinen besonderen Platz oder Tätigkeitsbereich im Leben der Kirche „ad intra“ haben: viele pastorale, liturgische, erzieherische und ausbildungsmäßige Aufgaben gehören zweifellos zu ihren Kompetenzen. Doch vor allem sollte sich die Berufung der Laien auf den weltlichen Einsatz konzentrieren, während der Priester durch seine Weihe zum Hirten, Lehrer und Leiter des Gebets und des sakramentalen Lebens innerhalb der Kirche bestimmt ist. In erster Linie entspricht es seiner Weihe und Aufgabe in den Sakramenten an Christi statt zu handeln. In brüderlicher Zuneigung grüße ich durch euch von ganzem Herzen eure Priester und lade sie ein, „die Gnade Gottes wieder zu entfachen, die euch durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist“ (vgl. 2 Tim 1,6), damit der Übergang in ein neues Jahrtausend wahrlich eine Zeit der Gnade - ein neuer geistiger Frühling -für sie und die Menschen werde, denen sie dienen. 6. Strukturelle und konstruktive Unterschiede betreffen auch die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Eine falsch verstandene Irenik kann eine Gefährdung jener ökumenischen Aufgabe sein, die dem II. Vatikanischen Konzil vorschwebte, als es sich, der Anregung des Heiligen Geistes folgend, für die Verwirklichung der Einheit einsetzte. Es ist natürlich wichtig, das hervorzuheben, was wir teilen, aber ein wirklich ökumenischer Dialog, dessen Notwendigkeit ich so oft betont habe, erfordert, dass wir im Bewusstsein der grundlegenden Unterschiede an diesen Dialog herangehen und bereit sind, sie mit möglichst großer Klarheit und Nachsicht vorzubringen und zu erörtern. Auch hier kann eine oberflächliche Haltung nur zum Gegenteil von dem führen, was das Konzil bezweckte; sie kann nicht zu jener wahren und dauerhaften Einheit führen, für die Christus gebetet hat (vgl. Joh 17,11). Den größten Dienst, den die Katholiken dem ökumenischen Dialog erweisen, ist die treue Wahrung der ihnen eigenen Identität. Diese paradoxe Wahrheit erfordert gelegentlich schwierige Entscheidungen, wie ihr aufgrund eu- 928 AD-LIMINA-BES UCHE rer jüngsten Erfahrungen sehr wohl wisst, aber es gibt keinen anderen Weg, der zu der im trinitarischen Leben verwurzelten Einheit führt. 7. All unsere Reflexionen über Heiligkeit, die notwendige Trennung des Dienstes willen, über die Wahrung der besonderen Eigenart des Dialogs willen machen uns schließlich mehr und mehr die Dringlichkeit eines erneuerten Gebets- und Kontemplationsgeistes bewusst. Die Neuevangelisierung gründet auf der Vertiefung des geistigen Lebens, in dessen Mittelpunkt die Kontemplation und Verehrung der Heiligsten Dreifaltigkeit steht - das große Mysterium Gottes, in dem die Unterscheidung der Personen vollkommene Einheit ist: O Trinitas unitatis! 0 Unitas trinitatis! Wenn sich das Gottesvolk des göttlichen Geheimnisses und der erlösenden Gegenwart Gottes in menschlichen Angelegenheiten klar bewusst ist, wird es auch die Dringlichkeit des Befehls Christi erkennen, allen Völkern das Evangelium zu verkünden (vgl. Mt 28,19). Möget ihr in euren Diözesen und Pfarrgemein-den systematisch nach neuen Erfahrungen des christlichen Gebetes und der Kontemplation suchen: alle Getauften sind zur Heiligkeit berufen, denn Gott selbst ist heilig. Die bereits bestehenden kontemplativen Gemeinschaften in Neuseeland können als Beispiel und Inspiration dienen. Liebe Brüder im Bischofsamt, möget ihr, angesichts der zahlreichen Verantwortungen eures Dienstamtes, stets auf den Heiligen Geist vertrauen, der sich unserer Schwachheit annimmt (vgl. Röm 8,26). Möge der Geist Gottes über Aotearoa, dem Land der langen weißen Wolke, wehen und ihm jene Kräfte einflößen, die die Kirche in Neuseeland braucht, wenn sie in Wahrheit und Freude das große 2000-jährige Jubiläum feiern und ihren einzigartigen Dienst an den Menschen eures Landes erfüllen will. Der liebevollen Fürsorge Marias, die in den Himmel aufgefahren ist, vertraue ich das gesamte Hauswesen Gottes in Neuseeland an und erteile von ganzem Herzen euch, euren Priestern, den Ordensleuten und Christgläubigen meinen Apostolischen Segen. Der besondere Dienst des Priesters in der liturgischen und sakramentalen Verkündigung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Niederlande am 18. Juni Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, euch, die ihr Hirten der Kirche Christi in den Niederlanden seid, in diesem Haus zu empfangen. Ihr macht euren Ad-limina-Besuch beim Nachfolger des Petras, dem „immerwährenden, sichtbaren Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Diese Zeit in Rom ist für euch auch eine Zeit der Gnade. Die Möglichkeit wurde euch angeboten, um intensivere gegenseitige Beziehungen aufrecht zu hal- 929 AD-LIMINA-BESUCHE ten. Ich bitte den Herrn, euch zu begleiten, damit eure Begegnungen mit meinen Mitarbeitern in den einzelnen Dikasterien der Römischen Kurie und unter euch Gelegenheiten zur Vertiefung und Festigung des „affectus collegialis“ seien. Sie mögen euch helfen, euren apostolischen Dienst immer mehr in vertrauensvoller Zusammenarbeit zu erfüllen, in eurer Bischofskonferenz um den versammelt, den ihr als Vorsitzenden gewählt habt, und euch gegenseitig in den Aufgaben eurer einzelnen Diözesen zu unterstützen. Denn ihr habt ja teil an der „Verantwortlichkeit der Bischöfe für die Weltkirche und ihren Auftrag, in affektiver und effektiver Gemeinschaft um Petrus“ geschart. (Ansprache zum Abschluss der 8. Bischofssynode, 27. Oktober 1990, Nr. 1; DAS, 1990, S. 1103). Ihr macht eine Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, den Pfeilern der Kirche, um eure Hoffnung und eure apostolische Dynamik zu erneuern, damit ihr das eurer Hirtensorge anvertraute Gottesvolk immer intensiver belehren und ihm die Frohe Botschaft verkündigen könnt. Ich bitte den Heiligen Geist, dass er euch im Glauben feststehend erhalte, damit ihr in der schwierigen Zeit, welche die Kirche in eurem Land durchmacht, mit Eifer und Vertrauen das Bischofsamt und die Autorität als einen Dienst an der Einheit und an der Gemeinschaft ausüben könnt. Ich danke Kardinal Adrianus Johannes Simonis, eurem Vorsitzenden, für seine Worte, die einige markante Aspekte des sozialen und kirchlichen Lebens in den Niederlanden hervorgehoben haben. 2. In euren Fünfjahresberichten habt ihr mich an euren Hauptsorgen hinsichtlich des priesterlichen Dienstes teilnehmen lassen, der bei euch noch eine tiefe Identitätskrise durchmacht. Ich weiß, dass die Diözesanpriester in eurem Herzen einen besonderen Platz einnehmen, denn „um einen Teil der Herde des Herrn zu weiden [...] bilden sie ein einziges Presbyterium und eine einzige Familie, deren Vater der Bischof ist“ (Christus Dominus, Nr. 28). In erster Linie bitte ich euch, den Priestern eurer Diözesen meine vertrauensvolle Zuneigung zu übermitteln und meine Ermutigung zu dem Dienst, den sie mit Sorgfalt erfüllen. Ich bezeige ihnen meine Ehrerbietung für ihren unermüdlichen Einsatz und für die Mühen, die sie in oft schwierigen Situationen auf sich nehmen. Trotz ihrer geringen Anzahl und ihrer immer mehr aufreibenden Aufgaben sind sie bereit, die Last eines jeden Tages auf sich zu nehmen und mit Herz und Seele sich dem Dienst zu widmen, den Christus und seine Kirche ihnen anvertrauen. Um sich ihrer Sendung stets mit Freude bewusst zu sein und sie ebenso zu bewahren, ist es vor allem wichtig, dass die Diener des Herrn ihr geistliches Leben stärken, besonders durch das tägliche Gebet, „das Heilmittel der Erlösung“ (Hl. Paulinus v. Nola, Briefe 34, 10), und durch die tiefe Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie. Sie müssen für den Priester den Mittelpunkt des Tages bilden (vgl. Prinzipien und Normen der Liturgie des Stundengebetes, 1). Ebenso bildet der regelmäßige Empfang des Sakramentes der Busse und Versöhnung, das im Sünder die Gnade und die Freundschaft mit Gott wiederherstellt, für den Priester eine Hilfe, auch seinen Brüdern und Schwestern die Vergebung zu vermitteln. 930 AD-LIMINA -BES U CHE Es handelt sich hier um unentbehrliche Nahrung für die Jünger Christi und noch mehr für die, die den Auftrag erhalten haben, das christliche Volk zu leiten und zu heiligen. Ich möchte auch dringend auf die Notwendigkeit hinweisen, das Stundengebet würdig zu verrichten und sich Zeit zum täglichen Gebet zu nehmen, denn „wer das Stundengebet mitfeiert, trägt zum Wachstum des Volkes Gottes durch ein Tun bei, das in geheimnisvoller Weise apostolisch fruchtbar wird“ {Allgemeine Einführung in das Stundengebet, 18). Dadurch hält der Priester die Gabe Gottes in sich lebendig, bereitet sich auf seine Sendung vor, stärkt seine priesterli-che Identität und baut die Kirche auf. Vor Gott nämlich wird der Priester sich der Berufung bewusst, die er empfangen hat, vor ihm erneuert er seine Bereitschaft zu der besonderen Sendung, die der Bischof ihm im Namen des Herrn übertragen hat, und zeigt so seine Verfügbarkeit für das Wirken des Heiligen Geistes, der alles wachsen lässt (vgl. 1 Kor 3,7). Die Priester sind berufen, durch ihre Unterweisung und das Zeugnis eines rechtschaffenen Lebens in Übereinstimmung mit der Verpflichtung, die sie am Tag ihrer Weihe auf sich genommen haben, freudige Zeugen Christi zu sein. Sie sind für euch „Söhne und Freunde“ (Christus Dominus, Nr. 16; vgl. Joh 15,15). Ihr müsst ihren geistlichen und intellektuellen Bedürfnissen gegenüber aufmerksam bleiben und sie zugleich daran erinnern, dass sie, auch wenn sie mitten unter den Menschen leben und, wie alle Gläubigen, dem modernen Leben Rechnung tragen, sich doch nicht dieser Welt angleichen dürfen, sondern ihr Leben mit dem Wort, das sie verkünden, und den Sakramenten, die sie feiern, in Übereinstimmung bringen müssen (vgl. Röm 12,2; Presbyterorum ordinis, Nr. 3). So sollen sie „das Mysterium Christi und das eigentliche Wesen der wahren Kirche“ (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 2) sichtbar werden lassen. Ermutigt sie zum persönlichen Gebet und dazu, sich in dieser Hinsicht gegenseitig zu unterstützen. Fordert sie auch auf, ihre für das geistliche und pastorale Leben notwendigen theologischen Kenntnisse unaufhörlich zu vertiefen. Wie können sie in der Tat das Evangelium verkünden und „Ausspender eines anderen als des irdischen Lebens“ {Presbytererum ordinis, Nr. 3) sein, wenn sie nicht dem Herzen Christi nahe bleiben, wie der Apostel, den Er liebte, und wenn sie sich nicht durch fortgesetzte Weiterbildung einen wahren Begriff vom Glauben zueigen machen? 3. Ich ermutige die Priester auch, ihre priesterliche Brüderlichkeit zu verstärken, besonders die zwischen den Generationen, vor allem durch das gemeinsame Gebet, das die gegenseitigen Beziehungen verbessert und hilft, sich gegenseitig in der Sendung zu unterstützen, ferner durch Dialog, Freundschaft, und Teilen der pastoralen Aufgaben. Diese Brüderlichkeit bildet einen unvergleichlichen Reichtum für die Priesterschaft. Ihr eurerseits bemüht euch, die harmonische Zusammenarbeit aller zu fördern. Das trägt gewiss dazu bei, die Dynamik der Kirche zu stärken. Alle, Priester und Laien, müssen vor allem jungen Priestern besondere Aufmerksamkeit schenken, um ihnen bei den ersten Schritten in ihrem Dienst zu helfen, auch wenn ihre Art, das Priestertum zu betrachten, nicht unmittelbar mit 931 AD-LIMINA-BES U CHE der Art übereinstimmt, wie ihre Vorgänger sie gelebt haben. Die Wirklichkeit des Priestertums und der Kirche geht über besondere pastorale Methoden und Praktiken hinaus. Meine Gedanken gehen auch zu den alten Priestern. Zusammen mit ihnen danke ich für alles, was sie in Treue vollbracht haben. Mögen sie bereit sein, solange ihre Kräfte es noch zulassen, einen Hilfsdienst auf sich zu nehmen und mit ihren brüderlichen Ratschlägen und mit der Weisheit, die sie ihrer Erfahrung verdanken, den Jüngeren zur Seite sein, denen zu Recht schon schwerere kirchliche Verantwortungen übertragen werden! Der Dienst Christi kann durchaus nicht mit einer Berufstätigkeit verglichen und unter den gleichen Bedingungen wie diese beendet werden. 4. Ich möchte auch an die wichtige Rolle erinnern, die der Priester in der Katechese und der Glaubensunterweisung in allen Lebensphasen der Gläubigen und ihrer Erspürung der Sakramente spielt. Er muss für eine dynamische Jugendpasto-ral sorgen. Die Kinder und Jugendlichen auf ihrem Weg Christus entgegen führen, ist eine Sendung von großer Bedeutung. Sie wirkt sich auf das Leben der zukünftigen christlichen Männer und Frauen aus. Die örtliche christliche Gemeinschaft wird auf der Glaubensunterweisung aufgebaut. Es ist darum wichtig, dass die Priester, vor allem jene, die durch ihre theologischen und pastoralen Kompetenzen zu diesem wesentlichen Aspekt kirchlicher Sendung geeignet sind, die Katechisten unterstützen und mit ihnen Zusammenarbeiten. Euch kommt es zu, euch um die Ausarbeitung neuer, gediegener katechetischer Methoden zu bemühen, mit großer pädagogischer Sorgfalt und besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich der eurem Land eigenen Kultur, um den Priestern und den Laien die erforderlichen Werkzeuge und die notwendigen Handbücher für eine dem Glauben der Kirche getreue Unterweisung anzubieten. Der Katechismus der Katholischen Kirche liefert in diesem Sinn die lehramtsmäßigen Normen zur Annahme. Ich fordere also die Priester und die Laien auf, sich in erneuerter Weise für diesen Dienst an der Jugend einzusetzen, mit dem Ziel, sie zur Begegnung mit der Person Christi zu bringen. Sie werden entdecken, was der Herr in den Herzen der Kinder vollbringt, wenn sie die lebenslang bleibende Saat des ewigen Lebens hineinsäen. Um die Überzeugung wach zu halten, dass ihr Anteil wichtig ist, mögen die Erzieher sich in dieser Hinsicht des Wortes von Kardinal John Henry Newman bewusst bleiben, das erkennen lässt, was ihn in seiner Kinderzeit nachhaltig beeindruckt hat: „Die Anwesenheit Gottes bemerken wir nicht in dem Augenblick, in dem er bei uns ist, sondern erst später, wenn wir zurückschauen auf das, was endgültig vorbei ist“ (Parochial andplain Sermons IV, 17). 5. Um der Kirche von morgen willen müssen die Bischöfe stets der Ausbildung der Seminaristen besondere Aufmerksamkeit widmen. Daher habt ihr es als notwendig erachtet, eure Seminare neu zu ordnen. Einige von euch haben große Anstrengungen unternommen, um neue Diözesanseminare zu schaffen. Messt weiter- 932 AD-LIMINA -BES U CHE hin der Berufungspastoral große Bedeutung bei. Alle Gläubigen müssen daran beteiligt sein. Wie sollen die Jugendlichen die rufende Stimme Christi erkennen, wenn die Kirche sie nicht durch Priester und Laien vermittelt, und wenn sie nicht das Glück erkennen lässt, das darin liegt, dem Herrn zu dienen? Wacht auch über die rechte Unterscheidung bei der Aufnahme der Kandidaten und über deren fortschreitendes menschliches Reifen: Ihr kennt die persönlichen und familiären Schwierigkeiten, die die Jugendlichen im Lauf der letzten Jahrzehnte durchgemacht haben. Es ist also notwendig, sie in ihrem geistlichen und kirchlichen Wachsen zu begleiten, damit sie sich in der inneren Freiheit und menschlichen Ausgeglichenheit, die der priesterliche Dienst erfordert, verpflichten können. Beachtet also auch die Qualität der geistlichen Ausbildung und der Pläne für die intellektuelle - philosophische, theologische und moralische - Ausbildung, damit die zukünftigen Priester imstande sind, das Evangelium in einer Welt zu verkünden, in der subjektivistische Strömungen und ausschließlich wissenschaftliche Argumentationen oft an die Stelle einer gesunden Anthropologie treten und dem Leben unabhängig von Gott Sinn zu geben suchen. So werden sie auf die Fragen, die in der öffentlichen Meinung diskutiert werden, und die Behauptungen, die Wahrheit und Aufrichtigkeit zu verwirren drohen, angemessen Antwort geben können. Die weisen Regeln, die in der Ratio institutionis sacerdotalis gegeben sind, zeigen sich besonders nützlich für die Struktur der Ausbildung zum Priestertum. In einer Gesellschaft, in der das christliche Leben und der Zölibat manchmal als Hindernisse für die Entfaltung der Person betrachtet werden, ist es von Nutzen, die Jugendlichen zu Askese und Selbstbeherrschung als Quellen inneren Gleichgewichts zu erziehen. Es mag sein, dass Familien beunruhigt sind, wenn sie sehen, dass Söhne oder Töchter alles verlassen, um Christus nachzufolgen. Es ist also nötig, sie „über die dem Zölibat eigenen evangelischen, spirituellen und pastoralen Motivationen zu unterweisen, so daß sie den Priestern durch Freundschaft, Verständnis und Zusammenarbeit behilflich sein können“ (Pastores dabo vobis, Nr. 50). Die gesamte kirchliche Gemeinschaft möge die Größe und Schönheit der Hingabe seiner selbst im freiwillig aus Liebe zum Herrn erwählten Zölibat sichtbar machen als „Wert [...] der tief mit der heiligen Weihe verbunden ist“ (ebd., Nr. 50), wie auch eure Bischofskonferenz in einem Pastoralschreiben im März 1992 gesagt hat! Das tut dem Leben des Laien und der Ehe natürlich keinen Abbruch! 6. Obgleich in den meisten eurer Diözesen gering an Zahl, nehmen die in der Pas-toral aktiven Laien zahlreiche Verpflichtungen auf sich, in Zusammenarbeit mit den Hirten der Kirche, den Bischöfen, Priestern und Diakonen, die als geweihte Diener die Aufgabe haben, das Volk Gottes im Namen Christi, des Hauptes, zu lehren und zu leiten (vgl. CIC, can. 1008). Ich freue mich über ihren tiefen „sensus Ecclesiae“, und ich möchte der Arbeit der Männer und Frauen, die auf den verschiedenen Gebieten des kirchlichen Lebens, besonders in der liturgischen Animation und im Begleiten von Jugendgruppen wichtige Funktionen ausüben, meine Ehrerbietung zum Ausdruck bringen. Viele von euch haben mir gegenüber ihre 933 AD-LIMINA-BES UCHE Sorge hinsichtlich der Entwicklung der Ehe- und Familienpastoral geäußert, um den destruktiven Ideologien, die die grundlegende Zelle der Gesellschaft bedrohen, und den immer mehr um sich greifenden subjektivistischen und auf sexuellem Gebiet äußerst liberalen Tendenzen entgegenzutreten. Ich ermutige in höchstem Grad die Christen, die Verantwortung in der Ehevorbereitung und in der Hilfe für Ehepaare und für Familien in Schwierigkeiten übernehmen und sich dabei ganz an die Lehre der Kirche halten. Überbringt allen Gläubigen eurer Diözesen meine herzlichen Grüße und meine Aufforderung, weiterhin ein aktiver Teil in der einen Sendung der Kirche zu sein (vgl. Christifideles laici, Nr. 25). In diesem Rahmen sind die Aufgaben, die Charismen, die Berufungen und Dienste verschieden und ergänzen einander. Es ist wesentlich, dass die christlichen Gemeinschaften die Rolle der Priester anerkennen, insbesondere ihre liturgischen und sakramentalen Funktionen, und die geltenden Normen beachten. Die Anerkennung der Besonderheit jeder Berufung ist das Zeichen der christlichen Reife und des Bewusstseins, das die Gläubigen von ihrer Berufung und von ihren besonderen Funktionen haben. „Diese haben ihre sakramentale Grundlage in Taufe und Firmung und vielfach auch in der Ehe“ (ebd., Nr. 23). Man darf in der Tat das Handeln der Laien nicht als einen Ersatz für die besondere Sendung der geweihten Priester ansehen. Man muss also auch der Rolle der Laien innerhalb der christlichen Gemeinschaft und in den menschlichen Bereichen Aufmerksamkeit schenken. In dieser Hinsicht könnte es angebracht sein, zu bedenken, was das II. Vatikanische Konzil im 4. Kapitel der Konstitution Lumen Gentium (Nm. 30 und 38) hinsichtlich der Rolle der Laien in der Kirche sagt. Ihre Verbundenheit mit Christus im Leib der Kirche verpflichtet sie zu bestimmten Handlungen im Dienst der Verkündigung des Evangeliums und für das Wachsen des Gottesvolkes, insbesondere zur aktiven Teilnahme am Leben der christlichen Gemeinschaft und ihrer Umwelt, wobei sie ihre Sendung erfüllen in der christlichen Beseelung der zeitlichen Angelegenheiten (vgl. ebd. Nr. 31; Apostolicam actuositatem, Nr. 7). In dieser Perspektive ist es die Pflicht der Hirten, ihnen eine gediegene Ausbildung im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben zukommen zu lassen. 7. Zögert nicht, die Laien daran zu erinnern, dass ihr Dienst in einem echten geistlichen Leben seine Grundlagen hat. Ihr habt betont, dass die Gläubigen zunehmend Interesse zeigen, in Klöstern Exerzitien zu machen und geistliche Leitung anzustreben. Mit Freude habt ihr auch eine zunehmende Zahl von Taufen und Firmungen Erwachsener festgestellt. Ladet das christliche Volk ein, unaufhörlich zu den Quellen des Lebens zu kommen durch die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier, die Nahrung für den Weg gibt und in der Christus durch seinen Leib und sein Blut wirklich gegenwärtig wird (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1375). Der Priester führt dabei den Vorsitz „im Namen und in der Person Christi, des Hauptes und Hirten“ (Pastores dabo vobis, Nr. 15). Die Messe baut die christliche Gemeinschaft auf. Diesbezüglich muss das christliche Volk sich ständig der Bedeutung der Pfarre als Zentrum des örtlichen kirchlichen 934 AD-LIMINA-BES U CHE Lebens bewusst sein. Fordert die Gläubigen auch auf, regelmäßiger das Sakrament der Buße und Versöhnung zu empfangen, das Gottes Gabe entdecken und uns barmherzig sein lässt gegen unsere Brüder und Schwestern. Die Beichte „ist für uns eine Hilfe, unser Gewissen zu bilden, gegen unsere bösen Neigungen anzukämpfen, uns von Christus heilen zu lassen und im geistigen Leben zu wachsen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1458). 8. In euren Fünfjahresberichten lasst ihr mich an eurer tiefen Besorgnis hinsichtlich der Zukunft der katholischen Unterweisung teilnehmen, deren Sendung die menschliche, sittliche und geistig-geistliche Formung der Kinder und Jugendlichen umfasst. Darin besteht ihr wirklich katholischer Charakter. Es ist wichtig, alles ins Werk zu setzen, damit die Kirche in der Kraft ihrer Tradition und ihrer Erfahrung ihren erprobten Erziehungsweg fortsetzen kann. Es ist Sache der rechtmäßigen Obrigkeiten, in vertrauensvollem Dialog mit den kirchlichen Verantwortungsträgem den Eltern die Möglichkeit zu geben, dass sie ungehindert die Erziehungsaufgabe erfüllen und die schulischen Einrichtungen wählen können, die sie als ihren Wertvorstellungen entsprechend ansehen, Werte, von denen sie natürlich wünschen, dass sie ihren Kindern vermittelt werden. Ich möchte auch die hervorragende Rolle der katholischen Universitäten im intellektuellen, wissenschaftlichen und technischen Bereich unterstreichen. In jeder beliebigen Materie müssen die Lehrenden bestrebt sein, den Studenten die anthropologischen und moralischen Werte vom katholischen Standpunkt aus zu übermitteln. In diesen Institutionen haben die Theologen die hervorragende Aufgabe, durch eine dem christlichen Dogma und der christlichen Moral getreue, auf die Offenbarung und das kirchliche Lehramt gegründete Unterweisung und im Dialog mit den anderen akademischen Disziplinen die Tiefe der göttlichen Geheimnisse darzulegen (vgl. Dei Verbum, Nr. 10; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen, 24.5.1990). Vor allem obliegt es ihnen, im gelegenen oder nicht gelegenen Augenblick an die grundlegenden Prinzipien der Achtung vor dem menschlichen Leben zu erinnern. Daher ist von ihnen gänzliche Treue zum kirchlichen Lehramt verlangt, da sie ja „im Namen der Kirche lehren“ (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 67). Die theologische Unterweisung darf sich also nicht auf eine lediglich persönliche Reflexion beschränken; sie steht im Dienst der Wahrheit und der Gemeinschaft. Ein Theologe, der in seiner Unterweisung nicht mit dem Lehramt der Kirche übereinstimmt, kann der Universität nur Schaden zufügen, wenn er die Gläubigen irre leitet und die Kirche verletzt. 9. Ihr habt mir eure Besorgnis geäußert hinsichtlich der Zukunft des Ordenslebens in eurem Land, da es an Berufungen fehlt und die Mitglieder der verschiedenen Institute schon vorgerückten Alters sind. Ich betraue euch vor allem mit der Aufgabe, den Ordensmännem und Ordensfrauen zu sagen, dass die Kirche auch heute noch voll Vertrauen und Hoffnung in besonderer Weise auf sie zählt. Diese fordert sie auf, unaufhörlich den Ruf des Herrn weiterzugeben, mit Mut und Treue die 935 AD-UMINA-BESUCHE evangelischen Räte zu leben und nicht zu rasch die wichtigen Gebiete der Pastoral aufzugeben, insbesondere die Erziehung, die die Übermittlung menschlicher und christlicher Werte an die Jugend ermöglicht, aber auch den Gesundheitsdienst und die Hilfen für alte Menschen und Arme. Mögen die Verantwortlichen der Ordensinstitute in Verbindung mit den Bischöfen weiterhin aktiv am pastoralen Leben teilnehmen! Überbringt meine herzlichen Grüße auch den Instituten kontemplativen Lebens. Sie spielen eine wesentliche Rolle, denn „sie geben der kirchlichen Gemeinschaft ein einzigartiges Zeugnis der Liebe der Kirche zu ihrem Herrn und tragen [...] zum Wachstum des Volkes Gottes bei“ (Vita consecrata, Nr. 8). Ihre Häuser, die Gastfreundschaft und geistliche Zurückgezogenheit gewähren, sind wertvoll für die Hirten und für die Gläubigen, die so in Einsamkeit und Schweigen eine Zeit der Ruhe und Erneuerung beim Herrn finden können, um dann erneut wieder ihrer Sendung nachzukommen. In einer Zeit, in der die Berufungen seltener werden, ist es wichtig, dass die ganze Kirche besser den Wert des geweihten Lebens erkennt. 10. In diesem dem Heiligen Geist geweihten Jahr, in dessen Verlauf wir alle eingeladen sind, uns auf das Große Jubiläum vorzubereiten, erneuert die Kirche unaufhörlich ihr Gebet zu dem, den der Herr seinen Aposteln verheißen und geschenkt hat, um den mystischen Leib Christi zu leiten und aufzubauen. Wenn wir der empfangenen Sendung treu bleiben, werden wir sicher sein können, dass Gott nie sein Volk verlässt. Er wird ihm seine Gnade geben und die Mittel, um seine Sendung in der Welt sicherzustellen. Im Glauben an die göttliche Fürsorge vertraue ich euch der Fürsprache der Heiligen eures Landes und der Jungfrau Maria, Mutter Christi und Mutter der Kirche, an. Zu ihr, unserer Beschützerin und Führerin, müssen wir beständig unsere Zuflucht nehmen. Von ganzem Herzen erteile ich euch und den Priestern, Diakonen, Seminaristen, Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien eurer Diözesen meinen Apostolischen Segen. Aufrichtiger Dialog in der Communio ohne innere Vorbehalte Ansprache beim Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe am 20. November Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen und mit jedem einzelnen von euch! Ich freue mich, euch anlässlich des Ad-limina-Besuches empfangen zu dürfen. Die Wallfahrt an die Gräber der Apostelfürsten ist ein bedeutsamer Augenblick im Leben eines jeden Bischofs. Denn sie bietet ihm die Gelegenheit, seine 936 AD-L1MINA -BES U CHE Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zum Ausdruck zu bringen und mit ihm die Sorgen und Hoffnungen zu teilen, die mit dem Bischofsamt verbunden sind. Der „affectus collegialis“ führt uns zum Gebet, zur Eucharistiefeier und zu den Begegnungen zusammen, um als Brüder über die seelsorglichen Probleme, die uns am meisten bedrängen, nachzudenken. Uns alle bewegt dabei der Wunsch, auf den Anruf des Herrn inmitten der Vielstimmigkeit der menschlichen Meinungen zu hören und auf diese Weise immer mehr dem zu entsprechen, was Er von uns erwartet. Der Nachfolger des hl. Petrus wurde mit der Sendung betraut, seine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32) und in der Kirche „sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (Lumen Gentium, Nr. 18) zu sein, für die übrigens alle Bischöfe gemeinsam mit ihm und jeder in eigener Weise verantwortlich sind. 2. Diese meine Hirtensorge hat mich erst vor wenigen Monaten gedrängt, euch Oberhirten und den euch anvertrauten Gläubigen in Österreich einen dritten Pasto-ralbesuch abzustatten. Bei dieser Gelegenheit habe ich eure Aufmerksamkeit auf ein Thema gelenkt, das gerade in der Kirche eures geschätzten Landes besonders drängend erscheint: der wahre Sinn des Dialogs in der Kirche. Während ich euch einige Kriterien an die Hand gegeben habe, die das Gespräch als geistliche Erfahrung auszeichnen, habe ich zugleich auf Gefährdungen hingewiesen, die den Dialog fruchtlos machen können. Ich legte damals besonderen Wert darauf, euch zu ermuntern, in der Kirche einen Heilsdialog aufzubauen: „Dieser steht für alle Beteiligten immer unter dem Wort Gottes. Deshalb setzt er ein Minimum an vorgängiger Kommunikationsbereitschaft und fundamentaler Gemeinsamkeit voraus. Es ist der lebendig überlieferte Glaube der Gesamtkirche, der für alle Partner die Grundlage des Dialogs bildet“ {Ansprache an die österreichischen Bischöfe in Wien am 21. Juni 1998, Nr. 7). 3. Ich bin froh, dass ihr den wahren Dialog in den euch anvertrauten Teilkirchen zum vorrangigen Anliegen eurer Hirtensorge gemacht und dabei versucht habt, alle Gläubigen einzubeziehen. Damit ist uns das Stichwort unserer heutigen Überlegungen gegeben. Ich möchte mit euch über die Communio nachdenken. Sie ist die Voraussetzung des Dialogs. Deshalb habe ich in meiner eben genannten Ansprache auf die Notwendigkeit einer „vorgängigen Kommunikationsbereitschaft und fundamentalen Gemeinsamkeit“ hingewiesen, damit ein konstruktiver Dialog Zustandekommen kann. Gleichzeitig ist die Communio auch Frucht des Dialogs. Wenn die Positionen offen und ehrlich einander gegenübergestellt werden und wenn die Gesprächspartner eine Grundlage gemeinsamer Überzeugungen trägt, dann kann der Dialog ohne weiteres zu einem vertieften gegenseitigen Verständnis führen. Der Dialog des Heiles muss sich in der Communio der Kirche vollziehen. Ohne diese grundlegende 937 AD-LIMINA-BES U CHE Überzeugung läuft man Gefahr, dass sich der Dialog in ein oberflächliches und unverbindliches Gemeinschaftserlebnis verliert. 4. In diesem Zusammenhang tut es gut, mit den Augen des Zweiten Vatikanischen Konzils einen Blick auf das Sein und die Sendung der Kirche zu werfen. Beim Blättern durch die zahlreichen Konzilsdokumente, die die verschiedenen Seiten der Kirche ausfalten, eröffnet sich uns eine Sicht, die Beachtung verdient. Wenn die Konzilstexte von Communio reden, dann geht es zunächst weniger um Organisationsfragen der Kirche, um Strukturen, Kompetenzen und Methoden, als vielmehr um die eigentliche „Sache“ (res), aus der die Kirche kommt und für die sie lebt. Die Texte sprechen von der Kirche als Mysterium. Dieses Mysterium der Kirche wiederzuentdecken und im Leben der Kirche umzusetzen, darin bestand das vielbeschworene „aggiomamento“ des Konzils, das daher von modischer Anpassung der Heilswahrheit an den Geschmack der Zeit ebenso weit entfernt ist wie von einer weltfremden Vergeistigung der Kirche in ein verschwimmendes und damit unsagbares Geheimnis hinein. Ich erinnere mich an den tiefen Eindruck, den bei vielen Konzilsvätem der Titel „De Ecclesiae Mysterio“ über dem ersten Kapitel von Lumen Gentium hervorgerufen hat. Dieser Ausdruck war manchen damals wohl genauso fremd, wie er es vielen heute schon wieder ist. Mysterium meint eine transzendente Heilswirklichkeit, die auf sichtbare Weise offenbar wird. So besteht nach dem Konzil das Mysterium der Kirche darin, dass wir durch Christus in dem Einen Geist Zugang zum Vater haben, um auf diese Weise der göttlichen Natur teilhaftig zu werden (vgl. Lumen Gentium, Nm. 3-4; Dei Verbum, Nr. 1). Die Communio der Kirche ist also vorgebildet, ermöglicht und getragen von der Communio des dreifältigen Gottes. Die Kirche ist gleichsam die Ikone der trinitarischen Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist. 5. Auf den ersten Blick scheinen solche Aussagen vielleicht weit weg zu sein von den pastoralen Anliegen derer, die mit den konkreten Problemen des Volkes Gottes zu tun haben. Ich bin sicher, dass ihr mit mir darin übereinstimmt, dass dieser Eindruck unbegründet ist. Wer die Kirche als heilsmächtige Wirklichkeit ernst nimmt, der ist sich bewusst, dass sie ihre Bedeutung nicht um ihrer selbst willen erhält. Eine Kirche, die sich nur als rein menschliche Gemeinschaft begreift, wäre nicht imstande, angemessene Antworten auf die menschliche Sehnsucht nach einer Gemeinschaft zu geben, die trägt und Sinn zu stiften vermag. Ihre Worte und Taten würden als zu leicht befunden angesichts der Schwere der Fragen, die auf den Herzen der Menschen lasten. Denn der Mensch strebt nach etwas, das über ihn selbst hinausgeht, alle menschlichen Sichtweisen übersteigt und sie in ihrer Begrenztheit als ungenügend entlarvt. Wie tröstlich und zugleich ermutigend ist es für uns, dass es die Kirche als Mysterium gibt. Sie weist über uns hinaus und kann so zu Gottes Botschafterin werden. In der Kirche bietet sich Gottes Selbstmittei- 938 AD-LIMINA-BES V CHE lung der Sehnsucht des Menschen dar, der danach strebt, der vollen Verwirklichung seiner selbst zu begegnen. 6. Damit ist die Gottesfrage gestellt - das vielleicht ernsteste Problem, das ihr als Hirten in Österreich zu bewältigen habt. Auch wenn die Frage nach Gott nicht so deutlich in den Schlagzeilen der Öffentlichkeit erscheint, bewegt sie doch die Herzen der Menschen. Leider wird sie heute oft mit einem versteckten Atheismus oder mit einem zur Schau gestellten Indifferentismus beantwortet. Dahinter steckt der Wunsch, menschliches Glück und Gemeinschaft auch ohne Gott begründen zu können. Solche Versuche greifen jedoch zu kurz. Wehe der Kirche, wenn sie sich zu viel um zeitliche Fragen kümmern und zu wenig dazu kommen sollte, sich mit den Themen zu beschäftigen, die das Ewige betreffen! Heute ist es angezeigt, die Erneuerung der geistlichen Dimension der Kirche zu fördern. Kirchliche Strukturprobleme rücken wie von selbst an die zweite Stelle, wenn die alles entscheidende Frage nach Gott auf der Tagesordnung der kirchlichen Debatte erscheint. Diese Frage wartet darauf, mit Geduld in einem redlichen Heilsdialog mit den Männern und Frauen innerhalb und außerhalb der Kirche behandelt zu werden. Im Mysterium Kirche liegt auch der Schlüssel für unseren bischöflichen Auftrag im Dienste des Volkes Gottes. Die erste Frage, die uns als Hirten gestellt werden kann, lautet nicht: Was habt ihr alles organisiert?, sondern: Wen habt ihr in die Communio des dreifältigen Gottes geführt? 7. Dieser Gedanke bringt Licht in die Kirche als Mysterium und stellt sie in Beziehung zur Teilhabe an den von Gott geschenkten Gütern des Heils. Hier kommt der Eucharistie eine besondere Bedeutung zu. Nicht umsonst heißt der Empfang der Eucharistie auch „Kommunion“. Der hl. Augustinus hat die Eucharistie entsprechend „Zeichen der Einheit und Band der Liebe“ genannt (In Ioannis Evangelium Tractatus, XXVI, VI, 13). Darauf haben die Konzilsväter zurückgegriffen, wenn sie die ekklesiale Communio in der eucharistischen Kommunion verankert sahen: „Beim Brechen des eucharistischen Brotes erhalten wir wirklich Anteil am Leib des Herrn und werden zur Gemeinschaft mit ihm und untereinander erhoben“ (Lumen Gentium, Nr. 7). 8. An dieser Stelle kann ich zwei große Sorgen nicht verschweigen, die aus bestimmten rückläufigen Zahlen hervorgehen: einerseits die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier und zum anderen der Mangel an Berufungen. Wie groß meine Anerkennung dafür ist, dass ihr euch für den Schutz des Sonntags im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben einsetzt, so sehr fühle ich mich auch verpflichtet, euch zu ermahnen: Werdet nicht müde, die euch anvertrauten Gläubigen mit Festigkeit an das Sonntagsgebot zu erinnern, wie es die Bischöfe seit den ersten Jahrhunderten getan haben: „Laßt alles am Tag des Herrn und eilt voll Eifer zu eurer Versammlung, denn sie ist euer Lobpreis für Gott. Welche Entschuldigung werden andernfalls jene vor Gott haben, die am Tag des Herrn nicht zusam- 939 AD-LIMINA-BES V CHE menkommen, um das Wort des Lebens zu hören und sich von der ewig währenden göttlichen Speise zu nähren?“ (Didascalia Apostolorum, II, 59, 2-3). Berichtet euren Priestern: Der Papst kennt die Schwierigkeiten, denen viele Seelsorger durch die Arbeitsüberlastung und die mit ihrem Amt verbundenen Sorgen jeglicher Art ausgesetzt sind. Der Papst weiß um den pastoralen Eifer vieler Weltpriester und Ordensleute, der sie in ihrem Einsatz mitunter bis an den Rand der Erschöpfung führt. Die Last wird in den Pfarren eurer Diözesen noch schwerer, wo auch die Geographie des Landes zahlreiche Strapazen und Opfer abverlangt. Während ich den Priestern meine Wertschätzung bekunde, halte ich es für meine Pflicht, auch die Laien zu ermuntern, mit ihren Priestern einen von Wohlwollen und Ehrfurcht getragenen Dialog zu führen und sie nicht als „Auslaufmodell“ einer kirchlichen Struktur zu sehen, die in den Augen mancher vielleicht auch ohne Weiheamt auskommen könnte. 9. Gerade diese Überzeugung, die selbst bei gläubigen Männern und Frauen verbreitet ist, hat sicherlich auch dem Rückgang an Berufungen in euren Ortskirchen Vorschub geleistet: Ich weiß, dass ihr euch mit allen Kräften darum bemüht, den jungen Menschen die Begegnung mit Jesus Christus zu erleichtern, und ihnen Hilfestellung dabei gebt, den Ruf zu entdecken, den Er an jeden von ihnen im Hinblick auf eine bestimmte Aufgabe in der Kirche richtet. Im übrigen wissen wir zu gut, dass Berufungen von Menschen nicht „gemacht“ werden können. Statt dessen müssen sie von Gott unablässig erbeten werden. Berufung ist - gerade am Anfang - eine zarte und verletzliche Knospe. Sie braucht aufmerksame und intensive Pflege. Die Beziehung muss lebendig sein zwischen denen, die schon Priester sind, und den Jugendlichen, die ein leises Verlangen in sich verspüren, diesen Weg einzuschlagen. Besonders wichtig ist es, dass diese jungen Menschen auf glückliche und glaubwürdige Priester treffen, die von ihrer Entscheidung tief überzeugt sind und zu ihren Mitbrüdem und ihrem Bischof ein Band herzlicher Freundschaft pflegen. Dafür ist es notwendig, dass der Bischof nicht als „Beamter“ in weiter Feme oder „Chef ‘ von oben erscheint. Als väterlicher Freund sollen ihn die erfahren dürfen, die mit ihm den Dienst an den Gläubigen teilen. Eine Kultur echter Communio zwischen Priestern und Bischöfen sowie deren frohes Zusammenwirken zum Wohl der Kirche sind der beste Mutterboden, auf dem Berufungen gedeihen können. Darauf hat schon das Konzil hingewiesen: Die Bischöfe sollen inmitten der ihnen Anvertrauten „wie Diener“ sein, „gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen, wahre Väter“ also, so dass sich die Priester als „Söhne und Freunde“ betrachten dürfen (Christus Dominus, Nr. 16). 10. Ehrwürdige Brüder, trotz allem gibt uns die Gewissheit Kraft: Stärker als die Zahlen rückläufiger Tendenzen sind die Zeichen des anbrechenden Heils. Das bezeugen die zwei Tische, die der Herr uns in seiner Güte unablässig deckt: den 940 AD-LIMINA-BES U CHE Tisch des Wortes Gottes und den Tisch der Eucharistie (vgl. Sacrosanctum Con-cilium, Nr. 51; Dei Verbum, Nr. 21). Gerade als Bischöfe habt ihr die hohe Ehre und zugleich die heilige Pflicht, in persona Christi Gastgeber sein zu dürfen, damit die Gläubigen vom Tisch des Wortes und des Sakraments in reichem Maße zehren können. 11. In den Konzilsdokumenten wird die Kirche als „creatura Verbi“ beschrieben; denn im Worte Gottes liegt solche „Gewalt und Kraft [...], daß es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist“ (Dei Verbum, Nr. 21; vgl. Lumen Gentium, Nr. 2). Dieses Bewusstsein hat im Volk Gottes ein lebendiges Interesse für die Heilige Schrift geweckt. Es steht außer Zweifel, dass daraus jeder einzelne für seinen Glaubensweg Nutzen ziehen kann. Leider sind jedoch auch Missverständnisse und Fehlentwicklungen nicht ausgeblieben: Es haben sich einige Sichtweisen über die Kirche eingeschlichen, die weder dem biblischen Befund noch der Überlieferung der Kirche entsprechen. Der biblische Ausdruck vom „Volk Gottes“ (laos tou theou) wurde im Sinne eines politischen Volksverbandes (demos) gedeutet, der in seinem Aufbau den Richtlinien folgt, die für jede andere gesellschaftliche Größe gelten. Da die Regierungsform, die mit dem heutigen Empfindungsvermögen am meisten im Einklang steht, die Demokratie ist, wurden unter manchen Gläubigen Rufe nach einer Demokratisierung der Kirche laut, die sich gerade in eurem Land und über dessen Grenzen hinaus mächtig Gehör verschafft haben. Gleichzeitig hat die authentische Auslegung des Wortes Gottes und die Verkündigung der Lehre der Kirche mitunter einem falsch verstandenen Pluralismus Platz gemacht. Daraufhin dachte man, die geoffenbarte Wahrheit ließe sich demoskopisch erheben und demokratisch bestimmen. Muss man nicht tief betrübt sein, wenn man feststellt, welche irrigen Auffassungen in Fragen des Glaubens und der Sitten, aber auch in bestimmten Angelegenheiten der kirchlichen Disziplin in das Denken vieler Laien eingedrungen sind? Über die geoffenbarte Wahrheit kann keine „Basis“ befinden. Die Wahrheit ist kein Produkt einer „Kirche von unten“, sondern kommt „von oben“, von Gott. Die Wahrheit ist nicht Geschöpf des Menschen, sondern Geschenk des Himmels. Der Herr selbst hat sie uns als Nachfolgern der Apostel anvertraut, damit wir sie - ausgestattet mit dem „sicheren Charisma der Wahrheit“ (vgl. Dei Verbum, Nr. 8) -unversehrt weitergeben, rein bewahren und treu auslegen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). 12. Mit Zuneigung nehme ich Anteil an den Sorgen und Leiden eures Amtes und sage euch, liebe Brüder; Habt Mut zur Liebe und zur Wahrheit! Freilich habt ihr recht, wenn ihr nichts als Wahrheit gelten lassen wollt, was ohne Liebe ist. Aber akzeptiert auch nichts als Liebe, was ohne Wahrheit ist! Den Menschen in Liebe die Wahrheit verkünden - das ist das echte Heilmittel gegen den Irrtum. Ich bitte 941 AD-LIMINA-BESUCHE euch, diesen Auftrag mit allen euren Kräften zu erfüllen. An jeden einzelnen von euch sind die Worte gerichtet, die der hl. Paulus an seinen Schüler Timotheus geschrieben hat: „Leide mit mir als guter Soldat Christi Jesu. (...) Bemüh dich darum, dich vor Gott zu bewähren als ein Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht, als ein Mann, der offen und klar die wahre Lehre vertritt. (...) Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 2,3.15; ebd., 4,2). 13. Wie ich mir eure Sorgen zu eigen mache, so möchte ich auch eure Freude darüber teilen, was ihr in Kirche und Gesellschaft für die Kultur des Lebens leistet. Gerade die Kultur des Lebens spannt sich zwischen den Polen von Wahrheit und Liebe auf. Steht mutig zu eurem Zeugnis in der überlieferten Lehre und bleibt darin fest. Besonders möchte ich die Ehe nennen. Auch wenn menschliche Erfahrung dem Zerbrechen zahlreicher Ehen vielfach hilflos gegenübersteht, die sakramentale Ehe ist und bleibt nach dem Willen Gottes unauflöslich. Ein weiteres Beispiel sei genannt: Selbst wenn es Mehrheiten in der Gesellschaft anders beschließen sollten, die Würde eines jeden Menschen bleibt unantastbar von der Empfängnis im Mutterleib bis zum natürlichen Tod, wann Gott es will. Und schließlich: Obwohl von neuem darüber diskutiert wird, als handele es sich dabei um eine disziplinäre Frage, die Kirche hat vom Herrn keinerlei Vollmacht erhalten, Frauen die Priesterweihe zu spenden (vgl. Apostolisches Schreiben Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4). 14. Auf andere Themen möchte ich trotz ihrer Bedeutung nicht weiter eingehen. Auf einen Befund muss ich jedoch noch hinweisen: Während bei allen hoch zu schätzenden kulturellen Besonderheiten die Einheit der Menschen und Völker auf der ganzen Welt zunehmend ins Bewusstsein rückt, besteht zuweilen der Eindruck, dass die Kirche in eurem Land der Versuchung nachgibt, sich in sich selbst zu verkrümmen, um sich mit soziologischen Fragen zu beschäftigen, anstatt dass sie sich für die große katholische Einheit begeistert: jene allumfassende Commu-nio, die eine im Nachfolger Petri verklammerte Gemeinschaft von Teilkirchen ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Verehrte Brüder, sucht jede Gelegenheit, um eure Gläubigen dazu einzuladen, den Blick über die Kirchtürme Österreichs hinaus zu weiten. Gerade das Große Jubiläum des Jahres 2000 könnte der Anlass sein, euren Gläubigen dabei zu helfen, mit neuer Leidenschaft auf Entdeckungsreise nach den Reichtümern der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zu gehen und die Kirche inniger lieben zu lernen. 15. Liebe Brüder im Bischofsamt! Mit großem Wohlwollen lege ich euch diese Gedanken über die Kirche als Communio ans Herz. Über Communio lässt sich viel reden und schreiben, am wichtigsten aber ist, dass wir sie als Nachfolger der Apostel beispielhaft zu leben versuchen. Am Ende möchte ich euch einen Wunsch anvertrauen: In den vergangenen Monaten und Jahren wurde über die Kirche in Österreich viel geschrieben. Wäre es nicht ein schönes Zeichen, wenn es in eurem 942 AD-LIMINA-BESUCHE geschätzten Land gelänge, weniger über die Kirche zu diskutieren, als vielmehr die Kirche zu meditieren? Wie ich am Anfang sagte, stellt die Kirche als Commu-nio die Ikone der Gemeinschaft des dreifältigen Gottes dar. Vor einer Ikone versagt die kritische Rezension; man muss sich dem Blick liebender Kontemplation überlassen, um immer mehr in das göttliche Geheimnis einzudringen, auf dessen Hintergrund die Kirche erst richtig verstanden werden kann. 16. Ich beschließe meine Worte mit der Einladung an euch, auf die Ikone der kirchlichen Communio zu schauen: die allerseligste Jungfrau Maria, die von vielen eurer Landsleute tief und innig verehrt wird. „Ewig im Geheimnis Christi gegenwärtig“ (Redemptoris Mater, Nr. 19), steht sie mitten unter den Aposteln im Herzen der Urkirche und der Kirche aller Zeiten. Denn es „versammelte sich die Kirche im Obergemach mit Maria, die Mutter Jesu war, und mit seinen Brüdern. Es kann also nicht von der Kirche die Rede sein, ohne daß dort Maria, die Mutter des Herrn, anwesend wäre mit seinen Brüdern“ (Chromatius von Aquileia, Sermo 30, 1). Maria, die Magna Mater Austriae, sei eure Begleiterin und Fürsprecherin in eurem Bemühen, euer Amt aus einem frohen und mutigen „sentire cum Ecclesia“ heraus zu erfüllen und in den euch Anvertrauten die „anima ecclesiastica“ bilden zu helfen. Ich verspreche euch auch weiterhin meine Begleitung im Gebet, damit der Heilige Geist euch auf eurem Weg mit der Fülle seiner Gaben beistehe. Dazu erteile ich euch und allen Gliedern eurer Diözesen von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 20. November 1998 Leben einer jungen Kirche mit kultureller Vielfalt im Aufbruch Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Papua-Neuguinea und von den Salomoninseln am 1. Dezember Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit dem Zuspruch, den es in Jesus Christus gibt (vgl. Phil 2,1), grüße ich euch, die Bischöfe, die in Papua-Neuguinea und den Salomoninseln über „das Hauswesen Gottes wachen, das heißt über die Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist“ (vgl. 1 Tim 3,15). Ihr seid hier zu eurem Ad-limina-Besuch an den Gräbern der Apostel, wo wir an die große österliche Wahrheit erinnert werden - die aus dem Kreuzestod Jesu Christi geborene Freude über das neue Leben. In diesen Tagen der Sonderver-sammlung der Bischofssynode für Ozeanien denkt ihr über diese Neuheit des Lebens in Christus, das Licht der Nationen, nach und über eure verantwortungsvolle 943 AD-UMINA-BESUCHE Aufgabe als Nachfolger der Apostel, dieses Leben den eurer Hirtensorge anvertrauten Menschen zu verkünden. Ich hoffe inständig, dass diese Gelegenheit für jeden von euch eine Zeit geistiger Erneuerung in der Gnade und der Kraft des Heiligen Geistes sein wird. Eure Anwesenheit erinnert an die bemerkenswerte Geschichte der „plantatio eccle-siae“ in Melanesien. Über dreißig Jahre sind seit der Gründung der ersten Diözesen vergangen, und doch ist die Zeit davor und die danach reich an heroischen Zeugnissen und Werken vor allem der Missionsgeistlichen und Ordensmänner und -frauen, die auf alles verzichtet haben, um Christus zu verkünden und den Völkern eurer Region zu dienen. Sie kamen aus vielen verschiedenen Ländern und Instituten und, im Glauben vereint, säten sie jenes Samenkorn in den Herzen eurer Menschen, das immerwährende Früchte hervorbringen wird. Einige starben den Märtyrertod, und vor allem für dieses Opfer wollen wir Gott ehren, der „alle Tränen von ihren Augen abwischen“ (Ojfb 7,17) wird. Aber nicht nur fremde Missionare haben ihr Leben für Christus geopfert: da ist auch das unvergessliche Beispiel des sei. Peter To Rot, die erste Frucht des Glaubens in euren Gebieten, der nun für seine beispielhafte Treue zu Gott und der Kirche in aller Welt verehrt wird. 2. Die spirituelle Entwicklung eurer Teilkirchen ist für uns alle Anlass zu großer Freude. Doch sprecht ihr auch von der Not der Gläubigen, die Gott euch anvertraut hat, von den Naturkatastrophen, insbesondere von der jüngsten vernichtenden Flutwelle in Westsepik, die Tausenden den Tod brachte und dem Land die enorme Aufgabe des menschlichen und materiellen Wiederaufbaus hinterließ. Nochmals versichere ich die Leidtragenden der Solidarität der Kirche und rufe die weltweite Gemeinschaft erneut zu Unterstützungsaktionen auf, die noch immer dringend notwendig sind. Wir können nicht viel tun, um Naturkatastrophen zu verhindern, aber es gibt anderes Leid, das von Menschen verursacht wird und daher auch von Menschen bekämpft werden kann. Eure Berichte sprechen von wachsender Gewalttätigkeit und Spaltungen, die den Aufbau einer auf dem Konzept und der Praxis des Gemeinwohls gründenden Gesellschaft erschweren. Der Krieg in Bougainville mag vorüber sein, aber die Wunden bleiben, und der Heilungsprozess wird langwierig und komplex sein. Insbesondere in den Städten besteht die anhaltende und ernste Gefahr des Bandentums. Auch Tribalismus und die ihm eigene Rachsucht ist und bleibt ein tief verwurzeltes, schwer lösbares Problem. Die zahlreichen Erscheinungsformen von Korruption sind eine weitere Art von Gewalt, die, auch wenn ihre Folgen oft weniger offensichtlich sind, nicht minder konkret und zerstörend ist. Schließlich gibt es noch eine Art von Gewalt: die spirituelle Gewalt der entzweienden Haltung religiöser Sekten, die in Zeiten der Not gedeihen und von den Erwartungen und Ängsten der Menschen zehren. 944 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Die Situation zeigt ein gewisses Versagen des traditionellen Brauchtums eurer Kultur, gefolgt von der Schwächung jener Strukturen und Institutionen, die traditionellen Gesellschaften Stabilität und die Werte vermittelten, die ihnen das Leben gaben. Zu diesen Werten gehört vor allem die Familie, die in letzter Zeit großen Belastungen ausgesetzt war und stets der Punkt ist, an dem die Symptome einer kranken Gesellschaft zuerst sichtbar werden. Ein weiteres Problem ist die allgemeine Arbeitslosigkeit, die in vielen jungen Menschen Frustration und Zorn hervorruft, ihre Selbstachtung zerstört und ihnen wenig Hoffnung für die Zukunft lässt. Liebe Brüder, nichts von alledem ist euch unbekannt: im Gegenteil, es ist genau das, was auch die Menschen bedrückt, die ihr jeden Tag im Gebet zu Christus führt und die bei dieser Synode Gegenstand eurer Reflexionen sind. In einer derart vielschichtigen kulturellen Situation wie der euren ist es nie einfach, Spaltungen zu überwinden und Gewalttätigkeit entgegenzuwirken; dennoch ist die Förderung von Eintracht und einer auf das Wohl aller ausgerichteten Kultur zutiefst mit der Wahrheit des Evangeliums verbunden und erfordert eure weise und starke spirituelle Führung. Angesichts von Gewalttätigkeit und Spaltung besteht stets die Versuchung, auf die gleiche Art und Weise zu antworten, und eben diese Logik ist für viele Probleme eurer Bevölkerung verantwortlich. Gewalt und Spaltung sind scheinbar Zeichen von Stärke und haben scheinbar die Überhand. Aber das Evangelium des gekreuzigten Christus hebt hervor, dass sie immer Schwäche und Niederlage bedeuten. Der hl. Paulus spricht von der Logik des Kreuzes in all seiner paradoxen Kraft: „denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10). Das, was Christus für Papua-Neuguinea und die Salomoninseln will, ist wahre Kraft und wahrer Triumph, den wahren Sieg der Gnade über die Sünde und den wahren Sieg der Liebe über alles, was die Menschen voneinander entfernt. 4. Die Evangelisierung eurer Gebiete ging zunächst nur langsam voran und war mit großen Opfern verbunden; gleiches gilt auch für die jetzige Phase. Das heutige Stadium der Evangelisierung verlangt große Aufmerksamkeit im Bereich der Katechese und der Erziehung, wenn das Evangelium tief in der guten Erde von „Gottes Ackerfeld“ (i Kor 3,9) Wurzeln schlagen soll. Diese Aufgabe erfordert ganz besonderen Einsatz vor allem auf drei eng miteinander verbundenen Gebieten: Familie, Jugend und die Leitung der kirchlichen Gemeinschaft. Familien brauchen eingehendere Unterstützung in Situationen, in denen sie großen Belastungen ausgesetzt sind, und diese Unterstützung bedeutet nicht nur Hilfe in Krisenzeiten, sondern ständige Erziehung zu jenen Werten und Verhaltensweisen, die die katholische Sicht von Ehe und Familienleben formen. Es gab Zeiten, in denen trotz des Fortbestands von Polygamie traditionelle Werte und Handlungsweisen den Familien eurer Kulturen eine gewisse Stabilität gewährleisteten, aber vor allem im städtischen Bereich ist das nicht mehr der Fall; und das kann ein Vakuum verursachen, das die Familie verunsichert und somit das eigentliche Fundament 945 AD-LIMINA-BESU CHE der Gesellschaft gefährdet. In solchen Zeiten seid ihr aufgerufen, die Grundzelle der menschlichen Gesellschaft durch intensive Erziehungsarbeit zu unterstützen. Diese Erziehung muss bereits in der Schule beginnen, deren ganz besondere Aufmerksamkeit der Vorbereitung auf die Ehe gilt, und sollte während des ganzen Ehelebens, insbesondere im Zusammenhang mit der christlichen Initiation der Kinder; fortgesetzt werden. Für diese Aufgabe sind Einrichtungen wie die katholische Schule und die Pfarrgemeinde von grundlegender Bedeutung. 5. Wir müssen junge Menschen lehren, dass es nicht ausreicht, ein „Erfolg“ zu sein, sondern ein wahrhaft christliches Leben zu führen: in einer von Gnade und Heiligkeit geprägten Beziehung zu Gott und einem auf Wahrheit und Liebe aufge-bauten Verhältnis zu den Menschen. Dass ein solches Leben möglich ist, beweist das Beispiel des sei. Peter To Rot. Jungen Menschen müssen wir verständlich machen, dass sie eine Funktion und eine Aufgabe im kirchlichen Leben haben. Sie sollten Schritt für Schritt tiefen Einblick in das erhalten, was die Kirche lehrt -ihren Glauben, ihre Sittenlehre, insbesondere im Hinblick auf das Gemeinwohl. Zur Stärkung ihrer Selbstachtung sollten sie den absoluten Wert des menschlichen Lebens und die uneingeschränkte Würde der menschlichen Person anerkennen. Sie sollten lernen, so zu beten, dass es Ihnen möglich ist, ihre Hoffnungen auf Gott zu setzen und nicht auf etwas, was keine Beständigkeit hat. All das muss auf eine Art und Weise geschehen, die nicht nur die universale Sehnsucht des menschlichen Herzens berücksichtigt, sondern auch die besonderen kulturellen Bedürfnisse eurer Jugend. Eine solche Vorbereitung ist die Grundlage für die Berufungen zum Priester- und Ordensleben, die eure Diözesen nun dringender brauchen als je zuvor, während sich die nächste Evangelisierungsphase eurer Gesellschaften entfaltet und die Zahl fremder Missionare abnimmt. Diese Aufgabe mag euch erschrecken, aber „die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Alles, was ihr für die Erziehung der Jugend in Papua-Neuguinea und den Salomoninseln tut, ist für sie, die Kirche und die Gesellschaft als Ganzes von enormem Wert. 6. Gute Erziehung erfordert gute Lehrer; aus diesem Grund ist die Ausbildung der kirchlichen Leiter - Priester, Ordensleute und Katechisten so wichtig für eure Teilkirchen. In Priesterseminaren und Ordenshäusern muss alles für die Gewährleistung der bestmöglichen Einführung in das priesterliche und geweihte Leben getan werden, indem sowohl die Hilfsmittel der Weltkirche als auch der Reichtum der lokalen Kulturen eingesetzt werden. In meiner jüngsten Enzyklika Fides et ratio habe ich deutlich hervorgehoben, dass ohne eingehende geistige Ausbildung Glaube rasch zu Mythos und Aberglauben wird, die stets ein guter Nährboden für Gewalttätigkeit und Spaltung sind. Glaube braucht die Einwirkung von Vernunft, wenn er sich in einer von der Achtung für das Leben und die Würde des Menschen geprägten Kultur entfalten soll. 946 AD-LIMINA-BESUCHE Wenn das für die anfängliche Ausbildung zutrifft, dann gilt es auch für die notwendige ständige Weiterbildung der stark belasteten Priester und Ordensleute. In allen Kulturen brauchen Klerus und Ordensleute heute eine lebenslange, den verschiedenen Phasen ihrer Reise angepasste Bildung, die vor allem dort erforderlich ist, wo Elemente volkstümlicher Kultur die Aufrechterhaltung des lebenslangen Gelöbnisses zur Ehelosigkeit erschweren. 7. Liebe Brüder, wir lehren vor allem durch unser eigenes Beispiel: wer und was wir sind, ist entscheidend. Das gilt insbesondere für den Bischof, aber auch für alle, die im Namen Christi lehren - Eltern, Priester, Lehrer, Katechisten und die Leiter der Jugend. Heilige und Märtyrer sind die großen Lehrer der Kirche, denn ihr Zeugnis ist ohnegleichen: sie lehren durch ihre totale Aufopferung und ihr Blut. Die Geschichte der Kirche in Papua-Neuguinea und den Salomoninseln mag zwar kurz sein, aber die Liste bekannter und unbekannter Märtyrer ist lang. Sie dürfen nicht vergessen werden, denn sie sind die ersten Zeugen der Weisheit des Kreuzes Jesu Christi (vgl. 1 Kor 1,18-25). Mögen ihre Namen der Nachwelt überliefert und die Geschichten ihres Lebens in neuem Licht und mit neuer Freude erzählt werden, während die Kirche auf das große 2000jährige Jubiläum zugeht. Diese Männer und Frauen sind sowohl der größte Ruhm eurer Vergangenheit als auch die beste Bürgschaft für eure Zukunft. Im gleichen Geist bestärke ich euch zur Förderung und Unterstützung des kontemplativen Lebens in euren Teilkirchen. Diejenigen, die dem Weg der Kontemplation im monastischen Leben folgen, leben eine Art von Martyrium, und durch ihr Schweigen und ihre Selbsthingabe lehren sie das, was wir heute ganz besonders brauchen. Die Kirche von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln steht vor einer umfangreichen und komplexen Aufgabe. Doch der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an (vgl. Röm 8,26), dringt tief in unsere Herzen ein und erneuert uns. Möge das Feuer seiner Liebe in den Herzen der Gläubigen alles Leid in Freude verwandeln und den großen Lobgesang anstimmen, der stets das Lied der Kirche ist. Möge die Mutter Christi, Stern der Meere und Stern der Evangelisierung, über euch wachen und euch führen, wenn ihr mit den euch anvertrauten Menschen zu jenem Hafen des Friedens reist, den Gott für die Seinen bereitet hat. Als Pfand der unendlichen Freude in Christus, der stets „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist, erteile ich euch, euren Priestern, Ordensleuten und Christgläubigen von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 947 AD-LIMINA-BES U CHE Berufung zum Priester und Berufung des Laien -gemeinsames Ziel in verschiedenen Bereichen Ansprache beim Ad-Limina-Besuch der Bischofskonferenz des Pazifik am 5. Dezember Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens“ (7 Joh 1,1) - das ist unser Thema. Während dieser Tage der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien sind unsere Gedanken besonders intensiv auf das Wort Gottes, Jesus Christus, konzentriert: Er hat uns berufen, sein Volk zu weiden und das Evangelium des Heils in seinem Namen bis an die Grenzen der Erde zu verkünden. Auch euer Besuch „ad-limina-Apostolorum“ stellt in gewisser Weise einen Rechenschaftsbericht über eure Sendung bei den Völkern des Pazifiks gegenüber Jesus dar. Ich grüße euch, die Mitglieder der Bischofskonferenz des Pazifiks und danke Gott, denn „sie preisen die Größe des Herrn [...] auf den Inseln im Meer“ (vgl. Jes 24,15-16). Bei eurem Ad-Limina-Besuch nutzt ihr die Zeit, wenn ihr an den Gräbern der Apostelfürsten betet und die Bande des Glaubens anerkennt, die euch und euer Volk mit dem Zeugnis für das Evangelium verbinden; der Raum selbst spielt keine Rolle mehr, wenn ihr zum Herz der Kirche reist, um den Nachfolger Petri zu besuchen. Ihr vertretet ein vielfältiges Gemisch von Rassen, Kulturen und Sprachen; und doch wird diese Verschiedenheit überwunden durch unsere Gemeinschaft im Leib Christi, der Kirche. 2. Die Geschichte der Evangelisierung in euren Ländern ist noch nicht sehr lang, sie ist aber schon reich an Früchten der Heiligkeit, Gerechtigkeit und des Friedens, die nur das Evangelium hervorbringen kann. Ihr seid Zeugen für den heldenhaften Einsatz der Missionare, die den Samen des Glaubens in das Herz eurer Völker eingepflanzt haben. Es handelt sich um die Männer und Frauen, Priester und Ordensleute, die den Aufruf Christi gehört und alles, was der Natur nach zu ihnen gehörte, zurückgelassen haben, um seine Botschaft zu den von euch vertretenen Völkern zu tragen. Sie predigten in seinem Namen, und ihre Predigttätigkeit war „nicht nur mit Worten [...], sondern auch mit Macht und mit dem Heiligen Geist und mit voller Gewißheit“ (7 Thess 1,5). Sie verkündeten mit dem Zeugnis ihres Lebens, manchmal sogar bis in den Tod. Es ist vor allem dieses Opfer, in das österliche Geheimnis des Todes und der Auferstehung des Herrn eingebaut, das die Menschenherzen für den Frieden des Heiligen Geistes öffnet. Heute bedarf es neuer Entwicklungen in der Evangelisierung; aber die Opfer der ersten Missionare, darunter besonders die der Märtyrer wie des hl. Peter Chanel und des sei. 948 AD-L1MINA -BES UCHE Diego de San Vitores, dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil: Auf unserem Weg zum Großen Jubeljahr 2000 muss ihre Geschichte neu aufgelegt und mit tief empfundener Dankbarkeit und Freude erzählt werden. Auf Französisch sagte der Papst: 3. In euren verschiedenen Ländern erlebt ihr gegenwärtig eine Zeit tiefgreifender Veränderungen. Die post-koloniale Phase eurer Geschichte liegt nunmehr hinter euch und die Unabhängigkeit ist keine neue Erfahrung mehr, auch wenn die Durchsetzung der Freiheit und der Bürgerrechte eine dringende Aufgabe bleibt. Eure Völker sind desorientiert von der Schwierigkeit, die Entwicklung und den Wohlstand, nach dem sie streben, auch tatsächlich zu erreichen - vor allem jetzt, wo sich in der Asien-Pazifik Region ganz unerwartet eine Situation wirtschaftlicher und sogar politischer Instabilität eingestellt hat. In vergangenen Zeiten hatte der Ozean eure Gesellschaften von der Außenwelt isoliert, aber heute ist dieser selbe Ozean zu einer Verkehrsstraße geworden, die andere Kulturen bringt, und diese sind jetzt mit der eurigen verschmolzen. Die rasche Entwicklung im Kommunikationswesen führt zu einem Prozess kultureller Globalisierung, der in euren Gesellschaften schon bedeutende Auswirkungen gezeigt hat. Manche Folgen davon sind positiv, aber andere sind sicherlich negativ. In einer solchen Situation müssen die Hirten der Kirche ihre Weisheit und ihren Mut bei der Entscheidungsfindung unter Beweis stellen. Es ist paradox, dass der von der Globalisierung versprochene Prozess einer stärkeren Vereinheitlichung manchmal zu Spaltungen und zu Identitätsverlust führt. Anstatt einen Geist der Zusammenarbeit und Solidarität zu fördern, kann sich zuweilen eine Einstellung des „Rette sich, wer kann“ sowohl innerhalb der Nationen als auch zwischen den Ländern ergeben. Dies wiederum kann Ausbeutung der schwächeren durch die stärkeren Staaten bedeuten; es kann auch für Korruption stehen, die die Verantwortlichen von dem Volk, dem sie eigentlich dienen sollten, trennt; es kann Konflikte zwischen divergierenden Interessen auslösen in einer Weise, die eine Strukturierung der Gesellschaft auf der Grundlage des Gemeinwohls unmöglich macht. Die Stimme der Bischöfe muss sich klar zugunsten des Geistes der Zusammenarbeit und Solidarität erheben, denn nur ein solcher Geist kann das Wohlergehen eurer Völker gewährleisten. Für die Kirchen in den Nationen des Pazifiks besteht die Hauptaufgabe heutzutage in der Neuevangelisierung, die zur Erfüllung der Bedürfnisse unter den gegenwärtigen und schnell wechselnden Umständen nötig ist. Die Neuevangelisierung ist die nächste Etappe der „plantatio Ecclesiae“ auf euren Inseln, und sie fordert, dass das Evangelisierung neu sein muss, neu in ihrem Eifer, neu in ihren Methoden und neu in ihren Aussageweisen (vgl. Veritatis splendor, Nr. 106). Ich meine damit nicht, dass die Arbeitsweisen der ersten Missionare schlecht konzipiert waren. Ganz im Gegenteil: Zu ihrer Zeit passten sie ganz vorzüglich und wurden sehr gut angewandt. Die wechselnde Lage, mit der ihr gerade konfrontiert werdet, stellt 949 AD-LIMINA -BESUCHE euch vor neue Herausforderungen, und das erfordert nicht weniger Phantasie und Mut, als die ersten Missionare sie gezeigt haben. Die Aufgabe mag enorm scheinen, liebe Brüder, aber „Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun“ (1 Thess 5,24). 4. Die Evangelisierung verlangt einen großen Einsatz von euren Ländern, der in der ersten Phase eurer Geschichte von den Missionaren gewährleistet wurde. Im nächsten Abschnitt aber wird es anders sein. Als Nachfolger der Apostel sind und bleiben die Bischöfe die ersten Verantwortlichen der Evangelisierung; eure engsten Mitarbeiter sind die Priester und Ordensleute, sowohl die Missionare als auch die Einheimischen, die Gott innerhalb eurer eigenen Gemeinschaften beruft. Auch die Laien sind mehr denn je bereit, in dieser neuen Phase der Evangelisierung eine entscheidende Rolle zu spielen und auf ihre besondere Berufung im Rahmen des vielstimmigen und hierarchischen Wesens der Kirche zu antworten. Deshalb möchte ich nun mit euch einige Aspekte der Beziehungen zwischen Bischöfen, Priestern und Laien kurz erörtern. Die Rolle des Bischofs als Hauptverantwortlicher für die Evangelisierung macht ihn zum ersten Diener der Gemeinschaft. Dieser Dienst hat mehrere Implikationen, keine davon ist aber so wichtig wie die Festigung der Bande der Gnade, Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen dem Bischof selbst und den Priestern. Das kann sich manchmal als schwierig erweisen, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass es bei der täglichen Verwaltung der Diözesen und Pfarreien nicht immer einfach ist, die Zeit und Energie zu finden, die zum Aufbau der Gemeinschaft nötig sind. Und trotzdem ist dies absolut wesentlich. Außerdem können in gewissen Kulturen bestimmte traditionelle Bräuche oder Regierungsarten die Ausübung der Vollmachten des Bischofs beeinflussen und aus ihm eher eine entrückte Gestalt als einen Vater machen, der immer bestrebt und fähig ist, seinen Priestern und seinem Volk zuzuhören. Manchmal ist es nötig, dass der Bischof bei seiner Leitung sich der (vorherrschenden) Kultur widersetzt in dem klaren und für die Neuevangelisierung so wichtigen Bewusstsein, dass Inkulturation des Glaubens nicht bedeutet, der Kultur einen absoluten Charakter zuzugestehen bis zu dem Punkt, dass man kein einziges Element davon in Frage stellen oder abschwächen darf. Der Papst sagte wieder auf Englisch: 5. Eine Regierungsform, die eher an Privilegien als am Dienst orientiert ist, führt in den Beziehungen zwischen Priestern und Laien immer zu Problemen. Aus diesem Grunde ist es so wichtig, dass in den Seminaren und Ausbildungszentren eine Art der Leitung gelehrt wird, die ganz auf den Dienst ausgerichtet ist und die die Kandidaten mit demselben Eifer zur Verkündung des Evangeliums erfüllt, die wir bei den ersten Missionaren sehen. Das erfordert eine fundierte Einführung in die Spiritualität des Kreuzes, jene vollkommene Selbsthingabe, die nur schwer zu erlernen ist, ohne die das Priestertum aber zu einer Form von Eigennutz und Selbstverherrlichung verkommt. Während ihrer Vorbereitungsjahre müssen die Priester- 950 AD-L1M1NA-BESU CHE amtskandidaten die Wahrheit erfassen, dass diese Selbstentäußerung der einzige Weg zu einem wahrhaft befriedigenden Priesterleben ist, ja dass sie die wesentliche Bedingung für eine bleibende Freude in ihrem Leben darstellt. Ohne sie kann das Priesterleben bitter und unbefriedigend werden und möglicherweise zu destruktiven Verhaltensweisen führen. Die Tatsache, dass es in eurem Erdteil gegenwärtig eine große Zahl von Berufungen gibt, ist ein hoffnungsvolles Zeichen; es ist unbedingt notwendig, dass diese Kandidaten zu wahren Dienern Christi und der Kirche herangebildet werden, die im Einklang und Gehorsam mit ihrem Bischof und in enger Zusammenarbeit mit den Ordensleuten und Laien zu arbeiten vermögen. 6. In den letzten Jahren haben die Laien immer mehr Verantwortung in der Kirchengemeinschaft übernommen. Dies nicht nur, weil nicht immer Priester zur Verfügung stehen; es ist das Werk des Heiligen Geistes. Und doch wird die Verantwortung der Laien zuweilen so stark herausgestellt, dass sie als Gegensatz zum priesterlichen Amt erscheint. Die Wahrheit ist aber, dass die Leitung durch die Priester und die Laienverantwortung sich gegenseitig ergänzen: Wenn die Laien richtig mit ihrer Verantwortung umgehen, dann tritt das Amt der Priester in all seinem Reichtum hervor, und umgekehrt. Diese zwei Berufungen müssen sorgfältig unterschieden, aber nicht getrennt werden, damit sie in jener tiefen Harmonie Zusammenwirken, die das gottgegebene Wesen der Kirche voraussetzt. Die Berufungen zum Priestertum blühen daher besonders in jenen Situationen, wo Priester und Laien in gegenseitig bereichernder Weise Zusammenarbeiten. In einer Zeit radikaler Veränderungen mit der daraus folgenden Unsicherheit ist es für die Kirche wichtiger denn je, Laien - Männer und Frauen - darauf vorzubereiten, Führungspositionen in der Gesellschaft zur Förderung des Gemeinwohls einzunehmen (vgl. Christifideles laici, Nm. 42-43). Eure Teilkirchen sind zunehmend mit Laien gesegnet, die sich aktiv an der Liturgie, der Katechese und anderen Arten des christlichen Dienstes beteiligen. Wir können damit sehr zufrieden sein, aber es ist nicht genug. Der spezifische Beitrag der Laien zum Werk des Evangeliums muss erweitert werden und auch jene großen Bereiche des Menschenlebens und der menschlichen Kulturen erfassen, die in einer immer säkularisierteren Gesellschaft außerhalb der Kirchengemeinschaft liegen. Vor allem seit dem II. Vatikanischen Konzil hat das Lehramt immer wieder auf das weltliche Charisma der Laienberufung verwiesen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31; Evangelii nuntiandi, Nr. 70; Christifideles laici, Nr. 17). Das bedeutet, dass der Hauptsektor für die Evangelisierungstätigkeit der Laien die säkulare Welt der Familie, des Arbeitsplatzes, der Politik und Kultur, des beruflichen und intellektuellen Lebens ist. Von der Wirksamkeit ihrer Tätigkeit in diesen Bereichen wird in hohem Maße auch die Wirksamkeit der neuen Phase der Evangelisierung im Pazifik abhängen. Die Laien für diese Aufgabe zu rüsten, erfordert eine konzertierte Aktion im Hinblick auf die Theologie der Laienberufung und die Soziallehre der Kirche, vor allem auf jene Werte und Grundsätze, die das katholische Verständnis des Natur- 951 AD-LIM1NA-BESUCHE rechts und des Gemeinwohls formen. Alle Christen sollten einen unanfechtbaren Sinn für den höchsten Wert des Menschenlebens, die unveräußerliche Würde der Person und die einzigartige Bedeutung der Familie als grundlegende Zelle der Gesellschaft haben. Die Aufgabe dieser sittlichen Bezugspunkte steht im Mittelpunkt einer zerstörerischen Säkularisierung. Und da sie nur dann aufgegeben werden, wenn Gott aus der Welt und aus den Herzen der Menschen ausgeschlossen ist, muss den Laien eine Art des Betens beigebracht werden, die sie immer mehr für das Geheimnis der liebevollen Vorsehung Gottes in jedem Lebensbereich öffnet. Auch auf dem Gebiet der Erziehung ist eine große Anstrengung nötig, wobei alle Ausbildungseinrichtungen eurer Ortskirchen zur christlichen Formung der Jugendlichen beitragen sollen. Weit davon entfernt, die Erosion der positiven Aspekte eurer gesellschaftlichen Bräuche zu verschlimmern, wird eine solche Erziehung die Werte heraussteilen, die von solchen Bräuchen verkörpert werden, und zu der Konvergenz zwischen Traditionen des Pazifiks und Kirchenlehre führen, die eine Inkulturation des Evangeliums erfordert. 7. Die Kirchen, denen ihr in der Liebe Christi vorsteht, sind ein Teil der Welt von Ozeanien; schon der Name weist daraufhin, dass eure Geschichte und Kultur vom Wasser - d. h. in diesem Fall vom Pazifischen Ozean - bestimmt worden ist. Es ist allerdings ein anderes Wasser - nämlich das Taufwasser -, das eure Identität auf einer tieferen Ebene offenbart. Die Christen des Pazifik wurden mit Christus durch die Taufe begraben und mit ihm auferweckt zum neuen Leben (vgl. Rom. 6,4). Möge sich der Heilige Geist erneut über die Tiefen eurer Herzen und der Herzen der jungen Menschen ausbreiten, liebe Brüder, damit die ganze Kirche in der Gegend des Pazifischen Ozeans bei der Feier des Großen Jubeljahrs 2000 und zu Beginn des neuen Jahrtausends „die Segel setzen wird auf dem Ozean des Lichts, der die Dreifaltigkeit ist“ (vgl. Brief an die Priester!998, Nr. 7). Die Erneuerung im Geiste, die das Jubeljahr begleiten sollte, wird euch die nötige Energie schenken sowohl für den Auftrag der Evangelisierung und Mission, der nun vor euch liegt, als auch für das Apostolat der Katechese und der christlichen Ausbildung, für die Verteidigung des Lebens und der Würde des Menschen und für die Anwendung der katholischen Soziallehre auf politische, wirtschaftliche und kulturelle Fragestellungen. Möge Maria, Stern der Evangelisierung und Meeresstem, euch sicher zu dem Hafen führen, wo „es keine Nacht mehr geben wird und sie weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne brauchen. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten“ (vgl. Offb 22,5). In der Liebe Jesu Christi, der allein „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (vgl. Joh 14,6), erteile ich euch und den Priestern, Ordensleuten und Laien eurer Länder gerne meinen apostolischen Segen. 952 AD-LIMINA-BES U CHE Durch das Evangelium wirksamen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben nehmen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der ersten Gruppe von polnischen Bischöfen am 16. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Herzlich heiße ich euch willkommen im Haus des Papstes, wo die Bischöfe eher Familienmitglieder als Gäste sind. Mein Gruß geht an den Metropolitan-Erzbischof von Wroclaw/Breslau, Henryk Kardinal Gulbinowicz, und an die Metropolitan-Erzbischöfe von Danzig, Gnesen, Posen und Stettin-Kamien, sowie an die residierenden Bischöfe der Diözesen Kallies, Köslin-Kolberg, Liegnitz, Pelplin, Thom, Leslau und Grünberg-Landsberg. Außerdem begrüße ich die Weihbischöfe der genannten Kirchenprovinzen und Diözesen. Ich freue mich über dieses Treffen und über alle weiteren, die in den kommenden Wochen mit den anderen Gruppen polnischer Bischöfe anlässlich ihrer „ad-limina-Apostolorum“-Besuche in der Ewigen Stadt stattfinden werden. Sie bezeugen eine tiefe Verbindung im Glauben und in der Liebe mit dem Nachfolger Petri. Die wechselseitige Beziehung, die in diesen Besuchen erkennbar wird, ist das sichtbare Zeichen der Einheit und Ausdruck des Gehorsams gegenüber dem einzigen Herrn und Meisters, Jesus Christus, der uns berufen und als Diener der seinem Volk offenbarten Wahrheit eingesetzt hat. Seit dem letzten Ad-limina-Besuch des polnischen Episkopats sind fünf Jahre vergangen. Es waren Jahre intensiver Kontakte, in deren Verlauf ich eure großzügige Mitarbeit erfahren durfte und die Sorgen und Freuden eurer Ortskirchen teilen konnte. Unter euch sind auch einige Bischöfe, die erst in den letzten Jahren in den Hirtendienst berufen wurden. An sie richte ich einen besonders herzlichen Willkommensgruß. Möge dieser erste Besuch bei den Gräbern der Apostel sie in ihrem Wunsch bestärken, den Guten Hirten, der „sein Leben hingibt für die Schafe“ (vgl. Joh 10,15) noch besser nachzuahmen, und sie in ihrem Zeugnisgeben vor dem ihnen anvertrauten Gottesvolk festigen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch unserer Brüder im Bischofsamt gedenken, die im Laufe der vergangenen fünf Jahre in die Ewigkeit eingegangen sind. Wir empfehlen sie im Gebet der göttlichen Barmherzigkeit. 2. Der heutige Besuch der polnischen Bischöfe beim Bischof von Rom ist in gewissen Sinn ein Gegenbesuch, denn er folgt im Abstand von wenigen Monaten meiner Pilgerreise in die geliebte Heimat. Sie fand zwischen Mai und Juni des vergangenen Jahres statt und dabei war es mir gegeben, der Kirche in Polen und allen meinen Landsleuten zu dienen. Dieses Treffen erneuert die lebhafte Resonanz und stellt eine besondere Abmndung meiner damaligen Pastoraireise dar. Dank der unergründlichen Pläne der göttlichen Vorsehung hat der Bischof von Rom heutzu- 953 AD-UMINA-BES UCHE tage die Möglichkeit, nicht nur die Bischöfe der ganzen Welt in seinem Haus zu empfangen, sondern auch selbst ihre Kirchen zu besuchen. Er begegnet den Gläubigen und teilt ihre Sorgen und Freuden. Das ist eine neue, moderne Ausdrucksform der Gemeinschaft und der kollegialen Verantwortung für die Kirche „cum Petro et sub Petro“. Noch einmal möchte ich - in eurer Gegenwart - Gott für den wunderbaren Gabenaustausch danken, der sich in jenen, für mich unvergesslichen Tagen vollzog. Während der verschiedenen Stationen der Pilgerreise haben wir gemeinsam die Gegenwart Christi erfahren und seinen Platz im Dasein jedes Menschen - wie auch im Leben der Kirche und der Nation - wiederentdeckt. Dabei wurde uns aufs Neue bewusst, dass Christus unser einziger Weg „zum Haus des Vaters“ (vgl. Joh 14,6) ist. Wir haben verstanden, dass die Kirche auf diesem Weg einen besonderen Auftrag zu erfüllen hat - nämlich dem Menschen, jedem Menschen, dabei zu zeigen, sich in Christus vollkommen wiederfinden zu können - in seinem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung. Nur „Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann; es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie gerettet werden sollen“ (Gaudium et spes, Nr. 10). 3. Einige Wochen nach meiner Abreise wurde die Bevölkerung der Regionen und Städte im Westen Polens, die ich während meiner letzten Pilgerreise besucht hatte, von großen Überschwemmungen heimgesucht. Wir alle waren bestürzt von der unerhörten Kraft des mächtigen Naturelements, das viele Menschen mit sich riss, die Existenzgrundlage zahlreicher Familien und Gemeinschaften bedrohte und eine große Zahl von Häusern, Arbeitsplätzen, Krankenhäusern, Schulen, Kunst-denkmälem und Straßen zerstörte oder beschädigte. Zugleich setzten die langen Tage der Überschwemmung aber auch ein großes Wetteifern im Guten, in wahrer Solidarität, Großzügigkeit und Organisationstalent bei der gegenseitigen Hilfeleistung in Gang. Die sozialen Kommunikationsmittel, insbesondere die lokalen Radiosender, spielten eine besondere Rolle bei der Koordination der Hilfsmaßnahmen in den Überschwemmungsgebieten. Sie weckten die Aufmerksamkeit der Menschen für das Schicksal der Geschädigten und koordinierten die Hilfsdienste. Wir sind Gott und den Menschen dankbar für all das Gute, das in jenen denkwürdigen und gleichzeitig schmerzlichen Julitagen geleistet wurde. Als Hirten der Kirche solltet ihr euch nach euren Kräften und Möglichkeiten auch in Zukunft darum bemühen, dass die Einwohner der Überschwemmungsgebiete nicht mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Die göttliche Vorsehung gibt den Menschen guten Willens unablässig Gelegenheit zu tätiger Nächstenliebe, die ihre Herzen in besonderer Weise auf die Aufnahme des Evangeliums vorbereitet. 4. Meine Pilgerreise in die Heimat war in die Vorbereitung der ganzen Universalkirche auf das Große Jubiläumsjahr 2000 eingefügt. Die Kirche in Polen und insbesondere die kurz vor dem 1000. Jahrestag ihrer Gründung stehende Erzdiözese 954 AD-LIMINA-BESUCHE Breslau haben durch die Organisation des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses der Weltkirche einen bedeutenden Dienst geleistet. In Anwesenheit der Schwestern und Brüder anderer Kirchen und der kirchlichen Gemeinschaften, die durch die Gnade der Taufgnade mit uns vereint sind, hat die gesamte katholische Kirche, in tiefer Verehrung vor dem Geheimnis des Leibes und Blutes Christi, die große Wahrheit gelebt und verkündet: „Jesus Christus ist der einzige Erlöser der Welt gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8). Sie hat dies als starken Impuls zur Einheit aller Jünger Christi erlebt: Toleranz und gegenseitiges Annehmen reichen ihnen nicht mehr aus, und sie wünschen sich deshalb ein gemeinsames Zeugnis der Einheit, das für die Menschheitsfamilie zum Zeichen dafür werden kann und muss, dass Versöhnung möglich ist. Die heutige Welt erfährt die Auswirkungen tiefer Spaltungen, das Erbe der großen Dramen dieses ausgehenden Jahrtausends; sie braucht und erwartet dieses Zeugnis von den Jüngern Christi. Die Kirche hat den Auftrag, allen Menschen das Heil in Christus zu verkünden. Zur Erfüllung dieses Auftrags benötigt sie keine Vorrechte, sondern nur die Freiheit zur Verkündigung der Wahrheiten des Evangeliums. Ihr erste Stütze ist dabei die Gnade des durch die Jahrhunderte lebendigen Christus, die durch das - oft heldenhafte - Lebenszeugnis der Gläubigen Frucht bringt. Eine äußert wichtige Dimension dieses Zeugnisses ist die Einheit und das stete Streben nach diesem Ideal. Die Einheit der Kirche gründet auf der Wahrheit und auf der Liebe zu Gott und zum Menschen, von der sie Zeugnis ablegt. Die Wahrheit, die die Kirche eint und den Menschen zur Hoffnung auf das ewige Leben befreit, ist der lebendige Christus, vom Vater durch den Heiligen Geist gesandt, damit die Welt glaubt, dass Gott die Liebe ist. Die Liebe - Grundlage der Einheit der Kirche - ist die Liebe Christi, die in unsere Herzen ausgegossen ist und die zerstreuten Kinder Gottes versammelt. Die in Christus wurzelnde Gemeinschaft der Wahrheit und Liebe „schenkt allen Menschen die selige Hoffnung auf das Reich Gottes“ (vgl. Präfation des 5. Eucharistischen Hochgebets). Diese Einheit, deren Verwalter der Papst und die Bischöfe sind, ist das Ziel, das von allen, die an Christus glauben, sehnlichst herbeigewünscht wird. Ja noch mehr: Sie ist der Wille und das Geschenk Christi selbst! Ich möchte an dieser Stelle das aktive Engagement der Kirche in Polen auf dem Gebiet der Ökumene heraussteilen und meine aufrichtige Dankbarkeit äußern für ihren konkreten und großmütigen Beitrag zur Entwicklung der ökumenischen Bewegung. Einige dieser Initiativen habe ich schon in meiner Ansprache bei dem denkwürdigen Treffen in Breslau genannt. Die ökumenischen Aktivitäten dürfen sich nicht auf das Gebet für die Einheit der Christen im Januar beschränken, sie erfordern vielmehr beständige Anstrengungen, angeregt von einer wohlwollenden Gesinnung und von der Bereitschaft, in der heutigen pluralistischen Welt ein gemeinsames christliches Zeugnis abzulegen. Wir müssen zusammen beten, miteinander sprechen, ein ehrliches Klima menschlichen Verständnisses schaffen - und zwar sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene. Es müssen kon- 955 AD-L1MINA-BES U CHE krete Initiativen in Gang gesetzt werden, damit der ökumenische Geist, der bei verschiedenen Anlässen zum Ausdruck kommt, das ganze Leben der Kirche immer mehr durchdringt. Dann wird das, was gemeinsam getan werden kann und muss, um unsere Einheit in Christus zuzeigen, klarer zu Tage treten. Es ist nötig, dass die Christen - auch in Polen - zusammen in das dritte Jahrtausend eintreten, und wennschon nicht in vollkommener Einheit, so doch füreinander aufgeschlossener, aufmerksamer und entschlossener auf dem Weg zur Versöhnung. 5. Der Auftrag Christi zur Versöhnung bezieht sich nicht nur auf das ökumenische Handeln, sondern umfasst auch die Kirche und die ganze Nation. Zu diesem besonderen Zeitpunkt der Geschichte, in der viele Völker und Länder, darunter auch das unsere, Gott für das wunderbare Geschenk der Freiheit danken (zugleich aber auch unter den tiefen Wunden leiden, die die älteren und jüngeren Erfahrungen der Feindschaft und Demütigung in den Seelen der Menschen hinterlassen haben), ist die Rolle der Kirche unersetzlich. Bestärkt vom Glauben an die göttliche Barmherzigkeit, die sie jeden Tag erfährt, heilt die Kirche liebevoll die Wunden der Sünde und lehrt, die Einheit auf der Grundlage von Vergebung und Versöhnung aufzubauen. Auch in der polnischen Gesellschaft hat der Untergang des auf Klassenkampf beruhenden kommunistischen Systems bisher fast unerkannte Barrieren der Trennung aufgedeckt: tief verwurzeltes Misstrauen und Ängste, die in den Menschenherzen schwelen. Außerdem traten die Wunden in den Gewissen hervor, die zuweilen unerträglichem Druck ausgesetzt waren und der Prüfung nicht standgehalten haben. Diese Wunden sind nur mit göttlicher und menschlicher Liebe zu heilen; ihr Zeichen ist das am Kreuz durchbohrte Herz Christi. Der polnische Episkopat muss auch in Zukunft diesen Auftrag Christi zur Versöhnung mutig begleiten. Dies wird ein unentbehrlicher Beitrag sein zum Aufbau einer sittlichen Ordnung - auf Gott und seine Gebote gegründet -, die ein Erfordernis der wieder gefundenen Freiheit ist. Der Weg zur Erneuerung der Gesellschaft führt durch die Erneuerung des Menschenherzens. In diesem Prozess darf das Zeugnis einer innerlichen „metanoia“ der Söhne und Töchter der Kirche nicht fehlen. Christus selbst hat uns die wirksamsten Mittel hinterlassen, um ihn zu erreichen: die Sakramente der Buße und der Eucharistie. Im Bußsakrament versöhnt Christus uns Sünder mit dem barmherzigen Vater, der im Himmel und bei unseren Brüdern und Schwestern ist, mit denen wir hier auf Erden leben. In der Eucharistie heiligt er uns durch seine Macht und vereint uns in einer Familie von Gästen, die zur Teilnahme am himmlischen Festmahl im Haus des Vaters geladen sind. Das Geschenk der Freiheit und die Mühen beim Aufbau der damit verbundenen sittlichen Ordnung stellen eine deutliche Aufforderung zur Versöhnung und Vergebung dar. Sie haben ihren Ursprung allerdings in der Güte des Herzens Christi und in der Großzügigkeit eines Menschenherzens, das zur Selbsthingabe nach dem Beispiel unseres Erlösers bereit ist. Er starb für alle, sogar für die, die ihn gekreuzigt hatten. Polen braucht Menschen, die in der Schule der Liebe des „gütigen und von Herzen demütigen“ (vgl. Mt 11,29) Christus ausgebildet sind. Nur opferbe- 956 AD-LIMINA-BESUCHE reite und vom Heiligen Geist gestärkte Menschen sind auch zur ungeschuldeten Selbsthingabe bereit und fähig, eine evangeliumsgemäße Ordnung der Freiheit im Geiste des Evangeliums aufzubauen. Die Sakramente der Buße und der Eucharistie geben ihnen die Kraft zum Kampf gegen die Sünde und gegen alles Böse im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben, damit sie nicht Entmutigung und Resignation nachgeben, nicht Gleichgültigkeit und Pessimismus erliegen. Der Dienst der Versöhnung in Wahrheit und Liebe ist für die Kirche kein Gelegenheitsauf-trag, sondern stellt einen wesentlichen Bestandteil ihrer Sendung für das Evangelium im Dienste aller Menschen und der ganzen Nation dar. Die Kirche in Polen sollte alles tun, damit dieses Werk im Herzen jedes Menschen und in jedem Lebensbereich unserer Gesellschaft reiche Frucht bringt. 6. Im Zusammenhang des oben Gesagten tritt der Standort und die Rolle der Kirche im politischen Leben der Gesellschaft klar zu Tage. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die immer aktuellen Lehren des II. Vatikanischen Konzils erinnern, das sich in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes unmissverständlich äußert: „Die Kirche darf in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden, noch ist sie auch an irgendein politisches System gebunden. Sie zollt der Arbeit jener, die sich zum Dienst an den Menschen für das Wohl des Staates einsetzen und die Lasten eines solchen Amtes tragen, Anerkennung und Achtung; auch achtet und fördert sie die politische Freiheit der Bürger und ihre Verantwortlichkeit“ (vgl. Nm. 75-76). Man darf nie vergessen, dass die äußerlichen Aspekte des Lebens der irdischen Gesellschaft, der Staatsstruktur oder auch die politische Macht zu den Dingen dieser Welt gehören, die Veränderungen unterworfen und immer verbesserungsfähig sind. Die Strukturen, die Gesellschaften sich geben, besitzen nie einen höchsten Wert; noch können sie allein alle vom Menschen ersehnten Güter gewährleisten. Insbesondere können sie weder die Stimme seines Gewissens ersetzen noch seinen Durst nach Wahrheit und Absolutem stillen. Die Kirche ist sich klar bewusst, dass die Annahme des Evangeliums vom Heil ihre positiven Auswirkungen auch in die öffentliche Dimension des Lebens der Gesellschaften und Personen einbringt und fähig ist, das Antlitz dieser Erde tiefgreifend zu verändern und dadurch menschlicher zu machen. Ja noch mehr: Die Berufung des Christen ist ein öffentliches Glaubensbekenntnis und eine aktive Präsenz in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Daher fordert die von den Christgläubigen in Freiheit gebildete Kirche in bezug auf die irdische Gesetzgebung, „für alle Bürger in gleicher Weise das Recht zu gewährleisten, in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen zu leben und nicht den Normen der sittlichen Ordnung zu widersprechen, die von der Vernunft erkannt werden“ (Ansprache vor dem Europaparlament am 11.10.1988). Auf diesem Gebiet kommt den Hirten der Kirche die wichtige und zugleich heikle Aufgabe zu, ein rechtes Gewissen herauszubilden, in Gehorsam gegenüber den Geboten des Evangeliums und dem Lehramt der Kirche; ein Gewissen, das zu weisem und verantwortlichem Handeln im Dienste der Gesellschaft fähig ist, damit 957 AD-LIMINA -BES UCHE das politische Engagement nicht trennend wirkt, sondern in Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Achtung der Menschenwürde handelt und dabei nur ein Ziel vor Augen hat: die Mehrung des Gemeinwohls. In diesem Bereich spielen die Laien eine besondere Rolle - im Einklang mit den Charismen und Gaben, die ihnen der Heilige Geist für die Erfüllung ihrer Sendung gewährt. Im Apostolischen Schreiben Christifideles laici schrieb ich: „Um die zeitliche Ordnung im Sinn des Dienstes am Menschen christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die .Politik einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organisatorischen und systematischen Förderung des Allgemeinwohls dienen [...] Zugleich müssen die Laien Zeugnis geben für die menschlichen Werte des Evangeliums“ (vgl. Nr. 42). 7. Liebe Brüder im Bischofsamt! Die Aufgaben, die ich angedeutet habe, sind nicht neu. Und doch sind sie unentbehrlich, damit zum jetzigen Zeitpunkt in der Geschichte unseres Landes das Evangelium wirksamer auf die Gesamtheit des gesellschaftlichen Lebens Einfluss nehmen kann und seinen notwendigen Beitrag leistet zum Wiederaufbau einer ganzheitlich und globalen Anschauung des Menschen und der Welt, die sich der Kultur des Todes, des Misstrauens und der Verweltlichung des Lebens entgegenstellt. Wir alle möchten, dass das Evangelium einen heilsbringenden und immer tieferen Einfluss auf die sittlichen Vorbilder und auf die Organisation der polnischen Gesellschaft ausübt, gemäß ihrer Jahrtausende alten christlichen Tradition. Wir sollten also alles unternehmen, damit die Wahrheit des Evangeliums sich einen Weg in das menschliche Gewissen bahnen kann, der ihrer Bedeutung entspricht, die für den Menschen von heute mit nichts anderem zu vergleichen ist. Ich freue mich mit euch über die Tatsache, dass sich die Kirche in Polen ihrer Sendung und Rolle unter den veränderten Bedingungen immer besser bewusst ist. Ich bin Zeuge der bedeutenden pastoralen Anstrengungen der Bischöfe, Priester, Ordensleute und der großen Schar von Laien, die sich unermüdlich dafür einsetzen, dass nichts von dem großen christlichen Erbe, einer Frucht des Opfers und des Verzichtes vieler Generationen, verloren geht. Der große Einsatz der ganzen Kirche zur Evangelisierung und die konsequent organisierte und durchgeführte Bildungsarbeit in allen Bereichen der Seelsorge müssen fortgesetzt werden, damit unsere Brüder und Schwestern ihre Berufung in Kirche und Gesellschaft vollends umsetzen können. Man muss den Laien helfen, damit sie im Geist der Einheit und durch aufrichtiges und selbstloses Dienen, in Zusammenarbeit mit allen, auf sozial-politischer Ebene die christliche Tradition und Kultur fördern können. Die Soziallehre der Kirche, mit ihrem reichen Erbe, ihre wesentlichen Inhalte und Auswirkungen sollten Gegenstand vertiefter Untersuchungen, Studien- und Unterrichtsobjekten sein. Eure Aufgabe ist es, den Glauben an den Erlöser zu entfachen, der Quelle der Hoffnung und Ermutigung für jeden Menschen und für die Nationen in ihrer Gesamtheit ist, und auch die Erneuerung der Gedanken und Herzen 958 AD-LIMINA-BESUCHE ständig anzuregen und darüber zu wachen. In diesen Bemühungen für das Evangelium solltet ihr vor allem auf das Wirken des Heiligen Geistes vertrauen: Er ist derjenige, „der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt“ (Tertio millennio adve-niente, Nr. 45). Dies sind nur einige der Probleme, auf die ich euch, liebe Brüder, anlässlich eures Ad-limina-Besuchs hinweisen wollte. Mögen sie zum Gegenstand eurer gemeinsamen pastoralen Fürsorge und eures hingebungsvollen Gebets bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus werden. Der Fürsprache und dem Schutz der seligen Jungfrau Maria und der heiligen Schutzpatrone unserer Heimat empfehle ich die euch anvertrauten Diözesen und euer Werk der Evangelisierung. Empfangt meinen Apostolischen Segen, mit dem ich alle Gläubigen eurer Ortskirchen umschließe. Neuevangelisierung - ein Auftrag an alle Ansprache bei der Audienz für die zweite Gruppe der polnischen Bischöfe anlässlich ihres Ad-limina-Besuches am 2. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Jedes Treffen mit den polnischen Bischöfen ist für mich eine freudige Rückkehr zu mir vertrauten und lieben Menschen und Stätten. Und was soll ich erst sagen, wenn die Bischöfe aus jener Gegend Polens zu einem Besuch zu mir kommen, in der sich die Erzdiözese und der Metropolitansitz Krakau befinden! Von dort stamme ich und dort durfte ich viele Jahre Seelsorger sein. Ich richte somit meinen Willkommensgruß an den Erzbischof und Metropoliten von Krakau, Herrn Kardinal Franciszek Marcharski und die ihn begleitenden Metropolitanbischöfe aus Tschenstochau, Kattowitz, Przemysl und den Erzbischof von Lodz. Ein herzlicher Gruß gilt auch den residierenden Bischöfen der Diözesen Bielsko-Zywiec, Gliwice, Kielce, Opole, Radom, Rzeszow, Sosnowiec, Tamow und Zamosc-Lubac-zow sowie den Weihbischöfen der oben genannten Metropolitansitze und Diözesen. Euer Ad-limina-Besuch hat eine ganz besondere Bedeutung im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000, auf das sich die Weltkirche vorbereitet und mit dem sie den einen Gott in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit preisen will für die Fülle der Wohltaten, die er durch das Kommen des Erlösers der Welt erwiesen hat. An diesen Feiern werden auf je eigene Weise auch die Ortskirchen teilnehmen, die sich auf ihre eigenen großartigen Gedenktage berufen werden. In Polen sind die Feiern verbunden mit der Tausendjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert, des 959 AD-LIMINA-BES U CHE Schutzpatrons des Landes, und mit der Errichtung des ersten polnischen Metropolitansitzes in Gneisen mit den Bischofsitzen in Krakau, Breslau und Kolobrzeg. Der Ad-limina-Besuch hat zudem eine tiefe theologische Bedeutung, denn er ist Ausdruck der Einheit der Bischöfe mit dem Bischof von Rom bei der Erfüllung des durch Christus an sie ergangenen Rufes, demzufolge sie für die Kirche Sorge tragen sollen. Man kann sagen, dass sich so die „sollecitudo omnium Ecclesiarum“ des Apostels Paulus erfüllt. Der Bischof von Rom und die ihm unterstehenden Dikasterien der Kurie bekommen dadurch die Gelegenheit, die Probleme der Seelsorger aus der Nähe kennenzulemen und mit ihnen ihre Erfahrungen zu teilen. Das festigt das Band kollegialer Einheit und Verantwortung in der Kirche. Es ist die Verantwortung für die Begegnung aller Menschen mit Christus, dem einzigen Erlöser der Welt. In diesem Zusammenhang wird auch der tiefe pastorale Sinn dieses Besuches deutlich, denn er ermöglicht eine Bilanz der seelsorglichen Arbeit in den Diözesen und somit die konzentrierte Aufmerksamkeit für die Herausforderungen, die durch die moderne Welt an die Hirten der Kirche aber auch an die Herde gestellt werden. 2. Die Person Christi setzt überall in der Welt unermessliche Geisteskräfte frei und seine Frohe Botschaft erhellt durch ihr Licht das Leben der Menschen auch in unserer Zeit. Dies geschieht überall dort, wo der Mensch zum Weg der Kirche wird und die Kirche - das Volk Gottes - nichts weiß außer Jesus Christus (vgl. 1 Kor 2,2). Dennoch zeigt die Welt, in der wir leben, immer wieder ihr verwundetes Antlitz, das ihr geschlagen wird durch Egoismus, die verschiedensten Formen von Rücksichtslosigkeit, Lüge und Unrecht. Diese Welt verliert häufig ihre Verbindung zu Gott, verleugnet seine Existenz, wird von religiöser Gleichgültigkeit beherrscht. Auf diesem von Sünden entstellten Angesicht erscheint ein leerer, trauriger, manchmal sogar hoffnungsloser Ausdruck. Diese Phänomene gibt es auch in unserem Land. Die Hirten der Kirche haben die schwere Aufgabe, den Menschen zu helfen, Christus in ihrem Leben wiederzufinden und den Weg des Glaubens zu gehen. Wie ich schon in der Enzyklika Redemptor hominis gesagt habe, kann die Kirche den Menschen, dessen Schicksal eng und unauflöslich mit Christus verbunden ist, nicht alleine lassen (vgl. Nr. 14). Aus dieser pastoralen Sorge heraus sollte eine umfassende, mutige Neuevangelisierung erfolgen, welche die grundlegende Sendung der Kirche und der konkrete Ausdruck ihrer Identität ist. „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Diese Worte des Apostels Paulus sind für jeden von uns eine dringende Aufforderung zur Verkündigung des Evangeliums und sie geben Mut zur Erneuerung, die „ein neues Erwachen zum christlichen Leben“ einleiten soll. Diese Bemühungen, die mit dem Wehen des Heiligen Geistes durch das II. Vatikanische Konzil begonnen wurde, bringen immer noch gesegnete Früchte. Die Lehre des Konzils, im Lichte der heutigen Zeit richtig betrachtet, ist immer noch der unerlässliche Bezugspunkt bei der Neuevangelisierung für alle Gläubigen, besonders aber für die Bischöfe, Priester 960 AD-LIMINA-BES UCHE und alle Geweihten. An der Schwelle zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 müssen wir uns fragen, inwieweit die Lehre des Konzils das Wirken der Kirche in Polen beeinflußt hat, in ihren Institionen und im pastoralen Handeln. Das Große Jubiläum muß uns zu einer Gewissenserforschung führen, darüber, wie wir die Lehre des Konzils, diese große Gabe des Heiligen Geistes an die Kirche, am Ende des 2. Jahrtausends umgesetzt haben (vgl. Tertio millennio adveniente). 3. Polen befindet sich gegenwärtig an einem entscheidenden Punkt seiner Geschichte. In der Gesellschaft unseres Landes vollziehen sich viele Veränderungen, die positiv betrachtet werden müssen. Dass sich Laien in größerem Maße bei der Evangelisierung einsetzen und sich ihrer wichtigen Rolle in der Kirche voll bewusst sind, ist Grund zur Freude. Wichtigste Aufgabe der polnischen Kirche ist es, dieses Bewusstsein der katholischen Laien zu vertiefen und es im Geiste des II. Vatikanischen Konzils zu fördern. In der dogmatischen Konstitution über die Kirche steht: „Der Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolats ist. Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann. So ist jeder Laie kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst ,nach dem Maß der Gabe Christi“ (vgl. Eph 4,7)“ (vgl. Nr. 33). Diese Erkenntnis muss in der Pastoral in allen Bereichen zum Ausdruck kommen, in den Pfarreien, den Diözesen und im ganzen Land. Unter diesem Gesichtspunkt müssen Familien sowie kirchliche und zivile Gemeinschaften aller Art gebildet werden. Die heilbringende Sendung der Kirche muss vor allem in den Ortskirchen wirksam werden. Jede Ortskirche kann, dank ihrer hierarchischen Bindung an den Bischof von Rom und den ihn umgebenden Klerus, den Menschen die Speise des Wortes Gottes und die sakramentale Gnade vermitteln. Die Ausübung dieses Dienstes ermöglicht eine ständige Erweiterung und Festigung der Gemeinschaft -des mystischen Leibes Christi. Unsere Aufgabe muss in erster Linie darin bestehen, die geistige Bindung des Menschen zu Gott heranzubilden und das gegenseitige Verständnis und die Liebe der Menschen untereinander zu vertiefen. Dazu bedarf es kirchlicher und weltlicher Strukturen, wobei die Pfarreien und Diözesen eine entscheidende Rolle spielen. Das II. Vatikanische Konzil hat viele Möglichkeiten aufgezeigt, wie Pfarreien und Diözesen zu lebendigen Organen werden können, von denen eine große spirituelle Kraft ausgeht. Hierbei muss ständig Sorge dafür getragen werden, dass der Empfang der Sakramente im Leben der Gläubigen eine immer wichtigere Rolle spielt und ihre geistige Bildung auf kompetente und konsequente Art erfolgt, damit sie sich zum Leben der Kirche zugehörig fühlen und die von ihnen verlangte Verantwortung in Kirche und Gesellschaft übernehmen können. Der Erfolg des Apostolats der Laien hängt von ihrer Bindung 961 AD-LIMINA-BESUCHE an Christus ab: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt große Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). In diesem Entwicklungsprozess müssen die verschiedenen katholischen Vereinigungen und Organisationen bestimmte Aufgaben übernehmen, besonders die „Katholische Aktion“ sowie die verschiedenen beratenden Gremien auf allen Ebenen und verschiedenster Art, die vom Kirchenrecht vorgesehen sind. Wir dürfen auch die Gruppen und Bildungsgemeinschaften katholischer Laien nicht vergessen, die gemeinsam beten, Exerzitien halten, den reichen Schatz der Erkenntnisse des Konzils vertiefen und sich mit der Soziallehre der Kirche befassen, die in Polen heute mehr denn je notwendig ist. Ich hoffe, dass diese Aufgaben auch von den Gruppen der Vollversammlung der Synode und den immer zahlreicher werdenden kirchlichen Bewegungen in Polen erfüllt werden. Dafür wollen wir dem Heiligen Geist Dank sagen. 4. Wenn ich von den Aufgaben der katholischen Laien spreche, denke ich vor allem an die Familie. Die Familie ist „zum Dienst am Aufbau des Reiches Gottes in der Geschichte berufen, indem sie am Leben und an der Sendung der Kirche teilnimmt [...] Die christliche Familie ihrerseits ist dem Geheimnis der Kirche so tief eingefügt, daß sie auf ihre Art an der Heilssendung teilnimmt...“ (Familiaris consortio, Nr. 49). Diese Urzelle des gesellschaftlichen Lebens ist heute stark gefährdet, da einige Strömungen der heutigen Zeit daraufhinwirken, ihren von Natur aus dauerhaften Charakter zu schwächen und durch nicht formale Verbindungen zu ersetzen, und sogar versuchen, Verbindungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern anzuerkennen. Außerdem wird die Familie auch tödlich bedroht durch die Aberkennung des Rechtes auf die Geburt der Ungeborenen und durch die Infragestellung der Erziehung der jungen Menschen im Geiste der stets gültigen christlichen Werte. Mit tiefem Kummer habe ich die Bestrebungen in unserem Vaterland verfolgt, die zur Legalisierung der Tötung von Ungeborenen führen sollen, und mit großer Sorge habe ich im Gebet all diejenigen begleitet, die sich für das Recht auf Leben eines jeden Menschen eingesetzt haben. In meiner Predigt in Kalisz habe ich gesagt: „Das Maß der Zivilisation, das ein universales, immerwährendes, alle Kulturen umfassendes Maß ist, besteht in ihrer Beziehung zum Leben. Eine Gesellschaft, die die Schutzlosen ausgrenzt, verdient es, barbarische Gesellschaft genannt zu werden ...“ (Predigt vom 4.6.1997; in: O.R. dt., Nr. 25 vom 20.6.1997). Ich bin der Überzeugung, dass alle Bemühungen anerkannt und unterstützt werden müssen, die die Neugeborenen mit fürsorglichem Schutz umgeben, sei es durch die Aufnahme von alleinstehenden Müttern in Diözesanhäuser, sei es durch Fonds zum Schutz des Lebens. Ich danke Gott für die Möglichkeiten, die wir heute bei der Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf das Leben in der Familie haben, durch den Brautunterricht, bei der Vorbereitung auf eine verantwortliche Vater- und Mutterschaft und bei der christlichen Ausbildung der jungen Generation. Ich bin mir bewusst, dass das keine leichte Aufgabe ist, da es hier nicht nur um positive Änderungen in der Gesetzesgebung geht. Wir müssen 962 AD-LIMINA-BESUCHE uns vielmehr intensiv um eine Verändemng im Bewusstsein der Gesellschaft bemühen hinsichtlich der Bedeutung der Familie und des Respekts vor dem menschlichen Leben in der Gesellschaft. Hierbei müssen Kirche, Schule und andere gesellschaftliche Kräfte Zusammenarbeiten, damit die Achtung vor den traditionellen Werten der Familie wiederhergestellt und durch einen erzieherischen Prozess gefestigt werden kann, an dem alle mitarbeiten sollten - auch die Medien, die heute einen so großen Einfluss auf das Verhalten der Menschen ausüben. Die Familien in unserem Land müssen mit der ihnen zustehenden Liebe und Fürsorge umgeben werden. Tut alles, was in eurer Macht steht, damit sich die Familien in Polen nicht alleine gelassen fühlen bei ihrem Versuch, ihre Identität zu wahren. Tretet für ihre Rechte und ihre grundlegenden Werte ein, helft ihnen bei der Verwirklichung ihrer Mission und ihrer Aufgabe. Laßt nicht zu, daß diese „Lebens- und Liebes-gemeinschaft“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 48) Unrecht erleidet oder entweiht wird. Das Wohl der Gesellschaft und der Kirche hängt von der Familie ab. Deshalb muss die Kirche der Familie eine starke Stütze sein. Damm bitte ich euch ganz besonders, denn die Familie und ihr Schicksal in der heutigen Welt liegen mir sehr am Herzen. 5. Liebe Brüder im Bischofsamt! Während ich hier mit euch über die Aufgaben nachdenke, denen die Kirche in Polen im Flinblick auf die Neuevangelisierung gegenübersteht, möchte ich euch noch einmal die Begegnung mit den Jugendlichen während meiner Pilgerreise in die Heimat im letzten Jahr ins Gedächtnis rufen. Die Jugend ist die Hoffnung der Welt und der Kirche. Sie wird über die Zukunft unseres Vaterlandes entscheiden. Mit Schmerz und Angst stellen wir fest, dass die Gefahren, denen die Jugend in den letzten Jahren ausgesetzt war, vielleicht noch größer sind als je zuvor. Die rein menschlichen Werte, aber auch der Glaube und die Moral sind stark bedroht. Die passive Anpassung an das Diktat der Verlockungen einer konsumistischen Pseudo-Kultur verhindert oft ernsthafte Überlegungen über den wahren Sinn des Lebens, der Liebe und der Aufgabe der Gesellschaft. Sie entfremdet die Jugendlichen von der Familie und der menschlichen Gemeinschaft oder führt sie zum Glauben an trügerische Schlagworte der verschiedenen Ideologien. In der polnischen Jugend gibt es einen großen Reichtum an Gutem und an spirituellen Möglichkeiten. Das zeigt unter anderem die lebhafte Teilnahme am religiösen Leben in der Familie, in der Pfarrei, an der Katechese, in den Vereinen, den kirchlichen Bewegungen und katholischen Organisationen. Häufig treffen die jungen Menschen so radikale Entscheidungen, wie etwa des Eintritts in ein Seminar oder die Entscheidung für den Weg der evangelischen Räte in verschiedensten Formen. Anlässlich meines letzten Besuches wandte ich mich vertrauensvoll an die polnische Jugend: „Seid in dieser Welt Träger des Glaubens und der christlichen Hoffnung, indem ihr jeden Tag die Liebe lebt. Seid treue Zeugen des auferstandenen, scheut euch nie vor Hindernissen, die sich euch auf eurem Lebensweg entgegenstellen. Ich zähle auf euch, auf eure jugendliche Begeisterung und auf 963 AD-LIMINA -BES U CHE die Suche nach Arbeit, die es ihnen ermöglicht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hier muss die Stimme der Kirche überall dort klar und deutlich zu hören sein, wo es gilt, für das Schicksal dieser Menschen und für ihre Rechte einzutreten. Mit Freude habe ich erfahren, dass die dynamische Arbeit der Caritas in Polen und die Entwicklung der Diözesancaritas in den letzten Jahren es ermöglichten, eigene Strukturen und eine Organisation aufzubauen, die heute den Bedürftigen in Polen, aber auch über die Grenzen hinaus, wirkungsvoll Hilfe leisten können. Es berührt mich sehr, wenn ich hier vor allem auf die Sorge für die behinderten Kinder hinweise, auf die Organisation zur Aufnahme von Kindern aus bedürftigen Familien, auf die Hilfe für die Opfer von Unglücksfällen aller Art und für die Opfer der Überschwemmungskatastrophe in Polen im letzten Jahr; außerdem soll der Beitrag zu Hilfsaktionen für andere Länder und Völker, die unter Krieg, Krankheitsepidemien oder Naturkatastrophen leiden, erwähnt werden. Hier wird eine Schuld abgetragen und gedankt für die internationale Solidarität, die Polen zugute kam und die uns auch heute noch in Notfällen immer wieder gewährt wird. Die oben genannten Hilfsaktionen wären ohne die Großzügigkeit der Polen nicht möglich. Ich freue mich auch, dass in unserem Vaterland in den letzten Jahren viele Hilfsorganisationen entstanden sind, die - auch wenn sie institutionell nicht zur Kirche gehören - Zeichen des guten und mitfühlenden Herzens von Menschen sind, die das Elend und die Ungerechtigkeit sehen. Das Zeugnis der Liebe ist Ausdruck der Sorge und der Verantwortung für die Menschen und die Erfüllung des Wortes Christi: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Diese Worte Christi sollten uns immer und überall zu konkretem Handeln veranlassen. 7. Die bedingungslose Nächstenliebe öffnet wie von selbst die Herzen der Menschen, und die Bereitschaft zum Dialog gibt ihnen die Möglichkeit, in der Kirche jene Institution zu entdecken, in der die Freiheit gegen Missbrauch verteidigt wird, wo aber vor allem die freie Entscheidung zur Nachfolge Christi gefördert wird. Die im Bereich der Evangelisierung tätige Kirche muss das Abbild ihres gekreuzigten Herrn als eines trefflichen Zeugen geduldiger Liebe und demütiger Sanftmut widerspiegeln (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 35). Der apostolische Eifer voller Sensibilität und spiritueller Tiefe, die wiederum auf einer authentischen Weisheit und Heiligmäßigkeit des Lebens gründen, vor allem all jener, die gerufen sind, das Evangelium zu verkünden, bedeutet ein Sich-Öffnen gegenüber allen Menschen, gegenüber der ganzen Welt, für die der Heilsplan Gottes, der die Liebe ist, bestimmt ist. Es soll noch hinzugefügt werden, dass die von der Kirche durchgeführte Neuevangelisierung ihre Wirksamkeit und ihre Kraft im Gebet findet. Erinnern wir uns, welche Rolle das Gebet im Laufe der Geschichte spielte, auch in neuerer Zeit, während des Befreiungskampfes. Müsste sich die Kirche Polens angesichts ihrer enormen Aufgaben nicht auch zu einem intensiven Gebet zusammenfinden? Das Gebet hat nämlich die Macht, alle Getauften durch die Kraft des Heiligen Geistes 966 AD-LIMINA-BESUCHE in die Neuevangelisierung einzubeziehen. Das Gebet zeigt uns die Art des göttlichen Wirkens, reinigt von allem was uns von Gott und den Menschen trennt, von allem, was die Einheit bedroht. Das Gebet schützt uns vor Kleinmut sowie Traurigkeit des Herzens und des Geistes; es lässt uns den Blick zu Gott erheben und die Dinge aus seiner Sicht sehen und macht die Herzen der Menschen offen für die göttliche Gnade. Ein Leben im Gebet heißt Teilnahme an der Liturgie, an den Sakramenten der Versöhnung und die Mitfeier der Heiligen Messe. Die Eucharistiefeier gibt uns nämlich die geistige Nahrung, die jeder Mensch so nötig braucht. Die Teilnahme an der Heiligen Messe an Sonn- und Feiertagen ist unerschöpflicher Quell sowohl für das innere Leben als auch für das Apostolat. Deshalb müssen die Gläubigen auf den Tag des Herrn als Festtag aufmerksam gemacht werden. Der polnische Episkopat möge, auch im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000, die Gläubigen zum innigen, ständigen Gebet anhalten und dabei mit gutem Beispiel vorangehen und die Fülle der Gaben Gottes denjenigen aufzeigen, die Ihn darum bitten. Die seelsorgerischen Initiativen mögen überall, sowohl in den Diözesen als auch in den Pfarreien, die spirituelle Entwicklung einer möglichst großen Zahl von Gläubigen fördern. Dazu sollten auch die Kommunikationsmittel, besonders die katholischen, beitragen und hierbei alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel anwenden. Die katholischen Bewegungen und Vereinigungen sollen sich der Bedeutung des Gebetes für das Apostolat bewusst werden und ihren Mitgliedern, vor allem aber den jungen Menschen, helfen, „frei zu werden“. Bedenkt, dass keine äußere Aktivität zugunsten der Evangelisierung als Ersatz für die Verbindung zu Gott im Gebet dienen kann. 8. Wir verdanken die Evangelisierung und die Verkündung der Heilsbotschaft in unserer Heimat den Söhnen jener Länder, die vor unseren Vorfahren die Taufe empfangen haben. Der hl. Adalbert oder die ersten polnischen Märtyrer sind ein beredtes Beispiel dafür, dass die Evangelisierung in ihrem tiefsten Inneren bedeutet, Christus nachzufolgen „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8); das heißt sich selbst hinzugeben. Das ist der Sinn der Evangelisierung, die von Christus begonnen und von den Aposteln fortgesetzt wurde. So muss es auch heute und in Zukunft sein. Die polnische Kirche hat einen bedeutenden Beitrag zur Mission geleistet und ich möchte an dieser Stelle meinen Dank aussprechen für alles, was für die Mission geleistet wurde. Hier zeigt sich auch, dass die Mission die höchste und heiligste Pflicht der Kirche ist, wie es im Konzilsbeschluß Ad gentes (vgl. Nr. 29) steht. Oft wenden sich Bischöfe aus aller Welt an mich, mit der Bitte, polnische Missionare zu ihnen zu schicken. Ich möchte euch dieses Problem ans Herz legen. Ruft eure Gemeinschaften auf, dem Ruf der Kirche für die Mission in der Welt in großer Zahl zu folgen. Nichts kann das kirchliche Leben dynamischer machen und zu einer Zunahme von Berufungen beitragen als die Entsendung von Menschen, die Christus zu all jenen bringen, die seine Lehre noch nicht kennen. Deshalb möchte ich hier der von unseren Missionaren geleisteten Arbeit meine höchste Anerkennung aussprechen, den Priestern, Ordensleuten, Mitgliedern der 967 AD-LIM1NA -BESUCHE Institute des gottgeweihten Lebens und gläubigen Laien, die sich völlig in den Dienst an der Evangelisierung stellen. Begleiten wir sie stets mit unserem Gebet, damit die Verkündigung der Frohen Botschaft, unterstützt durch die Gnade Gottes, in den Missionsländern das gewünschte Ergebnis bringt. Alle diese Probleme habe ich während meines letzten Aufenthaltes in der geliebten Heimat der Mutter Christi von Jasna Göra anvertraut. Dorthin gingen wir immer, um Maria zu bitten, uns dabei zu helfen, Gott, dem Kreuz, dem Evangelium, der heiligen Kirche und ihren Hirten die Treue zu halten. Ich möchte hier noch einmal so sprechen, wie ich damals zu ihr gesprochen habe: „Heute komme ich zu dir, Mutter, um meine Brüder und Schwestern zu ermahnen, bei Christus und seiner Kirche auszuharren, um sie zu einem weisen Umgang mit der wiedergewonnenen Freiheit im Geiste dessen zu ermutigen, was das Schönste an unserer christlichen Tradition ist. Königin Polens, während ich voll Dankbarkeit deiner mütterlichen Sorge gedenke, vertraue ich dir meine Heimat an mit all den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüchen, die sich in ihr vollziehen. Möge das Verlangen nach dem gemeinsamen Wohl den Egoismus und die trennenden Gräben überwinden. Mögen alle, die ein öffentliches Amt bekleiden, in dir die demütige Magd des Herrn sehen und lernen, den Bedürfnissen ihrer Landsleute zu dienen und sie zu erkennen, wie du es in Kana in Galiläa getan hast, auf dass Polen zu einer Nation werden könne, in der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede herrschen. Auf dass in ihr der Name seines Sohnes gepriesen werde“ (Gebet von Johannes Paul II. in Tschenstochau am 4.6.1997; in: O.R. dt., Nr. 25 vom 20.6.1997). So sei es. Gott, der Allmächtige, segne euch in eurem Hirtenamt in meinem und euren Land. Apostolisches Wirken - Dienst an Kultur, Wahrheit und Nächstenliebe Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe polnischer Bischöfe am 14. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nun habe ich bereits zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit die Freude einer Begegnung mit den Bischöfen Polens. Meinen herzlichen Willkommensgruß richte ich im Hause des Papstes an Kardinal Jozef Glemp, Metropolitanerzbischof von Warschau und Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz, und an die anderen Metropoliten, die sich heute hier eingefunden haben: die Bischöfe von Bialistok, Lublin, Ermland (Warmia), und den Metropoliten von Przemysl-Warschau des byzantinisch ukrainischen Ritus. Auch begrüße ich die residierenden Bischöfe der Diözesen Drohiczyn, Elbing (Elblag), Lyck (Elk), Lomza, Lowicz, Plozk (Plock), Sandomierz, Siedlce, Warschau-Praga, den Militärordinarius und den Bischof von 968 AD-LIMINA -BES U CHE Breslau und Danzig des byzantinisch-ukrainischen Ritus. Schließlich grüße ich die Weihbischöfe der obengenannten Metropolitansitze und Diözesen. Mit euch gedenke ich im Gebet des Erzbischofs Bronislaw Dabrowski, der lange Jahre Sekretär der polnischen Bischofskonferenz war und der vor kurzem in die Ewigkeit eingegangen ist. Das heutige Treffen anlässlich eures Besuchs „ad-limina-Apostolorum“ ist gewissermaßen eine Fortsetzung der ununterbrochenen Reihe von Begegnungen bei anderen Gelegenheiten - sowohl mit euch als auch mit den Pilgern aus allen Diözesen Polens, die so zahlreich in die Ewige Stadt kommen. Diese Treffen müssen unter dem Blickwinkel der Zeiten gesehen werden, das heißt im Lichte der tausendjährigen Tradition enger Beziehungen zwischen unserer Nation und dem Apostolischen Stuhl; diese Beziehungen waren über die Jahrhunderte für unser Land sehr wichtig. Die Anfänge dazu lagen zur Zeit der Taufe von Mieszko I. und seines Hofes. Dank dieses Ereignisses trat Polen in die Kultursphäre des christlichen Abendlandes ein und begann, seine Zukunft auf der Grundlage des Evangeliums aufzubauen. Seit jenen Zeiten sind wir vollberechtigte Mitglieder der europäischen Völkerfamilie geworden, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Zusammen mit den anderen Ländern Europas sind wir Mit-Urheber und gleichzeitig Erben der reichen Geschichte und Kultur dieses Kontinents. Im Fünfjahresrhythmus der Besuche des polnischen Episkopats zu den Gräbern der Apostel fällt euer Besuch in das zweite Jahr der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläumsjahr 2000. Dieses Jahr „wird in besonderer Weise dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Anwesenheit in der Gemeinschaft der Jünger Christi gewidmet sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 44). Der polnische Episkopat hat für dieses Jahr ein eigenes Pastoralprogramm ausgearbeitet mit der Absicht, die Kirche in Polen möge auf das hören, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7) und eine lebendige Erfahrung vom heilsamen Hauch des Heiligen Geistes machen, der im Laufe der Jahrhunderte und vor unseren Augen das Antlitz der Erde erneuert. Die Umsetzung dieses Programms und die gesamte seelsorgerische Arbeit der Kirche im Hinblick auf das Heilige Jahr sollen den Raum unserer Gewissens für den Heiligen Geist öffnen, um es „von toten Werken [zu] reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen“ (Hebr 9,14). 2. „Komm, der jedes Herz erhellt!“ (vgl. Sequenz Veni Sancte Spiritus). Eine wahre Erneuerung des Menschen und der Gesellschaft wird immer durch die Erneuerung der Gewissen bewirkt. Eine bloße Veränderung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen ist zwar wichtig, sie kann sich aber als verpasste Gelegenheit heraussteilen, wenn dahinter nicht Menschen mit ihrem Gewissen stehen. Denn nur sie führen letztendlich die Gesamtheit des sozialen Lebens dazu, sich nach den Regeln jenes Gesetzes zu bilden, das sich der Mensch nicht selbst gibt, sondern das er „im Innern seines Gewissens entdeckt [und] dem er gehorchen muß“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 16). Die Stimme des Gewissens ist das innere Gesetz der Freiheit, die den Menschen zum Guten hinleitet und ihn er- 969 AD-LIMINA-BESUCHE mahnt, nichts Böses zu tun. Einen Bruch dieses Gesetzes durch einen positiven Rechtsakt zuzulassen, kehrt sich in letzter Instanz immer gegen die Freiheit des Menschen und gegen seine Würde. Die götzendienerische Verherrlichung der Freiheit (vgl. Veritatis splendor, Nr. 54), die dem heutigen Menschen öfter vorgeschlagen wird, stellt im Grunde eine große Gefahr für sie dar. Da sie nämlich zum Chaos und zur Verblendung des Gewissens führt, beraubt sie den Menschen einer sehr wirksamen Selbstverteidigung gegen die verschiedenen Formen der Sklaverei. Wie viel schulden wir alle doch den Menschen mit aufrechtem Gewissen - den bekannten und den unbekannten! Die wiedererrungene Freiheit kann weder entwickelt noch verteidigt werden, wenn sich nicht in jedem Bereich des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens Menschen mit geradlinigem Gewissen finden werden, die fähig sind, sich nicht nur den unterschiedlichen und sich ändernden Einflüssen und dem Druck von außen entgegenzusetzen, sondern auch all dem, was die Freiheit des Menschen von innen her schwächt oder sogar zerstört. Die Menschen mit Gewissen sind geistig frei und fähig, die neuen Aufgaben, vor die uns die Vorsehung gegenwärtig stellt, im Lichte der ewigen, so oft bestätigten Werte und Normen zu erkennen. Jeder Christ sollte ein „gewissenhafter“ Mensch sein, der zuallererst einen ganz wichtigen Sieg, in gewisser Weise den schwierigsten seines Lebens, erringt, nämlich den Sieg über sich selbst. Er sollte ein Gewissen „haben“ in allen Dingen, die sein privates und öffentliches Leben betreffen. Die Bildung eines aufrechten Gewissens der Gläubigen, angefangen bei den Kindern und Jugendlichen, muss eine ständige Sorge der Kirche sein. Wenn Polen heute um Menschen mit Gewissen bittet, sollten die Hirten des Gottesvolkes - unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Ursachen - die Bereiche näher definieren, in denen die Schwachheit der Gewissen am stärksten zu Tage tritt, um ihre Hilfe zum geduldigen Wiederaufbau des sittlichen Gefüges der ganzen Nation anbieten zu können. 3. Wissenschaft und Kultur können und müssen bei der moralischen Wiedergeburt der polnischen Gesellschaft ein natürlicher Verbündeter sein. Die Wissenschaftler, die wissenschaftlichen Disziplinen, die Akademiker, die Philologen und die Bereiche kultureller Kreativität machen die Erfahrung einer spezifischen Transzendenz der Wahrheit, der Schönheit und des Guten und werden deshalb zu natürlichen Dienern des Geheimnisses Gottes, das sich vor ihnen offenbart und dem sie treu bleiben müssen. Diese Forderung nach Treue führt dazu, dass jeder von ihnen, als Wissenschaftler oder Künstler und unabhängig von seiner persönlichen Überzeugung, aufgerufen ist, „eine Funktion des kritischen Bewußtseins auszuüben gegenüber allem, was das Menschsein gefährdet oder mindert“ (.Ansprache zum 600-jährigen Gründungsjubiläum der theologischen Fakultät und der Jagellonenuni-versität in Krakau am 8.6.1997). So trifft der „Dienst der Gedanken“, den man von den Wissenschaftlern und kulturell Tätigen erwarten darf, mit dem Dienst der Kirche hinsichtlich der Gewissen 970 AD-LIMINA-BES U CHE der Menschen zusammen. Daraus ergibt sich, dass der Dialog der Kirche mit den Wissenschaftlern und Persönlichkeiten der Kultur nicht so sehr ein Erfordernis des Augenblicks ist, sondern vielmehr Ausdruck eines besonderen Bündnisses für den Menschen im Namen der Wahrheit, der Schönheit und des Guten, ohne die das Leben von Leere und Sinnlosigkeit bedroht wird. Die Verantwortung der Vertreter aus Wissenschaft und Kultur ist enorm aufgrund der Tatsache, dass sie einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung ausüben. Es hängt nämlich zum großen Teil von ihnen ab, ob die Wissenschaft der Kultur des Menschen und seiner Entwicklung dient, oder ob sie sich gegen den Menschen und seine Würde, ja sogar gegen seine Existenz kehren wird. Kirche und Kultur brauchen einander und müssen zum Wohl der Gewissen aller - gegenwärtiger und künftiger - Generationen von Polen Zusammenarbeiten. 1987, während meiner dritten Pilgerreise in die Heimat, sagte ich beim Treffen mit den Vertretern der Kulturwelt am 13. Juni in der Kreuzkirche in Warschau, dass die Kulturschaffenden „in einem zuvor nicht bekannten Grade die Verbindung mit der Kirche wiedergefunden haben“. Damals äußerte ich den Wunsch, „daß die polnische Kirche voll und ganz dem Vertrauen dieser Menschen gerecht wird, die recht häufig von weither kommen, und daß sie eine Sprache findet, die ihre Herzen und ihren Geist erreicht“. Dieser Auftrag ist auch heute noch aktuell, denn die Zeit ist gekommen, dass diese Beziehung die erwarteten Früchte bringe. Es besteht also ein dringendes Bedürfnis nach Festigung dieser Bande mit den Wissenschaftlern und Kulturschaffenden. Dies ist auch eine der Hauptaufgaben bei der Evangelisierung durch die Kirche. „Evangelisierung ist auch die Begegnung mit den Kulturen der verschiedenen Epochen“ (Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, S. 136). Die Frohe Botschaft Christi wurde in die Welt gebracht, und sie verändert deren Mentalität, indem sie gewissermaßen für die Seele dieser Welt kämpft. Die Samen des Guten und der Wahrheit, die sich in ihr finden, werden vom Evangelium geläutert, geadelt und zur Erfüllung gebracht. Ja mehr noch: Das Evangelium inspiriert die Kultur und versucht, sich selbst in der Kultur zu verwirklichen. So war es seit Beginn der Evangelisierung, und so muss es auch in Zukunft sein, denn die Spur, die das Evangelium in der Kultur hinterlässt, ist Zeichen einer unvergänglichen Vitalität und einer Kraft, die Herz und Sinn immer neuer Generationen zu berühren weiß. Und doch müssen wir leider bemerken, dass dieser spirituelle Reichtum und dieses kulturelle Erbe unserer Nation oftmals der Gefahr der Säkularisierung und Verflachung ausgesetzt sind, speziell im Bereich der menschlichen, humanistischen und sittlichen Grundwerte, die es zu schützen gilt. Auf diesem Gebiet hat die Kirche in Polen eine sehr wichtige Rolle zu spielen. Es geht darum, dass die Werte und Inhalte des Evangeliums die Kategorien des Geistes, die Beurteilungskriterien und die Regeln des menschlichen Handeln durch-dringen. Wir müssen hoffen, dass die gesamte Kultur vom christlichen Geist erfüllt wird. Die zeitgenössische Kultur hat neue Ausdrucksmittel und neue techni- 971 AD-LIMINA-BES U CHE sehe Möglichkeiten zur Verfügung. Die Universalität dieser Mittel und die Macht ihres Einflusses zeigen starke Auswirkungen auf die Mentalität und auf die Herausbildung der Einstellungen in der Gesellschaft. Man muss also die wichtigen Initiativen unterstützen, die die Aufmerksamkeit der künstlerisch und schöpferisch Tätigen auf sich ziehen könnten und ein Ansporn wären für die Förderung ihrer Aktivitäten und für die Entfaltung und Weckung von Talenten im Einklang mit der christlichen Identität der Nation und ihrer lobenswerten Tradition. Man darf nicht mit den nötigen Mitteln sparen, um all das zu pflegen, was edel, erhaben und gut ist. Es sind gemeinsame Anstrengungen nötig, die auf den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Kirche und Kulturwelt abzielen, und es bedarf einer Sprache, durch die sie ihren Verstand und ihre Herzen erreicht und sie in den Einflussbereich des Ostergeheimnisses Christi einführt, den Bereich jener Liebe, die er den Seinen bis zur Vollendung erwies (vgl. Joh 13,1). Die Aufmerksamkeit der Kirche sollte auch auf alle die Laiengläubigen gerichtet sein, die auf diesem Gebiet ihre besondere Aufgabe zu erfüllen haben. Sie besteht in einer mutigen, kreativen und aktiven Präsenz an den Orten, wo Kultur gemacht wird, wo sie sich entwickelt und bereichert wird. Eine sehr wichtige Aufgabe ist auch die Erziehung der Gesellschaft, insbesondere der jungen Generation, zu einer korrekten Aufnahme der Früchte der Kultur. „Die Kirche erinnert alle daran, daß die Kultur auf die Gesamtentfaltung der menschlichen Person und auf das Wohl der Gemeinschaft sowie auf das der ganzen menschlichen Gesellschaft auszurichten ist. Darum muß der menschliche Geist so gebildet werden, daß die Fähigkeit des Staunens, der eigentlichen Wesenserkenntnis, der Kontemplation, der persönlichen Urteilsbildung und das religiöse, sittliche und gesellschaftliche Bewußtsein gefördert werden“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 59). Die Frage des Verhältnisses der Kirche zur Kultur und ihrer gegenseitigen Bezugnahmen ist ein Problem, das in meiner pastoralen Lehre immer wieder auftritt. Daher konnte ich es auch diesmal - in meiner Ansprache an euch anlässlich dieses Besuchs - nicht auslassen, denn diese Frage ist auch für unser Land von besonderer Wichtigkeit. Die Nation existiert in der Tat „durch“ die Kultur und „für“ die Kultur. Dank ihrer wahren Kultur wird sie vollkommen frei und souverän (vgl. Ansprache an die UNESCO am 2.6.1980, Nr. 14). 4. Im Zusammenhang des oben Gesagten möchte ich noch einmal die Rolle der polnischen Kultur im Einigungsprozess des europäischen Kontinents herausstel-len. Man muss darüber wachen, dass dieser Prozess nicht nur auf rein wirtschaftliche und materielle Aspekte reduziert wird. Daher kommt der Wahrung, dem Erhalt und der Entwicklung dieses kostbaren, von den Vätern des heutigen Europa vermittelten spirituellen Erbes eine besondere Bedeutung zu. Während der Predigt in Gnesen habe ich das sehr deutlich gesagt: „Das Ziel einer wahren Einheit Europas liegt noch in weiter Feme. In Europa wird es keine Einheit geben, solange diese nicht auf der Einheit des Geistes beruht. Dieses tiefste Fundament der Einheit wurde vom Christentum nach Europa gebracht; es wurde im Laufe der Jahrhun- 972 AD-LIMINA-BESUCHE derte von seinem Evangelium, seinem Menschenbild und seinem Beitrag zur Entwicklung der Geschichte der Völker und Nationen gefestigt [...] Die Geschichte Europas ist ein breiter Strom, in den viele Nebenflüsse münden, und die Vielfalt der Traditionen und Kulturen machen ihren großen Reichtum aus. Die Fundamente der europäischen Identität liegen im Christentum“ (Predigt am 3.6.1997, Nr. 4). Bei diesen bemerkenswerten Anstrengungen, die der sich vereinende Kontinent vor sich hat, darf der Beitrag von Seiten der katholischen Polen nicht fehlen. Europa braucht ein zutiefst gläubiges Polen, das auf christliche Weise kulturell schöpferisch ist und das sich jener Rolle bewusst wird, die ihm die Vorsehung anvertraut hat. Das, was Polen für Europa tun kann und muss, entspricht gewissermaßen der Aufgabe, in der Heimat eine geistige Gemeinschaft aufzubauen, die in der Treue zum Geist des Evangeliums gründet. Unsere Nation, die in der Vergangenheit - vor allem während des Zweiten Weltkriegs - so viel Leid erlebt hat, kann Europa viel bieten, vor allem ihre christliche Tradition und die reiche religiöse Erfahrung der Gegenwart. Der Kirche in Polen stehen also große historische Aufgaben bevor, zu deren Erfüllung sie missionarische Frische und apostolischen Elan benötigt. Sie muss in sich selbst genug Kraft finden für einen wirksamen Widerstand unseres Landes gegen die Tendenzen der heutigen Zivilisation, die eine Abwendung von den spirituellen Werten hin zu ungezügeltem Konsumismus vorschlagen, oder auch die Preisgabe traditioneller religiöser und sittlicher Werte zugunsten einer säkularen Kultur und eines ethischen Relativismus. Die christliche Kultur Polens, das religiöse und nationale Ethos sind eine kostbare Energiereserve, die Europa heutzutage braucht, um innerhalb seiner Grenzen eine umfassende Entfaltung der menschlichen Person zu gewährleisten. Auf diesem Gebiet vereinen die Weltkirche und alle Ortskirchen Europas ihre Anstrengungen. Jede von ihnen sollte ihr eigenes kulturelles Erbe, ihre Tradition und Erfahrung, ihren Glauben und ihr apostolisches Engagement in dieses große Werk einbringen. 5. Beim Schaffen von Kultur und bei ihrer Vermittlung spielen die Medien eine wichtige Rolle. In der Welt von heute sind sie eine starke und allgegenwärtige Macht. Sie können die Gewissen wachrütteln, die Menschenrechte verteidigen, das Bewusstsein des Menschen zum Guten, zur Freiheit, zur Gerechtigkeit, zur Solidarität und zum Frieden hin orientieren, aber die Menschen können „diese technischen Erfindungen gegen Gottes Schöpfungsplan und zu ihrem eigenen Schaden mißbrauchen“ (Inter mirifica, Nr. 2). In ihnen erkennt die Kirche in erster Linie ein riesiges, „schlummerndes“ Potential der Evangelisierung, und sie sucht nach Möglichkeiten, um es für ihre apostolische Tätigkeit einzusetzen. Man darf nicht vergessen, dass der eigentliche Zweck und die Aufgabe der sozialen Kom-munikationsmittel der Dienst an der Wahrheit und die Verteidigung der Wahrheit sind. Sie besteht in einer objektiven und ehrlichen Weitergabe von Informationen, im Vermeiden jedweder Manipulation der Wahrheit und in einer Einstellung, die 973 AD-L1MINA-BES U CHE die Wahrheit nicht verzerren möchte. Der Dienst an der Wahrheit ist ein Dienst für den Menschen in seiner Gesamtheit von Körper und Geist; dies äußert sich in der Befriedigung seiner kulturellen und religiösen Bedürfnisse sowohl auf persönlicher wie auch auf gemeinschaftlicher Ebene. Die Wahrheit ist nämlich unauflöslich mit dem Guten und Schönen verbunden. Wo also die Wahrheit weitergegeben wird, dort offenbart sich auch die Macht des Guten und der Glanz des Schönen, und der Mensch, der dies erlebt, gewinnt an Adel und Kultur. Dies ist eine besondere Sendung, die einen großen Beitrag zum Wohl und zum Fortschritt der Gesellschaft leistet. Vor der Kirche in Polen hat sich in den letzten Jahren ein weiter Raum für die Evangelisierungsarbeit aufgetan. Zu ihrem Aktionskreis sollten all jene gehören, die in der Welt der Medien arbeiten, aber auch all diejenigen, die sich der sozialen Kommunikationsmittel bedienen. Man darf sich also nicht nur auf die berufliche Ausbildung des Personals konzentrieren, das in der Lage sein muss, die sozialen Besonderheiten, ihre Wirkkraft, die Sprache und Technik zu verstehen und das auch die Fähigkeit haben sollte, sie für das geistige und materielle Wohl des Menschen einzusetzen. Diese Arbeit sollte auch die spirituelle Ausbildung der Mitarbeiter im Bereich der Medien in Betracht ziehen. Man muss ihnen das Evangelium näher bringen, sie mit der katholischen Soziallehre vertraut machen und sie über das Leben und die Tätigkeit der Kirche sowie über die sittlichen Probleme des heutigen Menschen informieren. Mit Hilfe der im christlichen Geist erzogenen Menschen kann die Kirche mit viel größerer Leichtigkeit ein breiteres Publikum erreichen, die verschiedenen Areopage der Welt, die Bereiche, die nach Gott dürsten. Es besteht auch das dringende Bedürfnis nach einer angemessenen Erziehung der ganzen Gesellschaft, insbesondere der Jugend, zu einem richtigen und reifen Gebrauch der Kommunikationsmittel, damit niemand ein passiver und unkritischer Empfänger der von ihnen verbreiteten Inhalte und Informationen sei. Auch muss man vor den Gefahren - sowohl für den Glauben und die Moral als auch für die allgemeine Entfaltung des Menschen - warnen, die mit manchen Zeitschriften, Büchern, Filmen und Radio- oder Fernsehprogrammen einhergehen können. Man darf die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass die Medien nicht nur ein machtvolles Informationswerkzeug sind, sondern dass sie in gewissem Sinne auch versuchen, ihre eigene Welt zu schaffen. Hier sind gemeinsame und koordinierte Aktionen von Kirche, Schule, Familie und Medien unerlässlich, und gerade die sozialen Kommunikationsmittel können in diesem Bildungsprozess eine große Hilfe sein. In diesem Zusammenhang kann man leicht feststellen, wie wichtig es ist, dass die Kirche in Polen eigene Medien besitzt und sich ihrer bedient. Gegenwärtig verfügt sie über zahlreiche Radiosender auf Gemeinde-, Diözesan- und Landesebene, sowie über einige lokale Femsehstationen. Außerdem werden die Programm von Radio Vatikan ausgestrahlt. Es ist erfreulich, dass die sozialen Kommunikationsmittel in Polen zu einem wichtigen Verbündeten der Kirche in der Erfüllung ihrer 974 AD-LIMINA -BES UCHE Heilssendung geworden sind. Eine langjährige Tradition in unserer Gesellschaft und große Verdienste um die kulturelle, sittliche und religiöse Formung hat die katholische Presse aufzuweisen. In Polen existieren gegenwärtig diözesane und nationale Zeitschriften, aus dem Vatikan kommt die polnische Ausgabe des L'Osservatore Romano, die das päpstliche Lehramt nahe bringt, es gibt eine Katholische Nachrichten-Agentur, und es werden viele Bücher publiziert. Ich habe auch gehört, dass die polnische Kirche - wenn auch noch in beschränktem Maße -von den Informations- und Evangelisierungsmöglichkeiten durch das Internet und andere multimediale Publikationen Gebrauch macht. Die Kirche - mit ihren Hirten und Laiengläubigen - hat die Aufgabe, die Entwicklung des katholischen Pressewesens und die Erweiterung ihres Aktionsradius entschlossen zu unterstützen und die Menschen zum Lesen der entsprechenden Publikationen zu ermutigen, um ihre Kenntnis der Glaubenswahrheiten, des Lehramts der Kirche und der religiösen Kultur zu vertiefen. Man muss Gott und den Menschen für diese beachtliche Vielfalt an sozialen Kommunikationsmitteln in Polen dankbar sein. Mein Wunsch ist, dass dieses apostolische Wirken, das ein Dienst für Kultur, Wahrheit und Nächstenliebe ist, eine christliche Einstellung fördert, das apostolische Engagement freisetzt und die Gemeinschaft der Kirche aufbaut. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt! Es gibt da noch eine Frage, über die ich anlässlich eures Besuchs „ad-limina-Apostolorum“ mit euch nachdenken möchte, und zwar die Frage der Priesterausbildung. Im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betonte ich: „Die Ausbildung sowohl der künftigen Weltpriester wie der Ordenspriester und die eifrige, das ganze Leben lang geltende Sorge um ihre persönliche Heiligung im Amt und um die ständige Weiterbildung und Anpassung ihres Pastoralen Einsatzes werden von der Kirche tatsächlich als eine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben für die zukünftige Evangelisierung der Menschheit angesehen“ (Nr. 2). Ja, die Sorge um die Ausbildung der Priesteramtskandidaten, wie auch der schon geweihten Priester - das möchte ich hier noch einmal wiederholen - gehört zu den Hauptaufgaben der Bischöfe. Die polnische Kirche sieht sich momentan neuen Herausforderungen gegenüber; sie sind das Ergebnis tiefer sozio-kultureller Verändemngen, die sich gegenwärtig in unserem Land vollziehen. Das Tätigkeitsfeld der Kirche ist größer geworden und folglich auch das Bedürfnis nach gut ausgebildeten Hirten, die für die spirituelle Entwicklung der ihnen anvertrauten Gläubigen verantwortlich sind. Die Diözesan- und Ordensseminare sind für das Volk Gottes ganz außerordentlich wichtig. In der ganzen Kirche und in allen ihren Teilen sind sie ein besonderer Beweis von Vitalität und gewissermaßen von geistiger Fruchtbarkeit, die sich in der Bereitschaft von jungen Menschen zur ganzen Hingabe in den Dienst für Christus äußert. Die Möglichkeiten des Engagements der Ortskirchen in Evangelisierung und Mission hängen von den Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben ab. Die Kirche bittet den Herrn der Ernte unaufhörlich, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9,38), denn die Frage der Berufung ist eine ihrer 975 AD-LIMINA-BES U CHE Hauptsorgen. Man muss in der Kirche Polens alles nur Mögliche tun, damit der Opfergeist und die großherzige Hingabe in der Annahme der Berufung Christi in den Jugendlichen nicht erlischt. Unentbehrlich sind die diesbezüglichen Bemühungen - gepaart mit der Weckung neuer Berufungen und der Ausbildung der neuen Generationen von Priesteramtskandidaten. Man muss dies im wahren Geist des Evangeliums tun und mit einer korrekten Deutung der Zeichen der Zeit, worauf das II. Vatikanische Konzil so großen Wert gelegt hat. Diese Bemühungen sollten auch begleitet sein von einem echten Lebenszeugnis der Priester, die sich vorbehaltlos Gott und ihren Brüdern schenken. Die Katechese und die Seelsorge der Jugendlichen, das Sakraments- und Gebetsleben und auch die geistige Führung müssen dem jungen, im Reifungsprozess befindlichen Menschen helfen, verantwortliche Entscheidungen bezüglich Treue und Beharrlichkeit zu treffen. Ich bitte euch, liebe Brüder, die Seminare mit eurer väterlichen Fürsorge zu umgeben. Mögen diejenigen, denen ihr die Ausbildung der künftigen Priester an vertraut habt, bei euch immer Verständnis, Unterstützung und guten Rat finden. Es scheint für die Priesterseminare in Polen eine neue „ratio fundamentalis“ und „ratio stu-diorum“ nötig zusein, die der gegenwärtigen Situation der Kirche, der zeitgenössischen Mentalität der Jugendlichen und den neuen Herausforderungen, die sich den künftigen Priestern stellen werden, angepasst ist. Neben der Ausbildung zum Priesteramt ist auch die ständige Weiterbildung der Diözesan- und Ordenspriester sehr wichtig, womit sich das Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis eingehend beschäftigt. Ich möchte euch raten, dieses Problem zu beherzigen und immer vor Augen zu haben - im Geist der Hirtenliebe und als große Verantwortung für die Zukunft des Priesteramts. Mögen euch Liebe und Fürsorge dazu anregen, das Programm zur ständigen geistigen, intellektuellen und seelsorgerischen Weiterbildung der Priester in all ihren Aspekten auszuarbeiten und in die Tat umzusetzen. Ermutigt sie dazu, sich selbst um ihre ständige Weiterbildung zu kümmern, und zwar in jedem Lebensabschnitt, unabhängig von den jeweiligen Bedingtheiten und von ihrer Funktion in der Kirche. Das ist ein ernsthaftes und stetes Wirken, und es hat den Zweck, den Priestern zu helfen, immer vollständiger und reifer zu Männern des Glaubens und der Heiligkeit zu werden und fähig zu sein, jenes große Geschenk in ihnen zu bewahren, das ihnen durch die Handauflegung zuteil wurde (vgl. 2 Tim 1,6), und das Gewicht des Geheimnisses zu tragen, das dem Priesteramt innewohnt: „Die heutige Welt verlangt heiligmäßige Priester! Nur ein heiligmäßiger Priester kann in einer immer stärker säkularisierten Welt ein transparenter Zeuge Christi und seines Evangeliums sein. Nur so kann der Priester für die Menschen zum geistlichen Führer und Lehrer von Heiligkeit werden. Die Menschen, vor allem die jungen, erwarten eine solche Führung. Der Priester kann in dem Maße Führer und Lehrer sein, indem er ein authentischer Zeuge wird!“ (Geschenk und Geheimnis, S. 94). 7. Zum Schluss dieses Ad-limina-Besuchs, der mir die Gelegenheit zur persönlichen Begegnung mit jedem von euch gegeben hat, möchte ich euch meine Wert- 976 AD-LIMINA -BES U CHE Schätzung aussprechen für die große und hochherzige Seelsorge- und Evangelisierungsarbeit, die die Kirche in Polen jeden Tag leistet, indem sie das Werk der Erneuerung im Lichte der Lehre des II. Vatikanischen Konzils fortsetzt. Ich denke dabei an die Hirten der polnischen Kirche, an die Welt- und Ordenspriester, an die Ordensschwestern, an die Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und an die katholischen Laien. Im Herzen und in Gedanken schließe ich alle ihren Mühen und Anstrengungen ein, die vielleicht nicht immer genügend bemerkt und gewürdigt werden. Keiner sollte sich vergessen oder allein fühlen, oder auch enttäuscht angesichts der Schwierigkeiten und Misserfolge in der apostolischen Tätigkeit, denn alle werden immer und überall vom Gebet der ganzen Kirche begleitet. Und auch das Gebet des Papstes begleitet sie alle jeden Tag! Auf der Schwelle zum Großen Jubeljahr 2000 wünsche ich der Kirche in unserem Vaterland, sie möge - dem Heiligen Geist folgsam - ihre apostolische Fürsorge für das Gottesvolk unermüdlich beleben und die Herausforderungen der modernen Zeit mutig aufnehmen. Der Heilige Geist ist jener „süße Gast der Seele“, der das tiefinnerliche Geheimnis jedes Menschen besser als jeder andere kennt. Nur der Heilige Geist kann das Werk der Läuterung all dessen, was im Menschenherzen böse ist, vollbringen. Er heilt die tiefsten Wunden des menschlichen Daseins, indem er die schlechte innere Ernte in fruchtbare Felder der Gnade und Heiligkeit verwandelt. Unter der Wirkung des Heiligen Geistes reift und festigt sich der „innere“, d. h. der „spirituelle“, nach dem Abbild Gottes geschaffene Mensch, von Heiligkeit gezeichnet und fähig, als neuer Mensch (vgl. Röm 6,4), also den göttlichen Geboten gemäß, zu leben. Dank dieser Wirkung erneuert sich die Welt der Menschen von innen heraus, aus dem Innern der Herzen und Gewissen (vgl. Dominum et Vivificantem, Nm. 58 und 67). Maria, der Mutter Jesu, die „als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ leuchtet (Lumen Gentium, Nr. 68), empfehle ich euch Hirten, eure Gläubigen und alle meine Landsleute; und für die großzügige Hingabe für das Evangelium und den Dienst in Liebe und Wahrheit segne ich alle von ganzem Herzen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Basisgemeinden und Apostolatsbewegungen - Zeichen für eine Erneuerung der Kirche Ansprache beim Ad-Limina-Besuch der Bischöfe von Ruanda am 17. September Liebe Brüder im Bischofsamt! l.In diesen Tagen befindet ihr euch auf eurer Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel, und ich freue mich, euch Hirten der Kirche von Ruanda in diesem Hause zu empfangen. Ihr seid gekommen, die Freuden und Sorgen eures Bischofsamtes, 977 AD-LIMINA -BES U CHE die Prüfungen und Sehnsüchte des euch anvertrauten Volkes mit dem Nachfolger Petri zu teilen. Ich wünsche mir, dass eure Treffen beim Apostolischen Stuhl euch Trost und Ermutigung bringen, damit ihr eure Sendung, das Werk Christi, des ewigen Hirten, gemeinsam mit dem Papst und unter seiner Autorität durch alle Zeiten fortzusetzen, mit immer größerer Überzeugung erfüllen könnt (vgl. Christus Dominus, Nr. 2). Ihr kennt auch die Fürsorge, die der Hl. Stuhl euch stets angedeihen lässt, durch das aufmerksame Zuhören und die Unterstützung, die ihr immer beim Apostolischen Nuntius und seinen Mitarbeitern finden könnt. Herzlich danke ich dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Msgr. Thaddäee Ntihinyurwa, für seine weit blickenden Worte, die uns die Sorgen, aber auch die Hoffnungen der Kirche in Ruanda präzise vermittelt haben. Durch euch möchte ich die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Katechisten und Gläubigen eurer Diözesen herzlich grüßen, zusammen mit dem ganzen ruan-desischen Volk. Ihm bin ich in den Leiden, die es auf solch tragische Weise heimgesucht haben, besonders nahe, und ich kenne seinen starken Wunsch, einen gemeinsamen Weg auf der Grundlage der Brüderlichkeit und des gegenseitigen Einvernehmens zu finden. Möge Gott die so schmerzlich verletzten Herzen heilen und die Bemühungen aller Friedenschaffenden segnen! 2. Im Laufe der vergangenen Monate konnte der ruandesische Episkopat neu aufgebaut werden. Ich empfehle dem Vater aller Barmherzigkeit die Bischöfe an, die während der großen Tragödie in eurem Land verstorben sind, und ich ermutige die neuen Bischöfe, Hirten nach dem Herzen Christi zu sein, um das Gottesvolk in diesem schwierigen Abschnitt seines Daseins zu leiten. Der Auftrag, den ihr erhalten habt, nämlich zu lehren, zu heiligen und zu weiden, verpflichtet euch zu einer steten Weiterentwicklung der Bande der Einheit in der Liebe untereinander. Wie ich nämlich im Motuproprio Apostolos suos schrieb, ist „die Einheit des Episkopats eines der konstitutiven Elemente der Einheit der Kirche“ (vgl. Nr. 8) und ihres Wachstums. Eine aktive und brüderliche Zusammenarbeit wird es euch ermöglichen, euren Auftrag fruchtbringend zu erfüllen und unter den gegenwärtigen Umständen auch die kirchliche Gemeinschaft und eure Sorge um das ganze Volk zum Ausdruck zu bringen. „Wenn die Bischöfe eines Gebietes gemeinsam einige pastorale Aufgaben zum Wohl ihrer Gläubigen erfüllen, wird die kollegiale Gesinnung (affectus collegialis) konkret verwirklicht; sie ist die Seele der Zusammenarbeit zwischen den Bischöfen im regionalen, nationalen und internationalen Bereich“ (ebd., Nr. 12). Das Drama, das euer Land im Laufe der letzten Jahre erlebte, hat zahlreiche Einrichtungen zerstört; ihr müsst sie wieder aufbauen, damit die Kirche ihre Tätigkeit im Dienst an ihren Mitgliedern und an der Gesamtheit der Bevölkerung fortsetzen kann. Dieses Unglück hat aber vor allem die Herzen getroffen. Um den Gläubigen bei der Heilung ihrer tiefen Wunden zu helfen, ist es nötig, ein wahres Streben nach Heiligkeit in ihnen zu wecken, damit sie in einem Geist des Gebets, der Liebe und der innerlichen Armut den Pfad der Bekehrung und der persönlichen 978 AD-LIMINA-BESUCHE und gemeinschaftlichen Erneuerung beschreiten. Die christlichen Gemeinschaften sollen mit Mut und Beharrlichkeit eine prophetische Einstellung gegenseitiger Versöhnung an den Tag legen und entschlossen den Weg der Eintracht in der wiedergefundenen Brüderlichkeit und im Vertrauen einschlagen! 3. Die Feier des Großen Jubeljahrs 2000 steht nunmehr vor der Tür. Für die Kirche in Ruanda wird sie mit dem ersten hundertjährigen Jubiläum der Evangelisierung zusammenfallen. In der Tat wurde die erste Pfarrei am 8.Februar 1900 in Sava, im Gebiet der heutigen Diözese Butare, gegründet. Mit euch und mit der ganzen Kirche eures Landes danke ich Gott für alles, was sich in diesen Jahren ereignet hat, für den apostolischen Eifer der ersten Missionare, die das Evangelium in euer Land gebracht haben, und für den Mut aller Männer und Frauen, die treu Zeugnis abgelegt haben für den Geist Christi. Ich möchte ebenfalls die Anerkennung der Kirche gegenüber jenen Missionaren aussprechen, die durch ihre unermüdliche und selbstlose Arbeit das Werk ihrer Vorgänger heute weiterführen. Ihre Anwesenheit im Dienst der Gemeinschaften eurer Diözesen hat nichts an Bedeutung verloren. Sie ist das Zeichen der Universalität der Liebe Gottes und des Auftrags der Kirche, die unterschiedslos zu allen Menschen gesandt ist. Die Zeit der Vorbereitung auf die Feierlichkeiten im Jubeljahr ist für einen ehrlichen Blick in die Vergangenheit günstig. Habt keine Angst davor, der geschichtlichen Realität, wie sie wirklich ist, ins Auge zu schauen! Im Verlauf dieses ersten Jahrhunderts der Evangelisierung hat es bewundernswerte Heldentaten gegeben, aber auch viel Untreue gegenüber dem Evangelium, die eine Gewissenserforschung über die Art und Weise verlangt, wie die Frohe Botschaft seit hundert Jahren gelebt wird. Die Zugehörigkeit zu Christus war nicht immer stärker als die Zugehörigkeit zu verschiedenen menschlichen Gemeinschaften. An der Schwelle zu diesem neuen Abschnitt, den die Kirche auf ihrem Weg inmitten der Menschen unternimmt, ist ein spirituelles Erwachen nötig. Eine tiefgreifende Neuevangelisierung ist dringend geworden, damit die Botschaft des Evangeliums von den heutigen Menschen verkündet, aufgenommen und wirklich gelebt wird. 4. Allerdings, liebe Freunde im Bischofsamt, muss auch klar gesagt werden, dass das Leid, das man angesichts der Schatten der Vergangenheit empfinden kann, die Lichter, die den Kurs der Kirche und der Gesellschaft in eurem Land erleuchtet haben und weiterhin erleuchten, nicht überschatten dürfen. Es gab schöne Früchte der Treue zu Christus seitens einiger Christen, die in den tragischen Momenten des Lebens der Nation eine heroische Haltung eingenommen haben. Zahlreich waren auch jene Jünger Christi, die in Ruanda ihr Leben großherzig für ihre Brüder hingegeben haben. Stellt das Zeugnis dieser Märtyrer der Liebe heraus, die das wahre Gesicht der Kirche gezeigt haben, damit ihr Blut eine Saat des Evangeliums wird und die kommenden Generationen sie nicht vergessen! Sie werden euch helfen, nicht am Menschen zu verzweifeln und mutig in die Zukunft zu blicken, um 979 AD-LIMINA-BES UCHE für den Anbruch der Zivilisation der Liebe zu wirken, auf die die Menschheit wartet. Sie werden euch auch daran erinnern, dass „die Stimme der communio sanctorum stärker ist als die der Anstifter zur Zwietracht“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 37). Die Kirche muss der Welt nämlich in erster Linie das Zeugnis ihrer Einheit in Christus und um ihre Hirten liefern. In der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium befasst sich das II. Vatikanische Konzil besonders eingehend mit der Einheit der Kirche: Ihre Glieder sind ein einziger Leib in Christus, der seinerseits das Haupt ist. Es ist in der Tat wesentlich, dass alle, Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, sich ihrer Verantwortung immer besser bewusst werden, damit die Einheit des Leibes Christi, auf das Wirken des Heiligen Geistes gegründet und vom apostolischen Amt gewährleistet, von echter, gegenseitiger Liebe getragen wird. An diesem Zeichen erkennt man die Jünger des Herrn Jesus. 5. Liebe Brüder im Bischofsamt! Durch euch möchte ich euren Priestern die Zuneigung und Ermutigung des Nachfolgers Petri vermitteln, damit sie in ihrem Amt die Freude und Kraft finden, um treue Diener Christi zu bleiben. Ich kenne die Hingabe an das Gottesvolk, die viele heute wie damals in schweren Zeiten beweisen, sowie ihren Eifer bei der Verkündung des Evangeliums. Der Herr gebe allen die Gnade, alle Meinungsverschiedenheiten, die vielleicht aufgrund dramatischer Umstände entstanden sind, in der Wahrheit beizulegen! Möge sich zwischen Diö-zesanpriestem und Missionaren aus fremden Ländern eine immer größere Gemeinschaft zeigen! Heute fordere ich jeden auf, die Bande der Einheit und Brüderlichkeit zu festigen, und zwar sowohl mit seinen Brüdern im Priesteramt als auch mit den Bischöfen; die Priester sollen in einem aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog und in voller Gemeinschaft des Herzens und Geistes ihre loyalen und großzügigen Mitarbeiter sein. Diese Einheit bringt das Wesen ihres kirchlichen Dienstes zum Ausdruck: Beteiligung an der Sendung Christi für das Volk Gottes, das in der Einheit des Heiligen Geistes versammelt ist. Mögen eure Priester in jedem von euch den Vater des Presbyteriums erkennen, der sie als Söhne und Freunde betrachtet, sowie Jesus es mit seinen Jüngern tat! Sie sollen „ihrem Bischof in aufrichtiger Liebe und Gehorsam anhängen“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 7). So wird ihnen bewusst, dass sie vor allem Hirten sind, die sich um das gesamte Volk kümmern müssen - ohne jede Ausnahme. Sie sollen sich also nicht in Verbänden oder politischen und ideologischen Bewegungen engagieren, die ihr Amt der Gemeinschaft und ihre Verbindung zum Bischof und zur Universalkirche erschweren. Ich lade alle ruandesischen Priester ein, an ihrem Dienst für die Kirche ihres Landes festzuhalten. Mein Wunsch ist auch, dass die Gemeinden die Priester mit Freude und Herzlichkeit aufnehmen, um ihre Dynamik aus dem Evangelium wiederzufinden. Um ihre priesterliche Berufung vollkommen zu leben, ist es notwendig, dass das Geheimnis des Herrn immer im Herzen des täglichen Lebens der Amtsträger Christi präsent ist. Dies erfordert, dass sie in der Ausübung ihres Amtes dem spi- 980 AD-LIM1NA-BES U CHE rituellen Leben einen wichtigen Platz einräumen, besonders durch das Festhalten am Stundengebet, an der regelmäßigen Feier der Eucharistie und an der Meditation über die Heilige Schrift. In der ständigen Weiterbildung, die sie ihr ganzes Leben lang fortsetzen sollen, werden sie eine wertvolle Stütze finden, damit ihr Sein und Handeln immer dem Willen des Herrn entspricht und dem Auftrag, den sie von ihm und von der Kirche erhalten haben. Die Ausbildung künftiger Priester stellt eine eurer ständigen Sorgen dar. Die Blüte der Berufungen ist ein Zeichen der Vitalität eurer Gemeinden. Trotz der zahlreichen Hindernisse, auf die ihr gestoßen seid, habt ihr bedeutende Bemühungen zur Verbesserung des spirituellen Beistands und der Qualität der intellektuellen und pastoralen Ausbildung eurer Seminaristen unternommen. Ich lade euch ein, diese Bemühungen mit Beharrlichkeit weiterzuführen und eine für die Zukunft der Kirche so wichtige Aufgabe nur solchen Priestern zu übertragen, die im spirituellen Leben erfahren sind, zuverlässige theologische und philosophische Kenntnisse besitzen und die Gemeinschaft mit der ganzen Kirche zu fördern bemüht sind. Sie können eine ernsthafte Unterscheidung der Berufungen gewährleisten und den jungen Menschen helfen, sich eine solide Bildung für ihr künftiges Amt anzueignen. 6. Den Ordensmännem und Ordensfrauen, die ihre Weihe zu Christus hingebungsvoll leben, wünsche ich, dass sie überall wahrhafte Zeugen Christi seien, indem sie allen Menschen das väterliche Antlitz Gottes und das mütterliche Gesicht der Kirche zeigen. Ihr ganzes Leben sei ein Zeichen des Primats Gottes und der Werte des Evangeliums im christlichen Leben! Ihr Gemeinschaftsleben sei ein echter Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft und der beredte Beweis dafür, dass es unter den Jüngern Christi „keine echte Einheit [gibt] ohne diese bedingungslose gegenseitige Liebe, die Verfügbarkeit zum Dienst unter Einsatz aller Kräfte erfordert, Bereitschaft, den anderen so, wie er ist, ohne Vorurteil anzunehmen, die Fähigkeit auch ,siebenundsiebzigmal‘ zu vergeben (Mt 18,22), den Willen, keinen zu verurteilen (vgl. Mt 7,1-2)“ (Vita Consecrata, Nr. 42)! 7. In euren Diözesen sind die Katechisten und die freiwilligen Mitarbeiter der Seelsorge oft wahre Bezugspunkte in den Gemeinden, vor allem dort, wo, je nach den Gegebenheiten, die Priester nicht regelmäßig anwesend sein können. Ihr Zeugnis christlichen Lebens ist für die Verkündigung des Evangeliums und für die Aufrechterhaltung des Lebens der Kirche in bestimmten Gegenden sehr wichtig. Zwar soll das geweihte Amt für die Gemeinden auch in Zukunft unersetzlich bleiben, ihr sollt aber dennoch diese Katechisten und ehrenamtlichen Mitarbeiter unterstützen bei der Erfüllung des Auftrags, den ihr ihnen gegeben habt. Für sie ist das ein Ansporn, um sich ihrer Verantwortung inmitten ihrer Brüder immer besser bewusst zu werden - in Gemeinschaft mit den Priestern. Eine sachgemäße Ausbildung, die ihnen bei der Entfaltung der zu dieser Aufgabe nötigen menschlichen 981 AD-LIMINA -BES U CHE und spirituellen Tugenden hilft, wird es ihnen ermöglichen, immer weiter zu reifen und reiche Frucht zu bringen. Im Übrigen muss jeder Laie „sich immer bewußt sein, daß er ,Glied der Kirche1 ist, dem eine originelle, unersetzliche und nicht übertragbare Aufgabe anvertraut wurde, die er zum Wohl aller erfüllen muß“ (Christifideles laici, Nr. 28). Die Lebenskraft der Basisgemeinschaften oder der Bewegungen des Apostolats und der Spiritualität ist ein Hoffnungszeichen für die Erneuerung der Kirche, besonders dort, wo die kirchlichen Strukturen infolge von Gewalt verschwunden sind. 8. Dem Evangelium treu, realisiert die Kirche einen wichtigen und unveräußerlichen Teil ihrer Sendung im Dienst am Menschen durch ihre Werke der Nächstenliebe. Eure Diözesen engagieren sich sehr großzügig in der Unterstützung der Waisen, Witwen, Flüchtlinge, Gefangenen und aller Menschen, die leiden oder sich in sittlichen oder materiellen Notlagen befinden. Die Tätigkeit der Kirche in den Bereichen Erziehung und Gesundheit stellt ebenfalls eine wesentliche Beteiligung am Aufbau der Gesellschaft dar, um den jungen Generationen Hoffnung zu geben und sie darauf vorzubereiten, in Zukunft für das Leben ihrer Nation Verantwortung zu übernehmen. Ich fordere euch nachdrücklich zur Fortführung dieser Werke auf, die die Liebe Christi für jeden Menschen ohne Unterschied offenbaren und so zur Wiedereinsetzung seiner Würde beitragen. Aufgrund der jüngsten Ereignisse und ihrer Folgen haben sich in der Bevölkerungsstruktur der Gesellschaft Missverhältnisse ergeben. Die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten haben eine neue Situation im Hinblick auf die ehelichen Beziehungen mit sich gebracht. Die Familienpastoral wird diese Sachlage berücksichtigen und den Gläubigen helfen, über die Bedeutung der ehelichen Verpflichtungen und über die Möglichkeiten zur Begleitung (vor allem junger) Paare nachzudenken. Auch die Menschen, die zölibatär leben müssen, sollen unterstützt werden. 9. Um die Gemeinschaft zwischen allen Mitgliedern der Kirche in die Tat umzusetzen, muss ein Klima des gegenseitigen Vertrauens aufgebaut werden, das sich auf die gesamte Gesellschaft ausdehnen wird. Überall dort, wo Gegensätze den Frieden und die Verständigung zwischen den verschiedenen Gruppen gefährden, ist die Kirche aufgerufen, sich entschlossen für die Überwindung der Spaltungen einzusetzen, vor allem indem sie zum Dialog, der zur Versöhnung führt, auffordert und ihn auch selbst praktiziert. Den Bruder oder die Schwester ungeachtet aller Unterschiede aufnehmen, um in ihm oder ihr die von Gott geschenkten Reichtü-mer zu finden, ist eine Forderung an jeden Jünger Christi. Die Formung der Jugendlichen muss diesen neuen Geist, der in den Beziehungen zwischen den Personen und zwischen den verschiedenen Völkergruppen herrschen sollte, vervollkommnen. Ohne eine Kultur der Wahrheit, Gerechtigkeit und Vergebung kann eine Gesellschaft nicht auf Dauer am gegenseitigen Verständnis fest-halten. Der Völkermord, den die Ruandesen erleiden mussten, hat unsägliches 982 AD-LIMINA-BES U CHE Leid nach sich gezogen, das nur in der Solidarität und der Einheit der Herzen und durch die Bemühungen aller zur Schaffung gerechterer Bedingungen überwunden werden kann. Der Frieden kann nicht von der Gerechtigkeit getrennt werden! Und der Frieden kann nur Wirklichkeit werden durch die Verteidigung des Lebens, allen menschlichen Lebens, das in den Augen Gottes einen einzigartigen und unermesslichen Wert besitzt. In der Tat: „Die effektive Anerkennung der Personenwürde eines jeden Menschen erfordert die Verteidigung und die Förderung der Menschenrechte sowie die Ehrfurcht vor ihnen. Diese sind Naturrechte, Universalrechte: Niemand [...] kann sie verändern oder aufheben, weil sie von Gott selbst kommen“ (Christifideles laici, Nr. 38). 10. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ihr habt mich über die Schwierigkeiten unterrichtet, auf die die Kirche stößt, wenn sie den Sinn ihrer Sendung in der gegenwärtigen Situation klarmachen möchte. „Als organisierter Körper innerhalb der Gemeinde und der Nation hat die Kirche das Recht und die Pflicht, sich am Aufbau einer gerechten und friedlichen Gesellschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln voll zu beteiligen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 107). Sie hat also im Leben der Nation eine besondere Rolle zu spielen, wobei sie ihre Zusammenarbeit mit dem Staat loyal festigen soll, um die Voraussetzungen für die Errichtung einer immer gerechteren und friedliebenderen Gesellschaft zu verbessern. Ihre Gegenwart im öffentlichen Leben ist evident, und ihre besondere Verantwortung möchte nicht in Konflikt geraten mit der jener Menschen, die mit der Leitung des Landes auf seinen irdischen Wegen beauftragt sind. Auch heute herrscht Gewalt in mehreren Gegenden eures Landes, und zahlreiche Familien müssen deshalb trauern; ich wünsche von Herzen, dass alle Menschen guten Willens ihre Kräfte vereinen mögen, damit zu guter Letzt alle Ruandesen zur Gerechtigkeit und zu einem friedlichen Leben zurückfinden. Dann können sie zusammen und in wahrer Solidarität nach den Mitteln zum Aufbau einer blühenden und brüderlichen Nation suchen, wo jeder in seiner Würde als Mensch und Bürger anerkannt ist und sich frei an der Verwaltung des Gemeinwohls beteiligen kann. Ich fordere alle Verantwortlichen eures Landes auf, keine Mühe zu scheuen, damit in Ruanda und in der Region der Großen Seen endlich ein Zeitalter der Gerechtigkeit und des Friedens in einem Klima des gegenseitigen Vertrauens und der Versöhnung anbrechen möge. Insbesondere wünsche ich, dass man in der Demokratischen Republik Kongo weiter unermüdlich nach einer Konfliktlösung auf dem Verhandlungswege sucht, damit die Feindseligkeiten endlich ein Ende finden und der bewaffnete Kampf durch eine dauerhafte Einigung und die Zusammenarbeit unter allen Ländern dieser Region ersetzt wird - zum Wohle ihrer Völker und des ganzen Kontinents. Gewalt und Zwietracht dürfen nie wieder die Brüder gegeneinander aufhetzen! 11. Zum Abschluss unseres Treffens lade ich euch ein, euren Blick voll Vertrauen in die Zukunft zu richten. Die Feier des Großen Jubeljahrs und des hundertjährigen Bestehens der Kirche in Ruanda ist schon nahe, und ich fordere deshalb eure 983 AD-LIMINA-BES UCHE Gläubigen auf, ihre Treue zu Christus, dem Erlöser aller Menschen, zu erneuern und mutig zu bezeugen, dass sie Jünger des Evangeliums sind. Alle sollen sich daran erinnern, dass der Herr niemanden im Stich lässt und keines der Kinder vergisst, die in seine Hände eingezeichnet sind (vgl. Jes 49,16). „Ja, in die Hände Christi, von den Nägeln der Kreuzigung durchbohrt! Der Name eines jeden von euch (Afrikanern) ist in diese Hände eingezeichnet“ (Predigt in Khartum, am 10.2.93, zitiert aus: Ecclesia in Africa, Nr. 143). Bei euren Bemühungen um die Wiedergeburt eurer Gemeinden könnt ihr mit der brüderlichen Unterstützung und dem Gebet der Universalkirche rechnen. Der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria empfehle ich die Zukunft eurer Diözesen und der gesamten Nation. Besonders bitte ich sie, euch in eurem Bischofsamt zu helfen, damit ihr in ihr eine sichere Leiterin finden könnt, die euch zu ihrem Sohn führen wird. Von ganzem Herzen erteile ich euch den apostolischen Segen, den ich auf alle Gläubigen eurer Diözesen ausdehne. Sorge für die Familie und die religiöse Bildung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Simbabwe am 4. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit Freude heiße ich euch, die Bischöfe von Simbabwe, anlässlich eures Besuchs „ad-limina-Apostolorum“ willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Phil 1,2). Als Nachfolger der Apostel setzen wir uns gemeinsam für das Evangelium ein (vgl. Phil 1,5), und diese Gemeinsamkeit erstreckt sich auf jeweils angemessene Art auf die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen. Ich bitte euch, ihnen meine Grüße zu überbringen und zu versichern, dass ich ihrer stets im Gebet gedenke. Der Verlauf der Zeit hat meine Erinnerung an den Besuch in eurem Land nicht schwächen können; dort habe ich die warmherzige Gastfreundschaft eures Volkes und den Reichtum seiner kulturellen Traditionen persönlich erfahren können. Die Tatsache, dass die katholische Bevölkerung Simbabwes stetig zunimmt, ist ein Gmnd zur Freude: „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118,23). Ihr berichtet, dass sich viele Erwachsene zum Glauben bekehren und zur Kirche geführt werden. So können wir unmittelbar zwei wichtige Prioritäten eures Bischofsamtes ausmachen: die pastorale Sorge für die Familien und die religiöse Bildung der Laien. 2. In eurem Land wie anderswo in Afrika und auf der ganzen Welt ist die Familie als Institution schweren Prüfungen unterworfen. Die Scheidungsrate ist hoch; die Geißel der Abtreibung entmenschlicht die Gesellschaft auch weiterhin; die Verseuchung durch AIDS ist immer noch in einer kritischen Phase, denn die Krankheit hat keine Bevölkerungsschicht vor ihren verheerenden Auswirkungen ver- 984 AD-LIMINA-BESUCHE schont. Außerdem wird die Situation oft noch verschärft durch eine Politik, die nicht zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen führt, obwohl sie nötig wären, wenn diese Übel erfolgreich beseitigt werden sollen. Daher sind eure Worte über die Sakralität allen menschlichen Lebens, über das moralische Gesetz in bezug auf die menschliche Sexualität und über die Heiligkeit des Ehelebens umso dringender geworden. Als Bischöfe müssen wir den Mut haben, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben (vgl. Evangelium vitae, Nr. 58). Zu Recht macht ihr euch Sorgen über die hohe Zahl katholischer Paare, die gemäß der traditionellen Bräuche und ohne den Segen des heiligen Ehesakraments heiraten, sowie über die Häufigkeit rechtlich ungültiger Partnerschaftsverhältnisse und die anhaltende Praxis der Polygamie. Eine korrekte und vollständige Katechese über die christliche Ehe innerhalb wohlvorbereiteter Pfarreiprogramme zur Ehevorbereitung kann den jungen Paaren dabei helfen, geistig zu wachsen und sich voll am Sakramentsleben der Kirche zu beteiligen. Durch ein gemeinsames und von der Kommission für Ehe und Familie eurer Bischofskonferenz koordiniertes Engagement können Priester und andere in der Pastoral Tätige sich immer besser bewusst werden, dass die Zukunft der Kirche und der ganzen Gesellschaft von der Beständigkeit der Ehe und der Familie abhängt. In Bezug auf das Thema der Laienbildung im allgemeinen müssen wir dem unschätzbaren Beitrag eurer Katechisten zum Aufbau der Kirche in Simbabwe erneut unsere dankbare Anerkennung zollen: Sie sind in der Tat ein überreicher Schatz, denn sie vermitteln jungen Menschen den Glauben und bereiten erwachsene Konvertiten auf den Empfang der Taufe und auf ihre vollkommene Eingliederung in das Leben der Kirche vor. Wie schon die Väter der Synode für Afrika gesagt haben: „Die Rolle der Katechisten war und bleibt entscheidend bei der Gründung und Ausbreitung der Kirche in Afrika. Nach Empfehlung der Synode sollen die Katechisten nicht nur eine vollkommene Grundausbildung empfangen [...], sondern auch eine ständige lehrmäßige Weiterbildung sowie moralische und geistliche Unterstützung erhalten“ (Ecclesia in Africa, Nr. 91). Und es ist wahrlich ein Segen, dass in jeder eurer Diözesen ein seelsorgerisches Trainingszentrum für Katechisten eingerichtet worden ist. Mit großem Interesse habe ich die Berichte über die „Winterkurse“ für Katechisten gelesen, und ich ermutige euch zu einer Erweiterung und Vertiefung dieser Weiterbildungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine ständige intellektuelle, pastorale und spirituelle Fortbildung eurer Katechisten als eine Hauptverpflichtung eures Amtes. Bei alledem kann der Katechismus der Katholischen Kirche als wertvolles Hilfsmittel und Unterstützung dienen. 3. Die junge Generation macht über fünfzig Prozent der Bevölkerung eures Landes aus, und ihre Seelsorge stellt eine eurer Hauptaufgaben dar. Manche der größten Schwierigkeiten, mit denen die Jugend Simbabwes zu kämpfen hat - darunter Arbeitslosigkeit, negative Auswirkungen eines gewissen Umgangs mit den Medien 985 AD-LIMINA-BES U CHE sowie die Anziehungskraft religiöser Sekten - machen es dringend nötig, dass ihr diese Fragen mit Entschlossenheit und einfallsreichen pastoralen Maßnahmen angeht. Ich ermutige euch, alles in eurer Macht Stehende zu tun, um die Wirksamkeit der katholischen Jugendorganisationen zu stärken. Durch gezieltes Training und verschiedene Aktivitäten entdecken die Jugendlichen „sehr bald den Wert der Selbsthingabe als wesentlichen Weg zur Entwicklung der Persönlichkeit“ (.Ecclesia in Africa, Nr. 93). Auf diese Weise reifen sie sowohl menschlich als auch geistig, sie werden verantwortliche Mitglieder ihrer jeweiligen Gemeinschaft und wirksame Evangelisatoren ihrer Altersgenossen. Gebet, Studium und Betrachtung sind alles wichtige Elemente, die bei der Bildung junger Menschen nicht fehlen dürfen. Dazu brauchen sie die Führung von Priestern, Ordensleuten und Laien, die in ihrem Leben ein wahrhaftes Zeugnis für Christus und das Evangelium geben. Auch in diesem Bereich kann eure Bischofskonferenz einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie geeignete Maßnahmen ergreift, damit der Nationale Katholische Jugendrat angemessen ausgestattet und in der Lage ist, euch in der pastoralen Sorge um die Jugend wirksam zu unterstützen. In Simbabwe spielen außerdem die katholischen Schulen bei der Weitergabe der Wahrheiten und Werte des christlichen Glaubens eine wichtige Rolle. Die Erziehung und Ausbildung durch katholische schulische Einrichtungen werden von der ganzen Bevölkerung hoch geschätzt. Allerdings erschweren gewisse Regelungen, die den Religionsunterricht während der normalen Schulzeit verbieten, die Erfüllung dieses Auftrags erheblich. Die grundsätzlichen Prinzipien, um die es geht, müssen auch in Zukunft verteidigt werden: das Recht auf Glaubensfreiheit und die vorrangigen Rechte der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder, Selbst die politischen Verantwortungsträger eures Landes haben die Vorteile der christlichen Erziehung gelobt und bestätigt, dass die Kirche zur nötigen Erneuerung der sittlichen Werte innerhalb der Gesellschaft beitragen kann. Ich unterstütze eure Bemühungen zur Erreichung einer formellen Übereinkunft mit der Regierung in Bezug auf die Rechte und die legitime Unabhängigkeit der katholischen Schulen. 4. In allen diesen Unternehmungen sind die Priester eure ersten und wichtigsten Mitarbeiter bei der Verkündigung des Evangeliums und der Verbreitung der Frohbotschaft des Heils. Besonders für sie muss der Bischof „das lebendige Abbild Gottes, des Vaters“, sein, wie der hl. Ignatius von Antiochia schrieb (Ad Trall., 3,1). Diese geistige Vaterschaft findet ihren Ausdruck sowohl in einem tiefen Band der Gemeinschaft zwischen euch und euren Priestern als auch darin, dass ihr für sie zugänglich seid und ihnen die Unterstützung gebt, die sie von euch erwarten und brauchen. Ihr seid darum bemüht, eine wirkliche spirituelle Führung zu beweisen: Eure Haltung der Offenheit, des Mitgefühls und der Zusammenarbeit mit ihnen, eure persönliche Liebe zur Kirche, eure eigene priesterliche Spiritualität, das Vorbild eures liturgischen und persönlichen Gebets und eure Treue zum Stuhl Petri spielen allesamt eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines positiven 986 AD-LIMINA -BES UCHE und abgeklärten Geistes der Einheit im Innern der Priesterschaft. Das menschliche und geistige Wohlergehen eurer Priester ist die Krone eures Bischofsamts. Die wachsende Zahl der Berufung zum Priestertum und zum geweihten Leben in vielen eurer Diözesen stellt einen großen Segen und zugleich eine große Herausforderung dar. Ich kann euch nur ermutigen, die Kandidaten, die ihr zu Priestern weiht, sorgfältig auszuwählen, die Übereinstimmung des Studienprogramms mit dem kirchlichen Lehramt zu überwachen und die menschliche, spirituelle, intellektuelle und pastorale Formung eurer Seminaristen zu gewährleisten. Das Dokument über die Priesterausbildung, das eure Bischofskonferenz erst vor kurzem veröffentlicht hat, sollte sich als sehr nützliches Hilfsmittel in dieser Hinsicht erweisen und könnte auch den Ordensoberen, die ihr zu derselben Wachsamkeit und Fürsorge über die Mitglieder ihrer Institute aufgefordert habt, als wertvoller Leitfaden dienen. Aufgrund der Verbreitung einer säkularistischen und materialistischen Weltanschauung ist es für Priester und Ordensleute umso notwendiger geworden, als Nachfolger Christi und seines Vorbilds hingebungsvoller Liebe erkannt zu werden; das bedeutet, dass Selbstdisziplin, Kasteiung, Aufopferung und Großzügigkeit gegenüber anderen geübt werden sollen. Es ist sehr wichtig, dass die künftigen Priester den Wert zölibatärer Keuschheit und ihren Bezug zum Priesteramt klar und realistisch verstehen und einschätzen. So werden sie lernen, „den Zölibat in seinem eigentlichen Wesen und in seinen wahren Zielsetzungen, also in seinen evangeliumsgemäßen geistlichen und pastoralen Begründungen kennenzulemen, zu achten, zu lieben und zu leben“ (Pastores dabo vobis, Nr. 50). Geteilte Einfachheit im Lebensstil schenkt der Priesterschaft Freude; wenn sie von gegenseitigem Vertrauen begleitet wird, erleichtert sie darüber hinaus den bereitwilligen Gehorsam, den jeder Priester seinem Bischof schuldig ist. Wenn die bischöfliche Autorität als selbstloser Dienst verstanden und der priesterliche Gehorsam als aktive Zusammenarbeit praktiziert wird, ist das ein beredtes Zeugnis für das Evangelium, und die Einheit der Ortskirche wird dadurch gefestigt. 5. Der Einsatz und die Großherzigkeit, die von Mitgliedern religiöser Institute gezeigt werden, stellen einen wesentlichen Teil der Kirchengeschichte in Simbabwe dar. Ihre Lebensart und ihr liebevoller Dienst, vor allem in den Bereichen Erziehung und Gesundheit, war immer ein Zeichen der Kraft von Gottes eigener Liebe, die in seinem Volk durch alle Generationen hindurch am Werk ist, damit seine eifrigen Mitarbeiter eine immer reichere Ernte einbringen (vgl. 1 Kor 3,6). Ihr fordert die Ordensleute auf, auch in Zukunft treue Zeugen Gottes inmitten seines Volkes zu sein; es ist jedoch auch wichtig, dass das besonders wertvolle Apostolat der Ordensfrauen immer besser zur Geltung kommt als wesentlicher Teil des Auftrags zum Aufbau der Wohnung Gottes (vgl. Eph 2,19) in Simbabwe. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt! Jeden Tag bemüht ihr euch, die Aufgaben, die der Herr euch übertragen hat, treu zu erfüllen. Ihr versucht - sowohl einzeln in eu- 987 AD-LIMINA-BESUCHE ren jeweiligen Diözesen als auch gemeinsam durch die Bischofskonferenz - das Licht fester sittlicher Grundsätze auf die gegenwärtigen Gegebenheiten der Gesellschaft Simbabwes zu werfen. In der besonders heiklen Frage der Bodenumverteilung habt ihr euch beispielsweise zum Sprachrohr der Soziallehre der Kirche gemacht und das Bedürfnis nach einem adäquaten Mechanismus zur Aufrechterhaltung von Gerechtigkeit, Billigkeit und Fairness unter allen Umständen zum Ausdruck gebracht. Außerdem habt ihr bemerkt: „Das Gemeinwohl fordert, dass die Bodenumverteilung auf eine Art und Weise stattfindet, dass die Fähigkeit, das Land Simbabwe - und sogar die Nachbarländer - zu ernähren, nicht gemindert wird.“ Auch Umweltfragen habt ihr nicht ausgelassen, sondern euch dafür ausgesprochen, dass „die ökologische Erhaltung des Landes als eine Priorität“ anerkannt wird (vgl. Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz von Simbabwe über die Bodenreform). Der Hl. Stuhl ist sich der Tragweite dieser vielschichtigen Frage im Hinblick auf eine gerechte Entwicklung der Nationen und auf den Frieden zwischen den Völkern genau bewusst (vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Ansätze zu einer besseren Landverteilung: die Herausforderung der Bodenreform, 23. November 1997). In den vergangenen Wochen waren wir alle traurige Zeugen der Ausdehnung von Gewalt und bewaffneten Konflikten in verschiedenen Teilen Afrikas, vor allem in der Demokratischen Republik Kongo. Wir müssen hoffen und beten, dass die Gewalt in dieser Region ein baldiges Ende findet, vor allem jene Formen, die sich gegen unschuldige Zivilisten richten und sie schrecklicher Unterdrückung und Plünderungen aussetzen, sie ihres Lebensunterhalts berauben und zu einer unsicheren Zukunft verdammen. Eure Nation ist friedlich. Ihr müsst euch dafür einset-zen, dass sie auch so bleibt, indem ihr euer Volk daran erinnert, dass im Falle von tiefen sozialen und wirtschaftlichen Problemen eine militärische Lösung immer eine Illusion ist und nur Ursache von noch mehr Leid und Ungerechtigkeit ist. Als Diener des Friedensfürsten müssen wir laut verkünden, dass die Lösung zu den Problemen einer Nation nicht in der zerstörerischen Macht von Hass und Tod, sondern im konstruktiven Dialog und in Verhandlungen zu finden ist. In diesen Bereichen, wie auf allen anderen Gebieten eures pastoralen Amtes, ist die Erfahrung der Zusammenarbeit in der Bischofskonferenz sehr positiv und nützlich. Ich weiß, dass ihr den engagierten Priestern, Ordensleuten und Laien, die in den verschiedenen Büros der Bischofskonferenz tätig sind, sehr dankbar seid. Darüber hinaus trägt auch die Entwicklung effizienter Diözesaneinrichtungen nach kanonischem Recht zur vermehrten Wirkung eures Dienstes zugunsten des Gottesvolkes bei. Ich ermutige euch, diesen Weg weiterzugehen. 7. Euer Besuch gibt zu verschiedenen Betrachtungen Anlass, die ich verständnisvoll und in Liebe mit euch teilen möchte. Dadurch habe ich Anteil an den Freuden und Herausforderungen, die sich euch als Hirten der Herde Gottes stellen. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend - und zu jeder Zeit - ruft der Herr die Kirche in Simbabwe auf, durch Christus ähnliche Taten das Evangelium glaubhaft zu bezeu- 988 AD-LIMINA-BES U CHE gen. Seid meiner ständigen Gebete für eure Ortskirche gewiss, dass alle Gläubigen mit festem Glauben und grenzenloser Großzügigkeit auf die Gnade antworten mögen, die der Herr über euch ausschüttet. Bringt meine Ermutigung und meine herzlichen Grüße zu den Priestern und Ordensleuten, zu den Seminaristen und Katechisten, zu den Katechumenen und allen, die die Wahrheit Christi suchen, zu den Familien und Pfarrgemeinschaften. „Die Gnade Jesu, des Herrn, sei mit euch! Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus“ (7 Kor 16,23-24). Amen. Das Evangelium zum inspirierenden Mittelpunkt des Lebens machen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus der Slowakischen Republik am 7. September Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit ganz besonderer Freude treffe ich bei diesem Ad-limina-Besuch mit euch zusammen, der uns die willkommene Gelegenheit bietet, die Bande der Liebe und Einheit gerade an jenem Tag zu erneuern, an dem wir der Märtyrer von Kosice gedenken, deren Namen ich vor drei Jahren mit großer Freude in das Buch der Heiligen eurer Heimat eintragen konnte. Von ganzem Herzen grüße ich euren Präsidenten und Bischof von Banskä Bystrica, Msgr. Rudolf Baläz, dem ich für die Ergebenheit und Treue zum Nachfolger Petri danke, die er im Namen aller Anwesenden zum Ausdruck gebracht hat. Ferner heiße ich den lieben, verehrten Kardinal Jan Chryzostom Korec willkommen, der während der diesjährigen Exerzitien hier im Vatikan so deutlich die Stimme der Tradition von Kyrillos und Methodios vertreten hat. Mit großer Herzlichkeit grüße ich schließlich jeden einzelnen von euch, die Hirten der geliebten slowakischen Bevölkerung, der ich vor drei Jahren mit großer Freude einen unvergesslichen Besuch abstatten konnte. „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1). Mit diesen Worten verdeutlicht das II. Vatikanische Konzil das Mysterium der Kirche und unterstreicht gleichzeitig ihre besondere Beziehung zum Mysterium Christi und dem Reich Gottes, dessen „Keim und Anfang sie auf Erden darstellt“ (vgl. ebd., Nr. 5). Um die ihr eigene Sendung als „allumfassendes Heilssakrament“ (vgl. ebd., Nr. 48) auf angemessene Art und Weise erfüllen zu können, muss die Kirche sowohl auf universaler als auch lokaler Ebene fähig sein, jene zweifache menschliche und göttliche Dimension auszudrücken, die der Gründer ihr gegeben hat, und voll am Leben der Welt teilzuhaben, ohne jedoch von ihr zu sein (vgl. Joh 17,15-16). 2. Auch die Kirche in der Slowakei ist aufgerufen, „allumfassendes Heilssakrament“ zu sein und auf liebevolle Art und Weise die Freuden, Leiden und Anforde- 989 AD-LIMINA-BESUCHE rangen des slowakischen Volkes zu teilen, denn sie weiß, sie ist „Keim und Anfang des Gottesreiches“ und Instrument der Gnade Christi. Das Bewusstsein ihres Auftrags wird sie zu einem achtungsvollen und aufmerksamen Dialog mit der Gesellschaft führen und zum Einsatz für ein brüderliches und solidarisches, von den Werten wahrer christlicher Tradition inspiriertes Zusammenleben. Angesichts einer noch immer von den Folgen harter kommunistischer Verfolgung beeinträchtigten Situation und der Gefahr, die zerstörerischen Spaltungen der Vergangenheit wieder aufflammen zu sehen, ist die Kirche sich bewusst, dass sie Salz und Sauerteig in der slowakischen Gesellschaft sein und zum Wohl aller beitragen muss, ohne sich jedoch in die Konflikte spezieller Interessengruppen verstricken zu lassen. Die tiefgreifenden Veränderungen, die sich in den letzten Jahren in der slowakischen Gesellschaft vollzogen und zu besorgniserregenden Auswirkungen für die Familien und die Jugend geführt haben, veranlassen Hirten und Christgläubige, sich für die Verteidigung der Werte kultureller und christlicher Tradition einzusetzen. Das setzt eine eingehende und klare philosophische und theologische Analyse der verschiedenen Denkrichtungen voraus, um zweifelhafte Aspekte herauszustellen und zu korrigieren und sie gleichzeitig als Ausgangspunkt für eine fruchtbare Vertiefung des eigenen Fehrguts zu nutzen. Unter dem vorigen kommunistischen Regime gelang es der christlichen Gemeinde in der Slowakei - nicht selten die Folgerungen des II. Vatikanischen Konzils vorwegnehmend - in Treue zum Evangelium wirksame und prophetische Antworten auf die Provokationen der atheistischen Gesellschaft zu geben. Ebenso ist sie heute aufgerufen, den neuen Herausforderungen zu begegnen, indem sie sich dem eingehenden Studium der Heiligen Schrift widmet, durch die aufmerksame Analyse sozialer Phänomene, die Planung geeigneter pastoraler Initiativen, um, im Licht vergangener Erfahrungen, gezielte und wirksame Antworten auf die Probleme der verschiedenen gegenwärtigen Situationen zu geben. 3. Damit die Kirche als „Sakrament“ um so reichere Früchte des Guten erwirken kann, ist vor allem ein intensiverer Einsatz ihrerseits in jenen Bereichen hilfreich, die unmittelbar mit ihrer Sendung verbunden sind. Notwendig ist vor allem die Glaubensbildung von erwachsenen Gläubigen, die zur vollen Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben animiert werden müssen. Bereits während meines Pastoralbesuchs in eurem geliebten Land betonte ich, dass „es Aufgabe entsprechend ausgebildeter katholischer Laien ist, die Botschaft des Evangeliums in alle Bereiche der Gesellschaft, einschließlich den der Politik, zu bringen“ (vgl. Ansprache an die Slowakische Bischofskonferenz am 1.7.1995, Nr. 6; O.R. dt., Nr. 29, 21.7.1995, S. 8 f.). Es geht also nicht in erster Linie darum, diejenigen zu unterstützen, die in Abwesenheit des Priesters eine Vertreterrolle übernehmen, sondern es muss vielmehr den Gläubigen geholfen werden, eine wahre „Spiritualität der Laien“ zu entdecken, jenen Weg, der, von der grundlegenden Initiation der Taufe ausgehend, sie und die Welt zur Heiligung führt. Bei diesem umfassen- 990 AD-L1MINA -BES U CHE den Einsatz für die Bildung erwachsener Laien ist der von den katholischen Universitäten gebotene Dienst von ganz besonderer Bedeutung, denn ihre spezielle Aufgabe ist die kulturelle und spirituelle Ausbildung von Personen, die in der Lage sind, die Werte des Glaubens und der katholischen Tradition auf bürgerlicher und politischer Ebene zu verbreiten. Ferner muss auch die Priesterausbildung auf ganz besondere Art und Weise gefördert werden. Die Kandidaten müssen nicht nur in spiritueller, sondern auch in kultureller Hinsicht gut vorbereitet sein, um, die angemessenen Antworten auf die verschiedenen Fragen dem Lehramt der Kirche entnehmend, ihren Zeitgenossen das Evangelium auf wirksame Art und Weise verkünden zu können. Zu diesem Zweck ist die eingehende, feste Kenntnis der Lehre zweifellos von größerem Nutzen als die akademische Qualifikation. Außerdem muss ihnen geholfen werden, sich vor der stets lauernden Gefahr des Aktivismus zu schützen, und zwar durch eine Ausbildung, die die vorrangige Stellung des Evangelisierungs- und Heiligungsauftrags stets unterstreicht. Wenn diese wesentlichen Dimensionen der priesterlichen Sendung aufgegeben oder nicht genügend beachtet werden, geht unweigerlich auch der Sinn und die Wirksamkeit der anderen Aspekte des Priesteramtes verloren. Das größte Gut, das ein Priester den ihm anvertrauten Menschen bieten kann, ist sein unermüdlicher Einsatz für die Wiederversöhnung mit Gott und den Brüdern. Um auf die schweren Herausforderungen unserer Zeit zu antworten, hat der junge Priester außer dem Studium und dem persönlichen Gebet die Pflicht, für seine ständige Weiterbildung zu sorgen und an offiziellen wie auch an informellen Treffen mit anderen Priestern und seinem Bischof teilzunehmen, um gemeinsam nach geeigneten Lösungen der Probleme und Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung für die apostolischen Aufgaben zu suchen. Im Hinblick auf eben diese Vervollständigung ihrer Ausbildung steht den slowakischen Priestern in Rom das Pontificio Collegio und das Päpstliche Slowakische Institut der Heiligen Kyrillos und Methodios zur Verfügung. Die intensive Studienzeit im Zentrum der Christenheit wird euren Priestern erlauben, in unmittelbarer Nähe der Apostelgräber ihre intellektuelle und spirituelle Bildung zu vervollständigen, um dann bei der Neuevangelisiemng als wertvolle Mitarbeiter an eurer Seite zu stehen. 4. Verehrte Brüder, ich teile eure Freude darüber, dass in den letzten Jahren der Religionsunterricht in den Schulen wieder gewährleistet werden konnte. Dennoch möchte ich auch hier hervorheben, dass diese Art und Weise der Evangelisierung keineswegs die Pfarrkatechese für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ersetzt. Die Schule ist sicherlich eine wertvolle Hilfe, aber Mittelpunkt der Katechese bleibt dennoch die Pfarrgemeinde, die über angemessene Strukturen für die normale Durchführung von Pastoral- und Bildungsinitiativen verfügen muss. Notwendig ist vor allem, dass die organische und systematische Verkündung des Gotteswortes die Erwachsenen erreicht, damit sie lernen, das Evangelium zum inspirierenden Mittelpunkt ihres Lebens zu machen und sie am Arbeitsplatz, in der 991 AD-LIMINA-BES U CHE Kultur und im Bereich sozialpolitischer Tätigkeiten zu mutigen Zeugen Christi werden. Dazu tragen auch Sonderkurse und andere geeignete Bildungsinitiativen bei. Vor allem muss der Doppelbereich Familie-Jugend die Priorität aller Prioritäten eurer Kirchen sein. Den heute von allen Seiten drohenden negativen Einflüssen muss in der christlichen Gemeinschaft auf wirksame und angemessene Art und Weise entgegengewirkt werden. Diesem Zweck dient die Förderung einer organischen Jugend- und Familienpastoral, die den bildungsmäßigen Anforderungen der Jugendlichen und neuen Familien entspricht. Zweckmäßigerweise ist in diesem Zusammenhang für die Übersetzung und Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche in slowakischer Sprache gesorgt worden. Er ist ein außerordentlich wertvolles Instrument der Evangelisierung, und es ist nun Aufgabe der Kirche, insbesondere der Bischöfe und Priester, seinen Inhalt auf das tägliche Leben der Gläubigen zu übertragen. Im Hinblick auf den Einsatz für die Ausbildung der neuen Generationen muss die Notwendigkeit einer Berufungspastoral betont werden, die bestrebt ist, jungen Menschen die Größe der Berufung zum Priesteramt und Ordensleben als hochherzigen Dienst am Reich Gottes zu verdeutlichen. 5. Gemeinsam mit der Gesamtheit der Katholiken bereitet sich auch die Kirche der Slowakei bereits jetzt auf das Jubeljahr 2000 vor, dem wir uns mit großen Schritten nähern. Daher beschränkt sie sich nicht lediglich darauf, ein erwartungsvolles Klima im Hinblick auf das historische Ereignis zu fördern, sondern ist zu Recht bestrebt, die Jahre der unmittelbaren Vorbereitung auf intensive Art und Weise zu leben, jenem kirchlichen Programm entsprechend, das ich in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente dargelegt habe. In dieser Hinsicht kann die Zeitschrift „Das Große Jubiläum“, die auf so lobenswerte Weise von der Slowakischen Bischofskonferenz herausgegeben wird, den verschiedenen Diöze-san- und Pfarrgemeinden eine wertvolle Hilfe sein. In diesem Zusammenhang muss unweigerlich auch auf die sozialen Kommunikationsmittel hingewiesen werden. Wie könnte ihre große Einflussnahme auf die öffentliche Meinung und die außergewöhnliche Auswirkung auf die Denk- und Handlungsweise der Gläubigen unerwähnt bleiben? Es ist nicht ausreichend, ihren zuweilen negativen Einfluss lediglich zu kritisieren; die Gläubigen müssen hingegen vor allem zu einem reifen Gebrauch der Medien erzogen werden, indem man ihnen zu einer größeren Freiheit gegenüber den Medien verhilft. Ferner muss notwendigerweise alles getan werden, um die jeweiligen Möglichkeiten der Kommunikationsmittel auf den Dienst an der Wahrheit und für das Gute auszurichten. 6. Im Ostergeheimnis bietet die Kirche dem Menschen das von Christus verwirklichte, dem Plan des Vaters entsprechende Heil. Sie geht auf den Menschen zu und akzeptiert ihn so, wie er ist, mit all seinen geistigen und moralischen Schwächen, 992 AD-L1MINA-BES U CHE mit all seinen familiären und sozialen Problemen. Doch die Kirche ist sich durchaus bewusst, dass sie keineswegs die Lösung für alle neuen Probleme bereithält, die sich durch veränderte Umstände ergeben. Sie stellt sich vielmehr an die Seite jedes Menschen, um sein Verantwortungsbewusstsein zu stärken, und fordert ihn auf, im Licht der in den Dokumenten des kirchlichen Lehramtes enthaltenen christlichen Weisheit die geeignete Antwort zu suchen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43). In diesem Kontext sollte auch das Verhältnis zwischen Kirche und Staat betrachtet werden. Das II. Vatikanische Konzil betont: „Die politische Gemeinschaft und die Kirche sind auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom“ (ebd Nr. 76). Dennoch schließt diese Trennung keineswegs gegenseitige Zusammenarbeit aus, sondern verlangt sie sogar. Bei einem Treffen mit einer slowakischen Pilgergruppe erinnerte ich daran, „daß die Katholiken nicht am Rand des sozialen und politischen Lebens stehen dürfen. Im Gegenteil, von der kirchlichen Soziallehre inspiriert, können und müssen sie einen großen Beitrag leisten, ohne sich je hinter Vorurteilen zu verschanzen oder Partei zu ergreifen, was oft nutzlos wenn nicht sogar schädlich ist“ (vgl. Ansprache an slowakische Pilgergruppe, Nr. 3, O.R. ital., 10.11.1996, S. 4). Bei dieser besonderen Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat für das Wohl des Menschen und des Landes darf aber die Tatsache, dass die Sendung der Kirche, der ihr eigenen Natur entsprechend, allen gilt, nah und fern, nie zweitrangig werden. 7. Verehrte und geliebte Brüder, das sind die Gedanken und Erwägungen, die ich euch anlässlich eures willkommenen Ad-limina-Besuchs vermitteln wollte. Ich danke euch für den Eifer und die Hingabe, mit der ihr euch für das wahre Wohl jener Gemeinden einsetzt, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind. Möget ihr stets jenen tiefen affektiven und effektiven Gemeinschaftssinn pflegen, der euch untereinander mit der Weltkirche und insbesondere mit dem Nachfolger Petri verbindet. Während ich euch und eure Gemeinden dem mütterlichen Schutz der Schmerzens-jungfrau Maria, der Patronin der Slowakei, anvertraue, erteile ich euch allen, den euch anvertrauten Kirchen und der gesamten slowakischen Bevölkerung von ganzem Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo am 7. September 1998 in Erinnerung an die heiligen Märtyrer von Kosice. 993 AD-LIMINA-BES V CHE Ein Jahr der Gnade des Herrn ausrufen! Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Spaniens am 19. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, euch, die Hirten der spanischen Kirche, hier in Rom zu empfangen, der Stadt, die das Andenken an die hll. Apostel Petrus und Paulus wahrt. Ihr seid die dritte Gruppe der spanischen Bischöfe, die zum Ad-Limina-Be-such hierher kommt. Mein herzlicher Gruß gilt dem Kardinal-Erzbischof von Barcelona und seinen Weihbischöfen, dem Erzbischof von Oviedo und seinem Weihbischof, den Bischöfen von Leon, Astorga und Santander, dem Erzbischof von Tarragona und den Bischöfen von Urgell, Lleida, Vic, Solsona und Tortosa. Ganz besonders lasse ich den Bischof von Girona grüßen, der wegen eines chirurgischen Eingriffes nicht bei uns sein kann. Durch euch möchte ich auch alle Priester, Dia-kone, Ordensangehörige und Laien grüßen, die euren Teilkirchen angehören, und ich möchte ihnen gegenüber als Hirte der universalen Kirche meine Zuneigung und Wertschätzung zum Ausdruck bringen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Für die liebenswürdigen Worte, die Kardinal Ricardo Mariä Carles Gordö im Namen aller an mich gerichtet hat und womit er mir eure Hoffnungen und Sorgen vor Augen stellte, bin ich sehr dankbar. Auch ist aus seinen Worten die pastorale Liebe zu entnehmen, die euch alle bei der Leitung des euch anvertrauten Gottesvolkes in eurem Amt beseelt (vgl. Christus Dominus, Nr. 4). Auch dafür bin ich euch dankbar. Seid gewiss, dass ich stets für euch und eure Anliegen zum Herrn bete, auf dass es euch inmitten der Prüfungen, denen ihr gelegentlich bei eurer Mission ausgesetzt seid, niemals an Kraft fehle (vgl. Apg 4,33) noch der Trost des Heiligen Geistes euch verlasse. 2. Katalonien, Asturien, Leon und Kantabrien sind Regionen, die zutiefst im Christentum verwurzelt sind. Dort haben, wie auch in anderen Regionen Spaniens, wichtige Veränderungen bei der Bevölkerung und im wirtschaftlichen Bereich stattgefunden. In der Tat ist der beschleunigte Wechsel von einer landwirtschaftlich geprägten zu einer vorwiegend durch Industrie und Dienstleistungen geprägten Gesellschaft in den letzen Jahrzehnten der Auslöser für größere Beweglichkeit und Flexibilität der Menschen gewesen. Die neuen Interessenschwerpunkte, nicht zuletzt auch auf kulturellem Gebiet, entwickeln sich rasch und verändern somit auch die Lebensweise; gerade dadurch aber wird das Erscheinungsbild der Gesellschaft auf bemerkenswerte Weise verwandelt. In den Fünfjahresberichten legt ihr die Situation dar, aufgmnd derer ihr euch veranlasst fühlt, die Seelsorge zu erneuern, indem ihr neue Bedingungen festsetzt, unter denen man die Frohbotschaft zukünftig verkünden und das Gottesvolk durch die sakramentale Präsenz Christi leiten und versammeln wird. Dafür möchte ich euch auch Mut zusprechen, auf dass die Kirche Gottes in diesem herrlichen Land weiterhin ein Hort der Liebe und Fürsorge bleibe, wo sich alle Gläubigen gegen- 994 AD-LIMINA-BESUCHE seitig als Brüder betrachten und keiner ausgeschlossen wird, wo nicht nach Herkunft und Kultur unterschieden wird. Möge die Kirche ein Ferment der Einheit sein, das heißt, „das Salz der Erde und das Licht der Welt“ (vgl. Mt 5,13-14). 3. Ihr, die Bischöfe Spaniens, seid meinem Aufruf gefolgt, in angemessener Weise das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten, indem ihr einen vieijährigen Seelsorgeplan für den Zeitraum von 1997 bis zum Jahr 2000 erstellt habt, welcher unter dem Leitgedanken steht: „Ein Jahr der Gnade des Herrn ausrufen.“ In diesem Plan ruft ihr, gleichsam als ein Echo auf mein Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, in Erinnerung, dass „das Hauptanliegen des Jubiläums die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen ist“ (Nr. 42). In der Tat gründen der Glaube als Geschenk Gottes sowie die freie Antwort der Person und die Bezeugung desselben auf einem einzigen allgemeinem Seelsorgeziel in dieser Zeit. Diesbezüglich möchte ich nun gerne den Gedanken aufnehmen, den ihr selbst hervorgehoben habt, nämlich, dass es, „um eine Trennung zwischen Glauben und Leben oder deren parallele und berührungslose Existenz zu vermeiden notwendig ist, unsere Gläubigen zur Kohärenz zwischen Glauben und christlicher Lebensweise in jeder persönlichen Lebenslage und innerhalb der konkreten gesellschaftlichen Gegebenheiten unserer Zeit anzuhalten, in der so viele neue Fragen auf verschiedensten mitunter auch vielen neuen Gebieten auftauchen“ {Seelsorgeplan, 107). 4. Eines dieser Gebiete wird trotz seiner Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft heutzutage sehr in Frage gestellt, nämlich die Familie. Es ist mir wohl bewusst, wie viel Mühe ihr bei der Verteidigung und Förderung dieser Institution aufwendet, welche ihren Ursprung in Gott und seinem Heilsplan hat (vgl. Familiaris consortio, Nr. 49). Heutzutage sind wir dennoch Zeugen einer Zeiterscheinung, die mancherorts sogar in gehöriger Weise dazu neigt, die wahre Natur der Familie zu schwächen. In der Tat fehlt es nicht an Versuchen, die Familie in der öffentlichen Meinung und sogar innerhalb der zivilen Gesetzgebung auf eine bloße Lebensgemeinschaft herabzustufen, die jeglicher Gesetzmäßigkeit und Konstitution entbehrt, und man verlangt sogar, die Lebensgemeinschaft zweier Personen desselben Geschlechtes als Familie anzuerkennen. Die Existenzkrise der Ehe und Familie drängt uns aus seelsorglichen Gründen und im Dienst der Familie und Gesellschaft stehend, beharrlich und unerschütterlich die Wahrheit über Ehe und Familie zu verkünden, und zwar so, wie sie von Gott selbst konzipiert ist. Würden wir das nicht tun, so wäre dies eine schwere Unterlassungssünde im Seelsorgebereich, welche die Gläubigen, aber auch jene, die die wichtige Verantwortung innehaben, Entscheidungen bezüglich des Allgemeinwohls des Landes zu treffen, zu Verirrungen führen würde; denn diese Wahrheit gilt nicht nur für Katholiken, sondern ohne Unterschied für alle Menschen, weil nämlich Ehe und Familie ein unersetzliches Gut der Gesellschaft darstellen; und wir dürfen angesichts dessen Herabstufung oder gar dessen Verlustes nicht gleichgültig bleiben. 995 AD-LIMINA-BESUCHE Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Familie sich selbst und der Gesellschaft gegenüber Zeugnis von ihren eigenen Werten ablegen soll: „Die Aufgabe, die diese aufgrund göttlicher Berufung im Laufe der Geschichte wahrzunehmen hat, rührt von ihrem eigenen Wesen her und stellt ihre dynamische und existentielle Entwicklung dar. Jede Familie entdeckt und findet ihre eigene unüberhörbare Berufung in sich selbst, und durch diese Berufung wird auch gleichzeitig ihre Würde und Verantwortung definiert, nämlich: Familie, ,sei‘, was du ,bist‘!“ (Seelsorgeplan, 17). Diesbezüglich sollten sich die Hirten und auch die kirchlich engagierten Eheleute große Mühe geben, tiefer in das Mysterium und die Theologie der Ehe einzutreten; sie müssen versuchen, den jungen Eheleuten und Familien, die sich in Schwierigkeiten befinden, zu helfen, den Wert ihres sakramentalen Eheversprechens besser zu erkennen und die Gnade ihres Ehebundes anzunehmen. In erster Linie sollen die verheirateten Laien von der Erhabenheit des Ehe- und Familienlebens, welches auf Vertrauen und Treue gründet, Zeugnis ablegen. Durch das Sakrament erlangt ihre menschliche Liebe einen unendlichen Wert, weil nämlich die Eheleute durch sie auf ganz besondere Weise die Liebe Christi zu seiner Kirche versinnbildlichen und in der Welt eine wichtige Verantwortung übernehmen, Kindern das Leben zu schenken, die dazu berufen sind, Kinder Gottes zu werden. Auch sollen die Eltern ihren Kindern bei ihrer menschlichen und übernatürlichen Entwicklung helfen. Liebe Brüder, steht den christlichen Familien bei, ermutigt die für die Ehepastoral Verantwortlichen in euren Diözesen, und fördert die Bewegungen und Vereinigungen, die sich für die Ehespiritualität einsetzen. Erweckt in ihnen den apostolischen Eifer, auf dass sie sich die Aufgabe der Neuevangelisierung zu eigen machen. Öffnet allen eure Tür, die keine Bleibe haben oder unter schwierigen Umständen leben müssen, und legt von der erhabenen Würde einer selbstlosen und bedingungslosen Liebe Zeugnis ab. 5. Beim Einsatz und der Förderung der Familie ist es wichtig, dass jene eine angemessene Unterweisung erhalten, die sich mit dem Gedanken tragen, einander das Sakrament der Ehe zu spenden (vgl. CIC., cc. 1063/1061). Auf diese Weise fördert man die Gründung wahrer Familien, die nach Gottes Plan leben. Deswegen sollte man den zukünftigen Eheleuten nicht nur die anthropologischen Aspekte der menschlichen Liebe darlegen, sondern man sollte ihnen auch die Grundlagen für eine authentische Ehespiritualität vermitteln, welche davon ausgeht, dass die Ehe eine Berufung ist, die es den Getauften gestattet, Glauben, Hoffnung und Liebe innerhalb ihres neuen sozialen und religiösen Standes zu verkörpern. Diese spezifische Unterweisung kann noch dadurch ergänzt werden, dass man die Gelegenheit dazu nutzt - im Rahmen der Neuevangelisierung -, die Getauften, die von der Kirche das Ehesakrament erbitten, wieder an die Kirche anzunähem. In der Tat habt ihr ja hervorgehoben, dass „viele Kinder und Jugendliche, nachdem sie am Katechismus- oder Firmunterricht teilgenommen haben, ihre christliche Erziehung aufgeben, die eigentlich dauerhaft währen sollte“ (Seelsorgeplan, 127). 996 AD-LIMINA-BESUCHE Wenn die Jugendlichen auch dank des allgemein höheren Bildungsniveaus dasjenige ihrer Eltern übertroffen haben, so ist jedoch deren Niveau in christlicher Hinsicht in vielen Fällen nicht erreicht, im Gegenteil, bisweilen kann man sogar nicht nur regelrechte Ignoranz in religiösen Fragen feststellen, sondern es zeigt sich bei den jungen Generationen geradezu ein moralisches und religiöses Vakuum. In diesem Bereich spielen die kirchlichen Gemeinschaften eine wichtige Rolle, denn wer selbst die Liebe Gottes erfahren hat, kann auch von ihr Zeugnis ablegen und kann sie auf wirksame Weise denen nahe bringen, die sie kennen lernen sollen. 6. Auch möchte ich kurz auf die in allen Bereichen dringend zu belebende Katechese eingehen; denn wenn der Glaube und dessen Zeugnis gestärkt werden soll, dann muss auch die Evangelisierung intensiver vorangetrieben werden, indem wir mit glühendem Eifer Jesus Christus als den einzigen Retter der Welt verkünden, und zwar in der ganzen Fülle seines Mysteriums, welches er uns durch sein Leben und sein Wort kundgetan hat und welches die Kirche verkündet. Die Katechese stellt den Menschen unserer Zeit die Person Jesu vor, damit sie ihm nachfolgen und so ihr Leben im Geiste stärken, was wiederum die Selbstverwirklichung des Menschen in seiner ganzen Fülle begünstigt. Daher möchte ich euch Mut zusprechen, damit ihr nicht an Kräften spart, so dass in euren Diözesen die katechetische Aktivität, welche ein wesentlicher Aspekt bei der vom Herrn uns anvertrauten Aufgabe der Neuevangelisierung ist, stets gefördert und ausgeübt wird und dass ihr dabei auf Helfer vertrauen könnt, die in angemessener Weise dazu ausgebildet wurden. So wird den Gläubigen eine lebendige Kenntnis vom Mysterium Christi vermittelt. Deshalb schätze und bewundere ich auch die Mühen, die viele Katecheten großzügig in den Pfarreien und anderen Seelsorgezentren auf sich nehmen und so viel Zeit und Energie für eine in der Kirche so wesentliche Tätigkeit aufwenden. Durch die Unwissenheit in religiösen Fragen und die dadurch ausbleibende oder nur mangelhafte Umsetzung des Glaubens im täglichen Leben wären die Getauften den wahren Gefahren des Säkularismus, des moralischen Relativismus oder der religiösen Gleichgültigkeit gegenüber völlig wehrlos ausgesetzt, und zwar mit dem folgenschweren Risiko, dass die tiefe Religiosität eures Volkes dabei verloren ginge, welche doch in den vielen Formen der Volksfrömmigkeit in so herrlicher und wunderbarer Weise zum Ausdruck kommt. Angesichts des Großen Jubiläums ermutige ich euch daher, eine neue Etappe der Katechese einzuleiten, die den Menschen von heute dabei hilft, sich des göttlichen und seines eigenen, menschlichen Mysteriums bewusst zu werden. Es soll eine Katechese sein, die die Menschen lehrt, zu beten und Gott zu loben und zu danken für das Geschenk der Fleischwerdung Jesu Christi und dessen Erlösungswerk (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 32). 7. Die Kirche ist ständig angehalten, innerhalb der Kinder- und Jugenderziehung präsent zu sein und den erzieherischen Anforderungen durch ihre Seelsorge ge- 997 AD-L1MINA-BES UCHE recht zu werden. Sie tut dies, indem sie sich für den Menschen einsetzt und mit den Familien und mit der Gesellschaft im Bereich Bildung und Erziehung zusammenzuarbeiten wünscht. Unter dieser Zusammenarbeit versteht sie, eine umfassende Bildung zu verfechten und das Recht der Eltern zu verteidigen, ihren Kindern eine religiöse und moralische Erziehung zukommen zu lassen, die ihrer eigenen Überzeugung entspricht. Die Kirche wirkt bei dieser Aufgabe durch die katholischen Erzieher mit, die diese Aufgabe, vom Glauben inspiriert, wahmehmen. Ebenfalls wirkt die Kirche durch ihre eigenen Bildungsinstitutionen mit, was einen Dienst an der Gesellschaft darstellt, der als solcher anerkannt und gefördert werden sollte. Bei einer Erziehung, die den Anspruch erhebt, komplett und umfassend zu sein, darf aber auch der religiöse Aspekt nicht vernachlässigt werden, sondern die Jugendlichen müssen vielmehr unter Berücksichtigung und Einbeziehung aller menschlichen Fähigkeiten und Eigenschaften erzogen werden. In diesem Sinne hat die Kirche, die stets auch andere Denkweisen respektiert, das Recht, jene Werte zu vermitteln, die aus dem Evangelium hervorgehen, und die Menschen in den moralischen Normen zu unterweisen, die dem Christentum eigen sind. Ihr habt darauf aufmerksam gemacht, dass dennoch „seit Jahren der Staat die religiöse, moralische und ethische Unterweisung an den Gymnasien, besonders aber an den Real- und Hauptschulen, an den Rand gedrängt hat“ (Seelsorgeplan, 51). Man sollte bedenken, dass die eigentliche Dimension der Dienst am Menschen ist, bei dem es darum geht, die Qualität des Unterrichts immer mehr zu verbessern, was nicht zuletzt durch eine sorgfältige Auswahl und Qualifizierung des dafür vorgesehenen Lehrkörpers geschieht. Daher ermutige ich euch, weiterhin alles daranzusetzen, damit sobald wie möglich zusammen mit den dafür zuständigen staatlichen Behörden eine Lösung für die immer noch anstehenden Probleme bezüglich des rechtlichen Status quo des Religionsunterrichts und der Religionslehrer gefunden wird. 8. Liebe Brüder, mit diesen Überlegungen und Anliegen wollte ich euch vertraut machen, denn sie werden euch bei eurer Seelsorgearbeit sicherlich von Nutzen sein. Am Ende dieser Begegnung möchte ich nochmals betonen, dass es mir eine Freude ist, gemeinsam mit euch die Sorgen und Hoffnungen eures bischöflichen Dienstes zu teilen. Auch bin ich wirklich darüber froh, zu sehen, welche Mühen ihr auf euch nehmt, um die Vitalität des kirchlichen Lebens in euren Diözesen zu stärken, und ich hoffe, dass euch dieser Besuch beim Nachfolger Petri, das Gebet an den Gräbern der Apostel sowie die Begegnung mit den verschiedenen Dikaste-rien der Römischen Kurie zu einer Quelle der Kraft und Hoffnung für die Zukunft in Gemeinschaft mit der Universalen Kirche werde. Habt Mut und lasst nicht ab, weiterhin das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten, indem ihr die Katholiken ganz Spaniens dazu aufruft, hinauszugehen und ihren Brüdern und Schwestern die Frohbotschaft zu verkünden. 998 AD-LIMINA-BES U CHE Möge die Jungfrau Maria euch bei eurer Sendung und in eurem Bischofsamt beistehen, die ja so sehr in eurem Lande verehrt wird und vor der auch ich an den Marienwallfahrtsorten von Convadonga und Montserrat niederfallen durfte, um sie um ihre mütterliche Fürsprache für diesen wichtigen Teil des Gottesvolkes zu bitten, der sich in eurem Land auf der Pilgerschaft befindet. In diesem Sinne erteile ich euch und allen euren Priestern, Ordensleuten sowie allen Gläubigen eurer Diözesen von Herzen den Apostolischen Segen. Lebensbereiche des Alltags in der Kraft des Glaubens gestalten Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Spaniens am 7. Juli Geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist für mich ein Grund zur Freude, anlässlich eures Ad-limina-Besuches hier mit euch zusammenzukommen. Dadurch gibt uns der Herr die Möglichkeit, aufs Neue mit Inbrunst hier an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus die Erfahrung kirchlicher Gemeinschaft in Liebe und Treue zum empfangenen Glauben zu erleben. So erstarken wir in unserer Missionsaufgabe und erfüllen das fortzusetzende Missionsamt, das Christus den Aposteln anvertraut hat, mit neuem Leben. Mein herzlicher Dank gilt Msgr. Carlos Amigo Vallejo, dem Erzbischof von Sevilla, für die liebenswürdigen Worte, die er an mich gerichtet und dadurch dem Zugehörigkeitsempfinden und der Zuneigung von euch allen Ausdruck verliehen hat. Ihr seid die Hirten, die dem Volk im Osten und Süden der spanischen Halbinsel sowie auf den Balearen und den Kanarischen Inseln vorstehen. Euch alle, die Erzbischöfe von Sevilla, Valencia und Granada, die Bischöfe der jeweiligen Suffragandiözesen und alle Weihbischöfe grüße ich von ganzem Herzen. Als Hirte der ganzen Kirche fühle ich eure Nähe und Verbundenheit „im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens“ (Lumen Gentium, Nr. 22), und ich begleite euch, die ihr dem Evangelium dient, bei euren seelsorglichen Anliegen (vgl. Lumen Gentium, Nm. 24, 27). Auch möchte ich euch ermutigen, „werdet nicht müde, Gutes zu tun“ (2 Thess 3,13). 2. Schon ganz zu Beginn des Christentums wurde das Evangelium in euer Land gebracht. Früh entstanden Glaubensgemeinschaften, die das Schicksal der Kirche in diesem Land während der verschiedenen Epochen ihrer fast zweitausendjährigen Geschichte teilten. Sie waren erfüllt von glühendem Eifer für die apostolische Tradition und nahmen deren heilsbringende Botschaft mit Freuden an. Durch ihre Regionalsynoden trugen sie wesentlich zur Artikulierung des Glaubens und zur Konsolidierung eines Lebensstils bei, der mit der verkündeten Wahrheit in Einklang stand. Auch mussten sie die bitteren Erfahrungen der Verfolgung und lehrmäßigen Irrtümer machen. Sie verstanden es, schweigend unter der Vorherrschaft 999 AD-LIM1NA-BESUCHE fremder Kulturen und Überzeugungen zu leben, aber auch an der Wiederherstellung des Glaubens teilzunehmen, der von Anbeginn ihr Herz erfüllte. In ganz direkter Weise waren sie an den großen kirchlichen Reformbewegungen beteiligt und wirkten mit der Kirche Hand in Hand bei den großen Missionsbemühungen und bei der Evangelisierung der Neuen Welt. Schließlich waren sie auch an der faszinierenden aktuellen Bewegung beteiligt, wodurch die ganze kirchliche Gemeinschaft aufgrund des vom II. Vatikanischen Konzil ausgehenden Impulses sich zutiefst verpflichtet fühlt, die Botschaft des Evangeliums Christi in echter Weise zu leben und es mit seiner ganzen Herrlichkeit den Menschen von heute zu verkünden. Die vielen wechselhaften geschichtlichen Verhältnisse, die euer Volk erlebt hat, haben die Tradition bei den Menschen erstarken und ein reiches Erbe aufkommen lassen, welche sich heute vor der Welt in Form von vielen Kunstwerken sowie durch eure Kultur und Zivilisation präsentiert. Dieses Erbe hat tiefe christliche Wurzeln, und seine uralte Tradition ist bis heute durch literarische und architektonische Monumente präsent, die keinesfalls vergessen werden dürfen, sondern es verdienen, erforscht und als ein eindeutiges Geschenk verehrt zu werden, das eurer Kirche und eurem Volk zuteil wurde. Auch wurde euch ein reiches Erbe an Heiligkeit zuteil, das in den unterschiedlichsten Umständen und Situationen zustande kam. Es fehlte dabei auch keineswegs an hervorragenden Beispielen der Hingabe an den apostolischen Dienst, was durchaus weichenstellend sein kann für den heutigen Weg eurer Kirche. Gemeint sind an dieser Stelle zum Beispiel der hl. Leander oder der hl. Isidor, der Märtyrerbischof von Jaen, Pedro Pascual oder der Patron des spanischen Klerus, Juan de Avila sowie der hl. Mönch Jeronimo Hemando de Talavera, der Augustinermönch Tomas de Villanueva und der hl. Juan de Ribera aus Sevilla; beide waren Erzbischöfe von Valencia und Gründer richtungsweisender Konvikte zur Priesterausbildung. Mir selbst fiel es vor einigen Jahren während meines ersten Besuches in Spanien zu, in Sevilla die Nonne Angela de la Cruz selig zu sprechen. Sie war eine würdige Verfechterin der Weiterführung der Tradition ihres Ordens, die in der liebenden Aufopferung für die Ärmsten der Armen besteht, einer Tugend, die Jahrhunderte zuvor auch schon Juan de Dios und Juan Grande auszeichneten. 3. Bei dieser Gelegenheit würde ich gerne mit euch über einige der wichtigsten Herausforderungen reflektieren, mit denen ihr heutzutage konfrontiert seid, damit eure kirchlichen Gemeinschaften weiterhin ihre „Sendung treulich halten, das Reich Christi und Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 5) und die Gnade und die Wahrheit Christi allen zuteil werden zulassen, so, wie sie das schon immer taten. Die Feierlichkeiten in den Metropolitanbistümem eurer Kirchenprovinzen während meines erwähnten Besuches in Spanien haben in gewisser Weise eine symbolische Bedeutung und gelten heute noch genauso, wie damals. Auch geht das Interesse über die Grenzen jener Orte hinaus, wo sie stattfanden. In Valencia 1000 AD-LIMINA -BES U CHE weihte ich eine große Anzahl von Priestern, in Granada traf ich mit jenen zusammen, die für die Glaubensunterweisung zuständig sind, in Sevilla sprach ich, wie schon erwähnt, Schwester Angela de la Cruz selig, die ein Beispiel christlicher Nächstenliebe war. Diese Ereignisse heben die wesentlichen Aspekte hervor, die die Kirche aller Zeiten als eine um den lebendigen Christus sich versammelnde Gemeinschaft auszeichnet, die seine Anwesenheit feierlich begeht, die sein Evangelium allen Völkern verkündet, es tief in die Herzen der Menschen einpflanzt und die sich durch ihre entschlossene und bedingungslose Liebe zu den Brüdern und Schwestern auszeichnet (vgl. Apg 2,42-45, Joh 13,35). 4. Die Liturgiereform war eine der sichtbarsten Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils, und sie wurde vom Gottesvolk mit größtem Enthusiasmus angenommen. Darin dürfen wir nicht nur die für unsere Zeit ja charakteristische Veränderungslust, bzw. den berechtigten Wunsch nach Anpassung der Feier der heiligen Geheimnisse an die Sensibilität und Kultur unserer Tage sehen. Dahinter steht in Wirklichkeit das Bestreben der Gläubigen, ihre tiefste und wahrhaftigste Identität als die um Christus versammelten Jünger zu erleben und auszudrücken, der auf unvergleichliche Weise unter ihnen durch sein Wort und seine Sakramente, besonders aber durch das allerheiligste Altarsakrament zugegen ist (vgl. Sacroscinctum Conciliwn, Nr. 7). Auf diese Weise wird das Glaubensgebäude nicht nur auf ein festes und dauerhaftes Fundament gestellt (vgl. Lk 6,48), sondern die ganze christliche Gemeinschaft wird sich dadurch bewusst, dass sie das Mysterium Christi, des Retters des Menschengeschlechtes, begehen, ihn verkünden und ihn offen den Menschen von heute zur Kenntnis bringen muss, wobei man sowohl der von innen als auch von außen kommenden Versuchung widerstehen muss, der Kirche andere Identitäten und Interessen zuzuschreiben. In der Tat lebt ja die Kirche mehr von dem, was sie vom Herrn empfängt, als von dem, was sie lediglich aus eigener Kraft vollbringen kann. Auch unter diesem Aspekt müssen wir zusammen mit dem Apostel anerkennen: „Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt“ (2 Kor 12,9). Daher ist es in einer Umgebung, die mitunter dazu neigt, die tiefsten Glaubensüberzeugungen zu trivialisieren, besonders wichtig, die Gläubigen zu unterweisen, damit sie die innere Notwendigkeit verspüren, häufig an den Tisch des Herrn zu treten, um die Sakramente zu empfangen, aktiv an den liturgischen Feiern teilzunehmen und sich am Sonntag mit den anderen Brüdern und Schwestern zu versammeln, um das Ostergeschehen des Herrn im Sakrament des Neuen Bundes zu feiern. Keinem darf es dabei an Unterstützung seitens der gesamten christlichen Gemeinschaft fehlen. Diesbezüglich ist es von Nutzen, daran zu erinnern, dass es den Bischöfen auf besondere Weise obliegt, dafür zu sorgen, „daß der Sonntag von allen Gläubigen als geheiligt und wirklich als ,Tag des Herrn1 anerkannt wird, an dem sich die Kirche versammelt, um das Gedächtnis seines Ostergeheimnisses durch das Hören des Wortes Gottes, die Darbringung des Herrenopfers, die Heiligung des Herrentages durch Gebet, Werke der Nächstenliebe und die Enthaltung 1001 AD-LIMINA-BES U CHE von Arbeit zu erneuern“ (Kongregation für die Bischöfe, Ecclesiae imago, Richtlinien für den bischöflichen Seelsorgedienst, 29.2.1973, Nr. 86). 5. Mit Zufriedenheit stelle ich fest, wie ihr gemeinsam mit den übrigen Bischöfen Spaniens versucht, vom Evangelium her alle Lebensbereiche des Einzelnen und der Gesellschaft zu erhellen, ohne dabei die moralische und soziale Dimension auszuschließen. Diesen Aspekt eures Amtes müsst ihr zwar mit größter Umsicht und mit Feingefühl, aber doch stets ohne Furcht ausüben, und dies muss die Herzen der Menschen erreichen, damit jeder Gläubige die verwandelnde Kraft des Glaubens im Alltag verspüren, ihn auf authentische Weise ausdrücken und von ihm ein wirksames Zeugnis ablegen kann. Die Kirche hat zu allen Zeiten die Unterweisung der Gläubigen als eine ihrer vomehmlichsten Aufgaben betrachtet und sie weiß auch um ihre entscheidende Verantwortung zu Zeiten, da die Verhältnisse sich in atemberaubender Geschwindigkeit ändern und Tag für Tag neue Fragen in den Raum stellen, mit denen sich die Gläubigen auseinander zu setzen haben. In Granada sagte ich damals, „die Minderheit einer christlichen und kirchlichen Generation kann die Übergriffe einer im wachsenden Maße säkularisierten Gesellschaft nicht ertragen“ (vgl. Ansprache in Granada während des Wortgottesdienstes am 5.11.1982, Nr. 3). Ihr, die Hirten eines Landes, das der Kirche und der Gesellschaft hervorragende Persönlichkeiten im Erziehungsbereich beschert hat, ihr wisst sehr wohl, dass man weder im Leben noch im Glauben aufhört, dazuzulemen. Daher ist es angebracht, immerzu die christliche Unterweisung nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen und Familien sowie Einzelnen und Gruppen zu fördern. Man muss dabei jedem nach seinem persönlichen Charisma und seiner eigenen Berufung gerecht werden. Auch dürfen dabei die Katecheten und Priester nicht vergessen werden, die ja selbst hier auf Erden ständig als Pilger und Jünger des Herrn unterwegs sind. Diesen seid ihr besonders verpflichtet, denn sie sind eure unmittelbarsten Mitarbeiter bei eurer pastoralen Mission. Sie werden euch bei vielen Gelegenheiten brauchen, besonders aber in den ersten Jahren der Ausübung ihres Amtes, und zwar nicht nur als Meister und Führer bei der Betreuung des Gottesvolkes, sondern auch als Väter, denen sie ihre eigenen Bestrebungen und Schwierigkeiten anvertrauen können und die ihnen Verständnis entgegenbringen und bei der Ausübung ihres priesterlichen Amtes Mut zusprechen. Sie werden ihrerseits von euch lernen, den Gläubigen in ihren Nöten und Sorgen nahe zu stehen. Ihnen müssen sie sich ja als jene wahren Hirten widmen, die ein jedes ihrer Schafe mit Namen kennen (vgl. Joh 10,3). 6. Die Kreativität, der hohe Grad an Sensibilität und die reiche Ausdrucksfähigkeit der Menschen eures Landes stellen einen positiven Faktor dar, wenn es darum geht, sich zur Gottessuche und Gottesfindung zu rüsten. Gott ist ja das unaussprechliche Geheimnis, das nicht selten durch Bilder, Gesten und Zeichen erst zu- 1002 AD-LIMINA-BES U CHE gänglich wird. Es ist mir wohl bewusst, dass dieser Aspekt der Volksfrömmigkeit einen wichtigen Platz in der Seelsorge einnimmt, und ich möchte euch diesbezüglich auch ermutigen, weiterhin Anstrengungen zu unternehmen, damit, wie auch bei der göttlichen Pädagogik, die Worte die Taten begleiten, so dass die Anwesenheit Gottes und sein Wille noch deutlicher erkennbar werden (vgl. Dei Verbum, Nr. 2). In der Tat ist ja die religiöse Ausdrucksfähigkeit wichtig, um den Glauben zu vertiefen. Auch erhellt sie alle Lebensbereiche der Gläubigen, indem sie ihnen Tag für Tag mehr ins Bewusstsein ruft, dass sie wachsen müssen, wie lebendige Steine, die zum Aufbau des Tempels Gottes in dieser Welt dienen (vgl. 1 Petr 2,5). Daher muss dafür gesorgt werden, dass alle kirchlichen Gruppen, wie zum Beispiel die verschiedenen Bruderschaften, ein geeignetes Umfeld zur christlichen Unterweisung ihrer Mitglieder darstellen und dass sie durch die Feier der Sakramente, besonders des Allerheiligsten Altarsakramentes, durch die Einheit und Zusammenarbeit mit ihren Hirten im Rahmen der Gemeinschaftspastoral und durch die unermüdliche Förderung der Nächstenliebe und Solidarität, welche für eine wirklich christliche und brüderliche Gemeinschaft charakteristisch ist, den richtigen Weg zur vollen Eingliederung in das Leben der kirchlichen Gemeinschaft weisen. Auch hat ja das II. Vatikanische Konzil selbst daran erinnert, welche die Ziele christlicher Erziehung sind: jeder Getaufte soll Gott Vater in Geist und Wahrheit anbeten, und dies besonders während der liturgischen Handlungen, er soll als neuer Mensch in Gerechtigkeit und Heiligkeit leben, er soll zum Wachstum des mystischen Leibes beitragen, er soll Zeugnis von seiner Hoffnung ablegen und er soll die kostbarsten Werte der Menschen und der Gesellschaft fördern (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 2). Auf diese Weise dürfen wir hoffen, dass die gläubigen Laien, denen ja die Kirche ihren Stellenwert und volle Würde zuerkennt, ihrerseits größere Verantwortung bei ihren eigenen Aufgaben innerhalb der christlichen Gemeinschaft übernehmen, welche auf innigste Weise nach dem Evangelium lebt, es mutig verkündet und seine Werte in alle Bereiche der persönlichen und gesellschaftlichen Existenz der Menschen hineinträgt. 7. Bei den Plänen zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 habt ihr Bischöfe Spaniens in vollem Umfang die für alle Christen auf der ganzen Welt gesetzten Ziele übernommen, worin auch „die solidarische Annahme des Nächsten, besonders des am meisten Bedürftigen“ enthalten ist (Tertio millennio adve-niente, Nr. 42). Dies ist eine der großen Sorgen der Kirche unserer Tage, und sie betrifft in besonderer Weise euch, denn ihr habt in eigenen Reihen die zerstörerische Wirkung eines Menschenbegriffes erfahren müssen, in dem der Mensch „nur als Produzent und Konsument von Waren oder als Objekt der staatlichen Verwaltung“ (Centesimus minus, Nr. 49) existiert. Zur schon schwierigen Situation der Menschen auf dem Land und an den Küsten kamen in letzter Zeit auch noch weitere, nicht weniger dramatische Umstände hinzu, so dass die Kirche, wie schon der barmherzige Samariter, auf ihrem Weg heutzutage auch den Arbeitslosen, den der 1003 AD-LIMINA -BES U CHE Hoffnung beraubten oder von der Trivialität überwältigten oder von Drogen zu Grunde gerichteten Jugendlichen, den aus fremden Ländern Emigrierten, minder geachteten Frauen, Kindern ohne Zukunft, ja, sogar Menschen begegnet, die all ihrer Würde beraubt sind. Lasst nicht zu, dass eure Gläubigen und eure Gemeinschaften angesichts dieser Realität, die in permanenter Weise an unsere Aufmerksamkeit appelliert, in Gleichgültigkeit verharren, in einer Gesellschaft, die aufgrund ihrer Errungenschaften Genugtuung und Überdruss zu empfinden scheint. Es ist notwendig, von Christus in glaubwürdiger Weise Zeugnis abzulegen. Er kam, um „den Armen die Frohe Botschaft zu bringen und um ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen“ (vgl. Lk 4,18-19), und zwar durch Wort und Tat, die nichts unversucht lassen, um in jenen Fällen, wo es notwendig erscheint, aus „drängender“ Liebe heraus eine Änderung des verfestigten Charakters zugunsten einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaftsform zu unternehmen. In diesem Augenblick der Geschichte ist eure Kirche dazu berufen, die Vorreiterin eines Europas zu sein, in dem ein neues soziales und politisches Profil sich abzuzeichnen beginnt, wodurch euch aber auch die große Verantwortung zukommt, die Tür auch für andere Völker zu öffnen und ein Beispiel von Großzügigkeit zu geben, indem ihr das Brot brüderlich mit jenen zu teilen wisst, die auf der Suche nach neuer Hoffnung in euer Land kommen. 8. An dieser Stelle möchte ich diese brüderliche Unterredung beschließen und euch bitten, meine innigsten Grüße allen Gliedern eurer Kirche, namentlich den Priestern und religiösen Gemeinschaften, den Katecheten und den im Apostolat tätigen Christen, den Jugendlichen und ihren Eltern, den alten und kranken Menschen sowie allen, die Leid tragen, zu übermitteln. Gebe es Gott, dass die christlichen Wurzeln eures Volkes bei allen eine lebendige Hoffnung und neue Dynamik erwecken, wodurch sie im Stande sind, die derzeitigen Schwierigkeiten zu überwinden und einer von wachsendem spirituellen und humanen Fortschritt geprägten Zukunft entgegen gehen. Ganz besonders aber sagt euren Priestern, Ordensleuten und allen übrigen in der Seelsorge Tätigen sowie euren Seminaristen, dass der Papst ihnen für ihre Arbeit im Weinberg des Herrn im Sinne des Anliegens des Evangeliums dankt und dass er auf ihre Treue hofft und vertraut. Der Jungfrau Maria, unserer himmlischen Mutter, die euer Volk so sehr verehrt und mit so großer Inbrunst anruft, ihr vertraue ich euch alle und eure pastoralen Vorhaben an, auf dass ihr die Aufgabe einer Neuevangelisierung durchführt, die die Herzen auf das Kommen des Herrn vorbereitet. Mit diesen Segenswünschen begleite ich euch im Gebet und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen. 1004 AD-LIMINA-BES U CHE Glaubensstärkung durch Familienbildung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Tschechischen Republik am 14. September Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Willkommen im Hause Petri! An euch möchte ich die gleichen Worte richten, mit denen sich der Herr Jesus Christus an die Zwölf wandte, als sie nach ihrer Rückkehr von einer Missionsreise wieder um ihn versammelt waren: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus“ (Mk 6,31). Das heutige Treffen verlängert die kurze, aber sehr bedeutsame Reihe meiner Begegnungen mit den Hirten der tschechischen Kirche nach dem politischen Umschwung von 1989. Unvergesslich ist die Reise von 1990 wie auch zwei Jahre später der historische Ad-limina-Besuch aller Bischöfe der beiden noch vereinten tschechischen und slowakischen Bischofskonferenzen. Seit der Teilung der Tschechoslowakei bin ich noch zweimal in eurem Land gewesen. Mein Besuch von 1995 hat unvergessliche Eindrücke in meinem Herzen hinterlassen, denn mit großer Freude konnte ich bei jener Gelegenheit Johannes Sarkander und Zdislava von Lemberk in das Buch der Heiligen eintragen, zwei außergewöhnliche Gestalten, welche die jahrhundertealte Geschichte eurer Kirche ehren und sich jener großen Schar auserwählter Seelen anschließen, die auf böhmischem, mährischem und schlesischem Boden im Lauf der Jahrhunderte heranreifen konnten. Die folgenden Beobachtungen und Hinweise sind die Fortsetzung jener weitreichenderen und detaillierteren, die ich im vorigen Jahr anlässlich meines Besuchs zum tausendjährigen Jubiläum des hl. Adalberts vor eurer Bischofskonferenz erläutert habe. 2. Den heutigen Ad-limina-Besuch möchte ich gerne in jenem besonderen Licht sehen, das von diesen mutigen Zeugen des Evangeliums ausgeht. Die hll. Adalbert und Johannes Sarkander weisen den schließlich sogar mit ihrem Blut bekannten und bezeugten Glaubensweg als Antwort auf die verschiedenen Prüfungen, denen die kirchliche Gemeinde im Wandel der Zeit entgegentreten muss. Die hl. Zdislava deutet auf die Familie als privilegierten Weg der Kirche zur Erneuerung der Menschen und Gesellschaften mit dem Sauerteig des Evangeliums. Der Einsatz für den Glauben und die Familienpastoral sind zwei grundlegende Aspekte der kirchlichen Aktion: Der Glaube ist gewissermaßen die vertikale Achse, die primäre Aufgabe der Verkündigung Gottes und des Hinführens zu ihm; die Familie hingegen verkörpert die horizontale Dimension, das soziale Gewebe, das mit den christlichen Werten beseelt werden muss. Das ist die zweifache Aufgabe, die die pastorale Tätigkeit auf jedem Kontinent und in jedem Land erfüllen muss. Ganz besonders in einer Realität wie der euren, die sich einerseits durch die reiche spirituelle religiöse Tradition und andererseits 1005 AD-LIMINA-BESUCHE durch die Wunden der Entchristianisierung und die Herausforderungen der neuen soziokulturellen Phase auszeichnet, treten die Zielsetzungen des Glaubens und der Familie in all ihrer Dringlichkeit hervor. Erlaubt mir, eure Aufmerksamkeit auf zwei Phänomene zu lenken, denen nunmehr seit langem die ganz besondere Sorge der Kirchenhirten in aller Welt gilt und die, wie ich sehr wohl weiß, auch euch unmittelbar beschäftigen: gemeint sind die heute durch die Verbreitung der Sekten beeinträchtigte Neuevangelisierung und die mit der Familienmoral und der Achtung des Lebens verbundenen Probleme. Nun wisst ihr sehr wohl, dass solche Phänomene eingehende Untersuchungen und gezielte Antworten erfordern: Für sie gibt es keine raschen Lösungen, sondern sie verlangen vielmehr spezielle Eingriffe im Rahmen eines umfassenden Pastoral-plans, dessen Ziel die Festigung jener grundlegenden Überzeugungen ist, auf denen sich die private und öffentliche Haltung der Gläubigen stützt. 3. Vor allem im Bereich des Glaubens müssen wir uns ernsthaft um die Festigung der Grundlagen des christlichen Lebens bemühen, für das eure Diözesen im allgemeinen über durchaus gute Strukturen verfügen, auf die sie zu Recht stolz sind. Ein solch reiches Gut an Personen und Mitteln muss jedoch ständig genährt und erneuert werden, damit die Wirksamkeit seiner Aufgabe, die Weitergabe der Botschaft an die Menschen unserer Zeit, stets erhalten bleibe. Mit diesem Geist habt ihr das Vorbereitungsjahrzehnt auf das tausendjährige Jubiläum des Martyriums des hl. Adalbert gelebt: eine Zeit der geistigen Erneuerung, zu der der verehrte verstorbene Kardinal Frantisek Tomäsek aufgerufen hatte und die zweifellos auch weit über die Schwelle des dritten Jahrtausends hinaus Früchte tragen wird. In dieser Hinsicht bestärke ich euch, vor allem die in euren Pfarrgemeinden so tief verwurzelte und gut entwickelte liturgische und katechetische Pastoral weiterzuführen; ebenso auch die vielfältige Pastoral der Nächstenliebe, die in den normalen Situationen des Lebens wertvolle Zeugnisse erbringt, sich aber durch unermüdlichen Erfindungsreichtum in Notlagen erst voll entfaltet, wie beispielsweise während der vorjährigen und diesjährigen Überschwemmungen. Diesbezüglich möchte ich den Gläubigen eurer Diözesen, Pfarrgemeinden, Vereinigungen und vor allem den Caritasverbänden der gesamten Republik ein Wort des Lobes für das aussprechen, was sie in einem dichten Verbindungsnetz organisiert und anhand von allgemeinen Projekten und konkreten Initiativen in Mähren geleistet haben und auch in diesem Jahr in Ostböhmen weiterhin leisten. Keineswegs haben sie sich von den enormen, durch die zerstörerische Wucht des Wassers verursachten Problemen entmutigen lassen, sondern gaben vielmehr ein wundervolles Beispiel tätiger Solidarität. Übermittelt das aufmerksame Interesse und Wohlgefallen des Papstes euren eifrigen Mitarbeitern, die ohne jeden Entgelt zu fordern, von bewundernswertem Altruismus inspiriert, mit großer Wirksamkeit und Bescheidenheit ihre Hilfe zur Verfügung gestellt haben. 1006 AD-LIMINA-BESUCHE 4. Heute steht die Kirche vor der Herausforderung der Säkularisierung, die sie sowohl im Hinblick auf die spirituelle Vertiefung als auch auf die missionarische Aufgabe zu neuer Tatkraft auffordert. Die Dringlichkeit der Neuevangelisierung ist ein die gesamte christliche Gemeinschaft betreffendes Problem. Deshalb möchte ich jeden einzelnen von euch bestärken, sich stets um eine enge und herzliche Einheit mit dem jeweiligen Diözesanklerus zu bemühen, damit das vom Bischof festgelegte Aktionsprogramm sowohl auf gedanklicher als auch praktischer Ebene von allen geteilt werden und der pastorale Dynamismus sich in voller Wirksamkeit entfalten kann. Gleichzeitig muss, insbesondere durch die von den Priestern geleitete Bildungsarbeit, Spiritualität und Mitverantwortung der Laienschaft, den Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils entsprechend, gefestigt werden. Zur Verwirklichung dieses Ziels ist vor allem die von Vereinigungen und Bewegungen geleistete Arbeit von großem Wert, vorausgesetzt sie stehen in konstanter Übereinstimmung mit den Hirten, ohne sich abzusondem oder zu verschließen, damit die verschiedenen Charismen effektiv zum Aufbau der gesamten kirchlichen Gemeinschaft beitragen können. Zu diesem Zweck ist eine wirksame Pastoral der Kultur und der sozialen Kommunikation unerlässlich: Mit Freude beobachte ich den regen Einsatz eurer Diözesen auch auf diesem Sektor. Eure Aufgabe ist vor allem die Förderung dieses Interesses und die Gewährleistung inhaltlicher Qualität. Auf diesem der Kreativität offenen Gebiet wird der Vergleich und Austausch von Erfahrungen mit anderen europäischen Ländern, im Rahmen eines konstruktiven und zweifellos für alle vorteilhaften Dialogs, ganz besonders interessant und nützlich sein. 5. Ein weiteres großes Aktionsfeld ist die Familienpastoral: Dieser absolut vorrangige Bereich muss wiederholt in den Mittelpunkt eurer Aufmerksamkeit gestellt werden. Ohne eine ernsthafte und organische Arbeit mit den Familien verlieren im heutigen kulturellen Kontext auch die Berufungs- und Jugendpastoral im weiteren Sinne unweigerlich an Kraft. Aus Erfahrung wisst ihr, dass fromme Familien in den dunklen Jahren der Verfolgung ein Bollwerk des Glaubens waren, und so wie Gold im Schmelztiegel entstanden in dieser Umgebung des gelebten und geprüften Glaubens auf ganz natürliche Art und Weise die Berufungen. Daher möchte ich meine Anerkennung für die zahlreichen Initiativen zur Förderung der Familie zum Ausdruck bringen, denn sie ist es, die die geeigneten Voraussetzungen für die Erziehung der Jugendlichen und die Berufungen schafft. Ein gutes, den Familien zur Verfügung stehendes Bildungsnetz, das von der Pfarrgemeinde ausgehend und mit Hilfe von Bewegungen und Vereinigungen versucht, die Familien selbst zu einer zwar diskreten, aber wirksamen Präsenz überall dort zu animieren, wo Menschen leben und leiden, scheint auch die angemessene Antwort auf die Proselytenmacherei der Sekten und jene hedonistische und permissive Mentalität zu sein, welche die Fruchtbarkeit des christlichen Lebens von Grund auf gefährdet. 1007 AD-LIMINA-BESUCHE Als unerlässlicher Dienst an der Familie muss auch die Einrichtung, Verteidigung und Förderung von katholischen Schulen betrachtet werden. Wie die Erfahrung weitgehend bestätigt, leisten sie auch in kultureller Hinsicht einen wertvollen Beitrag für die Nation. Daher bestärke ich euch, diese Schulen zu unterstützen und gleichzeitig für die Förderung des Religionsunterrichts in staatlichen Schulen zu sorgen, denn darin besteht ein grundlegendes Recht der Jugendlichen und ihrer Eltern. In diesem Zusammenhang möchte ich auch meine Anerkennung ausdrücken für eure Bemühungen zur Aufrechterhaltung der von Loyalität und Kooperation geprägten Beziehungen zu den staatlichen Obrigkeiten. Auf diese Weise wird es möglich sein, optimale Antworten auf die verschiedenen noch offenen Fragen zu finden, die sowohl im Interesse der Kirche als auch des Staates eine angemessene Lösung erfordern. 6. Nun, hebe Brüder, möchte ich mich unmittelbar an euch wenden und ein ganz persönliches Wort des Dankes und der Anerkennung für die hochherzige pastorale Arbeit an euch richten und euch vor allem sagen: Habt Mut, der Herr ist mit euch! Je schwerer die Last und je größer die persönlichen oder umgebungsbedingten Schwierigkeiten, um so mehr könnt ihr auf die besondere Gegenwart Christi, des Guten Hirten, zählen, der euch zu einer engeren Gleichgestaltung mit ihm im Glauben und in der Gnade eures Standes aufruft. Steht denjenigen zur Seite, die die Vorsehung auch weiterhin unter eurer Bevölkerung für das Priesteramt auserwählt. Hört ihnen zu, unterstützt, schätzt und lenkt sie, ermahnt sie, wenn notwendig, aber stets mit Weisheit und vor allem mit väterlicher Liebe. Seid für sie Lehrer der Erkenntnis, damit sie ihrerseits die ihnen anvertrauten Gemeinden zur Erkenntnis führen und sie lehren können, das zu befolgen, was der Geist zur Festigung des Glaubens und zur Erhaltung jenes geistigen Klimas eingibt, das die tschechischen Familien insbesondere zur Zeit der atheistischen Unterdrückung ausgezeichnet hat. Möge die Kirche als Zeugin ihres Glaubens an Christus in eurem Land ein Aufblühen von Charismen und Initiativen erleben, die auf der Schwelle des neuen Jahrtausends dank eures Hirtenamtes reiche Früchte christlichen Lebens hervorbringen werden. Mit diesen Wünschen vertraue ich euch der jungfräulichen Gottesmutter Maria an, die euer Volk in zahlreichen Heiligtümern überall in der Tschechischen Republik zutiefst verehrt. Möge sie für euch jene Gnaden erwirken, die euren Herzen am nächsten stehen, und euch in eurem priesterlichen Dienst stets unterstützen. Möge auch mein Segen euch begleiten, den ich nun jedem von euch und euren Diözesen von Herzen erteile. Castel Gandolfo, 14. September 1998 1008 AD-LIMINA-BESUCHE Bischöfe sollten als Zeugen und Lehrer die Wahrheit verkünden Ansprache beim Ad-limina-Besuch der amerikanischen Bischöfe der Region New York am 27. Februar Eure Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Am Beginn dieser Reihe von Ad-limina-Besuchen der Oberhirten der Kirche in den Vereinigten Staaten heiße ich euch, die erste Gruppe von Bischöfen aus der Seelsorgeregion New York, herzlich willkommen und begrüße alle Mitglieder der Bischofskonferenz von Herzen. Mein erster Gedanke bei der Begegnung mit euch gilt dem aufrichtigem Lob Gottes für die katholische Gemeinschaft in eurem Land, weil ihr immer mehr danach strebt, dem Herrn in Liebe und Treue untertan zusein (vgl. Eph 5,24), und voraneilt, euch auf die Prüfungen dieser Welt und den Trost Gottes einlassend und das Kreuz der Erlösung und den Tod des Herrn bis zu seiner Wiederkunft verkündend (vgl. 1 Kor 11,26). Mein besonderer Dank gilt euch und euren Mitbrüdem im Bischofsamt für die geistliche Freundschaft und die Gemeinschaft in Glaube und Liebe, die uns im Dienst des Evangeliums eint. Ich danke euch für all euer Tun, mit dem ihr auf die unterschiedlichste Art und Weise meine pastorale Sorge für die universale Kirche teilt. Alle Jahre meines Pontifikats hindurch hatte ich unzählige Gelegenheiten, die für die Katholiken der Vereinigten Staaten so charakteristische Liebe und Solidarität gegenüber dem Nachfolger des hl. Petrus zu erfahren. In diesem dem Heiligen Geist gewidmeten Jahr der Vorbereitung auf das Große Jubiläum bete ich, dass „der Herr, der Spender des Lebens“, die Kirche in den Vereinigten Staaten mit dem Geschenk seiner Kraft und seines Trostes belohne. 2. Das Jubiläum ruft uns auf, des Segens feierlich zu gedenken, den der Vater über uns ausgegossen hat in Jesus Christus, dem Herrn der Geschichte und dem „obersten Hirten“ unserer Seelen (vgl. 1 Petr 5,4). Befreit von der Sünde und gewaschen im Blut des Lammes, sind wir wahrhaft zu Kindern Gottes geworden, die sich in absolutem Vertrauen an ihn wenden können: denn wir wissen, dass er uns liebt und uns niemals verlassen wird. Obwohl uns unser geistliches Amt ständig an die Leiden von so vielen unserer Mitmenschen erinnert - besonders der Armen und jener, die für ihren Glauben an Christus verfolgt werden vertrauen wir darauf, dass Gott im Anbruch des dritten Jalrrtausends für die Christenheit einen großartigen Frühling vorbereitet (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). Durch die Menschwerdung des Gottessohnes ist die Ewigkeit in die Zeit eingetreten. Die Zeit selbst ist zu dem dramatischen Schauplatz geworden, wo sich die Heilsgeschichte entfaltet; so sind diese Jahrestage und Jubiläen zu einer Zeit der Gnade - zu einem „vom Herrn gesegneten Tag“, zu „einem Jahr des Herrn“ ge- 1009 ,4 D-UMINA-BESUCHE worden (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 32). Das Große Jubiläum im Jahr 2000 wird eine Zeit einzigartigen Segens für die Kirche und die Welt werden, eine Gnade, die bereits von jenem außerordentlichen kirchlichen Ereignis in jüngerer Zeit, dem Zweiten Vatikanischen Konzil, vorbereitet wurde, dessen Früchte noch ihrer vollen Reife entgegen wachsen. Da die Konzilstexte den fundamentalen Bezugspunkt für das Verständnis darstellen, das die Kirche von sich selbst und von ihrer Sendung in dieser Epoche hat, ist es angemessen, dass wir bei unserer Vorbereitung für das Jubiläum uns ernsthaft damit auseinandersetzen, wie wir als Bischöfe die inhaltsreichen Lehrdokumente, die von den Konzilsvätem sorgfältig erarbeitet wurden, aufgenommen und umgesetzt haben (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 36). In meinen diesjährigen Begegnungen mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten schlage ich vor, über bestimmte Themen des Konzils nachzudenken in dem Bemühen, zu erkennen, wie wir am besten sicherstellen können, dass all das, was Gott für die Kirche wünscht, Wirklichkeit wird. 3. Was ist die größte Herausforderung für uns als Bischöfe der Kirche? Was ist das stärkste innere Bedürfnis unserer Zeitgenossen? Die Männer und Frauen von heute, wie die zu jeder Zeit und an jedem Ort, sehnen sich nach Erlösung. Sie wünschen die Wahrheit der Herrschaft Gottes über die Schöpfung und die Geschichte wieder zu entdecken, seiner Selbstoffenbarung zu begegnen und seine barmherzige Liebe in allen Bereichen ihres Lebens zu erfahren. Die großartige Wahrheit, die diesem wie jedem Zeitalter verkündet werden muss, ist, dass Gott in die Geschichte des Menschen eingetreten ist, so dass Männer und Frauen wahrhaft Kinder Gottes werden können. Die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung, Dei Verbum, ruft uns deutlich in Erinnerung, dass die Wahrheit, die wir verkünden, keine menschliche Weisheit ist, sondern ausschließlich von der Selbstoffenbarung Gottes abhängt: „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun: daß [...] die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur“ {Dei Verbum, Nr. 2). Dies ist der Kem der christlichen Botschaft und die wesentliche Wahrheit, die wir Bischöfe verkünden müssen, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2). Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich folgende Frage aufgeworfen: „Ist das Wort Gottes in vollem Ausmaß zur Seele der Theologie und Inspiration des ganzen christlichen Daseins geworden, wie es Dei Verbum forderte?“ (Nr. 36). Von jedem, besonders aber von den Bischöfen verlangt die Treue gegenüber dem geoffenbarten Wort eine Haltung aufmerksamer, betender Aufnahmebereitschaft. Das erfordert, dass wir bereit sind, in unserer Begegnung uns durch sein lebendiges Wort erneuern und umwandeln zu lassen. Dann werden wir imstande sein, den Gläubigen zu helfen, die Heilige Schrift als ein Geschenk zu verstehen, das wir in der Kirche empfangen. Sie ist nicht bloß ein „Text“, den es zu analysieren gilt; sie ist vor allem eine Einladung zur Gemeinschaft mit dem 1010 AD-LIMINA-BES U CHE Herrn. Sie muss gelesen und aufgenommen werden in einem Geist, der für diese Einladung offen ist. Das bedeutet nicht, unkritisch an die Schrift heranzugehen, sondern es führt zu einer kritischen Haltung gegenüber Interpretationen, die, von sterilem Rationalismus geleitet oder unter dem Druck einer verbreiteten Geisteshaltung, die biblische Wahrheit beeinträchtigen. Diese Ansätze verschließen das Ohr vor dem Ruf Gottes und nehmen dem heiligen Text seine rettende Kraft (vgl. Rom 1,16). Der hl. Paulus dankt Gott für jene, die die Heilige Schrift als das angenommen haben, was sie wirklich ist: das Wort Gottes, der in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt (vgl. 1 Thess 4,13). Anerkennung muss den vielen hervorragenden katholischen Exegeten und Theologen der Vereinigten Staaten gezollt werden, die unermüdlich den Christen helfen, in den Texten deutlicher das Wort Gottes zu erfassen, „um es besser aufzunehmen und im Vollmaß in Gemeinschaft mit Gott zu leben“ {Ansprache über die Interpretation der Bibel in der Kirche, 23. April 1993, Nr. 9). Diese wichtige Arbeit wird die Früchte tragen, die das Konzil angestrebt hat, wenn sie von einem tiefen geistlichen Leben in der Glaubensgemeinschaft getragen wird. Nur die ,Hiebe, aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1 Tim 1,5), ermöglicht uns, die Sprache Gottes zu verstehen, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8). 4. Wenn die Neuevangelisierung wirksam sein soll, müssen unsere Katecheten die volle Wahrheit des Evangeliums vermitteln, denn diese Fülle der Wahrheit ist die eigentliche Quelle unserer Fähigkeit, mit Autorität zu lehren: eine Autorität, die die Gläubigen leicht anerkennen, wenn wir das Wesentliche ansprechen und das weitergeben, was wir empfangen haben (vgl. 1 Kor 15,3). Unser Lehramt „ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört [,pie audit‘], heilig bewahrt [,sancte custodit1] und treu auslegt [,fideliter exponit*]“ {Dei Verbum, Nr. 10). Das Predigt- und Lehramt sollte die gesamte Glaubensgemeinschaft die Schrift und Tradition erkennen und lieben lehren; beide zusammen führen uns zum Verstehen der Heilsgegenwart Gottes in der Geschichte und zeigen den Weg zu wirklicher Gemeinschaft des Lebens mit ihm. So wird die gesamte Kirche tiefer des Geheimnisses der Erlösung innewerden und die menschliche Geschichte als einen Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch erkennen, an dem die Gemeinschaft mit Gott angeboten, empfangen und aufgebaut wird. 5. Die Botschaft des Evangeliums bleibt immer dieselbe, doch wir verkünden sie in einer Kultur, die stetigen Veränderungen unterworfen ist. Wir müssen über die Dynamik der heutigen Kultur nachdenken, um die Zeichen der Zeit zu erkennen, die die Verkündigung der Heilsbotschaft Christi beeinflussen. Einerseits sehen wir überall den Wunsch der Menschen, frei und glücklich zu sein, was Ausdruck eines tiefen geistlichen Hungers ist. Die Menschen versuchen diesen Hunger auf vielfache Art und Weise zu stillen; aber das Versagen vieler Lösungsangebote, seien es 1011 AD-LIMINA-BES U CHE Philosophien, Ideologien oder Moden, hat zu großem Unbehagen im zeitgenössischen Denken, wenn nicht sogar zu Hoffnungslosigkeit geführt. Unsere Zeit wird häufig eine Zeit der Unsicherheit genannt. Wenn diese Unsicherheit zu einem Prinzip erhoben wird, durch das die Möglichkeit, die Wahrheit der Dinge zu erkennen, bestritten wird, dann beeinflusst sie bei den Menschen das sittliche Leben, das Gebetsleben und die theologische Zuverlässigkeit des Glaubens (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 36). Anderseits sind sich viele Menschen immer mehr bewusst, dass zur Gestaltung freier, gerechter und wohlhabender Gesellschaften, und damit zur Schaffung der Voraussetzungen für die Erfüllung der tiefsten und edelsten Bestrebungen der Menschen, die Geisteshaltung, in der sie miteinander sprechen und handeln, mit bestimmten Grundwahrheiten über den Menschen als Person übereinstimmen muss. Mein letzter Besuch in eurem Land war 1995 anlässlich der Feierlichkeiten zum fünfzigsten Jahrestag der Vereinten Nationen. Bei der Generalversammlung habe ich die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass der immer stärker werdende Drang des Menschen nach Freiheit in jedem Teil der Welt eine der wirksamsten Kräfte der modernen Geschichte ist. Diese Dynamik zeigt sich deutlich in der Forderung der Völker der Welt nach vollem Mitspracherecht bei den sie betreffenden politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, von denen sie betroffen sind (vgl. Ansprache bei der fünfzigsten Generalversammlung der Vereinten Nationen, 5. Oktober 1995, Nr. 2). Können wir im Verlauf der Geschichte nicht feststellen, dass sich allmählich bestimmte Wahrheiten des Evangeliums durchsetzen: wie die Menschenwürde, die größere Achtung der Menschenrechte, eine überfällige Anerkennung, dass die Frau die gleiche Menschenwürde hat, die Ablehnung von Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung? 6. Aber das Sich durchsetzen bestimmter moralischer Werte ist noch nicht die Verkündigung Jesu Christi, des einen Mittlers zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1 Tim 2,5). Unser Zeitalter hat es nötig, die geoffenbarte Wahrheit über Gott, über den Menschen und über seine Bestimmung zu hören. Es ist der rechte Zeitpunkt für das Kerygma. Die pastorale Herausforderung des Großen Jubiläums besteht darin, mit erneuter Kraft zu verkünden: Jesus Christus ist der einzige Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). Und die katholische Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten ist aufgerufen, das in einem kulturellen Klima zu tun, dessen wirkmächtige Elemente zum großen Teil die Existenz einer objektiven, absoluten Wahrheit bezweifeln und schon die Idee autoritativen Leh-rens ablehnen. Die Herausforderung eines radikalen Skeptizismus kann zu der Vermutung führen, die Kirche nähme eine Randposition im heutigen Leben ein. Diese Annahme kann dann ihrerseits zu der Meinung führen, dass der katholische Glaube und das Christentum als Ganzes lediglich eine unter vielen Formen der allgemeinen menschlichen Gegebenheiten sei, die man Religion nennt. Dies ist nicht die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils, das entschieden die zentrale Stellung Jesu Christi für die menschliche Geschichte verkündete und 1012 AD-LIMINA-BES U CHE die wesentliche Sendung der Kirche, das Evangelium allen Nationen zu predigen: „Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden“ (Apg 4,12). Die Kirche ist mit einem Angebot in die Welt gesandt; und das Angebot des Evangeliums, das wir vorlegen, besteht darin, durch das Evangelium der Welt in angemessenster Weise und mit einem Höchstmaß an Wahrheit ihre Geschichte und ihre Bestrebungen verständlich zu machen. Wenn dies die Wahrheit ist, die wir verkünden, dann befindet sich die Kirche niemals am Rande, auch wenn sie in den Augen der Welt schwach erscheint. Gegenüber einer Moderne, die es nicht mehr vermag, den hohen Anspruch zu erfüllen, den sie realisieren wollte - die vollkommene Befreiung des Menschen, jeden Mannes und jeder Frau -, ist die Kirche nach wie vor eine Zeugin der vollen Bedeutung menschlicher Freiheit. Ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Freiheit bricht an; daher ist es notwendig, dass die Kirche, besonders durch ihre Hirten, lehrt und bekräftigt, dass „die befreienden Möglichkeiten der Wissenschaft und der Technik, der Arbeit und der Wirtschaft sowie der Politik nur dann ihre Früchte bringen werden, wenn sie ihre Inspiration und ihren Maßstab aus der von Jesus Christus den Menschen geoffenbarten Wahrheit und Liebe nehmen, die stärker ist als das Leid.“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion fiir christliche Freiheit und Befreiung, 22. März 1986, Nr. 24). Die Herausforderung ist gewaltig, aber es ist an der Zeit. Denn andere kulturprägende Kräfte sind erschöpft, nicht überzeugend, oder es fehlt ihnen an geistiger Kraft, um das menschliche Sehnen nach echter Freiheit zufrieden zu stellen -selbst wenn diese Kräfte es besonders durch die Medien schaffen, eine starke Anziehungskraft auszuüben. Das große Verdienst des Konzils ist es, die Kirche in die Position gerückt zu haben, die Aufmerksamkeit der Moderne auf die Wahrheit über den Menschen zu lenken, die uns durch Jesus Christus gegeben wurde. Er ist die Antwort auf die Frage, die jedes menschliche Leben darstellt. Die Aufgabe eines Bischofs ist keine andere als diese: als zuverlässiger Zeuge und beherzter Lehrer die Wahrheit zu verkünden, die den Menschen freimacht (vgl. Joh 8,42). 7. Liebe Brüder im Bischofsamt; Beim Letzten Abendmahl forderte Jesus seine Jünger auf und ermutigte sie: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Wir wissen, dass der Heilige Geist inmitten der Kirche wohnt und die Gläubigen zu einem immer tieferen Verständnis des Wortes Gottes führt. Denn Christus sagte zu seinen Jüngern, der Heilige Geist „wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Möge der Heilige Geist euch immer bei der Erfüllung der Aufgaben beistehen, die das Konzil vor allem den Hirten der Kirche übertragen hat: den Männern und Frauen von heute die Wahrheit und Gnade Christi zu übermitteln (vgl. Ad gentes, Nr. 2; Redemptoris missio, Nr. 1). Der Fürsprache der Gottesmutter Maria, Mutter der Kirche und Patronin der Vereinigten Staaten, empfehle ich die Freuden und Probleme, die mit eurem Amt verbunden sind, sowie die Bedürfnisse und Hoffnungen 1013 AD-LIMINA -BES U CHE eurer Ortskirchen und der gesamten katholischen Gemeinschaft in eurem Land. Jedem von euch sowie allen Priestern, Ordensleuten und Laien in euren Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zusammenarbeit von lateinischen und orientalischen Bischöfen in der Kirche Amerikas Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Pennsylvania und New Jersey (USA) am 12. März Lieber Kardinal Bevilacqua, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ {Röm 1,7). Im Rahmen dieser Reihe von Ad-limina-Besuchen der Bischöfe aus den Vereinigten Staaten heiße ich euch, die Bischöfe von Pennsylvania und New Jersey, herzlich willkommen. Das Ergebnis unserer Gebete und Begegnungen vertraue ich der Gnade des Heiligen Geistes an. „Dieser Geist hat durch die Jahrhunderte hin aus dem Schatz der Erlösung Christi geschöpft, indem er den Menschen das neue Leben gibt“ (Dominum et vivificantem, Nr. 53). Dieser Geist bereitet die Kirche nun auf das Große Jubiläum vor, eine Zeit, um erneut den Ruf zu hören und immer bereitwilliger zu befolgen, der uns mahnt, unsere Herzen dem Evangelium zu öffnen, seine Heilsbotschaft anzunehmen und durch sie unser Leben zu wandeln. Auf der Schwelle des Jubeljahres haben die Hirten des Gottesvolkes erneut Gelegenheit, den Menschen von heute bewusst zu machen, dass Gott tatsächlich zu uns gekommen ist und dass das Evangelium „eine Kraft Gottes ist, die jeden rettet, der glaubt“ (vgl. Röm 1,16). Lasst uns beten, dass der Heilige Geist uns in der „Stunde“, in der wir leben, und im Hinblick auf die Möglichkeiten und Verantwortungen dieser „Stunde“ für die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft weiterhin erleuchten möge. 2. Wie ich bereits gegenüber der ersten Gruppe amerikanischer Bischöfe betonte, wird die Aufnahme der Lehren des II. Vatikanums und die vom Konzil angestrebte Erneuerung der Kirche die Richtschnur unserer Reflexionen bei diesen Ad-limina-Besuchen sein. Heute haben viele Katholiken keine persönlichen Erinnerungen an das Konzil. Aber diejenigen unter uns, die Gelegenheit hatten, an diesem Ereignis feilzunehmen, erlebten es als eine Zeit außerordentlicher geistlicher Dynamik und des Wachstums. Das Konzil brachte uns auf unmittelbare und greifbare Art und Weise mit dem über neunzehn Jahrhunderte gewachsenen Reichtum der Heiligkeit, der Lehre und des Dienstes an der Menschenfamilie in Berührung; es zeigte uns die Einheit und die Verschiedenheit der katholischen Gemeinschaft in aller Welt; es lehrte uns Offenheit gegenüber unseren christlichen Brüdern und 1014 AD-LIMINA-BES UCHE Schwestern, gegenüber den Anhängern anderer Religionen, Offenheit für die Freuden und Hoffnungen, für das Leid und die Sorgen der Menschheit. Durch die außerordentliche Gnade des Konzils wollte Gott in seiner Vorsehung die Kirche offensichtlich auf einen neuen Frühling des Evangeliums, auf den Anbruch des neuen christlichen Jahrtausends vorbereiten. Unter den uns vom Konzil hinterlassenen Lehren hatte keine so tiefgreifenden Einfluss auf die katholische Gemeinschaft als Ganzes und auf unser Leben als Priester und Bischöfe wie die Reflexion der Kirche über sich selbst, ad intra und ad extra, in der dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium und in der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes. Wie tief ist die Sichtweise des Konzils über die Kirche in das Leben unserer christlichen Gemeinden eingedrungen? Was muss getan werden, damit die gesamte Kirche in einem klareren Bewusstsein ihres eigenen Mysteriums, mit vollerem Vertrauen auf ihre einzigartige Bedeutung für die Menschenfamilie und mit eifrigem Einsatz für ihre Sendung in das kommende Jahrtausend eintritt? 3. Als Bischöfe sind wir unbedingt dafür verantwortlich, dem Volk Gottes beim Verstehen und Anerkennen des tiefen Mysteriums der Kirche zu helfen, sie vor allem als Gemeinschaft zu sehen, in der wir dem lebendigen Gott und seiner barmherzigen Liebe begegnen. Es muss unser pastorales Ziel sein, den Menschen auf intensivere Art und Weise bewusst zu machen, dass Gott, der seinem eigenen Zeitplan entsprechend in die Geschichte eingreift, in der „Fülle der Zeit“ seinen von einer Frau geborenen Sohn zur Erlösung der Welt sandte (vgl. Gal 4,4). Das ist die wesentliche Wahrheit der Menschheitsgeschichte: Die Geschichte unserer Erlösung ist mit der Geschichte der Welt verflochten und macht sie zu einer von der Gegenwart Gottes erfüllten Geschichte, durchsetzt mit Ereignissen von größter Bedeutung für das von Gott berufene Volk. Das Erlösungswerk des Sohnes wird in der Kirche und durch die Kirche fortgesetzt. Von Anfang an hatte Gott beschlossen, „die aber an Christus glaubten ... in der heiligen Kirche zusammenzurufen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 2). In diesem transzendenten, theologischen Sinn ist die Kirche das Ziel aller Dinge: denn Gott erschuf die Welt, um seine eigene unendliche Güte zu vermitteln und seine geliebten Geschöpfe am göttlichen Leben teilhaben zu lassen, eine Teilhabe, die durch die „Versammlung“ aller in Christus zustande kommt. Diese „Versammlung“ ist die Kirche (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 760). „Wie der Wille Gottes Schöpfung ist und ,Welt‘ genannt wird, so ist sein Wille auch die Errettung der Menschen, die man ,Kirche““ nennt (vgl. Clemens von Alexandrien, Paedagogus, 6,27). 4. Die grundlegende Wahrheit über die Kirche, die die Konzilsväter hervorheben wollten, besagt, dass „die Kirche das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi“ ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 3). Die Jünger Christi sind „in der Welt“, ohne „von der Welt“ zu sein (Joh 17,16); somit sind sie offensichtlich von wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Vorgängen betroffen, die für 1015 AD-LIMINA-BES U CHE das Leben und Handeln von Menschen und Gesellschaften entscheidend sind. So passt die Kirche sich auf ihrer Pilgerschaft durch die Geschichte den sich wandelnden Umständen an, obwohl sie dennoch stets dieselbe bleibt, ihrem Herrn, seinem Evangelium und dem treu ergeben, was unter der Eingebung des Heiligen Geistes „weitergegeben“ wurde. In der nachkonziliaren Zeit waren wir berufen, dem Volk Gottes inmitten von grundlegenden gesellschaftlichen Wandlungen zu dienen. Der rasche Umschwung, der die letzten dreißig Jahre seit dem Konzil kennzeichnete, und die Tendenz westlicher Kulturen, Glaubensangelegenheiten in die Privatsphäre zu verdrängen, hat es Katholiken verschiedentlich erschwert, die Lehre des Konzils über das einzigartige Wesen und die Sendung der Kirche „anzunehmen“. Die kulturelle Geschichte der Vereinigten Staaten hatte in den vergangenen Jahrzehnten einen ganz besonders starken Einfluss auf die Einstellung der Katholiken zur Kirche. Notwendigerweise muss jeder daran erinnert werden, dass, gerade weil sie ein ,Mysterium“ ist, die Realität der Kirche nie vollkommen von soziologischen oder politischen Kategorien oder Analysen erfasst werden kann. Dem Beispiel Papst Pius XII. in seiner Enzyklika Mystici Corporis folgend und nach einer Zeit, in der die Ekklesiologie sich in erster Linie mit der Kirche als Institution beschäftigte, förderte das II. Vatikanische Konzil die Anerkennung der Kirche als Sakrament der Vereinigung mit dem lebendigen Christus. Als Seelenhirten müssen wir uns fragen, in welchem Maße der Aufruf in Lumen Gentium nach einem tieferen Verständnis des inneren Mysteriums der Kirche angenommen worden ist. Oder sind die Katholiken gelegentlich den in der modernen westlichen Kultur weitverbreiteten Versuchungen erlegen, die Kirche in überwiegend politischer Hinsicht zu beurteilen? Sicherlich hatte das Konzil nicht die Absicht, die Kirche zu „politisieren“, so dass jedes Argument der Gefahr einer politischen Prägung ausgesetzt war. Im Gegenteil, mit dem Ziel, durch ein gemeinschaftliches Erleben der Kirche unseren Glauben zu erweitern und zu vertiefen, beschrieben die Konzilsväter die Kirche anhand jener in Abschnitt 5 und 6 von Lumen Gentium angeführten wunderbaren Reihe biblischer Bilder, anstatt durch die bekannten institutioneilen Kategorien. Nun, über dreißig Jahre nach Lumen Gentium und Gaudium et spes, haben wir genügend Überblick, um sagen zu können, dass trotz der zahlreichen Erfolge des Konzils und der überall ersichtlichen Anzeichen neuer Glaubensfestigkeit, neuer Heiligkeit und einer neuen Liebe zur Kirche dennoch verschiedentlich Tendenzen zu einem verkürzten Verständnis der Kirche zu beobachten sind. Als Folge davon haben unangemessene Ekklesiologien, grundverschieden von dem, was das Konzil und die auf ihm begründete Lehre dargelegt hatten, in die theologische und kate-chetische Arbeit Eingang gefunden. In der pastoralen Praxis sind sie seitens einiger Sektoren des Katholizismus zur Grundlage einer mehr oder weniger horizontalen und soziologischen Sichtweise kirchlicher Realitäten geworden. Daher müs- 1016 AD-LIMINA -BESU CHE sen wir unsere Bemühungen, die reichhaltige Ekklesiologie des Konzils zu lehren, neu überprüfen. 5. Wir können nur dann wirklich schätzen, was die Kirche ist, wenn wir verstehen, dass jeder Aspekt ihres Wesens von jener neuen Beziehung, jenem neuen Bund geprägt ist, den Gott zwischen sich und den Menschen durch das Kreuz Christi geschlossen hat. Das uns umgebende Mysterium ist ein Mysterium der Gemeinschaft, eine durch die Gnade bewirkte Teilhabe am Leben des Vaters, die uns durch Christus im Heiligen Geist geschenkt wird. Nie sollten wir aufhören, über die Berufung zur Teilhabe an dieser innigen Lebens- und Liebesbeziehung mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit nachzudenken. Das erste Ziel unseres Dienstamtes ist es, andere in diese Gemeinschaft einzuschließen, die nicht unser Werk ist. Wir müssen den Gläubigen verständlich machen, dass wir nicht einfach durch eine unserem Geschmack entsprechende persönliche Entscheidung in die Gemeinschaft mit Gott kommen. Wir schließen uns der Kirche nicht so an wie einer beliebigen Vereinigung. Wir werden vielmehr durch die Taufgnade und die volle Teilnahme an allem, was die gott-menschliche Realität der Kirche darstellt, in den Leib Christi eingegliedert. Die Gemeinschaft der Nachfolger Christi ist somit vor allem eine geistige Solidarität, die „communio sanctorum“. Wir sind das pilgernde Volk Gottes, auf der Pilgerschaft zu unserem himmlischen Ziel, unterstützt von der Fürsprache Marias und der Heiligen, die uns vorausgegangen sind. Der Kirche gehören auch jene an, die schon Gott schauen, wie er ist, und diejenigen, die gestorben sind und nun geläutert werden. Vielleicht waren wir uns in den letzten Jahren dieser Dimension der kirchlichen Natur nur in geringem Maße bewusst. Der engen Beziehung zwischen der Kirche auf Erden und der Kirche im Himmel muss mehr Beachtung geschenkt werden. Sind sich die jüngeren Katholiken der Wirklichkeit Marias und der Heiligen in ausreichendem Maße bewusst? Bestärkt das Beispiel und die Fürsprache Marias und der Heiligen unser Volk in seiner universalen Berufung zur Heiligkeit? Verstehen wir die Liturgie der Kirche als Teilnahme an der himmlischen Liturgie? Würde die Erneuerung dieses Bewusstseins zu einem intensiveren Besuch der sonntäglichen Messfeier beitragen? 6. Die Kirche in den Vereinigten Staaten ist durch vielerlei Ausdrucksformen des Glaubens bereichert worden, die kennzeichnend sind für ein Volk von unterschiedlichem ethnischen Ursprung. Diese Mannigfaltigkeit zeigt, dass die Kirche im wahrsten Sinn katholisch ist, denn sie umfasst alle Völker und Kulturen. Dennoch bleibt die Kirche mit all ihren verschiedenen Gliedern der eine Leib Christi. Die Verschiedenheit der Kirche muss der Einheit des einen Glaubens, der einen Taufe (vgl. Eph 4,5) dienen, denn „wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt! So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (vgl. Eph 4,15-16). Die Achtung 1017 AD-L1M1NA-BES U CHE einerbestimmten Kultur und Tradition muss stets von der Treue zu jener grundlegenden Wahrheit des Evangeliums begleitet werden, die uns die kirchliche Lehre überliefert hat. Eine besonders reiche Form der den Leib Christi aufbauenden Verschiedenheit kennzeichnet die Ostkirchen, die vielerorts in eurem Land neben der lateinischen Kirche bestehen. Mit ganz besonderer Freude begrüße ich die an diesem Ad-li-mina-Besuch teilnehmenden Erzeparchen und Eparchen. Die in den Vereinigten Staaten lebenden Katholiken der Ostkirchen sind eine natürliche Verbindung zwischen Ost und West. Einerseits geben sie durch ihre direkte Erfahrung Aufschluss über den christlichen Osten, und andererseits tragen sie durch das Zeugnis ihrer westlichen Erfahrungen und durch die geistige und materielle Unterstützung der Menschen ihrer Heimat zur Entwicklung der orientalischen Kirchen in ihren Ursprungsländern bei. Für die Erfüllung dieser zweifachen Aufgabe ist es von grundlegender Bedeutung, dass sie das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu ihrer jeweiligen besonderen kirchlichen Tradition aufrechterhalten und festigen und die Anweisungen in den von der Kongregation für die Orientalischen Kirchen herausgegebenen Richtlinien flir die Anwendung der liturgischen Normen nach orientalischem Kirchenrecht achten. Die Hirten der Ostkirchen stehen vor neuen, großen Herausforderungen; ihre Aufgabe ist es, für die optimale Eingliederung der erst seit kurzer Zeit in den Vereinigten Staaten lebenden Gläubigen in ihre jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften zu sorgen. Große Aufmerksamkeit erfordert auch die Lösung der Probleme, die durch die Zerstreuung von Gläubigen entstehen, die häufig jene Gebiete verlassen, in denen ihre Gemeinden traditionsgemäß vertreten sind und in denen ihre kirchliche Identität leichter zu erhalten war, um in anderen Teilen des Landes zu leben. Diese Aspekte unterstreichen die absolute Dringlichkeit enger Zusammenarbeit zwischen lateinischen und orientalischen Bischöfen zum Schutz und zur Gewährleistung jener legitimen Verschiedenheit, die den Reichtum der Weltkirche darstellt. Ich bestärke meine bischöflichen Mitbrüder nach lateinischem Ritus, für eingehendere Kenntnis und Wertschätzung des orientalischen Erbes zu sorgen, das ein wesentlicher Teil der katholischen Glaubensäußerung ist. Auf diese Weise werden alle Gläubigen ein besseres Verständnis der christlichen Erfahrung haben, und die katholische Gemeinde wird in der Lage sein, eine vollständigere christliche Antwort auf die Erwartungen der Menschen von heute zu geben (vgl. Orientale lumen, Nr. 5). 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, während wir erwartungsvoll dem Großen Jubeljahr 2000 entgegensehen, hoffe ich, dass die Priester, Diakone, Ordensleute und Laien eurer Diözesen in ihrer Liebe zur Kirche wachsen und zu immer tieferer Einheit mit Christus, dem Bräutigam, kommen. Der wichtigste Aspekt unserer Vorbereitungen für die Feier des Jahres 2000 nach der Menschwerdung Christi ist unsere Antwort auf die Berufung zu jener Heiligkeit, „ohne die keiner den Herrn sehen wird“ (Hebr 12,14). Nur durch die Gnade des Heiligen Geistes kann das 1018 AD-LIMINA-BES U CHE Volk Gottes durch sein unermüdliches und mutiges Zeugnis der Wahrheit die Gesellschaft wirklich herausfordem. Indem ich euch und all jene, deren Diener ihr seid, der mütterlichen Fürsorge Marias anvertraue, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Verkündigung der Verbundenheit des Menschen mit seinem Schöpfer Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Baltimore, Washington, Atlanta und Miami (USA) am 17. März Lieber Kardinal Hickey, lieber Kardinal Keeler, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Von ganzem Herzen grüße ich euch, die Hirten der Kirchenprovinzen von Baltimore, Washington, Atlanta und Miami. Euer Ad-limina-Besuch ist ein Moment der Gnade, eine Gelegenheit zum Gebet an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, die die Frohbotschaft der Erlösung ohne Furcht verkündeten und schließlich ihr Leben für sie hingegeben haben. Wenn ihr ihnen euren pastoralen Auftrag anvertraut, die Verkündigung „des unergründlichen Reichtums Christi“ und die Enthüllung Jenes Geheimnisses, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war“ (vgl. Eph 3,8-9), könnt ihr sicher sein, eure Aufgabe nicht allein tragen zu müssen; der Herr gibt euch die Kraft und die Mittel, die ihr für die Verwirklichung seines Auftrags braucht: „[...] verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Bei den Begegnungen mit den ersten beiden Gruppen amerikanischer Bischöfe haben wir gemeinsam darüber nachgedacht, wie euer Land jene große Gnade aufgenommen hat, die uns durch das Zweite Vatikanische Konzil zuteilgeworden ist. Bei diesen Reflexionen habe ich zwei wesentliche Elemente eures bischöflichen Amtes im kulturellen Kontext der Vereinigten Staaten hervorgehoben. Erstens gibt die von uns verkündete Botschaft die Weisheit Gottes, nicht die unsere, wieder; jeder Aspekt des kirchlichen Lebens muss „der Wahrheit entsprechen, die dir durch die Kraft des Heiligen Geistes anvertraut ist, der in uns wohnt“ (vgl. 2 Tim 1,14). Zweitens ist es das Ziel unseres Amtes, die Glieder der Kirche zur lebendigen Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen zu führen. Diese Com-munio steht, dem Konzil zufolge, im Mittelpunkt des kirchlichen Selbstverständnisses. Während dieses Treffens möchte ich mit euch über die Wahrheit des missionarischen Wesens der pilgernden Kirche nachdenken, denn die universale Gemeinschaft der in den Teilkirchen anwesenden und durch sie lebenden Jünger Christi ist die zeitliche Fortsetzung der immerwährenden Sendung des Sohnes und des 1019 AD-LIMINA-BESUCHE Heiligen Geistes (vgl. Ad gentes, Nr. 2). Während die ganze Welt sich auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet, vertraue ich darauf, dass ihr euch in euren Gemeinden für die Wiederbelebung eines starken, dynamischen Bewusstseins der kirchlichen Sendung einsetzen werdet, damit die Zeit der Gnade zu einem neuen Frühling des Evangeliums werde. Von dieser Hoffnung und Zielsetzung inspiriert, rief die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika, die unlängst stattfand, mit großer Dringlichkeit zu Umkehr, Gemeinschaft und Solidarität auf. Die gleiche Hoffnung und Zielsetzung geht aus dem Dokument „ Go and Make Disciples“ hervor. Diese euren eigenen „Nationalen Pläne und Strategien zur katholischen Evangelisierung in den Vereinigten Staaten“ sind ein wichtiger und nützlicher Führer für eure Bemühungen, „in allen Katholiken eine solche Begeisterung für ihren Glauben zu wecken, dass, wenn sie ihn in Jesus leben, ihn freimütig mit anderen teilen“ (vgl. „ Go and Make Disciples“, 1). 2. Mit Recht betont ihr in diesem Dokument, „dass nur dann von Evangelisation die Rede sein kann, wenn die Menschen das Evangelium aus freien Stücken als jene ,Frohbotschaft‘ aufnehmen, die es aufgrund seiner Aussagekraft und der mit ihm verbundenen Gnade Christi sein soll“ (ebd.). Evangelisieren ist das Bemühen der Kirche, allen Menschen zu verkünden, dass Gott sie liebt, dass er sich selbst in Jesus Christus für sie hingegeben hat und dass er ihnen ein immerwährendes Leben der Glückseligkeit anbietet. Wenn dieses Evangelium als „Frohbotschaft“ angenommen worden ist, dann muss es mit anderen geteilt werden. Alle getauften Christen sind zur Evangelisierung verpflichtet in dem Bewusstsein, dass Gott im Geist und in den Herzen ihrer Zuhörer bereits am Werk ist - so wie er den Äthiopier drängte, sich von Philippus taufen zu lassen, nachdem dieser ihm „das Evangelium von Jesus“ (Apg 8,35) verkündet hatte. Die Evangelisierung ist somit ein Teil jenes großen Geheimnisses der Selbstoffenbarung Gottes an die Welt: sie ist das menschliche Bemühen, das Evangelium zu verkünden, und das kraftvolle Wirken des Heiligen Geistes in denen, die seiner Heilsbotschaft begegnen. Da wir ein Geheimnis verkünden, sind wir die Diener eines übernatürlichen Geschenks, das über alles hinausgeht, was unser menschlicher Geist voll erfassen oder erklären kann, zu dem wir uns aber aufgrund seiner inneren Logik und Schönheit hingezogen fühlen. 3. Der Geist der Neuevangelisierung sollte jeden Aspekt eures Lehrens, eurer Unterweisung und Katechese inspirieren. Diese Aufgaben erfordern ein großes Bemühen um ein eingehenderes Verständnis der Glaubensgeheimnisse und um eine sinnvolle Sprache, die unsere Zeitgenossen überzeugen kann, dass sie durch die Liebe Gottes zu einem neuen Leben berufen sind. Da Liebe nur von jemandem verstanden werden kann, der wirklich liebt, kann das christliche Mysterium nur auf wirksame Weise von denjenigen vermittelt werden, die sich der Liebe Gottes aufrichtig hingegeben haben und von ihr erfüllt sind. Der christlichen Tradition entsprechend, muss die Weitergabe des Glaubens in einem geistlichen Klima der 1020 AD-LIMINA-BESUCHE Freundschaft mit Gott erfolgen, verwurzelt in einer Liebe, die eines Tages ihre Erfüllung im Anblick Gottes finden wird. Bei diesem großen Bemühen muss jeder mitwirken. Euer Auftrag ist es, Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Gläubigen die notwendige Beherztheit und Überzeugung zu vermitteln, dass sie ihren Glauben mit anderen teilen. Durch die Verkündigung des Evangeliums geben Christen anderen Menschen die Möglichkeit, jenes Verlangen nach der Fülle des Lebens und nach Wahrheit zu stillen, von dem jede menschliche Seele erfüllt ist. 4. Notwendigerweise wird die Pfarrei Mittelpunkt der Neuevangelisierung sein, was die Erneuerung aller Dimensionen des Pfarrgemeindelebens erforderlich macht. Während meiner Pfarrbesuche als Erzbischof von Krakau habe ich stets deutlich hervorgehoben, dass die Pfarrei keine zufällige Versammlung von Christen ist, die gerade in der gleichen Umgebung wohnen. Vielmehr, weil die Pfarrge-meinde den mystischen Leib Christi darstellt und gewissermaßen verkörpert, muss das dreifache „munus“ (Amt) Christi als Prophet, Priester und König dort ausgeübt werden. Die Pfarrgemeinde muss somit ein Ort sein, wo durch den Gottesdienst und die Lehr- und Lebensgemeinschaft mit dem Bischof und der Weltkirche die Glieder des Leibes Christi für die Evangelisierung und die Werke christlicher Liebe vorbereitet werden. Eine Pfarrei ist auf vielen Gebieten tätig, aber keines ist von so grundlegender Bedeutung oder so gemeinschaftsfördemd wie die sonntägliche Feier des Tages des Herrn und seiner Eucharistie (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2177). Durch den regelmäßigen und eifrigen Empfang der Sakramente erfährt das Volk Gottes die Fülle der durch die Taufe erhaltenen christlichen Würde; es wird erhöht und gewandelt. Durch das aufmerksame Hören der Heiligen Schrift und eine solide Glaubenserziehung werden Christen fähig sein, ihr Leben und das der Pfarrgemeinde als dynamische Teilhabe an der Heilsgeschichte zu erleben. Diese Erfahrung wird dann ihrerseits eine starke Motivierung zur Evangelisierung. Was immer auch zur Gewährleistung einer korrekten und würdigen Feier der Eucharistie und anderer Sakramente getan wird - denn das ist es, was die Gläubigen zu einer intensiven und erneuernden Begegnung mit Gott führt -, baut das innere Leben der Kirche auf und macht sie zum sichtbaren Zeichen der Erlösung der Welt. In der Predigt und der Katechese sollte betont werden, dass es die Gnade der Sakramente ist, die uns befähigt, den Anforderungen des Evangeliums entsprechend zu leben. Die Anbetung des Altarssakramentes außerhalb der heiligen Messe ermöglicht eine tiefere Wertschätzung jenes Geschenks, das Christus uns durch seinen Leib und sein Blut im heiligen Opfer zuteil werden lässt. Die Ermunterung zum häufigen Empfang des Bußsakraments festigt die spirituelle Reife aller Pfarrmitglieder, während sie bemüht sind, die Wahrheit des Evangeliums im privaten und öffentlichen Leben zu bezeugen. 5. Die Kraft des Pfarrgemeindelebens in eurem Land verdeutlicht vor allem die Art und Weise der Glaubensvermittlung an die nachfolgenden Generationen in- 1021 AD-LIMINA -BES UCHE nerhalb der Familie und das eindrucksvolle und wichtige katholische Schulsystem, das ihr und eure Vorgänger in hingebungsvoller Arbeit aufgebaut und gefördert habt. Als Priester und Bischof war ich immer davon überzeugt, dass der Dienst an der Familie eine äußerst wichtige Dimension der kirchlichen Evangelisierungsaufgabe ist, da „die Familie selbst der erste und geeignetste Platz für die Übermittlung der Glaubenswahrheiten, für die Praxis der christlichen Tugenden und der wesentlichen Werte des menschlichen Lebens ist“ (Ansprache in San Antonio/Texas, am 13. September 1987, Nr. 4). Ihrerseits müssen katholische Schulen eine speziell katholische Identität aufweisen, und ihre Leiter und Lehrer sind verantwortlich für die Wahrung und Weitergabe von Wahrheiten, Werten und Idealen, die einer wahrhaft katholischen Erziehung entsprechen. Viele eurer Pfarrgemeinden haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht praktizierende Katholiken zum aktiven Glauben zurückzuführen und all jenen entgegenzugehen, die nach der Wahrheit des Evangeliums suchen. Diese Bemühungen sind Ausdruck des missionarischen Wesens der Kirche, jener grundlegenden Dimension, die jede Pfarrgemeinde kennzeichnen sollte. Ich bin mir durchaus der Vielschichtigkeit des Pfarrgemeindelebens in den Vereinigten Staaten und der schweren Arbeit bewusst, die Priester, Diakone, Ordensleute und gläubige Christen bei ihrer täglichen Aufgabe leisten, wenn sie das Volk Gottes zu einem intensiveren, dem Evangelium entsprechenden Leben inspirieren und es zum Aufbau einer mit christlichen Werten durchtränkten Gesellschaft auffordem. Steht all jenen nahe, die in den Pfarrgemeinden tätig sind, unterstützt sie mit eurem Gebet und weisen Rat in der Bestrebung, in jedem den „sensus Ecclesiae“ wachzurufen, das lebendige Bewusstsein davon, was es praktisch heißt, zur Kirche zu gehören. 6. Bei der jüngsten Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika forderten die Bischöfe alle Gläubigen auf, durch ein heiligmäßiges Leben und liebenswürdiges Verhalten allen gegenüber, durch Barmherzigkeit für die Notleidenden und Solidarität mit allen Unterdrückten ihren Glauben zu bezeugen und somit „Evangelisten des neuen Jahrtausends“ zu sein (vgl. Botschaft an Amerika, Nr. 30). Für das Leben im Glauben und seine Weitergabe in einer Kultur, die dazu neigt, religiöse Überzeugungen lediglich als persönliche „Option“ zu betrachten, ist allein Jesus Christus, „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), Ausgangspunkt der Evangelisierung, die Antwort auf die Frage, die jedes Menschenleben stellt. Während sich die Kirche der Vereinigten Staaten unter eurer Führung auf das Große Jubiläum vorbereitet, solltet ihr jedem Mitglied der katholischen Gemeinde verständlich machen, dass wir Gott nicht aufgrund eines psychologischen „Bedürfnisses“ kennen, lieben, verehren und dienen, sondern weil es unsere Pflicht ist, deren Erfüllung Ausdruck höchster menschlicher Würde und Ursprung tiefster menschlicher Glückseligkeit ist. Einem wesentlichen Aspekt eures Amtes entsprechend sollt ihr der katholischen Gemeinde in allen Bereichen besser verstehen helfen, was die Kirche wirklich lehrt, um jenen zahlreichen Argumenten mit größerer Gelassenheit zu begegnen, die oft - unnötigerweise - 1022 AD-LIM INA-BESUCHE Spaltungen und Gegensätzlichkeiten unter denjenigen hervorrufen, die alles gemeinsam haben sollten (vgl. Apg 2,44). Wie die jüngste Synode betonte, muss alles getan werden, um „zögernde und vorsichtige Schritte in ein freudiges Nachfolgen Christi auf dem Weg zum ewigen Leben zu verwandeln“ (vgl. Botschaft an Amerika, Nr. 37). Da die Christen den Gottessohn und die befreiende Kraft seines Evangeliums kennen gelernt haben, gehört es zu ihren ganz besonderen Verantwortungen, an der kulturellen Erneuerung mitzuwirken. Bei dieser vor allem die Laien betreffenden Aufgabe sollten die Anhänger Christi in allen Bereichen des öffentlichen Lebens immerfort jenes Licht vergegenwärtigen, mit dem die Lehre Christi den menschlichen Zustand erhellt hat. Die heutige Kultur zeigt häufig ein schwindendes Bewusstsein der dem menschlichen Sein angeborenen Abhängigkeit vom Schöpfer, die mangelnde Fähigkeit des Menschen, Wahrheit und Gültigkeit universaler, unveränderlicher sittlicher Normen zu erkennen, die uns alle bei der Erfüllung unserer menschlichen Berufung leiten. Wenn Freiheit von der Wahrheit über den Menschen und von dem in der menschlichen Natur eingeschriebenen Sittengesetz getrennt wird, dann sind die Gesellschaft und ihre demokratische Lebensform gefährdet. Denn wenn Freiheit nicht mit Wahrheit verbunden und auf das Gute hingeordnet ist, „dann ist die Vorbedingung dafür geschaffen, daß sich in der Gesellschaft die unlenkbare Willkür einzelner oder der beschämende Totalitarismus der staatlichen Macht durchsetzen“ (vgl. Evangelium vitae, Nr. 96). Durch die Verkündigung der Wahrheiten über die menschliche Person, die menschliche Gemeinschaft und die menschliche Bestimmung, die die Christenheit durch die Offenbarung und die Vernunft erkannt hat, trägt sie auf wesentliche Art und Weise zur Unterstützung einer freien Gesellschaft bei, einer Gesellschaft, in der Freiheit die wahre menschliche Entwicklung fördert. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, ermutigt an der Schwelle des nächsten christlichen Jahrtausends alle Katholiken in den Vereinigten Staaten zu stets intensiverem Einsatz für die Evangelisierungsaufgabe der Kirche. Führt sie durch euer Beispiel, eure Überzeugung und Lehre. Ich bete, dass der Heilige Geist euch erleuchte und helfe, eure Gläubigen zu tieferer Liebe zu Christus zu inspirieren, damit sie den Wunsch hegen, ihn besser kennen zu lernen. Indem ich euch, alle Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen der Obhut Marias, der Mutter des Erlösers, anvertraue, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1023 AD-LIMINA-BESU CHE Volksnähe erleichtert den bischöflichen Dienst Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der USA, Region V (Louisville, Mobile und New Orleans) am 31. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nach den Besuchen anderer Gruppen von Bischöfen aus den Vereinigten Staaten begrüße ich nun euch, die Bischöfe der Kirchenprovinzen Louisville, Mobile und New Orleans, herzlich. Durch euch grüße ich jedes Mitglied der Diözesen, in denen der Heilige Geist euch eingesetzt hat, um wachsam für die Kirche Gottes zu sorgen (vgl. Apg 20,28). In besonderer Weise danke ich Gott für das Band der Gemeinschaft, das uns im bischöflichen Dienst an seinem heiligen Volk eint. Die Erfahrung der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zeigt, wie wichtig der Dienst des Bischofs für die vom Konzil angeregte Erneuerung und für die Neuevangelisierung ist, die an der Schwelle des dritten Jahrtausends unternommen werden muss. Und so schlage ich vor, heute über einige der grundlegenden Aspekte dieses unseres Dienstes nachzudenken, der „kraft der auf den Ursprung zurückreichenden Nachfolge“ (Lumen Gentium, Nr. 20) von den Aposteln auf uns gekommen ist. 2. In eurem Dokument The Teaching Ministry of the Diocesan Bishop (Das Lehramt des Diözesanbischofs) habt ihr die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Wahrheit gelenkt: Das bischöfliche Dienstamt ist ein entscheidender Teil des Rettungswerkes Gottes in der menschlichen Geschichte. Es kann nicht auf „eine Variante des allgemeinen menschlichen Bedürfnisses nach Organisation und Autorität“ 0a.a.0. 1, A,l) herabgesetzt werden. In der Tat lehren die Bischöfe aufgrund der Vollmacht und des Auftrags Christi „den unveränderlichen Glauben der Kirche, wie er heute verstanden und gelebt werden soll“ (ebd. 1, A,2). Diese Pflicht kann nur im Zusammenhang mit des Bischofs persönlichem treuen Festhalten am Glauben verstanden und erfüllt werden. Denn dem Auftrag des Herrn an seine Apostel, in seinem Namen zu lehren, können sie ihrerseits nicht ohne Verbindung mit einem tiefen Akt des Glaubens entsprechen: jenem Akt des Glaubens, durch den die Apostel mit Petrus erkannten, dass Jesus „der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16) war. Dieses gleiche Bekenntnis des Glaubens an Christus muss immer den Mittelpunkt im Leben und Dienst eines Bischofs bilden. Der Bischof verkündet in seiner Diözese den Glauben der Kirche in der aus seiner Bischofsweihe und der Gemeinschaft mit dem Bischofskollegium unter dessen Haupt sich herleitenden Vollmacht (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Er hat die Aufgabe, als Seelsorger zulehren, aktuelle Fragen mit dem Licht des Evangeliums zu durchleuchten und den Gläubigen zu helfen, inmitten der Herausforderungen unserer Zeit ein echt christliches Leben zu führen (vgl. Direktorium über den pasto-ralen Dienst der Bischöfe, Nr. 56). Wenn er das Evangelium auf neue Probleme anwendet und dabei die zuverlässige Interpretation der kirchlichen Lehre bewahrt, 1024 AD-LIMINA -BES JJ CHE dann bietet der Bischof Gewähr dafür, dass die Ortskirche in der rettenden und befreienden Wahrheit bleibt. Das alles macht es für den Bischof erforderlich, ein Mann festen übernatürlichen Glaubens und unerschütterlicher Treue zu Christus und seiner Kirche zu sein. 3. Unser Lehren bringt große Verantwortung mit sich, da es „mit der Autorität Christi ausgerüstet“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25) ist. Wir müssen aber mit großer Demut lehren und predigen, denn wir sind die Diener des Wortes, nicht seine Herren. Wenn unser Lehren Erfolg haben soll, dann müssen wir unser ganzes Leben umgestalten lassen vom Gebet und vom beständigen Gehorsam gegen Gott in der Nachfolge Christi. Um unter dem Volk Gottes den Durst nach dem Evangelium zu stillen, sollten wir Bischöfe beherzigen, was der hl. Karl Borromäus auf seiner letzten Synode zu seinen Priestern sagte: „Hast du die Aufgabe, zu predigen und zu lehren? So studiere und bemühe dich um all das, was zur rechten Amtsführung nötig ist; mach, daß du vor allem durch Leben und Tat predigst“ (Liturgisches Stundenbuch, Fest des hl. Karl). Die wirksame Predigt der Botschaft des Evangeliums erfordert beständiges persönliches Gebet, Studium, Reflexion und Beratung mit kundigen Ratgebern. Die Verpflichtung zu Studium und Gelehrsamkeit, wie sie das „munus episcopale“, der bischöfliche Dienst, erfordert, sind entscheidend, um die Wahrheit zu schützen, die uns anvertraut ist durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt (vgl. 2 Tim 1,14), und um sie machtvoll zu verkünden, „ob man es hören will oder nicht“ {ebd., 4,2). Da der Bischof die persönliche Verantwortung hat, den Glauben zu lehren, braucht er Zeit, um den Inhalt der kirchlichen Tradition und der lehramtlichen Aussagen betend zu überdenken und sich anzueignen. Ebenso sollte er mit hilfreichen Entwicklungen in der Theologie, in biblischen Studien und in der ethischen Reflexion über soziale Fragen vertraut sein. Aus meiner eigenen Erfahrung als Diözesanbi-schof kenne ich die vielen Anforderungen, die an die Zeit eines Bischofs gestellt werden. Diese Erfahrung aber hat mich überzeugt, dass es unbedingt erforderlich ist, sich für Studium und Reflexion bewusst Zeit zu nehmen. Denn nur durch Studium, Überlegung und Gebet kann der Bischof in Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern in wahrhaft christlicher und kirchlicher Weise leiten und lenken, beständig sich fragend: „Welche Glaubenswahrheit wirft Licht auf das uns beschäftigende Problem?“ So mag es heute für den Bischof nötig sein, die Art und Weise, wie er sein bischöfliches Amt ausübt, neu zu ordnen, um sich dem zu widmen, was in seinem Dienst grundlegend wichtig ist. 4. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 ruft uns auf, unser Bemühen um die Predigt des Evangeliums zu verdoppeln, um dem tiefwurzelnden Verlangen nach spiritueller Wahrheit, das unsere Zeit kennzeichnet, Antwort zu geben. Diese „Stunde“ der Evangelisierung stellt besondere Forderungen an die Bischöfe. In eurem Dokument „Das Lehramt des Diözesanbischofs“ habt ihr die Eigenschaften aufgezeigt, die das Lehren des Bischofs wirksam machen. Durch seine pastorale 1025 AD-LIMINA -BES UCHE Erfahrung, durch Studium, Reflexion, Urteilsbildung und Gebet muss er sich die Heilswahrheit zu eigen machen, so dass er die Fülle des Glaubens übermitteln und die Gläubigen ermutigen kann, den Forderungen des Evangeliums entsprechend zu leben. Der Bischof ist beauftragt, den Glauben weiterzugeben, den er empfangen hat. Er muss also sein Lehren als einen demütigen Dienst am Worte Gottes und der Tradition der Kirche betrachten. Bereit, für das Evangelium zu leiden (vgl. 2 Tim 1,8), muss er die Wahrheit mutig verkünden, selbst wenn dies eine Herausforderung der in der Gesellschaft gängigen Meinung bedeutet. Der Bischof sollte häufig und beständig unterweisen: predigen, Pastoralbriefe schreiben, Konferenzen geben und von den Medien Gebrauch machen in einer Weise, dass man sieht: er lehrt den Glauben, und dass er so öffentlich für das Evangelium Zeugnis gibt. Darüber hinaus sollte sein Lehren von Liebe gekennzeichnet sein, in Übereinstimmung mit den Worten des hl. Paulus an Timotheus: „Ein Knecht des Herrn soll nicht streiten, sondern zu allen freundlich sein, ein geschickter und geduldiger Lehrer, der auch die mit Güte zurechtweist, die sich hartnäckig widersetzen“ (2 Tim 2,24-25). 5. „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes“ (1 Petr 5,2). Jede Überlegung hinsichtlich eurer Verantwortung für die pastorale Leitung des euch als den „Stellvertretern und Gesandten Christi“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 27) anvertrauten Teils des Gottesvolkes muss ausgehen von sorgfältiger Erwägung des Beispiels Christi selbst, des Guten Hirten, unseres höchsten Vorbilds. In der letzten Sonderversammlung der Bischofssynode für Amerika brachten viele Bischöfe das Beispiel ihres eigenen Lebens und Dienstes zur Sprache, in dem Wissen, dass das Volk Gottes dann ihre Stimme beachtet und darauf eingeht, wenn ihr Zeugnis als echt empfunden wird. In der Synodenaula hörten wir die Forderung nach Bischöfen, die, einzeln und insgesamt, einfacher werden sollten, in der Einfachheit Jesu und des Evangeliums - eine Einfachheit, die darin besteht, ganz und gar in dem Wesentlichen zu sein, das des Vaters ist (vgl. Lk 2,49). Um den Bedürfnissen der modernen Zeit zu entsprechen, haben Diözesen häufig komplexe Strukturen und eine Vielfalt von Diözesanbüros entwickelt als Hilfen bei der Ausübung der pastoralen Leitung. Als Bischöfe müsst ihr aber sorgfältig darauf achten, die persönliche Natur eurer Leitung aufrecht zu halten und viel Zeit darauf zu verwenden, die Stärken und Schwächen eurer Diözesen kennen zu lernen, die Erwartungen und Bedürfnisse der Gläubigen, ihre Traditionen und Charismen, das soziale Umfeld, in dem sie leben, sowie die langfristigen Probleme, die angegangen werden müssen. Das bedeutet, dass die heute bei der Leitung einer Diözese notwendigen Strukturen nicht das Eigentliche behindern dürfen, das sie doch erleichtern sollten, nämlich: den Kontakt eines Bischofs mit seinem Volk und seine Rolle als Verkünder des Evangeliums. In der Synode wurde daraufhingewiesen, dass es heute für einen Bischof allzu leicht ist, seine Verantwortung für Evangelisierung und Katechese an andere abzutreten und zum Gefangenen seiner Verwaltungsobliegenheiten zu werden. Da unser Dienst sich immer darauf richtet, 1026 AD-LIMINA-BES U CHE den Leib der Kirche in Wahrheit und Heiligkeit aufzubauen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 27), ist die Ausübung der bischöflichen Autorität nie eine lediglich administrative Notwendigkeit sondern ein Zeugnis für die in Jesus Christus offenbarte Wahrheit über Gott und den Menschen und ein Dienst zum Wohl aller. Um die Menschen zur Fülle Jesu Christi zu führen, müssen wir in der Tat die Arbeit eines Verkünders des Evangeliums tun (vgl. 2 Tim 4,5). Keine andere Aufgabe ist so dringend notwendig wie diese. 6. In besonderer Weise muss ein Diözesanbischof sich alle Mühe geben, ein enges Verhältnis zu seinen Priestern aufrecht zu halten, eine von Liebe und von der Sorge um ihr geistiges und materielles Wohlbefinden gekennzeichnete Verbundenheit. Eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens und der Zuversicht verbreitend, soll er Lehrer, Vater, Freund und Bruder für sie sein (vgl. Direktorium fiir den Pastoraldienst der Bischöfe, Nr. 107). Auf diese Weise ist das juridische Band des Gehorsams zwischen Priester und Bischof beseelt von jener übernatürlichen Liebe, wie sie zwischen Christus und seinen Jüngern bestand. Diese pastorale Liebe und der Geist der Gemeinschaft zwischen Bischof und Priestern ist lebensnotwendig für die Wirksamkeit des Apostolats. Ebenso muss es die besondere Sorge des Bischofs sein, mit jungen Männern Fühlung zu nehmen, die Christus dazu beruft, als geweihte Priester an seinem eigenen Priestertum Anteil zu haben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es dann, wenn der Bischof seine Verantwortung ernst nimmt, keinen ,Mangel an Berufungen“ gibt. Junge Männer wollen zu radikaler Selbsthingabe gerufen sein, und der Bischof kann, insofern er der Hauptverantwortliche für die Fortsetzung der Heilssendung Christi in der Welt ist, von Ihm beauftragt und ermächtigt Christi Worte wiederholen: „[...] folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischem machen“ {Mt 4,19). Ebenso sollte die Beziehung zwischen dem Bischof und Mitgliedern von Ordensgemeinschaften getragen sein von seiner Wertschätzung für das geweihte Leben und von seinem Bemühen, die verschiedenen Charismen in der Ortskirche bekannt zu machen. Auch hierbei soll er ein Auge darauf haben, junge Menschen einzuladen, dass sie ihre Taufgnade sich voll auswirken lassen durch die hochherzige Entscheidung zu einem Leben nach den evangelischen Räten. Überdies ist uns allen seit dem Konzil auch mehr die Notwendigkeit bewusst geworden, die Würde, Rechte und Pflichten der gläubigen Laien anzuerkennen, sicherzustellen und zu fördern. Es ist wichtig, dass ihrem Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft, ihrem Rat und ihren Bemühungen, der Lehre der Kirche durch die Umgestaltung des intellektuellen, politischen und Wirtschaftslebens Einfluss auf die zeitgenössische Kultur zu verschaffen, von Seiten des Bischofs und seiner engen Mitarbeiter Wertschätzung und Ermutigung entgegengebracht werden. 7. Die Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sah, wie die Bischofskonferenzen sich zu Einrichtungen entwickelten, die es den Bischöfen ermöglichten, jene Kollegialität zu praktizieren, die sich aus der Bischofsweihe und der hierar- 1027 AD-LIMINA-BESUCHE chischen Gemeinschaft ergibt. Die Konferenz ist dazu da, den Austausch pastora-ler Erfahrungen zu fördern und die verschiedenen, im Leben der Kirche einer bestimmten Region oder eines Landes auftretendenden Fragen gemeinsam zu erörtern. Euer kürzlich gefasster Entschluss, die Struktur und die Funktionen eurer Konferenz zu untersuchen, lässt darauf schließen, dass ihr die Notwendigkeit erkennt, ihre Arbeitsweise neu zu überdenken, damit sie besser den Zwecken der Pastoral und des Evangeliums dient, die der Konferenz ihre einzigartige Bedeutung geben. Das heißt unter anderem, die Bischofskonferenz muss einen Weg finden, tatsächlich wirksam zu werden, ohne die Lehr- und Seelsorgsautorität zu schwächen, die dem Bischof allein zukommt. Ihre Verwaltungsstrukturen dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen stets Hilfsmittel für die großen Aufgaben der Evangelisierung und des kirchlichen Dienstes bleiben. Besonders muss darauf geachtet werden, sicherzustellen, dass die Konferenz als kirchliche Körperschaft handelt und nicht wie eine Institution nach Modellen des Managements einer weltlichen Gesellschaft. Dann wird es jedem Bischof möglich sein, seine einmaligen Gaben in die Diskussionen und Entscheidungen der Konferenz einzubringen. Die Pflicht des Bischofs, zu lehren, zu heiligen und zu leiten, ist ja in der Tat eine persönliche Pflicht, die nicht anderen überlassen werden kann. 8. Wir können uns nie zu oft daran erinnern, dass die Hirten der Kirche persönlich dafür verantwortlich sind, das Licht und die Freude des Glaubens weiterzugeben. Das sagen heißt, uns unmittelbar der Frage nach unserem eigenen Glauben und nach unserer eigenen Überzeugung gegenüberstellen. Euer Ad-limina-Besuch mit eurem Gebet an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus ist eine gnadenvolle Gelegenheit, die euch daran erinnert, wie wesentlich für euer Zeugnis eure eigene Beziehung zu Christus und der Emst eures persönlichen Strebens nach Heiligkeit ist. Die Lebendigkeit eurer Ortskirchen und das Wohl der Universalkirche ist zuerst und immer ein Geschenk des Heiligen Geistes. Dieses Geschenk aber ist nicht unabhängig vom inständigen Gebet und der hingebenden pastoralen Liebe des einzelnen Bischofs und der Gemeinschaft der Bischöfe. In unserer Schwachheit müssen wir von der Gnade des Heiligen Geistes unterstützt werden, um ohne Furcht sagen zu können: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,68-69). Möge die Kirche - die Braut - ihrem Herrn zum zweitausendsten Jahresgedächtnis der Menschwerdung ein Bischofskollegium anbieten, das geeint ist, unerschütterlich im Glauben, glühend im Eifer, das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen, und hingegeben an den Dienst des Geistes und der glorreichen Macht Gottes, die Menschen gerecht zu machen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 21). Liebe Brüder, mit diesen Gedanken über euren Dienst möchte ich euch in der Gnade und der Berufung, die Christus euch verliehen hat, ermutigen. Ich bete für euch, wenn ihr an eure Arbeit geht, allen die Liebe Gottes und die Heilsgeheim- 1028 AD-LIMINA-BESUCHE nisse zu verkünden, im Vertrauen, dass der Heilige Geist euch führen und stärken wird. Dankbar für eure Arbeit, das Wort Gottes „in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,2) zu verkünden, empfehle ich euch der Fürsprache Marias, der Heiligen Jungfrau, „Sitz der Weisheit“, dass sie euch unterstütze in pastoraler Weisheit und euren Herzen Freude und Frieden schenke. Euch und den Priestern, den Ordensleuten und den gläubigen Laien eurer Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Auftrag und Dienst des Priesters im Leben der Gemeinde Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus den Staaten Michigan und Ohio (USA) am 22. Mai Lieber Kardinal Maida, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Bei diesem euren Ad-limina-Besuch begrüße ich mit großer Freude die fünfte Gruppe von Bischöfen aus den Vereinigten Staaten, nämlich aus den Staaten Michigan und Ohio. Eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus gibt erneut Gelegenheit, über ihr Zeugnis nachzudenken, das sie usque ad sanguinis effusionem, „bis zum Blutvergießen“, gegeben haben, und sie bringt das feste Band der Gemeinschaft zwischen den Bischöfen und dem Nachfolger des Petrus zum Ausdruck. So sind also diese Tage eine Zeit der Besinnung auf euren Dienst als Bischöfe und eure besondere Verantwortung vor Christus für das Wohl seines Leibes, der Kirche. Möge das Beispiel der ersten Zeugen und ihre Fürbitte eine Quelle der Kraft für euch sein bei der Predigt des Evangeliums, eingedenk der Worte des hl. Paulus an Timotheus: „Das Ziel der Unterweisung ist Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1 Tim 1,5). In dieser Reihe der „Ad-limina-Gespräche“ wollte ich über die durch das Große Jubiläum des Jahres 2000 angebotenen Möglichkeiten zur Evangelisierung nach-denken im Licht der außerordentlichen Gnade, die das Zweite Vatikanische Konzil war und ist. Bei meiner letzten Begegnung mit Bischöfen aus eurem Land sprach ich von dem ausgesprochen apostolischen Charakter, den der Dienst des Bischofs hat, und von seiner Bedeutung für die geistige Erneuerung der christlichen Gemeinde. Heute möchte ich auf die Identität und die Sendung der Priester, eurer Mitarbeiter in der Aufgabe der Heiligung des Gottesvolkes und der Weitergabe des Glaubens (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28), zu sprechen kommen. Überaus dankbar denke ich an all eure Priester, deren Leben von der Treue zu Christus und von hochherziger Hingabe an ihre Brüder und Schwestern tief gekennzeichnet ist. Neben ihren Brüdern und Schwestern des geweihten Lebens, denen ich in dieser Gesprächsreihe künftig noch eine Reflexion zu widmen hoffe, stehen sie im Zentrum der Erneuerung, die der Heilige Geist beständig in der Kirche fördert. 1029 AD-LIMINA-BES UCHE 2. Vor zwei Jahren beging ich die Fünfzigjahrfeier meiner eigenen Priesterweihe, und ich kann wirklich sagen, dass die Erfahrung meines Priesterlebens in all den Jahren eine Quelle großer Freude für mich war. In meiner Meditation über das Priestertum habe ich in Geschenk und Geheimnis zwei wesentliche Wahrheiten hervorgehoben. Die Berufung zum Priestertum ist ein Geheimnis göttlicher Erwählung und darum ein Geschenk, das den einzelnen unendlich heraushebt. Wenn ich zurückschaue, werde ich beständig an die Worte Jesu zu seinen Aposteln erinnert: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ {Joh 15,16). Bei der Betrachtung über diese Worte wird ein Priester sich noch stärker der geheimnisvollen Wahl bewusst, die Gott getroffen hat, als er ihn zu diesem Dienst berief, nicht wegen seiner Talente oder Verdienste, sondern aufgrund von Gottes „eigenem Entschluß und aus Gnade, die uns [...] geschenkt wurde“ (2 Tim 1,9). Es ist für die Kirche in euren Diözesen lebenswichtig, dass ihr euren Priestern und der Art, wie sie leben und ihren Dienst versehen, viel Aufmerksamkeit widmet. Durch Wort und Beispiel solltet ihr sie stetig daran erinnern, dass das Priestertum eine besondere Berufung ist, die darin besteht, durch die Auflegung der Hände und die Anrufung des Heiligen Geistes im Sakrament der Priesterweihe Christus angeglichen zu sein, dem Hohenpriester und Lehrer, dem, der heiligt und der der Hirt seines Volkes ist. Es handelt sich nicht um eine Karriere und bedeutet auch nicht, zu einer klerikalen Kaste zu gehören. Deshalb „muß sich der Priester bewußt sein, daß sein Leben als ein Geheimnis in einer neuen und spezifischen Art ganz eingetaucht ist in das Mysterium Christi und der Kirche und daß ihn dies im pastoralen Dienst ganz fordert“ (Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 6). So wird das ganze Leben des Priesters umgestaltet, damit er Christus für andere sei: ein überzeugendes und wirksames Zeichen von Gottes liebender und rettender Gegenwart. Er sollte das Priestersein als ganzheitliches Geschenk seiner selbst an den Herrn leben. Und wenn dieses Geschenk echt sein soll, muss alles -sein Denken, sein Verhalten, seine Tätigkeit und seine Beziehungen zu anderen -erkennen lassen, dass er wirklich den „Geist Christi“ (vgl. 1 Kor 2,16) hat. Mit dem hl. Paulus sollte er sagen können: „[...] nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Wir sollten dankbar die Zeichen einer echten Erneuerung der priesterlichen Spiritualität erkennen und ein neues Aufblühen der zuverlässigen theologischen Tradition priesterlichen Lebens fördern, wo immer vielleicht Schatten darauf gefallen sind. 3. Wenn Bischöfe und Priester wirklich gültige Zeugen für Christus und Lehrer des Glaubens sein sollen, dann müssen sie Männer des Gebetes sein wie Christus selbst. Nur dann kann ein Priester seine Aufgabe erfüllen, wenn er sich häufig und vertrauensvoll an Gott wendet und die Führung des Heiligen Geistes sucht. Pries- 1030 AD-L1M1NA-BESUCHE ter und Seminaristen, die sich auf das Priestertum vorbereiten, müssen sich tief der Tatsache bewusst werden, dass „eine innige Beziehung zwischen dem geistlichen Leben des Priesters und der Ausübung seines Dienstes“ besteht (Pastores dabo vobis, Nr. 24). Jeder Priester ist berufen, eine große persönliche Vertrautheit mit dem Worte Gottes zu entfalten, damit er immer vollkommener in das Denken des Meisters eindringen und seine Verbundenheit mit dem Herrn, seinem priesterli-chen Vorbild und Führer, immer stärker werden kann (vgl. Generalaudienz, 2. Juni 1993, Nr. 4; O.R. dt., 11.6.93, S. 2). Ein treu gepflegtes Gebetsleben führt zur Gabe der Weisheit, durch die „der Heilige Geist den Priester dahin führt, alles im Licht des Evangeliums abzuwägen, während er ihm hilft, in den eigenen Angelegenheiten und in denen der Kirche den verborgenen und liebevollen Plan des Vaters zu erkennen“ (Brief an die Priester, 1998, Nr. 5; O.R. dt., 10.4.98, S. 7). In einer Zeit, in der viele Anforderungen an die Zeit und die Kraft des Priesters gestellt werden, ist es wichtig zu betonen, dass eine seiner ersten Pflichten darin besteht, für die ihm anvertrauten Menschen zu beten. Das ist sein Vorzug und seine Verantwortung, denn er ist geweiht worden, um sein Volk vor dem Herrn zu vertreten und am Thron der Gnade für alle fürbittend einzutreten (vgl. Generalaudienz, 2. Juni, Nr. 5, a.a.O.). In dieser Hinsicht möchte ich wiederum betonen, wie wichtig im Priesterleben das treue Beten des liturgischen Stundengebetes ist, des öffentlichen Gebetes der Kirche, jeden Tag. Während die Gläubigen aufgefordert sind, der Empfehlung Christi gemäß allezeit zu beten und darin nicht nachzulassen (vgl. Lk 18,1), haben die Priester einen besonderen Auftrag erhalten, das göttliche Offizium zu feiern, in welchem Christus selbst mit uns und für uns betet (vgl. Brief an die Priester, 1984, Nr. 5). Das Gebet für die Anliegen der Kirche und der einzelnen Gläubigen ist in der Tat so wichtig, dass ernsthaft eine Neuordnung des Priester- und Pfarrlebens überlegt werden sollte, um sicherzustellen, dass Priester Zeit haben, diese unbedingt notwendige Aufgabe einzeln und gemeinsam zu erfüllen. Liturgisches und persönliches Gebet, nicht „Management“-Aufgaben müssen den Rhythmus des Priesterlebens bestimmen, selbst in Pfarren mit größten äußeren Anforderungen. 4. Die Feier der Eucharistie ist für den Priester der wichtigste Augenblick des Tages, der Mittelpunkt seines Lebens. Im Darbringen des Messopfers, in welchem das eine Opfer Christi vergegenwärtigt und vollzogen wird, bis er wiederkommt, bietet der Priester die Gewähr dafür, dass das Werk der Erlösung beständige Gegenwart bleibt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Aus diesem einzigen Opfer schöpft der ganze Dienst des Priesters seine Kraft (vgl. ebd., Nr. 2) und empfängt das Volk Gottes die Gnade zu wahrhaft christlichem Leben in der Familie und in der Gesellschaft. Es ist wichtig für Bischöfe und Priester, den inneren Wert der Eucharistie nicht aus dem Blick zu verlieren, einen Wert, der unabhängig ist von den äußeren Umständen der Feier. Aus diesem Grund sollten Priester aufgefordert werden, die Messe jeden Tag zu feiern, selbst in Abwesenheit einer Gemeinde, da 1031 AD-LIMINA-BES UCHE es sich ja um einen Akt Christi und der Kirche handelt (vgl. ebd., Nr. 13; Codex des kanonischen Rechtes, can. 904). Damit die Eucharistie ihre Gnade im Leben eurer Gemeinden voll entfalten kann, muss auch der Förderung des Bußsakramentes besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Priester sind die besonderen Zeugen und Diener der Barmherzigkeit Gottes. Zu keiner anderen Zeit können sie den Gläubigen so nahe sein wie bei dieser einzigartigen Begegnung, wenn sie die Gläubigen zum gekreuzigten und vergebenden Christus führen (vgl. Redemptor hominis, Nr. 20). Das Dienstamt des Sakramentes der Versöhnung auszuüben ist ein besonderes Privileg für den Priester. In der Person Christi handelnd, ist ihm in einer einzigartigen Weise der Eintritt in das Drama eines anderen Christenlebens gestattet. Priester sollten immer verfügbar sein, um die Beichten der Gläubigen zu hören, und zwar in einer Weise, die es erlaubt, die besondere Lage des Pönitenten darzulegen und sie im Licht des Evangeliums zu bedenken. Diese grundlegende Aufgabe des pastoralen Dienstes, die darauf ausgerichtet ist, die Verbundenheit jedes einzelnen mit dem Vater der Barmherzigkeit intensiver zu gestalten, ist eine lebenswichtige Dimension in der Sendung der Kirche. Sie sollte bei Priesterzusammenkünften und in Kursen zuständiger Weiterbildung Gegenstand von Studium und Reflexion sein. Sich vom Bußsakrament ausschalten heißt, sich von einer unersetzbaren Form der Begegnung mit Christus ausschalten. Darum sollten auch die Priester selbst dieses Sakrament regelmäßig und in echtem Geist des Glaubens und der Frömmigkeit empfangen. Auf diese Weise wird des Priesters eigene ständige Bekehrung zum Herrn verstärkt, und die Gläubigen sehen deutlicher, dass Versöhnung mit Gott und der Kirche zu einem glaubwürdigen christlichen Leben notwendig ist (vgl. Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 53). 5. Als Glaubenslehrer spielen Priester unmittelbar eine Rolle bei der Antwort auf die große Herausforderung zur Evangelisierung, der sich die Kirche in der Vorbereitung auf den Eintritt ins dritte christliche Jahrtausend gegenübergestellt sieht. Das Evangelium, das wir predigen, ist die Wahrheit über Gott und über den Menschen und die menschliche Bestimmung: Die Menschen unserer Zeit wollen diese Wahrheit in ihrer ganzen Fülle hören. Daher erfordert die Sonntagspredigt sorgfältige Vorbereitung von Seiten des Priesters; ist es ja dessen persönliche Verantwortung, den Gläubigen behilflich zu sein, damit sie sehen, wie das Evangelium Licht auf den Weg der einzelnen und der Gesellschaft wirft (vgl. Generalaudienz, 21. April 1993, Nr. 5; O.R. dt., 30.4.93, S. 2). Der Katechismus der Katholischen Kirche ist eine ausgezeichnete Quelle für die Predigt. Wenn die Priester ihn benutzen, helfen sie ihren Gemeinden, in der Kenntnis des christlichen Mysteriums in all seinem unerschöpflichen Reichtum zu wachsen und so in wahrer Heiligkeit begründet und zum Zeugnis und zum Dienst gestärkt zu sein (vgl. Brief an die Priester zum Gründonnerstag, 8. April 1993, Nr. 2; O.R. dt., 2.4.93, S. 1). Die Pfarrei ist eine ,Familie von Familien“ und sollte so strukturiert sein, dass sie das Familienleben auf jede mögliche Weise unterstützt. Meine eigene Erfahrung 1032 AD-LIMINA -BES UCHE als junger Priester in Krakau hat mich gelehrt, wie sehr die Hilfe, die Priester jungen Paaren bei der Vorbereitung auf die Verantwortungen des Ehelebens geben können, auch von großem Vorteil für ihre eigene priesterliche Spiritualität ist. Priester sind zu einer einzigartigen Form geistlicher Vaterschaft berufen. Bei der pastoralen Sorge für diejenigen, die bestrebt sind, in der christlichen Ehe die Erfordernisse selbstloser, fruchtbarer Liebe zu leben, können die Priester zu tieferer Wertschätzung dessen kommen, was es bedeutet, ein „Mensch für andere“ zu sein. Es ist die Aufgabe des Priesters, die Gläubigen zu geistlicher Reife in Christus zu führen, damit sie dem Ruf zur Heiligkeit folgen und ihre Berufung, die Welt im Geist des Evangeliums zu verändern, erfüllen können, (vgl. Christifideles laici, Nr. 36). In enger Zusammenarbeit müssen die Priester die Laien ermutigen, das Evangelium als die Hauptkraft für die Erneuerung der Gesellschaft anzusehen - in der umfangreichen und komplexen Welt der Politik und der Wirtschaft, aber auch in der Welt der Kultur, der Wissenschaft und Kunst, des internationalen Lebens und der Massenmedien (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 70). Ein Priester braucht kein Experte in all dem zu sein, aber er sollte ein Experte darin sein, die „höheren Gaben“ wahrzunehmen, die der Heilige Geist reichlich ausgießt zum Aufbau des Reiches Gottes (vgl. 1 Kor 12,31), und er sollte den Menschen helfen, diese Gaben zur Förderung einer Zivilisation der Liebe zu nutzen. 6. Ein Bischof kann nicht umhin, persönlich bei der Förderung von Priesterberufungen beteiligt zu sein, und er muss die ganze Glaubensgemeinschaft ermutigen, bei diesem Werk eine aktive Rolle zu übernehmen. „Es ist der Zeitpunkt gekommen, mutig und beherzt vom Leben des Priesters als einem unschätzbaren Wert und einer herrlichen und bevorzugten Weise christlichen Lebens zu sprechen“ (.Pastores dabo vobis, Nr. 39). Die Erfahrung zeigt, dass auf ermutigendes Ansprechen hochherzige Antworten gegeben werden. Der seelsorgliche Kontakt eines Priesters mit jungen Menschen, seine Nähe zu ihnen in ihren Problemen, seine offene, wohlwollende Haltung und Verfügbarkeit, das alles gehört zur echten Jugendseelsorge. Der Priester ist dann ein wirklich geistlicher Leiter, wenn er jungen Menschen hilft, wichtige Entscheidungen für ihr Leben zu treffen, und besonders, wenn er ihnen behilflich ist bei der Antwort auf die Frage: Was will Christus von mir? Es muss noch mehr getan werden, um dafür zu sorgen, dass alle Priester von der grundlegenden Bedeutung dieser Seite ihres Dienstes überzeugt sind. Unersetzlich ist zur Förderung und Wahrnehmung von Priesterberufungen die Anwesenheit eines engagierten, reifen und frohen Priesters, mit dem junge Leute sich treffen und mit dem sie sprechen können. 7. Als Bischöfe müsst ihr den Gläubigen erklären, warum die Kirche keine Vollmacht hat, Frauen zum Amtspriestertum zu weihen, und zugleich müsst ihr ihnen verständlich machen, warum das nicht eine Frage der Gleichheit von Personen oder ihrer gottgegebenen Rechte ist. Das Sakrament der Priesterweihe und das Amtspriestertum sind von Gott als Geschenk gegeben: an erster Stelle der Kirche 1033 AD-LIMINA -BES U CHE und dann den einzelnen von Gott Berufenen. Die Weihe zum Amtspriestertum kann also niemals von jemand als ein Recht beansprucht werden; in der Heilsordnung kann man nicht sagen, dass die heiligen Weihen jemand „zustehen“. Das Urteil darüber steht letzten Endes der Kirche zu, durch den Bischof. Und die Kirche erteilt die Priesterweihe nur aufgrund dieses kirchlichen und bischöflichen Urteils. Die Lehre der Kirche, dass nur Männer zum Amtspriestertum geweiht werden können, ist ein Ausdruck der Treue zum Zeugnis des Neuen Testamentes und der ständigen Tradition der Kirche des Ostens und des Westens. Die Tatsache, dass Jesus zu bestimmten Aufgaben Männer erwählte und bevollmächtigte, tat in keiner Weise der menschlichen Würde der Frauen Abbruch (eine Würde, die er unverkennbar betonen und verteidigen wollte); und er verwies damit Frauen auch nicht auf eine nur passive Rolle in der christlichen Gemeinschaft. Das Neue Testament macht deutlich, dass in der Urkirche Frauen eine sehr wichtige Rolle spielten. Das Zeugnis des Neuen Testamentes und die beständige Überlieferung der Kirche weisen uns darauf hin, dass das Amtspriestertum nicht in soziologischen oder politischen Kategorien verstanden werden darf, etwa als ein Ausüben von „Macht“ in der Gemeinschaft. Das Priestertum der heiligen Weihen muss theologisch verstanden werden, als eine Form des Dienstes in und für die Kirche. Es gibt viele Arten solcher Dienste, wie es auch viele, vom gleichen Geist geschenkte Gaben gibt (vgl. 1 Kor 12,4-11). Die Kirchen - insbesondere die katholische und die orthodoxen Kirchen -, die die Sakramente in die Mitte des christlichen Lebens stellen und in die Mitte der Sakramente die Eucharistie, diese Kirchen erheben keinen Anspruch auf die Vollmacht, Frauen zum Amtspriestertum zu weihen. Umgekehrt sind christliche Gemeinschaften mehr bereit, Frauen amtspriesterliche Verantwortung zu übertragen, je weiter diese Gemeinschaften sich vom sakramentalen Verständnis der Kirche, der Eucharistie und des Priestertums entfernen. Dies ist ein Phänomen, das noch gründlicherer Untersuchung von Theologen, in Zusammenarbeit mit den Bischöfen, bedarf. Gleichzeitig ist es unbedingt erforderlich, dass ihr weiterhin dem ganzen Fragenkomplex Aufmerksamkeit schenkt, wie die besonderen Gaben der Frauen gepflegt, angenommen und in der kirchlichen Gemeinschaft fruchtbar gemacht werden können (vgl. Brief an die Frauen, Nm. 11-12). Der „Genius“ der Frauen muss immer mehr zu einer unerlässlichen Kraft der Kirche des nächsten Jahrtausends werden, geradeso wie es in den ersten Gemeinden der Jünger Christi war. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, durch euch möchte ich alle Priester der Vereinigten Staaten erreichen, um ihnen für die Heiligkeit ihres Lebens und ihren unermüdlichen Eifer zu danken, womit sie den Gläubigen helfen, Gottes erlösende Liebe zu erfahren. Das freudige und verantwortliche Zeugnis eurer Priester ist ein außerordentlicher Beitrag zur Vitalität der Kirche in euren Diözesen. Ich fordere euch und sie auf, jeden Tag eure Liebe zum Priestertum zu erneuern und in ihm stets die kostbare Perle Zusehen, für die ein Mann alles andere opfert (vgl. 1034 AD-UMINA-BESUCHE Mt 13,45). Ich bete besonders für die, die Schwierigkeiten in ihrer Berufung empfinden, und ich vertraue ihre Unruhen und Sorgen der Fürsprache Marias, der Mutter des Erlösers, an. Da wir heute das Fest Christi Himmelfahrt feiern, freuen wir uns über die Herrlichkeit des Herrn zur Rechten des Vaters und schauen voll Hoffnung dem nahen Pfingstfest entgegen. Ich rufe ein neues Ausgießen des Heiligen Geistes auf euch und auf die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen herab. Möge der Pa-raklet, der die Kirche bei der Aufgabe der Evangelisierung leitet, seine siebenfältige Gabe in euren Herzen erneuern, so dass ihr in absoluter Treue den eurer Sorge anvertrauten Teilkirchen eure Liebe und euren Dienst widmet. Mit meinem Apostolischen Segen. Erziehungsauftrag und Bildungswesen katholischer Schulen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der amerikanischen Bischöfe der Kirchenregionen Chicago, Indianapolis und Milwaukee am 30. Mai Lieber Kardinal George, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Im Verlauf dieser Reihe von Ad-limina-Besuchen haben die Bischöfe der Vereinigten Staaten erneut Zeugnis gegeben für den tiefen Gemeinschaftssinn der amerikanischen Katholiken mit dem Nachfolger Petri. Ich habe diese Nähe und die spirituelle und materielle Unterstützung so vieler eurer Landsleute seit dem Beginn meines Pontifikats gespürt. In meinem Willkommensgruß an euch, die Bischöfe der Kirchenregionen Chicago, Indianapolis und Milwaukee, möchte ich euch und der ganzen Kirche in eurem Land noch einmal meine aufrichtige Dankbarkeit zum Ausdruck bringen: „Denn Gott, den ich im Dienst des Evangeliums von seinem Sohne mit ganzem Herzen ehre, ist mein Zeuge: Unablässig denke ich an euch in allen meinen Gebeten“ (Röm 1,9-10). Heute möchte ich die Betrachtungen über die Erneuerung des kirchlichen Lebens im Lichte des II. Vatikanischen Konzils und im Hinblick auf die Herausforderung zur Evangelisierung, die sich uns an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend stellt, weiterführen, die ich schon zuvor mit anderen Gruppen von Bischöfen begonnen hatte; dabei möchte ich besonders auf einige Aspekte eurer Verantwortung für die katholische Erziehung eingehen. 2. Seit den frühesten Zeiten der amerikanischen Republik, als Erzbischof John Carroll die Berufung zum Lehramt der hl. Elizabeth Ann Seton unterstützte und das erste katholische „College“ der neuen Nation gründete, war die Kirche in den Vereinigten Staaten immer stark in das Erziehungswesen auf allen Ebenen einbezogen. 1035 AD-LIMINA-BESUCHE Über zweihundert Jahre lang waren katholische Grundschulen, Gymnasien, „Colleges“ und Universitäten für die Ausbildung vieler Generationen von Katholiken und für die Vermittlung der Wahrheiten des Glaubens von wesentlicher Bedeutung, indem sie die Achtung vor der menschlichen Person gelehrt und die moralische Charakterfestigkeit ihrer Schüler und Studenten entwickelt haben. Das hohe Unterrichtsniveau und die Erfolge bei der Vorbereitung junger Leute auf ihr späteres Leben waren der gesamten amerikanischen Gesellschaft nützlich. Wir nähern uns nun dem dritten christlichen Jahrtausend, und der Aufruf des II. Vatikanischen Konzils zum hochherzigen Einsatz im gesamten Bereich der katholischen Erziehung sollte immer noch besser in die Tat umgesetzt werden (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 1). Wenige Gebiete des katholischen Lebens in den Vereinigten Staaten benötigen zu ihrer Bestätigung und Erneuerung die Leitung der Bischöfe so sehr wie dieses. Eine solche Erneuerung erfordert allerdings eine klare Vorstellung vom Erziehungsauftrag der Kirche, der wiederum nicht vom Auftrag des Herrn zur Verkündung des Evangeliums an alle Nationen getrennt werden kann. Die katholischen Schulen vermitteln Wissen und fördern die menschliche Entfaltung ihrer Schüler wie auch andere Bildungseinrichtungen es tun. Die katholische Schule, wie schon das Konzil hervorhob, tut aber noch mehr: „Ihre besondere Aufgabe aber ist es, einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist. Sie hilft dem jungen Menschen, seine Persönlichkeit zu entfalten und zugleich der neuen Schöpfung nach zu wachsen, die er durch die Taufe geworden ist. Ferner richtet sie die gesamte menschliche Bildung auf die Heilsbotschaft aus, so daß die Erkenntnis, welche die Schüler stufenweise von der Welt, vom Leben und vom Menschen gewinnen, durch den Glauben erleuchtet wird“ (vgl. ebd., Nr. 8). Die Sendung der katholischen Schule besteht in einer umfassenden Formung der Lernenden, damit sie ihrem Zustand als Jünger Christi treu sein und sich als solche wirksam für die Evangelisierung der Kultur und für das Gemeinwohl in der Gesellschaft einsetzen können. 3. Der katholische Unterricht zielt nicht nur auf die Mitteilung von Tatsachen ab, sondern auch auf die Vermittlung einer konsequenten und umfassenden Weltanschauung in der Überzeugung, dass die in dieser Anschauung enthaltenen Wahrheiten die Schüler und Studenten im wahrsten Sinn des Wortes „Freiheit“ befreien. In ihrem jüngsten Dokument Die katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend hat die Kongregation für das katholische Bildungswesen unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Wissensvermittlung im Kontext eines christlichen Verständnisses der Welt, des Lebens, der Kultur und der Geschichte gelenkt: „In der katholischen Schule besteht keine Trennung zwischen der Zeit des Lernens und der Zeit der menschlichen Formung, zwischen der Aneignung von Kenntnissen und dem Wachstum in Weisheit. 1036 AD-LIMINA-BES U CHE Die verschiedenen Unterrichtsfächer stellen nicht nur zu erlernendes Wissen vor, sondern auch Werte, die es anzunehmen, und Wahrheiten, die es zu entdecken gilt“ (vgl. Nr. 14). Heute besteht die größte Herausforderung für das katholische Bildungswesen in den Vereinigten Staaten und zugleich der größte Beitrag, den eine wahrhaft katholische Erziehung zur amerikanischen Kultur leisten kann, darin, dieser Kultur die Überzeugung zurückzugeben, dass das menschliche Wesen die Wahrheit über die Dinge erfassen kann und dass es durch das Erfassen dieser Wahrheit seine Verpflichtungen gegenüber Gott, sich selbst und seinem Nächsten erkennen kann. Der katholische Erzieher, der diese Herausforderung aufnimmt, wird das Echo der Worte Christi hören: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,31-32). Die heutige Welt benötigt dringend den Dienst von Erziehungseinrichtungen, welche die Meinung vertreten und lehren, dass die Wahrheit jener grundlegende Wert ist, ohne den Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde ausgelöscht werden (vgl. Veritatis splendor, Nr. 4). Eine Erziehung in der Wahrheit, zu echter Freiheit und Liebe nach dem Evangelium steht genau im Mittelpunkt der Sendung der Kirche. In einem kulturellen Umfeld, wo sittliche Verhaltensnormen oft als persönliche Angelegenheit betrachtet werden, spielen die katholischen Schulen eine wesentliche Rolle, damit die neue Generation einsieht, dass Freiheit vor allem in der Fähigkeit besteht, auf die Forderungen der Wahrheit zu antworten (vgl. Veritatis splendor, Nr. 84). Die Achtung, die katholischen Grundschulen und Gymnasien gezollt wird, legt nahe, dass ihr Einsatz zur Vermittlung sittlicher Weisheit einem weitverbreiteten kulturellen Bedürfnis in eurem Land entgegenkommt. Das Beispiel von Bischöfen und Hirten, die - mit Hilfe katholischer Eltern - ihre Führungsposition in diesem Bereich aufrechterhalten haben, sollte alle dazu ermutigen, neue Hingabe und neues Wachstum zu fördern. Die Tatsache, dass manche Diözesen in ein Schulbauprogramm eingebunden sind, ist ein herausragendes Zeichen von Lebenskraft und eine große Hoffnung für die Zukunft. 4. Fast fünfundzwanzig Jahre sind vergangen, seitdem eure Bischofskonferenz ihr Dokument To Teach as Jesus Did veröffentlichte, das auch heute noch sehr aktuell ist. Es unterstreicht die Wichtigkeit eines weiteren Aspekts katholischer Erziehung: „Mehr als jedes andere von der Kirche organisierte Bildungsprogramm hat die katholische Schule die Möglichkeit und Pflicht, sich auf den christlichen Dienst auszurichten, denn sie hilft den Schülern, Fähigkeiten, Tugenden und Gewohnheiten des Herzens und des Verstandes zu erwerben, die sie für einen wirksamen Dienst an den anderen brauchen“ (Nr. 106). Auf der Grundlage des Gesehenen und Gehörten sollten sich die Schüler der Würde jedes Menschen immer besser bewusst werden und Schritt für Schritt die Schlüsselelemente der Soziallehre der Kirche und ihrer Fürsorge für die Armen in sich aufnehmen. Die katholischen Einrichtungen sollten ihre Tradition des Engagements für die Ausbildung 1037 AD-L1M1NA -BESUCHE der ärmeren Bevölkerungsschichten weiterführen, trotz der damit verbundenen finanziellen Last. In manchen Fällen mag es angebracht sein, nach Möglichkeiten zum Ausgleich dieser Last zu finden, damit die Gemeinden mit Schulen diese Bürde nicht allein tragen müssen. Die katholische Schule ist ein Ort, wo die Schüler eine gemeinsame Erfahrung des Glaubens an Gott machen und wo sie den Reichtum der katholischen Kultur ken-nenlemen. Unter angemessener Berücksichtigung der verschiedenen Entwicklungsstufen des Menschen, der individuellen Freiheit und der Rechte der Eltern hinsichtlich der Erziehung ihrer Kinder müssen die katholischen Schulen ihren Schülern dabei helfen, ihre persönliche Beziehung zu Gott zu vertiefen und zu entdecken, dass alle menschlichen Dinge ihre tiefste Bedeutung in der Person und Lehre Jesu Christi haben. Gebet und Liturgie - vor allem die Sakramente der Eucharistie und der Buße - sollten dem Leben einer katholischen Schule seinen Rhythmus geben. Die Vermittlung von Wissen über den Glauben ist zwar sehr wichtig, aber nicht ausreichend. Wenn die Schüler an katholischen Schulen eine echte Erfahrung der Kirche haben sollen, dann ist das Vorbild der Lehrer und anderer, die für ihre Ausbildung zuständig sind, absolut wesentlich: Das Beispiel der Erwachsenen in der Schulgemeinschaft ist ein grundlegender Teil der schulischen Identität. Zahllose Lehrer - Ordensleute wie Laien - sowie anderes Personal an katholischen Schulen haben im Laufe der Jahre gezeigt, wie sehr ihre berufliche Kompetenz und ihr Engagement in den geistigen, intellektuellen und sittlichen Werten der katholischen Tradition wurzeln. Die katholische Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten und die ganze Nation wurden durch das Werk so vieler hingebungsvoller Ordensleute an den Schulen in allen Teilen eures Landes unermesslich gesegnet. Ich weiß auch, wie sehr ihr die Hingabe vieler Laien schätzt, die sich - manchmal auch unter großen finanziellen Opfern - für den katholischen Unterricht einsetzen, weil sie an die Sendung der katholischen Kirche glauben. Wenn es in einigen Fällen zu einem Vertrauensschwund in die Erziehungsberufung gekommen ist, müsst ihr alles in eurer Kraft Stehende tun, um dieses Vertrauen wiederherzustellen. 5. Die Katechese, sowohl in den Schulen als auch im Rahmen von Gemeindeprogrammen, spielt in der Glaubensvermittlung eine wesentliche Rolle. Der Bischof sollte die Katecheten ermutigen, ihre Arbeit als eine Berufung aufzufassen, sozusagen als eine bevorzugte Beteiligung an der Sendung zur Weitergabe des Glaubens und zur Erklärung der Hoffnung, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Die Botschaft des Evangeliums ist die endgültige Antwort auf das tiefste Sehnen des menschlichen Herzens. Junge Katholiken haben ein Recht darauf, den vollständigen Inhalt dieser Botschaft zu hören, damit sie Christus kennenlemen als denjenigen, der den Tod überwunden und den Weg zum Heil eröffnet hat. Die Bemühungen zur Erneuerung der Katechese müssen auf der Voraussetzung gründen, dass die Lehre Christi, so wie sie in der Kirche überliefert und vom kirchlichen Lehr- 1038 AD-LIMINA-BES UCHE amt wahrhaft ausgelegt wurde, in ihrem ganzen Reichtum vorgestellt werden muss, und die verwendeten Methoden müssen dem Wesen des als Wahrheit erhaltenen Glaubens entsprechen (vgl. 1 Kor 15,1). Die Arbeit zur Auswertung ka-techetischer Texte nach Maßgabe des Katechismus der Katholischen Kirche, die ihr in eurer Bischofskonferenz begonnen habt, wird dabei helfen, die Einheit und Vollständigkeit des in euren Diözesen vermittelten Glaubens zu gewährleisten. 6. Die kirchliche Tradition des Engagements an den Universitäten, die schon fast tausend Jahre zurückreicht, hat in den Vereinigten Staaten schnell Wurzeln geschlagen. Heutzutage können katholische „Colleges“ und Universitäten einen wichtigen Beitrag zur Erneuerung des amerikanischen Hochschulwesens leisten. Einer Hochschulgemeinschaft anzugehören - ein Privileg, das ich während meiner Zeit als Professor genoss - bedeutet am Kreuzungspunkt der Kulturen zu stehen, welche die moderne Welt geformt haben. Es bedeutet, ein Treuhänder jahrhundertealter Weisheit und ein Förderer der Kreativität zu sein, die diese Weisheit den zukünftigen Generationen weitergeben wird. Zu einer Zeit, da das Wissen oft als nur bruchstückhaft und nie als absolut betrachtet wird, sollte man von den katholischen Universitäten erwarten können, dass sie die Objektivität und Konsequenz des Wissens hochhalten. Nun da der jahrhundertealte Konflikt zwischen Wissenschaft und Glauben an Kraft verliert, sollten die katholischen Universitäten an vorderster Front eines neuen und überfälligen Dialogs zwischen den empirischen Wissenschaften und den Glaubenswahrheiten stehen. Wenn die katholischen Universitäten bei der Erneuerung des Hochschulwesens eine führende Stellung einnehmen wollen, müssen sie zuerst einen starken Sinn für ihre eigene katholische Identität entwickeln. Diese Identität wird nicht ein und für allemal durch die Ursprünge einer Einrichtung bestimmt, sondern sie ergibt sich aus ihrem Leben in der Kirche - heute und allezeit -, indem sie aus dem Herzen der Kirche („ex corde Ecclesiae“) zur zeitgenössischen Welt spricht. Die katholische Identität einer Universität sollte in ihren Lehrplänen, Fakultäten, Studentenaktivitäten und in der Beschaffenheit ihres Gemeinschaftslebens klar zum Ausdruck kommen. Das ist kein Eingriff in das Wesen der Universität als echtes Lehrzentrum, wo die Wahrheit über die geschaffene Ordnung vollkommen geachtet, aber auch endgültig vom Licht der neuen Schöpfung in Christus erleuchtet ist. Die katholische Identität einer Universität beinhaltet notwendigerweise auch die Beziehung dieser Universität zur Ortskirche und ihrem Bischof. Manchmal wird gesagt, dass eine Universität, die eine eigene Verantwortung gegenüber irgendeiner Gemeinschaft oder Autorität außerhalb der entsprechenden Hochschulinstitutionen anerkennt, sowohl ihre Unabhängigkeit als auch ihre Integrität verloren hat. Aber das kommt einer Trennung der Freiheit von ihrem Gegenstand, nämlich der Wahrheit, gleich. Die katholischen Universitäten haben verstanden, dass kein Widerspruch besteht zwischen dem freiheitlichen und dynamischen Streben nach der Wahrheit und der Anerkennung der Autorität des kirchlichen Lehramts in 1039 AD-LIMINA-BESUCHE Glaubens- und Sittenfragen und Gehorsam ihm gegenüber“ (Ex corde Ecclesiae, Nr. 27). 7. Beim Erhalt der katholischen Identität katholischer Hochschuleinrichtungen tragen die Bischöfe eine besondere Verantwortung in bezug auf die Arbeit der Theologen. Wenn Theologie in der Kirche und für die Kirche erfolgen muss - wie die gesamte katholische Überlieferung bezeugt dann ist die Frage der Beziehung der Theologie zur Lehrautorität der Kirche nicht äußerlich - also etwas von außen auferlegtes sondern sie ist vielmehr der Theologie als kirchlicher Wissenschaft eigen. Für die Theologie selbst werden jene zur Rechenschaft gezogen, denen Christus die Verantwortung für die Beaufsichtigung der Kirchengemeinschaft und ihrer Stabilität in der Wahrheit übertragen hat. Die Diskussion über diese Fragestellungen dehnt sich in eurem Lande aus, und die Bischöfe müssen deshalb darüber wachen, dass der Charakter der verwendeten Begriffe auch wahrhaft kirchlich ist. Außerdem sollten die Bischöfe persönlich an der Arbeit der Universitätsseelsorger Anteil nehmen, und zwar nicht nur an den katholischen Hochschuleinrichtungen, sondern auch an anderen „Colleges“ und Universitäten, an denen es katholische Studenten gibt. Die Universitätsseelsorge bietet eine vorzügliche Gelegenheit, um den jungen Leuten während einer wichtigen Phase ihres Lebens nahe zu sein: „Vor dem Hintergrund einer verfallenden Moderne ist die Universitätskapelle dazu berufen, ein vitales Zentrum zur Förderung einer christlichen Erneuerung der Kultur zu sein, im respektvollen und aufrichtigen Dialog, von einem klaren und wohlbegründeten Standpunkt aus (vgl. 1 Petr 3,15) und durch ein Zeugnis, das für Befragungen aufgeschlossen und überzeugungskräftig ist“ (Ansprache an den Europäischen Kongress der Universitätsseelsorger, l.Mai 1998, Nr. 4). Junge Erwachsene brauchen den Dienst engagierter Priester, die ihnen intellektuell und geistlich helfen können, ihre volle Reifung in Christus zu erreichen. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Auf der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert und einem neuen Jahrtausend verkündet die Kirche auch weiterhin die Fähigkeit der Menschen, die Wahrheit zu erkennen und durch ihre Annahme dieser Wahrheit in echter Freiheit zu wachsen. In dieser Hinsicht ist die Kirche der Verteidiger jener Moralauffassung, auf die euer Land gegründet wurde. Eure katholische Schulen sind weithin anerkannt als Vorbilder für die Erneuerung des amerikanischen Grund- und Mittelschulwesens. Eure katholischen „Colleges“ und Universitäten können bei der Erneuerung der amerikanischen Hochschule eine führende Rolle spielen. Zu einer Zeit, da auf allen Ebenen der Gesellschaft und Regierung über die Beziehung zwischen Freiheit und sittlicher Wahrheit in einer ganzen Reihe von Themen debattiert wird, verfügen die katholischen Wissenschaftler über die nötigen Ressourcen, um zu einer intellektuellen und moralischen Erneuerung der amerikanischen Kultur beizutragen. Möge euch die sei. Jungfrau Maria, Sitz der Weisheit, 1040 AD-LIMINA-BES UCHE bei eurem Einsatz zur Stärkung des katholischen Ausbildungswesens und bei eurer Förderung des katholischen intellektuellen Lebens in all seinen Formen beschützen. Am Vorabend des Pfingstfestes möchte ich mich euch anschließen, um die Gaben des Heiligen Geistes für die Kirche in den Vereinigten Staaten zu erbitten. Mit großer Zuneigung im Herrn erteile ich euch und den Priestern, Ordensleuten und Laien eurer Diözesen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Berufung und Bewährung des Laien in Familie und Gesellschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Minnesota, Nord- und Süd-Dakota (USA) am 6. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude im Herrn heiße ich euch, die Hirten der Kirche in den Staaten Minnesota, Nord-Dakota und Süd-Dakota zu eurem Ad-limina-Besuch willkommen. Das Thema meiner diesjährigen Betrachtungen mit den Bischöfen eures Landes im Hinblick auf das kommende Jahrtausend ist die Pflicht zu einer erneuerten Evangelisierung, für die das II. Vatikanische Konzil den Weg so hervorragend geebnet hat. Heute möchte ich mit euch über die Rolle der Laien im Leben und in der Sendung der Kirche nachdenken. Die Neuevangelisierung, die das einundzwanzigste Jahrhundert zu einem neuen Frühling für das Evangelium machen kann, ist Aufgabe des gesamten Gottes Volkes; sie wird aber in wesentlichem Maße von dem vollen Bewusstsein der Laien hinsichtlich ihrer Berufung als Getaufte und ihrer Verantwortung für die Übertragung der frohen Botschaft Jesu Christi in ihre Kultur und ihre Gesellschaft abhängen. Die Väter des II. Vatikanischen Konzils haben der Würde und der Sendung der Laien besondere Aufmerksamkeit gewidmet und sie im Herrn inständig beschwört, „dem Ruf Christi, der sie in dieser Stunde noch eindringlicher einlädt, und dem Antrieb des Heiligen Geistes gern, großmütig und entschlossen zu antworten“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 33). Im Hinblick auf die Wiederherstellung des Gleichgewichts des kirchlichen Lebens hat das Konzil der Rolle der Laien in der heilsbringenden Sendung der Kirche ein besonders ausführliches Kapitel in Lumen Gentium gewidmet und dieses Thema im Dekret über das Laienapostolat (Apostolicam actuositatem) weiter ausgeführt. Mit speziellem Bezug auf die gegenwärtigen Bedingungen wurde diese Sendung in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) näher definiert. Durch diese und andere Dokumente wollte das Konzil die große Blüte des Laienapostolats, die die vorhergehenden Jahrzehnte gekennzeichnet hatte, weiter ausdehnen. Immer mehr Laien hatten sich nämlich die bewegenden Worte Papst Pius XII. zu Herzen genommen: „Die Laiengläubigen stehen im Leben der Kirche an vorders- 1041 AD-LIMINA-BESUCHE ter Front; für sie ist die Kirche das beseelende Prinzip der menschlichen Gesellschaft. Deshalb sollten gerade sie ein schärferes Bewußtsein dafür entwickeln, daß sie nicht nur der Kirche angehören, sondern daß sie Kirche sind“ (Ansprache am 20. Februar 1946). 2. In diesem Kontext einer tatkräftigen Mitwirkung der Laien konnte das Konzilfolgendes erklären: „Jedem ist also klar, daß alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind“ {Lumen Gentium, Nr. 40); und das Konzilsdekret über das Laien-apostölat macht klar, dass die Laien zur Ausübung ihres Apostolats in der Kirche wie in der Welt aufgerufen sind (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 5). In der Tat sind viele Laien - Männer und Frauen - diesem Aufruf gefolgt. Überall sind verschiedene Formen der Beteiligung der Laien am Leben und an der Sendung der Kirche entstanden. Auch nach dem Konzil und bis heute ist viel getan worden, um die theologische Grundlage für die Berufung und Mission der Laien tiefer zu ergründen. Diese Entwicklung kam dann zur Reifung im Jahre 1987 mit der Bischofssynode über die Rolle der Laien und dem darauf folgenden Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici, das am 30. Dezember 1988 veröffentlicht wurde. Die Synode zeigte konkrete Wege auf, durch die die reichen Lehren der Kirche über den Status der Laien besser in die Praxis umgesetzt werden konnten. Eine der Haupterrungenschaften dabei war, dass die verschiedenen Ämter und Charismen in den Rahmen einer Ekklesiologie der Gemeinschaft eingefügt wurden (vgl. Christifideles laici, Nr. 21). So wurde die spezifische Rolle der Laien nicht als Verlängerung oder Ableitung der klerikalen oder hierarchischen Rolle behandelt, sondern in bezug auf die grundlegende Wahrheit, dass allen Getauften dieselbe heiligmachende Gnade zuteil wird, die Gnade der Rechtfertigung, durch die jeder Mensch zu einer „neuen Schöpfung“, zu einem Adoptivsohn Gottes wird, „an der göttlichen Natur Anteil“ hat, ein Glied Christi und Miterbe mit ihm und ein Tempel des Heiligen Geistes wird (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1265). Alle Gläubigen - sowohl die geweihten Amtsträger als auch die Laien - bilden zusammen den einen Leib des Herrn: „Wo das geschieht, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen“ {Kol 3,11). Wir erleben eine Rückkehr zur wirklichen Theologie des Laien, die sich im Neuen Testament findet; darin ist die Kirche, der Leib Christi, die Gesamtheit - und nicht nur ein Teil - des auserwählten Geschlechts, der königlichen Priesterschaft, des heiligen Stammes und des Volkes, das Gottes besonderes Eigentum wurde (vgl. 1 Petr 2,9). Der hl. Paulus erinnert uns daran, dass das Wachstum des ganzen Leibes davon abhängt, dass jedes einzelne Glied seinen Beitrag dazu leistet: „Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ 1042 AD-L1MINA-BES U CHE (.Eph 4,15-16). Bei der Vorbereitung jenes außerordentlichen kirchlichen Ereignisses, das das II. Vatikanische Konzil gewesen ist, war Papst Johannes XXIII. von diesen Worten so ergriffen, dass er erklärte, sie verdienten es, in die Türen des Konzils eingraviert zu werden (vgl. Ansprache am Pfingstsonntag, 5. Junil960). In einer Ekklesiologie der Gemeinschaft ist die hierarchische Struktur der Kirche nicht auf Macht, sondern auf den Dienst ausgerichtet, und sie gründet vollkommen auf die Heiligkeit der Glieder Christi. Das dreifache Amt der Lehre, Heiligung und Leitung, das Petrus, den Aposteln und ihren Nachfolgern übertragen wurde, „zielt auf nichts anderes ab als darauf, die Kirche nach jenem Ideal der Heiligkeit zu formen, das in Maria bereits vorgeformt und vorgestaltet ist“ (Ansprache an die Mitglieder der Römischen Kurie, 22. Dezember 1987, Nr. 3). Die marianische Dimension der Kirche ist gegenüber der petrinischen oder hierarchischen Dimension vorrangig, und sie ist „höher und reicher an persönlichen und gemeinschaftsbezogenen Implikationen für die einzelnen kirchlichen Berufungen“ (ebd.). Wenn ich diese wohlbekannten Wahrheiten erwähne, so deshalb, weil wir überall in der Kirche - und nicht zuletzt in eurem Land - die Ausbreitung einer frischen und belebenden Laienspiritualität erleben und die wunderbaren Früchte der größeren Einbeziehung der Laien in das Kirchenleben sehen. Während wir uns nun also dem dritten christlichen Jahrtausend nähern, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass der Papst und die Bischöfe im vollen Bewusstsein ihres eigenen besonderen Auftrags des Dienstes innerhalb des mystischen Leibes Christi auch in Zukunft „ein neues Bewußtsein von den Gaben und der Verantwortung aller Laien und jedes einzelnen für die Sendung und communio der Kirche wecken und lebendig erhalten“ (Christifideles laici, Nr. 2). 3. Aus der liturgischen Erneuerung, die das Konzil zutiefst wünschte und förderte, folgte eine häufigere und lebendigere Beteiligung der Laiengläubigen an den Aufgaben, die ihnen in der liturgischen Versammlung eigen sind. Eine volle, aktive und bewusste Teilnahme an der Liturgie sollte zu einem stärkeren Zeugnis der Laien in der Welt führen und nicht zu einer Verwirrung der Rollen innerhalb der christlichen Gemeinschaft. Auf den Willen Christi gegründet, besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem geweihten Amt, das aus dem Sakrament der Weihe hervorgeht, und den Aufgaben, die den Laien zugänglich sind und auf den Sakramenten der Taufe, Firmung und - für die meisten Menschen - Ehe basieren. Die Absicht der jüngsten Richtlinie des Hl. Stuhls zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester war die Bestätigung und Klärung der rechtlichen und disziplinarischen Normen, die diesen Bereich regeln, indem die notwendigen Anweisungen auf die entsprechenden theologischen und ekklesiologi-schen Grundsätze bezogen wurden. Ich fordere euch nachdrücklich auf, darüber zu wachen, dass das liturgische Leben in euren Gemeinden von der Gnade Christi geleitet und regiert wird; diese wirkt durch die Kirche, die der Herr als hierarchische Gemeinschaft verstand. Die Unterscheidung zwischen dem Priestertum der Gläubigen und dem geweihten Priestertum muss immer gewahrt bleiben, denn 1043 AD-LIMINA-BES U CHE diese Unterscheidung gehört zu jener „konstitutiven Form, die Christus seiner Kirche unauslöschlich einprägte“ (Ansprache beim Symposium über die Beteiligung der Laien ampriesterlichen Amt, 11. Mai 1994, Nr. 3). 4. Wie schon die Synodenväter im Jahre 1987 hervorhoben, ist es ein unzureichendes Verständnis der Rolle der Laien, das Männer und Frauen dazu führt, ihr Interesse so stark auf die kirchlichen Dienste und Aufgaben zu konzentrieren, dass sie sich praktisch oft von ihrer Verantwortung im beruflichen, sozialen, kulturellen und politischen Bereich zurückziehen (vgl. Christifideles laici, Nr. 2). Die erste Anforderung der Neuevangelisierung ist das konkrete Zeugnis der Christen, die dem Evangelium gemäß leben: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). Da die Laien bei der Sendung der Kirche zur Evangelisierung aller Gebiete menschlicher Tätigkeit an vorderster Front stehen - einschließlich Arbeitsplatz, Welt der Wissenschaft und Medizin, Politik und dem mannigfaltigen Bereich der Kultur -, müssen sie stark genug und ausreichend katechisiert sein, um „Zeugnis zu geben vom christlichen Glauben als einzige und wahre Antwort - [...] - auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen und für jede Gesellschaft einschließt“ (Christifideles laici, Nr. 34). Um mit den Worten meines Vorgängers Papst Paul VI. zu sprechen: „Die Verkündigung muß vor allem durch ein Zeugnis erfolgen. Das geschieht z. B. wenn ein einzelner Christ oder eine Gruppe von Christen inmitten der menschlichen Gesellschaft, in der sie leben, ihre Verständnis- und Annahmebereitschaft, ihre Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit den anderen, ihre Solidarität in den Anstrengungen aller für alles, was edel und gut ist, zum Ausdruck bringen. Ferner auch dadurch, daß sie auf ganz einfache und spontane Weise ihren Glauben in Werte bekunden, die über den allgemein gängigen Werten stehen, und ihre Hoffnung in etwas, das man nicht sieht und von dem man nicht einmal zu träumen wagt. Durch dieses Zeugnis ohne Worte wecken diese Christen in den Herzen derer, die ihr Leben sehen, unwiderstehliche Fragen: Warum sind jene so? Warum leben sie auf diese Weise? Was - oder wer - ist es, das sie beseelt? Warum sind sie mit uns? In der Tat, ein solches Zeugnis ist bereits stille, aber sehr kraftvolle und wirksame Verkündigung der Frohbotschaft“ (Evan-gelii nuntiandi, Nr. 21). Durch die Gnade Gottes sind alle eure Teilkirchen mit katholischen Männern und Frauen beschenkt, die danach streben, ein wahrhaft christliches Leben zu führen und für das Reich Christi in der sie umgebenden Welt zu arbeiten. Die Bischöfe dürfen diese Leute nicht durch einen Mangel an Führungsbereitschaft enttäuschen. In eurem Amt und eurer Leitung müsst ihr jedem die Bedeutung der Ausbildung und Erwachsenenkatechese, des Gebets und der sakramentalen Praxis verständlich machen sowie die Wichtigkeit einer echten Verpflichtung zur Evangelisierung der Kultur und der Anwendung der christlichen Moral- und Soziallehre auf das öffentliche und private Leben. 1044 AD-L1MINA-BESU CHE 5. Der unmittelbare und in vielerlei Hinsicht wichtigste Schauplatz des christlichen Zeugnisses der Laien ist die Ehe und die Familie. Wo' das Familienleben stark und gesund ist, ist auch der Sinn für Gemeinschaft und Solidarität stark; dies hilft beim Aufbau der „Zivilisation des Lebens und der Liebe“, die das Ziel aller Menschen sein muss. Wo aber die Familie schwach ist, sind alle zwischenmenschlichen Beziehungen der Instabilität und Zersplitterung unterworfen. Die Familie ist heute dem Druck vieler verschiedener Seiten ausgesetzt: „Die Familie befindet sich im Zentrum des großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen der Liebe und allem, was sich der Liebe widersetzt. Der Familie ist die Aufgabe anvertraut, vor allem für die Befreiung der Kräfte des Guten zu kämpfen, dessen Quelle sich in Christus, dem Erlöser des Menschen, befindet“ (Brief an die Familien, Nr. 23). Zu einer Zeit, da die wirklichen Begriffsbestimmungen von Ehe und Familie gefährdet sind durch Versuche, alternative und verzerrte Vorstellungen dieser grundlegenden menschlichen Gemeinschaften in der Gesetzgebung festzuschreiben, muss euer Auftrag auch die klare Verkündung der Wahrheit des ursprünglichen Planes Gottes beinhalten. Da die christliche Familie eine „Hauskirche“ ist, muss den Ehepaaren dabei geholfen werden, ihr Familienleben auf konkrete Art und Weise in das Leben und die Sendung der Kirche einzubringen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 49). Die Gemeinde sollte eine „Familie von Familien“ sein, die auf jede mögliche Art zur Förderung des spirituellen Lebens von Eltern und Kindern beitragen sollte, z. B. durch das Gebet, das Wort Gottes, die Sakramente und das Zeugnis von Heiligkeit und Nächstenliebe. Bischöfe und Priester sollten danach streben, den Familien auf vielerlei Weise zu helfen und sie zu ermutigen, und sie sollten die Gruppen und Verbände unterstützen, die das Familienleben fördern. Es ist einerseits wichtig, dass die Ortskirche den Bedürfnissen der Menschen in problematischen Lebenslagen entgegenkommt; andererseits sollten die pastoralen Pläne auch den Bedürfnissen normaler Familien, die ihrer Berufung gerecht zu werden versuchen, genügend Aufmerksamkeit widmen. Diese Familien sind das Rückgrat der Gesellschaft und die Hoffnung der Kirche: Die Hauptförderer des christlichen Familienlebens sind die Ehepaare und Familien, die die besondere Verantwortung tragen, sich selbst zu Dienern anderer Paare und Familien zu machen. 6. Dieses Jahr begehen wir den 30. Jahrestag seit der Veröffentlichung der Enzyklika Humanae vitae meines Vorgängers Papst Paul VI. Die Wahrheit über die Sexualität des Menschen und die Lehren der Kirche über die Heiligkeit des menschlichen Lebens und über verantwortungsvolle Elternschaft muss im Lichte der theologischen Entwicklung, die auf dieses Dokument gefolgt ist, und im Lichte der Erfahrung jener Paare, die sich treu an diese Lehrengehalten haben, vorgestellt werden. Viele Ehepaare haben erfahren, dass die natürliche Familienplanung die gegenseitige Achtung fördert, zur Zärtlichkeit zwischen Mann und Frau ermutigt und die Erziehung zu echter Freiheit begünstigt (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2370; Humanae vitae, Nr. 21). Dieses Erlebnis verdient es, mit ande- 1045 AD-LIMINA -BES U CHE ren geteilt zu werden, denn es ist die lebendige Bestätigung der Wahrheit, die Hu-manae vitae lehrt. Parallel dazu wächst das Bewusstsein hinsichtlich der schweren Schäden, die dem Eheleben durch den Rückgriff auf künstliche Kontrazeptiva zugefügt werden; diese vereiteln unvermeidlich die vollkommene Selbsthingabe, die der eheliche Akt voraussetzt; gleichzeitig zerstören sie seine prokreative Bedeutung und schwächen seinen Sinn als einendes Element (vgl. Evangelium vitae, Nr. 13). Mit Mut und Mitgefühl müssen Bischöfe, Priester und katholische Laien die Gelegenheit ergreifen, um den Söhnen und Töchtern der Kirche - und der ganzen Gesellschaft im allgemeinen - die Wahrheit über jenes besondere Geschenk mitzuteilen, das die menschliche Sexualität ist. Die falschen Versprechungen der „Sexualrevolution“ werden nun schmerzlich bewusst in dem menschlichen Leid, das durch noch nie da gewesene Scheidungsraten, durch die Geißel der Abtreibung und durch ihre bleibenden Auswirkungen auf die Betroffenen verursacht wird. Und doch haben die Lehren der Kirche, die Entwicklung einer „Theologie des Körpers“ und die Erfahrung treuer katholischer Ehepaare den Katholiken in den Vereinigten Staaten ein einzigartig machtvolles und überzeugendes Mittel an die Hand gegeben, um die Wahrheit über die menschliche Sexualität zu einer Gesellschaft zu bringen, die diese Wahrheit dringend braucht. 7. Die multikulturelle Situation der amerikanischen Gesellschaft ist eine Quelle der Bereicherung für die Kirche, es ergeben sich daraus aber auch verschiedene Herausforderungen für ihre seelsorgerische Tätigkeit. Infolge massiver Einwanderungsbewegungen in der Vergangenheit und Gegenwart weisen viele Diözesen eine starke hispanische Präsenz auf. Die spanischsprachigen Gläubigen bringen ihre eigenen besonderen Gaben in die Ortskirche ein, nicht zuletzt die Vitalität ihres Glaubens und ihren tiefen Familiensinn. Außerdem sind sie mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert, und ihr habt deshalb große Anstrengungen unternommen, um Priester und andere Kirchenmitglieder angemessen auszubilden, damit sie den Familien und Gemeinschaften der Minderheiten eine gute Seelsorge und die nötigen Dienste anbieten können. Angesichts des extrem aktiven Prosely-tismus anderer religiöser Gruppen sind die Erziehung im Glauben, der Aufbau lebendiger Gemeinschaften, die Aufmerksamkeit gegenüber den Bedürfnissen der Familien und Jugendlichen, die Förderung des persönlichen und familiären Gebets, ein auf die Eucharistie und auf eine echte Marienverehrung ausgerichtetes spirituelles und liturgisches Leben aller von wesentlicher Bedeutung (vgl. Ansprache an die Hispanier auf dem Platz U.L.F. von Guadalupe, San Antonio, 13. September 1987). Die spanischsprachigen Gläubigen sollten spüren können, dass ihr Platz, ihr geistiges Zuhause, im Herzen der katholischen Gemeinschaft ist. Dasselbe sollte für die Mitglieder der afro-amerikanischen Gemeinschaft gelten, die ebenfalls eine wesentliche Präsenz in allen euren Kirchen darstellt. Ihre Liebe zum Wort Gottes ist ein besonderer Segen, den es zu wahren gilt. Die Vereinigten Staaten haben große Fortschritte in ihren Bemühungen gemacht, sich von rassisti- 1046 AD-LIMINA-BESUCHE sehen Vorurteilen zu befreien, es sind aber auch in Zukunft ständige Anstrengungen nötig, um sicherzustellen, dass farbige Katholiken voll in das Leben der Kirche integriert sind. In euren Diözesen - wie in anderen Teilen der Vereinigten Staaten - leben nicht wenige eingeborene Amerikaner, die stolzen Nachkommen der Urbevölkemng eures Landes. Ich fordere euch auf, sie in spiritueller Hinsicht zu begleiten, sie beim Erhalt der guten und edlen Traditionen ihrer eigenen Kultur zu unterstützen und ihnen nahe zu sein in ihrem Kampf zur Überwindung der negativen Auswirkungen der Ausgrenzung, unter der sie so lange zu leiden hatten. In der einen Kirche Christi findet jede Kultur und Rasse ihr Zuhause. 8. Schließlich möchte ich euch die große Freude mitteilen, die ich letztes Wochenende erleben durfte, als sich so viele Laien und Mitglieder der verschiedenen kirchlichen Bewegungen und Gemeinschaften auf dem Petersplatz getroffen haben. Sie stellen ein gottgewolltes Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche unserer Zeit dar. Diese Bewegungen und Gemeinschaften sind alle von einer starken Verpflichtung zum spirituellen Leben und von missionarischem Engagement geprägt. Als Werkzeuge der Bekehrung und des wahrhaften Zeugnisses für das Evangelium leisten sie einen unschätzbaren Dienst, indem sie den Kirchenmitglie-dem dabei helfen, auf den universalen Aufruf zur Heiligkeit zu reagieren sowie auf ihre Berufung, die Gegebenheiten der Welt im Lichte der Werte des Evangeliums, wie Leben, Freiheit und Liebe, zu verwandeln. Sie stellen eine echte Quelle der Erneuerung und Evangelisierung dar und sollten deshalb in euren Betrachtungen und eurer pastoralen Planung einen wichtigen Rang einnehmen. Ein außerordentlicher und überraschender neuer Frühling für die Kirche wird sich aus dem dynamischen Glauben, der lebendigen Hoffnung und der aktiven Nächstenliebe der Laien - Männer und Frauen - ergeben, die ihr Herz für die lebensgebende Gegenwart des Heiligen Geistes öffnen. Als Bischöfe haben wir die Aufgabe, im Namen Christi zu lehren, zu heiligen und zu leiten; dabei müssen wir ständig darum bemüht sein, die Gaben und Talente der uns anvertrauten Gläubigen Frucht bringen zu lassen. Ihr sollt alle dazu ermutigen, ihren jeweiligen Platz in der Kirche einzunehmen und immer mehr persönliche Verantwortung für ihre Sendung zu übernehmen. Setzt euch besonders für die Stärkung des Familienlebens als wesentliche Voraussetzung für das Wohlergehen der Personen und der Gesellschaft ein. Schöpft aus den spirituellen Ressourcen der verschiedenen Kulturen, die sich in der Kirche der Vereinigten Staaten finden, und nutzt sie für eine echte Erneuerung des ganzen Gottesvolkes. Ich empfehle euren bischöflichen Dienst der Fürsprache Marias, Hilfe der Christen, an; ich bete für die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen und spende euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1047 AD-L1MINA-BES U CHE Beständigkeit und Wandel im geweihten Leben Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Kirchenregion Saint-Louis, Omaha, Dubuque und Kansas City (USA) am 13. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Bei Gelegenheit eures Ad-limina-Besuchs heiße ich euch Hirten der Kirchenregion Saint Louis, Omaha, Dubuque und Kansas City herzlich willkommen. Durch euch grüße ich die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen: „Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (7 Tim 1,2). Als Fortsetzung des Themas dieser Ad-limina-Gespräche möchte ich mich heute äußern über die Realität des geweihten Lebens in den Kirchen, denen ihr und eure Brüder im Bischofsamt in Liebe und pastoralem Dienst vorsteht. Diese kurzen Überlegungen erheben weder den Anspruch auf eine volle Darstellung des geweihten Lebens, noch wollen sie all die praktischen Fragen ansprechen, die sich in euren Beziehungen zu Ordensleuten ergeben. Ich möchte euch nur unterstützen in eurem Dienst als Nachfolger der Apostel, der sich ja auch auf die geweihten Menschen erstreckt, die in euren Diözesen leben und arbeiten. Insbesondere möchte ich eigens ein Wort der Wertschätzung, des Dankes und der Ermutigung den Frauen und Männern aussprechen, die durch die Beobachtung der evangelischen Räte in der Kirche die Lebensform sichtbar machen, die der menschgewordene Gottessohn während seines Erdenlebens auf sich genommen hat (vgl. Vita consecrata, Nr. 14). Durch ihre Weihe und ihr geschwisterliches Leben geben sie Zeugnis für die neue Schöpfung, die durch Christus begonnen hat und durch die Kraft des Heiligen Geistes in uns möglich gemacht wurde. Durch ihr Gebet und Opfer unterstützen sie die Kirche in ihrer Treue zu ihrer Heilssendung. Durch ihre Solidarität mit den Armen ahmen sie das Erbarmen Jesu selbst und seine Liebe zur Gerechtigkeit nach. Durch ihr Apostolat auf intellektuellem Gebiet dienen sie der Verkündigung des Evangeliums im Herzen der Kulturen der Welt. Indem sie ihr Leben den schwierigsten Aufgaben widmen, bezeugen zahllose Frauen und Männer in den Vereinigten Staaten und überall in der Welt den Vorrang Gottes und die höchste Bedeutung, die Jesus Christus für das menschliche Leben hat. Viele von ihnen sind in der Missionsarbeit tätig, besonders in Lateinamerika, Afrika und Asien, und in den letzten Zeiten haben manche von ihnen das äußerste Zeugnis gegeben in der Hingabe des Blutes um des Evangeliums willen. Das Zeugnis geweihter Menschen macht mitten im Gottesvolk den Geist der Seligpreisungen greifbar, den Wert des großen Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe. Mit einem Wort, geweihte Menschen haben ihren Platz mitten im Mysterium der Kirche, der Braut, die mit ihrem ganzen Sein auf die unendliche Liebe Christi Antwort gibt. Wie könnten wir Bischöfe es unterlassen, Gott voll Dank für solch ein Geschenk an seine Kirche unaufhörlich zu preisen! 1048 AD-L1MINA-BES U CHE 2. Das Geschenk des geweihten Lebens bildet einen wesentlichen Teil der pasto-ralen Sorge des Nachfolgers Petri und der Bischöfe. Die Unteilbarkeit des bischöflichen Pastoraldienstes bedeutet, dass die Bischöfe eine besondere Verantwortung für die Überwachung aller Charismen und Berufungen haben, und das übersetzt sich praktisch in spezielle Pflichten hinsichtlich des geweihten Lebens, wie es in jeder Teilkirche besteht (vgl. Mutuae relationes, Nr. 9). Ordensinstitute ihrerseits sollten eifrig auf eine herzliche und wirksame Zusammenarbeit mit den Bischöfen bedacht sein (vgl. ebd., Nr. 13). Durch göttliche Institution folgten diese auf die Apostel als Hirten der Kirche, so dass, wer immer sie hört, Christus selbst hört (vgl. Lk 10,16; Lumen Gentium, Nr. 20). Der neue Frühling, den die Kirche vertrauensvoll erwartet, muss auch eine Zeit der Erneuerung, ja der Wiedergeburt des geweihten Lebens sein! Die Saaten der Erneuerung zeigen bereits zahlreiche vielversprechende Ergebnisse, und die neuen Institute geweihten Lebens, die jetzt neben den älteren ihren Platz einnehmen, geben Zeugnis für die fortdauernde Bedeutung und den fortgesetzten Aufruf zur totalen Hingabe seiner selbst an den Herrn gemäß den Charismen der Gründer und Gründerinnen. 3. Das Ordensleben in den Vereinigten Staaten war eine beträchtliche Zeit lang von Veränderung und Anpassung gekennzeichnet, wie es das Zweite Vatikanische Konzil verlangt hatte und im Kirchenrecht und anderen lehramtlichen Schreiben kodifiziert worden war. Das war keine leichte Zeit, da eine Erneuerung von solcher Vielschichtigkeit, mit so weitreichenden Folgen und so viele Menschen betreffend, nicht ohne große Mühe und Anstrengung vor sich gehen konnte. Es war nicht immer einfach, eine geeignete Bilanz zu ziehen zwischen notwendiger Änderung und Treue zur geistlichen und im Kirchenrecht verankerten Erfahrung, die zu einem festen und fruchtbringenden Bestandteil der lebendigen Tradition der Kirche geworden war. Das alles hatte für einzelne Ordensleute und für ganze Gemeinschaften manchmal Leiden zur Folge, ein Leiden, aus dem sich in einigen Fällen neue Einsichten und eine neue Verpflichtung ergaben, das in anderen Fällen aber zu Enttäuschung und Entmutigung führte. Vom Beginn meines Pontifikates an habe ich stets versucht, den Bischöfen Mut zu machen, dass sie, um den Ordensleuten zu helfen, ihre kirchliche Berufung voll und ganz zu leben, mit Ordensgemeinschaften einen Dialog des Glaubens und der Treue unterhalten. Im Lauf der Jahre habe ich viele Male über den Stand des Ordenslebens in eurem Land mit Ordensleuten selbst gesprochen wie auch mit den Bischöfen und anderen, die daran interessiert waren. In all den diesbezüglich unternommenen Initiativen war es meine Absicht, einerseits die persönliche und kollegiale Verantwortung für das Ordensleben zu bekräftigen, die den Bischöfen als den Erstverantwortlichen für die Heiligkeit, die Lehre und die Sendung der Kirche zukommt, und andererseits die Bedeutung und den Wert des geweihten Lebens und die außerordentlichen Verdienste so vieler geweihten Frauen und Männer zu bestätigen, die der leidenden Menschheit mit vielfältiger Hilfe zur Seite sind. 1049 AD-LIMINA-BESUCHE Heute möchte ich die Bischöfe der Vereinigten Staaten auffordem, weiterhin persönliche Kontakte mit den jetzt in den einzelnen Diözesen lebenden und arbeitenden Ordensleuten zu pflegen, sie zu ermutigen und aufzumfen. Im großen und ganzen sind eure Beziehungen zu den Ordensleuten wirklich freundlich und kooperativ, und in manchen Fällen spielen Ordensleute eine bedeutende Rolle in euren pastoralen Planungen und Projekten. Es geht darum, diese Beziehung in ihrem natürlichen Rahmen, im Kontext dynamischer Gemeinschaft mit der Ortskirche zu festigen. Die Sendung der Ordensleute stellt sie in eine bestimmte Teilkirche: ihre Berufung, der universalen Kirche zu dienen, wird dann in den Strukturen der Teilkirche ausgeübt (vgl. Ansprache an Generalobere, 24. November 1978). Das ist ein wichtiger Punkt, denn viele irrige Urteile können entstehen, wenn eine gesunde Ekklesiologie zurücktritt gegenüber einem Kirchenkonzept, das zu sehr nach zivilen und politischen Begriffen verstanden wird, oder einem, das so „spiri-tualisiert“ ist, dass die Verhaltenskriterien der subjektiven Entscheidung den einzelnen überlassen sind. 4. Als Bischöfe habt ihr die Pflicht, die Werte des Ordenslebens zu schützen und zu verkünden, damit sie treu bewahrt bleiben und im Leben eurer Diözesange-meinschaften weitergegeben werden. Armut und Selbstbeherrschung, geweihte Keuschheit und Fruchtbarkeit, Gehorsam und Freiheit: dieses Paradox des geweihten Lebens muss von der ganzen Kirche und besonders von denen, die in der Bildung der Gläubigen tätig sind, besser verstanden und mehr geschützt werden. Die Theologie und Spiritualität des geweihten Lebens muss ein Teil der Ausbildung von Diözesanpriestem sein, ebenso wie bei der Ausbildung geweihter Personen der Theologie der Teilkirche und der Spiritualität des Diözesanklerus Beachtung geschenkt werden sollte (vgl. Vita consecrata, Nr. 50). In euren Kontakten mit Ordensleuten werdet ihr auf die Bedeutung ihres gemeinsamen Zeugnisses hinweisen und eure Bereitwilligkeit zeigen, auf jede mögliche Weise sicherstellen zu helfen, dass die Gemeinschaften die geistlichen und materiellen Mittel haben, um ruhig und freudig ihr Gemeinschaftsleben zu führen (vgl. Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Brüderliches Leben in Gemeinschaft, 2. Februar 1994). Einer der wertvollsten Dienste, die ein Bischof versehen kann, besteht darin, sicherzustellen, dass für Ordensleute, besonders für Klöster kontemplativer Nonnen und Mutterhäuser mit vielen Mitgliedern, gute und erfahrene geistliche Leiter und Beichtväter zur Verfügung stehen. Von großer Bedeutung für das Leben einer Ortskirche ist ebenfalls die Fähigkeit eines Instituts, ein gemeinsames oder Gemeinschaftsapostolat durchzuführen. Es genügt nicht, dass alle Mitglieder eines Instituts sich den gleichen allgemeinen Werten verschreiben oder „gemäß dem Gründungsgeist“ arbeiten, wobei es der Verantwortung der einzelnen überlassen ist, einen Platz zu apostolischer Tätigkeit und eine Wohnung zu finden. Offensichtlich wird nicht jedes Mitglied eines Instituts geeignet sein, in ausschließlich einem Apostolat zu arbeiten, aber die Identität und Natur des gemeinsamen 1050 AD-LIMINA-BES U CHE Apostolats und die Bereitschaft, sich daran zu beteiligen, sollte in einem Institut bei der Berufsprüfung seiner Kandidaten eine wesentliche Rolle spielen. Nur dann, wenn eine Diözese sich darauf verlassen kann, dass ein Ordensinstitut sich zu einem gemeinsamen Apostolat verpflichtet, kann das Instimt ernstlich in einen langfristigen Pastoralplan einbezogen werden. Wo Ordensgemeinschaften sich schon einem Gemeinschaftsapostolat verpflichtet haben, z. B. Erziehung oder Gesundheitsdienst, sollte man sie ermutigen und ihnen helfen, es weiterzuführen. Ein - wenn auch noch so notwendiges und lobenswertes - Gespür für neue Notstände und neue Arme sollte nicht zur Folge haben, dass die Armen von vordem - nämlich diejenigen, die echter katholischer Erziehung bedürfen - sowie die Kranken und die Alten außer acht gelassen werden. Ihr solltet Ordensleute auch dazu auf-fordem, der spezifisch katholischen Dimension ihrer Tätigkeiten ausdrücklich Aufmerksamkeit zu widmen. Nur auf dieser Basis werden katholische Schulen und Zentren höherer Bildung imstande sein, eine Kultur zu fördern, die von katholischen Werten und ebensolcher Moral durchdrungen ist. Nur auf diese Weise werden katholische Gesundheitseinrichtungen sicherstellen, dass für die Kranken und Notleidenden „um Christi willen“ und nach katholischen moralischen und ethischen Grundsätzen gesorgt wird. 5. In vielen Diözesen sieht sich das geweihte Leben der Herausforderung von zurückgehenden Mitgliederzahlen und Überalterung gegenüber gestellt. Die Bischöfe der Vereinigten Staaten haben schon ihre Bereitschaft zur Hilfeleistung gezeigt, und die katholischen Gläubigen haben viel Großzügigkeit an den Tag gelegt durch Bereitstellen finanzieller Unterstützung für Ordensinstitute in diesbezüglichen besonderen Notständen. Ordensgemeinschaften selbst müssen ihr Vertrauen auf ihre Berufung neu bekräftigen und, auf die Hilfe des Heiligen Geistes bauend, das Ideal von Weihe und Sendung neu vorlegen. Eine Darstellung der evangelischen Räte nur nach Begriffen ihrer Nützlichkeit und Eignung für eine besondere Form des Dienstes ist nicht genug. Nur die persönliche, im Glauben gemachte Erfahrung Christi und des Geheimnisses seines Reiches, das in der menschlichen Geschichte am Werk ist, kann das Ideal im Geist und im Herzen derer lebendig werden lassen, die vielleicht berufen sind. Beim Nahen des neuen Jahrtausends bedarf die Kirche dringend eines vitalen, ansprechenden Ordenslebens, das konkret die Oberhoheit Gottes erkennen lässt und vor der Welt Zeugnis ablegt für den transzendenten Wert der totalen Hingabe seiner selbst in der Profess der evangelischen Räte (vgl. Vita consecrata, Nr. 16), eine in Kontemplation und Dienst überströmende Gabe. Das ist gewiss die Art der Herausforderung, auf die junge Leute antworten. Wenn es stimmt, dass die Person sich nur durch die aufrichtige Hingabe ihrer selbst vollkommen finden kann (vgl. Gaudium, et spes, Nr. 24), dann sollte es kein Zögern geben, die Jugend zum geweihten Leben aufzurufen. Es ist in der Tat ein Ruf zu voller menschlicher und christlicher Reife und Erfüllung. Vielleicht könnte das Große Jubiläum für Institute geweihten Lebens eine Gelegenheit sein, für ihre Mitglieder, die ein echtes, beständiges und auf die Gemein- 1051 AD-LIMINA-BES U CHE Schaft bezogenes Leben nach dem Geist der Gründer und Gründerinnen suchen, neue Gemeinschaften zu errichten und zu unterstützen. Das würde in vielen Fällen Ordensleuten ermöglichen, sich ausgeglichener diesen Zielen zu verpflichten, frei von Bürden und Problemen, die letztlich nicht gelöst werden können. 6. Das zweitausendste Jahr nach der Geburt des Erlösers ist eine Aufforderung an die ganze Kirche, sich voll in Anspruch nehmen zu lassen von der Aufgabe, der Welt Christus zu bringen. Die Kirche muss seinen Sieg über Sünde und Tod verkündigen, einen in seinem Blut errungenen Sieg am Kreuz, der jeden Tag in der Eucharistie wirklich gegenwärtig wird. Wir wissen, dass echte Hoffnung für die Zukunft der Menschheitsfamilie darin liegt, der Welt deutlich den menschgewordenen Sohn Gottes als das Beispiel allen menschlichen Lebens vorzustellen. Besonders Ordensleute sollten zu dieser Verkündigung bereit sein, in Offenheit gegenüber der heiligenden Macht des Heiligen Geistes und innerlich vollkommen frei von jedem Rest von Furcht, der „Welt“ zu missfallen, nämlich der Welt als einer Kultur, die eine andere Befreiung und ein anderes Heil als die Befreiung und das Heil Christi verspricht. Das ist weder eitler Triumphalismus noch Anmaßung, denn in jedem Zeitalter ist Christus „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (7 Kor 1,24). In unseren Tagen, wie immer in der Geschichte der Kirche, zeichnen sich geweihte Frauen und Männer aus als lebendige Bilder dessen, was es bedeutet, die Nachfolge Jesu zum ganzen Zweck des Lebens zu machen und von seiner Gnade umgestaltet zu werden. In der Tat haben, wie das Apostolische Schreiben Vita consecrata sagt, die Ordensleute „einen Weg ständiger Bekehrung, ausschließlicher Hingabe an die Liebe Gottes und der Brüder eingeschlagen, ... um immer leuchtender von der Gnade Zeugnis zu geben, die die christliche Existenz verklärt“ (Nr. 109). Weil Christus seine Kirche nie im Stich lässt, haben Ordensleute sich „nicht nur einer glanzvollen Geschichte zu erinnern und darüber zu erzählen, sondern eine große Geschichte aufzubauen!“ (ebd.Nr. 110). Liebe Brüder im Bischofsamt, durch euch fordere ich die Ordensfrauen und Ordensmänner, die „den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze“ (Mt 20,12) ertragen haben, auf, in ihrem treuen Zeugnis auszuharren. Es gibt eine Art, das Kreuz mit Bitterkeit und Traurigkeit zu leben, aber daran zerbricht unser Geist. Es gibt auch eine Art, das Kreuz so zu tragen, wie Christus es tat, und dann spüren wir deutlich, dass es „zur Herrlichkeit führt“ (vgl. Lk 24,26). Durch euch rufe ich alle geweihten Menschen und die Männer und Frauen, die vielleicht daran denken, in eine Gemeinschaft einzutreten, auf, sich jeden Tag ihr außerordentliches Privileg neu zum Bewusstsein zu bringen: die Berufung, der Heiligkeit des Gottesvolkes zu dienen, im Herzen der Kirche „Heiligkeit zu sein“. Unter eurer Führung und Leitung wird die Zukunft des geweihten Lebens in eurem Land gewiss herrlich und fruchtbar sein. Möge die Heilige Jungfrau, die als ganz Gott Gehörende und ihm Geweihte das erhabenste Beispiel vollkommener Weihe ist, die Erneuerung und das neue Aufblühen des geweihten Lebens in den Verei- 1052 AD-LIMINA -BES UCHE nigten Staaten begleiten. Von Herzen erteile ich euch und den Priestern, Ordensleuten und Laien eurer Diözesen meinen Apostolischen Segen. Katholiken leisten mit gelebtem Glauben einen Dienst an der Gesellschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Texas, Oklahoma und Arkansas (USA) am 27. Juni Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Von ganzem Herzen heiße ich euch, die Hirten der Kirche in Texas, Oklahoma und Arkansas anlässlich eures Ad-limina-Besuchs willkommen. Bei meinen diesjährigen Treffen mit den Bischöfen aus den Vereinigten Staaten haben wir bisher einige wesentliche Aspekte der Neuevangelisierung besprochen, zu der das Zweite Vatikanische Konzil aufgerufen hatte, jenes große gnadenreiche Ereignis, durch das der Heilige Geist den Eintritt der Kirche in das dritte christliche Jahrtausendvorbereitet hat. Ein fundamentaler Aspekt dieser Aufgabe ist die Verkündung der sittlichen Wahrheit und ihre Anwendung im persönlichen Leben der Christen und in ihren Beziehungen zur Welt. Daher möchte ich heute mit euch über euer bischöfliches Amt als Lehrer der moralischen Wahrheit und als Zeugen des Sittengesetzes nachdenken. Zu allen Zeiten brauchen die Menschen Christus, den guten Hirten, der sie zu Glauben und Umkehr aufruft (vgl. Mk 1,15). Als Seelenhirten müsst ihr heute die Stimme Christi sein und euer Volk darin bestärken, „die Schönheit der Wahrheit, die befreiende Kraft der Liebe Gottes, den Wert der unbedingten Treue, selbst unter schwierigsten Umständen“ (Veritatis splendor, Nr. 107) neu zu entdecken. Die Frage des reichen Jünglings im Evangelium - „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mt 19,16) - ist eine immerwährende Frage der Menschheit, die in der einen oder anderen Form, auf explizite oder implizite Art und Weise gestellt wird, von jedem Menschen in jeder Kultur, in jedem Augenblick unserer dramatischen Geschichte. Die Antwort Christi auf diese Frage -ihm nachzufolgen und den Willen seines Vaters zu erfüllen - ist der Schlüssel zur Fülle des Lebens, die er uns verspricht. Die Beachtung der göttlichen Gebote führt keineswegs zur Entfremdung unserer Menschlichkeit, sondern ist vielmehr der Weg zu wirklicher Erlösung und die Quelle wahrer Glückseligkeit. In diesem, dem Heiligen Geist geweihten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum wollen wir uns daran erinnern, dass unsere Bemühungen zur Verkündigung der Frohbotschaft und zur Lehre der sittlichen Wahrheit über die menschliche Person von jenem Geist gefördert werden, der die wesentliche Triebkraft der kirchlichen Mission ist (vgl. Evangelium nuntiandi, Nr. 64). Dem Heiligen Geist ist „das Erblühen und Gedeihen des sittlichen Lebens des Christen und das Zeugnis der 1053 AD-LIMINA-BESUCHE Heiligkeit in der großen Vielfalt der Berufungen, der Gaben, der Verantwortlichkeiten und der Lebensbedingungen und -Situationen zu verdanken“ (Veritatis splendor, Nr. 108). Möget ihr in euren Diözesen und Pfarrgemeinden dieses Jahr ganz besonders um das wachsende Bewusstsein der machtvollen Wirkung des Geistes in der Welt bemüht sein, denn dank seiner Gnade erfahren wir eine „radikale persönliche und gesellschaftliche Erneuerung, die allein imstande ist, Gerechtigkeit, Solidarität, Wahrhaftigkeit und Transparenz zu gewährleisten“ (vgl. Veritatis splendor, Nr. 98). 2. Angesichts der heutigen kulturellen Realität ist euer bischöfliches Amt eine ganz besondere Herausforderung, und als Lehrer sittlicher Wahrheiten steht ihr einer überaus komplexen Situation gegenüber. Zahlreiche Katholiken in euren Pfarrgemeinden haben den Wunsch, als Ehegatten, Eltern, Bürger und Berufstätige ein verantwortungsbewusstes Leben zu führen. Diese Männer und Frauen, mit denen ihr täglich bei der Ausübung eurer pastoralen Mission zusammentrefft, wissen, dass sie ein moralisch einwandfreies Leben führen sollten, aber oft fällt es ihnen schwer, genau zu erklären, was das bedeutet. Diese Schwierigkeit reflektiert einen weiteren Aspekt der heutigen Kultur; unsere skeptische Haltung hinsichtlich der Existenz einer „moralischen Wahrheit“ und eines objektiven Sittengesetzes. Diese Einstellung dominiert in jenen kulturellen Institutionen, die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung haben und ist leider auch in vielen akademischen, politischen und rechtlichen Strukturen eures Landes durchaus üblich. Unter diesen Umständen fühlen sich diejenigen, die bestrebt sind, dem Sittengesetz entsprechend zu leben, oft von Kräften bedrängt, die zu jenen Dingen im Gegensatz stehen, von deren Wahrheit sie im Grunde überzeugt sind. Und diejenigen, die für die Lehre sittlicher Wahrheiten verantwortlich sind, werden, angesichts der Macht dieser äußeren kulturellen Einflussnahme, oft das Gefühl haben, vor einer praktisch unmöglichen Aufgabe zu stehen. Im Laufe ihrer zweitausendjährigen Geschichte hat die Kirche ähnliche Situationen erlebt. Doch die heutige Kulturkrise weist jene bezeichnenden Merkmale auf, die eurer Aufgabe als Lehrer sittlicher Werte wirkliche Dringlichkeit verleihen. Diese Dringlichkeit gilt sowohl für die Vermittlung der im Evangelium und im kirchlichen Lehramt enthaltenen moralischen Wahrheit als auch für die Zukunft der Gesellschaft als freie und demokratische Lebensweise. Wie könnten wir diese Krise moralischer Kultur definieren? Ihre erste Phase lässt sich in dem erkennen, was Kardinal John Henry Newman in seinem Brief an den Herzog von Norfolk schrieb: „In diesem Jahrhundert hat das Gewissen eine in den achtzehn vorherigen Jahrhunderten nie gekannte Verfälschung erlebt, die, selbst wenn es derartiges gegeben hätte, auch nicht irrtümlicherweise damit hätte verwechselt werden können. Es ist das Recht auf Selbstbestimmung.“ Was für das 19. Jahrhundert Newmans galt, trifft in der heutigen Zeit um so mehr zu. Kulturelle einflussreiche Strömungen beharren darauf, dass die Rechte des Gewissens bereits von der bloßen Idee eines in unsere menschliche Natur eingeschriebenes 1054 AD-LIMINA-BESUCHE Sittengesetzes verletzt werden, das wir durch die Reflexion über unsere Natur und unser Tun erkennen können und das uns gewisse Verpflichtungen auferlegt, weil wir sie als allgemein wahr und bindend erachten. Das kommt, wie häufig gesagt wird, der Aufhebung der Freiheit gleich. Aber um welche Art von „Freiheit“ handelt es sich hier? Bedeutet Freiheit lediglich seinen Willen durchsetzen - „Ich sollte die Freiheit haben, dieses oder jenes zu tun, weil ich es möchte“? Oder ist Freiheit das Recht, das zu tun, was ich tun sollte, sich freiwillig an das zu halten, was gut und wahr ist (vgl. Predigt in Baltimore, 8. Oktober 1995)? Freiheit als persönliche Autonomie verstanden, hat nach außen hin eine gewisse Anziehungskraft, und durch die Billigung intellektueller Kreise, der Medien, des Gesetzgebers und der Gerichte wird diese Sichtweise eine einflussreiche kulturelle Strömung, die letztlich jedoch das Gute sowohl auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene zerstört. „Freiheit als Autonomie“ lässt durch die einseitige Ausrichtung auf den autonomen Willen des Individuums als allein ordnendes Prinzip des öffentlichen Lebens die verpflichtenden Bande zwischen Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Starken und Schwachen, Mehrheiten und Minderheiten. Das Ergebnis ist der Zusammenbruch der menschlichen Gesellschaft und eines öffentlichen Lebens, in dem das autonome Individuum und der Staat die einzigen maßgeblichen Akteure sind. Das ist, wie das zwanzigste Jahrhundert uns gelehrt haben sollte, ein sicherer Weg in die Tyrannei. 3. Der heutigen moralischen Krise liegt die mangelhafte Kenntnis der menschlichen Natur zugrunde. Als Hirten und Lehrer der Kirche Christi verdeutlicht ihr den Menschen, dass die Größe des menschlichen Wesens gerade auf seiner Stellung als Geschöpfe eines liebenden Gottes begründet ist, der ihm die Fähigkeit gegeben hat, das Gute zu erkennen und zu wählen und der seinen Sohn als endgültigen und unübertrefflichen Zeugen der Wahrheit über den Menschen gesandt hat: „In Christus und durch Christus hat sich Gott der Menschheit vollkommen geoffenbart und sich ihr endgültig genähert. Gleichzeitig hat der Mensch in Christus und durch Christus ein volles Wissen um seine Würde, um seine Erhebung, um den transzendenten Wert des eigenen Menschseins und um den Sinn seiner Existenz erworben“ (Redemptor hominis, Nr. 11). Wir wissen, in Christus ist „das Gute im Menschen, in der Wahrheit zu sein und ihr entsprechend zu handeln“ {Ansprache an den Internationalen moraltheologischen Kongress, 10. April 1986, Nr. 1). Dieser christlichen Anthropologie entsprechend liegt die Würde des Menschen nicht allein in seiner Fähigkeit, zu wählen, sondern vielmehr darin, weise zu wählen und gemäß dieser Entscheidung für das Gute zu leben. In der gesamten sichtbaren Schöpfung ist allein der Mensch zu einsichtigen Entscheidungen fähig. Nur die menschliche Person kann zwischen Gutem und Bösem unterscheiden und dieses Urteil begründen. Nur der Mensch ist in der Lage, für das Gute und Wahre Opfer zu bringen. In der gesamten christlichen Geschichte bleibt der Märtyrer daher 1055 AD-LIMINA -BESUCHE Paradigma der Anhängerschaft: denn der Märtyrer lebt die Verbindung zwischen Wahrheit, Freiheit und Güte auf radikalste Art und Weise. Als Lehrer der sittlichen Wahrheit über den Menschen und als Zeugen des im menschlichen Wesen eingeschriebenen Moralgesetzes verteidigen und fördern die Bischöfe der Kirche keine willkürlichen kirchlichen Forderungen, sondern grundlegende Wahrheiten und somit das Gute des einzelnen Menschen und das der Gemeinschaft. 4. Wenn die Würde des Menschen als moralisch handelnde Person auf der Fähigkeit beruht, das wirklich Gute zu erkennen und zu wählen, dann wird auch die Frage des Gewissens klarer. Die Achtung für die Rechte des Gewissens wurzelt tief in der Kultur eures Landes, die teilweise von jenen Emigranten geformt wurde, die zur Verteidigung ihrer religiösen und moralischen Überzeugungen in die Neue Welt kamen. Die historische Bewunderung der amerikanischen Gesellschaft für gewissenhafte Menschen ist die Grundlage, von der ausgehend ihr heute die Wahrheit über das Gewissen lehren könnt. Die Kirche ehrt das Gewissen als „Heiligtum“ der menschlichen Person, in dem der Mensch „allein ist mit Gott“, dessen Stimme tief in seinem Innersten widerhallt und der ihn aufruft, Gutes zu lieben und Böses zu unterlassen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 16). Im Inneren seines Gewissens „entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß“ (ebd.). Angesichts dieser Tatsache wird die Würde des Gewissens herabgesetzt, wenn, wie die Verfechter radikaler individueller Autonomie behaupten, das Gewissen als eine vollkommen unabhängige, ausschließlich persönliche Fähigkeit zur Bestimmung von Gut und Böse betrachtet wird (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 43). Jeder muss seinem Gewissen entsprechend handeln. Dieses Gewissen ist aber weder vollkommen unabhängig noch unfehlbar in seinem Urteil; in dem Fall wäre das Gewissen nichts weiter als ein Geltendmachen des persönlichen Willens. Folglich ist es gerade die Verteidigung der Würde des Gewissens und der menschlichen Person, die uns lehrt, dass das Gewissen geformt werden muss, damit es unterscheiden kann, was und was nicht dem „ewigen, objektiven und universalen göttlichen Gesetz“ entspricht, das der menschliche Verstand im Naturgesetz entdecken kann (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 3; Veritatis splendor, Nr. 60). Der Natur des Gewissens entsprechend muss sich der Ermahnung, ihm stets zufolgen, unmittelbar die Frage anschließen, ob das, was unser Gewissen sagt, wahr ist oder nicht. Wenn diese notwendige Klarstellung nicht erfolgt, dann wird das Gewissen - anstatt jener heilige Ort zu sein, an dem Gott uns das wahrhaft Gute offenbart - eine Kraft mit der Fähigkeit, unsere wahre Menschlichkeit und all unsere Beziehungen zu zerstören (vgl. Generalaudienz, 17.August 1983, Nr. 3). Eure Pflicht als Bischöfe ist es, zu lehren, dass Gewissensfreiheit nie als Freiheit „von“ der Wahrheit, sondern stets und ausschließlich Freiheit „in“ der Wahrheit ist. Dieses Konzept des Gewissens und seine Beziehung zur Freiheit sollte gewisse Aspekte der Abweichung von der kirchlichen Lehre klären. Durch den Willen 1056 AD-LIMINA -BES UCHE Christi und die lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes ist die Kirche die Hüterin der Wahrheit; „ihre Aufgabe ist es, die Wahrheit, die Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren, zugleich auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen, autoritativ zu erklären und zu bestätigen“ (Dignitatis humanae, Nr. 14). Wenn die Kirche beispielsweise lehrt, dass Abtreibung, Sterilisierung oder Euthanasie moralisch stets unvertretbar sind, bringt sie ein tief im menschlichen Herzen eingeschriebenes universales Moralgesetz zum Ausdruck und lehrt somit etwas, das für das Gewissen jedes einzelnen bindend ist. Ihr absolutes Verbot für die Anwendung solcher Praktiken in Einrichtungen der katholischen Gesundheitsfürsorge ist lediglich ein Akt der Treue zum Gesetz Gottes. Als Bischöfe müsst ihr alle Beteiligten - Krankenhausverwaltung, Ärzte und Pflegepersonal - daran erinnern, dass jede Missachtung dieses Verbots sowohl als schweres Vergehen wie auch als Anstoß erregende Handlung gewertet wird (Zum Thema Sterilisierung, vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Quaecumque sterilizatio, 13. März 1975, AAS68[1976]738-740). Es muss betont werden, dass es sich bei diesem und anderen vergleichbaren Fällen nicht um das Gebot einer Reihe von äußeren die menschliche Freiheit verletzende Kriterien handelt. Die kirchliche Lehre über die Wahrheit der sittlichen Ordnung „zeigt vielmehr die Wahrheiten auf, die (das Gewissen) bereits besitzen sollte“ (vgl. Veritatis splendor, Nr. 64), und diese Wahrheiten machen uns frei im tiefsten Sinn menschlicher Freiheit und geben unserer Menschlichkeit wahre Würde. Vor fast zweitausend Jahren drängte uns der hl. Paulus: „Gleicht euch nicht dieser Welt an“, sondern lebt in wahrer Freiheit, fügt euch gehorsam dem Willen Gottes (Röm 12,2). Durch das Lehren der Wahrheit über das Gewissen und seine unmittelbare Beziehung zur moralischen Wahrheit werdet ihr eine der großen Kräfte der modernen Welt herausfordem. Gleichzeitig aber erweist ihr der modernen Welt auch einen wertvollen Dienst, denn ihr werdet sie an das einzige Fundament erinnern, das fähig ist, eine Kultur der Freiheit zu gewährleisten: das, was die Gründer eurer Nation als „selbstverständliche“ Wahrheiten bezeichneten. 5. Es sollte somit deutlich erkennbar sein, dass sich die Kirche nicht aus politischen Gründen mit Aspekten des öffentlichen Lebens beschäftigt, sondern vielmehr als Dienerin der Wahrheit über die menschliche Person, als Verteidigerin der menschlichen Würde und Förderin menschlicher Freiheit. Eine Kultur oder Gesellschaft, die überleben möchte, kann die geistige Dimension der menschlichen Person nicht als irrelevanten Aspekt des öffentlichen Lebens abtun. Kulturen entwickeln sich als Ausdrucksweise der intensivsten Erfahrungen des menschlichen Lebens: Liebe, Geburt, Freundschaft, Arbeit und Tod. Jede dieser Erfahrungen stellt auf ihre jeweilige einzigartige Art und Weise die Frage nach Gott: „Im Mittelpunkt jeder Kultur steht die Haltung, die der Mensch dem größten Geheimnis gegenüber einnimmt: dem Geheimnis Gottes“ (Centesimus annus, Nr. 24). Wie andere Christen und alle Gläubigen sind auch amerikanische Katholiken dafür ver- 1057 AD-LIM1NA-BES U CHE antwortlich, dass das Geheimnis Gottes und die im göttlichen Geheimnis offenbarte Wahrheit über die Menschheit nicht aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden. Das ist vor allem für die demokratischen Gesellschaften wichtig, da eine der im Geheimnis unserer Schöpfung durch Gott enthaltenen Wahrheiten besagt, dass die menschliche Person „Wurzelgrund [...], Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist“ (Gaudium et spes, Nr. 25). Die uns eigene Würde und unsere unveräußerlichen Grundrechte sind nicht das Resultat gesellschaftlicher Regelungen: sie gehen allen gesellschaftlichen Vereinbarungen voraus und stellen jene Normen, die ihre Gültigkeit bestimmen. Die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ist eine bittere Warnung vor jenen Übeln, die immer dann entstehen, wenn die Menschen zu Objekten degradiert und durch selbstsüchtiges Gewinnstreben der Machthaber oder aus ideologischen Gründen manipuliert werden. Durch die Verkündigung der Wahrheit, dass Gott den Menschen vom Augenblick der Empfängnis an unschätzbare Würde und unveräußerliche Rechte gegeben hat, fördert ihr den Wiederaufbau der moralischen Fundamente einer wahren auf Freiheit begründeten Kultur, die fähig ist, jene autonomen Regierungsinstitutionen zu stützen, die dem Wohl aller dienen. 6. Es ist eine Tributleistung an die Kirche und an die Offenheit der amerikanischen Gesellschaft, dass viele Katholiken in den Vereinigten Staaten im politischen Leben tätig sind. Als Hirten und Lehrer ist es eure Aufgabe, die für das öffentliche Leben verantwortlichen Katholiken an das von ihnen übernommene Erbe der Reflexion über Sittengesetz, Gesellschaft und Demokratie zu erinnern, das sie in ihren Dienst mitbringen sollten. Euer Land ist stolz darauf, eine wirkliche Demokratie zu sein, aber Demokratie an sich ist ein moralisches Abenteuer, eine ständige Prüfung der Fähigkeit eines Volkes, sich selbst so zu regieren, dass damit dem Wohl der Gemeinschaft und des einzelnen Bürgers gedient ist. Das Überleben einer bestimmten Demokratie hängt nicht nur von ihren Institutionen ab, sondern wird in erster Linie von jenem Geist bestimmt, der ihr Vorgehen auf legislativer, administrativer und gerichtlicher Ebene inspiriert und durchdringt. Die Zukunft der Demokratie hängt in der Tat von der Fähigkeit einer Kultur ab, Männer und Frauen zu formen, die bereit sind, gewisse Wahrheiten und Werte zu verteidigen. Sie ist gefährdet, wenn Politik und Gesetz nicht mehr mit dem im menschlichen Herzen eingeschriebenen Moralgesetz verbunden sind. Wenn kein objektiver Standard vorhanden ist, der hilft, zwischen verschiedenen Auffassungen über das persönliche und gemeinschaftliche Wohl zu entscheiden, dann ist demokratische Politik nichts als ein roher Machtkampf. Wenn im Verfas-sungs- und Gesetzesrecht das objektive Moralgesetz nicht berücksichtigt wird, dann gehören Gerechtigkeit und Billigkeit, die Gegenstand persönlicher Meinung werden, zu den ersten Opfern. Die im öffentlichen Leben tätigen Katholiken leisten einen ganz besonders wichtigen Dienst an der Gesellschaft, wenn sie objektive 1058 AD-LIMINA-BES UCHE sittliche Normen als „das unerschütterliche Fundament und die zuverlässige Gewähr für ein gerechtes und friedliches menschliches Zusammenleben und damit für eine echte Demokratie“ schützen, denn es ist unsere gemeinsame Verpflichtung gegenüber diesen sittlichen Normen, die uns ermöglicht, die Gleichheit aller „in den Rechten und Pflichten vereinten“ Bürger zu erkennen und zu verteidigen (Veritatis splendor, Nr. 96). Ein von moralischem Relativismus gekennzeichnetes Klima ist mit Demokratie unvereinbar. Diese Art von Kultur kann auf Fragen von grundlegender Bedeutung für eine demokratische politische Gemeinschaft keine Antwort geben: „Warum sollte ich meine Mitbürger als meinesgleichen betrachten?“; „Warum sollte ich die Rechte eines anderen verteidigen?“; „Warum sollte ich mich für das Wohl aller einsetzen?“ (vgl. Veritatis splendor, Nr. 101). Daher möchte ich euch ermutigen, auch weiterhin klar und eindringlich über die grundlegenden moralischen Fragen der Menschen von heute zu sprechen. Das Interesse, mit dem viele eurer Dokumente in allen gesellschaftlichen Bereichen aufgenommen worden sind, beweist, dass ihr vor allem der katholischen Bürgerschaft und den katholischen Verantwortlichen in der Politik dringend notwendige Unterstützung gebt, wenn ihr sie an die grundlegende Verbindung zwischen Freiheit und Wahrheit erinnert. 7. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, eine Zeit der „Krise“ ist sowohl eine Zeit der Gelegenheit wie auch der Gefahr. Das gilt zweifellos für diese Krise der moralischen Kultur in der hochentwickelten Welt von heute. Der Aufruf des Zweiten Vatikanischen Konzils an das Volk Gottes, die Wahrheit über die menschliche Person in der Freude und Hoffnung, in der Trauer und im Schmerz unserer heutigen Welt zu bezeugen, ist an uns alle gerichtet und bestärkt uns in unserem persönlichen Einsatz für eine wirksame bischöfliche Führung im Hinblick auf die Neuevangelisierung. Indem ihr die Aufmerksamkeit der Gläubigen und all eurer Mitbürger auf die äußerst wichtigen moralischen Entscheidungen lenkt, mit denen sie konfrontiert sind, werdet ihr zur Erneuerung des sittlich Guten, von Solidarität und wahrer Freiheit beitragen, die die Vereinigten Staaten wie die ganze Welt so dringend brauchen. Von ganzem Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen und vertraue euer Dienstamt, die Priester und Ordensleute wie auch die Laien eurer Diözesen der Obhut Marias an, der Schutzheiligen der Vereinigten Staaten unter dem schönen Namen ihrer Unbefleckten Empfängnis. 1059 AD-LIMINA-BES UCHE Klar auf der Seite des Lebens stehen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Kalifornien, Nevada und Hawaii (USA) am 2. Oktober Sehr geehrter Herr Kardinal Mahony, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Freudig und herzlich begrüße ich euch, die Hirten der Kirche in Kalifornien, Nevada und Hawaii, anlässlich eures Besuchs „ad-limina-Apostolorum“. Eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus ist ein hervorragender Ausdruck der kirchlichen Bande, die eure Teilkirchen mit dem Stuhl Petri verbinden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Gläubigen auf der ganzen Welt sich auf die Feier des Großen Jubeljahrs 2000 vorbereiten, habe ich mich entschlossen, diese Reihe von Betrachtungen mit euch und euren Brüdern im Bischofsamt der Erneuerung des Kirchenlebens zu widmen, die das Zweite Vatikanische Konzil in die Wege geleitet hat. Dieses Konzil war ein Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche, und seine vollständige Umsetzung ist das beste Mittel, um zu gewährleisten, dass die katholische Gemeinschaft der Vereinigten Staaten im Glauben und in der Heiligkeit gestärkt in das neue Jahrtausend eintritt - mit einem wirksamen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft durch ihr Zeugnis für die Wahrheit über den Menschen, die in Jesus Christus offenbart wird (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Die wunderbare Verantwortung der Kirche in eurem Land besteht in der Tat darin, diese Wahrheit zu verbreiten, die „den Verstand erleuchtet und die Freiheit des Menschen formt, der auf diese Weise angeleitet wird, den Herrn zu kennen und zu lieben“ (vgl. Veritatis splendor, Vorwort). Wir sind dem Ende eines Jahrhunderts nahe, das mit dem Vertrauen in die Aussichten der Menschheit auf einen fast grenzenlosen Fortschritt begann, das aber jetzt mit einer weit verbreiteten Angst und sittlicher Verwirrung abschließt. Wenn wir einen neuen Frühling des menschlichen Geistes wünschen, müssen wir die Grundlagen der Hoffnung neu entdecken (vgl. Ansprache an die 50. Generalversammlung der Organisation der Vereinten Nationen am 5. Oktober 1995, Nm. 16-18). Vor allem sollte die Gesellschaft lernen, das große Geschenk des Lebens erneut mit offenen Armen aufzunehmen, es zu hegen und zu schützen und es gegen die Kultur des Todes zu verteidigen, die ihrerseits eine Ausdrucksform der großen Furcht ist, die unser Zeitalter heimsucht. Als Bischöfe besteht eine eurer edelsten Aufgaben darin, fest auf der Seite des Lebens zu stehen, die Menschen zu ermutigen, die es verteidigen, und mit ihnen eine echte Kultur des Lebens aufzubauen. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil war sich klar bewusst, welche Kräfte die zeitgenössische Gesellschaft gestalten, als es sich eindeutig zugunsten des Lebens und gegen die vielen Gefährdungen, die sich ihm in den Weg stellen, aussprach (vgl. Gaudium et spes, Nr. 27). Durch seine wohlgesetzte Darstellung der vollen Be- 1060 AD-LIMINA-BES U CHE deutung der ehelichen Liebe (vgl. ebd., Nm. 48-51) leistete das Konzil außerdem einen unschätzbaren Beitrag zur Kultur des Lebens. Den Weisungen des Konzils folgend und zur Erläuterung seiner Lehren verfasste Papst Paul VI. die prophetische Enzyklika Humanae vitae, deren dreißigjährigen Jahrestag wir dieses Jahr feiern. Darin beschrieb er die moralischen Implikationen der menschlichen Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit dem Schöpfer, wenn es darum geht, neues Leben in die Welt zu bringen. Der Schöpfer hat Mann und Frau geschaffen, damit sie einander in Liebe ergänzen, und ihre Verbindung ist nichts weniger als eine Beteiligung an der Schöpferkraft Gottes selbst. Eheliche Liebe dient dem Leben nicht nur in dem Sinne, dass sie neues Leben hervorbringt, sondern auch dadurch, dass sie -richtig verstanden als vollkommenes Sich-einander-Schenken der Eheleute - das liebevolle und fürsorgliche Umfeld bildet, wo das neue Leben vorbehaltlos aufgenommen wird als ein Geschenk von unschätzbarem Wert. Dreißig Jahre nach Humanae vitae sehen wir, dass irrige Auffassungen über die sittliche Unabhängigkeit des Individuums auch heute noch das Gewissen vieler Menschen und das Leben der Gesellschaft verletzen. Paul VI. wies auf manche der Folgen hin, die eine Trennung des einigenden Aspekts ehelicher Liebe von ihrer prokreativen Dimension nach sich zieht: fortschreitende Schwächung der sittlichen Disziplin, Trivialisierung der menschlichen Sexualität; Entwürdigung der Frau; eheliche Untreue, die oft zu zerrütteten Familienverhältnissen führt; staatlich organisierte Programme zur Geburtenkontrolle auf der Grundlage von aufgezwungener Empfängnisverhütung und Sterilisierung (vgl. Humanae vitae, Nr. 17). Die Einführung gesetzlich zulässiger Abtreibung und Euthanasie, eine immer breitere Verwendung künstlicher Befruchtungsmethoden sowie einige Formen der Genmanipulation und Experimente mit Embryos sind im Gesetz, im öffentlichen Leben und in der zeitgenössischen Kultur auch eng mit der Idee einer unbeschränkten Macht des Menschen über seinen Körper und sein Leben verknüpft. Die Lehre von Humanae vitae ehrt die eheliche Liebe, fördert die Würde der Frau und hilft den Ehepaaren, die Wahrheit ihres besonderen Weges zur Heiligkeit besser zu verstehen. Außerdem ist dies eine Antwort auf die Versuchung der zeitgenössischen Kultur, das Leben auf die Ebene eines Bedarfsgutes herabzusetzen. Als Bischöfe - und zusammen mit euren Priestern, Diakonen, Seminaristen und anderen in der Pastoral Tätigen - sollt ihr die richtigen Worte und Bilder finden, um diese Lehre in einer verständlichen und verpflichtenden Weise vorzustellen. Die Programme zur Ehevorbereitung wollen eine ehrliche und vollständige Darstellung des kirchlichen Lehramts über verantwortliche Fortpflanzung enthalten; außerdem sollten sie die natürlichen Methoden zur Fruchtbarkeitsbestimmung erläutern, deren Legitimität auf dem Respekt vor der menschlichen Bedeutung des Sexualverkehrs gründet. Die Ehepaare, die die Lehre Papst Pauls VI. befolgten, haben entdeckt, dass sie wahrlich eine Quelle tiefer Einheit und Freude ist, die von gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Achtung genährt wird. Sie sollten 1061 AD-LIMINA-BES UCHE aufgefordert werden, ihre Erfahrungen den Verlobten mitzuteilen, die an Ehevorbereitungskursen teilnehmen. 3. Einige Betrachtungen über einen ganz anderen Jahrestag können dazu dienen, den Sinn für die Dringlichkeit des Auftrags für das Leben zu schärfen. In den 25 Jahren seit der gerichtlichen Entscheidung, die die Abtreibungen in eurem Land legalisiert hat, hat es eine breit gefächerte Mobilisierung der Gewissen zugunsten des Lebens gegeben. Die Pro-Life Bewegung stellt einen der positivsten Aspekte des öffentlichen Lebens in Amerika dar, und die Unterstützung, die sie von den Bischöfen erhält, ist ein Tribut an eure pastorälen Führungsqualitäten. Trotz der großzügigen Bemühungen vieler Menschen wird immer noch die Ansicht vertreten, dass selbstgewählte Abtreibung ein „Recht“ sei. Darüber hinaus gibt es auch Anzeichen für eine schier unausdenkbare Gefühllosigkeit gegenüber dem, was während einer Abtreibung tatsächlich geschieht, wie bei den jüngsten Ereignissen im Zusammenhang mit der sogenannten „Teilgeburt“-Abtreibung offenbar wurde. Dies ist ein Grund zu schwerer Sorge. Eine Gesellschaft mit einem geschwächten Sinn für den Wert des menschlichen Lebens in seinen allerersten Phasen hat die Türe zu einer Kultur des Todes schon geöffnet. Als Hirten dürft ihr keine Mühe scheuen, um sicherzustellen, dass das Bewusstsein über die Schwere des Verbrechens der Abtreibung in den Gewissen immer wach bleibt, denn dieses Verbrechen kann durch keinen Umstand, Zweck oder Gesetz sittlich gerechtfertigt werden (vgl. Evangelium vitae, Nr. 62). Wer das Leben verteidigen möchte, muss alle möglichen Alternativen zur Abtreibung immer sichtbarer und zugänglicher machen. Eure neuere pastorale Erklärung Lights and Skadows (Licht und Schatten) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, Frauen in konfliktreichen Schwangerschaften zu unterstützen und Beratungsdienste für die Menschen anzubieten, die eine Abtreibung gehabt haben und danach mit den psychologischen und geistigen Nachwirkungen konfrontiert sind. Außerdem muss die vorbehaltlose Verteidigung des Lebens auch immer die Botschaft beinhalten, dass wahre Heilung möglich ist - durch Versöhnung mit dem Leib Christi. Im Geist des nahen Jubeljahrs 2000 sollten die amerikanischen Katholiken eine immer größere Bereitschaft zeigen, ihr Herz und Zuhause für „ungewollte“ und ausgesetzte Kinder, für junge Menschen in Schwierigkeiten, für Behinderte und andere, um die sich niemand kümmert, zu öffnen. 4. Die Kirche leistet der Nation darüber hinaus einen wahrhaft lebenswichtigen Dienst, wenn sie das Bewusstsein der Öffentlichkeit bezüglich der moralischen Unvertretbarkeit von Kampagnen für die Legalisierung des ärztlich unterstützten Freitods und der Euthanasie weckt. Euthanasie und Selbstmord stellen einen schweren Bruch des göttlichen Gesetzes dar (vgl. Evangelium vitae, Nm. 65 und 66); ihre Legalisierung führt zu einer direkten Gefährdung der Personen, die sich am wenigsten verteidigen können, und erweist sich als extrem schädlich für die demokratischen Grundlagen der Gesellschaft. Die Tatsache, dass Katholiken er- 1062 AD-L1MINA -BES U CHE folgreich mit den Mitgliedern anderer christlicher Gemeinschaften zusammengearbeitet haben, um sich den Bestrebungen nach Legalisierung des ärztlich unterstützten Freitodes zu widersetzen, ist ein sehr hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft eines öffentlichen ökumenischen Zeugnisses in eurem Land, und ich fordere euch nachdrücklich auf, eine immer breitere ökumenische und inter-religiöse Bewegung zur Verteidigung der Kultur des Lebens und der Zivilisation der Liebe aufzubauen. Während sich auf der einen Seite das ökumenische Zeugnis zugunsten des Lebens entwickelt, ist auf der anderen Seite ein großer lehramtlicher Einsatz nötig, um den wesentlichen sittlichen Unterschied klarzumachen zwischen der Einstellung medizinischer Verfahren, die manchmal extrem beschwerlich und gefährlich sind oder in keinem Verhältnis zum erhofften Ergebnis stehen - nämlich das, was der Katechismus der Katholischen Kirche als Ablehnung der „Therapie um jeden Preis“ bezeichnet (Nr. 2278; vgl. Evangelium vitae, Nr. 65) -, und der Verweigerung der normalen Mittel zum Erhalt des Lebens, wie Nahrung, Wasserzufuhr und normale medizinische Versorgung. Die Stellungnahme des Pro-Life Komitees der Bischöfe der Vereinigten Staaten Nutrition and Hydration: Moral and Pastoral Considera-tions (Nahrungs- und Wasserzufuhr: Sittliche und Pastorale Überlegungen) unterstreicht zu Recht, dass die Unterlassung von Nahrungs- und Wasserzufuhr in der Absicht, den Tod eines Patienten herbeizuführen, abgelehnt werden muss und dass man bei sorgfältiger Abwägung aller von der Annahme ausgehen sollte, dass alle Patienten, die es benötigen, unter ärztlicher Kontrolle Nahrung und Wasser erhalten. Diesen Unterschied zu verwischen bedeutet, eine Quelle zahlloser Ungerechtigkeiten und viel zusätzlicher Qual zu schaffen, sowohl für diejenigen, die schon an Krankheiten leiden oder deren Gesundheit altersbedingt abnimmt, als auch für ihre Angehörigen und Freunde. 5. In einer Kultur, die sich schwer tut, den Sinn des Lebens, Todes und Leidens zu definieren, verbreiten die Christen die Frohbotschaft des Sieges Christi über den Tod und der sicheren Hoffnung auf Auferstehung. Der Christ akzeptiert den Tod als höchsten Akt des Gehorsams gegenüber dem Vater, und er ist bereit, in der nur dem Vater bekannten „Stunde“ zu sterben (vgl. Mk 13,32). Das Leben ist ein Pilgerweg im Glauben zum Vater hin, und auf diesem Weg begleiten uns der Sohn und die Heiligen im Himmel. Genau deswegen kann die große Prüfung des Leidens sich in einen Quell des Guten verwandeln. Durch das Leid werden wir nämlich am Erlösungswerk Christi für die Kirche und die Menschheit beteiligt (vgl. Salvifici doloris, Nm. 14-24). Das ist der Fall, wenn dieses Leid „aus Liebe und mit Liebe, aus freiwilliger Hingabe an Gott und aus freier persönlicher Entscheidung in der Teilhabe am Leiden des gekreuzigten Christus selber gelebt wird“ CEvangelium vitae, Nr. 67). Die Arbeit der katholischen gesundheitlichen Einrichtungen zur Deckung der leiblichen und geistigen Bedürfnissen der Kranken ist eine Form der Nachahmung Christi, der - nach den Worten des hl. Ignatius von Antiochien - „ein Arzt des 1063 AD-LIMINA -BES UCHE Fleisches und des Geistes“ ist (Ad Ephesios, 7,2). Ärzte, Krankenschwestern und anderes Pflegepersonal haben es mit Menschen in Zeiten schwerer Prüfung zu tun - die daher einen scharfen Sinn für die Vergänglichkeit und Unsicherheit des Lebens entwickeln - und zwar gerade dann, wenn sie dem leidenden Jesus in Getse-mani und auf dem Kalvarienberg am ähnlichsten sind. Die Menschen, die für die medizinische Versorgung zuständig sind, sollten nie vergessen, dass sich ihre Arbeit auf Personen bezieht, auf einzigartige Individuen, in denen Gottes Abbild auf ganz spezielle Art gegenwärtig ist und in die er seine unendliche Liebe investiert hat. Die Krankheit eines Angehörigen, Freundes oder Nachbarn ist ein Aufruf an die Christen, wahres Mitleid zuzeigen, das heißt liebevolle und ausdauernde Teilnahme am Schmerz des anderen. Ebenso dürfen Behinderte und Kranke nie den Eindruck haben, dass sie eine Last sind; sie sind Menschen, die der Herr besucht. Besonders Kranke in der Endphase verdienen die Solidarität, Gemeinschaft und Zuneigung ihrer Umgebung; sie empfinden oft das Bedürfnis, zu vergeben und selbst Vergebung zu erhalten und Frieden mit Gott und ihren Mitmenschen zu schließen. Alle Priester sollten die seelsorgerische Bedeutung des Sakraments der Krankensalbung verstehen, vor allem wenn sie der Auftakt zur letzten Reise zum Haus des Vaters ist, das heißt wenn ihre Bedeutung als sacramentum exeuntium besonders deutlich ist (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1523). 6. Ein wesentlicher Aspekt der Förderung des unveräußerlichen Rechtes auf Leben - von der Zeugung bis zum natürlichen Tod - ist die Bemühung um gesetzlichen Schutz zugunsten der Ungeborenen, der Behinderten, der älteren Menschen und der unheilbar Kranken. Als Bischöfe sollt ihr auch in Zukunft die Aufmerksamkeit der Leute auf die Beziehung zwischen Sittengesetz, Verfassung und positiver Gesetzgebung in eurer Gesellschaft lenken: „Auf diese Weise befinden sich die Gesetze, die [...] die unmittelbare Tötung unschuldiger Menschen für rechtmäßig erklären, in totalem und unversöhnlichem Widerspruch zu dem allen Menschen eigenen unverletzlichen Recht auf Leben und leugnet somit die Gleichheit aller vor dem Gesetz“ (Evangelium vitae, Nr. 72). Was hier auf dem Spiel steht, ist nichts Geringeres als die untrennbare Wahrheit über das menschliche Wesen, auf die die Väter eures Landes ihren Anspruch auf Unabhängigkeit gründeten. Das Leben einer Nation besteht aus vielmehr als nur der materiellen Entwicklung oder ihrem Einfluss in der Welt. Eine Nation braucht eine „Seele“. Ein Land braucht Weisheit und Mut, um die sittlichen Übel und geistlichen Versuchungen zu überwinden, die ihrem Weg durch die Geschichte eigen sind. In Gemeinschaft mit allen, die der „Kultur des Todes“ eine „Kultur des Lebens“ vorziehen, müssen die Katholiken -darunter vor allem die katholischen Gesetzgeber - auch in Zukunft ihre Stimme bei der Formulierung kultureller, wirtschaftlicher, politischer und gesetzgeberischer Programme erheben, „die unter Achtung aller und nach der Logik des demokratischen Zusammenlebens zum Aufbau einer Gesellschaft beitragen sollen, in der die Würde jedes Menschen anerkannt und geschützt und das Leben aller verteidigt und gefördert wird“ (Evangelium vitae, Nr. 90). Die Demokratie „steht und 1064 AD-LIMINA-BES U CHE fällt mit den Werten, die sie verkörpert und fördert“ (Evangelium vitae, Nr. 70). Wenn ihr das Leben verteidigt, verteidigt ihr damit auch einen ursprünglichen und lebenswichtigen Teil der Weltanschauung, auf die eure Nation gegründet wurde. Amerika muss wieder zu einem aufnahmebereiten Land werden, wo jedes ungeborene Kind und jeder Behinderte oder unheilbare Kranke liebevoll umsorgt ist und gesetzlichen Schutz genießt. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt! Die katholische Sittenlehre ist ein wesentlicher Teil unseres Glaubenserbes; wir wollen dafür sorgen, dass sie getreu weitergegeben wird, und angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Gläubigen vor der Täuschung andersartiger Auffassungen zu schützen (vgl. Veritatis splendor, Nm. 26 und 113). Obwohl die Kirche oft als ein Zeichen des Widerspruchs auftritt, so setzt sie sich doch - wenn sie das ganze Sittengesetz mit Entschlossenheit und Bescheidenheit verteidigt - für die Wahrheiten ein, die für das Wohl der Menschheit und für den Erhalt der Zivilisation selbst unentbehrlich sind. Unsere Weisungen sollen klar verständlich sein; sie sollen das Drama unseres Zustands als Menschen anerkennen, in dem wir alle gegen die Sünde kämpfen und in dem wir - mit Hilfe der göttlichen Gnade - nach dem Guten streben wollen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 13). Wir als Lehrer müssen vor allem „den faszinierenden Glanz jener Wahrheit aufzeigen, die Jesus Christus selber ist“ (Veritatis splendor, Nr. 83). Ein sittliches Leben zu leben bedeutet auch, an der Gestalt Jesu festzuhalten, sein Leben und Schicksal zu teilen und seinen frei gewählten und liebevollen Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters nachzuahmen. Möge eure Treue zum Herrn und die Verantwortung für die Kirche, die er euch anvertraut hat, euch persönlich wachsam machen, um sicherzustellen, dass nur eine einwandfreie Glaubens- und Sittenlehre als kirchliche Weisung verbreitet wird. Ich bitte Unsere Liebe Frau um ihre Fürsprache für euer Amt und spende euch und den Priestern, Ordensleuten und Laiengläubigen eurer Diözesen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Für eine allgemeine Modernisierung der katholischen Welt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Washington, Oregon, Idaho, Montana und Alaska (USA) am 9. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit brüderlicher Liebe im Herrn heiße ich euch, die Hirten der Kirchen im Nordwesten der Vereinigten Staaten, anlässlich eures Ad-limina-Besuchs willkommen. Diese Reihe von Besuchen der Bischöfe eures Landes bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus sowie beim Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern im Dienst für die Universalkirche findet zu einer Zeit statt, wo das ganze Gottesvolk sich darauf vorbereitet, das Große Jubeljahr 2000 zu feiern und in ein 1065 AD-LIMINA-BESUCHE neues Jahrtausend der Christenheit einzutreten. Der 2000. Jahrestag der Geburt des Erlösers stellt einen Aufruf an alle Jünger Christi dar, sich um eine wahre Bekehrung zu Gott und um ein bedeutendes Wachstum in Heiligkeit zu bemühen. Da die Liturgie eine solch zentrale Rolle im christlichen Leben spielt, möchte ich heute einige Aspekte der liturgischen Erneuerung erörtern, für die das II. Vatikanische Konzil so energisch eingetreten ist - als wesentliches Mittel für eine allgemeine Modernisierung der katholischen Welt. Wenn wir auf das zurückblicken, was sich im Bereich der liturgischen Emeuemng in den Jahren seit dem II. Vatikanischen Konzil getan hat, dann sehen wir zuallererst viele Gründe für aufrichtigen Dank und Lob an die Allerheiligste Dreifaltigkeit für das bemerkenswerte Bewusstsein, das die Gläubigen bezüglich ihrer Rolle und Verantwortung bei diesem priesterlichen Auftrag Christi und seiner Kirche entwickelt haben. Außerdem bemerken wir, dass nicht alle Veränderungen immer und überall von der nötigen Erklärung und Katechese begleitet waren; das Ergebnis davon war, dass es in manchen Fällen zu einem Missverständnis über das Wesen der Liturgie selbst gekommen ist, das zu Missbrauch, Polarisierung und manchmal sogar zu ernsthaften Skandalen geführt hat. Nach einer über dreißigjährigen Erfahrung mit der liturgischen Emeuemng sind wir jetzt gut gerüstet, um sowohl die Stärken als auch die Schwächen des bisher Getanen zu bewerten, damit wir unseren Kurs in die Zukunft, die Gott für sein geliebtes Volk im Sinn hat, mit größerem Vertrauen abstecken können. 2. Die Herausforderung besteht nun darin, alle Meinungsverschiedenheiten der Vergangenheit hinter uns zu lassen und ein richtiges Gleichgewicht zu erreichen, vor allem indem wir tiefer in die kontemplative Dimension des Gottesdienstes ein-dringen; sie umfasst nämlich auch ein Gefühl der Ehrfurcht, Verehrung und Anbetung, die allesamt grundlegende Einstellungen in unserem Verhältnis zu Gott darstellen. Dies kann nur dann geschehen, wenn wir die jeweils doppelte Dimension der Liturgie erkennen: ortsgebunden und weltweit, zeitgebunden und ewig, horizontal und vertikal, subjektiv und objektiv. Genau diese Spannungen geben dem katholischen Gottesdienst seine kennzeichnende Prägung. Die Universalkirche ist in einem einzigen, großen Lob Gottes vereint; es handelt sich dabei aber immer um den Gottesdienst einer speziellen Gemeinschaft innerhalb einer speziellen Kultur. Es ist die ewige Verehrung des Himmlischen, die zugleich aber auch in die Zeit eingebettet ist. Sie versammelt und bildet eine menschliche Gemeinschaft, ist aber ebenfalls „Anbetung der göttlichen Majestät“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 33). Der Gottesdienst ist subjektiv in dem Sinne, dass er im Grundsatz von den Dingen abhängt, die die Gläubigen dazu beitragen; er ist aber auch objektiv in dem Sinne, dass er über sie hinausgeht als die priesterliche Handlung Christi selbst, an der er uns beteiligt, die aber in letzter Instanz nicht von uns abhängt (vgl. ebd., Nr. 7). Deshalb ist es so wichtig, dass die liturgischen Normen respektiert werden. Der Priester, als Diener der Liturgie und nicht als ihr Erfinder oder Hersteller, trägt in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung, damit die Litur- 1066 AD-LIMINA-BESUCHE gie nicht ihrer wahren Bedeutung entleert und ihr Weihecharakter nicht verdeckt wird. Im Mittelpunkt des Geheimnisses des christlichen Gottesdienstes steht die Opfergabe Christi, die dem Vater dargebracht wird, und das Werk des auferstandenen Christus, der sein Volk durch die liturgischen Zeichen heiligt. Es ist daher wesentlich, dass das unerschöpfliche Mysterium des Priesteramts Christi bei dem Versuch, immer tiefer in die kontemplative Dimension des Gottesdienstes einzudringen, vollständig erkannt und geachtet wird. Alle Getauften haben an dem einen Priestertum Christi Anteil, aber nicht alle auf die gleiche Weise. Das Amtspriestertum, das in der Apostelnachfolge wurzelt, überträgt den geweihten Priestern Rechte und Pflichten, die sich von denen der Laien unterscheiden, die aber in den Dienst des gemeinsamen Priestertums gestellt sind und sich auf die Entfaltung der Taufgnade aller Christen beziehen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1547). Der Priester ist also nicht einfach ein Vorsitzender, sondern derjenige, der in der Person Christi handelt. 3. Nur durch eine radikale Treue zu dieser lehramtlichen Grundlage können wir eindimensionale und einseitige Interpretationen der Weisungen des Konzils vermeiden. Die Teilhabe aller Getauften an dem einen Priestertum Jesu Christi ist der Schlüssel zum Verständnis des konziliaren Aufrufs zu einer „vollen, bewußten und tätigen Teilnahme“ an den liturgischen Feiern (Sacrosanctum concilium, Nr. 14). Volle Teilnahme bedeutet mit Sicherheit, dass jedes Glied der Gemeinschaft eine Rolle in der Liturgie zu spielen hat, und in dieser Hinsicht ist in den Pfarreien und Gemeinden überall in eurem Land sehr viel erreicht worden. Volle Teilnahme bedeutet allerdings nicht, dass jeder für alles zuständig ist, denn das würde zu einer Klerikalisierung der Laien und zu einer Laisierung der Priester führen, und das entspricht nicht den Absichten des Konzils. Die Liturgie ist - wie die Kirche - hierarchisch und vielstimmig angelegt; dabei sollen die von Christus zugeteilten, verschiedenen Rollen respektiert werden und alle Stimmen die Möglichkeit haben, sich zu einem großen Lobpreis miteinander zu verbinden. Tätige Teilnahme bedeutet mit Sicherheit, dass alle Mitglieder der Gemeinschaft in ihren Gesten, Worten, Gesängen und Diensten an einem Akt der Anbetung beteiligt sind, der alles andere als inaktiv oder passiv ist. Trotzdem schließt eine tätige Teilnahme die „aktive Passivität“ der Stille, der Ruhe und des Zuhörens nicht aus; ja im Gegenteil: Sie fordert das sogar. So sind die Kirchgänger zum Beispiel nicht passiv, wenn sie die Lesungen oder die Predigt hören oder wenn sie den Gebeten des Zelebranten, den Liedern und der Musik während der Liturgie folgen. Dies sind Erfahrungen der Stille und Ruhe, und dennoch sind sie auf eine besondere Weise durch und durch aktiv. In einer Kultur, die meditative Ruhe weder fördert noch begünstigt, ist die Kunst des innerlichen Zuhörens recht schwer zu erlernen. Hier sehen wir, dass die Liturgie zwar einerseits immer richtig inkulturiert werden, anderseits aber auch gegen die kulturellen Strömungen schwimmen soll. Bewusste Teilnahme erfordert, dass die ganze Gemeinschaft adäquat über die Geheimnisse der Liturgie belehrt wird, damit die Erfahrung der Liturgie nicht zu ei- 1067 AD-LIMINA-BES U CHE ner Form von Ritualismus verkommt. Das bedeutet aber nicht, dass innerhalb der Liturgie selbst der Versuch unternommen werden sollte, das Implizite explizit zu machen, sonst kommt es leicht zu Langatmigkeit und Formalität, die nicht zum Römischen Ritus passen und durch die der Akt der Anbetung zu guter Letzt entwürdigt wird. Auch bedeutet es nicht, dass jede Art von Erfahrung im Unterbewusstsein unterdrückt werden sollte; in der Tat ist eine solche Erfahrung lebenswichtig in einer auf Symbole gestützten Liturgie, wobei diese Symbole sowohl das Unterbewusstsein als auch das Bewusstsein des Menschen ansprechen. Die Verwendung der Landessprache hat sicherlich die Schätze der Liturgie allen Teilnehmern zugänglich gemacht, das heißt aber nicht, dass die lateinische Sprache - und vor allem die Gesänge, die so wunderbar zum Geist des Römischen Ritus passen -vollkommen aufgegeben werden sollte. Wenn die unterschwellige Erfahrung beim Gottesdienst ignoriert wird, wird in den Gefühlen und der Verehrung ein Vakuum verursacht, und die Liturgie läuft Gefahr, nicht nur allzu wortreich, sondern auch allzu vergeistigt zu werden. Auch in dieser Hinsicht zeichnet sich der Römische Ritus durch sein Gleichgewicht zwischen Sparsamkeit und Gefühlsreichtum aus: Er nährt das Herz und den Geist, den Leib und die Seele. Es ist zu Recht gesagt worden, dass in der Kirchengeschichte jede wahre Erneuerung mit einer nochmaligen Lesung der Kirchenväter verbunden war. Was im allgemeinen gilt, gilt insbesondere für die Liturgie. Die Kirchenväter waren Hirten mit einem brennenden Eifer für ihre Aufgabe der Ausbreitung des Evangeliums; deshalb waren sie an allen Dimensionen des Gottesdienstes stark interessiert und haben uns darüber einige der bedeutendsten und zeitlosesten Texte der christlichen Überlieferung hinterlassen, die alles andere als das Ergebnis eines sterilen Ästhetizismus sind. Die Väter waren eifrige Prediger, und es ist schwer, sich eine wirksame Erneuerung der katholischen Predigt vorzustellen - wie es das Konzil gewünscht hat - ohne eine ausreichende Kenntnis der patristischen Tradition. Das Konzil sprach sich für eine homiletische Art des Predigens aus, in der - wie bei den Kirchenvätern - die Bibeltexte in einer Weise ausgelegt werden, die den Gläubigen ihre unerschöpflichen Schätze zugänglich macht. Die Bedeutung der Predigttätigkeit im katholischen Gottesdienst seit dem Konzil erfordert auch, dass Priester und Diakone in der Verwendung der Bibel gut unterwiesen werden sollten. Das setzt aber auch eine gewisse Vertrautheit mit der gesamten patristischen, theologischen und sittlichen Überlieferung voraus sowie eine profunde Kenntnis ihrer jeweiligen Gemeinschaft und der Gesellschaft im allgemeinen. Anderenfalls vermittelt man den Eindruck einer Belehrung ohne Wurzeln und ohne die universale Anwendung, die der Botschaft des Evangeliums eigen ist. Die ausgezeichnete Zusammenfassung des reichen Lehramts der Kirche, die wir im Katechismus der Katholischen Kirche finden, muss noch stärker in ihrem Einfluss auf die katholischen Predigten empfunden werden. 4. Es ist darüber hinaus wesentlich, sich klar vor Augen zu halten, dass die Liturgie ganz eng mit dem Evangelisierungsauftrag der Kirche verknüpft ist. Wenn 1068 AD-LIMINA-BESUCHE diese zwei nicht Hand in Hand gehen, werden beide straucheln. In dem Maße, wie die Entwicklungen in der liturgischen Erneuerung oberflächlich oder unausgeglichen sind, werden unsere Bemühungen zur Neuevangelisierung gefährdet; und in dem Maße, wie wir unser Augenmerk von der Neuevangelisierung ablenken, wird auch unsere liturgische Erneuerung auf äußerliche und möglicherweise sogar unvertretbare Anpassung beschränkt. Der Römische Ritus war immer eine Form des Gottesdienstes, die der Mission diente. Deshalb ist er vergleichsweise kurz: Es gab noch viel außerhalb der Kirche zu tun. Und deshalb haben wir auch die Entlassungsformel „Ite, missa est“, in der der Begriff „Messe“ verwendet wird: Die Gemeinschaft wird ausgesandt, dem Gebot Christi gehorsam die Welt zu evangelisie-ren (vgl. Mt 28,19-20). Als Hirten seid ihr euch vollkommen bewusst, dass die Menschen von heute nach Gott dürsten und das Bedürfnis zu beten empfinden. Der Weltjugendtag in Denver war ein hervorragender Beweis dafür, dass auch die jüngere Generation der Amerikaner sich nach einem tiefen und anspruchsvollen Glauben an Jesus Christus sehnt. Die jungen Menschen wollen eine aktive Rolle in der Kirche spielen und im Namen Christi hinausgeschickt werden, um ihre Umwelt zu evangelisieren und zu verwandeln. Sie sind bereit, sich für die Botschaft des Evangeliums zu engagieren, wenn diese ihnen in ihrer ganzen Schönheit und befreienden Kraft vorgestellt wird. Sie werden auch in Zukunft aktiv an der Liturgie teilnehmen, wenn sie diese Liturgie als etwas erfahren, dass sie zu einer tiefen persönlichen Beziehung zu Gott führen kann; und genau aus dieser Erfahrung werden sich Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben entwickeln, die von einem echten „evangelischen“ und missionarischen Elan geprägt sind. In diesem Sinne fordern die Jugendlichen die ganze Kirche zum nächsten Schritt bei der Umsetzung der Auffassung über den Gottesdienst auf, die das Konzil uns hinterlassen hat. Von den ideologischen Bürden früherer Zeiten unbelastet, können sie einfach und direkt über ihren Wunsch nach einer Gotteserfahrung sprechen - vor allem im öffentlichen und privaten Gebet. Wenn wir ihnen zuhören, liebe Brüder, könnten wir sogar das hören, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,11). 5. Im Rahmen unserer Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 wird 1999 der Person des Vaters und der Darstellung seiner barmherzigen Liebe gewidmet sein. Die Initiativen für das kommende Jahr sollten die Aufmerksamkeit vor allem auf das Wesen des christlichen Lebens lenken als „große Pilgerschaft zum Haus des Vaters, dessen unbedingte Liebe zu jedem menschlichen Geschöpf und besonders zum ,verlorenen Sohn‘ man jeden Tag wiederentdeckt“ (Tertio millennio adve-niente, Nr. 49). Im Mittelpunkt dieser Pilgererfahrung steht unsere Reise als Sünder in die unergründlichen Tiefen der Kirchenliturgie, der Liturgie der Schöpfung und des Himmels - sie alle sind letztendlich Anbetung Jesu Christi, des Ewigen Priesters. In ihm werden die Kirche und alle Geschöpfe in das Leben der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, unser wahres Zuhause, hineingezogen. Dies ist der Zweck all unseres Gottesdienstes und unserer ganzen Evangelisierung. 1069 AD-LIMINA-BESUCHE Im Zentrum der Kirchengemeinschaft finden wir die Mutter Christi und Mutter der Kirche, welche die Frohbotschaft, die Christus selbst ist, aus den Tiefen ihres kontemplativen Glaubens hervorbringt. Mit euch zusammen bete ich dafür, dass die amerikanischen Katholiken bei ihrer Liturgie das gleiche Lied in ihrem Herzen haben, das sie damals gesungen hat: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter [...] Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,46.49). So empfehle ich die Priester, Ordensleute und Laiengläubigen eurer Diözesen dem liebevollen Schutz der seligen Jungfrau und spende euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Vielschichtige Bedeutung des Eherechts für die Verkündigung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Colorado, Wyoming, Utah, Arizona und New Mexico (USA) am 17. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude begrüße ich euch, die Hirten der Kirche in den US-Staaten Colorado, Wyoming, Utah, Arizona und New Mexico. Euer Ad-limina-Besuch führt euch zu „Kephas“ (vgl. Gal 1,18) und sollte im Leben der Kirchen, die ihr leitet, eine Gelegenheit sein, „die Einheit in demselben Glauben, in der Hoffnung und Liebe zu stärken und das riesige Erbe spirituellen und moralischen Reichtums immer besser zu erkennen und zu schätzen, das die ganze Kirche, durch das Band der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom vereint, über die ganze Welt verstreut hat“ (vgl. Pastor bonus, Anhang I, Nr. 3). In dieser Reihe von Treffen mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten habe ich betont, dass die getreue und engagierte Umsetzung der Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils der Weg ist, den der Heilige Geist der ganzen Kirche für ihre Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 und den Beginn des neuen Jahrtausends aufzeigt. Die Erneuerung des christlichen Lebens, die an erster Stelle der konziliaren Arbeit stand, ist auch das Ziel, das Papst Johannes XXIII. vor Augen hatte, als er eine Neubearbeitung des Codex des kanonischen Rechtes forderte (vgl. Ansprache an die römischen Kardinäle, 25. Januar 1959); dieser Wunsch wurde von den Konzilsvätern aufgegriffen (vgl. Christus Dominus, Nr. 44). Nach vielen Anstrengungen brachte diese Überholung Frucht im neuen Codex Iuris Canonici - 1983 in Kraft getreten - und dem Codex Canonum Ecclesiarum Orienta-lium, der 1990 in Kraft trat. Heute möchte ich über verschiedene Aspekte eures Amtes in Bezug auf den Stellenwert des Rechts in der Kirche nachdenken. 2. Der unmittelbare Zweck einer Neubearbeitung des CIC war die Gewährleistung, dass der Codex auch wirklich die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils darstellte. Da die Weisungen des Konzils auf die Weckung frischer Energien 1070 AD-L1MINA-BESUCHE für eine Neuevangelisierung abzielten, ist es offensichtlich, dass die Überholung des CIC zu der Reihe von Gnaden und Gaben gehört, die der Heilige Geist so reichlich über die kirchliche Gemeinschaft ausgeschüttet hat, damit sie in Treue zu Christus in das neue Jahrtausend eintritt und sich bemüht, „der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 56). Um die Verbindung zwischen Gesetz und Evangelisierung besser zu verstehen, müssen wir unser Augenmerk auf die biblischen Wurzeln des Rechtes in der Kirche richten. Das Alte Testament betrachtet die Thora als das größte Geschenk Gottes an Israel, und auch heute noch feiert das jüdische Volk jedes Jahr das „Fest der Gesetzesfreude“. Die Thora ist ein großes Geschenk, denn sie eröffnet dem Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort den Weg eines immer neuen Exodus. Für uns - genauso wie für das Volk Israel - ist die Hauptfrage folgende: Vor langer Zeit haben sich unsere Vorfahren von der ägyptischen Sklaverei befreit, aber wie können wir uns jetzt von der Sklaverei befreien, die uns erdrückt, von dem Ägypten unserer eigenen Zeit und unseres eigenen Umfelds? Die biblische Antwort dazu ist: Ihr werdet Freiheit finden, wenn ihr dieses göttliche Gesetz befolgt. Im Mittelpunkt der biblischen Offenbarung steht also das Geheimnis eines befreienden Gehorsams, der seine höchste Ausdruckform im gekreuzigten Christus erreicht: Er war „gehorsam bis zum Tod“ (Phil 2,8). Dieser äußerste Gehorsam machte die endgültige Befreiung an Ostern möglich. Innerhalb der Kirche ist demnach der Zweck des Gesetzes der Schutz und die Förderung der „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Rom 8,21). Das ist die Frohbotschaft, die wir im Auftrag Christi der Welt vermitteln sollen. Das Gesetz als geistig befreiend zu betrachten, geht gegen den Strom einer gewissen Rechtsauffassung in der abendländischen Kultur, die das Gesetz eher als ein notwendiges Übel ansieht als eine Art Kontrolle, die zum Schutz unsicherer Menschenrechte und zur Eindämmung abwegiger menschlicher Leidenschaften nötig ist, das aber in der besten aller möglichen Welten verschwinden soll. Weder entspricht das der biblischen Einstellung, noch kann das die Auffassung der Kirche sein. Autorität in der Kirche - als geweihtes Amt im Dienst der Verkündigung des Wortes Gottes und der Heiligung der Gläubigen - kann nur als Mittel zur Entfaltung des christlichen Lebens in Übereinstimmung mit den radikalen Forderungen des Evangeliums verstanden werden. Das Kirchenrecht gibt der Gemeinschaft oder dem Sozialgefüge der Kirche ihre Gestalt, wobei das oberste Ziel, nämlich das Heil der Seelen, immer im Auge behalten wird (vgl. CIC, cann. 747, 978, 1752). Da dieses höchste Ziel vor allem durch das neue Leben im Geist erreicht wird, zielen die gesetzlichen Vorschriften auf den Schutz und die Förderung des christlichen Lebens durch eine Regelung der Glaubenspraxis, der Sakramente, der Nächstenliebe und der kirchlichen Leitung ab. 1071 AD-LIMINA -BESUCHE 3. Das Gemeinwohl, das vom Gesetz verteidigt und unterstützt wird, ist nicht einfach eine äußerliche Ordnung, sondern die Summe der Bedingungen, die die geistige und innere Wirklichkeit der Gemeinschaft mit Gott und der Gemeinschaft zwischen allen Mitgliedern der Kirche möglich machen. Demzufolge sind die kirchlichen Gesetze im allgemeinen im Gewissen verpflichtend. In anderen Worten: Der Gehorsam gegenüber dem Gesetz ist nicht einfach eine äußere Unterwerfung unter die Autorität, sondern ein Mittel, um unter der Leitung und durch die Gnade des Heiligen Geistes im Glauben, in der Liebe und in der Heiligkeit zu wachsen. In diesem Sinne besitzt das kanonische Recht besondere Eigenschaften, die es vom Zivilrecht unterscheiden und eine Übertragung der Rechtsstrukturen der bürgerlichen Gesellschaft auf die Kirche ohne die notwendigen Abänderungen und Anpassungen ausschließen. Es ist nötig, diese Besonderheiten zu verstehen, um manche der Schwierigkeiten überwinden zu können, die in letzter Zeit in bezug auf das Verständnis, die Auslegung und Anwendung des kanonischen Rechts aufgetreten sind. Unter diesen Besonderheiten ist auch der pastorale Charakter des Gesetzes und der Rechtsprechung in der Kirche zu nennen. In der Tat ist der pastorale Charakter des kanonischen Rechts der Schlüssel zu einem korrekten Verständnis kanonischer Billigkeit, also jener Einstellung des Geistes und Gewissens, die die Strenge des Gesetzes mildert, um ein höheres Wohl zu fördern. In der Kirche ist Billigkeit eine Ausdrucksform der Liebe in der Wahrheit; sie zielt auf eine höhere Gerechtigkeit ab, die mit dem übernatürlichen Wohl des Individuums und der Gemeinschaft übereinstimmt. Daher sollte die Arbeit des Hirten und des Richters von Billigkeit geprägt sein; sie sollen sich ständig am Guten Hirten orientieren und „die Niedergeschlagenen trösten, die in die Irre Gegangenen leiten und die Rechte derer anerkennen, die verletzt, verleumdet oder zu Unrecht gedemütigt worden sind“ (Paul VI., Ansprache an die Römische Rota, 8. Februar 1973). Verschiedene Elemente wie Dispensierung, Toleranz, Gründe zur Befreiung oder Entschuldigung und „epikeia“ dürfen nicht als Faktoren angesehen werden, die die Gesetzeskraft mindern, sondern im Gegenteil als solche, die sie ergänzen, da sie ja tatsächlich die Verwirklichung des Hauptzwecks des Gesetzes gewährleisten. Ebenso ist ein kirchlicher Tadel nicht Strafe, sondern Therapie, um den Sünder zur Bekehrung zu veranlassen. Jedes Gesetz in der Kirche hat Wahrheit und Liebe als konstitutive Elemente und primäre Motivation. 4. Der Codex definiert die Pflichten der Bischöfe bezüglich der Einrichtung von Gerichten und ihrer Tätigkeit. Es reicht nicht aus, sicherzustellen, dass die Diöze-sangerichte mit dem nötigen Personal und den nötigen Mitteln zu ihrer vollen Funktionstüchtigkeit ausgestattet sind. Ihr seid als Bischöfe dafür verantwortlich -und ich fordere euch auf, besonders aufmerksam darüber zu wachen -, dass die Diözesangerichte ihr Amt der Wahrheit und Gerechtigkeit treu ausüben. In meinem eigenen Amt habe ich das Gewicht dieser besonderen Verantwortung immer gespürt. Als Nachfolger Petri habe ich allen Grund zur Dankbarkeit gegenüber 1072 AD-LIMINA-BES U CHE meinen Mitarbeitern an den verschiedenen Gerichtshöfen des Apostolischen Stuhles: Besonders die Apostolische Pönitentiarie, der Oberste Gerichtshof der Apostolischen Signatur und das Gericht der Römischen Rota unterstützen mich in jenen Bereichen meines Amtes, die mit einer rechten Justizverwaltung Zusammenhängen. Das kanonische Recht berührt alle Aspekte des Lebens der Kirche und überträgt daher dem Bischof vielerlei Verantwortung; auf dem Gebiet des Eherechts ist diese Verantwortung allerdings besonders spürbar und vielschichtig. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine Lehre, die auf Christus selbst zurückgeht, und deshalb besteht die Hauptaufgabe von Hirten und Pastoralarbeitem darin, den Ehepaaren bei der Überwindung aller möglichen Schwierigkeiten zu helfen. Die Weiterleitung von Eheproblemen an das Gericht sollte nur der allerletzte Ausweg sein. Wenn man den Gläubigen erklären möchte, was eine Nichtigkeitserklärung ist, muss man sehr vorsichtig verfahren, um die Gefahr zu vermeiden, dass sie als eine Art Scheidung unter anderem Namen aufgefasst wird. Das Gericht übt ein Amt der Wahrheit aus: Unmittelbares Ziel seiner Prozesse ist es, „festzustellen, ob Fakten vorhanden sind oder nicht, die nach natürlichem, göttlichem oder kirchlichem Recht die Eheschließung ungültig machen, so daß man zu einem wahren und gerechten Urteil über die behauptete Nichtigkeit des Ehebandes kommen kann“ (.Ansprache an die Römische Rota, 4. Februar 1980, Nr. 2). Der Prozess, der zu einer gerichtlichen Entscheidung über die angebliche Nichtigkeit einer Ehe führt, sollte zwei Aspekte der pastoralen Sendung der Kirche heraussteilen: Erstens sollte klar der Wunsch zum Ausdruck kommen, der Lehre des Herrn über die Dauerhaftigkeit der sakramentalen Ehe treu zu sein. Zweitens sollte diese Entscheidung von echter pastoraler Sorge gegenüber den Menschen inspiriert sein, die das Gericht um Hilfe bei der Klärung ihres Status innerhalb der Kirche bitten. 5. Die Gerechtigkeit erfordert, dass die Arbeit der Gerichte gewissenhaft und in voller Übereinstimmung mit den Weisungen und Verfahren des kanonischen Rechts durchgeführt werde. Als Moderatoren eurer Diözesangerichte seid ihr verpflichtet, die Qualifikation der Mitglieder des Gerichtshofes zu überprüfen (vgl. cann. 1420, 4; 1421, 3; 1428, 2; 1435), das heißt, diese müssen Doktoren oder wenigstens Lizentiaten des kanonischen Rechtes sein. Wenn dies nicht der Fall ist, brauchen sie eine spezielle Dispens der Apostolischen Signatur, nachdem sie eine besondere Ausbildung für dieses Amt erhalten haben. Was die verschiedenen Amtsträger im Gericht anbetrifft, fordere ich euch nachdrücklich auf, darüber zuwachen, dass der Bandverteidiger all das sorgfältig vorträgt und erläutert, was vernünftigerweise gegen die Nichtigkeit der Ehe ins Feld geführt werden kann (vgl. can. 1432). Bischöfe, deren Gerichte für Verfahren in zweiter Instanz zuständig sind, sollten sich darum bemühen, dass ihre Gerichte diese Zuständigkeit ernst nehmen und nicht nur eine fast automatische Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils ausstellen. 1073 AD-LIM1NA-BESUCHE In einem Eheverfahren haben beide Parteien Rechte, die es unbedingt zu achten gilt, einschließlich des Rechtes auf Anhörung bei der Formulierung des Zweifels, das Recht zu wissen, auf welcher Grundlage das Verfahren entschieden wird, das Recht auf Zeugenbenennung, das Recht auf Akteneinsicht, das Recht auf Kenntnisnahme und Widerlegung der Argumente der Gegenseite und des Bandverteidigers sowie das Recht auf Erhalt einer Abschrift des endgültigen Urteils. Die Parteien sollen über die Möglichkeiten einer Anfechtung des Urteils belehrt werden, einschließlich des Rechts auf Berufung vor dem Gericht der Römischen Rota in zweiter Instanz. In Bezug auf Fälle mit psychisch unfähigen Personen, d. h. im Falle von ernsthaften psychischen Problemen, die eine Person zum rechtsgültigen Eheschluss unfähig machen (vgl. can. 1095), soll das Gericht einen Fachmann der Psychologie oder Psychiatrie hinzuziehen, der die Ansichten der christlichen Anthropologie in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Verständnis des Menschen teilt (vgl. Ansprache an die Römische Rota, 5. Februar 1987). Ein Prozess nach kanonischem Recht darf nie als reine Formsache, die es zu beachten gilt, oder als manipulierbares Regelwerk betrachtet werden. Der Richter darf kein Urteil zugunsten der Nichtigkeit einer Ehe aussprechen, wenn er nicht zuerst die moralische Gewissheit des Bestehens dieser Nichtigkeit erlangt hat. Wahrscheinlichkeit allein ist zur Entscheidung solcher Fälle nicht ausreichend (vgl. ebd., Nr. 6; can. 1608). Moralische Gewissheit - die nicht nur Wahrscheinlichkeit oder subjektive Überzeugung ist - „ist im Positiven von der Ausschließung jedes wohl begründeten und berechtigten Zweifels gekennzeichnet. Im Negativen läßt sie die absolute Möglichkeit des Gegenteils zu und unterscheidet sich darin von der absoluten Gewissheit“ (Pius XII., Ansprache an die Römische Rota, 1. Oktober 1942, Nr. 1). Die moralische Gewissheit ergibt sich aus einer Vielzahl von Hinweisen und Beweisen; jeder einzelne davon mag vielleicht nicht entscheidend sein, aber alle zusammen können jeden berechtigten Zweifel ausschließen. Wenn der Richter im kanonischen Prozess diese moralische Gewissheit nicht gewinnen kann, dann muss der Richter zugunsten der Gültigkeit des Ehebandes entscheiden (vgl. can. 1608, 3 und 4); die Ehe erfreut sich der Rechtsgunst. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt! Der Zweck dieser kurzen Überlegungen ist, euch zur Kontrolle der getreuen Anwendung der kirchlichen Gesetzgebung zu ermuntern: Das ist von wesentlicher Bedeutung, wenn die Kirche sich ihrem Heilsauftrag immer besser gewachsen zeigen möchte (vgl. Apostolisches Schreiben Sacrae disciplinae leges). Ein tieferes Verständnis des wichtigen Stellenwerts des kanonischen Rechts im Leben der Kirche und die Durchführung von Maßnahmen für eine wirksamere und gewissenhaftere Justizverwaltung müssen eine der Hauptsorgen eures bischöflichen Amtes sein. Die Treue zum Kirchenrecht sollte ein wesentlicher Teil der Erneuerung eurer Teilkirchen darstellen, denn dies ist eine Voraussetzung für die Freisetzung frischer Energien zur Neuevangelisierung im Hinblick auf das dritte Jahrtausend. Ich empfehle eure diesbezüglichen Bemühungen der mütterlichen Fürsprache Marias, des Spiegels der Gerechtigkeit, und erteile 1074 AD-LIMINA-BESUCHE euch, den Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien eurer Diözesen von Herzen den Apostolischen Segen. Lebensgestaltung in Christus bedeutet Garantie für die Menschenwürde Ansprache beim Ad-limina-Besuch der amerikanischen Bischöfe der Kirchenprovinzen Boston und Hartford (USA) am 24. Oktober Verehrter Herr Kardinal Law, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ganz herzlich heiße ich euch, die Bischöfe der Kirchenprovinzen Boston und Hartford von Neu-England willkommen. Während eines ganzen Jahres war es mir möglich, praktisch alle Oberhirten der Katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten von Amerika hier in Rom zum Ad-limina-Besuch zu empfangen. Die Katholische Kirche wird in Amerika durch über zweihundert Jurisdiktionsbereiche repräsentiert, zu denen auch die der ostkirchlichen Riten zählen. Da wir nun am Ende dieser langen Reihe von Ad-limina-Besuchen angelangt sind, danke ich „Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, daß ihr an allem reich geworden seid in ihm“ (1 Kor 1,4-5). Wir haben gemeinsam gebetet und einander zugehört, und wir haben versucht, eine Bilanz über all das Gute zu ziehen, das der Heilige Geist bei dem Gottesvolk eures Landes bewirkt hat. Dieser Besuch hatte nicht nur zum Zweck, die Bande der Gemeinschaft zwischen uns zu stärken, sondern er sollte uns auch befähigen, in einer Atmosphäre der Pilgerschaft und vom Gebet geprägter Ruhe über die Möglichkeiten der Evangelisierung und des Apostolates im Licht der Lehre des II. Vatikanischen Konzils und des bevorstehenden Großen Jubiläums des Jahres 2000 nachzudenken, die sich in der Kirche in den Vereinigten Staaten auftun. 2. Ein solcher Anlass, wie das Große Jubiläum erinnert uns an all das, was Gott im Laufe der Geschichte bewirkt hat, und er befähigt uns, im Vertrauen auf Gottes Verheißung, dass er allezeit bei uns sein wird, „bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), in die Zukunft zu blicken. Wir Christen sind uns bewusst, dass die Zeit weder eine bloße Abfolge von Tagen, Monaten und Jahren ist, noch ein ewig wiederkehrender kosmischer Kreislauf; sie ist vielmehr ein großes Drama, welches Anfang und Ende kennt. Urheber ist Gott, und er führt es auch durch seine fürsorgliche Vorsehung. „Innerhalb der Dimension der Zeit wird die Welt erschaffen, in ihrem Umfeld entfaltet sich die Heilsgeschichte, die ihren Höhepunkt in der ,Fülle der Zeit1 der Menschwerdung und ihr Ziel in der glorreichen Wiederkunft des Gottessohnes am Ende der Zeiten hat“ (vgl. Tertio millenio adveniente, Nr. 10). Die Ostervigil erinnert uns daran, dass die Auferstehung „die tragende Achse der Geschichte ist, auf die sich das Geheimnis des Anfangs der Welt wie 1075 AD-LIMINA-BESUCHE das ihrer endgültigen Bestimmung zurückführen lassen“ (Dies Domini, Nr. 2). Nur im Lichte des Auferstandenen Christus werden wir die Bedeutung unserer persönlichen Pilgerschaft durch die Zeit zur Ewigkeit hin verstehen können. Das ist die Botschaft, welche die Kirche jetzt und immerdar verkünden muss. Dies tut sie vor allem durch die Liturgie, in der wir in feierlicher Weise der Heilsgeschichte gedenken. Sie ist der bevorzugte Ort der Begegnung mit dem Vater und mit dem, welchen der Vater gesandt hat, Jesus Christus. Ihn verkündet die Liturgie durch Kerygma und Katechese, welche uns mit der Heilslehre des Evangeliums bekannt macht, indem sie sich an unser Herz wendet, das zutiefst nach dem göttlichen und ewigen Element, und nach dem unvergänglichen Guten strebt. Dies geschieht auch durch die Werke der Nächstenliebe, die das Leben der Menschen zu heilen trachten, indem es mit der christlichen Liebe in Berührung kommt. 3. In meinem Unterredungen mit den Bischöfen - und zwar nicht nur mit jenen, die zu den Ad-limina-Besuchen hierher gekommen sind, sondern mit den Bischöfen der gesamten Bischofskonferenz - habe ich versucht, einige Überlegungen bezüglich der Ausübung eures bischöflichen Amtes anzustellen, wodurch die Tür zu einem neuen christlichen Frühling aufgetan werden kann, den Gott uns an der Schwelle des Dritten Christlichen Jahrtausends bereitet und dessen erste Anzeichen wir bereits sehen können (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). Wir haben über so viele Ausdrucksformen christlichen Lebens innerhalb der Katholischen Gemeinschaft der Vereinigten Staaten gesprochen, welcher durch die ihr eigene Heiligkeit so vieler Mitglieder reicher Segen zukommt und welche zutiefst durch einen Durst nach Gerechtigkeit geprägt ist. Sie steht auf vielfältige Weise unerschütterlich und stets aktiv im Dienst der Christen. Als Bischöfe seid ihr euch der Stärken eures Volkes wohl bewusst. Wie der Weise im Evangelium, so müsst auch ihr abwägen, wie ihr mit den zu Verfügung stehenden Kräften und Mitteln den dringenden Bedürfnissen der heutigen Zeit entsprechen könnt (vgl. Lk 14,31). Auch heute, so glaube ich, sagt der Herrn zu uns allen: zögert nicht, habt keine Angst, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen (vgl. 1 Tim 6,12). Wenn wir die befreiende Botschaft Jesu Christi verkünden, so tragen wir die Worte des Lebens in die Welt hinein (vgl. Joh 6,68). Unser prophetisches Zeugnis stellt einen dringenden und wesentlichen Dienst nicht nur für die katholische Gemeinschaft, sondern auch für die ganze Menschheit dar. Denn im Evangelium wird uns die wahre Geschichte der Welt - sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft -erzählt, welche Leben in der Gemeinschaft mit der Heiligen Dreifaltigkeit bedeutet. Am Ende des Zweiten Jahrtausends steht die Menschheit an einer Art Wegzwei-gung. Als Hirten, die wir für das Leben der Kirche verantwortlich sind, müssen wir ernsthaft über die Anzeichen einer neuen geistigen Krise nachdenken, deren Gefahren nicht nur im persönlichen Bereich sichtbar werden, sondern die Zivilisation selbst betreffen (vgl. Evangelium vitae, Nr. 68). Sollte sich diese Krise verschlimmern, so wird der Utilitarismus den Menschen zunehmend zum Manipulati- 1076 AD-L1M1NA-BES U CHE onsobjekt herabstufen. Wenn die in der Würde der menschlichen Person sich offenbarende moralische Wahrheit nicht die explosiven Energien der Technologie nicht zügelt und leitet, dann wird diesem Jahrhundert der Tränen wohl eher eine neue Ära der Barbarei folgen, als ein Frühling der Hoffnung (vgl. Ansprache vor den Vereinten Nationen, 5.10.1995, Nr. 18). In meiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1995, schlug ich vor, dass wir, um an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend unsere Hoffnung und unser Vertrauen wieder herzustellen, „müssen wir neu den Blick für jenen transzendenten Horizont der Möglichkeiten gewinnen, dem der menschliche Geist zustrebt“ (ebd., Nr. 16). Die geistige Krise unserer Zeit ist eine Flucht vor dem transzendenten Mysterium Gottes, und sie wird auch gleichsam zur Flucht vor der Wahrheit über Gottes vornehmstes Geschöpf auf Erden, den Menschen. Die Kultur unserer Tage versucht aufzubauen, ohne dabei auf den Architekten Bezug zu nehmen, wodurch sie das Bibelwort ignoriert: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). Dabei geht einem gewissen Teil der heutigen Kultur die Tiefe und der Reichtum des menschlichen Mysteriums verloren, und das Leben selbst verarmt dadurch, dass es bedeutungs- und freudlos wird. Keine von den Anforderungen, die an unser Amt gestellt sind, ist so dringend, wie die Neuevangelisierung. Nur durch sie kann der geistige Durst unserer Tage gestillt werden. Wir dürfen angesichts der Herausforderungen nicht zögern, unsere Freude am Christsein, unsere Freude, „in Christus“ und im Stand der göttlichen Gnade zu sein, aber auch unsere Freude, mit der Kirche vereint zu sein, mitzuteilen. Das ist es, was unser Herz und dessen Streben nach Freiheit wahrhaft zufrieden stellen kann. 4. Nirgendwo ist der Kontrast zwischen der Sichtweise des Evangeliums und der heutigen Kultur so sichtbar, wie im dramatischen Konflikt zwischen der Kultur des Lebens und der Kultur des Todes. Diese Reihe von Treffen möchte ich nicht beenden, ohne vorher allen Bischöfen für ihr Engagement und ihren Einsatz bei der Unterstützung des menschlichen Lebens, besonders des Lebens der Schwächsten, zu danken. Die Kirche in eurem Land ist auf vielfache Weise in der Verteidigung und Förderung des menschlichen Lebens und der menschlichen Würde engagiert. Durch ihre zahllosen Organisationen und Beratungsstellen bietet sie großzügig den Armen ihre enormen mitmenschlichen Dienste an. Sie ist bei der Förderung von Gesetzen engagiert, die die Einwanderung begünstigen. Stets ist sie in der öffentlichen Debatte über die Todesstrafe präsent, im Bewusstsein, dass in einem modernen Staat die Fälle, welche die Exekution von Gesetzesübertretem verlangen, sehr selten, ja, sogar praktisch gar nicht existent sind. (vgl. Evangelium vitae, Nr. 56; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2267). Gleichzeitig hebt ihr auch hervor, dass dem grundlegenden Recht auf Leben der Ungeborenen, der Opposition gegen die Euthanasie und gegen die Mithilfe zum Selbstmord aus humanitären Gründen Priorität eingeräumt werden muss. Das Zeugnis so vieler amerikanischer Katholiken, wozu auch unzählige Jugendliche gehören, im Dienste des 1077 AD-LIMINA-BES U CHE „Evangeliums vom Leben“ ist ein sicheres Hoffnungszeichen für die Zukunft und für uns ein Grund, dem Heiligen Geist zu danken, der den Gläubigen so viel Gutes eingibt. 5. Die geistige Krise unserer Zeit, hat, und davon bin ich fest überzeugt, ein Bedürfnis nach Heilung von Herz und Geist von der Wurzel her erzeugt. Die Geschichte der Gewalt in unserem Jahrhundert ist in nicht geringem Maße darauf zurückzuführen, dass die Vernunft sich der Existenz einer letzten und objektiven Wahrheit gegenüber verschlossen hat. Das Resultat war ein überall vorherrschender Skeptizismus und Relativismus, was nicht zu einer „reiferen“ Menschheit, sondern zu Verzweiflung und Irrationalität geführt hat. In der Enzyklika Fides et ra-tio, die erst letzte Woche veröffentlicht wurde, wollte ich die Fähigkeit der menschlichen Vernunft verteidigen, die durchaus im Stande ist, die Wahrheit zu erkennen. Dieses Vertrauen auf die Vernunft ist ein wesentlicher Bestandteil der intellektuellen Tradition der katholischen Kirche, die allerdings heutzutage erneuter Bestätigung bedarf angesichts der weitverbreiteten doktrinären Zweifel bezüglich unserer Fähigkeit, Antworten auf die fundamentalen Fragen zu finden, wie: Wer bin ich? Woher komme ich und wohin gehe ich? Warum gibt es das Böse? Was kommt nach diesem Leben? (vgl. Fides et ratio, Nm. 3 und 5). Viele Leute hat man dahin gebracht, zu glauben, dass die einzige Wahrheit, die es gibt, jene ist, die man durch Erfahrung oder wissenschaftliche Experimente beweisen kann. Das Ergebnis ist eine Tendenz, die Domäne der rationalen Forschung auf die technologische, instrumentelle, utilitaristische, funktionale und soziologische Dimension der Dinge zu verkürzen. Eine relativistische und pragmatische Ansicht über Wahrheit ist entstanden. Eine undifferenzierte Pluralität, die auf der Annahme gründet, alle Positionen seien in gleicher Weise gültig, ersetzt einen legitimen Pluralismus der sich im Dialog befindenden Positionen (vgl. Fides et ratio, Nr. 5). Eines der auffallendsten Anzeichen des fehlenden Vertrauens auf die Wahrheit in der heutigen Zeit ist die Tendenz so mancher, sich mit provisorischen Teilwahrheiten zufrieden zu geben, „ohne überhaupt noch zu versuchen, radikale Fragen nach dem Sinn und letzten Grund des menschlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Lebens zu stellen“ (ebd.). Dadurch dass man sich mit experimentellen und unvollständigen Kenntnissen begnügt, versäumt es die Vernunft, dem Mysterium der menschlichen Person gerecht zu werden, welche für die Wahrheit geschaffen ist und der ein tiefes Verlangen innewohnt, diese Wahrheit kennen zu lernen. Die Folgen dieser weitverbreiteten Haltung für den Glauben sind sehr ernsthaft; denn wenn die Vernunft nicht bis an die letzten Wahrheiten heranreichen kann, verliert der Glaube seinen rationalen und intelligiblen Charakter und wird auf den Bereich des Undefinierbaren, des Sentimentalen und Irrationalen beschränkt, was schließlich in den Fideismus einmündet. Wird der Glaube aus seiner Verbindung mit der menschlichen Vernunft herausgelöst, so verliert er seine öffentliche und universale Gültigkeit, und wird auf die subjektive und private Sphäre begrenzt, 1078 AD-LIMINA-BES U CHE was schließlich die Zerstörung des theologischen Glaubens mit sich bringt. Auf der Grundlage dieser Überlegungen hielt ich es für wichtig, die Enzyklika Fides et ratio zu verfassen. Sie ist an euch Bischöfe gerichtet, denn ihr seid die Hauptzeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Es ist mein Wunsch, euch als Bischöfe zu ermutigen, dass ihr trotz aller unmittelbaren Aufgaben eurer täglichen Seelsorgearbeit stets euer Amt auf diesen tiefen und universalen Durst nach Wahrheit hin ausrichtet, der die Herzen aller Menschen erfüllt. 6. Der Dialog mit der heutigen Kultur ist ein Teil eures „Dienstes an der Wahrheit“ (Fides et ratio, Nr. 2). Ihr sollt alles in eurer Macht Stehende dafür tun, um das Niveau philosophischer und theologischer Reflexion nicht nur in den Priesterseminaren und katholischen Institutionen, sondern auch bei der katholischen Intelligentia und bei all denen zu erhöhen, die nach einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit suchen. An der Schwelle des Neuen Jahrtausends muss die Kirche bei der Verteidigung der menschlichen Person ebenso die Verteidigung der Fähigkeit menschlicher Vernunft übernehmen, auch die definitive Wahrheit über Gott, über den Menschen selbst, über die Freiheit und über das ethische Verhalten zu erkennen. Nur durch eine von der Vernunft gesteuerten Reflexion, die auch offen ist für fundamentale Fragen nach dem Sein und frei von einschränkenden und voreingenommenen Ansichten, kann die Gesellschaft wieder feste Bezugspunkte finden, worauf sie eine sichere Existenz für das Leben der Einzelnen und der Gemeinschaft gründen kann. Wenn Glaube und Vernunft Zusammenwirken, zeigen sie die Größe des Menschen auf. „Bestimmend für seine Verwirklichung wird nur die Entscheidung sein, sich dadurch in die Wahrheit einzufügen, daß er im Schatten der Weisheit seine Wohnung errichtet und in ihr wohnen bleibt“ (ebd., Nr. 107). Die lange intellektuelle Tradition der Kirche ist einerseits aus ihrem Vertrauen auf die Tatsache heraus entstanden, dass die Schöpfung gut ist und dass die Vernunft im Stande ist, die metaphysische und moralische Wahrheit zu erfassen. Ihr sollt in eurem Land solch wesentliche Elemente kultureller und intellektueller Erneuerung fördern, wie die Zusammenarbeit von Glaube und Vernunft und die ständige Beteiligung christlicher Denker an der Philosophie. 7. Am Ende dieser langen Reihe von Ad-limina-Besuchen der amerikanischen Bischöfe möchte ich euch gerne aufrichtigste Wertschätzung für eure geistige Gemeinschaft, eure Solidarität und Unterstützung zum Ausdruck bringen, die ihr mir während meines zwanzigjährigen Pontifikates entgegengebracht habt. Auch ich fühle mich euch in Freundschaft und als Bruder auf der Pilgerschaft des Glaubens und der Treue verbunden, die wir gemeinsam in Treue zu Christus und im Dienst seiner Kirche unternehmen. Auch den Priestern und Ordensleuten der Vereinigten Staaten gegenüber möchte ich meine aufrichtige Wertschätzung und Dankbarkeit bekunden, und ich bitte den Heiligen Geist, dass er eure Ortskirchen mit neuem Leben und Kraft für die Mission erfülle, die vollbracht werden muss. Ich werde 1079 AD-LIMINA-BESUCHE dafür beten, dass unter den amerikanischen Katholiken stets ein Geist der allumfassenden Erneuerung von Einheit und Liebe herrsche, ein Geist der Versöhnung und gegenseitiger Unterstützung in der Wahrheit des Glaubens. Auch werde ich Gott bitten, das er eure Bemühungen im ökumenischen Dialog mit anderen christlichen Konfessionen und bei der interreligiösen Zusammenarbeit auf der Grundlage so vieler gemeinsamer fundamentaler Kontaktpunkte mit Andersgläubigen segne. Inständig bete ich auch dafür, dass unter allen Menschen in den Vereinigten Staaten stets ein dynamischer Geist der Güte, der Harmonie und des Friedens herrsche, sodass das öffentliche Leben in der Fülle der Wahrheit und in Ehre erneuert werde und dass euer Land seine historische Bestimmung bei den Völkern der Erde erfüllen möge. Euch und alle eure Brüder im Bischofsamt vertraue ich der liebenden Fürsorge der unbefleckt empfangenen Jungfrau Maria an. Sie ist die himmlische Patronin der Vereinten Staaten von Amerika. In diesem Sinne erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1080 Erklärungen der Kongregationen und der Räte KONGREGATIONEN UND RÄTE Grundnormen für die Ausbildung der Ständigen Diakone -Direktorium für den Dienst und das Leben der Ständigen Diakone Kongregation für das katholische Bildungswesen Kongregation für den Klerus vom 22. Februar 1998 /. GEMEINSAME ERKLÄRUNG Der Ständige Diakonat, wiederhergestellt vom II. Vatikanischen Konzil in übereinstimmender Kontinuität mit der antiken Überlieferung und mit den diesbezüglichen Beschlüssen des ökumenischen Konzils von Trient, hat in den letzten Jahrzehnten vielerorts starken Auftrieb erhalten und vielversprechende Früchte zum vollen Nutzen der dringenden Missionsaufgabe der Neu-Evangelisierung hervorgebracht. Der Heilige Stuhl und zahlreiche Episkopate haben es nicht verabsäumt, normgebende Elemente und Anhaltspunkte für das Leben und die Ausbildung von Diakonen anzubieten, und damit eine kirchliche Praxis gefördert, die für ihre Verbreitung heute dringend einheitlicher Kriterien, weiterer klärender Elemente und, auf operativer Ebene, pastoraler Anregungen und Präzisierungen bedarf. Die ganze Wirklichkeit des Diakonats (grundlegende lehramtliche Auffassung, daraus folgendes Berufs Verständnis und Vorbereitung, Leben, Dienst, Spiritualität und Weiterbildung) verlangt heute eine Überprüfung des bisher zurückgelegten Weges, um im Einklang mit den Stimmen und Intentionen des II. Vatikanischen Konzils zu einer umfassenden Klärung zu gelangen, die für einen Neuimpuls dieser Stufe des Weihestandes unerlässlich ist. Die Kongregationen für das Katholische Bildungswesen und für den Klerus haben nach Veröffentlichung der Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis für die Ausbildung zum Priestertum und des Direktoriums für den Dienst und das Leben der Priester die Notwendigkeit erkannt, dem Thema „Ständiger Diakonat“ besondere Aufmerksamkeit einzuräumen, auch um thematisch zu ergänzen, was die ersten beiden Weihegrade betrifft und in ihre Zuständigkeit fällt. Die beiden Kongregationen haben deshalb nach Anhören des Weltepiskopats und zahlreicher Experten ihre Vollversammlungen im November 1995 diesem Thema gewidmet. Alles, was man gehört und mitgeteilt erhalten hatte, war zusammen mit unzähligen eingegangenen Erfahrungen Gegenstand aufmerksamen Studiums seitens der Mitglieder im Kardinals- und Bischofsrang; die beiden Kongregationen haben daraus die vorliegenden Endfassungen der Ratio fundamentalis institutionis diaconorum permanentium und des Direktoriums für den Dienst und das Leben der Ständigen Diakone erarbeitet, die aus allen geographischen Zonen stammende und daher in hohem Maße repräsentative Anträge, Hinweise und Vorschläge getreu wiedergeben. Die Arbeiten der beiden Vollversammlungen haben zahlreiche Elemente der 1083 KONGREGATIONEN UND RÄTE Übereinstimmung und jenes heute immer stärker wahrzunehmende Bedürfnis nach einer aufeinander abgestimmten Harmonie zutage treten lassen - zum Vorteil der Einheitlichkeit in der Ausbildung und der pastoralen Effizienz des kirchlichen Dienstamtes angesichts der Herausforderungen des dritten Jahrtausends, an dessen Schwelle wir stehen. Daher haben die Väter selbst die beiden Dikasterien ersucht, die gleichzeitige Abfassung der beiden Dokumente zu besorgen, sie gleichzeitig zu veröffentlichen und beiden nur eine einzige, gemeinsame Einführung voranzustellen, die die wesentlichen Elemente enthält. Die von der Kongregation für das Katholische Bildungswesen erstellte Ratio fun-damentalis institutionis diaconorum permanentium will nicht nur einige richtungsweisende Grundsätze über die Ausbildung der Ständigen Diakone bieten, sondern auch die eine oder andere Weisung erteilen, die von den Bischofskonferenzen bei der Ausarbeitung ihrer nationalen „Ratio“ beachtet werden sollen. Absicht der Kongregation war es, den Bischöfen analog zur Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis diesen Behelf anzubieten, um ihnen bei der entsprechenden Erfüllung der Normen von CIC, can. 236, zu helfen und somit für die Kirche die Einheit, Ernsthaftigkeit und Vollständigkeit der Ausbildung von Ständigen Diakonen zu gewährleisten. Was das Direktorium für den Dienst und das Leben der Ständigen Diakone betrifft, so hat es nicht bloß mahnenden Wert, sondern besitzt genauso wie das vorausgegangene Direktorium für die Priester dort, wo seine Normen „gleiche Dis-ziplinarvorschriften wie der Codex des kanonischen Rechtes anführen“ oder „die Anwendungsweisen der allgemeinen Gesetze der Kirche genauer bestimmen, ihre theoretischen Gründe erläutern und ihre zuverlässige Beachtung einschärfen bzw. anmahnen“,1 auch rechtsverbindlichen Charakter. In eben diesen Fällen muss es als formales allgemeines Ausführungsdekret angesehen werden (vgl. can. 32). Obwohl die beiden Dokumente, die jetzt, jedes in der Verantwortlichkeit des betreffenden Dikasteriums, veröffentlicht werden, ihre eigene Identität und ihren spezifischen Rechtswert bewahren, berufen sie sich aufeinander und ergänzen sich auf Grund ihres logischen Zusammenhangs gegenseitig, und man kann nur lebhaft wünschen, dass sie überall in ihrer Vollständigkeit vorgestellt, aufgenommen und angewandt werden. Die hier gemeinsam veröffentlichte Einführung, Bezugs- und Inspirationspunkt für das ganze Normenwerk, bleibt unlösbar mit den einzelnen Dokumenten verbunden. Sie hält sich an die historischen und pastoralen Aspekte des Ständigen Diakonats mit besonderer Bezugnahme auf die praktische Dimension der Ausbildung und des Dienstes. Die lehramtlichen Elemente, die die Ausführungen untermauern, gehören zu der in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils und im Anschluss daran vom Päpstlichen Lehramt formulierten Lehre. Vgl. Päpstl. Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Chiarimenti circa il valore vincolante delVart. 66 del Direttorio per il Ministem e la Vita dei Presbiteri. 22. Okt. 1994, in der Zeitschrift „Sacrum Ministerium“ 2(1995), 263. 1084 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Dokumente kommen einem weithin geltend gemachten Bedürfnis nach, die Unterschiedlichkeit der Ansätze der bisher sowohl auf der Ebene der Prüfung und Vorbereitung als auch im Bereich der praktischen Ausübung des Amtes und der Weiterbildung durchgeführten Versuche zu klären und zu regeln. Auf diese Weise wird man jene Weisungsstabilität sicherstellen können, die gewiss zugleich mit der legitimen Pluralität die unerlässliche Einheit gewährleisten wird, und als Folge davon die Fruchtbarkeit eines Dienstes, der bereits gute Früchte hervorgebracht hat und einen gültigen Beitrag zur Neu-Evangelisierung an der Schwelle des dritten Jahrtausends verheißt. Die in den beiden Dokumenten enthaltenen Weisungen betreffen die Ständigen Diakone, die dem Diözesanklerus angehören, obschon viele dieser Weisungen, mit den erforderlichen Anpassungen, auch die Ständigen Diakone berücksichtigen müssen, die Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens und von Gesellschaften des apostolischen Lebens sind. Einführung* I. Das geweihte Amt 1. „Um Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren, hat Christus der Herr in seiner Kirche verschiedene Dienstämter eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind. Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausgestattet sind, stehen im Dienste ihrer Brüder, damit alle, die zum Volke Gottes gehören und sich daher der wahren Würde eines Christen erfreuen, in freier und geordneter Weise sich auf das nämliche Ziel hin ausstrecken und so zum Heile gelangen“. <399> <400> Dieser Einführungsteil ist der „Ratio“ und dem „Direktorium“ gemeinsam. Im Fall getrennter Publikationen der beiden Dokumente, müssen ihn jedenfalls beide wiedergeben. <400> II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lianen Gentium, Nr. 18. ^ Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1581. ^ Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1536. Das Weihesakrament „gleicht durch eine besondere Gnade des Heiligen Geistes den Empfänger Christus an, damit er als Werkzeug Christi seiner Kirche diene. Die Weihe ermächtigt ihn, als Vertreter Christi, des Hauptes, in dessen dreifacher Funktion als Priester, Prophet und König zu handeln“. Durch das Weihesakrament wird die Sendung, die Christus seinen Aposteln anvertraut hat, in der Kirche weiterhin ausgeübt bis zum Ende der Zeiten. Es ist somit das Sakrament des apostolischen Dienstes. Der sakramentale Akt der Ordination geht über eine bloße Wahl, Bestimmung, Delegation oder Einsetzung durch die Gemeinschaft hinaus, denn er verleiht eine Gabe des Heiligen Geistes, die die Ausübung einer heiligen Gewalt gestattet, die nur von Christus, durch seine Kir- 1085 KONGREGATIONEN UND RÄTE che, kommen kann. <401> „Der vom Herrn Gesandte spricht und handelt nicht in eigener Autorität, sondern kraft der Autorität Christi; er spricht zu der Gemeinde nicht als eines ihrer Glieder, sondern im Namen Christi. Niemand kann sich selbst die Gnade verleihen; sie muß geschenkt und angeboten werden. Das setzt Diener der Gnade voraus, die von Christus bevollmächtigt sind“. <402> <401> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1538. <402> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 875. Das Sakrament des apostolischen Dienstes umfasst drei Grade. Denn „das aus göttlicher Einsetzung kommende kirchliche Dienstamt wird in verschiedenen Ordnungen ausgeiibt von jenen, die schon seit alters Bischöfe, Priester, Diakone heißen“. <403> Zusammen mit den Priestern und den Diakonen, die ihnen Hilfe leisten, haben die Bischöfe das Hirtenamt in der Gemeinschaft übernommen und stehen an Gottes Stelle der Herde vor, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult und als Diener in der Leitung. <404> Mit der sakramentalen Natur des kirchlichen Amtes „hängt innerlich sein Dienstcharakter zusammen. Weil die Amtsträger ganz von Christus abhängig sind, der Sendung und Vollmacht gibt, sind sie wahrhaft,Knechte Christi1 (vgl. Röm 1,11) nach dem Vorbild Christi, der für uns freiwillig ,Knechtsgestalt“ angenommen hat {Phil 2,1)“. <405> <406> <407> <403> II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28. <404> Vgl. ebd., Nr. 20; CIC, can. 375 § 1. <405> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 876. <406> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 877. <407> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 878. Außerdem hat das kirchliche Amt kollegialen10 und persönlichen Charakter,n weil „der sakramentale Dienst in der Kirche, der im Namen Christi ausgeübt wird, einen personalen Charakter und eine kollegiale Form hat“. <408> <408> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 879. II. Der Stand des Diakonats 2. Der Dienst der Diakone in der Kirche ist seit den Zeiten der Apostel nachgewiesen. Nach einer fundierten Überlieferung, die schon von Irenäus bezeugt worden und in die Weiheliturgie eingegangen ist, hat der Diakonat mit der Einsetzung der „Sieben“ begonnen, von der die Apostelgeschichte (6,1-6) berichtet. Die Diakone, deren Dienst in der Kirche stets hoch in Ehren gehalten wurde, bilden also die unterste Stufe der heiligen Hierarchie. <409> <410> Der hl. Paulus grüßt sie zusammen mit ihren Bischöfen am Anfang des Briefes an die Philipper (vgl. Phil 1,1) und im ersten Brief an Timotheus bespricht er die Eigenschaften und Tugenden, über die sie ver- <409> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konst. Lumen Gentium, Nr. 29; Paul VI., Apostol. Schreiben Ad pascendum (15. August 1972): AAS 64(1972)534. 1086 KONGREGATIONEN UND RÄTE fügen müssen, um ihren Dienst auf würdige Weise zu versehen (vgl. 1 Tim 3,8-13).i4 Die Literatur der Kirchenväter bestätigt von Anfang an diese hierarchische Ämter-stuktur der Kirche, die den Diakonat einschloss. Für den hl. Ignatius von Antiochien <411> erscheint eine Teilkirche ohne Bischof, Presbyter (Priester) und Diakone undenkbar. Er unterstreicht, dass der Dienst des Diakons nichts anderes ist als „der Dienst Jesu Christi, der vor aller Zeit beim Vater war und am Ende der Zeiten erschienen ist“. „Denn sie sind nicht für den Dienst bei Tisch zuständig, sondern Diener der Kirche Gottes“. Die Didascalia Apostolorum <412> und die Väter der folgenden Jahrhunderte zeugen ebenso wie die verschiedenen Konzilien <413> und die kirchliche Praxis <414> vom Fortbestand und der Entwicklung dieser Offenbarungstatsache. ^ Von den 60 Mitarbeitern, die in seinen Briefen aufscheinen, werden einige als Diakone bezeichnet: Timotheus (7 Thess 3,2); Epaphras (.Kol 1,7); Tychikus (Kol 4,7; Eph 6,2). Vgl. Epist. ad Philadelphenses, 4; Epist. ad Smymaeos, 12, 2; Epist. ad Magnesios, 6,1; F. X. Funk (ed.), Patres Apostolici, Tubingae, 234-235, 266-267, 286-287. <412> Vgl. Didascalia Apostolorum (Siriaca), Kap. III, XI: A. Vööbus (ed.), The „Didascalia Apostolorum“ in Syriae (Originaltext und englische Übersetzung), CSCO, Bd. I, Nr. 402 (Bd. 176), 29-30; Bd. II, Nr. 408 (Bd. 180), 120-129; Didascalia Apostolorum, III, 13 (19), 1-7: F. X. Funk (ed.), Didascalia et Constitutiones Apostolorum, Paderbomae, 1906,1, 212-216. <413> Vgl. die Canones 32 u. 33 der Konzilien von Elvira (Eliberitanum, i. J. 300/303): PL 84, 305; die Canones 16 (15), 18, 21 des Konzils von Arles I (Arelatense I, i. J. 314): CCL, 148, 12-13, und die Canones 15, 16, 18 des Konzils von Nicäa I (Nocaenum I, i. J. 325): Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. bilingue, hrsg. von G. Alberigo - G. L. Dossetti - CI. Leonardi - P. Prodi, cons. H. Jedin, Ed. Dehoniane, Bologna 1991, 1315. <414> In der Frühzeit des Christentums sollte jede Ortskirche eine Zahl von Diakonen im entsprechenden Verhältnis zur Zahl der Gemeindemitglieder haben, damit sie jeden kennen und ihm helfen können (vgl. Didascalia Apostolorum, HI, 12 (16): F. X. Funk, a.a.O. I, 208). In Rom hatte Papst Fabian (236-250) die Stadt in sieben kirchliche Verwaltungsbezirke („regiones“, später „diaconiae“ genannt) eingeteilt; jedem dieser Bezirke stand ein Diakon („regionarius“) vor, der sich um den Dienst der Nächstenliebe und die Hilfe für die Armen kümmern sollte. Ähnlich sah die „diakonische“ Organisation im 3. und 4. Jahrhundert in vielen Städten im Vorderen Orient und im Abendland aus. Der Diakonat war in der abendländischen Kirche bis zum 5. Jahrhundert eine blühende Einrichtung; danach erfuhr er aus verschiedenen Gründen einen langsamen Niedergang, bis er schließlich nur mehr Durchgangsstufe für die Kandidaten zur Priesterweihe war. Das Konzil von Trient verfügte die Wiedereinführung des Ständigen Diakonats, wie in alten Zeiten und gemäß der ihm eigentümlichen Natur, als ursprüngliches Amt in der Kirche. <415> Doch fand diese Vorschrift keine konkrete Verwirklichung. Das II. Vatikanische Konzil hat beschlossen, dass „in Zukunft der Diakonat als eigene und beständige hierarchische Stufe wiederhergestellt... [und] auch verheirateten Männern reiferen Alters, ferner geeigneten jungen Männern erteilt [werden kann], für die jedoch - der feststehenden Tradition gemäß - das Gesetz des Zöli- <415> Vgl. Konzil von Trient, XXIII. Session, Decreta De reformatione, can. 17: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. bilingue, a.a.O. 750. 1087 KONGREGATIONEN UND RÄTE bats in Kraft bleiben muß“. <416> Für diese Entscheidung gab es im wesentlichen drei Gründe: a) der Wunsch, die Kirche durch die Funktionen des diakonischen Dienstes zu bereichern, die sonst in vielen Regionen kaum hätten ausgeübt werden können; b) die Absicht, durch die Gnade der Diakonenweihe diejenigen zu stärken, die bereits de facto diakonische Funktionen ausübten; c) das sorgende Bemühen, jene Regionen, die unter Priestermangel leiden, mit geistlichen Dienern auszustatten. Diese Gründe lassen klar erkennen, dass keineswegs beabsichtigt ist, durch die Wiederherstellung des Ständigen Diakonates der Bedeutung, der Rolle und dem Reichtum des Amtspriestertums Abbruch zu tun, gerade auch wegen seiner Unersetzlichkeit, immer großzügig an gestrebt werden muss. <416> II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konst. Lumen Gentium, Nr. 29. Zur Umsetzung der Weisungen des Konzils legte Paul VI. mit dem Apostolischen Schreiben Sacrum diaconatus ordinem (18. Juni 1967) <417> die allgemeinen Normen für die Wiederherstellung des Ständigen Diakonats in der lateinischen Kirche fest. Im darauffolgenden Jahr approbierte er mit der Apostolischen Konstitution Ponti-ficalis romani recognitio (18. Juni 1968) <418> den neuen Ritus für die Erteilung der Weihestände des Episkopats, des Presbyterats und des Diakonats und definierte außerdem Inhalt und Form der jeweiligen Weihespendung; und mit dem Apostolischen Schreiben Ad pascendum (15. August 1972) <419> gab er schließlich genau die Bedingungen für die Zulassung und die Weihe der Kandidaten für den Diakonat an. Die wesentlichen Elemente dieser Regelungen wurden in die Normen des von Papst Johannes Paul II. am 25. Januar 1983 promulgierten Codex des kanonischen Rechtes aufgenommen. <420> <417> AAS 59(1967)697-704. <418> AAS 60(1968)369-373. <419> AAS 64(1972)534-540. <420> Zehn Canones sprechen ausdrücklich über die Ständigen Diakone: 236; 276 § 2.3°, 281 § 3; 288; 1031 §§ 2-3; 1032 § 3; 1035 § 1; 1037; 1042 1°; 1050, 3°. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Gesetzgebung nahmen und nehmen noch immer viele Bischofskonferenzen nach vorheriger Billigung durch den Heiligen Stuhl die Wiederherstellung des Ständigen Diakonats in ihren Nationen vor und erlassen diesbezüglich ergänzende Vorschriften. III. Der Ständige Diakonat 3. Die jahrhundertelange Erfahrung der Kirche legte die Vorschrift nahe, wonach die Priesterweihe nur demjenigen erteilt werden darf, der zuvor den Diakonat erhalten und ihn entsprechend ausgeübt hat. <421> Dennoch darf die Diakonenweihe „nicht als bloße Durchgangsstufe zum Priestertum angesehen werden“. <422> <421> Vgl. CIC, can. 1031 § 1. <422> Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem (18. luni 1969): AAS 59(1967)698. 1088 KONGREGATIONEN UND RATE „Eine der Früchte des II. Vatikanischen Konzils war die Entschlossenheit zur Wiederherstellung des Diakonats als eigene und beständige hierarchische Stufe“. <423> Durch die „an die geschichtlichen Verhältnisse und pastoralen Ausblicke gebundenen Motivationen“, die von den Konzilsvätem aufgenommen wurden, „war auf geheimnisvolle Weise der Heilige Geist, Protagonist des Lebens der Kirche, am Werk und führte eine Neurealisierung des vollständigen Bildes der traditionsgemäß aus Bischöfen, Priestern und Diakonen zusammengesetzten Hierarchie herbei. Auf diese Weise förderte man die Neubelebung der christlichen Gemeinden, die zunehmend jenen blühenden Gemeinden der ersten Jahrhunderte entsprachen, die, wie die Apostelgeschichte bezeugt, stets unter dem Antrieb des göttlichen Beistands von den Aposteln gegründet worden waren“. <424> <423> Vgl. H. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29; Dekret Ad gentes, Nr. 16; Dekret Orientalium Ecclesiarum, Nr. 17; Johannes Paul II., Ansprache (16. März 1985), Nr. 1: Insegnamenti, VIII,1(1985)648. 2^ Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (6. Oktober 1993), Nr. 5: Insegnamenti, XVI,2( 1993)954. Der Ständige Diakonat stellt für die Sendung der Kirche eine wichtige Bereicherung dar. <425> Da den Diakonen munera (Aufgaben) zustehen, die für die Kirche lebensnotwendig sind, <426> ist es angebracht und nützlich, dass vor allem in den Missionsgebieten <427> Männer, die in der Kirche, sei es im liturgischen und pastoralen Leben, sei es in sozialen und karitativen Werken, zu einem wahrhaft diakonischen Dienst berufen sind, „durch die von den Aposteln her überlieferte Handauflegung gestärkt und dem Altar enger verbunden werden, damit sie ihren Dienst mit Hilfe der sakramentalen Diakonatsgnade wirksamer erfüllen können“. <428> <425> „Eine Forderung, die bei der Entscheidung für die Wiederherstellung des Ständigen Diakonats besonders geltend gemacht wurde, war und ist die nach einer verstärkten und unmittelbaren Anwesenheit von Dienern der Kirche außer in den bestehenden pastoralen Strukturen auch in den verschiedenen Bereichen von Familie, Arbeit, Schule usw.“ (Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz [6. Oktober 1993], Nr. 6: Insegnamenti, XVI,2[1993]954). <426> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29 b. <427> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Ad gentes, Nr. 16. <428> II. Vatikan. Konzil, Dekret Ad gentes, Nr. 16. Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1571. Aus dem Vatikan, 22. Februar 1998, Fest der Kathedra Petri. Kongregation für das katholische Bildungswesen Pio Kard. Laghi Präfekt + Jose Saraiva Martins Titular-Erzbischof von Tubumica Sekretär Kongregation für den Klerus Dario Kard. Castrillon Hoyos Präfekt + Csaba Ternyäk Titular-Erzbischof von Eminenziana Sekretär 1089 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ratio fundamentalis institutionis diaconorum permanentium Grundnormen für die Ausbildung der Ständigen Diakone Kongregation für das Katholische Bildungswesen Einleitung 1. Die einzelnen Bildungsgänge 1. Die ersten Richtlinien für die Ausbildung der Ständigen Diakone wurden mit dem Apostolischen Schreiben „Sacrurn diaconatus ordinem“1 erlassen. Diese Richtlinien wurden im Rundschreiben Come e a conoscenza der Heiligen Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 16. Juli 1969 aufgegriffen und näher verdeutlicht. In diesem Schreiben waren „verschiedene Formen der Ausbildung“ entsprechend den „verschiedenen Formen des Diakonats“ (für Ehelose, für Verheiratete, für „Diakone, die für Missions- oder Entwicklungsländer bestimmt sind“, oder für solche, die berufen sind, „ihren Dienst in Ländern mit einem gewissen Zivilisationsstand und einigermaßen hohem kulturellen Niveau zu leisten“) vorgesehen. Bezüglich der lehrmäßigen Ausbildung wurde bestimmt, dass sie höher als die eines einfachen Katecheten sein musste und in gewisser Weise der des Priesters entsprechen sollte. Im weiteren wurden die Lehrinhalte aufgeführt, die bei der Erstellung des Studienprogramms zu berücksichtigen wa-ren.2 * Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem (18. Juni 1967): AAS59(1967)697-704. Das Apostolische Schreiben bestimmt in Kapitel II, das sich mit den jungen Kandidaten befaßt: „6. Die jungen Kandidaten des Diakonats sollen in einer besonderen Einrichtung aufgenommen werden, wo sie geprüft und für ein wahrhaft evangelisches Leben erzogen werden, und wo sie eine Ausbildung empfangen, die es ihnen ermöglicht, ihre besonderen Aufgaben erfolgreich auszuüben. 9. Der eigentliche Bildungsgang zum Diakonat sollte wenigstens drei Jahre dauern; außerdem soll die Studienordnung derart gestaltet werden, daß die Kandidaten in zunehmendem Maße, Schritt für Schritt, bereit werden, die verschiedenen Dienste eines Diakons qualifiziert und fruchtbar zu erbringen. Insgesamt soll der Studienzyklus so angelegt werden, daß während des letzten Jahres eine eigene Vorbereitung auf jene besonderen Ämter hin erfolgt, die hauptsächlich auf die Diakone zukommen werden. 10. Dazu kommen noch die praktischen Übungen für den Religionsunterricht für Kinder und andere Gläubige, die Leitung und Förderung des Kirchengesangs, der Vortrag der Heiligen Schrift in den Versammlungen der Gläubigen, die Predigt und die Unterweisung des Volkes, die dem Diakon zustehende Verwaltung der Sakramente, die Krankenbesuche und, ganz allgemein, die Erfüllung jener Dienste, die ihnen übertragen werden können“. Dasselbe Apostolische Schreiben legt in Kapitel III, das den älteren Kandidaten gewidmet ist, fest: „14. Es ist wünschenswert, daß auch solche Kandidaten über ein überdurchschnittliches Wissen verfügen, wie in Nr. 8, 9 und 10 gesagt wurde, oder daß sie wenigstens aufgrund jener intellektuellen Vorbereitung geeignet seien, die nach dem Urteil der Bischofskonferenz für die Ausübung ihrer spezifischen Tätigkeiten unverzichtbar ist. Deshalb sollen sie eine bestimmte Zeit lang in einer besonderen Einrichtung aufgenommen werden, wo sie all das sich aneignen können, was sie für eine würdige Wahrnehmung ihres diakonalen Dienstes brauchen. 15. Wo dies undurchführbar sein sollte, soll der Bewerber für seine Ausbildung einem vorbildlichen Priester anvertraut werden, der sich seiner annimmt, ihn unterrichtet und deshalb auch seine Klugheit und Reife zu beurteilen vermag“. 2 Das Rundschreiben der Kongregation wies darauf hin, dass die Kurse das Studium der Hl. Schrift, der Dogmatik, der Moral, des Kirchenrechts und der Liturgie beinhalten sollten, sowie jene „technischen Fächer, durch welche die Kandidaten auf bestimmte Dienste vorbereitet werden, wie z. B. Psychologie, katechetische 1090 KONGREGATIONEN UND RÄTE Das nachfolgende Apostolische Schreiben Ad pascendum legte genauer fest: „Was den theologischen Studiengang anbelangt, der der Weihe der Ständigen Diakone vorauszugehen hat, so ist es Aufgabe der Bischofskonferenzen, unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände geeignete Normen zu erlassen und diese der Heiligen Kongregation für das Katholische Bildungswesen zur Gutheißung vorzule-gen“. <429> <430> Pädagogik, Rhetorik, kirchlicher Gesang, Errichtung von katholischen Organisationen, kirchliche Verwaltung, Führung der Kirchenbücher (für Taufen, Firmungen, Eheschließungen, Verstorbene), usw.“. <430> Paul VI., Apost. Schreiben Ad pascendum (15. August 1972), VII b): AAS 64(1972)540. Der neue Codex des kanonischen Rechtes übernimmt in can. 236 die wesentlichen Elemente dieser Richtlinie. 2. Rund dreißig Jahre nach den ersten Richtlinien und mit Hilfe der nachfolgenden Erfahrungen wurde es nunmehr als angebracht erachtet, die vorliegende Ratio fundamentale institutionis diaconorum permanentium zu erarbeiten. Sie möchte als eine Hilfe verstanden werden, um bei aller Berücksichtigung der rechtmäßigen Unterschiede zu einer Orientierung und Harmonisierung der Ausbildungsprogramme zu gelangen, die von den Bischofskonferenzen und den Diözesen entworfen wurden und die gelegentlich stark voneinander abweichen. 2. Die Bezugnahme auf eine sichere Theologie des Diakonats 3. Die Effektivität der Ausbildung der Ständigen Diakone hängt zum großen Teil vom theologischen Verständnis des Diakonats ab, das ihr zugrunde gelegt wird. Denn dieses Verständnis liefert die Koordinaten für die Festlegung und Orientierung des Ausbildungswegs und zeigt gleichzeitig das Ziel auf, das anzustreben ist. Das über tausendjährige fast vollständige Verschwinden des Ständigen Diakonats in der Kirche des Westens hat das Verständnis der tiefen Wirklichkeit dieses Dienstes sicherlich erschwert. Dennoch kann man nicht sagen, dass allein schon deshalb auch die Theologie des Diakonats keinerlei autoritativen Bezugspunkt habe und völlig ins Belieben der verschiedenen theologischen Meinungen gestellt sei. Solche Bezugspunkte gibt es, und sie sind sehr klar, auch wenn sie noch weiterer Entfaltung und Vertiefung bedürfen. Im folgenden werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige von ihnen in Erinnerung gerufen, die als besonders bedeutsam erscheinen. 4. Wie jede andere christliche Identität, so ist auch der Diakonat vor allem in seiner Einbindung in die Kirche zu sehen, die als Geheimnis der dreifältigen Gemeinschaft in missionarischer Dynamik verstanden wird. Dies ist ein notwendiger Gesichtspunkt bei der Definition der Identität eines jeden geweihten Dieners, wenn auch kein erstrangiger, da ja ihre volle Wahrheit darin besteht, spezifische Teilhabe und Wiedervergegenwärtigung des Dienstes Christi zu sein. <431> Dies ist der <431> Vgl. Johannes PaullL, Nachsynodales Apost. Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), Nr. 12: AAS 84(1992)675-676. 1091 KONGREGATIONEN UND RÄTE Grund, weshalb der Diakon die Handauflegung empfängt und von einer besonderen sakramentalen Gnade getragen wird, die ihn in das Sakrament der Weihe einbindet. <432> <432> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nm. 28; 29. 5. Der Diakonat wird durch eine besondere Eingießung des Geistes (Weihe) übertragen, die im Empfänger eine besondere Gleichförmigkeit mit Christus, dem Herrn und Diener aller, bewirkt. In Lumen Gentium Nr. 29 wird ein Text aus den Constitutiones Ecclesiae Aegyptiacae zitiert und präzisiert, dass die Handauflegung beim Diakon nicht „ad sacerdotium sed ad ministerium“ <433> erfolgt, d. h. nicht für die Feier der Eucharistie, sondern für den Dienst. Zusammen mit der ebenfalls von Lumen Gentium Nr. 29 <434> <435> wiedergegebenen Mahnung des hl. Polykarp beschreibt dieser Hinweis die spezifische theologische Identität des Diakons: als Teilhaber an dem einzigen kirchlichen Dienstamt ist er in der Kirche ein besonderes sakramentales Zeichen Christi, des Dieners. Seine Aufgabe ist es, „Deuter der Nöte und der Bedürfnisse der christlichen Gemeinschaften“ zu sein, sowie „Anreger zum Dienst, d. h. zur diakonia“,% die ein wesentlicher Teil der Sendung der Kirche ist. 5 Das Pontiftcale Romanum - De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, Editio typica altera, Typis Polyglottis Vaticanis 1990, 101, zitiert in Nr. 179 der „Praenotanda“ in Bezug auf die Diakonatsweihe den Ausdruck „in ministerio Episcopi ordinantur“. Diese Formel stammt aus der Traditio apostolica, 8 (SCh, 11 bis, 58-59) und wurde auch von den Constitutiones Ecclesiae Aegyptiacae III, 2 aufgenommen: F. X. Funk (Hsg.), Didascalia et Constitutiones Apostolorum, II, Paderbomae 1905, 103. <434> „Sie sollen barmherzig sein und tätig; sie sollen in der Wahrheit des Herrn wandeln, der sich zum Diener aller gemacht hat“ (Hl. Polykarp, Epist. ad Philippenses, 5, 2: F. X. Funk [Hsg.], Patres Apostolici, I, Tubingae 1901,300-302). <435> Paul VI., Apost. Schreiben Adpascendum, Einleitung: a.a.O., 534-538. 6. Materie der Diakonatsweihe ist die Handauflegung des Bischofs; die Form besteht in den Worten des Weihegebets, das sich in die drei Abschnitte der Anamnese, der Epiklese und der Fürbitte gliedert. <436> Die Anamnese (in der die auf Christus ausgerichtete Heilsgeschichte durchlaufen wird) weist auf die „Leviten“ mit Bezugnahme auf den Kult und auf die „Sieben“ der Apostelgeschichte mit Bezugnahme auf die Liebeswerke zurück. Die Epiklese ruft die Kraft der sieben Gaben des Geistes herab, damit der zu Weihende befähigt werde, als „Diakon“ Christus nachzuahmen. Die Fürbitte mahnt zu einem großmütigen und keuschen Leben. <436> Vgl. Pontificale Romanum - De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, Nr. 207: ed. cit., 115-122. Die wesentliche Form für das Sakrament ist die Epiklese, die in den Worten besteht: „Wir bitten dich, o Herr, gieße über sie den Heiligen Geist aus, daß er sie mit den sieben Gaben deiner Gnade stärke, damit sie das Werk des Dienstes treu verrichten“. Die sieben Gaben gehen auf eine Stelle bei Jesaia 11,2 zurück, die aus der erweiterten Version der Septuaginta übernommen wurde. Es handelt sich 1092 KONGREGATIONEN UND RATE um die dem Messias verliehenen Gaben des Geistes, die nun den Neugeweihten mitgeteilt werden. 7. Als Stufe des Weihesamtes prägt der Diakonat den Weihecharakter ein und teilt eine besondere sakramentale Gnade mit. Der Weihecharakter des Diakonats ist das formende und zugleich unterscheidende Zeichen, das unauslöschlich in die Seele eingeprägt wird und den Geweihten Christus gleichförmig macht, der zum Diakon, d. h. zum Diener aller geworden ist. <437> Dieser Weihecharakter bringt eine besondere sakramentale Gnade mit sich, die eine Kraft ist, ein vigor specialis, eine Gabe, um die neue, vom Sakrament gestiftete Wirklichkeit leben zu können. „Was die Diakone anbetrifft, so schenkt die sakramentale Gnade ihnen die nötige Kraft, dem Volke Gottes in der diaconia der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen, in Verbindung mit dem Bischof und mit dessen Presbyterium“. <438> Wie bei allen Sakramenten mit Einprägung eines Charakters kommt der Gnade eine fortdauernde Wirkkraft zu. Sie blüht und lebt neu auf in dem Maße, in dem sie im Glauben angenommen und immer wieder angenommen wird. <437> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1570. <438> Ebd., Nr. 158S. 8. Da die Diakone an einem niedrigeren Grad des kirchlichen Dienstamtes teilhaben, hängen sie in der Ausübung ihrer Gewalt notwendigerweise von den Bischöfen ab, die die Fülle des Weihesakraments innehaben. Außerdem stehen sie noch in einem besonderen Verhältnis zu den Priestern und sind gerufen, in Verbundenheit mit diesen dem Volk Gottes zu dienen. <439> <439> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 15. Vom Gesichtspunkt der Kirchenordnung her gesehen wird der Diakon durch seine Weihe der Teilkirche bzw. der Personalprälatur, zu deren Dienst er zugelassen wurde, oder als Kleriker einem Institut des geweihten Lebens oder einer klerikalen Gesellschaft des apostolischen Lebens inkardiniert. <440> Das Rechtsinstitut der Inkar-dination ist nicht etwas mehr oder weniger Nebensächliches, sondern lässt sich als dauerhafte Verbindung des Dienstes für einen ganz konkreten Teil des Gottesvolkes charakterisieren. Sie beinhaltet eine kirchliche Zugehörigkeit auf juristischer, affektiver und geistlicher Ebene und zugleich die Verpflichtung zu dem mit dem Amt verbundenen Dienst. <440> Vgl. CIC, can. 266. 3. Der Dienst des Diakons in den verschiedenen pastoralen Bereichen 9. Der Dienst des Diakons ist durch die Ausübung der drei dem geweihten Dienstamt eigenen munera gekennzeichnet, und zwar in der spezifischen Perspektive der diaconia. KONGREGATIONEN UND RÄTE Bezüglich des munus docendi ist der Diakon berufen, die Hl. Schrift zu verkünden und das Volk zu unterweisen und zu ermahnen. <441> Dies wird durch die Überreichung des Evangeliars ausgedrückt, wie dies im Weiheritus selbst vorgesehen ist. <442> <441> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. <442> Vgl. Pontificale Romanum - De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, Nr. 210: ed. cit., 125. Das munus sanctificandi des Diakons äußert sich im Gebet, in der feierlichen Spendung der Taufe, in der Aufbewahrung und Austeilung der Eucharistie, in der Assistenz und Segnung bei Trauungen, in der Leitung der Trauer- und Begräbnisfeiern sowie in der Verwaltung der Sakramentalien. <443> Dies macht deutlich, wie sehr der Dienst des Diakons in der Eucharistie seinen Ausgangs- und Zielpunkt hat und sich nicht in einer einfachen sozialen Dienstleistung erschöpfen darf. <443> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. Das munus regendi schließlich vollzieht sich im Einsatz für die Werke der Nächstenliebe und der Hilfeleistung <444> sowie in der Belebung von Gemeinden oder Bereichen des kirchlichen Lebens besonders im Hinblick auf die Nächstenliebe. Es ist dies der Dienst, der am ausgeprägtesten den Diakon kennzeichnet. <444> Vgl. ebd. 10. Die Grundzüge des ursprünglichen Dienstcharakters des Diakonats sind also sehr genau umschrieben, wie aus der alten Praxis des Diakonats und aus den Vorgaben der Konzilien klar ersichtlich ist. Wenn dieser ursprüngliche Dienstcharakter auch ein einziger ist, so gibt es doch verschiedene konkrete Formen seiner Ausübung, die sich von Mal zu Mal aus den unterschiedlichen pastoralen Gegebenheiten der einzelnen Kirchen ergeben. Bei der Festlegung des Ausbildungsweges darf man diese keinesfalls unberücksichtigt lassen. 4. Die Spiritualität des Diakons 11. Aus dem theologischen Selbstverständnis des Diakons lassen sich mit aller Klarheit die Grundlinien seiner besonderen Spiritualität ableiten, die sich wesentlich als eine Spiritualität des Dienstes darstellt. Das Vorbild schlechthin ist Christus, der Diener, der ganz dem Dienst für Gott zum Wohl der Menschen gelebt hat. Im Knecht des ersten Gottesknechtsliedes im Buch Jesaia (vgl. Lk 4,18-19) sah er sich selbst angekündigt; er hat sein Wirken ausdrücklich als Diakonie bezeichnet (vgl. Mt 20,28; Lk 22,27; Joh 13, 1-17; Phil 2,7-8; 1 Petr 2,21-25) und hat seinen Jüngern empfohlen, es gleichermaßen zu tun (vgl. Joh 13,34-35; Lk 12,37). Die Spiritualität des Dienstes ist eine Spiritualität der gesamten Kirche, insofern die ganze Kirche nach dem Vorbild Mariens die „Magd des Herrn“ {Lk 1,28) ist, im Dienst am Heil der Welt. Eben damit die ganze Kirche diese Spiritualität des Dienstes besser leben könne, gibt der Herr ihr ein lebendiges und persönliches 1094 KONGREGATIONEN UND RÄTE Zeichen seines eigenen Diener-Seins. Deshalb ist die Spiritualität des Dienstes in besonderer Weise die Spiritualität des Diakons. Tatsächlich ist er ja durch die heilige Weihe innerhalb der Kirche ein lebendiges Abbild Christi, des Dieners. Leitmotiv seines geistlichen Lebens wird deshalb der Dienst sein; seine Heiligkeit wird darin bestehen, sich zum hochherzigen und treuen Diener Gottes und der Menschen zu machen, besonders der ärmsten und am meisten leidenden; sein as-zetischer Einsatz wird darauf ausgerichtet sein, jene Tugenden zu erwerben, die von der Ausübung seines Dienstes her gefordert sind. 12. Eine solche Spiritualität wird verständlicherweise Schritt um Schritt harmonisch mit jener Spiritualität verschmelzen müssen, die mit dem Lebensstand verbunden ist. Darum wird die Spiritualität des Diakons unterschiedliche Ausprägungen erfahren, je nachdem sie von einem Verheirateten, einem Witwer, einem Ehelosen, einem Ordensmann oder einem Geweihten, der in der Welt steht, gelebt wird. Der Ausbildungsweg muss diesen unterschiedlichen Ausprägungen Rechnung tragen und je nach der Art des einzelnen Kandidaten entsprechende geistliche Programme anbieten. 5. Die Aufgabe der Bischofskonferenzen 13. „Es ist Aufgabe der rechtmäßigen Bischofsversammlungen oder der Bischofskonferenzen, mit Zustimmung des Papstes festzulegen, ob und wo im Blick auf das Wohl der Gläubigen der Diakonat als ein eigener und beständiger Grad der Hierarchie eingerichtet werden soll“. <445> <445> Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, I, 1; a.a.O., 699. Der Codex des kanonischen Rechtes weist den Bischofskonferenzen außerdem die Kompetenz zu, durch ergänzende Regelungen die Ordnung des Stundengebetes, <446> das für die Zulassung geforderte Alter <447> und die Ausbildung, der sich can. 236 widmet, genauer festzulegen. Dieser Kanon legt fest, dass es den Bischofskonferenzen zukommt, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten geeignete Normen zu erlassen, damit die Kandidaten für den Ständigen Diakonat, ob jünger oder älter, ob ledig oder verheiratet, „zur Pflege des geistlichen Lebens gebildet und für die rechte Erfüllung der diesem Weihegrad eigenen Aufgaben ausgebildet werden“. <446> Vgl. CIC, can. 276 § 2, 3°. <447> Vgl. ebd., can. 1031 § 3. 14. Um den Bischofskonferenzen bei der Erarbeitung der Ausbildungswege zu helfen, die die besonderen Verhältnisse berücksichtigen und dennoch mit dem universalen Weg der Kirche übereinstimmen sollen, hat die Kongregation für das Katholische Bildungswesen die vorliegende Ratio fundamentalis institutionis dia-conorum permanentium erarbeitet, die ein Bezugspunkt sein will bei der Festlegung der Kriterien für die Urteilsbildung über die Berufung und der verschiedenen 1095 KONGREGATIONEN UND RÄTE Bereiche der Ausbildung. Dieses Dokument stellt - seinem Charakter entsprechend - lediglich einige Grundzüge allgemeiner Natur auf, die jene normativen Leitlinien bilden, nach denen sich die Bischofskonferenzen in der Erarbeitung oder eventuellen Vervollkommnung ihrer jeweiligen nationalen rationes auszurichten haben. Ohne die Kreativität und Originalität der Teilkirchen unterdrücken zu wollen, werden so die Grundsätze und Maßstäbe aufgezeigt, auf deren Grundlage die Ausbildung der Ständigen Diakone auf sicherem Weg und im Einklang mit den anderen Kirchen geplant werden kann. 15. In Entsprechung zu dem, was das II. Vatikanische Konzil selbst für die rationes institutionis sacerdotalis21 festgelegt hat, werden mit vorliegendem Dokument auch jene Bischofskonferenzen, die den Ständigen Diakonat wiedereingerichtet haben, aufgefordert, ihre jeweiligen rationes institutionis diaconorum permanen-tium dem Heiligen Stuhl zur Prüfung und Gutheißung vorzulegen. Diese Gutheißung wird zunächst ad experimentum, dann für eine bestimmte Anzahl von Jahren gewährt, um so auch Überprüfungen von Zeit zu Zeit sicherzustellen. 6. Die Verantwortung der Bischöfe 16. Die Wiedereinführung des Ständigen Diakonats in einer Nation bedeutet nicht die Verpflichtung seiner Einführung in allen Diözesen. Dem Diözesanbischof steht es zu, nach kluger Anhörung des Priesterrates und, wo es ihn gibt, des Pasto-ralrates die konkreten Notwendigkeiten der spezifischen Situation seiner Teilkirche zu bewerten und diesen Schritt zu tun oder auch nicht. Im Falle, dass der Bischof sich für die Wiedereinführung des Ständigen Diakonats entscheidet, muss es sein Anliegen sein, diesbezüglich unter den Laien wie unter den Priestern und Ordensleuten eine geeignete Katechese zu fördern, damit der Dienst des Diakons in seiner ganzen Tiefe verstanden werde. Zudem wird er die für die Heranbildung notwendigen Strukturen einrichten und geeignete Mitarbeiter ernennen, die ihm als unmittelbar für die Ausbildung Verantwortliche zur Seite stehen, oder er wird sich, je nach den Umständen, die Strukturen anderer Diözesen oder jene, die auf regionaler oder nationaler Ebene bestehen, zu Nutze machen. Der Bischof wird ferner dafür sorgen, dass auf der Grundlage der nationalen ratio sowie der vorliegenden Erfahrungen eine eigene diözesane Ordnung erstellt und von Zeit zu Zeit angepasst werde. 7. Der Ständige Diakonat in den Instituten des gottgeweihten Lebens und in den Gesellschaften des apostolischen Lebens 17. Die Einrichtung des Ständigen Diakonats unter den Mitgliedern der Institute des gottgeweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens wird durch die Normen des Apostolischen Schreibens Sacrum diaconatus ordinem ge- <448> <448> II. Vatikan. Konzil, Dekret Optatam totius, Nr. 1. 1096 KONGREGATIONEN UND RÄTE regelt. Dieses Schreiben bestimmt, dass „die Errichtung des Ständigen Diakonats unter den Ordensleuten ein dem Hl. Stuhl vorbehaltenes Recht ist, dem allein es zusteht, die diesbezüglichen Beschlüsse der Generalkapitel zu prüfen und gutzuheißen“. <449> Das bisher Gesagte - so fährt das Dokument fort - „muß auch als für die Mitglieder von anderen Instituten der evangelischen Räte geltend verstanden werden“. <450> <449> Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, VII, 32: a.a.O., 703. <450> Ebd., VII, 35: a.a.O., 704. Jedes Institut bzw. jede Gesellschaft, die für ihren Bereich das Recht zur Wiedereinrichtung des Ständigen Diakonats erhielt, übernimmt auch die Verantwortung, die menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Ausbildung ihrer Kandidaten sicherzustellen. Ein solches Institut bzw. eine solche Gesellschaft muss deshalb ein eigenes Ausbildungsprogramm erstellen, welches das eigene Charisma und die eigene Spiritualität des Instituts bzw. der Gesellschaft aufgreift und das gleichzeitig mit der vorliegenden Ratio fundamentalis übereinstimmt, besonders was die intellektuelle und pastorale Ausbildung anbelangt. Das Programm eines jeden Instituts bzw. einer jeden Gesellschaft muss der Prüfung und Gutheißung durch die Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens bzw. durch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker und der Kongregation für die Orientalischen Kirchen für die Gebiete ihrer Zuständigkeit vorgelegt werden. Die jeweils zuständige Kongregation wird, nachdem sie die Kongregation für das Katholische Bildungswesen zu den Fragen der intellektuellen Ausbildung angehört hat, die Gutheißung aussprechen, zunächst ad experimentum, dann für eine bestimmte Anzahl von Jahren, um so auch Überprüfungen von Zeit zu Zeit sicherzustellen. I. Die verantwortlichen Träger der Ausbildung der Ständigen Diakone 1. Die Kirche und der Bischof 18. Die Ausbildung der Diakone ist, wie auch die der anderen Diener und überhaupt aller Getauften, eine Aufgabe, die die ganze Kirche angeht. Diese Kirche, die vom Apostel Paulus als das „himmlische Jerusalem“ und „unsere Mutter“ (Gal 4,26) gegrüßt wird, „gebiert durch Predigt und Taufe die vom Heiligen Geist empfangenen und aus Gott geborenen Kinder zum neuen und unsterblichen Leben“, <451> ähnlich wie Maria. Nicht nur dies: nach dem Vorbild der Mutterschaft Mariens begleitet sie ihre Kinder in mütterlicher Liebe und kümmert sich um alle, damit auch alle zur Fülle ihrer Berufung gelangen. <451> II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 64. 1097 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Sorge der Kirche um ihre Kinder findet ihren Ausdruck in der Verkündigung des Wortes und der Spendung der Sakramente, in der Liebe und in der Solidarität, im Gebet und im Einsatz ihrer verschiedenen Diener. In dieser sozusagen sichtbaren Sorge aber vergegenwärtigt sich die Sorge des Geistes Christi. In der Tat „dient das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes“, <452> sei es in ihrer Gesamtheit wie auch in jedem einzelnen ihrer Glieder. <452> Ebd., Nr. 8. In der Sorge der Kirche um ihre Kinder ist also der Geist Christi, der Erst-Han-delnde. Er ist es, der sie ruft, der sie begleitet und ihre Herzen formt, damit sie seine Gnade erkennen und ihr hochherzig entsprechen können. Die Kirche muss sich dieser sakramentalen Dimension ihrer Erziehungsarbeit wohl bewusst sein. 19. In der Ausbildung der Ständigen Diakone ist der eigene Bischof (bzw. der zuständige höhere Obere) <453> das erste Zeichen und Instrument des Geistes Christi. Er ist der Letzt-Verantwortliche für die Urteilsbildung über ihre Berufung und für ihre Ausbildung. <454> Auch wenn er für gewöhnlich diese Aufgabe durch die dafür ausgewählten Mitarbeiter wahmimmt, so wird er dennoch im Rahmen seiner Möglichkeiten bestrebt sein, persönlich jene kennenzulemen, die sich auf den Diakonat vorbereiten. <453> Dem Diözesanbischof sind jene gleichgestellt, denen eine Territorialprälatur, eine Territorialabtei, ein Apo-stolisches Vikariat, eine Apostolische Präfektur oder eine ständig errichtete Apostolische Administratur zugewiesen ist (vgl. CIC, can. 368; 381 § 2), sowie eine Personalprälatur (vgl. CIC cann. 266 § 1 und 295) oder ein Militär-Ordinariat (vgl. Johannes Paul II., Apost. Konstitution Spirituali militum curae [21. April 1986], art.I§ 1; art. II § 1: AAS 78[1986]482 und 483). <454> Vgl. CIC, cann. 1025 und 1029. 2. Die mit der Ausbildung Beauftragten 20. Die Personen, die in Abhängigkeit vom Bischof (bzw. vom zuständigen höheren Oberen) und in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft der Diakone eine besondere Verantwortung für die Ausbildung der Kandidaten für den Ständigen Diakonat tragen, sind folgende: der Ausbildungsleiter, der Tutor (wo die Bewerberzahl einen solchen verlangt), der geistliche Leiter und der Pfarrer (bzw. jener Amtsträger, dem der Kandidat für die praktische Diakonatsausbildung anvertraut wurde). 21. Der vom Bischof (bzw. vom zuständigen höheren Oberen) ernannte Ausbildungsleiter hat die Aufgabe, die verschiedenen mit der Ausbildung befassten Personen zu koordinieren, der ganzen Ausbildungsarbeit in ihren verschiedenen Dimensionen vorzustehen und Anregungen zu geben, Kontakte mit den Familien der verheirateten Bewerber und Kandidaten und mit ihren Herkunftsgemeinschaften zu halten. Zudem liegt es in seiner Verantwortung, nachdem er die übrigen Aus- 1098 KONGREGATIONEN UND RATE bilder - mit Ausnahme des geistlichen Leiters - gehört hat, <455> dem Bischof (bzw. dem zuständigen höheren Oberen) ein Urteil über die Eignung der Bewerber zu ihrer Aufnahme unter die Kandidaten und dann über die Eignung der Kandidaten im Blick auf die Zulassung zum Stande des Diakonates abzugeben. <455> Selbstverständlich auch den Leiter einer spezifischen Ausbildungsstätte, falls es einen solchen gibt (vgl. C1C, can. 236, 1°). Wegen seiner entscheidungsreichen und sensiblen Aufgaben muss der Ausbildungsleiter mit großer Sorgfalt ausgewählt werden. Er muss ein Mann lebendigen Glaubens und von starker kirchlicher Gesinnung sein; er muss eine breite pasto-rale Erfahrung erworben und Weisheit, Ausgeglichenheit und Kommunikationsfähigkeit bewiesen haben; er muss zudem in Theologie und Pädagogik eingehend beschlagen sein. Er kann Priester oder Diakon sein und sollte womöglich nicht gleichzeitig auch der Verantwortliche für die bereits geweihten Diakone sein. Es wäre in der Tat wünschenswert, diese Verantwortung von jener für die Ausbildung der Bewerber und Kandidaten getrennt zu halten. 22. Der vom Ausbildungsleiter aus Diakonen oder Priestern mit bewährter Erfahrung ausgewählte und vom Bischof (bzw. vom zuständigen höheren Oberen) ernannte Tutor ist der unmittelbare Begleiter jedes Bewerbers und jedes Kandidaten. Er ist beauftragt, den Weg eines jeden einzelnen aus der Nähe zu begleiten und ihm seine Hilfe und seinen Rat zur Lösung eventueller Schwierigkeiten bei der persönlichen Aneignung der verschiedenen Ausbildungselemente anzubieten. Außerdem ist er zur Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsleiter gerufen bei der Planung der verschiedenen Ausbildungstätigkeiten und bei der Erstellung des Urteils über die Eignung, das dem Bischof (bzw. dem zuständigen höheren Oberen) vorgelegt werden muss. Je nach den Umständen soll der Tutor Verantwortung für eine einzelne Person oder für eine kleine Gruppe tragen. 23. Der geistliche Leiter wird von jedem Bewerber oder Kandidaten ausgewählt und muss vom Bischof bzw. vom höheren Oberen genehmigt werden. Seine Aufgabe besteht darin, sich ein Urteil über das innere Wirken des Geistes in der Seele der Berufenen zu bilden und gleichzeitig deren beständige innere Bekehrung zu begleiten und zu unterstützen; er muss zudem konkrete Ratschläge für das Heranreifen einer echten Spiritualität des Diakons und wirkungsvolle Anregungen für die Aneignung der damit verbundenen Tugenden geben. Aus allen diesen Gründen sind die Bewerber und Kandidaten eingeladen, sich im Blick auf die geistliche Leitung nur in der Tugend bewährten Priestern anzuvertrauen, die sich durch eine gute theologische Kultur, durch tiefe geistliche Erfahrung, durch hervorragendes pädagogisches Gespür sowie durch einen ausgeprägten und feinen Sinn für das, was Dienst bedeutet, auszeichnen. KONGREGATIONEN UND RÄTE 24. Der Pfarrer (bzw. andere Amtsträger) wird vom Ausbildungsleiter im Einvernehmen mit dem Ausbildungsteam unter Berücksichtigung der jeweils unterschiedlichen Situation der Kandidaten ausgewählt. Seine Aufgabe ist es, dem ihm Anvertrauten eine lebendige Dienstgemeinschaft anzubieten und ihn in jene pasto-ralen Aufgabenfelder, die er für am geeignetsten hält, einzuführen und zu begleiten; außerdem wird er von Zeit zu Zeit die geleistete Arbeit zusammen mit dem Kandidaten auswerten und dem Ausbildungsleiter über den Verlauf der praktischen Ausbildung berichten. 3. Die Professoren 25. Die Professoren leisten zur Ausbildung der künftigen Diakone einen herausragenden Beitrag. Sie sind es, die durch die Lehre des von der Kirche bewahrten sacrum depositum den Glauben der Kandidaten nähren und diese für die Aufgabe, Lehrer des Gottesvolkes zu sein, befähigen. Aus diesem Grund müssen sie darum besorgt sein, nicht nur die notwendige wissenschaftliche Kompetenz und hinreichendes pädagogisches Geschick zu erwerben, sondern auch mit ihrem Leben jene Wahrheit zu bezeugen, die sie lehren. Um ihren spezifischen Beitrag mit den übrigen Dimensionen der Ausbildung in Einklang zu bringen, ist es wichtig, dass die Professoren auch bereit sind, je nach den Umständen mit den anderen in der Ausbildung tätigen Personen zusammenzuarbeiten und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. So werden sie zu einer einheitlichen Ausbildung der Kandidaten beitragen und ihnen die notwendige Synthese leichter machen können. 4. Die Ausbildungsgemeinschaft der Ständigen Diakone 26. Die Bewerber und die Kandidaten für den Ständigen Diakonat bilden naturgemäß ein Beziehungsfeld eigener Prägung, eine besondere kirchliche Gemeinschaft, die die Dynamik der Ausbildung tief beeinflusst. Die Ausbildungsbeauftragten müssen dafür sorgen, dass diese Gemeinschaft von einer tiefen Spiritualität geprägt sei, von einem Sinn für Zugehörigkeit, von einem Geist der Dienstbereitschaft und des missionarischen Eifers, und dass sie einem ganz bestimmten Rhythmus von Begegnungen und Gebet folge. Die Ausbildungsgemeinschaft der Ständigen Diakone kann so für die Bewerber und Kandidaten für den Diakonat zu einer wertvollen Hilfe in der Abklärung ihrer Berufung, in der menschlichen Reifung, in der Einführung in das geistliche Leben, in das Studium der Theologie und in die pastorale Erfahrung werden. 5. Die Herkunftsgemeinschaften 21. Die Herkunftsgemeinschaften der Bewerber und Kandidaten für den Diakonat können einen nicht unwichtigen Einfluss auf deren Ausbildung ausüben. 1100 KONGREGATIONEN UND RÄTE Für die jüngeren Bewerber und Kandidaten kann die Familie eine außergewöhnliche Hilfe bedeuten. Sie soll eingeladen werden, „den Ausbildungsweg mit Gebet, mit Hochachtung, mit gutem Beispiel in den häuslichen Tugenden und mit geistlicher wie materieller Unterstützung, vor allem in schwierigen Momenten, zu begleiten... Auch wenn die Eltern und Familien der Berufswahl gleichgültig oder ablehnend gegenüberstehen, können die klare und ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrer Ansicht und der Ansporn, der hieraus erwächst, eine große Hilfe sein, die ... Berufung in bewußterer und entschiedenerer Weise zur Reifung zu führen“. <456> Was die verheirateten Bewerber und Kandidaten angeht, wird man sich bemühen müssen sicherzustellen, dass die eheliche Gemeinschaft einen wertvollen Beitrag in der Bekräftigung ihres Ausbildungsweges in Richtung auf das Ziel des Diakonats leiste. <456> Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Vastores dabo vobis, Nr. 68: a.a.O., 775-776. Die Pfarrgemeinde ist gerufen, den Weg zum Diakonat eines jeden ihrer Mitglieder mit der Unterstützung durch das Gebet und durch eine entsprechende Katechese zu begleiten, die zum einen die Gläubigen für diesen Dienst sensibilisiert und zum anderen dem Kandidaten eine echte Hilfe für die Abklärung seiner Berufung an die Hand gibt. Auch die kirchlichen Verbände, aus denen die Bewerber und Kandidaten für den Diakonat hervorgehen, können für diese weiterhin eine Quelle der Hilfe und der Stütze, des Lichtes und der Wärme sein. Doch gleichzeitig müssen sie Achtung vor der Berufung ihrer Mitglieder in ein Dienstamt erkennen lassen und dürfen deren geistliches Reifen und deren echt diakonale Verfügbarkeit nicht behindern, sondern müssen diese fördern. 6. Der Bewerber und der Kandidat 28. Schließlich gilt es festzuhalten, dass einer, der sich auf den Diakonat vorbereitet, „sich als notwendige und unvertretbare Hauptperson der eigenen Ausbildung sehen muß: jede Ausbildung ... ist letztlich eine Art Selbst-Bildung“. <457> Selbst-Bildung bedeutet keine Isolierung, Abkapselung oder Loslösung von den Ausbildern, sondern Verantwortung und Dynamik in der hochherzigen Antwort auf den Ruf Gottes, indem die Personen und die Hilfsmittel, welche die göttliche Vorsehung bereitstellt, in höchstem Maße genützt werden. <457> Ebd., Nr. 69: a.a.O., 778. Die Selbst-Bildung ist in dem festen Willen verwurzelt, in einem Leben gemäß dem Geist und im Einklang mit der empfangenen Berufung zu wachsen. Sie nährt sich von der demütigen Bereitschaft, die eigenen Grenzen und die eigenen Gaben anzuerkennen. 1101 KONGREGATIONEN UND RÄTE II. Das Profil der Kandidaten für den Ständigen Diakonat 29. „Die Geschichte jeder Berufung zum Priester, wie übrigens auch jeder Berufung zum Christen, ist die Geschichte eines unvergleichlichen Dialogs zwischen Gott und dem Menschen, zwischen der Liebe Gottes, der den Menschen ruft, und der Freiheit des Menschen, der in der Liebe Gott antwortet“. <458> Doch gibt es neben dem Anruf Gottes und der Antwort des Menschen noch ein weiteres, wesentliches Element der Berufung, und zwar besonders der Berufung zu einem Dienstamt: die öffentliche Berufung durch die Kirche. „Vocari a Deo dicuntur qui a legitimis Ecclesiae ministris vocantur“. <459> Diese Aussage darf nicht in einem vorwiegend juridischen Sinne verstanden werden, als ob es die berufende Autorität sei, die auch die Berufung bestimmt, sondern eher in einem sakramentalen Sinne, wonach die berufende Autorität als Zeichen und Werkzeug des persönlichen Eingreifens Gottes zu verstehen ist, das durch die Handauflegung Wirklichkeit wird. Nach einem solchen Verständnis gibt jede ordentliche Erwählung eine Inspiration Gottes weiter und bedeutet eine Erwählung durch Gott. Die Prüfung durch die Kirche ist also ausschlaggebend für die Auswahl der Berufung; dies gilt wegen seiner Bedeutung für die Kirche noch mehr für die Auswahl einer Berufung zum geweihten Dienstamt. <458> Ebd., Nr. 36: a.a.O., 715-716. <459> Catechismus exdecreto Concilii Trtdentini ad Parochos, pars II, c. 7, n. 3, Turin 1914, 288. Die Urteilsbildung hat auf der Grundlage objektiver Kriterien zu geschehen, die zum Schatz der alten Überlieferung der Kirche gehören und den aktuellen pasto-ralen Bedürfnissen Rechnung tragen. Für die Urteilsbildung hinsichtlich der Berufung zum Ständigen Diakonat sind ferner einige Erfordernisse allgemeiner Natur zu berücksichtigen, sowie andere, die dem besonderen Lebensstand der Berufenen entsprechen. 1. Allgemeine Voraussetzungen 30. Das erste Profil des Diakons wird vom hl. Paulus im Ersten Brief an Timotheus gezeichnet: „Ebenso sollen die Diakone sein: achtbar, nicht doppelzüngig, nicht dem Wein ergeben und nicht gewinnsüchtig; sie sollen mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten. Auch sie soll man vorher prüfen, und nur wenn sie unbescholten sind, sollen sie ihren Dienst ausüben... Die Diakone sollen nur einmal verheiratet sein und ihren Kindern und ihrer Familie gut vorstehen. Denn wer seinen Dienst gut versieht, erlangt einen hohen Rang und große Zuversicht im Glauben an Christus Jesus“ (1 Tim 3,8-10.12-13). Die vom hl. Paulus genannten Eigenschaften sind vorwiegend menschliche Qualitäten, so als wolle er sagen, dass die Diakone ihren Dienst nur dann ausüben können, wenn sie auch in menschlicher Hinsicht geschätzte Vorbilder sind. An die Hinweise des hl. Paulus finden sich Anklänge in anderen Texten der Apostoli- 1102 KONGREGATIONEN UND RÄTE sehen Väter, besonders in der Didache und beim hl. Polykarp. Die Didache mahnt: „Wählt euch also Bischöfe und Diakone, die des Herrn würdig sind, ausgeglichene, nicht habgierige, sondern ehrliche und bewährte Männer“; <460> und der hl. Polykarp rät: „So sollen die Diakone vor seiner Gerechtigkeit ohne Fehler sein, als Diener Gottes und Christi, und nicht der Menschen; sie sollen keine Verleumder sein, nicht doppelzüngig, nicht geldgierig; tolerant in allem, barmherzig, engagiert; sie sollen ihren Weg in der Wahrheit des Herrn gehen, der sich zum Diener aller gemacht hat“. <461> <460> Didache, 15, 1: F. X. Funk (Hsg.), Patres Apostolici, I, o.c., 32-35. <461> Hl. Polykarp, Epist. ad Philippenses, 5, 1-2: F. X. Funk (Hsg.), Patres Apostolici, I: o.c., 300-302. 31. Die Tradition der Kirche hat dann die Anforderungen, die die Echtheit einer Berufung zum Diakonat untermauern, weiter vervollständigt und präzisiert. Es sind vor allem jene, die für die Weihen allgemein gelten: „Weihen sind nur jenen zu erteilen, die ... einen ungeschmälerten Glauben haben, von der rechten Absicht geleitet sind, über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, sich guter Wertschätzung erfreuen, über einen untadeligen Lebenswandel und erwiesene Charakterstärke sowie über andere der zu empfangenden Weihe entsprechende physische und psychische Eigenschaften verfügen“. <462> <462> CIC, can. 1029. Vgl. can. 1051, 1°. 32. Das Profil der Kandidaten wird noch durch einige spezifische menschliche Eigenschaften und evangelische Tugenden vervollständigt, die von der diaconia verlangt werden. Unter den menschlichen Eigenschaften sind zu nennen: psychische Reife, Dialog und Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Fleiß, Ausgeglichenheit und Klugheit. Bei den evangelischen Tugenden sind von besonderer Bedeutung: Gebet, eucharistische und marianische Frömmigkeit, ein demütiger und ausgeprägter Sinn für die Kirche, Liebe zur Kirche und zu ihrer Sendung, eine Gesinnung der Armut, Bereitwilligkeit zum Gehorsam und zur brüderlichen Gemeinschaft, apostolischer Eifer, Verfügbarkeit für den Dienst, <463> liebende Zuwendung zu den Brüdern und Schwestern. <463> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, II, 8: a.a.O., 700. 33. Außerdem sollen die Kandidaten für den Diakonat in lebendiger Weise in eine christliche Gemeinschaft eingebunden sein und bereits mit lobenswertem Einsatz Werke des Apostolates geleistet haben. 34. Sie können aus allen sozialen Schichten kommen und jedwede berufliche Arbeit ausüben, solange diese nach den kirchlichen Normen und dem klugen Urteil des Bischofs mit dem Stand des Diakons nicht unvereinbar ist. <464> Außerdem muss <464> Vgl. CIC, cann. 285 §§ 1-2 und 289; Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, III, 17: a.a.O., 701. 1103 KONGREGATIONEN UND RÄTE diese Tätigkeit mit den Verpflichtungen der Ausbildung und mit einer wirkungsvollen Ausübung des Dienstes praktisch vereinbar sein. 35. Bezüglich des Mindestalters legt der Codex des kanonischen Rechtes fest: „Ein unverheirateter Kandidat für den Ständigen Diakonat darf zu diesem Diakonat frühestens nach der Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres zugelassen werden, ein verheirateter Kandidat frühestens nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres“. <465> <465> C/C, can. 1031 § 2. Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, II, 5; III, 12: a.a.O., 699 und 700. Der can. 1031 § 3 schreibt vor: „Die Bischofskonferenzen können rechtlich festlegen, daß ein höheres Alter... verlangt ist“. Die Kandidaten müssen schließlich frei sein von Irregularitäten und Hindernissen. <466> <466> Vgl. CIC, cann. 1040-1042. Die vom can. 1041 angeführten Irregularitäten (dauernde Hindernisse) sind: 1) irgendeine Form von Geisteskrankheit oder eine andere psychische Erkrankung, aufgrund derer er nach Beratung mit Sachverständigen als unfähig für die ordnungsgemäße Erfüllung des Dienstes zu beurteilen ist; 2) die Straftat der Apostasie, der Häresie oder des Schismas; 3) eine versuchte Eheschließung, sei es auch nur bürgerlich; 4) vorsätzliche Tötung eines Menschen oder vollendete Abtreibung; 5) schwerwiegende und vorsätzliche Verstümmelung, sowie versuchter Selbstmord; 6) unerlaubte Ausübung von Weihehandlungen. Die einfachen Hindernisse des can. 1042 sind: 1) Ausübung einer Tätigkeit, die dem Stand des Klerikers unangemessen ist; 2) der Stand des Neugetauften (vorbehaltlich eines anderen Urteils des Ordinarius). 2. Voraussetzungen gemäß dem Lebensstand der Kandidaten a) Ehelose 36. „Durch ein vom Ökumenischen Konzil selbst bestätigtes Kirchengesetz sind jene, die in der Jugend zum Diakonat berufen sind, zur Beobachtung des Zölibats verpflichtet“. <467> Es ist dies ein dem heiligen Dienst besonders angemessenes Gesetz, unter das sich freien Willens jene stellen, die das Charisma dazu empfangen haben. Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, II, 4: a.a.O., 699. Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. Der im Zölibat gelebte Ständige Diakonat verleiht diesem Dienst manche einzigartige Charakterzüge. Denn die sakramentale Gleichsetzung mit Christus ist in engem Zusammenhang mit dem ungeteilten Herzen zu sehen, d. h. mit einer bräutlichen, ausschließlichen, immerwährenden und ganzheitlichen Erwählung der einzigen und höchsten Liebe; der Dienst an der Kirche kann mit der vollen Verfügungsbereitschaft rechnen; die Verkündigung des Gottesreiches wird vom mutigen Zeugnis dessen getragen, der um dieses Reiches willen auch auf die wertvollsten Güter verzichtet hat. b) Verheiratete 37. „Wo es sich um verheiratete Männer handelt, ist darauf zu achten, daß zum Diakonat solche zugelassen werden, die schon seit vielen Jahren in der Ehe leben 1104 KONGREGATIONEN UND RÄTE und bewiesen haben, daß sie ihrem eigenen Haus vorzustehen wissen, und deren Frau und Kinder ein wirklich christliches Leben führen und sich eines guten Leumundes erfreuen“. <468> <468> Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, III, 13; a.a.O., 700. Doch nicht nur dies. Abgesehen von einem stabilen Familienleben können die verheirateten Kandidaten nicht zur Weihe zugelassen werden, „wenn nicht im Voraus nicht nur die Zustimmung der Ehefrau feststeht, sondern auch deren christliche Rechtschaffenheit, und daß sie natürliche Eigenschaften besitzt, die dem Dienst ihres Mannes nicht hinderlich oder abträglich sind“. <469> <469> Ebd., Dl, 11: a.a.O„ 700. Vgl. CIC, cann. 1031 § 2 und 1050, 3°. c) Witwer 38. „Nach dem Empfang der Weihe sind die Diakone, auch jene in höherem Alter geweihten, kraft traditioneller Kirchendisziplin zu einer Eheschließung unfähig“. <470> Derselbe Grundsatz gilt für die Diakone, die Witwer geworden sind. <471> Diese sind gerufen, in ihrem Lebensstand den Beweis menschlicher und geistlicher Bewährung zu erbringen. <470> Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, III, 16; a.a.O., 701; Apost. Schreiben Adpascendum, VI: a.a.O„ 539; CIC, can. 1087. <471> Der Rundbrief Prot. 263/97 der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung vom 6. Juni 1997 sieht vor, dass nur eine der folgenden Bedingungen gegeben sein muss, um Dispens vom Hindernis des can. 1087 zu erhalten: die große und erprobte Nützlichkeit des Dienstes des Diakons für die Diözese seiner Zugehörigkeit; das Vorhandensein von Kindern im Kindesalter, welche mütterlicher Zuwendung bedürfen; das Vorhandensein von alten bzw. betagten Eltern oder Schwiegereltern, welche der Pflege bedürfen. Außerdem wird für die Annahme verwitweter Kandidaten vorausgesetzt, dass sie bereits in angemessener Weise für die menschliche und christliche Versorgung ihrer Kinder Vorkehrungen getroffen haben bzw. deutlich zeigen, dass sie dazu in der Lage sind. d) Mitglieder von Instituten des gottgeweihten Lebens und von Gesellschaften des apostolischen Lebens 39. Die Ständigen Diakone, die Instituten des gottgeweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens angehören <472> sind gerufen, ihren Dienst durch das besondere Charisma, das sie empfangen haben, zu bereichern. Denn obschon ihr pastoraler Einsatz unter der Jurisdiktion des Ortsordinarius steht, <473> so ist er doch von den besonderen Zügen ihres Standes als Ordensmänner oder als Gottgeweihte geprägt. Sie werden sich deshalb bemühen, ihre Bemfung als Ordensleute oder Gottgeweihte mit der Berufung zum Dienstamt in Einklang zu bringen und ihren eigenständigen Beitrag zur Sendung der Kirche anzubieten. <472> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, VII, 32-35: a.a.O., 703-704. <473> Vgl. Ders., Apost. Schreiben Ecclesiae Sanctae (6. August 1966), I, 25 § 1: AAS 58(1966)770. 1105 KONGREGATIONEN UND RÄTE III. Der Weg der Ausbildung zum Ständigen Diakonat 1. Die Vorstellung der Bewerber 40. Der Entschluss, die Ausbildung zum Diakonat zu beginnen, kann sowohl durch die Initiative des Bewerbers selbst erfolgen oder durch den ausdrücklichen Vorschlag der Gemeinschaft, der der Bewerber angehört. In jedem Fall muss ein solcher Entschluss von der Gemeinschaft angenommen und geteilt werden. Es ist der Pfarrer (bzw. bei den Ordensleuten der Obere), der dem Bischof (bzw. dem zuständigen höheren Oberen) den Bewerber für den Diakonat im Namen der Gemeinschaft vorzustellen hat. Er wird dies tun, indem er der Bewerbung eine Darlegung der Gründe für die Bewerbung und einen Lebenslauf mit Erwähnung der pastoralen Tätigkeiten des Bewerbers beifügt. Nach Beratung mit dem Ausbildungsleiter und dem Ausbildungsteam wird der Bischof (bzw. der zuständige höhere Obere) entscheiden, ob er den Bewerber zur vorbereitenden Phase zulässt oder nicht. 2. Die vorbereitende Phase 41. Mit der Aufnahme unter die Bewerber um den Diakonat beginnt eine vorbereitende Phase, die eine angemessene Zeit dauern soll. Es ist eine Zeit, in der die Bewerber in eine tiefere Kenntnis der Theologie, der Spiritualität und des Dienstes des Diakons eingeführt und zu einer sorgfältigen Prüfung ihrer Berufung eingeladen werden. 42. Verantwortlich für die vorbereitende Phase ist der Ausbildungsleiter, der je nach den Umständen die Bewerber einem oder mehreren Tutoren zuweisen kann. Es ist wünschenswert, dass die Bewerber, wo die Umstände dies erlauben, eine eigene Gemeinschaft bilden, mit einem eigenen Rhythmus von Begegnungen und Gebetszeiten, wobei auch gemeinsame Zeiten mit der Gemeinschaft der Kandidaten vorgesehen werden sollten. Der Ausbildungsleiter wird sich versichern, dass jeder Bewerber von einem genehmigten geistlichen Leiter begleitet wird; er wird mit dem Pfarrer (oder anderen Priester) eines jeden Kontakt aufnehmen, um das pastorale Praktikum zu planen. Außerdem wird er sich darum kümmern, den Kontakt zu den Familien der verheirateten Bewerber aufzunehmen, um sich von deren Bereitschaft zu überzeugen, die Berufung ihres Familienmitglieds anzunehmen, mitzutragen und zu begleiten. 43. Das Programm der vorbereitenden Phase sollte in der Regel keine schulmäßigen Vorlesungen beinhalten, sondern Treffen zum Gebet, Unterweisungen, Momente der Besinnung und des kritischen Austausches, die eine objektive Urteilsbildung über die Berufung nach einem gut gegliederten Plan erleichtern sollen. Bereits in dieser Phase sollen nach Möglichkeit auch die Ehefrauen der Bewerber miteinbezogen werden. 1106 KONGREGATIONEN UND RÄTE 44. Auf der Grundlage der für den Dienst des Diakons erforderlichen Voraussetzungen sollen die Bewerber aufgefordert werden, eine freie und bewusste Entscheidung zu treffen, die unbeeinflusst ist von persönlichen Interessen oder irgendwelchen äußeren Zwängen. <474> <474> Vgl. CIC, can. 1026. Am Ende der vorbereitenden Phase berät sich der Ausbildungsleiter mit dem Ausbildungsteam, bewertet alle ihm verfügbaren Elemente und legt dem eigenen Bischof (bzw. dem zuständigen höheren Oberen) ein Gutachten, das ein Profil der Persönlichkeit der Bewerber zeichnet, und, falls dies erbeten ist, auch ein Urteil über deren Eignung vor. Seinerseits wird der Bischof (bzw. der zuständige höhere Obere) unter die Kandidaten für den Diakonat nur solche zulassen, über deren Eignung er moralische Gewissheit gewonnen hat, sei es durch persönliche Kenntnis, sei es aufgrund der Informationen der Ausbilder. 3. Die liturgische Feier der Aufnahme unter die Kandidaten für den Stand des Diakonats 45. Die Aufnahme unter die Kandidaten für den Stand des Diakonats geschieht in einem eigenen liturgischen Ritus, „durch den der Bewerber um das Diakonat oder um das Priestertum öffentlich seinen Willen bekundet, daß er sich Gott und der Kirche für die Ausübung der heiligen Weihe verpflichten will; durch die Annahme dieser Erklärung wählt die Kirche ihrerseits den Bewerber aus und beruft ihn, sich auf den Empfang der heiligen Weihe vorzubereiten, wodurch er ordnungsgemäß unter die Kandidaten um den Diakonat aufgenommen ist“. <475> <475> Paul VI., Apost. Schreiben Adpascendum, Einleitung; vgl. I, a): a.a.O., 537-538. Vgl. CIC, can. 1034 § 1. Der Ritus der Aufnahme unter die Weihekandidaten findet sich im Pontificale Romanum - De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, Appendix, II: ed. cit., 232 ff. 46. Zuständiger Oberer für diese Aufnahme ist der eigene Bischof oder, für die Mitglieder eines klerikalen Ordensinstituts päpstlichen Rechtes oder einer klerikalen Gesellschaft des Apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes, der höhere Obere. <476> <476> Vgl. CIC, cann. 1016 und 1019. 47. Wegen seines öffentlichen Charakters und seiner Bedeutung für die Kirche soll dem Ritus der entsprechende Wert beigemessen werden und dieser vorzugsweise an einem Festtag stattfinden. Der Bewerber möge sich durch Exerzitien darauf vorbereiten. 48. Dem liturgischen Ritus für die Zulassung muss ein Antrag um Aufnahme unter die Kandidaten vorausgehen, der vom Bewerber selbst ausgefertigt und eigenhän- 1107 KONGREGATIONEN UND RÄTE dig unterzeichnet und vom eigenen Bischof (bzw. höheren Oberen), an den er gerichtet ist, schriftlich angenommen werden muss. <477> <477> Vgl. ebd., can. 1034 § 1; Paul VI., Apost. Schreiben Adpascendum, I a): a.a.O., 538. Die Aufnahme unter die Kandidaten für den Diakonat begründet keinerlei Anrecht auf den unbedingten Empfang der Diakonatsweihe. Sie ist eine erste offizielle Anerkennung der positiven Anzeichen für eine Berufung zum Diakonat, die sich während der folgenden Ausbildungsjahre bestätigen muss. 4. Die Ausbildungszeit 49. Das Ausbildungsprogramm muss für alle Kandidaten wenigstens drei Jahre dauern, und zwar zusätzlich zur vorbereitenden Phase. <478> <478> Vgl. C/C, can. 236, und die Artikel 41-44 der vorliegenden Ratio. 50. Der Codex des kanonischen Rechtes schreibt vor, dass die jungen Kandidaten ihre Ausbildung „wenigstens drei Jahre lang bei einem Aufenthalt in einem dafür bestimmten Haus, wenn der Diözesanbischof nicht aus schwerwiegenden Gründen anders bestimmt“, <479> erhalten müssen. Für die Errichtung eines solchen Hauses „mögen die Bischöfe desselben Landes oder nötigenfalls auch mehrerer Länder gemeinsam je nach den unterschiedlichen Verhältnissen ihre Kräfte zusammenfassen. Dann sollen sie für dessen Führung besonders geeignete Obere aussuchen und präzise Normen für die Disziplin und die Studienordnung erlassen“. <480> Man sorge auch dafür, dass diese Kandidaten die Verbindung mit den Diakonen ihrer eigenen Diözese aufrecht erhalten. <479> CIC, can. 236, 1°. Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, II, 6: a.a.O., 699. <480> Ebd., 11,7: a.a.O., 699. 51. Für die ledigen oder verheirateten Kandidaten vorgerückten Alters schreibt der Codex des kanonischen Rechtes vor, dass sie ihre Ausbildung „nach einer auf drei Jahre angelegten Ausbildungsordnung, die von der Bischofskonferenz erlassen ist“, <481> erhalten sollen. Wo die Umstände es erlauben, muss die Umsetzung dieser Ausbildungsordnung zu einer lebendigen Teilhabe an der Gemeinschaft der Kandidaten führen, muss einen eigenen Zeitplan für ihre Treffen zum Gebet und zur Ausbildung haben und auch gemeinsame Momente mit der Gemeinschaft der Bewerber vorsehen. <481> CIC, can. 236, 2°. Für die Ausbildung dieser Kandidaten sind verschiedene Organisationsmodelle möglich. Wegen der Verpflichtungen in Beruf und Familie sehen die häufigsten Modelle Treffen für Ausbildung und Schulung in den Abendstunden vor, an Wochenenden, im Urlaub oder in einer Verbindung der unterschiedlichen Möglichkeiten. Wo dies sich aus entfemungsbedingten Gründen als besonders schwierig erweisen sollte, wird man andere Modelle suchen müssen, die sich über einen län- 1108 KONGREGATIONEN UND RATE geren Zeitraum erstrecken oder sich der modernen Kommunikationsmöglichkeiten bedienen. 52. Für Mitglieder von Instituten des gottgeweihten Lebens oder von Gesellschaften des apostolischen Lebens soll die Ausbildung gemäß den Richtlinien der eventuellen Ratio des eigenen Instituts oder der eigenen Gesellschaft erfolgen oder auch unter Nutzung der Strukturen der Diözese, in der die Kandidaten sich befinden. 53. In jenen Fällen, in denen die oben angeführten Ausbildungswege nicht eingeführt werden oder sich als undurchführbar erweisen sollten, „soll der Bewerber zu seiner Ausbildung einem vorbildlichen Priester anvertraut werden, der sich seiner annimmt, ihn unterweist und deshalb auch seine Weisheit und Reife zu beurteilen vermag. Immer jedoch ist aufmerksam darüber zu wachen, daß ausschließlich geeignete und erfahrene Männer zur heiligen Weihe zugelassen werden“. 54. In allen Fällen hat der Ausbildungsleiter (bzw. der beauftragte Priester) sicherzustellen, dass während der gesamten Zeit der Ausbildung jeder Kandidat gewissenhaft die geistliche Leitung mit dem eigenen genehmigten geistlichen Leiter pflege. Außerdem sorge er dafür, das pastorale Praktikum eines jeden einzelnen zu begleiten, zu bewerten und eventuell abzuändem. 55. Das Ausbildungsprogramm, für das im folgenden Kapitel einige Grundlinien beschrieben werden, soll die verschiedenen Dimensionen der Ausbildung (menschlich, geistlich, theologisch und pastoral) harmonisch miteinander verbinden, es soll theologisch gut fundiert sein, eine spezifische pastorale Zielsetzung aufweisen und an die örtlichen Erfordernisse und Pastoralpläne angepasst sein. 56. In den für angemessen gehaltenen Formen sollen auch die Frauen und die Kinder der verheirateten Kandidaten mit einbezogen werden, ebenso die Gemeinschaften, denen sie angehören. Insbesondere soll auch für die Ehefrauen der Kandidaten ein speziell auf sie zugeschnittenes Bildungsprogramm erstellt werden, das sie für ihre künftige Aufgabe der Begleitung und der Unterstützung des Dienstes ihres Mannes befähige. 5. Die Übertragung der Dienstämter des Lektorats und Akolythats 57. „Bevor jemandem der Ständige Diakonat oder der Diakonat als Vorstufe erteilt wird, muß er die Dienste des Lektors und des Akolythen übernommen und eine angemessene Zeit lang ausgeübt haben“, „damit er sich besser auf die künftigen Dienste des Wortes und am Altar einrichte“. Die Kirche nämlich „hält es für sehr 55 56 57 Paul VI., Apost. Schreiben Sacrum diaconatus ordinem, III, 15: a.a.O., 701. CIC, can. 1035 § 1. Paul VI., Apost. Schreiben Ad pascendum, II: a.a.O., 539; Apost. Schreiben Ministeria quaedam (15. August 1972), XI: AAS 64(1972)533. 1109 KONGREGATIONEN UND RÄTE angemessen, daß die Kandidaten um die heiligen Weihen sowohl im Studium als auch in der stufenweisen Ausübung des Dienstes am Wort und am Altar diesen doppelten Aspekt der priesterlichen Funktion kennen und bedenken, um eine enge Beziehung zu ihnen zu schaffen. Auf diese Weise wird die Echtheit ihres Dienstes größere Wirksamkeit erhalten. Die Kandidaten werden dann im vollen Bewußtsein ihrer Berufung zu den heiligen Weihen treten, ,eifrig im Geiste, bereit, dem Herrn zu dienen, beharrlich im Gebet und aufmerksam für die Bedürfnisse der Heiligen“ (.Röm 12,11-13)“.58 Die Identität dieser Dienstämter und deren pastorale Bedeutsamkeit werden im Apostolischen Schreiben Ministeria quaedam dargestellt, auf welches hiermit verwiesen sei. 58. Die Bewerber um das Lektorat und Akolythat werden auf Einladung des Ausbildungsleiters ihre Bitte um Zulassung frei und unterschrieben dem Ordinarius (dem Bischof bzw. dem zuständigen höheren Oberen) vorlegen, der über die Zulassung zu entscheiden hat. <482> <483> Nach erfolgter Zulassung nimmt der Bischof bzw. der höhere Obere gemäß dem Ritus des Pontificale Romanum <484> die Übertragung der Dienste vor. 511 Ders., Apost. Schreiben Adpascendum, Einleitung: a.a.O., 538. <483> Vgl. Ders., Apost. Schreiben Ministeria quaedam, VIII a): a.a.O., 533. 69 Vgl. Pontificale Romanum - De Institutione Lectorum et Acolythorum, Editio typica, Typis Polyglottis Vati-canis 1972. 59. Zwischen der Übertragung des Lektorats und des Akolythats sollte sinnigerweise eine bestimmte Zeit vergehen, so dass der Kandidat den übertragenen Dienst auch ausüben kann. <485> <486> „Zwischen der Übertragung des Akolythates und der Erteilung des Diakonates ist eine Zwischenzeit von wenigstens sechs Monaten einzuhalten“.« Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Ministeria quaedam, X: a.a.O., 533; Apost. Schreiben Ad pascendum, IV: a.a.O., 539. <486> CIC, can. 1035 § 2. 6. Die Diakonatsweihe 60. Am Ende des Ausbildungsgänges kann der Kandidat, wenn er in Übereinstimmung mit dem Ausbildungsleiter überzeugt ist, die nötigen Voraussetzungen für die Weihe zu haben, dem eigenen Bischof bzw. dem zuständigen höheren Oberen „eine eigenhändig abgefaßte und unterschriebene Erklärung übergeben, durch die er bekundet, daß er von sich aus und frei die heilige Weihe empfangen und sich dem kirchlichen Dienst für immer widmen wird; zugleich hat er um Zulassung zum Weiheempfang zu bitten“. <487> <487> Ebd., can. 1036. Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Ad pascendum, V: a.a.O., 539. 1110 KONGREGATIONEN UND RÄTE 61. Diesem Antrag muss der Kandidat Taufschein und Firmzeugnis sowie die Bescheinigung über die erfolgte Übertragung der Dienste laut can. 1035 und eine Bestätigung über die ordnungsgemäß nach can. 1032 abgeschlossenen Studien beifügen. <488> Wenn der zu Weihende verheiratet ist, muss er außerdem den Trauschein und die schriftliche Zustimmung seiner Ehefrau vorlegen. <489> <488> Vgl. CIC, can. 1050. <489> Vgl. ebd., cann. 1050, 3° und 1031 § 2. 62. Nachdem der Bischof (bzw. der zuständige höhere Obere) den Antrag des Kandidaten erhalten hat, wird er dessen Eignung durch ein sorgfältiges Skrutinium bewerten. Vor allem wird er das Zeugnis prüfen, das ihm der Ausbildungsleiter „über die für den Weiheempfang erforderlichen Eigenschaften, näherhin über die Rechtgläubigkeit des Kandidaten, seine echte Frömmigkeit, seinen guten Lebenswandel, seine Eignung für die Ausübung des Dienstes und ebenso, aufgrund einer gehörigen Untersuchung, über seinen physischen und psychischen Gesundheitszustand“ <490> vorzulegen hat. Der Diözesanbischof bzw. der höhere Obere „kann sich zur ordnungsgemäßen Durchführung des Skrutiniums noch anderer Mittel bedienen, die ihm, je nach den zeitlichen und örtlichen Verhältnissen, zweckdienlich erscheinen, wie beispielsweise Führungszeugnisse, Bekanntmachungen oder andere Erkundigungen“. <491> <490> Ebd., can. 1051, 1°. <491> Ebd., can. 1051, 2°. Der Bischof bzw. der zuständige höhere Obere wird nach Feststellung der Eignung des Kandidaten und nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dieser sich der neu zu übernehmenden Pflichten <492> bewusst ist, diesen zur Diakonatsweihe zulassen. <492> Vgl. ebd., can. 1028. Für die Pflichten, welche die zu Weihenden mit dem Diakonat übernehmen, vgl. cann. 273-289. Für die verheirateten Diakone ist noch das Hindernis im Blick auf eine Wiederheirat anzufügen (vgl. can. 1087). 63. Vor der Weihe muss der ehelose Kandidat sich nach dem vorgeschriebenen Ritus <493> öffentlich zum Zölibat verpflichten; dazu ist auch ein Kandidat aus einem Institut des gottgeweihten Lebens oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens verpflichtet, der ewige Gelübde abgelegt oder andere endgültige Verpflichtungen in seinem Institut oder in seiner Gesellschaft übernommen hat. <494> Alle Kandidaten sind gehalten, noch vor der Weihe persönlich das Glaubensbekenntnis abzulegen und den Treueeid entsprechend der vom Hl. Stuhl gutgeheißenen Formel <493> Vgl. ebd., can. 1037; Paul VI., Apost. Schreiben Adpascendum, VI: a.a.O., 539. <494> Yg] Pontificale Romanum — De Ordinatione Episcopi, Presbyterorwn et Diaconorum, Nr. 177: ed. cit., 101. 1111 KONGREGATIONEN UND RÄTE zu leisten, und zwar in Gegenwart des Ortsordinarius oder eines von ihm Delegierten. <495> <495> Vgl. C1C, can. 833, 6°; Kongregation für die Glaubenslehre, Professio fidei et lusiurandum ßdelitatis in su-scipiendo officio nomine Ecclesiae exercendo: AAS 81(1989)104-106 und 1169. 64. „Jeder Weihebewerber ... zum Diakonat ist vom eigenen Bischof oder aufgrund von dessen rechtmäßigem Weiheentlassschreiben zu weihen“. <496> Wenn der zu Weihende einem klerikalen Ordensinstitut päpstlichen Rechtes oder einer klerikalen Gesellschaft des apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes angehört, steht es dessen höherem Oberen zu, ihm das Weiheentlassschreiben auszustellen. <497> <496> CIC, can. 1015 § 1. 72 Vgl. ebd., can. 1019. 65. Die Weihe selbst, die nach dem Ritus des Pontificale Romanum <498> vollzogen werden muss, soll während einer feierlichen Messe möglichst an einem Sonntag oder vorgeschriebenen Feiertag und gewöhnlich in der Kathedralkirche <499> geschehen. Die Weihekandidaten bereiten sich auf die Weihe vor in „geistlichen Exerzitien von wenigstens fünf Tagen..., wobei Ort und Weise vom Ordinarius bestimmt werden“. <500> Während des Weiheritus soll der Teilnahme der Ehefrauen und der Kinder der verheirateten Weihekandidaten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. 7^ Pontificale Romanum - De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, cap. III, De Ordinatione Diaconorum: ed. cit., 100-142. <499> Vgl. CIC, cann. 1010-1011. <500> Ebd., can. 1039. IV. Die Dimensionen der Ausbildung zum Ständigen Diakon 1. Die menschliche Bildung 66. Die menschliche Bildung hat zum Ziel, die Persönlichkeit der geweihten Diener so zu formen, dass diese „für die anderen bei der Begegnung mit Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, zur Brücke und nicht zum Hindernis“ <501> werden. Sie sollen deshalb dazu erzogen werden, sich eine Reihe menschlicher Qualitäten anzueignen und zur Reife zu bringen, die es ihnen ermöglichen, das Vertrauen der Gemeinde zu gewinnen, sich mit Freude dem pastoralen Dienst zu widmen, und die ihnen Begegnung und Austausch erleichtern. <501> Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 43: a.a.O., 732. Entsprechend zu dem in Pastores dabo vobis über die Ausbildung der Priester Gesagten müssen auch die Kandidaten für den Diakonat „zu Wahrheitsliebe, Aufrichtigkeit, Achtung vor jedem Menschen, Gerechtigkeitssinn, Einhaltung des gegebe- 1112 KONGREGATIONEN UND RÄTE nen Wortes, zu echtem Mitgefühl, zu einem konsequenten Lebensstil und besonders zu Ausgewogenheit im Urteil und Verhalten“ <502> erzogen werden. <502> Ebd.: a.a.O., 732-733. 67. Von besonderer Bedeutung für die Diakone, die ja berufen sind, Menschen des Gemeinschaftssinnes und des Dienstes zu sein, ist die Fähigkeit der Kontaktpflege mit anderen. Dies verlangt, dass sie verlässlich seien, gastfreundlich, aufrichtig in ihren Worten und im Herzen, besonnen und verschwiegen, hochherzig und dienstbeflissen, fähig, herzliche und brüderliche Beziehungen von sich aus anzubieten und in anderen zu erwecken, und bereit zum Verstehen, zum Vergeben und zum Trösten. <503> Ein Kandidat, der übermäßig in sich verschlossen, leicht erregbar und unfähig zu echten und ungezwungenen Beziehungen zu anderen sein sollte, müsste eine tiefe Umkehr vollziehen, bevor er sich entschlossen auf den Weg zum Dienstamt machen kann. <503> Vgl. ebd.: a.a.O., 733. 68. An der Wurzel der Fähigkeit, mit anderen in Beziehung zu treten, steht die affektive Reife, die mit einem hohen Maß an Sicherheit vom ledigen wie vom verheirateten Kandidaten erreicht sein muss. Eine solche Reife setzt in beiden Arten von Kandidaten die Entdeckung voraus, dass die Liebe im Mittelpunkt der eigenen Existenz zu stehen hat, sowie den Kampf gegen den eigenen Egoismus. Tatsächlich kann, wie Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika Redemptor hominis sagt, „der Mensch nicht ohne Liebe leben. Wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sie sich nicht zu eigen macht, wenn er nicht lebendig an ihr teilhat, dann bleibt er für sich selbst ein unverständliches Wesen und sein Leben bleibt ohne Sinn“. <504> Es handelt sich um eine Liebe - so erklärt der Papst in Rastores dabo vobis - die alle Dimensionen der Person, die physischen, die psychischen und die geistlichen einbezieht, und die deshalb eine vollkommene Beherrschung der Sexualität verlangt, die wirklich und in vollem Sinne personal werden muss. <505> <504> Ders., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. 10: AAS 71(1979)274. <505> Vgl. Ders., Nachsynodales Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 44: a.a.O., 734. Die Liebe zu verwirklichen bedeutet für die unverheirateten Kandidaten, das Ganze des eigenen Seins, der eigenen Kräfte und des eigenen Bemühens Christus und der Kirche darzubringen. Es ist eine anspruchsvolle Berufung, die mit den Neigungen der Affektivität und mit den Triebkräften des Instinktes rechnen muss und darum des Verzichts und der Wachsamkeit, des Gebets und der Treue zu einer ganz bestimmten Lebensregel bedarf. Eine entscheidende Hilfe dabei können wahre Freundschaften bieten, die eine wertvolle Hilfe sind und eine von der göttlichen Vorsehung geschenkte Unterstützung, um die eigene Berufung leben zu können. <506> <506> Vgl. ebd.: a.a.O.. 734-735. 1113 KONGREGATIONEN UND RÄTE Für die verheirateten Kandidaten bedeutet die Verwirklichung der Liebe, sich selbst der eigenen Frau in gegenseitiger Zugehörigkeit hinzugeben, in einer ganzheitlichen, treuen und unlösbaren Bindung, nach dem Bild der Liebe Christi zu seiner Kirche; es bedeutet gleichzeitig auch die Kinder anzunehmen, sie zu lieben und zu erziehen und die familiäre Zusammengehörigkeit in die ganze Kirche und die Gesellschaft hineinstrahlen zu lassen. Es ist eine Berufung, die heutzutage infolge der besorgniserregenden Abstufung einiger fundamentaler Werte, der Überbetonung der Genusssucht und eines falschen Freiheitsverständnisses einer harten Probe ausgesetzt ist. Um in ihrer Fülle gelebt werden zu können, bedarf die Berufung zum Familienleben der Stärkung durch das Gebet, durch die Liturgie und durch eine täglich neue Hingabe seiner selbst. <507> <507> Vgl. Ders., Apost. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981); AAS 74(1982)81-191. 69. Voraussetzung für wirkliche menschliche Reife ist die Erziehung zur Freiheit, die sich als Gehorsam gegenüber der Wahrheit des eigenen Seins darstellt. „So verstanden, erfordert die Freiheit, daß die menschliche Person wahrhaft Herrin über sich selbst ist: Sie ist entschlossen, die verschiedenen Formen des Egoismus und Individualismus, die das Leben jedes einzelnen beeinträchtigen, zu bekämpfen und zu überwinden, und bereit, sich in selbstloser Hingabe und im Dienst am Nächsten den anderen gegenüber zu öffnen“. <508> Die Ausbildung zur Freiheit beinhaltet auch die Erziehung zu einem moralischen Gewissen, das dazu drängt, die Stimme Gottes in der Tiefe des Herzens zu hören und ihr ohne Abstriche zu folgen. <508> Ders., Nachsynodales Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 44; a.a.O., 735. 70. Diese vielseitigen Aspekte der menschlichen Reife - menschliche Qualitäten, Fähigkeit zu Beziehungen, affektive Reife, Erziehung zur Freiheit und zum moralischen Gewissen - müssen unter Berücksichtigung des Alters und der vorausgegangenen Ausbildung der Kandidaten beachtet und in auf die jeweilige Person abgestimmte Programme eingeplant werden. Der Ausbildungsleiter und der Tutor haben dabei in ihrem Zuständigkeitsbereich tätig zu werden; der geistliche Leiter wird es nicht versäumen, auf diese Aspekte zu achten und ihr Vorhandensein in den geistlichen Gesprächen zu überprüfen. Ferner sind auch Begegnungen und Vorträge nützlich, die eine selbstkritische Wandlung erleichtern und Anregungen für den Reifungsprozess geben. Das gemeinschaftliche Leben stellt - in all den verschiedenen durchführbaren Formen - einen vorzüglichen Rahmen für die konkrete Überprüfung und für eine brüderliche Ermahnung dar. Wo es nach dem Urteil der Ausbilder nötig werden sollte, kann bei Zustimmung der Betroffenen auch psychologische Beratung in Anspruch genommen werden. 1114 KONGREGATIONEN UND RATE 2. Die geistliche Formung 71. Die menschliche Bildung öffnet sich zur geistlichen Formung, die das Herz und die einigende Mitte jeder christlichen Bildung darstellt, und vervollständigt sich durch diese. Deren Ziel ist es, das in der Taufe neu empfangene Leben zur Entfaltung zu führen. Wenn ein Kandidat den Ausbildungsweg zum Diakonat antritt, bringt er für gewöhnlich bereits eine gewisse Erfahrung im geistlichen Leben mit, wie z. B. die Erkenntnis über das Wirken des Geistes, das Hören und Betrachten des Wortes Gottes, Freude am Beten, Einsatz für den Dienst an den Brüdern und Schwestern, Opferbereitschaft, Sinn für die Kirche, apostolischen Eifer. Seinem Lebensstand entsprechend ist ferner in ihm bereits eine gewisse ganz konkrete Spiritualität herangereift: im Familienstand, in der Weihe in der Welt oder in der Weihe im Ordensleben. Deshalb darf die geistliche Ausbildung des künftigen Diakons diese bereits erworbenen Erfahrungen nicht übersehen, sondern muss sie prüfen und verstärken, um auf ihrer Grundlage die spezifischen Züge der Spiritualität eines Diakons einzupflanzen. 72. Das Element, das die Spiritualität des Diakons am stärksten charakterisiert, ist die Entdeckung und die Teilhabe an der Liebe Christi, des Dieners, der kam, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. Dem Kandidaten muss also geholfen werden, allmählich jene Haltungen zu erwerben, die, wenngleich nicht ausschließlich, so doch spezifisch diakonale sind, wie Einfachheit des Herzens, uneigennützige Ganzhingabe seiner selbst, demütige und dienstbereite Liebe zu den Brüdern und Schwestern, vor allem zu den ärmsten, zu den am meisten leidenden und bedürftigen, und schließlich die Wahl eines Lebensstils der Solidarität und Armut. Maria, die Magd des Herrn, möge diesen Weg begleiten und im täglichen Gebet des Rosenkranzes als Mutter und Helferin angerufen werden. 73. Quelle dieser neuen Fähigkeit zur Liebe ist die Eucharistie, die nicht zufällig den Dienst des Diakons kennzeichnet. Der Dienst an den Armen ist in Wirklichkeit die logische Fortsetzung des Dienstes am Altar. Der Kandidat ist deshalb einzuladen, täglich oder zumindest häufig, wie es die familiären und beruflichen Pflichten eben zulassen, an der Feier der Eucharistie teilzunehmen, und es muss ihm geholfen werden, deren Geheimnis immer tiefer zu durchdringen. Im Blick auf diese eucharistische Spiritualität ist Sorge zu tragen, dass auch das Bußsakrament in seinem Wert angemessen betont werde. 74. Als ein weiteres charakteristisches Merkmal prägt das Wort Gottes die Spiritualität des Diakons. Dieser ist ja gerufen, sein kompetenter Verkünder zu sein, der glaubt, was er verkündet, lehrt, was er glaubt, und lebt, was er lehrt. <509> Der Kandidat wird deshalb lernen müssen, das Wort Gottes immer tiefer zu erkennen und in <509> Vgl. die Überreichung des Evangeliars, in: Pontificale Romanum — De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, Nr. 210: ed. cit., 125. 1115 KONGREGATIONEN UND RÄTE ihm die ständige Nahrung für sein geistliches Leben zu suchen, und zwar durch ernsthaftes, von der Liebe getriebenes Studium und durch die tägliche Pflege der lectio divina. 75. Auch eine Hinführung zum Sinn des Gebets der Kirche darf nicht fehlen. Denn es gehört zum Dienst des Diakons, im Namen der Kirche und für die Kirche zu beten. Dies verlangt ein Nachdenken über den Ursprung des christlichen Gebetes und über den Sinn des Stundengebetes, besonders jedoch eine praktische Einführung in das Beten. Zu diesem Zweck ist es wichtig, dass bei allen Treffen der künftigen Diakone diesem Gebet Zeit geschenkt wird. 76. Der Diakon verkörpert schließlich das Charisma des Dienstes als eine Teilhabe am kirchlichen Dienst. Dies hat wichtige Auswirkungen auf sein geistliches Leben, das von den Merkmalen des Gehorsams und der brüderlichen Gemeinschaft geprägt sein muss. Eine echte Erziehung zum Gehorsam wird keinesfalls die durch die Weihegnade empfangenen Gaben unterdrücken, sondern vielmehr dem apostolischen Eifer die kirchliche Echtheit gewährleisten. Die Gemeinschaft mit den geweihten Mitbrüdem, Priestern und Diakonen, ist ihrerseits eine Wohltat, die die Großherzigkeit im Dienst unterstützt und anregt. Der Kandidat muss deshalb zu einem Gespür für die Zugehörigkeit zum Kreis der geweihten Diener erzogen werden, zur brüderlichen Zusammenarbeit mit ihnen und zum geistlichen Austausch. 77. Hilfsmittel für diese Ausbildung sind: die monatlichen Einkehrtage und die jährlichen geistlichen Exerzitien; die Unterrichtseinheiten, die nach einem organischen und stufenweisen Programm zu gestalten sind, das die verschiedenen Bildungsabschnitte berücksichtigen soll; die konstante geistliche Begleitung. Besondere Aufgabe des geistlichen Leiters ist es, dem Kandidaten zu helfen, die Anzeichen für seine Berufung zu erkennen, sich in eine Haltung beständiger Umkehr zu versetzen, die für eine diakonale Spiritualität typischen Züge zur Reife zu bringen, indem er auf die Schriften der klassischen Spiritualität und das Beispiel der Heiligen zurückgreift, sowie eine harmonische Synthese von Lebensstand, Beruf und Dienst zu bewerkstelligen. 78. Es soll außerdem dafür gesorgt werden, dass die Frauen der verheirateten Kandidaten in dem Bewusstsein der Berufung ihres Mannes und ihrer eigenen Aufgabe an dessen Seite wachsen. Sie sollen deshalb eingeladen werden, regelmäßig an den Treffen für die geistliche Ausbildung teilzunehmen. Auch für die Kinder soll es geeignete Initiativen geben, die sie für den diakonalen Dienst sensibel machen. 3. Die lehrmäßige Ausbildung 79. Die intellektuelle Ausbildung ist eine notwendige Dimension in der Ausbildung des Diakons, insofern sie diesem eine substantielle Nahrung für sein geistli- 1116 KONGREGATIONEN UND RÄTE ches Leben und ein wertvolles Werkzeug für seinen Dienst bietet. Sie ist besonders heute vonnöten angesichts der Herausforderungen der Neu-Evangelisierung, zu der die Kirche an diesem schwierigen Jahrtausendwechsel aufgerufen ist. Die religiöse Gleichgültigkeit, die Aushöhlung der Werte, der Verlust ethischer Übereinstimmungen sowie der kulturelle Pluralismus verlangen, dass jene, die sich im geweihten Dienst engagieren, über eine vollständige und ernsthafte intellektuelle Ausbildung verfügen. Im Rundschreiben Come e a conoscenza aus dem Jahre 1969 hat die Kongregation für das Katholische Bildungswesen die Bischofskonferenzen eingeladen, eine lehrmäßige Ausbildung zugunsten der Kandidaten für den Diakonat auszuarbeiten, die den verschiedenen persönlichen und kirchlichen Gegebenheiten Rechnung tragen sollte, gleichzeitig jedoch eine „überstürzte oder oberflächliche Vorbereitung“ absolut verhindern sollte, „da die Aufgaben der Diakone nach den Vorschriften der Konstitution Lumen Gentium (Nr. 29) und des Motu Proprio (Nr. 22) <510> so wichtig sind, daß sie eine gediegene und wirkungsvolle Ausbildung erfordern“. Es handelt sich um das Apost. Schreiben von Paul VI., Sacrum diaconatus ordinem, Nr. 22: a.a.O., 701-702. 80. Die Kriterien, die bei der Planung einer solchen Ausbildung berücksichtigt werden müssen, sind: a) die Notwendigkeit, dass der Diakon fähig sei, Rechenschaft über seinen Glauben abzulegen, und in einem lebendigen kirchlichen Bewusstsein wachse; b) die Sorge um eine Vorbereitung für die spezifischen Aufgaben seines Dienstes; c) die Wichtigkeit des Erwerbs der Befähigung zum Verstehen der jeweiligen Situation und zur angemessenen Inkulturation des Evangeliums; d) die Nützlichkeit einer Kenntnis der Techniken der Kommunikation und der Leitung von Versammlungen, außerdem der Fähigkeit, öffentlich zu sprechen, sowie zu führen und zu beraten. 81. Unter Beachtung dieser Kriterien sind die zu berücksichtigenden Inhalte <511> folgende: <511> Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Rundschreiben Come e a conoscenza (16. Juli 1969) 2. a) Einführung in die Heilige Schrift und in deren richtige Auslegung; die Theologie des Alten und des Neuen Testaments; das Verhältnis von Schrift und Tradition; der Gebrauch der Schrift in der Predigt, in der Katechese und in den Pastoralen Tätigkeiten im allgemeinen; b) Einführung in das Studium der Kirchenväter, sowie eine Grundkenntnis der Kirchengeschichte; c) Fundamentaltheologie mit einer Erläuterung der Quellen, der Themen und Methoden der Theologie, die Behandlung der Fragen bezüglich der Offenbarung und die Darlegung der Beziehung von Glaube und Vernunft, die die künftigen Diakone befähigt, die Vemunftgemäßheit des Glaubens darzustellen; 1117 KONGREGATIONEN UND RÄTE d) Dogmatische Theologie mit ihren verschiedenen Traktaten: Trinitätslehre, Schöpfungslehre, Christologie, Ekklesiologie und Ökumenismus, Mariologie, christliche Anthropologie, Sakramentenlehre (besonders die Theologie des geweihten Dienstamtes), Eschatologie; e) Christliche Morallehre in ihren personalen und sozialen Dimensionen und insbesondere die Soziallehre der Kirche; f) Spirituelle Theologie; g) Liturgie; h) Kirchenrecht. Je nach Umständen und Notwendigkeit wird das Studienprogramm durch andere Disziplinen zu ergänzen sein wie das Studium anderer Religionen, den Gesamtkomplex philosophischer Fragen, die Vertiefung bestimmter ökonomischer und politischer Problemstellungen. <512> Vgl. ebd., 82. Für die theologische Ausbildung sollte man sich, wo dies möglich ist, der bereits bestehenden religionswissenschaftlichen Institute oder anderer Einrichtungen für die theologische Ausbildung bedienen. Wo für die theologische Ausbildung der Diakone eigene Bildungseinrichtungen geschaffen werden müssen, ist dafür Sorge zu tragen, dass die Anzahl der Unterrichtsstunden und Seminare im Verlauf der drei Jahre nicht unter tausend liegt. Wenigstens die Grundkurse haben mit einer Prüfung abzuschließen, und am Ende des dreijährigen Zyklus ist ein umfassendes Abschlussexamen vorzusehen. 83. Für den Zugang zu diesem Ausbildungsprogramm ist eine vorgängige Grundausbildung zu verlangen, die entsprechend der kulturellen Situation des jeweiligen Landes festzulegen ist. 84. Es ist Vorsorge dafür zu treffen, dass die Kandidaten ihre Ausbildung auch nach der Weihe fortsetzen. Dazu halte man sie an, sich eine kleine persönliche, theologisch-pastorale Bibliothek anzulegen und für Angebote der Fortbildung offen zu sein. 4. Die pastorale Ausbildung 85. In einem weiteren Sinne deckt sich die pastorale Ausbildung mit der geistlichen: es geht um die Ausbildung zur immer volleren Identifikation mit der Diakonie Christi. Diese Haltung muss die Inhalte der verschiedenen Dimensionen der Ausbildung bestimmen, indem sie diese in eine einheitliche Sicht der Berufung zum Diakon integriert, die darin besteht, Sakrament Christi, des Knechtes des Vaters, zu sein. Im engeren Sinne geschieht die pastorale Ausbildung im Rahmen einer besonderen theologischen Disziplin und durch ein Praktikum. 3. 1118 KONGREGATIONEN UND RÄTE 86. Diese theologische Disziplin heißt Pastoraltheologie. Sie ist „eine wissenschaftliche Reflexion über die Kirche in ihrer täglichen Auferbauung in der Geschichte durch die Kraft des Geistes: also über die Kirche als allumfassendes Heilssakrament“, als lebendiges Zeichen und Werkzeug der Heilstat Jesu Christi im Wort, in den Sakramenten und im Dienst der Liebe“. <513> Ziel dieser Disziplin ist demnach die Darlegung der Prinzipien, Kriterien und Methoden, die die Richtung des apostolisch-missionarischen Wirkens der Kirche in der Geschichte bestimmen. Die für die Diakone vorgesehene Pastor altheologie wird besondere Aufmerksamkeit auf die eigentlichen diakonalen Bereiche richten, wie: <513> Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 57: a.a.O., 758. a) die liturgische Praxis: die Verwaltung der Sakramente und Sakramentalien, der Dienst am Altar; b) die Verkündigung des Wortes in den verschiedenen Bereichen des Dienstes: Kerygma, Katechese, Vorbereitung auf den Sakramentenempfang, Predigt; c) den Einsatz der Kirche für soziale Gerechtigkeit und Liebe; d) das Gemeinschaftsleben, besonders die Leitung von Familiengruppen, kleinen Gemeinschaften, Gruppen und Bewegungen, usw. Auch bestimmte technische Unterweisungen, die die Kandidaten auf besondere Tätigkeiten vorbereiten, können nützlich sein, wie Psychologie, katechetische Pädagogik, Homiletik, Kirchengesang, kirchliche Verwaltung, Informatik, usw. <514> <514> Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Rundschreiben Come e a conoscenza (16. Juli 1969) 3. 87. Gleichzeitig (und möglichst in Verbindung) mit dem Unterricht in Pastoral-theologie ist für jeden Kandidaten ein Praktikum vorzusehen, das ihm eine praktische Erprobung dessen, was er im Unterricht gelernt hat, ermöglicht. Dies hat schrittweise und differenziert zu geschehen und bedarf beständiger Überprüfung. Für die Auswahl der praktischen Einsätze berücksichtige man die Übertragung der Dienstämter und lege Wert auf deren Ausübung. Man achte darauf, dass die Kandidaten aktiv in die pastoralen Aktivitäten der Diözese eingebunden werden und dass sie regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit den bereits mitten im Dienst stehenden Diakonen pflegen. 88. Außerdem kümmere man sich darum, dass die angehenden Diakone ein starkes missionarisches Bewusstsein entwickeln. Ähnlich wie die Priester erhalten ja auch sie mit der heiligen Weihe eine geistliche Gabe, die sie auf eine weltweite Sendung vorbereitet, bis zu den Grenzen der Erde (vgl. Apg 1,8). <515> Man helfe ihnen also dabei, sich dieser ihrer missionarischen Identität lebhaft bewusst zu werden, und bereite sie vor, sich die Verkündigung der Wahrheit auch an die Nicht-Christen angelegen sein zu lassen, besonders an jene, die zu ihrem eigenen Volk gehören. Doch soll auch die Perspektive der Mission ad gentes nicht ausgeschlossen sein, falls die Umstände dies erfordern oder erlauben sollten. 9 ^ Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 10; Dekret Ad gentes, Nr. 20. 1119 KONGREGATIONEN UND RÄTE Schluss 89. Die Didascalia Apostolorum empfiehlt den Diakonen der ersten Jahrhunderte: „Wie unser Heiland und Meister im Evangelium gesagt hat: Wer unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein, genau wie der Menschensohn, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösepreis für viele hinzugeben, so sollt auch ihr Diakone für den Dienst, dessen Erfüllung euch aufgetragen ist, dasselbe tun, auch wenn es die Hingabe des Lebens für eure Brüder bedeuten sollte“. <516> Es ist dies eine höchst aktuelle Einladung auch für jene, die heute zum Diakonat berufen werden, die sie auffordert, sich mit großem Einsatz auf ihren künftigen Dienst vorzubereiten. <516> Didascalia Apostolorum, ffl, 13 (19), 3: F. X. Funk (Hsg.), Didascalia et Constitutiones Apostolorum, I, o.c., 214-215. 90. Die Bischofskonferenzen und die Ordinarien der ganzen Welt, denen vorliegendes Dokument übergeben wird, mögen dieses zum Gegenstand aufmerksamer Überlegungen zusammen mit ihren Priestern und ihren Gemeinden machen. Es wird für jene Kirchen, in denen der Ständige Diakonat als lebendige Wirklichkeit in Kraft ist, ein wichtiger Bezugspunkt sein; für die anderen ist es eine wirkungsvolle Einladung, auf die kostbare Gabe des Geistes, wie sie der Dienst des Diakons darstellt, Wert zu legen. Papst Johannes Paul II. hat diese „Ratio fundamentalis institutionis diaconorum permanentium “ gutgeheißen und ihre Veröffentlichung angeordnet. Rom, aus dem Gebäude der Kongregationen, am 22. Februar, dem Fest der Kathedra Petri, im Jahre 1998. Pio Kard. Laghi Präfekt + Jose Saraiva Martins Titular-Erzbischofvon Tuburnica Sekretär 1120 KONGREGATIONEN UND RÄTE Directorium pro ministerio et vita diaconorum permanentium Direktorium für den Dienst und das Leben der Ständigen Diakone Kongregation für den Klerus vom 22. Februar I. Der Rechtsstatus des Diakons Der Diakon ein geistlicher Diener 1. Der Diakonat hat seinen Ursprung in der Weihe und in der Sendung Christi, an denen teilzuhaben der Diakon berufen wird. <517> Durch die Handauflegung und das Weihegebet wird er als geistlicher Diener, Mitglied der Hierarchie, eingesetzt. Diese Voraussetzung bestimmt seinen theologischen und rechtlichen Stand in der Kirche. <517> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28a. Die Inkardination 2. Bei der Aufnahme müssen alle Kandidaten in einer schriftlichen Erklärung ihre Absicht bekunden, ihr ganzes Leben lang in einem bestimmten territorialen oder personalen Kirchenbezirk (einer Teilkirche oder einer Personalprälatur) oder in einem Institut des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens, die die Befugnis zur Inkardination haben, <518> der Kirche zu dienen. <519> Die schriftliche Annahme dieser Bitte ist demjenigen Vorbehalten, der die Befugnis zur Inkardination besitzt und bestimmt, wer der Bischof des Kandidaten ist. <520> <518> Vgl. CIC, cann. 265-266. <519> Vgl. ebd., can. 1034 § 1, 1036; Paul VI., Apostol. Schreiben Adpascendum, I, a: a.a.O., 538. <520> Vgl. ebd., cann. 1034 § 1; 1016; 1019; Apostol. Konst. Spirituali mililum curae, VI § 3-4; CIC, can. 295, 1. Die Inkardination ist eine Rechtsverbindlichkeit, die ekklesiologische und geistliche Bedeutung besitzt, weil sie den Einsatz des Diakons im Dienst der Kirche zum Ausdruck bringt. 3. Ein Diakon, der bereits in eine Kirchenprovinz inkardiniert ist, kann rechtmäßig in eine andere Kirchenprovinz inkardiniert werden. <521> <521> Vgl. ebd., can. 267-268 § 1. Ein Diakon, der aus berechtigten Gründen seinen Dienst in einer anderen Diözese als in der seiner Inkardination ausüben möchte, muss dazu von beiden Bischöfen die schriftliche Genehmigung erhalten. Die Bischöfe sollen die Diakone ihrer Diözese unterstützen, die sich, sei es endgültig, sei es für eine bestimmte Zeit für Kirchen zur Verfügung stellen, die unter Priestermangel leiden, und besonders jene, die sich, eine sorgfältige Spezialausbildung vorausgesetzt, der Mission ad gentes widmen wollen. Die erforderlichen 1121 KONGREGATIONEN UND RÄTE Regelungen sind durch entsprechende Vereinbarung zwischen den beteiligten Bischöfen zu treffen. <522> <522> Vgl. ebd., can. 271. Es ist Pflicht des Bischofs, die Diakone seiner Diözese mit besonderer Fürsorge zu begleiten. <523> Er soll sich persönlich oder durch einen von ihm delegierten Priester um sie kümmern und sich dabei mit umsichtiger Sorge vor allem derer annehmen, die sich durch ihre Lebenssituation in besonderen Schwierigkeiten befinden. <523> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, VI, 30: a.a.0. 703. 4. Der in ein Institut des geweihten Lebens oder in eine Gesellschaft des apostolischen Lebens inkardinierte Diakon muss seinen Dienst in allem, was die Seelsorge, die öffentliche Abhaltung von Gottesdiensten und die Werke des Apostolats betrifft, unter der Gewalt des Bischofs ausüben, während er weiterhin auch den eigenen Oberen, je nach deren Zuständigkeiten, untersteht und sich treu an die Ordnung der betreffenden Gemeinschaft halten muss. <524> Im Fall der Versetzung in eine andere Kommunität einer anderen Diözese muss der Obere den Diakon dem Bischof vorstellen, um von ihm die Erlaubnis für die Ausübung des Dienstes gemäß den Bedingungen, die sie selber in weisem Einvernehmen festlegen werden, zu erhalten. <524> Vgl. CIC, can. 678 §§ 1-3; 715; 738; vgl. auch Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, VII, 3335: a.a.O. 704. 5. Die besondere Berufung des Ständigen Diakons setzt das Verbleiben in diesem Stand voraus. Daher soll ein etwaiger Übergang unverheirateter oder verwitweter Ständiger Diakone zum Priestertum stets eine ganz seltene Ausnahme bleiben und nur möglich sein, wenn besondere, schwerwiegende Gründe diesen Schritt nahelegen. Die Entscheidung über die Zulassung zur Priesterweihe liegt beim eigenen Diözesanbischof, falls nicht andere Hindernisse vorliegen, die dem Heiligen Stuhl Vorbehalten sind. <525> Angesichts des besonderen Ausnahmefalles ist es jedoch angebracht, dass der Bischof zuvor bei der Kongregation für das katholische Bildungswesen und bei der Kongregation für den Klerus Erkundigungen einholt über das geistige und theologische bzw. das pastorale Ausbildungsprogramm für den Kandidaten und über die Einstellung und Eignung des Diakons zum Priesteramt. <525> Vgl. Vat. Staatssekretariat, Schreiben an den Kardinal Präfekten der heiligen Kongregation für die Sakra-mente und den Gottesdienst, Prot. N. 122.735, vom 3. Januar 1984. Sakramentale Brüderlichkeit 6. Kraft der empfangenen Weihe sind die Diakone einander in sakramentaler Brüderlichkeit verbunden. Sie arbeiten für dieselbe Sache: den Aufbau des Leibes Christi unter der Autorität des Bischofs und in Gemeinschaft mit dem Papst. <526> Jeder Diakon fühlt sich durch das Band der Liebe, des Gebets, des Gehorsams ge- Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 15; Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, 23: a.a.O. 702. 1122 KONGREGATIONEN UND RÄTE genüber seinem Bischof, des Diensteifers und der Zusammenarbeit mit den Mit-brüdem verbunden. Es ist gut, wenn die Diakone mit Zustimmung des Bischofs und in Anwesenheit des Bischofs selbst oder seines Delegaten regelmäßig Zusammenkommen, um die Erfüllung ihres Dienstes zu überprüfen, Erfahrungen auszutauschen, sich weiterzubilden und sich gegenseitig zur Treue anzuspomen. Die eben genannten Zusammenkünfte von Ständigen Diakonen können auch für die Kandidaten zur Diakonenweihe einen Bezugspunkt darstellen. Es ist Sache des Ortsbischofs, bei den in der Diözese tätigen Diakonen einen „Gemeinschaftsgeist“ zu fördern, dabei aber das Entstehen jenes „Korporativismus“ zu vermeiden, der in der Vergangenheit mit zum Verschwinden des Ständigen Diakonats beigetragen hat. Pflichten und Rechte 7. Der Rechtsstatus des Diakons schließt auch eine ganze Reihe spezifischer Pflichten und Rechte ein, entsprechend can. 273-283 des Codex des kanonischen Rechtes, die sich auf die Pflichten und Rechte der Kleriker, mit den dort für die Diakone vorgesehenen Besonderheiten, beziehen. 8. Der Ritus der Diakonenweihe sieht das Gehorsamsversprechen an den Bischof vor: „Versprichst du, mir und meinen Nachfolgern Ehrfurcht und Gehorsam zu erweisen?“. <527> <527> Pontificale Romanum - De Ordinatione Episcopi, presbyterorum et diaconontm, Nr. 201, Ed. typica altera, Typis Polyglottis Vaticanis 1990, 110; vgl. auch C1C, can. 273. Wenn der Diakon dem Bischof Gehorsam verspricht, nimmt er sich Jesus zum Vorbild, der gehorsam im wahrsten Sinne des Wortes war (vgl. Phil 2,5-11), nach dessen Beispiel er dem eigenen Gehorsam im Elören (vgl. Hebr 10,5 ff.; Joh 4,34) und in der radikalen Verfügbarkeit (vgl. Lk 9,54 ff.; 10,1 ff.) Gestalt geben wird. Er verpflichtet sich daher vor allem gegenüber Gott, in voller Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters zu handeln; gleichzeitig verpflichtet er sich auch gegenüber der Kirche, die voll verfügbare Menschen braucht. <528> Im Gebet und im Gebetsgeist, von dem er durchdrungen sein muss, wird der Diakon tagtäglich die totale Selbsthingabe vertiefen, wie es der Herr „bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8) getan hat. <528> daß derjenige, der von einer Mentaliät des Widerspruchs oder des Widerstandes gegen die Obrigkeit beherrscht wird, die Aufgaben eines Diakons nicht angemessen erfüllen könnte. Der Diakonat darf nur denen verliehen werden, die an den Wert der pastoralen Sendung des Bischofs und des Priesters und an den Beistand des Heiligen Geistes glauben, der sie in ihren Handlungen und in ihren Entscheidungen leitet. Insbesondere sei wiederholt, daß der Diakon verpflichtet ist, ,dem Bischof Ehrfurcht und Gehorsam zu erweisen1... Der Dienst des Diakons gilt sodann der eigenen christlichen Gemeinschaft und der ganzen Kirche, zu der er wegen ihrer Sendung und ihrer göttlichen Einsetzung eine tiefe Liebe hegen soll“ (Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz [20. Oktober 1993], Nr. 2: Insegnamenti, XVI,2[1993]1055). Diese Gehorsamsauffassung bereitet auf die Annahme der konkreten Bestimmungen vor, die der Diakon mit dem bei der Weihe gemachten Versprechen als Ver- 1123 KONGREGATIONEN UND RÄTE pflichtung übernommen hat, präzisiert wird, wie vom Gesetz der Kirche vorgesehen: „Die Kleriker sind gehalten, wenn sie nicht durch ein rechtmäßiges Hindernis entschuldigt sind, eine Aufgabe, die ihnen von ihrem Ordinarius übertragen wird, zu übernehmen und treu zu erfüllen“. <529> <529> CIC, can. 274 § 2. Grundlage der Verpflichtung ist die durch das Weihesakrament und die missio ca-nonica (kanonische Sendung, kirchenamtliche Beauftragung) übertragene Teilnahme am Bischofsamt. Der Bereich des Gehorsams und der Verfügbarkeit wird vom diakonischen Dienst selbst und von allem, was in objektiver, direkter und unmittelbarer Beziehung zu ihm steht, bestimmt. Im Amtsverleihungsdekret wird der Bischof dem Diakon Aufgaben zuteilen, die dessen persönlichen Fähigkeiten, der zölibatären bzw. familiären Situation, der Ausbildung, dem Alter und den als geistlich gültig anerkannten Neigungen und Wünschen entsprechen. Bestimmt werden auch der territoriale Bereich bzw. die Personen, denen der apostolische Dienst gelten soll; ebenso soll festgelegt werden, ob es sich um eine Vollzeit- oder eine Teilzeitaufgabe handelt und welcher Priester im Aufgabenbereich für die zuständige „cura animarum“ (Seelsorge) verantwortlich sein wird. 9. Pflicht der Kleriker ist es, in der Verbindlichkeit der Brüderlichkeit und des Gebetes zu leben, indem sie sich um die Zusammenarbeit untereinander und mit dem Bischof bemühen, auch die Sendung der gläubigen Laien in Kirche und Welt anerkennen und fördern <530> und ein enthaltsames, einfaches Leben führen, das offen ist für die ,Kultur des Gebens“ und einen großzügigen brüderlichen Austausch begünstigt. <531> <530> „... zu den Aufgaben des Diakons gehört es, ,die apostolische Tätigkeit der Laien zu fördern und zu unterstüt-zen’. Da er stärker als der Priester in den weltlichen Bereichen und Strukturen anwesend und fester in sie eingebunden ist, soll er sich dazu ermutigt fühlen, die Annäherung zwischen dem geweihten Amt und der Tätigkeit der Laien im gemeinsamen Dienst für das Reich Gottes zu fördern“ (Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz [13. Oktober 1993], Nr. 5: Insegnamenti, XVI,2[1993]1002-1003); vgl. CIC, can. 275. <531> Vgl. CIC, can. 282. 10. Die Ständigen Diakone sind nicht verpflichtet, klerikale Kleidung zu tragen, wie hingegen die Diakone, die Priesterkandidaten sind <532> und für die dieselben Normen gelten, die für die Priester überall vorgesehen sind. <533> <532> Vgl. ebd., can. 288, mit Bezugnahme auf can. 284. <533> Vgl. ebd., can. 284; Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester, Tota Ecclesia (31. Januar 1994), Nr. 66, Libreria Editrice Vaticana, 1994, 67-68; Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Klarstellung bezüglich der verbindlichen Gültigkeit von Art. 66 (22. Oktober 1994): Zeitschrift „Sacrum Ministerium“, 2(1995)263. Die Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens müssen sich an das halten, was für sie vom Codex des kanonischen Rechtes verfügt wurde. <534> <534> Vgl. CIC, can. 669. 1124 KONGREGATIONEN UND RATE 11. Die Kirche anerkennt in ihrer Rechtsordnung das Recht der Diakone, sich in Vereinigungen zusammenzuschließen, um ihr geistliches Leben zu fördern, Werke der Nächstenliebe und der Frömmigkeit zu vollbringen und andere Zwecke zu verfolgen, die in voller Übereinstimmung mit ihrer sakramentalen Weihe und ihrer Sendung stehen. <535> <535> Vgl. ebd., can. 278 §§ 1-2, ausführliche Darlegung von can. 215. Den Diakonen ist wie den anderen Klerikern die Gründung, Mitgliedschaft und Mitwirkung in Vereinigungen oder Gruppen jeglicher Art, auch weltlichen, untersagt, die mit dem Klerikerstatus unvereinbar sind oder sie an der gewissenhaften Erfüllung ihres Dienstes hindern. Sie müssen auch alle jene Vereinigungen meiden, die auf Grand ihrer Beschaffenheit, ihrer Zielsetzungen und Handlungsmethoden der vollen hierarchischen Gemeinschaft der Kirche zum Schaden gereichen; ferner jene, die der diakonischen Identität und der Erfüllung der Pflichten, die die Diakone im Dienste am Volk Gottes erfüllen, Schaden zufügen; und schließlich jene, die Machenschaften gegen die Kirche betreiben. <536> Völlig unvereinbar mit dem Status des Diakons wären Vereinigungen, die die Diakone unter dem Vorwand der Darstellungsfähigkeit in einer Art Körperschaft oder Gewerkschaft oder in Gruppen, die Druck ausüben (sogenannte Pressure groups), zusammenschließen wollten und damit in der Tat ihren geweihten Dienst auf einen Beruf oder ein Gewerbe, vergleichbar mit Funktionen profanen Charakters, verkürzen würden. Unvereinbar wären außerdem Vereinigungen, die die direkte und unmittelbare Beziehung, die jeder Diakon zu seinem Bischof hat, irgendwie beeinträchtigen würden. <536> Vgl. ebd., can. 278 § 3 und can. 1374; und auch Deutsche Bischofskonferenz, Erklärung „Katholische Kirche Solche Vereinigungen sind verboten, weil sie der Ausübung des diakonischen Weiheamtes dadurch Schaden zufügen, dass sie es lediglich als unselbständige Tätigkeit erscheinen lassen und so eine den geweihten Hirten, die ausschließlich als Arbeitgeber angesehen werden, entgegengesetzte Haltung in Gang setzen. <537> Man beachte, dass kein privater Verein ohne vorherige Überprüfung (recognitio) seiner Statuten durch die zuständige kirchliche Autorität in der Kirche anerkannt werden kann. <538> Die betreffende Autorität hat das Recht und die Pflicht, das Verhalten der Vereinigungen und das Erreichen der in ihren Statuten festgelegten Ziele zu beaufsichtigen. <539> und Freimaurerei28. Februar 1980. Vgl. Kongregation für den Klerus, Erklärung Quidam Episcopi (8. März 1982) IV: AAS 74(1982)642-645. Vgl. CIC, can. 299 § 3; can. 304. Vgl. ebd., can. 305. Diakone, die aus kirchlichen Vereinigungen oder Bewegungen hervorgehen, sollen nicht des geistlichen Reichtums einer solchen Zugehörigkeit beraubt werden, in der sie weiterhin Hilfe und Unterstützung für ihre Sendung im Dienst der Teilkirche finden können. 21 22 23 1125 KONGREGATIONEN UND RÄTE 12. Die etwaige berufliche Tätigkeit oder Arbeit des Diakons unterscheidet sich in ihrer Bedeutung von der des gläubigen Laien. <540> Bei den Ständigen Diakonen ist die Arbeit mit dem Amt verbunden; deswegen sollen sie bedenken, dass die gläubigen Laien auf Grund ihrer spezifischen Sendung „besonders dazu berufen sind, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann“. <541> Die in der Kirche gültige Regelung verbietet den Ständigen Diakonen - in Abweichung von den für die anderen Kleriker geltenden Vorschriften - weder die Übernahme und berufsmäßige Ausübung weltlicher Gewalt noch die Verwaltung von Vermögen, das Laien gehört, und die Ausübung weltlicher Ämter, die mit der Pflicht zur Rechenschaftsablage verbunden sind. <542> Da sich eine solche Abweichung als unzweckmäßig herausstellen kann, ist vorgesehen, dass das Partikularrecht anders entscheiden kann. <540> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe von Zaire beim „ad Limina“-Besuch (30. April 1983), Nr. 4: Insegnamenti, VI,1(1983)1112-1113; Ansprache an die Ständigen Diakone (16. März 1985): Insegnamenti, VIII,1(1985)648-650; Ansprache bei der Weihe von acht Bischöfen in Kinshasa (4. Mai 1980) Nm. 3-5: Insegnamenti, 111,1(1980)1111-1114; Katechese bei der Generalaudienz (6. Oktober 1993): Insegnamenti, XVI,2(1993)951-955. <541> II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 33; vgl. auch CIC, can. 225. 2^ Vgl. CIC, can. 288, mit Bezug auf can. 285 §§ 3-4. Bei der Ausübung von gewerblichen Tätigkeiten und Handelsgeschäften <543> - die den Diakonen gestattet ist, sofern es keine anderen, als zweckmäßig angesehenen Vorschriften des Partikularrechts gibt - haben die Diakone die Pflicht, auch bei der Einhaltung der Rechtsverbindlichkeiten und der bürgerlichen Gesetze, die zum Naturrecht, zum Lehramt, zu den Gesetzen der Kirche und zu ihrer Freiheit nicht in Widerspruch stehen, ein gutes Zeugnis von Ehrlichkeit und moralischer Korrektheit zu geben. <544> <543> Vgl. ebd., can. 288, mit Bezug auf can. 286. <544> Vgl. ebd., can. 222 § 2 und auch can. 225 § 2. Auf die Diakone, die Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens angehören, ist die genannte Abweichung nicht anwendbar. <545> Die Ständigen Diakone sollen also stets darauf bedacht sein, jede Sache mit Vorsicht und Besonnenheit abzuwägen, indem sie vor allem in den komplizierteren Situationen und Fällen den Rat ihres Bischofs einholen. Manche durchaus ehrenwerte und für die Gemeinschaft nützliche Berufe könnten sich - wenn sie von einem Ständigen Diakon ausgeübt werden - in bestimmten Situationen als kaum vereinbar mit den pastoralen Verantwortlichkeiten seines Amtes heraussteilen. Die zuständige Autorität möge daher - unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der kirchlichen Gemeinschaft und der Fruchtbarkeit des pastoralen Wirkens im Dienst an ihr - die einzelnen Fälle umsichtig abwägen, auch dann, wenn nach der Diakonenweihe ein Berufswechsel erfolgt. 2^ Vgl. ebd., can. 672. 1126 KONGREGATIONEN UND RÄTE Im Fall eines Gewissenskonfliktes müssen die Diakone, obschon unter großem Verzicht, der Lehre und Disziplin der Kirche gemäß handeln. 13. Die Diakone müssen als geistliche Diener dem Dienst und der pastoralen Nächstenliebe dadurch Vorrang geben, dass sie „die Bewahrung von Frieden und Eintracht unter den Menschen soweit als möglich“ fördern. <546> <546> Vgl. CIC, can. 287, mit Bezug auf § 1. Der aktive Einsatz in politischen Parteien und in Gewerkschaften kann in Situationen gestattet werden, die von besonderer Wichtigkeit sind, um „die Rechte der Kirche zu schützen oder das allgemeine Wohl zu fördern“, <547> gemäß den von den Bischofskonferenzen erlassenen Vorschriften; <548> nachdrücklich untersagt ist jedoch in jedem Fall die Zusammenarbeit mit Parteien und Gewerkschaften, die sich auf Ideologien, Praktiken und Koalitionen stützen, welche mit der katholischen Lehre unvereinbar sind. <547> Ebd., can. 387 § 2. <548> Vgl. ebd., can. 288. 14. Der Diakon muss, um sich den besonderen Bestimmungen des Partikularrechtes gemäß „für längere Zeit“ aus der Diözese zu entfernen, üblicherweise die Erlaubnis seines Bischofs oder seines Höheren Oberen einholen. <549> <549> Vgl. CIC, can. 283. Lebensunterhalt und Kranken- und Altersvorsorge 15. Diakone, die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, müssen sich von den Einkünften daraus erhalten. <550> <550> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, 21: a.a.O. 701. Es ist völlig legitim, dass alle, die sich ganz dem Dienst Gottes in der Ausübung von Kirchenämtem widmen, <551> gerecht entlohnt werden sollen, denn „wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn“ (Lk 10,7), und „der Herr hat denen, die das Evangelium verkündigen, geboten, vom Evangelium zu leben“ (1 Kor 9,14). Das schließt nicht aus, dass jemand, so wie es schon der Apostel Paulus getan hat (vgl. 1 Kor 9,12), auf dieses Recht verzichten und auf andere Weise für seinen Unterhalt sorgen kann. <551> Vgl. CIC, can. 145. Allgemeine und für alle bindende Normen bezüglich des Lebensunterhaltes lassen sich bei der großen Unterschiedlichkeit der Situation der Diakone in den verschiedenen Teilkirchen und in den verschiedenen Ländern nur schwer festlegen. Außerdem sind bei dieser Frage auch etwaige zwischen dem Heiligen Stuhl bzw. den Bischofskonferenzen und den Regierungen der Nationen getroffene Vereinbarungen zu berücksichtigen. Für die jeweils zutreffenden Bestimmungen wird daher auf das Partikularrecht verwiesen. 1127 KONGREGATIONEN UND RÄTE 16. Da sich die Kleriker aktiv und konkret dem kirchlichen Dienst widmen, haben sie ein Recht auf Unterhalt, zu dem „eine angemessene Vergütung“ <552> und die soziale Vorsorge <553> gehören. <552> „Weil die Kleriker sich dem kirchlichen Dienst widmen, verdienen sie eine Vergütung, die ihrer Stellung angemessen ist; dabei sind die Natur ihrer Aufgabe und die Umstände des Ortes und der Zeit zu berücksichtigen, damit sie mit ihr für die Erfordernisse ihres Lebens und auch für eine angemessene Entlohnung derer sorgen können, deren Dienste sie bedürfen“ (CIC, can. 281 § 1). <553> „Ebenso ist Vorsorge zu treffen, daß sie jene soziale Hilfe erfahren, durch die für ihre Erfordernisse bei Krankheit, Arbeitsunfähigkeit oder im Alter angemessen gesorgt ist“ {CIC, can. 281 § 2). Was die verheirateten Diakone betrifft, so verfügt der Codex des kanonischen Rechtes: „Verheiratete Diakone, die sich ganz dem kirchlichen Dienst widmen, haben Anspruch auf Vergütung, mit der sie für ihren und ihrer Familie Lebensunterhalt sorgen können; wer aber wegen eines Zivilberufes, den er ausübt oder ausgeübt hat, Vergütung erhält, hat aus diesen Einkünften für sich und die Erfordernisse seiner Familie zu sorgen“. <554> In der Bestimmung, dass diese Vergütung „angemessen“ sein soll, werden auch die Bemessungsgrundlagen für die Festlegung der Höhe der Vergütung aufgezählt: Familienstand, Art der ausgeübten Aufgabe, örtliche und zeitliche Umstände, Lebensbedürfnisse des Amtsträgers (einschließlich derjenigen seiner Familie, wenn er verheiratet ist), gerechte Entlohnung der Personen, die gegebenenfalls bei ihm im Dienst sind. Es handelt sich um allgemeine Kriterien, die auf alle Kleriker anzuwenden sind. <554> CIC, can. 281 § 3. Mit dem Ausdruck „Vergütung“ im kanonischen Recht soll im Unterschied zum Zivilrecht mehr als der Lohn oder Gehalt im technischen Sinn das Entgelt bezeichnet werden, das einen gerechten und angemessenen Unterhalt des Amtsträgers gestattet, wenn ihm ein solches Entgelt gerechterweise zusteht. Um für den „Unterhalt der Kleriker, die für die Diözese Dienst tun“, zu sorgen, soll es in jeder Teilkirche eine besondere Einrichtung geben, die zu diesem Zweck „Vermögen oder Gaben sammelt“. <555> <555> CIC, can. 1274 § 1. Die soziale Vorsorge für die Kleriker wird, wenn sie nicht auf andere Weise sichergestellt wurde, einer weiteren eigenen Einrichtung übertragen. <556> <556> Ebd., can. 1274 § 2. 17. Zölibatäre Diakone, die sich ganz dem kirchlichen Dienst für die Diözese widmen, haben, wenn sie über keine andere Unterhaltsquelle verfügen, gemäß allgemeiner Norm gleichfalls Anspruch auf Vergütung. <557> <557> Vgl. ebd., can. 281 § 1. 18. Verheiratete Diakone, die sich ganz dem kirchlichen Dienst widmen, ohne aus anderer Quelle ein finanzielles Entgelt zu erhalten, haben der oben genannten allgemeinen Norm gemäß Anspruch auf Vergütung, so dass sie für ihren und ihrer Familie Lebensunterhalt sorgen können. <558> <558> Vgl. ebd., can. 281 § 3. 1128 KONGREGATIONEN UND RÄTE 19. Verheiratete Diakone, die sich ganz oder teilweise dem kirchlichen Dienst widmen, sind, wenn sie für den Zivilberuf, den sie ausüben oder ausgeübt haben, eine Vergütung erhalten, verpflichtet, aus diesen Einkünften für ihre eigenen und für die Erfordernisse ihrer Familie zu sorgen. <559> <559> Vgl. ebd., can. 281 § 3. 20. Es ist Sache des Partikularrechtes, weitere Aspekte des komplexen Gegenstandes mit entsprechenden Normen in der Weise zu regeln, dass zum Beispiel festgelegt wird, dass die Stellen und Pfarreien, denen der Dienst eines Diakons zugute kommt, verpflichtet sind, die von diesem für die Erfüllung seines Dienstes aufgebrachten laufenden Kosten zurückzuerstatten. Das Partikularrecht kann außerdem bestimmen, welche Belastung die Diözese dem Diakon gegenüber zu übernehmen hat, der schuldlos ohne zivilberufliche Arbeit ist. Ebenso angebracht ist es, etwaige Verpflichtungen der Diözese gegenüber der Ehefrau und den Kindern eines Diakons nach dessen Tod festzulegen. Wo es möglich ist, sollte der Diakon zur Vorsorge für derartige Fälle vor seiner Weihe eine Versicherung abschließen. Verlust des Diakonenstatus 21. Der Diakon ist dazu berufen, mit selbstloser Hingabe und immer wieder erneuerter Standhaftigkeit die empfangene Weihe im Vertrauen auf die ewige Treue Gottes zu leben. Die einmal gültig empfangene heilige Weihe wird niemals ungültig. Dennoch tritt der Verlust des klerikalen Standes nach Maßgabe der Normen des Kirchenrechtes ein. <560> <560> Vgl. ebd., cann. 290-293. 2. Das Dienstamt des Diakons Diakonische Funktionen 22. Das Amt des Diakons wird vom II. Vatikanischen Konzil mit der Trias „Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Nächstenliebe“ zusammengefasst. <561> Auf diese Weise wird die diakonische Teilhabe am einzigen und dreifachen munus Christi im geweihten Dienst zum Ausdruck gebracht. Der Diakon leistet den Dienst „des Lehrens, da er das Wort Gottes verkündet und erläutert; des Heiligens, da er das Sakrament der Taufe, der Eucharistie und die Sakramentalien spendet, an der Feier der hl. Messe als ,Diener des Blutes“ teilnimmt, die Eucharistie bewahrt und austeilt; des Leitens als geistlicher Leiter der Gemeinde oder Bereichen des kirchlichen Lebens“. <562> So assistiert und dient der Diakon denen, die jeder liturgi- <561> II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. <562> Johannes Paul II., Ansprache an die Ständigen Diakone (16. März 1985), Nr. 2: Insegnamenti, VIII,1(1985)649; vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29; CIC, can. 1008. 1129 KONGREGATIONEN UND RÄTE sehen Feier vorstehen, über die Lehre wachen und das Volk Gottes leiten: den Bischöfen und den Priestern. Der Diakon soll durch sein Amt im Dienst an der Gemeinschaft der Gläubigen „mitarbeiten an der Verwirklichung der christlichen Einheit ohne Vorurteile und ungeschickte Initiativen“, <563> indem er alle jene „menschlichen Qualitäten [entwickelt], die eine Person für andere zugänglich und glaubwürdig sein läßt. So muß er ständig seine eigene Sprache und seine Fähigkeit zum Dialog überprüfen, um zu einer echten ökumenischen Einstellung zu gelangen“. <564> <563> Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Anwendung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (25. März 1993) 71: AAS 85(1993)1069; Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Comunionis notio (28. Mai 1992): AAS 85(1993)838 ff. <564> Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Anwendung der Prinzipien und Normen überden Ökumenismus (25. März 1993) 70: a.a.O. 1068. Diakonie des Wortes 23. Bei der Weihe übergibt der Bischof dem Diakon das Evangelienbuch mit den Worten: „Empfange das Evangelium Christi, dessen Verkünder du geworden bist“. <565> Wie die Priester, so widmen sich auch die Diakone allen Menschen, sei es durch ihre gute Leitung oder durch die offene Predigt über das Geheimnis Christi, sei es durch die Weitergabe der christlichen Lehre oder durch das Eingehen auf aktuelle Probleme. Hauptaufgabe des Diakons ist daher die Zusammenarbeit mit dem Bischof und mit den Priestern bei der Ausübung des Dienstes <566> nicht an der eigenen Weisheit, sondern am Wort Gottes, um alle zur Umkehr und zur Heiligung zu bewegen. <567> Die Diakone sind verpflichtet, sich vor allem durch gründliches Studium der Heiligen Schrift, der Überlieferung, der Liturgie und des Lebens der Kirche auf die Erfüllung dieser Sendung vorzubereiten. <568> Außerdem sind sie verpflichtet, sich bei der Auslegung und Anwendung des der Kirche anvertrauten Glaubensgutes willig vom Lehramt derer leiten zu lassen, die „Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit“ <569> sind, nämlich vom Papst und den in Gemein- <565> Pontificale Romanum — De ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum, Nr. 210: a.a.O. 125: „Accipe Evangelium Christi, cuius praeco effectus es; et vide, ut quod legeris credas, quod credideris doceas, quod docueris imiteris“. <566> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. „Aufgabe der Diakone ist es, im Dienst am Wort dem Gottesvolk in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium zu dienen“ (C/C, can. 757); „In der Verkündigung haben die Diakone am Dienst der Priester teil“ (Johannes Paul II., Ansprache an die Priester, Diakone, Ordensleute und Seminaristen in der St. Joseph-Basilika in Montreal, Kanada [11. September 1984], Nr. 9: AAS77[1985]396). <567> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 4. <568> Vgl. ebd., Dogmat. Konstitution Dei verbum, Nr. 25; Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Rundschreiben Come e a conoscenza', CIC, can. 760. 52 n. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25a; Dogmat. Konstitution Dei Verbum, Nr. 10a. 1130 KONGREGATIONEN UND RÄTE schaft mit ihm stehenden Bischöfen, <570> um „das Geheimnis Christi vollständig und getreu vorzulegen“. <571> <570> Vgl. CIC, can. 753. <571> Ebd., can. 760. Schließlich müssen sie die Kunst erlernen, dem modernen Menschen in ganz unterschiedlichen kulturellen Situationen und in verschiedenen Lebensabschnitten den Glauben wirksam und vollständig zu vermitteln. <572> <572> Vgl. ebd., can. 769. 24. Sache des Diakons ist es, das Evangelium zu verkünden und mitunter über das Wort Gottes zu predigen. <573> Unter Wahrung der rechtlich vorgesehenen Bedingungen haben die Diakone die Befugnis, überall zu predigen. <574> Diese Befugnis erwächst aus dem Sakrament und muss zumindest mit stillschweigender Zustimmung des Rektors der Kirche mit der Demut dessen ausgeübt werden, der Diener und nicht Herr des Gotteswortes ist. Aus diesem Grund bleibt die Mahnung des Apostels stets aktuell: „Daher erlahmt unser Eifer nicht in dem Dienst, der uns durch Gottes Erbarmen übertragen wurde. Wir haben uns von aller schimpflichen Arglist losgesagt; wir handeln nicht hinterhältig und verfälschen das Wort Gottes nicht, sondern lehren offen die Wahrheit. So empfehlen wir uns vor dem Angesicht Gottes jedem menschlichen Gewissen“ (2 Kor 4,l-2). <575> <573> Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani, Nr. 61; Missale Romanum, Ordo lectionis Missae Praenotanda, Nm. 8.24.50: ed. typica altera, 1981. <574> Vgl. CIC, can. 764. <575> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester Tota Ecclesia (31. Januar 1994), Nm. 45-47: a.a.O. 43-48. 25. In den Fällen, wo Diakone einer liturgischen Feier vorstehen oder nach Maßgabe der geltenden Normen <576> damit beauftragt werden, müssen sie der Homilie große Bedeutung beimessen als „Botschaft von den Wundertaten Gottes in der Geschichte des Heils, das heißt im Mysterium Christi, das allezeit in uns zugegen und am Werk ist, vor allem bei der liturgischen Feier“. <577> Sie müssen daher die Homilie mit besonderer Sorgfalt im Gebet, im Studium der heiligen Texte, in völligem Einklang mit dem Lehramt und im Nachdenken über die Erwartungen der anzusprechenden Gläubigen vorzubereiten wissen. <576> Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani, Nm. 42.61; Kongregation für den Klerus, Päpstlicher Rat für die Laien, Kongregation für die Glaubenslehre, Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kongregation für die Bischöfe, Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester Ecclesiae de mysterio (15. August 1997), Art. 3. <577> II. Vatikan. Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 35; vgl. Nr. 52; CIC, can. 767 § 1. Eifer und Sorgfalt müssen sie auch auf die katechetische Unterweisung der Gläubigen in den verschiedenen Abschnitten des christlichen Daseins verwenden, um 1131 KONGREGATIONEN UND RÄTE ihnen so zu helfen, den Glauben an Christus kennenzulemen, ihn durch den Empfang der Sakramente zu stärken und ihm in ihrem persönlichen, familiären, beruflichen und sozialen Leben Ausdruck zu verleihen. <578> Je stärker die Gesellschaft säkularisiert ist und je größer die Herausforderungen sind, vor die das moderne Leben den Menschen und das Evangelium stellt, um so dringender ist heute diese katechetische Unterweisung, die möglichst vollständig, getreu, klar und nicht problembeladen sein soll. <578> Vgl. C/C, can. 779; vgl. Kongregation für den Klerus, Allgemeines Direktorium für die Katechese (15. August 1977), Nr. 216. 26. Für diese Gesellschaft ist die Neu-Evangelisierung bestimmt. Sie verlangt von den geweihten Amtsträgem äußerst selbstlose Anstrengung. Zu ihrer Förderung müssen die Diakone, „genährt vom Gebet und vor allem von der Liebe zur Eucharistie“, <579> außer ihrer Teilnahme an den auf Diözesan- oder Pfarrebene organisierten Ausbildungsprogrammen für Katechese, Evangelisierung, Sakramenten Vorbereitung das Wort Gottes in ihr etwaiges berufliches Umfeld übertragen, sei es durch ein klares Wort, sei es allein durch ihre aktive Präsenz an den Orten, wo öffentliche Meinungsbildung stattfindet oder wo die sittlichen Normen zur Anwendung kommen (wie die sozialen Dienste, die Dienste zugunsten der Rechte der Familie, des Lebens usw.); sie müssen auch beachten, welche großen Möglichkeiten dem Dienst des Wortes der Religionsunterricht und die sittliche Erziehung an den Schulen, <580> das Lehren an katholischen und auch an staatlichen Universitäten <581> und der angemessene Gebrauch der modernen Kommunikationsmittel <582> bieten. <579> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dez. 1975): AAS 68(1976)5-76. <580> Vgl. C/C, cann. 804-805. <581> Vgl. ebd., can. 810. <582> Vgl. CIC, can. 761. Gewiss erfordern diese neuen Foren außer der unverzichtbaren reinen Lehre eine sorgfältige Fachausbildung; sie stellen aber trotzdem höchst wirksame Mittel dar, um das Evangelium an die Menschen unserer Zeit und an die Gesellschaft heranzutragen. <583> <583> Vgl. ebd., can. 822. Schließlich haben die Diakone zu beachten, dass die den Glauben und die Sitten berührenden Schriften vor der Veröffentlichung dem Urteil des Ordinarius unterworfen werden müssen <584> und dass die Erlaubnis des Ortsbischofs erforderlich ist, um in Publikationen zu schreiben oder an Sendungen oder Veranstaltungen teilzunehmen, die es sich zur Gewohnheit gemacht haben, die katholische Religion oder die guten Sitten anzugreifen. Sie sollen sich bei Radio- und Femsehübertragungen an die von den Bischofskonferenzen festgelegten Bestimmungen halten. <585> <584> Vgl. ebd., can. 823 § 1. <585> Vgl. ebd., can. 831 § 1. 1132 KONGREGATIONEN UND RÄTE Auf jeden Fall müssen sie stets die vorrangige, unverzichtbare Forderung beachten, bei der Darlegung der Wahrheit niemals Kompromisse einzugehen. 27. Die Diakone sollten daran denken, dass die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist, <586> da sie selbst dem Plan des Vaters gemäß ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet und zudem noch vom auferstandenen Herrn ausdrücklich den Auftrag erhalten hat, allen Geschöpfen das Evangelium zu verkünden und jene, die glauben, zu taufen (vgl. Mk 16,15-16; Mt 28,19). Die Diakone sind Amtsträger dieser Kirche und können sich deshalb, auch wenn sie in eine Teilkirche inkardiniert sind, der missionarischen Aufgabe der Universalkirche nicht entziehen; sie müssen also, soweit es ihre familiären - wenn sie verheiratet sind - und beruflichen Verpflichtungen erlauben, stets auch für die missio ad gentes offen sein. <587> <586> II. Vatikan. Konzil, Dekret Ad gentes, Nr. 2a. <587> Vgl. CIC, cann. 784, 786. Die Dimension des Dienstes ist der missionarischen Dimension der Kirche verpflichtet; oder, anders ausgedrückt, der missionarische Einsatz des Diakons umfasst den Dienst des Wortes, der Liturgie und der Nächstenliebe, die ihrerseits das Alltagsleben miteinbeziehen. Die Mission erstreckt sich auf das Zeugnis Christi auch bei der etwaigen Ausübung eines weltlichen Berufes. Diakonie der Liturgie 28. Der Weiheritus stellt noch einen anderen Aspekt des Diakonenamtes heraus: den Altardienst. <588> <588> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Ad gentes, Nr. 16; Pontißcale Romanum - De ordinatione Episcopi, pres-byterorum et diaconorum, Nr. 207: a.a.O. 122 (Prex Ordinationis). Der Diakon empfängt das Weihesakrament, um als Amtsträger in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Bischof und den Priestern der Heiligung der christlichen Gemeinschaft zu dienen. Dem Dienstamt des Bischofs und, untergeordnet, dem der Priester leistet der Diakon eine sakramentale und somit verbindliche, wesentliche, unverkennbare Hilfe. Daraus ergibt sich ganz klar, dass sich seine Diakonie am Altar, da sie aus dem Weihesakrament hervorgegangen ist, wesentlich von jedem liturgischen Dienst unterscheidet, den die Hirten den nicht geweihten Gläubigen anvertrauen können. Der liturgische Dienst des Diakons unterscheidet sich von dem des geweihten Amtspriestertums , <589> <589> Vgl. n. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. Daraus folgt, dass der Diakon bei der Darbringung des eucharistischen Opfers nicht das Mysterium vollziehen kann, sondern einerseits wirksam das gläubige Volk verkörpert, ihm in besonderer Weise hilft, die Aufopferung seines Lebens 1133 KONGREGATIONEN UND RÄTE mit der Opfergabe Christi zu verbinden; und andererseits im Namen Christi selbst dazu dient, die Kirche an den Früchten seines Opfers teilhaben zu lassen. Da „die Liturgie der Höhepunkt ist, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der alle ihre Kraft strömt“, <590> ist dieses Vorrecht der Diakonen-weihe auch eine sakramentale Gnade, die das ganze Dienstamt befruchten soll; dieser Gnade ist auch mit einer sorgfältigen und gründlichen theologisch-liturgischen Vorbereitung Rechnung zu tragen, um in würdiger Weise an der Feier der Sakramente und der Sakramentalien teilnehmen zu können. <590> II. Vatikan. Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 10. 29. Der Diakon muss in seinem Dienstamt immer das Bewusstsein dafür wachhalten, dass ,jede liturgische Feier als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist, in vorzüglichem Sinn heilige Handlung [ist], deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht“. <591> Die Liturgie ist Quelle der Gnade und Heiligung. Ihre Wirksamkeit rührt von Christus, dem Erlöser, her und beruht nicht auf der Heiligkeit des Amtsträgers. Diese Gewissheit soll den Diakon demütig machen, der das Werk Christi niemals kompromittieren kann, und ihn gleichzeitig zu einem heiligmäßigen Leben anspomen, um sein würdiger Diener zu sein. Die liturgischen Handlungen lassen sich daher nicht auf private oder soziale Handlungen reduzieren, die ein jeder auf seine Weise feiern kann, sondern sie gehören zum ganzen Leib der Kirche. <592> Die Diakone müssen die den heiligen Mysterien eigenen Normen mit Ehrfurcht einhalten, um eine bewusste Beteiligung der Gläubigen herbeizuführen, die ihren Glauben stärken, Gott Ehre erweisen und die Kirche heiligen soll. <593> <591> Ebd., Nr. 7d. <592> Vgl. ebd., Nm. 22.3; CIC, cann. 841, 846. <593> Vgl. CIC, can. 840. 30. Gemäß der Überlieferung der Kirche und nach Maßgabe der Rechtsvorschrift <594> ist es Sache der Diakone, „dem Bischof und den Priestern bei der Feier der göttlichen Geheimnisse zu helfen“. <595> Daher sollen sie sich um die Feier von Gottesdiensten bemühen, die die ganze versammelte Gemeinschaft miteinbezie-hen, indem sie sich um die innere Beteiligung aller und um die Wahrnehmung der verschiedenen Ämter kümmern. <596> <594> „Die Diakone sind an der Feier des Gottesdienstes nach Maßgabe der Rechtsvorschrift beteiligt“ {CIC, can. 835 §3). <595> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1570; vgl. Caerimoniale Episcoporum, Nm. 23-26. <596> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nm. 26-27. Dabei sollen sie auch die wichtige ästhetische Dimension vor Augen haben, die dem ganzen Menschen die Schönheit der Feier bewusst macht. Musik und Gesang, wenn auch nur in bescheidener, schlichter Form, das gepredigte Wort, die Gemeinschaft der Gläubigen, die den Frieden und die Vergebung Christi erleben, 1134 KONGREGATIONEN UND RÄTE sind ein kostbares Gut, um dessen Vermehrung sich der Diakon seinerseits bemühen muss. Sie haben sich immer getreu an das zu halten, was von den liturgischen Büchern vorgeschrieben ist, ohne dabei eigenmächtig etwas hinzuzufügen, wegzulassen oder zu ändern. <597> Die Liturgie zu manipulieren bedeutet, sie der in ihr vorhandenen Fülle des Geheimnisses Christi zu berauben, und könnte Zeichen für eine gewisse Anmaßung gegenüber dem sein, was von der Weisheit der Kirche festgelegt worden ist. Die Diakone sollen sich daher darauf beschränken, alles und nur das zu tun, für das sie zuständig sind. <598> Sie haben die vorgeschriebenen liturgischen Gewänder mit Würde zu tragen. <599> Die über der Albe getragene Dalmatik in den verschiedenen, jeweils passenden liturgischen Farben, mit Zingulum und Stola, „ist das dem Diakon eigene Gewand“. <600> <597> Vgl. CIC, can. 846 § 1. <598> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 28. <599> Vgl. CIC, can. 929. <600> Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani, Nm. 81b.300.302; Institutio Generalis Liturgiae Horarum, Nr. 255; Pontificale Romanum Ordo dedicationis ecclesiae et altaris, Nm. 23.24.28.29, Editio typica, Typis Polyglottis Vaticanis 1977, 29 u. 90; Rituale Romanum De Benedictionibus, Nr. 36, Editio typica, Typis Polyglottis Vaticanis 1985, 18; Ordo coronandi imaginem beatae Mariae Virginis, Nr. 12, Editio typica, Typis Polyglottis Vaticanis 1981, 10; Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium für die Feier von Sonntagsgottesdiensten ohne Priester Christi Ecclesia, Nr. 38: Notitiae 24(1988)388-389; Pontificale Romanum - De Ordinatione Episcopi, presbyterorum et diaconorum, Nr. 188: („Immediate post Precem Ordinationis, Ordinati stola diaconali et dalmatica induuntur, quo eorum ministerium abhinc in liturgia peragendum manifestetur“) und 190: a.a.O. 102, 103; Caeremoniale Episcoporum, Nr. 67, Editio typica, Libreria Editrice Vaticana 1995, 28-29. Zum Dienst der Diakone gehört auch die Vorbereitung der Gläubigen auf die Sakramente und die seelsorgerische Betreuung nach dem Gottesdienst. 31. Der Diakon ist, mit dem Bischof und dem Priester, „ordentlicher Spender der Taufe“. <601> Für die Ausübung dieser Befugnis braucht es entweder die Erlaubnis von dem eigentlich für die Taufe seiner Pfarrkinder zuständigen Pfarrer <602> oder es muss ein Notfall vorliegen. <603> Besondere Bedeutung kommt dem Dienst der Diakone bei der Vorbereitung auf dieses Sakrament zu. <601> CIC, can. 861 § 1. <602> Vgl. ebd., can. 530, 1°. 8^ Vgl. ebd., can. 862. 32. Bei der Feier der Eucharistie assistiert und hilft der Diakon denen, die der liturgischen Versammlung vorstehen und die Konsekration der Gestalten des Leibes und Blutes des Herrn vornehmen, also dem Bischof und den Priestern, <604> wie von der Institutio Generalis im Missale Romanum festgelegt, <605> und bringt so Christus, den Gottesknecht, zum Ausdruck: er steht neben dem Priester und hilft ihm; im besonderen assistiert er bei der Feier der hl. Messe einem blinden oder an einer <604> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 22, 1: a.a.O. 701. 8^ Vgl. Institutio generalis Missalis Romani, Nm. 61.127-141. 1135 KONGREGATIONEN UND RÄTE anderen Schwäche leidenden Priester; <606> am Altar vollzieht er den Dienst des Kelches und des Evangelienbuches, trägt den Gläubigen die Gebetsintentionen vor und lädt sie zum Austausch des Friedenszeichens ein; stehen andere Diener nicht zur Verfügung, vollzieht er je nach den Erfordernissen deren Ämter. <606> Vgl. CIC, can. 930 § 2. Es ist nicht Aufgabe des Diakons, das eucharistische Hochgebet und die Orationen vorzutragen; ebenso ist es ihm nicht erlaubt, Handlungen und Gesten zu verrichten, die ausschließlich dem zelebrierenden Priester Vorbehalten sind. <607> Dem Diakon kommt es zu, die Lesungen aus der Heiligen Schrift vorzutragen. <608> Als ordentlicher Spender der heiligen Kommunion <609> teilt er sie während oder außerhalb der Eucharistiefeier aus und bringt sie als Wegzehrung zu den Kranken. <610> Ordnungsgemäße Aufgabe des Diakons ist auch die Aussetzung des Allerheiligsten und die Erteilung des eucharistischen Segens. <611> Ihm obliegt auch die Leitung etwaiger Sonntagsgottesdienste, wenn kein Priester zur Verfügung steht. <612> <607> Vgl. ebd., can. 907; Kongregation für den Klerus, usw. Instruktion Ecclesiae de mysterio (15. August 1997), Art. 6. <608> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 22, 6: a.a.O. 702. <609> Vgl. CIC, can. 910 § 1. 9^ Vgl. ebd., can. 911 § 2. 93 Vgl. ebd., can. 943; u. auch Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 22, 3: a.a.O. 702. 9^ Vgl. Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium für die Feier von Sonntagsgottesdiensten ohne Priester Christi Ecclesia, Nr. 38: a.a.O. 388-389; Kongregation für den Klerus, usw. Instruktion Ecclesiae de mysterio (15. August 1997), Art. 7. 33. Den Diakonen kann auch die Familienseelsorge übertragen werden, für die als erster der Bischof verantwortlich ist. Diese Verantwortlichkeit umfasst moralische und liturgische Fragen, aber auch solche persönlicher und sozialer Art, wenn es darum geht, der Familie in ihren Schwierigkeiten und Leiden Stütze zu sein. <613> Ausgeübt werden kann eine solche Verantwortung auf diözesaner oder, unter der Autorität eines Pfarrers, auf lokaler Ebene in der katechetischen Unterweisung über die christliche Ehe, in der persönlichen Vorbereitung der künftigen Ehegatten, in der fruchtbringenden Feier des Sakramentes und in der den Brautleuten nach der Eheschließung angebotenen Hilfe. <614> 92 Vgl. Johannes PaulII., Nachsynodales Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22.11.1981), Nr. 73: AAS 74(1982)170-171. <614> Vgl. CIC, can. 1063. Verheiratete Diakone können eine große Hilfe sein bei der Darlegung dessen, was das Evangelium über die eheliche Liebe, über die Tugenden, die sie schützen, sagt, und bei der Ausübung einer christlich und menschlich verantwortungsvollen Elternschaft. Sache des Diakons ist es auch, wenn er vom Pfarrer oder vom Ortsordinarius die entsprechende Befugnis erhält, der Feier der Trauung extra Missam vorzustehen 1136 KONGREGATIONEN UND RÄTE und im Namen der Kirche den Trausegen zu erteilen." Die Delegierung an den Diakon kann unter den vorgesehenen Bedingungen auch in allgemeiner Form erfolgen <615> <616> und kann ausschließlich in den vom Codex des kanonischen Rechtes festgelegten Formen subdelegiert werden. <617> 00 Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29; CIC, can. 1108 §§ 1-2; Ordo ce-lebrandi Matrimonium, editio typica altera 1991, 24. <616> Vgl. CIC, can. 1111 §§ 1-2. <617> Vgl. ebd., can. 137 §§ 3-4. 34. Es ist festgelegte Lehre, <618> <619> dass die Spendung des Sakramentes der Krankensalbung dem Bischof und den Priestern Vorbehalten ist, in Verbindung mit der Abhängigkeit dieses Sakramentes von der Sündenvergebung und dem würdigen Empfang der Eucharistie. <618> Vgl. Konzil von Florenz, Bulle Exsultate Deo (DS 1325); Konzil von Trient, Doctrina de sacramento extremae unctionis, cap. 3 {DS 1697) und can. 4 De extrema unctione {DS 1719). <619> Ygj paui VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, II, 10: a.a.O. 699; Kongregation für den Klerus, usw. Instruktion Ecclesiae de mysterio (15. August 1997), Art. 9. Die seelsorgliche Betreuung der Kranken kann Diakonen übertragen werden. Der mühsame Dienst, den Kranken im Schmerz beizustehen, die katechetische Unterweisung, um sie auf den Empfang des Sakramentes der Krankensalbung vorzubereiten, die Vertretung des Priesters bei der Vorbereitung der Gläubigen auf den Tod und die Spendung der Wegzehrung mit dem dafür eigenen Ritus sind Mittel, mit welchen Diakone den Gläubigen die Nächstenliebe der Kirche vor Augen führen. <620> <620> Vgl. Konzil von Florenz, Bulle Exsultate Deo (DS 1325); Konzil von Trient, Doctrina de sacramento extremae unctionis, cap. 3 {DS 1697) und can. 4 De extrema unctione {DS 1719). 35. Diakone sind nach Vorschrift der Kirche verpflichtet, das Stundengebet zu verrichten, durch das sich der ganze Mystische Leib mit dem Gebet vereint, das Christus, das Haupt, an den Vater im Himmel richtet. Im Bewusstsein dieser Verantwortung haben sie täglich dieses Gebet zu verrichten, und zwar entsprechend den genehmigten liturgischen Büchern und in dem von der Bischofskonferenz bestimmten Umfang. <621> Darüber hinaus sollen sie versuchen, die Teilnahme der christlichen Gemeinschaft an der Feier des Stundengebetes zu fördern, das niemals eine private Handlung, sondern immer ein Akt der ganzen Kirche ist, <622> auch dann, wenn er vom einzelnen verrichtet wird. <621> Vgl. CIC, can. 276 § 2, Nr. 3°. <622> Vgl. Institutio generalis de Litnrgiae Horarum, 20. 36. Der Diakon ist Diener der Sakramentalien, das heißt jener „heiligen Zeichen, durch die in einer gewissen Nachahmung der Sakramente Wirkungen, besonders geistlicher Art, bezeichnet und kraft der Fürbitte der Kirche erlangt werden“. <623> Der Diakon kann also ganz eng mit dem kirchlichen und sakramentalen Leben verbundene Segnungen vornehmen, die ihm von Rechts wegen ausdrücklich, ges- <623> ii Vatikan. Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 60; vgl. CIC, can. 1166 u. can. 1168; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1667. 1137 KONGREGATIONEN UND RÄTE tattet werden, <624> und außerdem ist es seine Sache, der Bestattungsfeier ohne hl. Messe und dem Bestattungsritus vorzustehen. <625> <624> Vgl. CIC, can. 1169 § 3. <625> yg] pau] vi., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 22, 5: a.a.O. 702, und auch Ordo exse-quiarum, 19; Kongregation für den Klerus, usw. Instruktion Ecclesiae de mysterio (15. August 1997), Art. 12. Wenn jedoch ein Priester zugegen und verfügbar ist, ist dieser mit der Aufgabe des Vorsitzes der Feier zu betrauen. <626> <626> yg] Rituale Romanum - De Benedictionibus, Nr. 18c: a.a.O. 14. Diakonie der Nächstenliebe 37. Auf Grund des Weihesakramentes ist der Diakon, in Gemeinschaft mit dem Bischof und dem Presbyterium der Diözese, auch an denselben pastoralen Aufgaben beteiligt, <627> übt sie aber in anderer Form aus, indem er dem Bischof und den Priestern dient und hilft. Da sie vom Sakrament bewirkt ist, sorgt diese Teilnahme dafür, dass die Diakone dem Volk Gottes im Namen Christi dienen. Aber gerade aus diesem Grund sollen sie sie mit demütiger Liebe ausüben und sich, nach den Worten des hl. Polykarp, stets als „barmherzig, eifrig, wandelnd nach der Wahrheit des Herrn, der aller Diener geworden ist“, erweisen. <628> Ihre in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Bischof und den Priestern ausgeübte Autorität, wie es die Einheit von Weihe und Sendung erfordert, <629> ist Liebesdienst und hat den Zweck, allen Mitgliedern der Teilkirche zu helfen und sie zu fördern, damit sie im Geist der Gemeinschaft und entsprechend ihren Charismen am Leben und an der Sendung der Kirche teilnehmen können. <627> Vgl. CIC, can. 129 § 1. Hl HL Polykarp, Epist. ad Philippenses, 5,2: F. X. Funk (ed.), I, 300; zitiert in Lumen Gentium, Nr. 29a. <629> yg] pau] YI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, a.a.O. 698. 38. Im Dienst der Nächstenliebe sollen die Diakone die Gleichgestaltung mit Christus, dem Gottesknecht, anstreben, den sie repräsentieren, und vor allem „den Pflichten der Nächstenliebe und der Verwaltung hingegeben“ sein. <630> Deshalb bittet der Bischof im Weihegebet Gott, den Vater, für sie: „Herr, laß sie sich in allen Tugenden auszeichnen: ... in der Liebe..., in der Sorge für die Armen und Schwachen..., in zurückhaltender Autorität..., Selbstdisziplin und Heiligkeit des Lebens... Mögen sie zum Abbild deines Sohnes werden, der nicht gekommen ist, sich dienen zu lassen, sondern zu dienen“. <631> Durch ihr Beispiel und ihr Wort sollen sie sich darum bemühen, dass alle Gläubigen dem Vorbild Christi folgen und sich ständig in den Dienst der Brüder stellen. 1 13 II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29. Pontißcale Romanum — De ordinatione Episcopi, presbyterorum et diaconorum, Nr. 207: a.a.O. 122 (Prex Ordinationis). Die karitativen Werke auf Diözesan- und Pfarrebene, die zu den ersten Pflichten des Bischofs und der Priester gehören, werden von diesen nach dem Zeugnis der 1138 KONGREGATIONEN UND RÄTE Überlieferung der Kirche den Dienern im kirchlichen Dienst, das heißt den Diakonen, übertragen; <632> dasselbe gilt für den Dienst der Nächstenliebe im Bereich der christlichen Erziehung; für die Belebung der Oratorien, der kirchlichen Jugendgruppen und der Laienberufsgruppen; für die Förderung des Lebens in allen seinen Phasen und für die Umgestaltung der Welt nach christlicher Ordnung. <633> Auf diesen Gebieten ist ihr Dienst besonders wertvoll, weil in der heutigen Situation die spirituellen und materiellen Bedürfnisse der Menschen, auf welche die Kirche Antwort geben soll, sehr unterschiedlicher Art sind. Die Diakone sollen sich daher bemühen, unterschiedslos allen zu dienen, und dabei den Leidenden und den Sündern besondere Aufmerksamkeit schenken. Als Diener Christi und der Kirche müssen sie in der Lage sein, jegliche Form von Ideologie und Parteiinteresse zu überwinden, um nicht die Sendung der Kirche ihrer Kraft zu entleeren, die die Liebe Christi ist. Die Diakonie muss in der Tat den Menschen die Liebe Gottes erfahren lassen und ihn dazu bringen, umzukehren und sein Herz der Gnade zu öffnen. <632> Vgl. Hippolyt, Traditio Apostolica, 8, 24: Ch. 11 bis, 58-63; 98-99; Didascalia Apostolorum (Syrisch), Kap. III, XI: A. Vööbus (ed.), The „Didascalia Apostolorum“ in Syriae (syrischer Originaltext und englische Übersetzung), CSCO, Bd. I, Nr. 402 (Bd. 176), 29-30; Bd. II, Nr. 408 (Bd. 180), 120-129; Didascalia Apostolorum, III, 13 (19), 17: F. X. Funk (ed.), Didascalia et Constitutiones Apostolorum, Paderbomae 1906,1, 212-216; II. Vatikan. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 13. <633> Vgl. n. Vatikan. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 40 ff. Die karitative Aufgabe der Diakone „schließt auch einen entsprechenden Dienst in der Verwaltung der Güter und in den Hilfswerken der Kirche ein. Die Diakone haben auf diesem Gebiet die Aufgabe, ,im Namen der Hierarchie die karitativen Verpflichtungen und die Verwaltungsaufgaben sowie die sozialen Hilfswerke zu übernehmen4“. <634> Dementsprechend können sie daher mit dem Amt des Diözesanöko-nomen betraut <635> <636> oder in den Vermögensverwaltungsrat der Diözese gewählt werden.11,1 H7 Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 22, 9: a.a.O. 702. Vgl. Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (13. Oktober 1993), Nr. 5: Insegnamenti XVI,2(1993)1000-1004. <635> Vgl. CIC, can. 494. <636> Vgl. ebd., can. 493. Die kanonische Sendung der Ständigen Diakone 39. Je nach den Umständen werden von den drei Bereichen des diakonischen Dienstes sicher der eine oder andere einen mehr oder weniger großen Teil der Tätigkeit eines Diakons in Anspruch nehmen können, aber zusammen bilden sie eine Einheit im Dienst am göttlichen Erlösungsplan: Der Dienst des Wortes führt zum Altardienst, welcher seinerseits dazu anspomt, die Liturgie in Leben umzusetzen, das in der Nächstenliebe zur Blüte gelangt: „Wenn wir an die zutiefst spirituelle Natur dieser Diakonie denken, können wir die Wechselbeziehung zwischen den drei Bereichen des Dienstes, die traditionell mit dem Diakonat in Verbindung ge- 1139 KONGREGATIONEN UND RÄTE bracht werden, nämlich den Dienst des Wortes, den Dienst am Altar und den Dienst der Nächstenliebe besser verstehen. Je nach den Umständen kann das eine oder andere in der Arbeit eines Diakons besonders hervortreten, aber diese drei Ämter sind untrennbar zur Einheit verbunden im Dienst des Erlösungsplanes Gottes <637> 1211 Johannes Paul n., Ansprache an die Ständigen Diakone der USA, Detroit (19. September 1987), Nr. 3: In-segnamenti, X, 3 (1987), 656. 40. Der Dienst der Diakone hat im Laufe der Geschichte vielfältige Erscheinungsformen angenommen, um die verschiedenen Bedürfnisse der christlichen Gemeinschaft lösen zu können und ihr die Erfüllung ihres Auftrags zur Nächstenliebe zu ermöglichen. Es ist allein Sache der Bischöfe, <638> die „als Stellvertreter und Gesandte Christi“ <639> die Leitung und Sorge für die Teilkirchen innehaben, jedem Diakon nach Maßgabe des Rechts das kirchliche Amt zu übertragen. Bei der Amtsübertragung müssen sowohl die pastoralen Bedürfnisse wie gegebenenfalls die persönliche, familiäre - wenn es sich um verheiratete Männer handelt - und berufliche Situation Ständiger Diakone aufmerksam bedacht werden. Von größter Wichtigkeit ist jedoch auf jeden Fall, dass die Diakone entsprechend ihren Möglichkeiten ihren Dienst in Verkündigung, Liturgie und Nächstenliebe voll erfüllen können und nicht abgedrängt und auf nebensächliche Aufgaben, Aushilfstätigkeiten oder Aufträge verwiesen werden, die von ungeweihten Gläubigen ordnungsgemäß erfüllt werden können. Nur so werden die Ständigen Diakone in ihrer wahren Identität als Diener Christi und nicht als besonders engagierte Laien im Leben der Kirche in Erscheinung treten. <638> Vgl. CIC, can. 157. <639> II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 27a. Zum Besten des Diakons und damit er sich nicht auf das Improvisieren verlässt, ist es notwendig, dass die Weihe mit einer klaren Einsetzung in pastorale Verantwortung einhergeht. 4L Der diakonische Dienst findet ordnungsgemäß in den verschiedenen pastoralen Bereichen in Diözese und Pfarrei sein Betätigungsfeld und nimmt dabei verschiedene Formen an. Der Bischof kann Diakonen den Auftrag zur Mitarbeit in der Seelsorge einer nur einem Pfarrer übertragenen Pfarrei erteilen <640> oder in der Seelsorge von Pfarreien, die einem oder mehreren Priestern in solidum übertragen werden. <641> Wenn es darum geht, sich an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei zu beteiligen - für den Fall, dass diese wegen Priestermangels nicht über die direkte Seelsorge durch einen Pfarrer verfügt <642> -, haben Ständige Diakone immer <640> Vgl. CIC, can. 519. <641> Vgl. ebd., can. 517 § 1. <642> Vgl. ebd, can. 517 § 2. 1140 KONGREGATIONEN UND RÄTE den Vortritt vor nicht geweihten Gläubigen. In solchen Fällen ist darauf zu achten, dass der Leiter ein Priester ist, denn nur er ist der „eigentliche Hirte“ und kann den Auftrag zu der „cura animarum“ empfangen, bei welcher der Diakon mitwirkt. Ebenso können Diakone zur Leitung der zerstreuten Christengemeinden im Namen des Pfarrers oder des Bischofs bestimmt werden. <643> „Es ist eine missionarische Aufgabe, die in Ländern, Bereichen, Gesellschaftsschichten und Gruppen zu erfüllen ist, wo der Priester fehlt oder nicht leicht erreichbar ist. Besonders an Orten, wo kein Priester für die Eucharistiefeier zur Verfügung steht, versammelt der Diakon die Gemeinde zu einem Wortgottesdienst mit Austeilung der sorgfältig aufbewahrten Kommunion. <644> Es ist eine Vertretung, die der Diakon in kirchlichem Auftrag ausübt, wenn es darum geht, dem Priestermangel abzuhelfen“. <645> Bei diesen Gottesdiensten soll nie versäumt werden, auch für die Vermehrung der Priesterberufe zu beten, die gebührenderweise als unentbehrlich darzustellen sind. Wenn ein Diakon zur Verfügung steht, darf die Wahrnehmung der Seelsorge weder einem gläubigen Laien noch einer Gemeinschaft von Personen übertragen werden; dasselbe gilt für den Vorsitz eines Sonntagsgottesdienstes. <643> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben, Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 22, 10: a.a.O. 702. <644> Vgl. CIC, can. 1248 § 2; Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium für die Feier von Sonntagsgottes-diensten ohne Priester Christi Ecclesia, Nr. 29: a.a.O. 386. <645> Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (13. Oktober 1993), Nr. 4: Insegnamenti, XVI,2(1993) 1002. Auf jeden Fall sind die Zuständigkeiten des Diakons bei der Amtsübertragung schriftlich genau festzulegen. Zwischen den Diakonen und den verschiedenen für die Seelsorge tätigen Personen muss mit Hochherzigkeit und Überzeugung eine konstruktive und geduldige Zusammenarbeit betrieben werden. Wenn es Pflicht der Diakone ist, stets das Amt des Pfarrers zu respektieren und mit allen, die die Seelsorge mit ihm teilen, gemeinschaftlich zusammenzuarbeiten, so ist es auch ihr Recht, von allen angenommen und voll anerkannt zu werden. Für den Fall, dass der Bischof die Bildung von Pastoralräten in den Pfarreien beschließt, gehören die Diakone, die an der Pfarr-seelsorge beteiligt sind, zu deren rechtmäßigen Mitgliedern. <646> In jedem Fall muss immer die aufrichtige Liebe vorherrschen, die in jedem Amt ein Geschenk des Geistes für den Aufbau des Leibes Christi erkennt. <646> Ygj pau[ vi., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 24: a.a.O. 702; CIC, can. 536. 42. Der Diözesanbereich bietet zahlreiche Gelegenheiten für den fruchtbaren Dienst der Diakone. Denn unter den vorgesehenen Voraussetzungen können sie teilnehmende Mitglieder der Diözesanorgane sein; im besonderen des Pastoralrates <647> und, wie gesagt, <647> Vgi paui vi., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 24: a.a.O. 702; CIC, can. 512 § 1. 1141 KONGREGATIONEN UND RÄTE des Vermögensverwaltungsrates; sie können auch an der Diözesansynode teilnehmen. <648> <648> Vgl. CIC, can. 463 § 2. Sie können jedoch nicht Mitglieder des Priesterrates sein, da dieser ausschließlich das Presbyterium repräsentiert. <649> <649> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 28; Dekret Christus Dominus, Nr. 27; Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 7; CIC, can. 495 § 1. In den Kurien können sie, wenn sie über die ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen verfügen, in die Ämter des Kanzlers, <650> des Richters, <651> des beratenden Beisitzers, <652> des Vemehmungsrichters, <653> des Kirchenanwalts und Bandverteidigers, <654> des Notars <655> berufen werden. <650> Vgl. CIC, can. 482. <651> Vgl. ebd., can. 1421 § 1. <652> Vgl. ebd., can. 1424. <653> Vgl. ebd., can. 1428 § 2. <654> Vgl. ebd., can. 1435. <655> Vgl. ebd., can. 483 § 1. Sie können jedoch weder als Gerichtsvikare noch als beigeordnete Gerichtsvikare, noch als Dekane eingesetzt werden, da diese Ämter Priestern Vorbehalten sind. <656> Weiters offen für den Dienst der Diakone sind die diözesanen Einrichtungen oder Kommissionen, pastorale Aufgaben in bestimmten sozialen Bereichen, besonders die Familienseelsorge, oder für Kreise der Bevölkerung, die eine Seelsorge besonderer Art verlangen, wie zum Beispiel ethnische Gruppen. <656> Vgl. CIC, can. 1420 § 4; can. 553 § 1. Bei der Durchführung der oben genannten Aufgaben hat der Diakon immer zu bedenken, dass alles Tun in der Kirche Zeichen der Liebe und Dienst an den Brüdern sein muss. Er muss daher bei der Tätigkeit in Rechtsprechung, Verwaltung und Organisation jede Form von Bürokratisierung zu vermeiden trachten, um das eigene Dienstamt nicht des pastoralen Sinnes und Wertes zu berauben. Wer zur Wahrnehmung dieser Ämter berufen wird, muss deshalb, um die Integrität des di-akonischen Dienstamtes zu bewahren, in die Lage versetzt werden, den typischen und eigentlichen Dienst des Diakons zu entfalten. 3. Spiritualität des Diakons Das aktuelle geschichtliche Umfeld 43. Die nach dem Plan Gottes, des Vaters, von Christus zusammengerufene und vom Heiligen Geist geleitete Kirche, die „in der Welt zugegen und doch unterwegs“ <657> ist zur Fülle des Reiches, <658> lebt und verkündet das Evangelium unter <657> II. Vatikan. Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 2. <658> Vgl. ebd., Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 5. 1142 KONGREGATIONEN UND RÄTE den konkreten historischen Umständen. „Vor Augen steht [dem Konzil] also die Welt der Menschen, das heißt die ganze Menschheitsfamilie mit der Gesamtheit der Wirklichkeiten, in denen sie lebt; die Welt, der Schauplatz der Geschichte, von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen geprägt; die Welt, die nach dem Glauben der Christen durch die Liebe des Schöpfers begründet ist und erhalten wird; die unter die Knechtschaft der Sünde geraten, von Christus aber, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Brechung der Herrschaft des Bösen befreit wurde; bestimmt, umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluss und zur Vollendung zu kommen“. <659> <659> Ebd., Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 2b. Dieser Wirklichkeit muss der Diakon, Mitglied und Amtsträger der Kirche, in seinem Leben und in seinem Dienstamt Rechnung tragen; er muss die Kultur, die Bestrebungen und die Probleme seiner Zeit kennen. Denn er ist berufen, in diesem Umfeld lebendiges Zeichen Christi, des Gottesknechtes, zu sein, und hat zugleich die Pflicht, die Aufgabe der Kirche zu übernehmen, „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben“. <660> <660> Ebd. Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 4a. Berufung zur Heiligkeit 44. Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit hat ihren Ursprung in der „Taufe des Glaubens“, in der wir alle „wahrhaft Kinder Gottes und der göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden“ sind. <661> <661> Ebd., Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 40. Das Weihesakrament verleiht den Diakonen „eine neue Weihe an Gott“, durch die sie „durch die Salbung des Heiligen Geistes geweiht und von Christus ausgesandt“ <662> werden zum Dienst am Volk Gottes „für den Aufbau des Leibes Christi“ (EphA,\2). <662> Ebd., Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 12b. „Daraus erwächst die diakonische Spiritualität, die ihren Ursprung in der sakramentalen Diakonatsgnade1 hat, wie das II. Vatikanische Konzil sie nennt. <663> Sie ist nicht nur eine wertvolle Hilfe bei der Erfüllung der verschiedenen Aufgaben, sondern sie beeinflusst tiefgreifend Geist und Herz des Diakons, indem sie ihn zur Hingabe seiner ganzen Person im Dienst für das Reich Gottes und die Kirche verpflichtet. Wie die Bezeichnung ,Diakonat1 selbst aussagt, kennzeichnet der Geist des Dienens das innere Fühlen und Wollen dessen, der dieses Weihesakrament empfängt. Durch den Diakonat will man verwirklichen, was Jesus in bezug auf seine Sendung gesagt hat: ,Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich <663> Ebd., Dekret Ad yentes, Nr. 16. 1143 KONGREGATIONEN UND RÄTE dienen zu lassen, sondern um zu dienen“1 (Mk 10,45; Mt 20,28). <664> <665> <666> <667> <668> <669> So lebt der Diakon durch seinen und in seinem Dienst die Tugend des Gehorsams: wenn er die ihm übertragenen Aufträge getreu erfüllt, dient er dem Bischofs- und dem Priesterstand in den munera (Ämtern) der Sendung Christi. Und was er ausführt, ist der Hirtendienst zum Wohl der Menschen. <664> Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (20. Oktober 1993), Nr. 1: Insegnamenti, XVI,2(1993)1053. 148 „Alle Gläubigen müssen je nach ihrer eigenen Stellung ihre Kräfte einsetzen, ein heiliges Leben zu führen sowie das Wachstum der Kirche und ihre ständige Heiligung zu fördern“ (CIC, can. 210). 149 die Diakone, die den Geheimnissen Christi und der Kirche dienen und sich deshalb von jedem Laster rein bewahren, Gott gefallen und für alles Gute vor den Menschen sorgen müssen (vgl. 1 Tim 3,8-18 und 12-13)“: 45. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass der Diakon dankbar die Einladung zur Nachfolge Christi, des Gottesknechtes, annimmt und eigens darauf bedacht ist, unter den verschiedenen Lebensumständen zuverlässig daran festzuhalten. Das in der Weihe empfangene Wesensmerkmal erzeugt eine Gleichgestaltung mit Christus, welcher der Geweihte nachkommen und sie in seinem ganzen Leben wachsen lassen soll. Die Heiligung als eine Forderung für jeden Gläubigen <670> findet eine weitere Grundlage für den Diakon in der besonders empfangenen Weihe. <671> Sie schließt die Praktizierung der christlichen Tugenden und der verschiedenen Gebote und Räte evangelischen Ursprungs je nach dem eigenen Lebensstand ein. Der Diakon ist aufgerufen, heiligmäßig zu leben, weil ihn der Heilige Geist durch das Sakrament der Taufe und der Weihe geheiligt und ihn als Diener des Werkes eingesetzt hat, mit dem die Kirche Christi dem Menschen dient und ihn heiligt. <672> Insbesondere für die Diakone bedeutet die Berufung zur Heiligkeit „Nachfolge Jesu in dieser Haltung des demütigen Dienstes, der nicht nur in den Werken der Liebe Ausdruck findet, sondern die ganze Denk- und Handlungsweise bestimmt und formt“, <673> weshalb sie, „wenn ihr Dienst mit diesem Geist übereinstimmt, noch mehr den charakteristischen Wesenszug Christi ins Licht stellen: den Dienst“, <674> um nicht nur „Diener Gottes“, sondern auch Diener Gottes an den eigenen Brüdern zu sein. <675> (II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 41). Vgl. auch Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, VI, 25: a.a.O. 702. <672> „ln ihrer Lebensführung sind die Kleriker in besonderer Weise zum Streben nach Heiligkeit verpflichtet, da sie, durch den Empfang der Weihe in neuer Weise Gott geweiht, Verwalter der Geheimnisse Gottes zum Dienst an seinem Volke sind“ (CIC, can. 276 § 1). <673> Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (20. Oktober 1993), Nr. 2: Insegnamenti, XVI,2(1993) 1054. <674> Ebd., Nr. 1: Insegnamenti, XVI,2(1993)1054. <675> Ygi ii Vatikan. Konzil, Dekret Apostolicam actuositatem, Nrn. 4.8; Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nm. 27.93. 1144 KONGREGATIONEN UND RATE Beziehungen des Weihestandes 46. Der Weihestand verleiht dem Diakon durch die spezifischen sakramentalen Gaben eine besondere Teilhabe an der Weihe und Sendung dessen, der für die Erlösung des Menschen zum Knecht des Vaters geworden ist, und bezieht ihn auf neuartige, spezifische Weise in das Geheimnis Christi, der Kirche und der Rettung aller Menschen ein. Aus diesem Grund muss das geistliche Leben des Diakons diese dreifache Beziehung auf der Linie einer gemeinschaftlichen Spiritualität vertiefen und entfalten, wo man vom Gemeinschaftscharakter der Kirche Zeugnis zu geben trachtet. 47. Die erste und grundlegendste Beziehung ist die zu Christus, der aus Liebe zum Vater und zu seinen Brüdern, den Menschen, Knechtsgestalt angenommen hat. <676> Der Diakon ist kraft seiner Weihe wirklich dazu berufen, in Übereinstimmung mit Christus, dem Gottesknecht, zu handeln. <676> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache (16. März 1985), Nr. 2: Insegnamenti, VIII,1(1985)649; Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, (25. März 1997) Nm. 3.21: a.a.O. 661, 688. Gottes ewiger Sohn „entäußerte sich und wurde wie ein Sklave“ (Phil 2,7) und lebte diesen Stand im Gehorsam gegenüber dem Vater (vgl. Joh 4,34) und im demütigen Dienst an den Brüdern (vgl. Joh 13,4-15). Als Diener des Vaters in dem Erlösungswerk an den Menschen ist Christus für jeden Diakon in der Kirche der Weg, die Wahrheit und das Leben. Jedes Tun im Dienst wird dann Sinn erhalten, wenn es hilft, Christus in seinem Dienst (diakoma) besser kennenzulemen, zu lieben und ihm zu folgen. Die Dia-kone müssen sich also bemühen, ihr Leben Christus gleichzugestalten, der durch seinen Gehorsam gegenüber dem Vater „bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ {Phil 2,8) die Menschheit erlöst hat. 48. Mit dieser grundlegenden Beziehung untrennbar verwoben ist die Beziehung zur Kirche, <677> die Christus liebt, rein macht, nährt und pflegt (vgl. Eph 5,25-29). Der Diakon könnte seine Gleichgestaltung mit Christus nicht zuverlässig leben, würde er nicht an seiner Liebe zur Kirche teilhaben, „für die er wegen ihrer Sendung und ihrer göttlichen Einsetzung eine tiefe Neigung hegen muß“. <678> <677> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 16: a.a.O. 681. Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (20. Oktober 1993), Nr. 2: Insegnamenti, XVI,2(1993) 1055. Der Weiheritus macht die Verbindung zwischen dem Bischof und dem Diakon deutlich, die hiermit gestiftet wird: nur der Bischof legt dem Auserwählten die Hände auf, während er die Ausgießung des Heiligen Geistes auf ihn herabruft. Jeder Diakon findet daher den Bezug zu seinem Amt in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Bischof. <679> <679> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, V, 23: a.a.O. 702. 1145 KONGREGATIONEN UND RÄTE Außerdem hebt die Diakonenweihe noch einen weiteren kirchlichen Aspekt hervor: Sie vermittelt dem Diakon als Diener Anteil an der Diakonie Christi, durch die das Volk Gottes unter der Leitung des Nachfolgers Petri und der anderen Bischöfe in Gemeinschaft mit ihm und unter Mitwirkung der Priester weiter dem Werk zur Erlösung der Menschen dient. Der Diakon ist daher verpflichtet, durch eine glühende, tätige Liebe für die Kirche und durch einen aufrichtigen Willen zur Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater, mit dem eigenen Bischof und mit den Priestern der Diözese seinen Geist und seinen Dienst zu nähren. 49. Schließlich ist daran zu erinnern, dass der Dienst Christi für den Menschen, für jeden Menschen bestimmt ist, <680> der in seinem Geist und seinem Leib die Spuren der Sünde trägt, aber zur Gemeinschaft mit Gott berufen ist. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Zum Knecht dieses Planes der Liebe hat sich Christus gemacht, als er unsere fleischliche Gestalt annahm; Zeichen und Werkzeug dieser seiner Diakonie in der Geschichte ist die Kirche. <680> vgl. Johannes Paul II., Unzyklika Redcmpior hominis (4. März 1979), Nm. 13-17: AAS 71(1979)282-300. Der Diakon wird also durch das Sakrament zum Dienst an seinen heilsbedürftigen Brüdern und Schwestern bestimmt. Und wenn der Mensch in dem Gottesknecht Christus, in seinen Worten und Handlungen die Fülle der Liebe sehen kann, durch welche der Vater ihn rettet, so soll er auch im Leben des Diakons diese selbe Liebe finden können. Wachsen in der Nachahmung der Liebe Christi zum Menschen, die über die Grenzen jeder menschlichen Ideologie hinausgeht, wird darum die wesentliche Aufgabe des geistlichen Lebens des Diakons sein. Wer zur diakonischen Ausbildung zugelassen werden will, muss „eine natürliche innere Neigung zum Dienst an der Hierarchie und an der christlichen Gemeinschaft zeigen“, <681> die aber nicht „im Sinn eines einfachen inneren Antriebs der natürlichen Veranlagung verständen werden soll ... Es handelt sich um eine Neigung der von der Gnade beseelten Natur in einem Geist des Dienstes, der das menschliche Verhalten dem von Christus gleichförmig macht. Das Sakrament des Diakonats bringt diese Neigung zur Entfaltung: Es läßt den Menschen tiefer am Geist der Diakonie Christi teilhaben, durchdringt seinen Willen mit einer besonderen Gnade und bewirkt, daß er in seinem ganzen Verhalten von einer neuen Neigung zum Dienst an den Brüdern beseelt wird“. <682> <681> Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatur Ordinem, II, 8: a.a.O. 700. 159 Johannes PaulU., Katechese bei der Generalaudienz (20. Oktober 1993), Nr. 2: Insegnamenti, XVI,2(1993) 1054. Mittel für das geistliche Leben 50. Die oben genannten Beziehungen stellen den Vorrang des geistlichen Lebens heraus. Deshalb muss der Diakon daran denken, dass es jede natürliche Fähigkeit 1146 KONGREGATIONEN UND RÄTE übersteigt, die Diakonie des Herrn zu leben, und dass es daher nötig ist, ganz bewusst und frei der Einladung zu folgen: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt“ (.loh 15,4). Die Nachfolge Christi im diakonischen Dienst ist ein faszinierendes, aber schwieriges Unterfangen, reich an Genugtuungen und Früchten, das aber manchmal auch den Schwierigkeiten und Mühen der wahren Nachfolger des Herrn Jesus Christus ausgesetzt ist. Um es zu verwirklichen, muss der Diakon zu Christus stehen, damit dieser die Verantwortung für das Dienstamt trägt, also dafür, dass er dem geistlichen Leben den Vorrang einräumt, die Diakonie hochherzig und selbstlos lebt, den Dienst und - wenn verheiratet - seine familiären oder beruflichen Verpflichtungen so organisiert, dass er in der Nachfolge der Person und Sendung Christi, des Gottesknechtes, Fortschritte macht. 51. Wichtigste Quelle des Fortschritts im geistlichen Leben ist zweifellos die treue und unermüdliche Erfüllung des Dienstes in einem motivierten und stetig angestrebten Umfeld der Lebenseinheit. <683> Dieser Dienst behindert, wenn in rechter Weise erfüllt, keineswegs das geistliche Leben, sondern begünstigt die göttlichen Tugenden, erhöht den eigenen Willen zu Hingabe und Dienst an den Brüdern und Schwestern und fördert die hierarchische Gemeinschaft. Auch für Diakone gilt, entsprechend angepasst, was von den Priestern gesagt wird: „Gerade die täglichen heiligen Handlungen wie ihr gesamter Dienst, den sie ... ausüben, lenken sie auf ein vollkommenes Leben hin. Die Heiligkeit der Priester wiederum trägt im höchsten Maß zur größeren Fruchtbarkeit ihres besonderen Dienstes bei“. <684> <683> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Prcsbylerorum ordinis, Nm. 14.15; CIC, can. 276 § 2, Nr. 1. <684> II. Vatikan. Konzil, Dekret Presbyteronon ordinis, Nr. 12. 52. Der Diakon halte sich stets die Aufforderung der Weiheliturgie vor Augen: „Empfange das Evangelium Christi, dessen Verkünder du geworden bist: glaube immer an das, was du verkündest, lehre, was du glaubst, lebe, was du lehrst“. <685> Um das Wort Gottes würdig und fruchtbringend zu verkünden, muss der Diakon „in beständiger heiliger Lesung und gründlichem Studium sich mit der Schrift befassen, damit er nicht zu ,einem hohlen und äußerlichen Prediger des Wortes Gottes [werde], ohne dessen innerer Hörer zu sein“, <686> wo er doch die unübersehbaren Schätze des göttlichen Wortes, namentlich in der heiligen Liturgie, den ihm anvertrauten Gläubigen mitteilen soll“. <687> <685> Pontificale Romanum - De ordinatione Episcopi, presbyterorum et diacononun, Nr. 210: Ed. a.a.O. 125. <686> Hl. Augustinus, Serm. 179, 1; PL 38, 966. <687> II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Dei Verbum, Nr. 25; vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatur Ordinem, VI, 26, 1: a.a.O. 703; CIC, can. 276 § 2, Nr. 2°. 1147 KONGREGATIONEN UND RÄTE Darüberhinaus muss er unter der Anleitung der authentischen Lehrer der göttlichen und katholischen Wahrheit in der Kirche <688> dieses Wort Gottes vertiefen, um seine rettende Kraft zu spüren (vgl. Röm 1,16). Seine Heiligkeit gründet sich auf seine Weihe und Sendung auch gegenüber dem Wort: Er muss zur Kenntnis nehmen, dass er Diener des Wortes ist. Als Mitglied der Hierarchie verpflichten seine Handlungen und Erklärungen die Kirche; es ist darum für seine pastorale Nächstenliebe wesentlich, dass er die Authentizität seiner Lehre, seine tatsächliche, eindeutige Gemeinschaft mit dem Papst, mit dem Bischofsstand und mit dem eigenen Bischof nachweist, nicht nur was das Glaubensbekenntnis betrifft, sondern auch in bezug auf die Lehre des ordentlichen Lehramtes und der Disziplin im Geist des der Weihe vorausgehenden Glaubensbekenntnisses und des Treueides. <689> Denn „solche Gewalt und Kraft west im Worte Gottes, daß es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unver-sieglicher Quell des geistlichen Lebens ist“. <690> Je mehr er sich an das göttliche Wort anlehnt, desto stärker wird er den Wunsch verspüren, es den Brüdern mitzuteilen. In der Heiligen Schrift spricht Gott zum Menschen, <691> in der Predigt unterstützt der geweihte Diener diese heilbringende Begegnung. Er muss deshalb seine größte Aufmerksamkeit darauf verwenden, unermüdlich das Wort Gottes zu predigen, damit die Gläubigen nicht durch die Gleichgültigkeit oder Trägheit des Dieners dieses Wortes beraubt werden, und er muss zutiefst davon überzeugt sein, dass sich die Ausübung des Dienstes des Wortes nicht allein in der Predigt erschöpft. <688> Vg| ii Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25a. <689> Vgl. CIC, can. 833; Kongregation für die Glaubenslehre, Professio fidei et iusiurandum fidelitatis in susci-piendo officio nomine Ecclesiae exercendo: A45” 81(1989)104-106.1169. n Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Dei Verbum, Nr. 21. <691> Ygi ebd., Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 7. 53. Ebenso weist der Diakon seine Identität im Leben der Kirche nach, wenn er tauft, wenn er die Kommunion austeilt oder wenn er bei der Feier der anderen Sa-kramente und Sakramentalien hilft: Er ist Diener des Leibes Christi, des mystischen Leibes und der Kirche; er soll daran denken, dass diese Handlungen der Kirche, wenn sie mit Glauben und Ehrfurcht vollzogen werden, zum Wachstum seines geistlichen Lebens und zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft beitragen. <692> <692> Ygj obd., Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 7. 54. In ihrem geistlichen Leben müssen die Diakone den Sakramenten der Gnade die gebührende Bedeutung beimessen, die „hingeordnet sind auf die Heiligung der Menschen, den Aufbau des Leibes Christi und schließlich auf die Gott geschuldete Verehrung“. <693> <693> Vgl. ebd., 59a. 1148 KONGREGATIONEN UND RÄTE Vor allem sollen sie mit besonderer Treue täglich an der Feier des eucharistischen Opfers teilnehmen, <694> womöglich in Ausübung des eigenen liturgischen munus, und mit Ausdauer den im Sakrament gegenwärtigen Herrn verehren, <695> da ja die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation, „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle“ enthält. <696> In der Eucharistie werden sie Christus wahrhaftig begegnen, der aus Liebe zum Menschen zum Sühneopfer, zur Speise des ewigen Lebens, zum nahen Freund in allem Leiden wird. <694> Vgl. CIC, can. 276 § 2, Nr. 2; Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatits Ordinem, VI, 26, 2: a.a.O. 703. <695> Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, VI, 26, 2: a.a.O. 703. <696> II. Vatikan. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 5b. Im Wissen um die eigene Schwachheit und voller Vertrauen in die göttliche Barmherzigkeit sollen sie regelmäßig das Sakrament der Versöhnung empfangen, <697> in welchem der sündige Mensch Christus, dem Erlöser, begegnet, die Vergebung seiner Schuld empfängt und zu voller tätiger Liebe angespomt wird. <697> Vgl. CIC, can. 276 § 2, Nr. 5; vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinern, VI, 26, 3: a.a.O. 703. 55. Bei der Erfüllung der Werke der Nächstenliebe, die ihm der Bischof aufträgt, soll sich der Diakon stets von der Liebe Christi zu allen Menschen und nicht von persönlichen Interessen oder Ideologien leiten lassen, die den universalen Charakter der Heilsrettung verletzen oder die transzendentale Berufung des Menschen leugnen. Er soll auch daran denken, dass die Diakonie der Nächstenliebe notwendigerweise zur Förderung der Gemeinschaft innerhalb der Teilkirche führt. Die Nächstenliebe ist ja in der Tat die Seele der kirchlichen Gemeinschaft. Er muss daher die Brüderlichkeit, die Zusammenarbeit mit den Priestern und die aufrichtige Gemeinschaft mit dem Bischof nachdrücklich fördern. 56. Diakone müssen immer, in jedem Umfeld und unter allen Umständen, dem Gebot des Herrn treu bleiben: „Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt“ (Lk 21,36; vgl. Phil 4,6-7). Das Gebet, der persönliche Dialog mit Gott, wird ihnen das Licht und die Kraft verleihen, die nötig sind, um Christus zu folgen und den Brüdern in den verschiedensten Situationen zu dienen. Auf Grund dieser Gewissheit sollen sie versuchen, sich von den verschiedenen Gebetsarten innerlich formen zu lassen: die Verrichtung des Stundengebetes in dem von der Bischofskonferenz bestimmten Umfang <698> prägt ihr ganzes Gebetsleben; als Amtsträger sind sie gehalten, Fürbitten für die ganze Kirche darzubringen. Dieses Gebet setzt sich in der lectio divina, in dem intensiv betrachtenden Gebet, in der Teilnahme an geistlichen Einkehrtagen fort, jeweils gemäß den Vorschriften des Partikularrechtes. <699> <698> Vgl. CIC, can. 276 § 2, 3°. <699> Vgl. ebd., can. 276 § 2,4°. 1149 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ein Herzensanliegen müssen ihnen zudem die Tugend der Buße und die anderen Mittel der Heiligung sein, die eine Hilfe auf dem Weg zur persönlichen Gottbegegnung darstellen. <700> <700> Vgl. ebd., can. 276 § 2, 5°. 57. Die Teilhabe am Geheimnis des Gottesknechtes Christus lenkt den Diakon mit seinem Herzen notwendigerweise auf die Kirche und auf Maria, ihre heiligste Mutter. Denn man kann Christus nicht von der Kirche, seinem Leib, trennen. Die Wahrheit von der Einheit mit dem Haupt soll eine wahre Liebe zum Leib wecken. Und diese Liebe soll bewirken, dass der Diakon durch seinen Einsatz für die mit seinem Dienstamt verbundenen Verpflichtungen, durch Brüderlichkeit und durch die hierarchische Gemeinschaft mit seinem Bischof und mit dem Presbyterium fleißig am Aufbau der Kirche mitarbeitet. Dem Diakon muss die ganze Kirche am Herzen liegen: die Universalkirche, für deren Einheit der Papst in Rom als Nachfolger Petri immerwährendes und sichtbares Prinzip und Lundament ist, <701> und die Teilkirche, in der dadurch, dass „sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt“. <702> <701> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23a. <702> Ebd., Dekret Christus Dominus, Nr. 11; CIC, can. 369. Die Liebe zu Christus und zur Kirche ist zutiefst mit der seligen Jungfrau verbunden, der demütigen Magd des Herrn, die in ihrer Eigenschaft als einmalige und bewundernswürdige Mutter selbstlose Gefährtin der Diakonie ihres göttlichen Sohnes gewesen ist (vgl. Joh 19,25-27). Die Liebe zur Mutter des Herrn, die im Glauben gründet und im täglichen Rosenkranzgebet, in der Nachahmung ihrer Tugenden und im zuversichtlichen Vertrauen zu ihr Ausdmck findet, soll Bekundungen echter, kindlich-frommer Hingabe sinnvoll machen. <703> <703> Vgl. CIC, can. 276 § 2, 5°; vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, VI, 26, 4: a.a.O. 703. Jeder Diakon muss mit tiefer Verehrung und Liebe auf Maria blicken. Denn „die Jungfrau und Mutter ist das Geschöpf [gewesen], das mehr als alle die volle Wahrheit der Berufung erlebt hat, denn kein Mensch hat wie sie mit einer so großen Liebe auf die unermeßliche Liebe Gottes geantwortet“. <704> Diese besondere, aus dem Wort entsprungene und ganz im Wort verwurzelte Liebe zur Jungfrau und Magd des Herrn soll zur Nachahmung ihres Lebens werden. Das wird eine Möglichkeit sein, in der Kirche jene marianische Dimension einzuführen, die den Zugang zur diakonischen Berufung bereitet. <705> <706> <704> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 36: indem der Hl. Vater die Propositio 5 der Synodenväter zitiert: a.a.O. 718. <705> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Römische Kurie, (22. Dez. 1987): AAS 80(1988)1025-1034; Apostol. Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 27: AAS 80(1988)1718. 1150 KONGREGATIONEN UND RÄTE 58. Von größtem Nutzen für den Diakon wird schließlich die regelmäßige geistliche Begleitung sein. Die Erfahrung zeigt, dass der aufrichtig und zuvorkommend geführte Dialog mit einem klugen geistlichen Begleiter nicht nur dazu beiträgt, die im Leben unvermeidlich auftretenden Zweifel und Probleme zu lösen, sondern auch die notwendige Unterscheidung vorzunehmen, zu einer besseren Selbsterkenntnis zu gelangen und voranzuschreiten in der treuen Nachfolge Christi. Spiritualität des Diakons und Lebensstände 59. Im Unterschied zu den Anforderungen für das Presbyterium, können zum Ständigen Diakonat zunächst zölibatäre Männer zugelassen werden, aber auch Männer, die im Sakrament der Ehe leben, oder verwitwete Männer. <707> Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 27: AAS 80(1988)1718. 60. Die Kirche anerkennt mit Dankbarkeit das großartige, einigen ihrer Mitglieder von Gott gewährte Geschenk des Zölibats und hat es in verschiedenen Formen sowohl im Orient wie im Abendland mit dem geweihten Amt verbunden, dem es immer und auf wunderbare Weise angemessen ist. <708> Die Kirche weiß auch, dass dieses Charisma, das aus Liebe um des Himmelreiches willen (vgl. Mt 19,12) angenommen und gelebt wird, die ganze Person des Diakons auf Christus hin ausrichtet, der sich in der Ehelosigkeit selbst hingab für den Dienst am Vater und um die Menschen zur Fülle des Reiches zu führen. Diese Gesamtentscheidung, Gott zu lieben und den Brüdern und Schwestern zu dienen, widerspricht keineswegs der persönlichen Entfaltung des Diakons, sondern begünstigt sie, da die wahre Vollkommenheit jedes Menschen die Nächstenliebe ist. In der Tat, im Zölibat erscheint die Liebe als Zeichen dafür, dass einer sich mit ungeteiltem Herzen vollständig Christus weiht und sich frei dem Dienst an Gott und den Menschen widmet, <709> weil eben die Zölibatsentscheidung nicht Verachtung der Ehe oder Weltflucht bedeutet, sondern vielmehr eine bevorzugte Möglichkeit, den Menschen und der Welt zu dienen. 1S4 Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmat. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 29b. 186 „His rationibus in mysteriis Christi Eiusque missione fundatis, coelibatus ... Omnibus ad Ordinem sacrum promovendis lege impositum est“ II. Vatikan. Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 16; vgl. C1C, can. 247 § 1; can. 277 § 1; can. 1037. <709> Vgl. CIC, can. 277 § 1; II. Vatikan. Konzil, Dekret Optatam totius, Nr. 10. Die Menschen unserer Zeit, die so oft in Vergänglichem versinken, sind besonders sensibel für das Zeugnis derer, die durch ihr Leben das Ewige verkünden. Die Dia-kone dürfen es daher nicht versäumen, den Brüdern durch ihr getreues Festhalten am Zölibat dieses Zeugnis anzubieten und sie so zur Suche nach jenen Werten an-zuspomen, die offenbar machen, dass der Mensch zur Transzendenz berufen ist. „Der Zölibat ,um des Himmelreiches willen4 ist nicht nur ein eschatologisches 1151 KONGREGATIONEN UND RÄTE Zeichen, sondern hat auch große Bedeutung für den Dienst am Volk Gottes im gegenwärtigen Leben“. <710> <710> Johannes Paul II., Schreiben Novo incipiente an die Priester der Kirche zum Gründonnerstag (8. April 1979), Nr. 8: AAS 71(1979)408. Um die von Gott zum Wohl der gesamten Kirche empfangene Gabe während des ganzen Lebens besser zu schützen, dürfen die Diakone nicht zu sehr auf die eigenen Möglichkeiten vertrauen, sondern müssen immer einen Geist demütiger Klugheit und Wachsamkeit haben und daran denken, dass „der Geist willig, aber das Fleisch schwach“ ist (Mt 26,41); außerdem sollen sie am Gebetsleben festhalten und die mit ihrem Dienstamt verbundenen Verpflichtungen erfüllen. Sie haben sich mit Klugheit gegenüber Personen zu verhalten, mit denen ein vertraulicher Umgang die Enthaltsamkeit in Gefahr bringen oder Anstoß erregen kann. <711> <711> Vgl. C/C, can. 277 § 2. Schließlich müssen sie sich bewusst sein, dass unsere heutige pluralistische Gesellschaft zu sorgfältiger Unterscheidung verpflichtet, was den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel betrifft. 61. Auch das Sakrament der Ehe, das die Liebe der Ehegatten heiligt und sie als wirksames Zeichen der Liebe herausstellt, mit der Christus sich der Kirche hingibt (vgl. Eph 5,25), ist ein Gottesgeschenk und muss das geistliche Leben des verheirateten Diakons nähren. Da das Ehe- und Familienleben sowie die berufliche Arbeit unweigerlich seine ihm für den Dienst zur Verfügung stehende Zeit einschränken, bedarf es eines besonderen Einsatzes, um - auch durch das gemeinsame Gebet - zur notwendigen Einheit zu gelangen. In der Ehe wird die Liebe zu zwischenmenschlicher Hingabe, zu gegenseitiger Treue, zur Quelle neuen Lebens, zur Stütze in Freude und Schmerz; mit einem Wort, die Liebe wird zum Dienst. Dieser im Glauben gelebte Dienst an der Familie ist für die anderen Gläubigen Beispiel für die Liebe in Christus, und der verheiratete Diakon muss davon auch Gebrauch machen, um seiner Nächstenliebe in der Kirche Auftrieb zu verleihen. Der verheiratete Diakon soll seine Verantwortung besonders darin sehen, dass er ein klares Zeugnis von der Heiligkeit der Ehe und der Familie abgibt. Je mehr die Eheleute in ihrer Liebe füreinander wachsen, um so stärker wird ihre Hingabe an die Kinder sein und als um so bedeutsamer wird sich ihr Beispiel für die christliche Gemeinschaft erweisen. „Die Pflege und Vertiefung der gegenseitigen opferbereiten Liebe zwischen Mann und Frau stellen vielleicht die wesentlichste Beteiligung der Frau des Diakons am öffentlichen Amt ihres Mannes in der Kirche dar“. <712> Diese Liebe wächst dank der Tugend der Keuschheit, die immer, auch durch die Übung verantwortlicher Elternschaft, durch die Erfahrung der Achtung für den Ehepartner und durch die Einhaltung einer gewissen Enthaltsamkeit wirk- <712> Johannes Paul II., Ansprache an die Ständigen Diakone der USA in Detroit (19. September 1987), Nr. 5: Insegnamenti, X,3(1987)657. 1152 KONGREGATIONEN UND RÄTE sam ist. Diese Tugend begünstigt die reife Hingabe, die sich sehr bald im Dienst äußert, während sie besitzergreifendes Verhalten, Vergötzung des beruflichen Erfolges, Unfähigkeit zur Zeiteinteilung beseitigt und glaubwürdige zwischenmenschliche Beziehungen und das Gespür und die Fähigkeit begünstigt, jeder Sache ihren richtigen Platz zu geben. Man möge entsprechende, an die ganze Familie gerichtete Initiativen zur Sensibilisierung für den diakonischen Dienst ergreifen. Die Ehefrau des Diakons, die ihre Zustimmung zur Entscheidung ihres Mannes gegeben hat, <713> soll Hilfe und Unterstützung erhalten, damit sie ihre Rolle mit Freude und Diskretion lebt und alles, was die Kirche und insbesondere die ihrem Ehemann übertragenen Aufgaben angeht, zu schätzen weiß. Aus diesem Grund soll sie über das Tun ihres Mannes informiert sein, wobei jedoch jede ungebührende Einmischung vermieden werden muss, um ein ausgewogenes und harmonisches Verhältnis zwischen Familien-, Berufs- und kirchlichem Leben abzustimmen und zu realisieren. Auch die Kinder des Diakons werden, wenn sie entsprechend vorbereitet sind, die Entscheidung des Vaters schätzen und sich besonders aufmerksam im Apostolat und im konsequenten Lebenszeugnis engagieren können. <713> Vgl. C/C, can. 1031 § 2. Schließlich ist die Familie des Diakons, wie übrigens jede christliche Familie, aufgerufen, lebhaft und verantwortungsvoll an der Sendung der Kirche in der Welt von heute teilzunehmen. „Der Diakon und seine Frau müssen ein Vorbild für die Treue und Unauflöslichkeit der christlichen Ehe vor einer Welt sein, die solche Zeichen bitter nötig hat. Dadurch, daß sie die Anforderungen des Ehelebens und des Alltags im Geist des Glaubens annehmen, stärken sie das Familienleben nicht nur in der Gemeinschaft der Kirche, sondern in der ganzen Gesellschaft. Sie zeigen auch, wie die Verpflichtungen von Familie, Arbeit und Amt in dem Dienst der Sendung der Kirche aufeinander abgestimmt werden können. Diakone und ihre Frauen und Kinder können für andere, die für die Förderung des Familienlebens arbeiten, eine große Ermutigung darstellen“. <714> <714> Johannes Paul II., Ansprache an die Ständigen Diakone der USA in Detroit (19. September 1987), Nr. 5: Insegnamenti, X,3( 1987)658-659. 62. Einzugehen ist noch auf die Situation, die durch den Tod der Ehefrau eines Diakons entsteht. Ein Lebensumstand, der im Glauben und in christlicher Hoffnung gelebt werden muss. Der Witwenstand darf, wenn es Kinder gibt, die Hingabe an sie nicht zerstören; und er sollte auch nicht zu hoffnungsloser Trauer verleiten. Dieser Lebensabschnitt ist, so schmerzlich er auch sein mag, ein Aufruf zu innerer Läuterung und ein Anreiz, zu wachsen in der Liebe und im Dienst an seinen Lieben und an allen Mitgliedern der Kirche. Er ist auch ein Aufruf, in der Hoffnung zu wachsen, da die treue Erfüllung des Dienstes ein Weg ist, Christus und die geliebten Menschen in der Herrlichkeit des Vaters zu erreichen. 1153 KONGREGATIONEN UND RÄTE Man muss jedoch erkennen, dass dieses Ereignis im Alltagsleben der Familie eine neue Situation herbeiführt, die die persönlichen Beziehungen beeinflusst und in vielen Fällen die wirtschaftlichen Probleme bestimmt. Aus diesem Grund muss dem verwitweten Diakon mit viel Liebe geholfen werden, seine neue persönliche Situation zu erkennen und zu akzeptieren und weder die Erziehungspflicht gegenüber etwaigen Kindern noch die neuen Erfordernisse der Familie zu vernachlässigen. Insbesondere wird der Witwer Begleitung erhalten müssen bei der Erfüllung der Verpflichtung zur vollkommenen und immerwährenden Enthaltsamkeit <715> und Hilfe erfahren im Verständnis der fundierten kirchlichen Begründungen, die das Eingehen einer neuen Ehe für unerlaubt erklären (vgl. 1 Tim 3,12), gemäß der beständigen Disziplin sowohl der Ostkirche als auch der Westkirche. <716> Das kann dadurch erreicht werden, dass sich der Diakon aus Liebe zu Gott im Dienst intensiver um andere kümmert. Ein großer Trost wird in diesen Fällen für die Diakone die brüderliche Hilfe der anderen geistlichen Amtsträger, der Gläubigen und die Nähe des Bischofs sein. <715> Vgl. C1C, can. 277 § 1. <716> Cf Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, III, 16: a.a.O. 701; Ders. Apostol. Schreiben Ad pascendum, VI: a.a.O. 539; C1C, can. 1087; Eventuelle Ausnahmen sind gemäß dem Rundbrief der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung an die diözesanen Ordinarien und die General-oberen der Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens, N. 263/97, 7. Juni 1997, Nr. 8, geregelt. Bleibt die Frau des Diakons als Witwe zurück, soll sie, was ihre Bedürfnisse angeht, von den Amtsträgem und den Gläubigen, soweit es die vorhandenen Möglichkeiten erlauben, nicht vernachlässigt werden. 4. Weiterbildung des Diakons Charakteristische Merkmale 63. Die Weiterbildung (Formatio permanens) der Diakone ist ein menschliches Erfordernis, das an die übernatürliche Berufung der Kirche amtlich zu dienen und an die Anfangsausbildung anknüpft bis zu dem Punkt, dass diese beiden Momente als einer einzigen organisch zurückgelegten Strecke des Lebens als Christ und Diakon gehörig betrachtet werden können. <717> „Wer nämlich den Diakonat empfängt, ist verpflichtet, sich ständig in der kirchlichen Lehre weiterzubilden, so daß die vor der Weihe erforderte Ausbildung vervollkommnet und auf den heutigen Stand gebracht wird“, <718> und zwar in der Weise, dass die Bemfung „zum“ Diakonat sich fortsetze und erneut Ausdruck finde als eine Bemfung „im“ Diakonat mittels der immer wieder geschehenden Erneuerung des „Ja, ich bin bereit“, das am Tag der Weihe gesprochen wurde. *94 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 42. *95 Johannes Paul II., Katechese bei der Generalaudienz (20. Oktober 1993), Nr. 4: Insegnamenti, XVI,2(1993) 1056. 1154 KONGREGATIONEN UND RÄTE Sie muss also - sowohl von seiten der Kirche, die sie erteilt, wie von seiten der Diakone, die sie empfangen - als ein Recht bzw. eine Pflicht auf Gegenseitigkeit angesehen werden, das bzw. die sich auf die Wahrheit der übernommenen Berufsverpflichtung gründet. Die Tatsache, dass die entsprechende umfassende Ausbildung ständig weiterange-boten und empfangen werden muss, stellt für die Bischöfe und für die Diakone eine nicht unerhebliche Verpflichtung dar. Auf die Wesensmerkmale dieser Weiterbildung - Bildungspflicht, Ganzheitlich-keit, interdisziplinäre Ausrichtung, Gründlichkeit, Wissenschaftlichkeit und Vorbereitung auf das apostolische Leben - wird vom Kirchengesetz ständig hingewiesen; <719> noch dringlicher ist ihre Beachtung dort, wo die Anfangsausbildung nicht nach dem ordentlichen Ausbildungsplan erfolgt ist. <719> Ygl. Paul VI., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, II, 8-10; III, 14-15: a.a.O. 699-701; Ders., Apostol. Schreiben Adpascendum, VII: a.a.O. 540; CIC, can. 236, can. 1027, can. 1032 § 3. Diese Ausbildung charakterisiert sich als „Treue“ zu Christus und zur Kirche sowie als „beständige Umkehr“, welche Frucht der sakramentalen, in der Dynamik der seelsorgerischen Liebe gelebten Gnade ist, die jeder konkreten Verwirklichung des geweihten Dienstes zu eigen ist. Sie stellt sich als grundlegende Wahl dar, die im Laufe der Jahre des Lebens als Ständiger Diakon sich immer wieder neu bestätigen und Ausdruck finden muss durch eine lange Reihe von folgerichtigen Antworten, welche im anfänglichen „Ja“ verwurzelt sind und dadurch belebt werden. <720>? <720> Yg{ Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 70: a.a.O. 780. Gründe für die Weiterbildung 64. Die Weiterbildung, die sich vom Weihegebet inspirieren lässt, gründet darauf, dass der Diakon dringend einer Liebe zu Jesus Christus bedarf, die zur Nachahmung treibt („sie seien Abbild deines Sohnes“); sie soll ihn in der unangefochtenen Treue zu dem Dienstamt bestärken („auf daß sie getreu die Aufgaben des Dientes erfüllen“); sie stellt mit radikaler Offenheit die Nachfolge des Gottesknechtes Christus dar („das Beispiel ihres Lebens sei ein beständiger Hinweis auf das Evangelium ... sie sollen wahrhaftig ... zuvorkommend ... wachsam sein“). Die Weiterbildung findet so „ihr eigentliches Fundament und ihre ursprüngliche Begründung im Wirkgeschehen des Weihesakramentes“ <721> und bezieht ihre Hauptnahrung aus der Eucharistie, dem Kompendium des christlichen Geheimnisses und der unerschöpflichen Quelle jeder spirituellen Energie. Auch auf den Diakon lässt sich in gewisser Weise die Aufforderung des Apostels Paulus an Timotheus anwenden: „Darum rufe ich dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist“ (2 Tim 1,6; vgl. 1 Tim 4,14-16). Die theologischen Ansprüche seiner Berufung zu einer ein- <721> Ebd., Nr. 70: a.a.O. 779. 1155 KONGREGATIONEN UND RÄTE zigartigen Sendung kirchlichen Dienstes verlangen vom Diakon eine wachsende Liebe zur Kirche und zu seinen Brüdern, die sich in der treuen Erfüllung seiner Aufgaben und seiner Funktionen äußert. Von Gott zur Heiligung erwählt, muss der Diakon, während er durch sein Amt der Kirche und allen Menschen dient, beständig, auf ausgeglichene, verantwortliche Weise, eifrig und stets fröhlichen Herzens wachsen in dem Bewusstsein des Dienstcharakters seines Amtes. Beteiligte 65. Aus der Sicht des Diakons als Erstverantwortlichem stellt die Weiterbildung also vor allem einen ständigen Bekehrungsvorgang dar, der die Existenz des Diakons als solchen, das heißt seine ganze durch das Sakrament geweihte und zum Dienst an der Kirche bestimmte Person, betrifft und alle seine Fähigkeiten zur Entfaltung bringt, damit er in jeder Altersstufe und Lebenslage und in den verschiedenen Verantwortlichkeiten, die ihm vom Bischof übertragen werden, die empfangenen Gaben seines Dienstamtes in ihrer Fülle zu leben vermag. <722> <722> Vgl. ebd., Nrn. 76.79: a.a.0. 793; 796. Das sorgende Bemühen der Kirche um die Weiterbildung der Diakone wäre darum ohne das Engagement eines jeden von ihnen unwirksam. Diese Bildung darf sich nämlich nicht allein auf die Teilnahme an Kursen, an Studientagen usw. beschränken, sondern sie verlangt von jedem Diakon, dass er in bewusster Kenntnis dieser Notwendigkeit die Weiterbildung mit Interesse und einem gewissen gesunden Unternehmungsgeist praktiziert. Der Diakon soll nach kirchlichen Kriterien ausgewählte Bücher lesen, er soll nicht versäumen, sich die eine oder andere Veröffentlichung in den lehramtsgetreuen Zeitschriften anzusehen, und die tägliche Meditation nicht unterlassen. Ein wichtiger Teil des Dienstes, der von ihm verlangt wird, besteht eben darin, dass er sich ständig weiterbildet, um immer besser und noch mehr dienen zu können. 66. Aus der Sicht des Bischofs <723> und der mit den Bischöfen zusammenarbeitenden Priester, die die Verantwortung und die Last ihrer Durchführung tragen, besteht die Weiterbildung darin, den Diakonen zu helfen, jeglichen Dualismus oder Bruch zwischen Spiritualität und Dienstcharakter zu überwinden, zuvor aber noch, jeden Bruch zwischen ihrem etwaigen Zivilberuf und der diakonischen Spiritualität zu überwinden und „großzügig dem Einsatz zu entsprechen, den die Würde und die Verantwortung erfordern, die Gott ihnen durch das Weihesakrament übertragen hat; im Bewahren, Verteidigen und Entfalten ihrer spezifischen Identität und Berufung; in der Heiligung ihrer selbst und der anderen durch Ausübung ihres Dienstes“. <724> <723> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 15; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 79: a.a.O. 797. <724> Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester Tota Ecclesia (31. Januar 1994), Nr. 71. 1156 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die beiden Sichtweisen ergänzen sich gegenseitig und berufen sich aufeinander, weil sie, mit Hilfe der übernatürlichen Gaben, in der inneren Einheit der Person begründet sind. Die Hilfe, die die Ausbildner anbieten sollen, wird um so wirksamer sein, je mehr sie den persönlichen Bedürfnissen jedes einzelnen Diakons entspricht; denn ein jeder lebt seinen Dienst in der Kirche als einmalige Person und in seinen eigenen Gegebenheiten. Diese personbezogene Begleitung wird die Diakone auch die Liebe fühlen lassen, mit der die Mutter Kirche ihnen in ihrem Bemühen nahe ist, die Gnade des Sakramentes in Treue zu leben. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass die Diakone die Möglichkeit haben, einen vom Bischof anerkannten geistlichen Begleiter zu wählen, mit dem sie regelmäßig und häufig Gespräche führen können. Im übrigen ist die ganze Diözesangemeinde in gewisser Weise in die Weiterbildung der Diakone miteinbezogen; <725> das gilt besonders für den Pfarrer oder einen anderen damit beauftragten Priester, der mit brüderlicher Fürsorge seinerseits Hilfe leistet. <725> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 78: a.a.O. 795. Spezifität 67. Die Sorge und der persönliche Einsatz in der Weiterbildung sind unmissverständliche Zeichen einer konsequenten Antwort auf die göttliche Berufung, einer lauteren Liebe zur Kirche und einer echten pastoralen Sorge den christlichen Gläubigen und allen Menschen gegenüber. Auf die Diakone lässt sich alles anwenden, was diesbezüglich für die Priester gesagt wurde; „Die Weiterbildung ist ein notwendiges Mittel..., um das Ziel einer Berufung, den Dienst an Gott und an seinem Volk, zu erreichen“. <726> <726> Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester Tota Ecclesia (31. Januar 1994), Nr. 71: a.a.O. 72. Die Weiterbildung ist in Wahrheit ein Erfordernis, das in Kontinuität mit der Anfangsausbildung steht, mit der sie Zielsetzung und Bedeutung teilt und der gegenüber sie eine Aufgabe der Vervollständigung, Bewahrung und Vertiefung erfüllt. Die grundlegende Verfügbarkeit des Diakons gegenüber den anderen ist ein praktischer Ausdruck der sakramentalen Gleichgestaltung mit Christus, dem Gottesknecht, die er durch die Weihe empfangen und die sich in seine Seele eingeprägt hat: Sie ist ein Ziel und ein ständiger Ruf zum Dienst und zum Leben als Diakone. So gesehen lässt sich die Weiterbildung nicht auf ein bloßes Bemühen um kulturelle oder praktische Vervollkommnung zum Zweck eines größeren oder besseren Tuns verkürzen. Die Weiterbildung darf nicht nur danach streben, das Aggioma-mento zu gewährleisten, sondern ihr Ziel muss es sein, die fortschreitende praktische Gleichgestaltung der ganzen Existenz des Diakons mit Christus, der alle liebt und allen dient, zu erleichtern. 1157 KONGREGATIONEN UND RÄTE Bereiche der Weiterbildung 68. Die Weiterbildung muss sämtliche Dimensionen des Lebens und Dienstes des Diakons umfassen und aufeinander abstimmen. Sie muss daher, wie bei den Priestern, in ihren verschiedenen Dimensionen - menschliche, spirituelle, intellektuelle und pastorale Bildung - vollständig, systematisch und personbezogen sein. <727> <727> Vgl. Johannes Paul TT., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 71: a.a.O. 783; Kongrega-tion für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester Tota Ecclesia, Nr. 74: a.a.O. 75. 69. Die Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte der menschlichen Weiterbildung der Diakone stellt wie in der Vergangenheit auch heute eine wichtige Aufgabe der Oberhirten dar. Der Diakon, der sich bewusst ist, dass er als Mensch unter Menschen dazu auserwählt wurde, sich in den Dienst zur Rettung aller Menschen zu stellen, muss bereit sein, sich beim Bemühen um Verbesserung seiner menschlichen Qualitäten - wertvoller Instrumente für seinen kirchlichen Dienst -helfen zu lassen und alle jene Seiten seiner Persönlichkeit zu vervollkommnen, die sein Dienstamt wirksamer machen können. Um also seine Berufung zur Heiligkeit und seinen besonderen kirchlichen Auftrag fruchtbringend zu verwirklichen, muss er - den Blick auf den gerichtet, der vollkommener Gott und vollkommener Mensch ist - vor allem an der Übung der natürlichen und übernatürlichen Tugenden arbeiten, die ihn dem Bild Christi ähnlicher und der Achtung seiner Mitbrüder würdiger machen werden. <728> Im besonderen wird er in seinem Dienst und in seinem Alltagsleben Herzensgüte, Geduld, Liebenswürdigkeit, Charakterfestigkeit, Liebe zur Gerechtigkeit, Treue zum gegebenen Wort, Opfergeist, Übereinstimmung mit frei übernommenen Aufgaben, Dienstbereitschaft usw. praktizieren müssen. <728> Ygj m Ignatius von Antiochien: „Die Diakone, die Diener der Geheimnisse Jesu Christi sind, müssen unbedingt allen willkommen sein. Sie sind nicht Diener für Speise und Trank, sondern Diener der Kirche Gottes“ (Epist. ad Trallianos, 2,3: F. X. Funk, a.a.O. I, 244-245). Die Übung dieser Tugenden wird den Diakonen helfen, ausgeglichene Persönlichkeiten zu werden, die mit Reife handeln und Fakten und Umstände zu beurteilen wissen. Ebenso ist es wichtig, dass der Diakon, im Bewusstsein des Vorbildcharakters seines sozialen Verhaltens, über die Wichtigkeit der Dialogfähigkeit, über die Korrektheit der verschiedenen Formen menschlicher Beziehungen, über das kulturelle Unterscheidungsvermögen, über den Wert der Freundschaft, über gute Umgangsformen nachdenkt. <729> <729> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 72: a.a.O. 783; Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester Tota Ecclesia, Nr. 75: a.a.O. 75-76. 70. Die geistliche Weiterbildung ist eng verknüpft mit der diakonischen Spiritualität, die sie nähren und voranbringen soll, und mit dem Dienst, der getragen wird von „einer wirklichen persönlichen Begegnung mit Jesus, von einem vertrauens- 1158 KONGREGATIONEN UND RATE vollen Gespräch mit dem Vater und von einer tiefen Erfahrung des Geistes“. <730> Die Diakone müssen daher von den Oberhirten durch besonderen Beistand dazu ermutigt werden, ihr geistliches Leben verantwortungsvoll zu gestalten, aus dem in Fülle die Liebe entspringt, die ihren Dienst trägt und fruchtbar macht und sie vor der Gefahr bewahrt, bei der Ausübung des Diakonats in Aktivismus oder eine „Bürokraten“-Mentalität zu verfallen. <730> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 72: a.a.O. 785. Im besonderen soll die spirituelle Bildung bei den Diakonen Haltungen entwickeln, die die Verbindung mit der dreifachen Diakonie des Wortes, der Liturgie und der Nächstenliebe erkennen lassen. Die beständige Betrachtung der Heiligen Schrift soll eine Aneignung des ganzen geoffenbarten Wortes begünstigen und so zur Vertrautheit und zum Gebetsdialog mit dem lebendigen Gott führen. Die gründliche Kenntnis der Überlieferung und der liturgischen Bücher soll dem Diakon helfen, immer wieder neu die unerschöpflichen Reichtümer der göttlichen Geheimnisse zu entdecken, um ein würdiger Diener zu sein. Die brüderliche Sorge in der Liebe soll den Diakon dazu anleiten, zum Animator und Koordinator der Initiativen geistlicher und leiblicher Barmherzigkeit, also gleichsam zu einem lebendigen Zeichen der Nächstenliebe der Kirche zu werden. Das alles erfordert eine sorgfältige und realistische Maßnahmen- und Zeitplanung, wobei Improvisationen nach Möglichkeit immer vermieden werden sollen. Außer der Anregung zur geistlichen Begleitung sollen Kurse und eigene Studientagungen über Fragen, die in die große christliche theologisch-spirituelle Tradition gehören, über die großen Zeiten christlicher Spiritualität abgehalten sowie Besuche an spirituell bedeutsamen Stätten veranstaltet werden. Der Diakon, der wenigstens alle zwei Jahre zur Teilnahme an den Geistlichen Übungen verpflichtet ist, <731> soll es dabei nicht versäumen, einen konkreten Lebensplan zu entwerfen, der dann in regelmäßigen Abständen mit seinem geistlichen Begleiter zu überprüfen ist. In diesem Plan dürfen keinesfalls die Zeiten fehlen, die täglich der andächtigen Hingabe an die Eucharistie, der kindlichen Marienfrömmigkeit und den gewohnten asketischen Übungen sowie dem liturgischen Gebet und der privaten Betrachtung gewidmet werden sollen. <731> Vg| pauj vi., Apostol. Schreiben Sacrum Diaconatus Ordinem, VI, 28: a.a.O. 703; CIC, can. 276 § 4. Das Einheit stiftende Zentrum dieses geistlichen Weges ist die Eucharistie. Sie stellt das richtungweisende Kriterium dar, die fortwährende Dimension des ganzen Lebens und Handelns des Diakons, das unverzichtbare Mittel für ein ganz bewusstes Ausdauern, für jegliche echte Erneuerung und für das Erreichen einer ausgeglichenen Gesamtschau des eigenen Lebens. Unter diesem Blickwinkel entdeckt die geistliche Ausbildung des Diakons die Eucharistie stets neu als Fest der Auferstehung in seiner alljährlichen (die Karwoche), allwöchentlichen (der Sonntag) und alltäglichen (die Werktagsmesse) Ausformung. KONGREGATIONEN UND RÄTE 71. Die Einbindung der Diakone in das Geheimnis der Kirche auf Grund ihrer Taufe und der ersten Stufe des Weihesakramentes macht es erforderlich, dass die Weiterbildung in ihnen das Bewusstsein und den Willen stärkt, in einer motivierten, tätigen und reifen Gemeinschaft nicht nur mit den Priestern und mit dem eigenen Bischof, sondern auch mit dem Papst zu leben, der das sichtbare Fundament der Einheit der ganzen Kirche ist. Die Diakone, die diese Formung erhalten haben, sollen sich auch als Animatoren der Gemeinschaft erweisen. Besonders dort, wo Spannungen auftreten, sollen sie es nicht unterlassen, sich zum Besten der Kirche für die Versöhnung einzusetzen. 72. Es gilt, geeignete Initiativen zu organisieren (Studientage, Fortbildungskurse, Besuch von Kursen oder Seminaren an akademischen Institutionen), um das Wissen über den Glauben zu vertiefen. Besonders nützlich wird zu diesem Zweck die Förderung des aufmerksamen, gründlichen und systematischen Studiums des Katechismus der Katholischen Kirche sein. Unbedingt nachzuweisen ist das einwandfreie Wissen über das Weihesakrament, die Eucharistie und die Sakramente, die gewöhnlich den Diakonen anvertraut werden, wie Taufe und Trauung. Notwendig ist auch die Vertiefung von Bereichen oder Themenstellungen aus der Philosophie, der Ekklesiologie, der dogmatischen Theologie, der Heiligen Schrift und dem kanonischen Recht, die für die Erfüllung ihres Dienstes besonders nützlich sind. Solche Tagungen und Begegnungen sollen nicht nur auf den letzten Stand gebrachte Information vermitteln, sondern zum Gebet, zu größerer Gemeinschaft und zu einer immer wirksameren pastoralen Tätigkeit führen - als Antwort auf die dringenden Bedürfnisse der Neu-Evangelisierung. Gemeinsam und unter kompetenter Anleitung sollen auch die Dokumente des Lehramtes gründlich studiert werden, besonders jene, die die Einstellung der Kirche zu den als höchst aktuell empfundenen Lehr- und Moralproblemen zum Ausdruck bringen und dabei immer den Seelsorgedienst im Blick haben. Dadurch soll der Gehorsam gegenüber dem Oberhirten der Kirche und den Diözesanbischöfen zum Ausdruck gebracht und geübt und zugleich die Treue zur Lehre und Disziplin der Kirche in einer neu gefestigten Gemeinschaftsbindung gestärkt werden können. Von höchstem Interesse und großer Aktualität ist ferner das Studium, die Vertiefung und Verbreitung der Soziallehre der Kirche. Die Tatsache, dass ein Großteil der Diakone in bürgerliche Berufe, in Arbeit und Familie eingebunden ist, wird die Erarbeitung wirksamer Mittel für das Kennenlemen und die Umsetzung der christlichen Soziallehre gestatten. Diejenigen, die die Fähigkeiten dazu besitzen, können vom Bischof zur Spezialausbildung in einer theologischen Disziplin bestimmt werden und an päpstlichen oder vom Apostolischen Stuhl anerkannten Hochschulen, die eine im Hinblick auf die Lehre einwandfreie wissenschaftliche Ausbildung gewährleisten, die akademischen Grade erwerben. 1160 KONGREGATIONEN UND RÄTE Endlich soll ihnen das systematische Studium stets am Herzen liegen, nicht nur zur Vervollkommnung ihres theologischen Wissens, sondern auch damit sie ihren Dienst laufend wieder mit Leben erfüllen, indem sie ihn ständig den Bedürfnissen der kirchlichen Gemeinschaft anpassen. 73. Neben der gebotenen Vertiefung der theologischen Wissenschaften ist für eine entsprechende Aneignung der für einen wirksamen Dienst erforderlichen seelsorglichen Methoden <732> zu sorgen. <732> Vgl. CIC, can. 279. Die pastorale Weiterbildung besteht in erster Linie in der ständigen Förderung des Bemühens des Diakons um Vervollkommnung der Wirksamkeit seines Dienstes, nämlich in der Kirche und in der Gesellschaft allen Menschen ohne Unterschied, besonders aber den Schwächsten und Ärmsten, die Liebe und den Dienst Christi zu erweisen. Denn aus der Hirtenliebe Jesu schöpft der Diakon die Kraft und das Vorbild für sein Handeln. Eben diese Liebe treibt den Diakon an und ermutigt ihn, in Zusammenarbeit mit dem Bischof und den Priestern die Sendung, die den gläubigen Laien in der Welt eigen ist, zu fördern. Er muss sich deshalb angestachelt fühlen, „die Lebenssituation der Menschen, zu denen er gesandt ist, immer besser zu verstehen; die geschichtlichen Umstände zu unterscheiden, in die hinein die Anrufe des Geistes ergehen; die passendsten Methoden und die nützlichsten Formen zu finden, um heute sein Dienstamt ausüben zu können“, <733> in loyaler und überzeugter Gemeinschaft mit dem Papst und mit dem eigenen Bischof. <733> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 72: a.a.O. 783. Unter diesen Formen verlangt das heutige Apostolat auch die Gruppenarbeit, die, wenn sie fruchtbringend sein soll, im Einklang mit dem organischen Wesen der kirchlichen Gemeinschaft die Vielfalt und gegenseitige Ergänzung der Gaben und der jeweiligen Funktionen der Priester, der Diakone und aller anderen Gläubigen zu respektieren und zu verteidigen wissen muss. Organisation und Mittel 74. Die Unterschiedlichkeit der in den Teilkirchen herrschenden Situationen macht es schwierig, ein erschöpfendes Bild von der Organisation und den geeigneten Mitteln für eine angemessene Weiterbildung der Diakone zu zeichnen. Es ist notwendig, die Mittel der Ausbildung immer in einem Kontext theologischer und pastoraler Klarheit auszuwählen. Es erscheint daher eher angebracht, nur einige Hinweise allgemeiner Art zu bieten, die sich leicht auf die verschiedenen konkreten Situationen übertragen lassen. 75. Erster Ort der Weiterbildung der Diakone ist der Dienst selbst. Durch seine Ausübung reift der Diakon, indem er seine Berufung zur Heiligkeit immer stärker auf die Erfüllung seiner Verpflichtungen in Gesellschaft und Kirche, besonders der mit seinem Dienstamt verbundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten kon- 1161 KONGREGATIONEN UND RÄTE zentriert. Das Bewusstsein des Dienstcharakters stellt somit das vorrangige Ziel der erteilten spezifischen Weiterbildung dar. 76. Das Programm der Weiterbildung soll auf der Grundlage eines genauen und sorgfältigen, von der zuständigen Autorität festgelegten und überprüften Planes entwickelt werden, der das Merkmal der Einheitlichkeit aufweist, die durch etappenweises Fortschreiten in vollem Einklang mit dem kirchlichen Lehramt erreicht wird. Es ist für alle ein unerlässliches Minimum festzulegen, das nicht mit den Programmen zur Wissensvertiefung verwechselt werden darf. Dieser Plan muss zwei untereinander eng verknüpfte Ausbildungsebenen in Betracht ziehen: die diözesane Ebene, die den Bischof oder seinen Beauftragten als Bezugsperson hat, und die Ebene der Gemeinde, in welcher der Diakon seinen eigenen Dienst ausübt und die den Pfarrer oder einen anderen Priester als Bezugsperson hat. 77. Die erste Berufung des Diakons in eine Gemeinde oder in einen pastoralen Bereich verlangt ein besonnenes Vorgehen. Wenn der Diakon den Verantwortlichen der Gemeinde (Pfarrer, Priester usw.) und diese ihm vorgestellt werden, so fördert das nicht nur das gegenseitige Kennenlemen, sondern wird auch mithelfen, die Zusammenarbeit sogleich auf der Grundlage der Achtung und des respektvollen Dialogs in einem Geist des Glaubens und der Liebe zu gestalten. Seine christliche Gemeinde kann sich auf erfolgreiche Weise als formend erweisen, wenn sich der Diakon mit dem Geist dessen in sie einfügt, der die gesunden Traditionen zu achten versteht, der so zuzuhören, zu unterscheiden, zu dienen und zu lieben weiß, wie es der Herr Jesus tun würde. Die erste pastorale Erfahrung soll von einem beispielhaften verantwortlichen Priester, der vom Bischof damit beauftragt wird, besonders aufmerksam begleitet werden. 78. Für Diakone müssen regelmäßige Treffen auf diözesaner und überdiözesaner Ebene gewährleistet sein, zu deren inhaltlichen Schwerpunkten Liturgie, Spiritualität und eine zeitgemäße Überprüfung gehören. Man wird gut daran tun, unter der Autorität des Bischofs und ohne Vermehrung der Strukturen für regelmäßige Zusammenkünfte zwischen Priestern, Diakonen, Ordensfrauen, Ordensmännem und in der Seelsorge engagierten Laien zu sorgen, sowohl um die Isolation kleiner Gruppen zu überwinden als auch gegenüber den verschiedenen Seelsorgsmodellen die Einheit von Ansichten und Handeln zu garantieren. Der Bischof soll die Diakone, seine Mitarbeiter, fürsorglich begleiten und, soweit es ihm möglich ist, bei den Treffen den Vorsitz führen und, wenn er verhindert ist, sich unbedingt vertreten lassen. 79. Mit Billigung des Bischofs soll ein realistischer und realisierbarer, den derzeitigen Vorschriften entsprechender Plan für die Weiterbildung ausgearbeitet wer- 1162 KONGREGATIONEN UND RÄTE den, der dem Alter und den spezifischen Situationen der Diakone ebenso Rechnung trägt wie den Erfordernissen ihres pastoralen Dienstes. Zu diesem Zweck soll der Bischof eine Gruppe geeigneter Ausbilder einsetzen oder gegebenenfalls die Nachbardiözesen um Zusammenarbeit ersuchen können. 80. Es ist wünschenswert, dass der Bischof ein Koordinierungsorgan der Diakone einrichtet zur Planung, Koordinierung und Überprüfung des diakonischen Dienstes: vom Verständnis der Berufung <734> bis zur Ausbildung und zur Ausübung des Dienstes, einschließlich der Weiterbildung. <734> Vgl. CIC, can. 1029. Angehören sollen diesem Gremium der Bischof und eine entsprechende Anzahl von Diakonen; den Vorsitz hat der Bischof selbst oder ein von ihm delegierter Priester. Das genannte Gremium muss unbedingt die notwendigen Verbindungen zu den übrigen Einrichtungen der Diözese unterhalten. Eigene, vom Bischof erlassene Normen sollen alles regeln, was Leben und Arbeitsweise dieser Einrichtung betrifft. 81. Für verheiratete Diakone sind, zusätzlich zu den übrigen, noch Initiativen und Aktivitäten zur Weiterbildung zu planen, die, je nach Bedarf, auch die Ehefrauen und die ganze Familie mit einbeziehen, wobei der wesentliche Rollenunterschied und die klare Unabhänigkeit des Dienstes immer berücksichtigt werden müssen. 82. Die Diakone sollen auch alle jene Initiativen auswerten, die gewöhnlich die Bischofskonferenzen oder die Diözesen für die Weiterbildung des Klerus fördern: Einkehrtage, Vorträge, Studientage, Kongresse, theologisch-pastorale Fortbildungskurse. Ebenso sollen sie trachten, jene Initiativen nicht zu versäumen, die vornehmlich ihren Dienst der Evangelisierung, der Liturgie und der Nächstenliebe betreffen. Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. hat am 22. Februar 1998 das vorliegende Direktorium approbiert und seine Veröffentlichung angeordnet. Rom, aus dem Gebäude der Kongregationen, am 22. Februar, dem Fest der Kathedra Petri, im Jahre 1998. Dario Kard. Castrillön Hoyos Präfekt + Csaba Ternyäk Titular-Erzbischof von Eminenziana Sekretär 1163 KONGREGATIONEN UND RÄTE Gebet zur Allerseligsten Jungfrau Maria MARIA, Lehrerin des Glaubens, die Du durch Deinen Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes auf erhabene Weise an dem Werk der Erlösung teilgenommen hast, gib, dass der Dienst der Diakone fruchtbar sei, indem Du sie lehrst, glaubend das Wort zu hören und zu verkünden. MARIA, Lehrerin der Nächstenliebe, die Du durch Deine völlige Verfügbarkeit gegenüber der Stimme Gottes, an der Geburt der Gläubigen in der Kirche mitgewirkt hast, gib, dass der Dienst und das Leben der Diakone fruchtbar seien, indem Du sie lehrst sich selbst dem Volk Gottes hinzugeben. MARIA, Lehrerin des Gebetes, die Du durch Deine mütterliche Fürsprache die neugeborene Kirche gehalten und unterstützt hast, gib, dass die Diakone immer aufmerksam auf die Nöte der Gläubigen seien, indem Du sie lehrst, den Wert des Gebetes zu entdecken. MARIA, Lehrerin der Demut, die Du durch Dein tiefes Bewusstsein, Dienerin des Herrn zu sein, mit dem Heiligen Geist erfüllt wurdest, gib, dass die Diakone bereitwillige Werkzeuge der Erlösung Christi seien, indem Du ihnen zeigst, wie erhaben es ist, sich selbst klein zu machen. MARIA, Lehrerin des verborgenen Dienstes, die Du durch Dein alltägliches Leben voller Liebe auf beispielhafte Weise den Heilsplan Gottes zu unterstützen wusstest, gib, dass die Diakone liebenswürdig und treu seien, indem Du sie die Freude einer brennenden Liebe im Dienst an der Kirche finden lehrst. Amen. 1164 KONGREGATIONEN UND RÄTE Erklärung zum Geburtenrückgang in der Welt Päpstlicher Rat für die Familie vom 27. Februar Die Wahrheit über die demographischen Entwicklungen in den verschiedenen Ländern der Erde ist nicht mehr zu bestreiten. Es wird immer offensichtlicher und allgemein anerkannt, dass die Welt sich in einer Phase bedeutender Verlangsamung des BevölkerungsWachstums befindet, deren Beginn um das Jahr 1968 anzusiedeln ist. In 51 Ländern ist die Geburtenrate schon unter die Schwelle des Generationenersatzes gesunken. Etwa fünfzehn dieser Länder verzeichnen darüber hinaus höhere Sterbe- als Geburtenzahlen. Diese Tatsachen müssen dringend allen zur Kenntnis gebracht werden. Man muss unverzüglich Maßnahmen wahrer Solidarität ergreifen, die entschieden auf die Zukunft ausgerichtet sind und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte achten, deren 50jähriges Jubiläum wir dieses Jahr begehen. Dem ihm übertragenen Mandat gemäß verfolgt der Päpstliche Rat für die Familie die Bevölkerungsentwicklung der verschiedenen Länder der Erde aus nächster Nähe <735>. Zu diesem Zweck hat der Rat schon mehrere Zusammenkünfte für Experten von internationalem Rang einberufen. Verschiedene Versammlungen haben eine detailliertere Untersuchung der Zustände in diesem oder jenem Kontinent ermöglicht. So wurde zum Beispiel die Lage in Amerika bei einem Kongress in Mexiko <736> untersucht (21.-23. April 1993). Die Situation in Asien und Ozeanien wurde im Laufe eines Kolloquiums in Taipeh <737> erörtert (18. bis 20. September 1995), und die verschiedenen Formen der demographischen Entwicklung in den europäischen Ländern wurden in Rom <738> untersucht (17.-19. Oktober 1996). Der Päpstliche Rat für die Familie bereitet gegenwärtig eine der Lage in den afrikanischen Staaten gewidmete Versammlung vor. <735> Päpstlicher Rat für die Familie, Evolutions demographiques. Dimensions Ethiques et Pastorales, Vatikanstadt, Libreria Editrice Vaticana, 1994, ISBN 88-209-1991-5. <736> Cuestiones Demogräficas en America Latina en perspectiva del aiio intemacional de lafamilia 1994, Mexico, Abril de 1993, Ediciones Provive, ISBN 980-6256-04-2. <737> International Conference on Demography and the Family in Asia and Oceania, Taipei, Taiwan, 18.-20. September 1995, The Franciscan Gabriel Printing Co. Ltd., December 1996, ISBN 957-98831-1-4. ^ Familia et Vita, Jahrgang II, Nr. 1, 1997, S. 3-137. Zur gleichen Zeit beobachtet der Päpstliche Rat für die Familie die Arbeiten der Forschungszentren, die sich mit demographischen Fragen befassen, mit Aufmerksamkeit und Interesse. Unter diesen Zentren ist vor allem die Abteilung für Bevölkerung des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen zu nennen. Vom 4. bis 6. November 1997 hat diese hochrangige Einrichtung vierzehn international bekannte Experten zusammengerufen, um über die gegenwärtige Bedeutung des Fertilitätsrückgangs auf globaler Ebene, über seine Ursachen und Folgen zu diskutieren. Diese Experten konnten nur das bestätigen, was alle demographischen Daten schon seit mehreren Jahren anzeigen: und zwar dass der Rückgang der Fruchtbarkeit, der schon seit zwanzig Jahren in der Mehrzahl der Industrieländer -Nord- und Westeuropa, Kanada, Vereinigte Staaten, Japan, Australien, Neuseeland - zu beobachten ist, sich inzwischen auf eine wachsende Anzahl von Ent- 1165 KONGREGATIONEN UND RÄTE wicklungsländem in Süd- und Osteuropa, in Asien und der Karibik ausgedehnt hat, was wiederum zu einem Abfall der Fertilitätsrate („total fertility rate“ oder TFR) unter die Schwelle des „Generationenersatzes“ geführt hat, und dies in 51 Staaten der Erde, wo 44% der Weltbevölkerung leben. Einer der Experten bemerkte zum Thema dieser beständigen Abnahme seit 1975 in den Ländern, die schon damals schwache Geburtenziffern aufwiesen: „Wenn der Umschwung der Fruchtbarkeit einmal begonnen hat, setzt sich sein steter Niedergang unweigerlich fort.“ <739> <740> <741> <739> „Once the fertility transition begins, further declines follow invariably.“ Aminur Khan, Fertility Trends among Low Fertility Countries, Expert Group Meeting on Below-Replacement Fertility, Population Division, Department of Economic and Social Affairs, United Nations Secretariat, UN/POP/BRF/BP/1997/1, S. 11. Eine pauschale und irrige Auffassung Seit allzu langer Zeit verbreiten die meisten Abhandlungen über die Bevölkerungsentwicklung eine pauschale und falsche Auffassung, wonach die Welt in einer beachtlichen, ja sogar „galoppierenden“ Spirale der Bevölkerungszunahme gefangen wäre, die zu einer „Bevölkerungsexplosion“ führe. Der Päpstliche Rat für die Familie, der in einer seiner Veröffentlichungen <742> die Grundlosigkeit dieser „allgemeinen Auffassung“ dargelegt hatte, freut sich, feststellen zu können, dass sogar innerhalb einiger Organisationen der Vereinten Nationen die wahren Tatsachen über Bevölkerungsentwicklung langsam anerkannt werden. Seit etwa dreißig Jahren riefen nämlich die von diesen Organisationen veranstalteten Konferenzen unbegründete Befürchtungen hinsichtlich demographischer Fragen hervor, vor allem in den südlichen Ländern. Auf dieser alarmierend beunruhigenden Grundlage haben verschiedene Einrichtungen der Vereinten Nationen - sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart - bedeutende finanzielle Mittel investiert mit dem Ziel, zahlreiche Länder zur Durchsetzung einer Politik der Bevölkerungsdrosselung zu zwingen. Es ist erwiesen, dass diese Programme, die immer von außen kontrolliert werden, normalerweise Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle mit sich bringen. Auch die Entwicklungshilfe wird regelmäßig der Durchführung von Programmen zur Kontrolle der Bevölkerungszunahme unterworfen, einschließlich Zwangssterilisierung oder Sterilisierung ohne das Wissen der Betroffenen. Diese malthusianistischen Maßnahmen werden überdies von den nationalen Regierungen durchgeführt und durch den Beitrag der Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) erweitert, deren bekannteste wohl der Internationale Verband für Familienplanung (IPPF) ist. <742> Vgl. Anm. 1. In den armen Ländern sind die ersten Opfer dieser Programme die unschuldigen und schutzlosen Bevölkerungsschichten. Man täuscht sie absichtlich, indem man sie zur Einwilligung in ihre Verstümmelung drängt unter dem lügnerischen Vorwand, dass das - für sie - die Voraussetzung für ihren Fortschritt ist. 1166 KONGREGATIONEN UND RÄTE Überalterung der Bevölkerung und Bevölkerungsabnahme Diese katastrophale Politik steht in vollkommenem Gegensatz zu den tatsächlichen demographischen Entwicklungen, wie sie aus den Statistiken und aus der Auswertung der verfügbaren Daten hervorgehen. Seit dreißig Jahren geht die Zuwachsrate der Weltbevölkerung in gleichmäßigem und bedeutendem Rhythmus zurück. Von 185 Ländern der Erde haben 51 in den vergangenen Jahren einen beeindruckenden Niedergang ihrer Fruchtbarkeit verzeichnet, und inzwischen reichen ihre Geburtenziffern nicht mehr aus, um die Sterbeziffern auszugleichen. Es sei darauf hingewiesen, dass in diesen 51 Ländern 44 % der Weltbevölkerung leben. Anders ausgedrückt: Die Fruchtbarkeitsrate dieser Länder, das heißt die Zahl der Kinder pro Frau, liegt unter 2,1. Man weiß, dass das notwendige minimale Niveau zur Emeuemng der Generationen in den über gute Gesundheitsbedingungen verfügenden Ländern bei diesem Wert liegt. Diese Situation findet man in fast allen Erdteilen. So haben folgende Länder eine Fruchtbarkeitsrate, die unter der Schwelle des Generationenersatzes liegt: in Amerika: die Vereinigten Staaten, Kanada, Kuba und die Mehrzahl der karibischen Inseln; in Asien: Georgien, Thailand, China, Japan und Südkorea; in Ozeanien: Australien, ferner fast alle der vierzig Länder Europas. In diesem letztgenannten Kontinent führt die Verschärfung der Auswirkungen des Alterns inzwischen zur Entvölkerung, mit einer Sterbeziffer, die höher ist als die Geburtenzahl. Diese negative Bilanz ist in dreizehn Ländern schon Tatsache geworden, so zum Beispiel in Estland, Lettland, Deutschland, Weißrussland, Bulgarien, Ungarn, Russland, Spanien und Italien. Über die Bevölkerungsüberalterung hinaus, die er nach sich zieht, stellt dieser Rückgang der Fruchtbarkeit in vielen Gegenden noch eine besonders beängstigende Frage, nämlich die der Bevölkerungsabnahme - mit allen negativen Auswirkungen, die unweigerlich damit einhergehen. Die Aussicht, die sich ergibt, ist eine Zunahme der Länder mit einer Fruchtbarkeitsrate unterhalb der Schwelle des Generationenersatzes. Ebenso steht fest, dass die Zahl der Länder mit höheren Sterbe- als Geburtenziffern zunehmen wird. Die Wahrnehmung dieser Tatsachen, die den aufmerksamen Bevölkerungsforschem schon lange bekannt sind, ist bei den Medien, in der öffentlichen Meinung und bei den Entscheidungsträgem noch fast unbekannt. Sie wurde bei den internationalen Konferenzen praktisch mit Stillschweigen übergangen, wie z. B. anlässlich der Konferenz von Kairo 1994 oder der von Peking 1995 festzustellen war. Vielfältige Ursachen Die Ursachen dieser noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungenen Situation sind sicherlich vielfältig. J. CI. Chesnais vom „Institut National dTitudes Demographi- 1167 KONGREGATIONEN UND RÄTE ques“ (Paris) hat sie bei der obengenannten Expertenkonferenz bereits im Detail analysiert <743>. J.C1. Chesnais, Detenninants of Below-Replacement Fertility, Expert Group Meeting on Below-Replacement Fertility, Population Division, Department of Economic and Social Affairs, United Nations Secretariat, New York, 4.-6. November 1997. UN/POP/BRF/ BP/1997/2/, S. 3-17. Einige davon sind auf jeden Fall recht einfach auszumachen. In einer absolut nicht „ehe-fördemden“ Umgebung hat die Zahl der Eheschließungen stark nachgelassen. Dies bedeutet, dass die Leute seltener heiraten als früher. Das Durchschnittsalter bei der Mutterschaft hat bedeutend zugenommen und steigt noch weiter. Die Gesetze der Arbeitswelt fördern keineswegs den Wunsch der Frauen, Familienleben und Berufstätigkeit harmonisch zu vereinen. Der Mangel an einer wahren Familienpolitik, und zwar gerade in den Ländern, die direkt von einem merklichen Bevölkerungsrückgang betroffen sind, führt dazu, dass die Familien nicht so viele Kinder haben können, wie sie eigentlich möchten: Man schätzt den Unterschied zwischen der Kinderzahl, die die europäischen Frauen wünschen, und der Zahl, die sie effektiv haben, auf etwa 0,6 Kind pro Frau <744>. J.C1. Chesnais, a.a.O., S. 12. J.C1. Chesnais beschließt seinen Bericht über die Ursachen des Fertilitätsrückgangs mit der Einführung eines neuen Faktors in den demographischen Bereich. Dieser Faktor war bisher von den Bevölkerungswissenschaftlem vollständig vernachlässigt worden: Es handelt sich um das von der Bevölkerung gelebte Verhältnis zwischen Pessimismus und Hoffnung. Nach Meinung dieses Autors kann ein Wiederansteigen der Fertilität in den Ländern mit Bevölkerungsrückgang nur dann erwartet werden, wenn es vorher zu einem „Stimmungsumschwung“ in diesen Ländern kommt, d. h. zum Übergang vom gegenwärtigen Pessimismus zu einer inneren Einstellung, die mit der des „Baby-boom“-Zeitalters beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen ist <745>. „In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts haben wir den Untergang des Puritanismus und den Sieg des Materialismus (Hedonismus, Konsumkult, amerikanischer Lebensstil) erlebt. Das kommende Jahrhundert könnte die Grenzen dieses Modells aufzeigen ... Die triviale Interpretation des ,Baby-boom’ als Reaktion auf den wirtschaftlichen Aufschwung ist nicht haltbar. Die entscheidende Änderung war eine Veränderung der Geisteshaltung: von der Trauer zur Hoffnung. Wie ist die Umkehrung einer solchen Geschichtsentwicklung ohne einen großen Schock denkbar?“ J.C1. Chesnais, a.a.O., S. 13-14. Neben diesen Ursachen, die mit den Lebensbedingungen und gewissen sozio-kul-turellen Anpassungen in den Industrieländern Zusammenhängen, gibt es weitere Faktoren, die den Bevölkerungsrückgang unmittelbar mit dem Willen des Menschen, also seiner Verantwortung, verbinden. Es handelt sich um die Maßnahmen und die Politik der freiwilligen Geburtenbeschränkung. Die Verbreitung der chemischen Empfängnisverhütungsmethoden, und oft auch die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, wurden zur selben Zeit entschieden, als die Maßnahmen zur Förderung der Aufnahme des Lebens schwächer wurden. Seit einigen Jahren ist zu den vorgenannten Ursachen die Massensterilisierung hinzugekommen, von der schon vorher die Rede war. Wir erinnern uns an die flä- 1168 KONGREGATIONEN UND RÄTE chendeckenden Kampagnen zur Sterilisierung von Männern und Frauen, die 1954 und 1976 in Indien durchgeführt wurden mit allen davon hervorgerufenen Skandalen, die schließlich zum Umsturz der Regierung von Frau Gandhi führten <746>. In Brasilien sind von allen Frauen, die eine Methode zur Geburtenkontrolle verwenden, etwa 40% sterilisiert. <746> Die Zustimmung der Personen zu dem chirurgischen Eingriff, der unter Mißachtung jeglicher Hygienevor-Schriften durchgeführt wurde, erhielt man im Tausch gegen Lebensmittel. Die Zahl dieser „freiwilligen“ Sterilisierungen nahm im Jahr nach dem Umsturz der Regierung von Frau Gandhi um 90% ab. J.H. Leavesley, Update on sterilization, Family Planning Information Service, Bd. 1, Nr. 5, 1980. Gerade in diesen Tagen haben uns die Medien Informationen über die Sterilisie-rungskampagne geliefert, die letztes Jahr in Peru unter Kontrolle des Gesundheitsministeriums rücksichtslos durchgesetzt wurde und auf der ganzen Welt eine Welle der Empörung auslöste <747>. Man spricht nicht nur von dem „Druck“, den die Gesundheitsbeamten <748> auf die Frauen ausübten, um diese - die größtenteils weder Lesen noch Schreiben können und nur wenig oder gar nichts über die wirkliche Tragweite ihrer „Operation“ <749> wissen - dazuzubringen, sich sterilisieren zu lassen, sondern es wird auch zugegeben, dass diese Unternehmung mehrere Menschenleben gekostet hat. Die katholische Kirche, vertreten durch ihre Bischöfe, hat Klärungen zur Sache gefordert <750>. Sie steht damit nicht allein: Eine große Gruppe Abgeordneter hat verlangt, dass der Peruanische Kongress die (über 100.000) durchgeführten Sterilisierungen untersucht, um festzustellen, unter welchen sanitären und moralischen Bedingungen diese Eingriffe vorgenommen wurden. Diese Ab- <747> Wie in der Zeitung Le Monde nachzulesen ist, waren die Vorwürfe gegen die Geburtenpolitik in Peru nicht neu, „da sie aber - bis heute - von der katholischen Kirche ausgingen, wurde die öffentliche Meinung davon nicht angesteckt, da sie der traditionellen Opposition der Kirche gegen Schwangerschaftsverhütung zugeschrieben wurden. Heute allerdings geht der Protest vom dritten Nationalkongreß der Bauern- und Eingeborenenfrauen aus und wird von der Bauemgewerkschaft, den allgemeinen Frauenverbänden, den Feministinnen und den Oppositionspolitikem wiederaufgenommen“. N. Bonnet, La Campagne de Sterilisation au Perou provoque de nombreuses critiques. L’existence de pressions exercees sur les femmes a ete denoncee par un journal et plusieures organisations et reconnue par le viceministre de la sante, Le Monde, 2. Januar 1998, S. 3. <748> Der amerikanische Experte Richard Clinton meint dazu: „Die Kliniken müssen ihre monatlichen Sollzahlen einhalten.“ Daraus ergab sich, dass gegen Monatsende die Beamten des Gesundheitsministeriums - aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren - die Quechuafrauen dazu drängten, in der Klinik vorbeizukommen, „um ihr Baby impfen zu lassen und um sich einem kleinen, kostenlosen und schmerzlosen Eingriff zu unterziehen“. N. Bonnet, a.a.O. Die Zeitung El Comercio entschloß sich, der Sache auf den Grund zu gehen, und sie hat in den ärmsten Gegenden des Landes eine weitreichende Untersuchung über diese Sterilisierungen angestrengt. Die dort gesammelten Zeugenaussagen bestätigten, dass sich die Frauen im Tausch gegen Lebensmittel und Pflege für ihre kleinsten Kinder einer Tubenligatur unterzogen. Die Zeitung erklärt, dass der Staat die Kosten für den chirurgischen Eingriff übernimmt; wenn die Operation allerdings mißlingt, lehnt der Staat jede Verantwortung für Komplikationen und Sterbefälle ab. N. Bonnet, a.a.O. 1^ Joaqurn Dfez Esteban, La campana de control de la natalidad se cobra cinco victimas, Palabra, 1.2.1998, S. 22. 1169 KONGREGATIONEN UND RÄTE geordneten fordern, dass der ganzen Wahrheit über die Verletzung der Menschenrechte während dieser Regierungskampagne auf den Grund gegangen werde <751>. <751> Ebd. Wir steuern auf ernsthafte Ungleichheiten zu Aus diesen kurz skizzierten Hauptursachen ergeben sich äußerst besorgniserregende Folgen. Der Anteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung nimmt rapide ab. Daraus folgt eine Umkehrung der Alterspyramide mit wenigen jungen Erwachsenen, die die Produktivität des Landes sicherstellen und die Last einer großen Gruppe von alten, nicht mehr erwerbstätigen Menschen aushalten müssen, die immer mehr Pflege und medizinische Mittel benötigen. Sogar innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung kommt es zu schweren Ungleichheiten zwischen den erwerbstätigen Jugendlichen und den weniger jungen Erwerbstätigen, die versuchen, ihre Arbeitsplätze zu sichern - zum Schaden der jüngeren Generation, die in einen beschränkten Arbeitsmarkt eintritt. Auch darf man nicht die Auswirkungen einer überalterten Bevölkerung auf das Erziehungssystem vergessen. In der Tat ist die Versuchung groß, die Mittel, die normalerweise für die Ausbildung der neuen Generationen aufgewendet werden, zu kürzen, um die mit der Überalterung einhergehende finanzielle Last tragen zu können. Diese Schwächung des Erziehungssystems führt wiederum zu einem beträchtlichen Risiko: zum Verlust des kollektiven Geschichtsbewusstseins. Die Weitergabe der kulturellen, wissenschaftlichen, technischen, künstlerischen, sittlichen und religiösen Kenntnisse wird dadurch stark vorbelastet. Wir möchten außerdem darauf hinweisen, dass - im Gegensatz zu dem, was allgemein verbreitet wird - auch das Problem der Arbeitslosigkeit von der Bevölkerungsabnahme verschärft wird. Die Forscher unterstreichen auch einige weitere Aspekte dieser Entwicklung: so zum Beispiel dass die Zunahme des durchschnittlichen Alters der Bevölkerung sich logischerweise auch im psychologischen Profil der betroffenen Gesellschaft niederschlägt: „Missmut“, Mangel an intellektueller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und sozialer Energie und Mangel an Kreativität, unter denen einige „überalterte“ Nationen schon jetzt zu leiden scheinen, wären demnach nichts anderes als ein Ausdruck der Struktur ihrer Alterspyramide. Zur gleichen Zeit nimmt der Prozentsatz der alten Menschen zu, die direkt zu Lasten der Gesellschaft gehen, während zugleich die produktive Basis dieser Gesellschaft, die Quelle der öffentlichen Einkünfte, kleiner wird. Um also die Funktionsfähigkeit der Wohlfahrtssysteme (Versicherungen, Renten, Pflege usw.) sicherzustellen, ist die Versuchung, auf Euthanasie zurückzugreifen, groß. Bekanntlich wird sie in manchen europäischen Ländern schon praktiziert. 1170 KONGREGATIONEN UND RÄTE Unter den sichtbarsten Auswirkungen der Fruchtbarkeitsabnahme sind außerdem die krassen Missverhältnisse zu nennen, die schon jetzt zwischen Bevölkerungen mit sehr unterschiedlichen Altersstrukturen vorherzusehen sind. Wenn man zum Beispiel die Alterspyramiden von Ländern wie Frankreich, Spanien und Italien einerseits mit denen Algeriens, Marokkos oder der Türkei andererseits vergleicht, ist man von ihrer Gegensätzlichkeit und von den Schwierigkeiten beeindruckt, die diese Situation nach sich zieht. Einige unserer gegenwärtigen Probleme, z. B. die Unmöglichkeit für die reichen Länder, den Strom illegaler Einwanderer aus den ärmeren Ländern effektiv zu drosseln, geben uns nur eine Vorahnung dieser zukünftigen Schwierigkeiten. Es ist dringend notwendig, die öffentliche Meinung und die Entscheidungsträger umfassend über diese Entwicklungen aufzuklären. Nicht weniger dringend notwendig ist es, die Fehlinformationen zu beseitigen, die so oft in Darstellungen angeführt werden, die eigentlich nur rein ideologische Sophismen verbergen - ganz zu schweigen von statistischen Fälschungen. Wie in allen anderen Bereichen des Wissens, so behaupten sich auch im Bereich der Bevölkerungswissenschaft beharrlich die Tatsachen, und die Wahrheit kann nicht ewig verschleiert werden. Man darf mit Freude feststellen, dass diese Wahrheit immer mehr ans Licht kommt, denn die Vereinten Nationen haben nicht gezögert, durch die Abteilung für Bevölkerung die oben erwähnte Expertengruppe einzuberufen, um über die Frage der „Fertilität unterhalb der Schwelle des Generationenersatzes“ („Below Replacement Fertility“) zu diskutieren. Nichts steht einer Ausmerzung der Fehler und Lügen entgegen, derer man sich allzu oft bedient, um politische und andere Programme zu „rechtfertigen“, die mit der Achtung der grundlegenden Menschenrechte völlig unvereinbar sind. Den Menschen und seine Rechte feiern In diesem Zusammenhang trägt der fünfzigste lahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dazu bei, die Erinnerung der menschlichen Gemeinschaft aufzufrischen. Diese Rechte zu feiern bedeutet, den Menschen zu feiern. Es handelt sich dabei für diese Gemeinschaft um eine vorzügliche Gelegenheit zur Verwirklichung der Achtung jener wesentlichen Werte, die sie gebilligt und auf die sie ihre Zukunft aufzubauen sich verpflichtet hat. Diese Werte müssen jeglicher Anfechtung von seiten der Staaten, der internationalen Organisationen, der privaten Gruppen oder der Einzelpersonen entzogen werden. Sie heißen: Recht auf Leben, Recht auf physische und psychische Unversehrtheit, gleiche Würde aller Menschen (vgl. Artikel 1). Das Jahr 1998 bietet also allen Menschen und allen Nationen die Gelegenheit, ihre rückhaltlose und enthusiastische Zustimmung zum Wortlaut und Geist der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 zu bekräftigen. In dieser Hinsicht ist eine große Wachsamkeit erforderlich. Die Treue zu dieser Erklärung beinhaltet die Ausschließung aller Machenschaften, die - unter dem 1171 KONGREGATIONEN UND RÄTE Deckmantel sogenannter „neuer Rechte“ - darauf abzielen, Abtreibung zu ermöglichen (vgl. Artikel 3), die physische Unversehrtheit zu verletzen (vgl. ebd.) und die heterosexuelle und monogame Familie zu zerstören (vgl. Artikel 16). Gegenwärtig werden gerade heimtückische Maßnahmen in diesem Sinne unternommen. Sie haben eine unheilvolle Zielsetzung: den Menschen gewisser Grundrechte zu berauben und die Schwächsten neuen Formen der Unterdrückung zu unterwerfen (vgl. Artikel 4 und 5). Die Lügen, von denen sich diese Versuche nähren, münden unvermeidlich in Gewalt und Barbarei und führen die „Kultur des Todes“ herbei <752>. Papst Johannes Paul II. hat erklärt: „Die Menschenrechte stehen höher als jede verfassungsmäßige Ordnung.“ Diese Rechte sind jedem Menschen eigen. Sie gehen in keiner Weise aus übereinstimmend getroffenen Entscheidungen hervor, die jederzeit neu ausgehandelt werden können - je nach den existierenden Machtverhältnissen oder den bestehenden Interessen. Das Vorhandensein dieser im Jahr 1948 anerkannten und feierlich verkündeten Rechte ist in keiner Weise von den mehr oder weniger glücklichen Formulierungen abhängig, die man in den Verfassungen und Gesetzen findet (vgl. Artikel 2,2). Jede Verfassung und jedes Gesetz, das nach einer Beschränkung der Tragweite dieser verbrieften Rechte oder nach einer Verfälschung ihrer Bedeutung trachtet, sollte sofort als diskriminierend und - wie es die Präambel der Erklärung nahe legt - als „Totalitarismus-verdächtig“ angezeigt werden. Auf dieser gemeinsamen Basis der Werte, die zum Preis so vieler Tränen verteidigt wurden, kann sich das Nationengeflecht regenerieren und eine weltumspannende Stadt aufgebaut werden, die für die „Kultur des Lebens“ offen ist. Dieses ehrgeizige Projekt liegt nicht außerhalb der Reichweite, aber die Solidarität zwischen den Völkern, die gleichzeitig Nahrung und Frucht davon ist, setzt eine neue Bestätigung der Solidarität zwischen den Generationen voraus. Infolgedessen lädt der Päpstliche Rat für die Familie alle Menschen guten Willens und besonders die christlichen Organisationen ein, die objektiven Tatsachen der Bevölkerungsentwicklung bekannt zu machen. Der Rat fordert sie auf, alle Maßnahmen zur Geburtenbeschränkung, die vollkommen ungerechtfertigt sind und im übrigen den Menschenrechten völlig widersprechen, mutig zu verurteilen. <752> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, Nr. 39. Rom, 27. Februar 1998 1172 KONGREGATIONEN UND RATE Die Pilgerfahrt zum großen Jubiläum Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs vom 25. April Einführung 1. „Wir sind Fremdlinge vor dir und Pilger wie unsere Väter.“ <753> Die Worte des Königs David vor dem Herrn beschreiben das Profil nicht nur des biblischen Menschen, sondern jedes menschlichen Wesens. Der „Weg“ ist in der Tat ein Symbol der Existenz, welches sich in einem weiten Spektrum von Handlungen ausdrückt, wie Weggang und Rückkehr, Eingang und Ausgang, Abstieg und Aufstieg, Gehen und Anhalten. Seit seinem ersten Erscheinen auf der Bühne der Welt ist der Mensch stets in Bewegung, um neue Ziele zu suchen, den irdischen Horizont zu erforschen und sich hin zum Unendlichen zu wenden: Er befährt Flüsse und Meere, besteigt die heiligen Berge, auf deren Gipfel die Erde den Himmel zu treffen scheint, er geht durch die Zeit und bezeichnet sie mit heiligen Geschehen, er empfindet die Geburt wie einen Eintritt in die Welt und den Tod wie ein Weggehen, um in den Schoß der Erde einzugehen oder in die himmlischen Gefilde aufgenommen zu werden. Vgl. 1 Chr 29,15. 2. Die Pilgerschaft, ein Zeichen der Jünger Christi in dieser Welt, <754> hat immer einen wichtigen Platz im Leben des Christen eingenommen. Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution, Lumen Gentium, Nr. 49. Im Laufe der Geschichte hat der Christ sich auf den Weg gemacht, um seinen Glauben an den Orten zu feiern, die auf das Gedächtnis des Herrn hinweisen oder wichtige Zeitpunkte in der Geschichte der Kirche darstellen. Er hat sich zu den Wallfahrtsorten begeben, die in besonderer Weise die Mutter Gottes ehren, und an die Orte, die das Beispiel der Heiligen lebendig halten. Sein Pilgern war ein Voranschreiten auf dem Weg der Bekehrung, eine Sehnsucht nach der innigen Vereinigung mit Gott und ein vertrauensvolles Vortragen seiner materiellen Bedürfnisse. In all ihren vielseitigen Aspekten ist die Wallfahrt für die Kirche immer eine außerordentliche Gnadengabe gewesen. In der heutigen Gesellschaft, die von einer intensiven Mobilität charakterisiert ist, erfährt die Wallfahrt einen neuen Impuls. Um eine geeignete Antwort für diese Realität vorzuschlagen, muss die Pilgerseelsorge über eine klare theologische Basis verfügen, die sie rechtfertigt und sie im Rahmen der allgemeinen Seelsorge eine solide und dauernde Praxis entwickeln lässt. Man muss vor allen Dingen bedenken, dass die Evangelisierung der eigentliche Grund ist. Darum befürwortet die 1 2 KONGREGATIONEN UND RÄTE Kirche die Wallfahrt und ermutigt dazu, aus ihr eine tiefe und reife Glaubenserfahrung werden zu lassen. <755> <755> Vgl. Nationalbüro für die Seelsorge im Tourismus, Freizeit und Sport der italienischen Bischofskonferenz, Pastorale del Pellegrinaggio, 1996, S. 44. 3. Die Überlegungen dieses Dokumentes wollen allen Pilgern und Verantwortlichen für die Pilgerseelsorge eine Hilfe anbieten, damit alle im Lichte des Wortes Gottes und der jahrhundertelangen Tradition der Kirche in vollerem Maße aus dem geistlichen Reichtum einer Pilgerfahrt schöpfen können. Der Pilgerweg Israels 4. Nach der Lehre der Heiligen Schrift kann man von den Ursprüngen her und später durch die Jahrtausende hindurch einen Pilgerweg im Geiste Adams erkennen: Er beginnt mit dem Hervorgehen aus den Händen des Schöpfers, dem Eintreten in die Schöpfung und dem dann folgenden, vom Garten Eden weit entfernt, ziellosen Umherlaufen. <756> Der Pilgerweg Adams - angefangen vom Ruf, mit Gott zu wandeln, bis zum Ungehorsam und der Hoffnung auf eine Rettung - macht die volle Freiheit offenbar, mit der sein Schöpfer ihn ausgestattet hat. Gleichzeitig lässt er das göttliche Versprechen erkennen, ihm immer zur Seite zu stehen und über seine Schritte zu wachen. <756> Vgl. Gen 3,23-24. Auf den ersten Blick mag der Pilgerweg Adams als eine Abweichung vom Weg auf das Ziel hin, zum heiligen Ort, dem Garten des Paradieses, erscheinen. Aber auch dieser Weg kann sich in einen Weg der Bekehrung und des Zurückkommens wandeln. Über dem umherziehenden Kain wacht die liebevolle Nähe Gottes, die ihm nachgeht und ihn beschützt. <757> Im Psalm 56,9 heißt es: „Mein Elend ist aufgezeichnet bei dir. Sammle meine Tränen in einem Krug, zeichne sie auf in deinem Buch!“ Da ist der Vater, der dem Weg der Verlassenheit des verlorenen Sohnes in Sünde mit überreicher Liebe folgt. Und eben durch diese göttliche Anziehung kann sich jeder falsche Weg für jeden Menschen in einen Weg der Rückkehr und der Umarmung <758> wandeln. Es gibt also eine universale Geschichte des Pilgerweges, der eine dunkle Strecke umfasst, „den Weg der Dunkelheit“, <759> den krummen Pfad. <760> Aber zu ihm gehört auch das Zurückkehren-Umkehren auf den Weg des Lebens, <761> der Gerechtigkeit und des Friedens, <762> der Wahrheit und der Treue, <763> der Vollkommenheit und der Lauterkeit. <764> <757> Vgl. ebd., 4,15. <758> Vgl. Ul 5,11-32. <759> Vgl. Spr 2,13; 4,19. <760> Vgl. ebd., 2,15; 10,9; 21,8. <761> Vgl. ebd., 2,19; 5,6; 6,23; 15,24. <762> Vgl. ebd., 8,20; 12,18; Bar 3,13; Jes 59,8. <763> Vgl. Ps 119,30; Tob 1,3. <764> Vgl. Ps 101,2. 1174 KONGREGATIONEN UND RÄTE 5. Der abrahamitische Pilgerweg hingegen ist ein Beispiel der Heilsgeschichte selbst, dem der Gläubige folgt. In der Redewendung, die zu seiner Beschreibung benutzt wird („zieh weg aus deinem Land“), in den Abschnitten seiner Wanderschaft und in den Beziehungen, die er durchlebt, wird deutlich, dass seine Wanderschaft bereits Exodus des Heils, ideelle Vorwegnahme des Exodus des ganzen Volkes ist. Abraham verlässt sein Land, seine Heimat und sein Vaterhaus <765> <766> <767> und macht sich im Vertrauen auf zu einem Horizont hin, den der Herr ihm gezeigt hat, wie es im Brief an die Hebräer heißt: „Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde. Aufgrund des Glaubens hielt er sich als Fremder im verheißenen Land wie in einem fremden Land auf und wohnte mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung, in Zelten; denn er erwartete die Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst geplant und gebaut hat... Voll Glauben sind diese alle gestorben, ohne das Verheißene erlangt zu haben; nur von fern haben sie es geschaut und gegrüßt und haben bekannt, daß sie Fremde und Gäste auf Erden sind.“ <768> Aus gutem Grund erklärte sich der Patriarch später selbst als „Fremder und Halbbürger“, <769> selbst im Gelobten Land, und so werden es auch seine Söhne Ismael <770> und Jakob sein, Verbannte in Paddan-Aram <771> und in Ägypten. <772> <765> Vgl. Ps 119,30; Tob 1,3. <766> Vgl. Ps 101,2. <767> Vgl. Gen 12,1-4. <768> Hebr 11,8-10; 13. <769> Gen 23,4. <770> Vgl. ebd., 21,9-21; 26,12-18. <771> Vgl. ebd., 28,2. <772> Vgl. ebd., 47 und 50. 6. Aus dem Land der Pharaonen beginnt der große Exodus-Pilgerweg. Die verschiedenen Stationen, der Auszug, der Weg durch die Wüste, die Prüfungen - die Versuchungen, die Auflehnung, der Einzug in das Gelobte Land - werden das vorzügliche Vorbild der Heilsgeschichte <773> selbst, die nicht nur das Geschenk der Freiheit einschließt, der Offenbarung auf dem Sinai und der göttlichen Gemeinschaft, ausgedrückt in dem „Vorübergang“ (Pascha) und in der Darreichung des Manna, des Wassers, der Wachteln, sondern auch in der Untreue, dem Götzendienst, der Versuchung, zum Sklaventum zurückkehren zu wollen. <773> Vgl. 1 Kor 10,1-13. Der Exodus gewinnt so einen beständigen Wert, ist ein stets lebendiges „Gedenken“, das auch bei der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft wieder hervortritt, die im Deutero-Jesaja als neuer Exodus <774> besungen wird, was bei je- <774> Vgl. Jes 43,16-21. 1175 KONGREGATIONEN UND RÄTE dem Paschafest Israels gefeiert wird und sich in eine eschatologische Darstellung wandelt im Buch der Weisheit. <775> Das letzte Ziel ist in der Tat das versprochene Land der vollen Einheit mit Gott in einer erneuerten Schöpfung. <776> Der Herr selbst ist Pilger mit seinem Volk: „Der Herr, dein Gott, hatte dich reich gesegnet bei der Arbeit deiner Hände. Er wußte, daß du in dieser großen Wüste unterwegs warst. Vierzig Jahre lang war der Herr, dein Gott, bei dir. Nichts hat dir gefehlt.“ <777> „Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg, den wir gegangen sind.“ <778> Denn in der Tat erinnert er sich mit Wehmut an „deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit, wie du mir in der Wüste gefolgt bist, im Land ohne Aussaat“. <779> Aufgrund dieser tiefverwurzelten Eigenschaft als Pilger darf das biblische Volk „einen Fremden nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen“, <780> vielmehr sollt ihr „die Fremden lieben, denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen“. <781> <775> Vgl. Weish 11-19. <776> Vgl. ebd., 19. <777> Dm 2,7. <778> Jos 24,17. <779> Jer 2,2. <780> Ex 22,20. <781> Dm 10,19; 24,17. 7. Der Betende tritt vor Gott hin „als ein Gast und ein Fremdling“. <782> Die Psalmen, die in einem tausendjährigen Zeitraum der Geschichte Israels geschrieben wurden, bezeugen im Gebet das geschichtliche und theologische Bewusstsein des „Unterwegsseins“ der Gemeinde und des einzelnen. Und gerade durch den frommen Pilgerweg zum Zion verwandelt sich das Fremdsein auch im eigenen Land <783> in ein Zeichen der Hoffnung. <782> Ps 39,13; 119,19. <783> Vgl. Lev 25,23. Den „Aufstieg“, durch den das Volk Israels in den drei großen Festlichkeiten des Pascha-Festes, des Wochen-Festes und des Laubhütten-Festes <784> unter Freudenhymnen (die „Wallfahrtslieder“ <785>) zum Berg Zion geführt wird, wird eine Erfahrung der Beständigkeit, des Vertrauens und der erneuerten Verpflichtung, in der Furcht Gottes <786> und in Gerechtigkeit zu wandeln. Auf dem Felsen des Tempels von Jerusalem gegründet, Symbol für Gott, der ein ,,Fels“ ist, der nicht einstürzt, <787> loben die Stämme Israels den Namen des Herrn. <788> Sie haben Gemeinschaft mit <784> Vgl. Ex 34,23. <785> Vgl. Ps 120-143. <786> Vgl. Ps 128,1. <787> Vgl. Dm 32,18; Ps 18,3; 46,2-8. <788> Vgl. Ps 122,4. 1176 KONGREGATIONEN UND RÄTE dem Herrn im Gebet, weilen im Zelte seines Heiligtums, wohnen auf dem heiligen Berg, sie finden eine unzerstörbare Rettung <789> und eine Fülle des Lebens und des Friedens. <790> Deshalb „wohl denen, die wohnen in deinem Hause, die dich allezeit loben. Wohl den Menschen, die Kraft finden in dir, wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten“. <791> „Auf, laßt uns hinaufpilgem nach Zion zum Herrn, unserem Gott!“ <792> <789> Vgl. Pi 15,1-5. <790> Vgl. Ps 43,3-4. <791> Ps 84,5-6. <792> Jer 31,6; vgl. Jes 2,5. 8. Dem Volke Gottes, Opfer der Entmutigung und beladen von Untreue, zeigen die Propheten auch einen messianischen Pilgerweg der Erlösung an, der auch dem eschatologischen Horizont geöffnet ist, in dem alle Völker der Erde nach Zion hinaufstreben, Ort des Göttlichen Wortes, des Friedens und der Hoffnung. <793> <793> Vgl. Jes 2,2-4; 56,6-8; 66,18-23; Mi 4,1-4; Sach 8,20-23. In einer neuen Erfahrung des Exodus muss das Volk Gottes es zulassen, dass der Geist sein steinernes Herz wegnimmt und ihm eines aus Fleisch <794> schenkt, in seinem Lebenswandel muss er Gerechtigkeit <795> und liebevolle Treue <796> zeigen, sich als Licht für alle Völker <797> erheben bis zum Tag, an dem Gott, der Herr, auf dem heiligen Berg „für alle Völker ein Festmahl geben wird“ <798> Auf dem Weg zur Erfüllung der Verheißung des Messias, sind jetzt schon alle zur Gemeinschaft als Geschenk <799> und in die Barmherzigkeit Gottes gerufen. <800> <794> Vgl. Ez 36,26-27. <795> Vgl. Jes 1,17. <796> Vgl. Hos 2,16-18. <797> Vgl. Jes 60,3-6. <798> Vgl. Jes 25,6. <799> Vgl. Jes 55,1-2. <800> Vgl. Ez 34,11-16. Der Pilgerweg Christi 9. Jesus Christus tritt in die Geschichte ein als „der Weg und die Wahrheit und das Leben“, <801> und von Anbeginn an schließt er sich selbst in den Weg der Menschheit und seines Volkes ein, „sich gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigend“. <802> Denn in der Tat steigt er herab von dem „bei Gott sein“ und wird „Fleisch“ <803> und geht den Weg mit den Menschen. In der Fleischwerdung „kommt Gott in Person, <801> Vgl. Joh 14,6. <802> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 18. <803> Joh 1,2.14. 1177 KONGREGATIONEN UND RÄTE um zum Menschen über sich zu sprechen und ihm den Weg zu zeigen, auf dem er ihn erreichen kann“. <804> <804> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 6. Noch ein Kind, ist Jesus Pilger im Tempel von Zion, um dem Herrn geweiht zu werden; <805> als Junge begibt er sich mit Maria und Josef in „das Haus seines Vaters“. <806> Sein öffentliches Wirken vollzieht sich auf den Straßen seines Heimatlandes, langsam nimmt es die Form einer Pilgerfahrt nach Jerusalem an, was besonders im Lukasevangelium als ein langer Weg beschrieben wird, der als Ziel nicht nur das Kreuz, aber auch die Herrlichkeit von Ostern und Himmelfahrt hat. <807> Seine Verklärung offenbart Mose, Elija und den Aposteln seinen bevorstehenden österlichen „Exodus“: „Sie sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte.“ <808> Auch die anderen Evangelisten kennen diesen beispielhaften Weg, auf dessen Spuren sich der Jünger begeben muss: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ und Lukas fügt noch hinzu „täglich“. <809> Bei Markus ist der Weg zum Kreuz auf Golgota beständig durch Verben, Worte der Bewegung und durch Symbole des „Weges“ gekennzeichnet. <810> <805> Vgl. Lk 2,22-24. <806> Ebd., 2,49. <807> Vgl. 11:9,51; 24,51. <808> Ebd., 9,31. <809> Mt 16,24; vgl. Mt 10,38 und Lk 9,23. <810> Vgl. Mk 8,27.34; 9,33-34; 10,17.21.28.32 bis 33.46.52. 10. Aber der Weg Jesu endet nicht auf dem Hügel, Golgota genannt. Sein irdischer Pilgerweg überschreitet die Grenze zum Unendlichen und zum Geheimnis Gottes, über den Tod hinweg. Auf dem Berge der Himmelfahrt zeigt sich der letzte Abschnitt seines Pilgerweges. Der auferstandene und in den Himmel erhobene Herr verspricht wiederzukommen <811> und geht hin zum Haus des Vaters, um uns einen Platz vorzubereiten, denn wo er sein wird, da werden wir mit ihm sein. <812> Er fasst seinen Auftrag so zusammen: „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater; Vater, ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast.“ <813> <811> Vgl. Apg 1,11. <812> Vgl. Job 14,2-3. <813> Job 16,28; 17,24. Die christliche Gemeinde, beseelt vom Pfingstgeist, begibt sich auf die Straßen der Welt und senkt sich ein in die verschiedenen Nationen der Erde, <814> ausgehend von Jerusalem bis Rom, über die Straßen des Reiches, die von den Aposteln und den <814> Apg 2,9-11. 1178 KONGREGATIONEN UND RÄTE Verkündern des Evangeliums beschritten wurden. Ihnen zur Seite geht Christus, wie bei den Jüngern von Emmaus, er erklärt ihnen die Schrift und bricht das eucharistische Brot. <815> Auf ihren Spuren machen sich die Völker der Erde auf den Weg, im Geist gehen sie den Weg der Weisen, <816> und die Worte Christi werden sich verwirklichen: „Viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.“ <817> <815> Vgl. Li 24,13-35. <816> Vgl. Aff 2,1-12. <817> Mt 8,11. 11. Das letzte Ziel dieses Pilgerweges über die Straßen der Welt ist jedoch nicht in der Erdkarte verzeichnet. Es liegt außerhalb unseres Horizontes, wie es auch für Christus war, der mit den Menschen gewandert ist, um sie zur Fülle der Vereinigung mit Gott zu führen. Voll Bedeutung ist die Beobachtung, dass der „Weg“ des Herrn die Straße ist, die er bereits gegangen ist und die er nun mit uns geht. Die Apostelgeschichte bezeichnet in der Tat das christliche Leben als „den Weg“ <818> schlechthin. Nachdem der Christ, begleitet von der Gegenwart Christi, die mit uns ist bis zum Ende der Welt, <819> und „vom Geist geleitet“ <820> in Gerechtigkeit und Liebe, hinausgegangen ist, um alle Völker zu belehren, hat er als sicheren Hafen das himmlische Jerusalem vor Augen, wie es in der geheimen Offenbarung beschrieben ist. Dieses Weg-Leben ist von einer Spannung durchzogen, von einer brennenden Hoffnung in der Erwartung der Wiederkunft des Herrn. <821> Unser Pilgerweg hat deshalb ein transzendentes Ende. Wir sind uns klar bewusst, hier unten „Fremde und Gäste“, <822> aber bestimmt, dort oben „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ <823> zu sein. <818> Vgl. Apg 2,28; 9,2; 16,17; 18,25-26; 19,9-23; 22,4; 24,14.32. <819> Vgl. Mt 28,19-20. <820> Gal 5,16. <821> Offt) 22,17.10. <822> Vgl. Eph 2,19; 1 Pefr2,ll. <823> Eph 2,19. Wie Jesus, der vor den Toren der Stadt Jerusalem gekreuzigt wurde, so müssen auch wir „zu ihm vor das Lager hinausziehen und seine Schmach auf uns nehmen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die künftige“. <824> Gott wird da bei uns sein, wo „der Tod nicht mehr sein wird, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“. <825> <824> Hebt 13,13-14, <825> Offl> 21,4. 1179 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Pilgerweg der Kirche 12. In Gemeinschaft mit ihrem Herrn ist auch die Kirche, messianisches Volk, auf dem Wege hin zu der kommenden und bleibenden Stadt. <826> Sie reicht hinaus über Zeiten und Grenzen, und ist ganz auf jenes Reich hin ausgerichtet, dessen Gegenwart schon in allen Ländern der Erde wirkt. Diese Länder haben den Samen des Wortes Christi <827> erhalten und sind mit dem Blute der Märtyrer, der Zeugen des Evangeliums, getränkt worden. Wie Paulus und die Apostel, so sind auch die Missionare Christi über die Konsular- und die kaiserlichen Straßen, die Karava-nenstraßen, die Seewege, die Städte und Häfen des Mittelmeeres gezogen, und bald schon mussten sie sich im Osten und Westen mit den verschiedenen Kulturen und religiösen Traditionen auseinandersetzen; sie konnten sich nicht nur in Hebräisch und Aramäisch ausdrücken, sondern auch in Griechisch und Lateinisch und später in der Vielfalt der Sprachen, einige waren schon im Pfingsterlebnis angekündigt worden: <828> arabisch, syrisch, äthiopisch, persisch, armenisch, gotisch, slawisch, hindi und chinesisch. <826> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution, Lumen Gentium, Nr. 9. <827> Vgl. Apg 8,4. <828> Vgl. Apg 2,7-11. Die Stationen dieses Pilgerweges der Botschafter des göttlichen Wortes zogen sich hin von Kleinasien bis Italien, von Afrika bis Spanien und Gallien und nachfolgend von Deutschland nach Britannien, von den slawischen Ländern bis nach Indien und China. In der modernen Zeit zogen sie in die neuen Länder und zu neuen Völkern in Amerika, Afrika und Ozeanien und zeichneten so den „Weg Christi durch die Jahrhunderte“. <829> <829> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 25. 13. Im 4. und 5. Jahrhundert beginnen dann in der Kirche die verschiedenen Erfahrungen des monastischen Lebens. Die „asketische Migration“ und der „spirituelle Exodus“ stellen zwei grundlegende Formen der Anregung dar. In diesem Zusammenhang nehmen einige biblische Personen in der patristischen und monastischen Literatur eine paradigmatische Rolle ein. Der Bezug zu Abraham verbindet sich mit dem Thema der „xeniteia“ (der Erfahrung des Fremden: das Bewusstsein, Gast, Migrant zu sein), welche unter anderem die dritte Stufe der Paradieses-Lei-ter des Johannes Klimakos ausmacht. Die Gestalt Mose, der den Auszug aus der Sklaverei Ägyptens hin zum Gelobten Land leitet, wird ein charakteristisches Thema der altchristlichen Literatur, besonders durch die Lebensbeschreibung des Mose von Gregor von Nyssa. Endlich Elija, der auf den Karmel und den Berg Horeb steigt, verkörpert die Themen der Flucht in die Wüste und die Begegnung mit Gott. Ambrosius ist zum Beispiel ganz stark beeindruckt vom Propheten Elija und betrachtet in ihm die Verwirklichung des asketischen Ideals der „fuga saeculi“. 1180 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die Auffassung des christlichen Lebens als Wallfahrt, die Suche nach der innigen Vertrautheit mit Gott, auch durch das Loslösen von den Unruhen der Dinge und der Ereignisse, die Verehrung der heiligen Stätten drängen den hl. Hieronimus und seine Schülerinnen Paula und Eustochia Rom zu verlassen und sich in das Land Christi zu begeben: so entsteht bei der Geburtsgrotte in Betlehem ein Kloster. Es fügt sich ein in die Reihe der vielen Einsiedeleien, byzantinischen Einsiedlergemeinschaften und der Klöster des Heiligen Landes, die aber auch in anderen Zonen verbreitet waren, besonders im ägyptischen Thebäis, in Syrien, in Kappado-kien. Dieser Linie folgend, wird der Pilgerweg in die Wüste oder zu einem heiligen Ort Symbol eines anderen Pilgerweges, des inneren, wie der hl. Augustinus hervorhebt: „Geh’ in dich: die Wahrheit wohnt im Herzen des Menschen.“ Aber verweile nicht in dir selbst, sondern „geh’ über dich hinaus“, <830> denn du bist nicht Gott: er ist viel tiefer und viel größer als du. Der schon von der platonischen Tradition ins Bewusstsein gerufene Pilgerweg der Seele bekommt nun eine neue Dimension, die selbst der Kirchenvater in seinem Verlangen nach der Unendlichkeit Gottes erläutert und darstellt: „Man suche Gott mit größerer Zartheit, um ihn zu finden, man finde ihn, um ihn mit größerer Glut zu suchen.“ <831> Die Auffassung, „der heilige Ort [sei] die reine Seele“ <832>, wird auch ein dauernder Aufruf zum Vollzug der Wallfahrt zu den heiligen Stätten als Zeichen des Reifens von persönlicher Heiligung. Die Kirchenväter relativieren so die „physische“ Wallfahrt und versuchen, jede Übertreibung und jedes Missverständnis zu überwinden. Besonders Gregor von Nyssa gibt uns das grundlegende Prinzip einer rechten Bewertung der Wallfahrten. <830> Vgl. Augustinus, De vera religione 39,72: CCL 32, 234; PL 34,154. <831> Vgl. Augustinus, De Trinitate 15,22: CCL 50,461; DL 42,1058. <832> Origenes, In Leviticum XIII,5; SCh 287, 220; PG 12,441. Obwohl er in frommer Verehrung das Heilige Land besucht hat, erklärt er, der wahre Weg, den man gehen solle, sei der, der den Gläubigen aus der physischen in die geistige Wirklichkeit führt, von dem körperlichen Leben zum Leben im Herrn, und nicht der Weg von Kappadokien nach Palästina <833> Auch der hl. Hieronimus bekräftigt den gleichen Grundsatz. In Brief 58 bekundet er, Antonius und die Mönche würden nicht nach Jersualem gehen, die Türen des Paradieses sich aber trotzdem weit für sie öffnen. Er behauptet weiter, der Grund zum Lob für die Christen sei nicht die Tatsache, in der heiligen Stadt gewesen zu sein, sondern heiligmäßig gelebt zu haben. <834> <833> Vgl. Gregor von Nyssa, Brief 2,18; SCh 363, 122; PG 46,1013 <834> Vgl. Hieronimus, Brie/58,2-3; CSEL 54,529-532; PL 22,580-581. In diesem inneren Pilgerweg vom Licht zum Licht, <835> dem Aufruf Christi nachgehend, „vollkommen zu sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“, <836> zeichnet <835> Vgl. Be 36,10. <836> Mt 5,48. 1181 KONGREGATIONEN UND RÄTE sich ein Profil der Wallfahrt ab, das besonders der spirituellen, byzantinischen Tradition lieb ist: Es ist der „ekstatische“ Aspekt, der später auf der Basis der mystischen Lehre durch Dionysius Areopagita, Maximus den Bekenner und Johannes von Damaskus weiter entwickelt wird. Die Vergöttlichung des Menschen ist das große Ziel einer langen Reise des Geistes, wo der Gläubige in das Herz Gottes gestellt wird und die Worte des Apostels verwirklicht werden: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“, <837> deshalb „Leben ... ist Christus“. <838> <837> Gal 2,19-20. <838> Phil 1,21. 14. Im 4. Jahrhundert, als die Verfolgung durch das römische Reich vorbei war, wurden die Orte des Martyriums für die öffentliche Verehrung geöffnet und ein großer Pilgerstrom begann. Das ist auch bezeugt durch dokumentarische Erinnerungen, wie Tagebücher der Pilger, besonders bei den Pilgerfahrten ins Heilige Land. Hier ist vor allem der Bericht der Eteria vom Anfang des 5. Jahrhunderts von großer Bedeutung. Konkrete Wallfahrten, die über die Straßen der Welt führen, verzweigen sich hin zu neuen Zielen. Die Eroberung Jerusalems durch die Araber im Jahre 638 lässt die Begegnung mit den christlichen Erinnerungsstätten im Heiligen Land schwieriger werden; es öffnen sich so neue Wege im Westen. Ein ganz wichtiges Ziel wird Rom, der Ort des Martyriums von Petrus und Paulus und Sitz der kirchlichen Gemeinde beim Nachfolger Petri. Es entstehen so die zahlreichen „Vie Romee“ ad Petri sedem, unter denen die Via Francigena, die ganz Europa durchquert, hin zu der neuen Heiligen Stadt einen besonderen Platz einnimmt. Auch das Grab des hl. Jakobus in Compostela ist eines der Ziele. Weiter sind es die marianischen Stätten, das Heilige Haus von Loreto, Jasna Göra in Tschenstochau; die Besuche der mittelalterlichen Klöster, Burgen des Geistes und der Kultur, die Orte, die die Erinnerung an die großen Heiligen lebendig erhalten, wie Tours, Canterbury oder Padua. Durch sie entstand in Europa ein Netz, welches „das gegenseitige Verständnis unter den so verschiedenen Völkern und Nationen förderte“. <839> Dieses große Phänomen berührt, wenn auch mit einer gewissen Übertreibung, immense Volksmengen, die von einer einfachen und tiefen Überzeugung beseelt sind, es nährt die Spiritualität, stärkt den Glauben, regt zur Caritas an, belebt die Mission der Kirche. Die „palmieri“ (Heilig-Land-Pilger), die „romei“ (Rompilger), die „peregrini“ (Pilger) mit ihrer typischen Kleidung bilden fast einen eigenen „ordo“ (Orden), der die Welt an die Pilgematur der christlichen Gemeinde erinnern will, die hinstrebt zur Begegnung mit Gott und der Vereinigung mit ihm. <839> Papst Johannes Paul II. Ansprache während seines Wien-Besuches (10.9.1983); AAS 76( 1984)140; dt. in D.A.S. 1983, S. 580 f. Eine besondere Form wird der Wallfahrt im 11. bis 13. Jahrhundert mit der Kreuzzugsbewegung zugeschrieben. In ihr verbindet sich das alte Ideal des Pilgems zu 1182 KONGREGATIONEN UND RÄTE den Stätten der Heiligen Schrift mit den neuen Gegebenheiten und Ideen jener geschichtlichen Epoche, wie mit der Bildung des Ritterstandes, mit den sozialen und politischen Spannungen, mit dem Erwachen der auf den Orient ausgerichteten wirtschaftlichen und kulturellen Anregungen, mit der Präsenz des Islams im Heiligen Land. Oft haben die Machtkonflikte und die Interessen das spirituelle und missionarische Ideal überschattet und den einzelnen Kreuzzügen andere Merkmale zugeschrieben, während sich zwischen der Kirche des Westens und der des Ostens die Mauer der Trennung erhob. Auch die Praxis der Wallfahrten ist davon betroffen und zeigt einige Zweideutigkeiten, die vom hl. Bernhard von Clairvaux sehr gut dargestellt werden. Er war ein eifriger Prediger des zweiten Kreuzzuges, doch er zögerte auch nicht, das geistige Jerusalem zu feiern, gegenwärtig im christlichen Kloster, als ideales Ziel des Pilger: „Clairvaux ist dieses Jesuralem, vereinigt mit dem himmlischen Jerusalem durch seine tiefe und radikale Frömmigkeit, durch die Übereinstimmung seines Lebens, durch eine gewisse geistliche Verwandtschaft.“ <840> Ein heute noch in der Liturgie verwendeter mittelalterlicher Hymnus preist klar das himmlische Jerusalem, das auf Erden erbaut ist durch die Weihe einer Kirche: „Des Himmels Stadt, Jerusalem / du Stätte, die den Frieden birgt, / du bist lebendiges Gestein.“ <841> <840> Bernhard, Brief an den Bischof von Lincoln, Br. 64,2; OL 182, 169 ff. <841> „Urbs Ierusalem beata,/dicta pacis visio,/quae construitur in caelis,/vivis ex lapidibus.“ Rom. Brevier, Comrn. de Dedic. Eccl, Hymnus ad Vesp. 15. Schon erscheint am Horizont der Geschichte der hl. Franziskus, der mit seinen Brüdern im Heiligen Land eine jahrhundertelange Anwesenheit zur Verwaltung der heiligen Stätten der Christenheit haben wird - in einem nicht immer leichten Zusammenleben mit den anderen kirchlichen Gemeinschaften des Orientes - und zum Beistand der Pilger. Um das Jahr 1300 entstand eine „Societas Peregrinan-tium pro Christo“. Sie betrachtete die Wallfahrt auch als ein missionarisches Werk. Und gerade in dieser Zeit, im Jahr 1300, wurde in Rom das Jubeljahr verkündet, das die Ewige Stadt zu einem Jerusalem werden ließ, zu dem Ströme von Pilgern hinzogen, wie es dann auch in den folgenden Heiligen Jahren der Fall war. Die kulturelle und religiöse Einheit des mittelalterlichen, europäischen Westens wurde auch von dieser spirituellen Erfahrung genährt. Langsam jedoch bewegte man sich auf neue, kompliziertere Modelle zu, welche auch die Beschaffenheit der Wallfahrt mit einbezogen. 16. Die Revolution des Kopemikus bewirkte eine Entwicklung in den Bedingungen des pilgernden Volkes in einer unbeweglichen Welt und ließ sie teilhaben an einem Universum in ständiger Bewegung. Die Entdeckung der „Neuen Welt“ schuf die Voraussetzung zur Überwindung der eurozentrischen Sicht durch das 1183 KONGREGATIONEN UND RÄTE Erscheinen unterschiedlicher Kulturen und der außergewöhnlichen Bewegungen von Menschen und Gruppen. Die Christenheit des Westens verlor ihre Einheit, die Rom als Mittelpunkt hatte, und die konfessionellen Teilungen erschwerten die Wallfahrten und fochten sie manchmal an „als Verachtung von Gott und Gottes Geboten ... Nun geschieht es, daß einer nach Romwallfahrt und fünfzig, hundert mehr oder weniger Gulden verzehrt, und läßt seine Frau und seine Kinder oder überhaupt seinen Nächsten daheim Not leiden.“ <842> Seit dem Auseinanderbrechen des klassischen Weltbildes fühlt sich der Pilger immer weniger als Wanderer in der nun in Staaten und nationale Kirchen aufgeteilten gemeinsamen Welt. So zeichnen sich nähere und alternative Ziele ab, wie die heiligen Berge und die örtlichen Marienwallfahrtsorte. M. Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520: WA 6, 437); hier zitiert nach M. Luther, Die reformaiorischen Grundschriften, Bd. 2, Darmstadt 1983, S. 105. 17. Aber trotz einer gewissen statischen Sicht, welche die christliche Gemeinde im 18. und 19. Jahrhundert durchdrungen hatte, lebte doch die Wallfahrt in ihr fort. In einigen Orten, wie in Lateinamerika und auf den Philippinen, hat sie der Volksglaube über Generationen lebendig erhalten; in anderen öffnete sich eine neue Spiritualität mit neuen Glaubenszentren, die an den Wurzeln der Marienerscheinungen und der Volksfrömmigkeit entstanden sind. Von Guadalupe bis Lourdes, von Aparecida bis Fatima, von Santo Nino di Cebu bis zum hl. Josef in Montreal hat sich das Zeugnis der Lebendigkeit der Wallfahrt und der durch sie hervorgerufenen Bekehrungsbewegungen vermehrt. Das erneuerte Bewusstsein, das pilgernde Gottesvolk zu sein, begann auf diese Weise das ausdrucksvollste Bild der im II. Vatikanischen Konzil versammelten Kirche zu werden. Der Pilgerweg hin zum dritten Jahrtausend 18. Das II. Vatikanische Konzil war „ein Ereignis der Vorsehung“, bestimmt, auch „eine direkte Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres zweitausend“ <843> zu werden. Diese kirchliche Versammlung wurde gefeiert - von ihrer Einberufung an, mit dem Herbeiströmen der Hirten der Ortskirchen nach Rom, bis zu ihrer Beendigung mit einem außergewöhnlichen Jubiläum, was in den einzelnen Diözesen begangen werden sollte - in einem symbolischen Rahmen, einer großen und einhelligen Wallfahrt der gesamten kirchlichen Gemeinde. Dieser Aspekt wurde durch einige sinnbildliche Gesten ausgedrückt, wie die der beiden Pilger-Päpste, Johannes XXIII., der während des ersten Konzilsjahres (1962) nach Loreto wallfahrtete, und Paul VI., der in der Mitte der Konzilsversammlungen (1964) ins Heilige Land pilgerte. Zu diesen beiden, rein spirituellen Zeichen fügten sich dann die folgenden päpstlichen Pilgerreisen über die Straßen der Welt an, um das Evangelium, seine Wahrheit und seine Gerechtigkeit zu verkündigen, begonnen mit der Reise Papst Pauls VI. zu den Vereinten Nationen und nach Bombay. <843> Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 18. 1184 KONGREGATIONEN UND RÄTE 19. Die Sprache des Konzils bezeichnet die Kirche - in ihrer Erfahrung des spirituellen und missionarischen Weges - als Wegbegleiterin der ganzen Menschheit. Es handelte sich in der Tat darum, „die wirksamsten Wege“ zu suchen, „um uns selbst zu erneuern, um immer treuere Zeugen des Evangeliums Christi zu werden“. <844> <845> Das „Pilgern“ der Kirche Gottes gewinnt gleich vom Beginn des Konzils an ein beherrschendes Profil. <846> Die Kirche war „ein Zeichen, aufgestellt inmitten der Völker (Jes 5,26), um allen eine Orientierung des eigenen Weges hin zur Wahrheit und zum Leben anzubieten“. <847> Die Begegnung mit den Völkern, die mit Paul VI. bei der UNO ihren symbolischen Ausdruck fand, wird dargestellt als „Nachklang einer mühsamen Wallfahrt“. <848> Das Konzil selbst erscheint wie ein spiritueller Aufstieg. Die Konzilsväter grüßten die Männer und Frauen, die Forscher, als „Pilger auf dem Weg zum Licht“. <849> <844> Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 18. <845> II. Vatikan. Konzil, Botschaft an die Welt (20.10.1962): AAS 54(1962)822. <846> Vgl. Johannes XXID., Ansprache zur Eröffnung des II. Vatikan. Konzils (11.10.1962): AAS 54(1962)790; Paul VI., Ansprache zur Eröffnung der zweiten Sitzung des II. Vatikan. Konzils (29.9.1963): AAS 55(1963)842. <847> Paul VI., Ansprache zum Abschluß der dritten Sitzung des II. Vatikan. Konzils (21.11.1964): AAS 56(1964)1013. <848> Paul VI., Ansprache vor der UNO-Versammhmg (4.10.1965): AAS 57(1965)878. <849> II. Vatikan. Konzil, Botschaft an die Welt (8.12.1965): AAS 58(1966)11. 20. Die erwähnte Pilgerreise von Papst Paul VI. ins Heilige Land wird von ihm selbst im Lichte der Spiritualität der „peregrinatio“ in ihren grundlegenden Teilen dargestellt. Sie sollte durch den Besuch der heiligen Stätten die großen Heilsgeheimnisse hervorheben, die Menschwerdung und die Erlösung. Sie sollte Zeichen des Gebets, der Buße und der Erneuerung sein. Sie suchte die Verwirklichung des dreifachen Ziels, Christus seine Kirche darzubringen, die Einheit der Christen zu fördern und die göttliche Barmherzigkeit für den Frieden unter den Menschen zu erbitten. <850> <850> Vgl. Paul VI., Ansprache zum Abschluß der zsveiten Sitzung des 11. Vatikan. Konzils (4.12.1963): AAS 56(1964)39. Das Konzil selbst hat in seinen Konstitutionen die ganze Kirche dargestellt als „in der Welt zugegen und doch unterwegs“. <851> Ihr pilgerndes Wesen, auf das immer wieder hingewiesen wird, <852> offenbart einen trinitarisehen Aspekt: Es hat seinen Ursprung in der Mission Christi „gesandt vom Vater“. <853> Deshalb gilt auch für uns: „Von ihm kommen wir, durch ihn leben wir, zu ihm streben wir hin“ <854>, und der Heilige Geist ist uns Führer auf unserem Weg, der sich auf den Spuren Christi <851> II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution, Sacrosanctum Concilum, Nr. 2. <852> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nm. 7-9. <853> Ebd., Nm. 3.13. <854> Ebd., Nr. 3. 1185 KONGREGATIONEN UND RÄTE vollzieht. <855> Die Eucharistie und Ostern, Kern der Liturgie, <856> verweisen durch ihr eigenes Wesen auf den Exodus Israels und auf das Mahl der Wanderschaft und des Bundes, das es eröffnet <857> und beschließt. <858> <855> vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Ad gentes, Nr. 5. <856> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nm. 7.10. <857> Vgl. Ex 12,1-14. <858> Vgl. Jos 5,10-12. 21. Die pilgernde Kirche wird so ganz natürlich auch missionarisch. <859> Das Gebot des auferstandenen Christus: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle zu meinen Jüngern“, <860> hat den Akzent auf dem Wort „gehen“, eine unausweichliche Weise der Evangelisierung, offen für die Welt. Wegzehrung und Schatz auf dieser Reise sind das Wort Gottes <861> und die Eucharistie. <862> Zeichnet man in einer leidenschaftlichen Synthese den Weg der Menschheit mit allen Eroberungen und Verirrungen auf, <863> so stellt das Konzil die Kirche als Reisebegleiterin der Menschheitsfamilie vor, und weist auf ein transzendentes Ziel außerhalb der irdischen Geschichte hin. <864> Auf diese Weise ergibt sich eine fruchtbare Harmonie zwischen Pilgerweg und Auftrag in der Geschichte <865> und auch die Welt ist aufgerufen, der Kirche in einem lebendigen und intensiven Dialog ihren Beitrag anzubieten. <866> <859> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret Ad gentes, Nr. 2; Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 17. <860> Mt 28,19. <861> vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 7. <862> vgl. II. Vatikan. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 38. <863> Vgl. ebd., Nm. 1-7. <864> Vgl. Nrn. 3.11. <865> Vgl. ebd., Nr. 43. <866> Vgl. ebd., Nr. 44. 22. Seit dem Konzil und in der Folgezeit hat die Kirche ihre Pilgererfahrung nicht nur in der Erneuerung, in der missionarischen Verkündigung und im Einsatz für den Frieden gelebt, sondern auch durch vielfältige Zeugnisse des kirchlichen Lehramtes, besonders anlässlich der Heiligen Jahre 1975, 1983 und 2000. <867> Papst Johannes Paul II. ist Pilger in der Welt geworden: Er ist der erste Verkünder des Glaubens in diesen beiden letzten Jahrzehnten. Mit seinem apostolischen Auf- <867> Apostolisches Schreiben Nobis in animum von Paul VI., 25.3.1974, über die gesteigerten Bedürfnisse der Kirche im Heiligen Land; Apostolisches Schreiben Apostolorum limina, von Paul VI., 25.5.1974, zur Proklamation des Heiligen Jahres 1975; Apostolisches Schreiben Gaudete in Domino von Paul VI., 9.5.1975, über die christliche Freude des Heiligen Jahres; Apostolisches Schreiben Aperite portas Redemptori von Johannes Paul II., 6.1.1983, zur Proklamation des Heiligen Jahres 1983; Apostolisches Schreiben Redemptionis anno von Johannes Paul II., 20.4.1984, über Jersualem, heiliges Erbe aller Gläubigen, zum Abschluß des Heiligen Jahres 1983; Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente von Johannes Paul U., 10.11.1994. 1186 KONGREGATIONEN UND RÄTE dem-Weg-Sein und durch seine Lehre hat er die ganze Kirche geführt und ange-spomt, sich auf das bald beginnende dritte Jahrtausend vorzubereiten. Die Pastoraireisen des Papstes sind „Stationen einer Pilgerreise in die Ortskirchen Pilgerreise des Friedens und der Solidarität“. <868> <868> Papst Johannes Paul II., auf seinen Pastoralbesuch in Sarajewo verweisend in: Generalaudienz, 9.4.1997; O.R. dt., 16, 1997, S. 2. 23. Ein wichtiges Ziel der heutigen geschichtlichen Pilgerschaft der Kirche ist das Jubeljahr Zweitausend, auf das die Gläubigen im Namen der Dreifaltigkeit zugehen. Dieser Weg soll aber in der Rückgewinnung der großen Werte des biblischen Jubeljahres eher innerlich und lebendig als räumlich beschritten werden. <869> Wenn das Horn erklang, das Israel diese Zeit ankündigte, gab man den Sklaven die Freiheit und erließ die Schulden, damit alle die persönliche Würde sowie die soziale Solidarität wiederfanden. Die Erde gab allen spontan ihre Gaben zur Erinnerung daran, dass ihr Ursprung der Schöpfer ist. <869> Vgl. Lev 25. „Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, aus deinen Wolken wird die Erde satt.“ <870> So muss eine mehr brüderliche Gemeinde entstehen, wie die von Jerusalem: „Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.“ <871> „Doch eigentlich sollte es bei dir gar keine Armen geben ... Wenn bei dir ein Armer lebt, irgendeiner deiner Brüder ... dann sollst du nicht hartherzig sein und sollst deinem armen Bruder deine Hand nicht verschließen.“ <872> <870> Ps 104,13. <871> Apg 2,44-45. <872> Dtn 15,4.7. Der Pilgerweg der Menschheit 24. Der Pilgerweg, der sich - von Abraham ausgehend - über Jahrhunderte hinzieht, ist Zeichen eines weit umfassenden und universalen Sich-Bewegens der Menschheit. Denn tatsächlich erscheint der Mensch in seiner jahrhundertelangen Geschichte als ,Jiomo viator“, ein Wanderer, dürstend nach neuen Horizonten und hungrig nach Frieden und Gerechtigkeit, auf der Suche nach Wahrheit, hoffend auf Liebe, offen für das Absolute und das Unendliche. Die wissenschaftliche Forschung, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, das stetige Auftreten von Spannungen, die Ströme von Migranten, die über unseren Planet ziehen, selbst das Geheimnis des Bösen und die anderen Rätsel, die das Sein umgeben, stellen ständig Fragen an die Menschheit und bringen sie auf den von den Religionen und den Kulturen vorgezeichneten Weg. 1187 KONGREGATIONEN UND RÄTE Auch in der heutigen Zeit scheint die Menschheit sich einerseits auf positive Ziele unterschiedlicher Art hin zu bewegen: die weltweite Einfügung in globale Systeme, aber gleichzeitig auch das Offensein für Pluralismus und die Achtung der verschiedenen geschichtlichen und nationalen Identitäten, der wissenschaftliche und technische Fortschritt, der interreligiöse Dialog, die Kommunikation, die sich im ,Areopag“ der gesamten Welt verbreitet durch Instrumente, die immer wirksamer und immer unmittelbarer werden. Andererseits jedoch erscheinen auf jeder dieser Straße alte und konstante Hindernisse, zwar in neuen Formen und Wegen: die Götzen der wirtschaftlichen Ausbeutung, der politischen Veruntreuung, der wissenschaftlichen Überheblichkeit, des religiösen Fanatismus. Das Licht des Evangeliums leitet die Christen an, in all diesen Erscheinungsformen der Kultur unserer Zeit die neuen „Areopage“ zu sehen, auf denen das Heil verkündet werden kann, und die Zeichen der Sehnsucht zu entdecken, welche die Herzen zum Haus des Vaters führen. Es erscheint nicht befremdend, wenn im Strudel dieses dauernden Wechsels die Menschheit auch müde wird und den Wunsch hegt nach einem Ort, der auch ein Wallfahrtsort sein könnte, wo er ausruhen kann, einem Raum der Freiheit, wo ein Gespräch mit sich selbst, mit anderen und mit Gott möglich ist. Die Wallfahrt des Christen wird von dieser Suche der Menschheit begleitet und gibt ihr die Sicherheit des Zieles, die Gegenwart des Herrn - „Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen“. <873> <873> Lk 1,68. 25. Einige „weltumfassende Pilgerfahrten“ bekommen eine besondere Bedeutung. Denken wir vor allem an die großen Bewegungen von Gruppen, von Massen, manchmal von ganzen Völkern, die enorme Opfer und Gefahren auf sich nehmen, um vor Hunger, Krieg, Umweltkatastrophen zu flüchten, um für sich selbst und für die Angehörigen eine größere Sicherheit und ein größeres Wohlergehen zu suchen. Keiner darf hier nur untätiger Zuschauer bleiben diesen ungeheuren Strömen gegenüber, die sich wie Flüsse über die Menschheit ergießen und sich auf der ganzen Erde ausbreiten. Keiner darf den Ungerechtigkeiten gegenüber unberührt bleiben, die Wurzeln der persönlichen und der kollektiven Tragödien sind, aber keiner darf auch die Hoffnung übersehen, die aus all dem erblühen kann, eine Hoffnung auf eine andere Zukunft und eine Aussicht auf Dialog und ein friedliches Zusammenleben mit anderen Rassen. Der Christ muss im besonderen der gute Samariter werden auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho, bereit zu helfen und den Bruder zum Wirtshaus der brüderlichen Liebe und des Zusammenlebens in Solidarität zu führen. Zu dieser „Spiritualität des Weges“ kann uns das Kennenlemen, das Zuhören und das Teilhaben an der Erfahrung des besonderen „Volkes der Straße“, der Nomaden, der Zigeuner, der „Kinder des Windes“ bringen. 1188 KONGREGATIONEN UND RÄTE 26. Auch diejenigen, die zu unterschiedlichen Zielen aufbrechen, für Tourismus, wissenschaftliche Forschung oder Handel, sind Pilger der Welt. Es handelt sich um verwickelte Phänomene, die aufgrund ihrer enormen Dimensionen oft Auslöser mit verheerenden Folgen sind. Niemand kann leugnen, dass sie oft die Ursache von Ungerechtigkeit, Ausbeutung der Menschen, Zerstörung der Kultur und Verwüstung der Natur sind. Aber trotzdem bewahren sie in ihrer Natur Werte der Forschung, des Fortschrittes und der Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses unter den Völkern, die verdienen gefördert zu werden. Es ist unbedingt notwendig, für alle, die mit diesen Sektoren befasst sind, die Möglichkeit zu schaffen, sich ihre Spiritualität und ihre eigenen, inneren Erfordernisse zu erhalten. Ebenso müssen Anstrengungen unternommen werden, dass die im Tourismus oder im Handel Tätigen nicht nur an wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet, sondern sich ihrer menschlichen und sozialen Aufgabe bewusst sind. 27. In Verbindung mit dem vorherigen Punkt und typisch für unsere Zeit ist auch eine besondere Form der Pilgerschaft menschlichen Geistes, nämlich das informative oder virtuelle Pilgern, das sich auf den Wegen der Telekommunikation vollzieht. Diese Wege können trotz der sie einschließenden Gefahren und Entstellungen oder Abweichungen doch auch Vermittler des Glaubens und der Liebe, positiver Botschaften, fruchtbarer und wirkungsvoller Kontakte sein. Benutzt man diese Wege, so ist es wichtig, jede Ablenkung und Auflösung der wahren Mitteilung gegen den „Hintergrundlärm“ einer babylonischen Unzahl von Informationen zu schützen. 28. Große „laikale Pilger“ sind auch diejenigen, die kulturelle und sportliche Wege begehen. Die großen künstlerischen Veranstaltungen, besonders die musikalischen, bei denen gerade die Jugendlichen Zusammenkommen, der Besucherstrom in den Museen, die sich manchmal in Oasen der Betrachtung verwandeln können, die Olympiaden und andere Formen sportlicher Zusammenkünfte sind Zeichen, die auch geistige Werte beinhalten, die nicht übersehen werden dürfen und die geschützt werden müssen, über äußerliche Spannungen, Gleichmacherei und Bedingungen wirtschaftlicher Natur hinweg. 29. Es gibt auch Erfahrungen von rein christlichen Pilgerwegen. Nicht nur Priester, sondern auch ganze Familien und viele Jugendliche machen sich auf oder akzeptieren es, weit weg vom eigenen Land gesandt zu werden, um mit Missionaren und Missionarinnen zusammenzuarbeiten, sei es in ihrer Berufsarbeit, sei es durch ihr Zeugnis, sei es mit der ausdrücklichen Verkündigung des Evangeliums. Das ist eine ständig wachsende Form des Pilgerdaseins, wie eine Gabe des Heiligen Geistes. Diese Menschen verpflichten sich für Ferienzeit und Freizeit oder setzen ganze Jahre ihres eigenen Lebens dafür ein. Ein sinnhaftes Bild dieser räumlichen, vor allem aber spirituellen Bewegungen unserer Zeit sind auch die großen ökumenischen Versammlungen, bei denen das Gebet um das Geschenk der Einheit die Christen auf einem gemeinsamen Weg sieht. Gleicherweise bedeutsam sind die 1189 KONGREGATIONEN UND RÄTE interreligiösen Treffen, das Streben von Männern und Frauen jeden Glaubens als Pilger zu einem gemeinsamen Ziel der Hoffnung und der Liebe; so wie es sich in dem 1986 nach Assisi einberufenen Weltgebetstreffen der Religionen für den Frieden vollzog. 30. Ein richtiges Netz von Wegen zieht sich also über unseren Planet hin. Einige dieser Wege sind religiöse, im wahrsten Sinn des Wortes. Sie haben als Ziel Städte und Heiligtümer, Klöster und historische Orte; in anderen Fällen zeigt sich die Suche nach den spirituellen Werten in Bewegungen zu Orten der Natur von besonderer Schönheit, zu Inseln und in Wüsten, zu Gipfeln oder in die Tiefe des Meeresgrundes. Diese komplexe Landkarte der menschlichen Mobilität enthält in sich den Keim des brennenden Wunsches nach einem transzendenten Horizont der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, sie zeugt von einer Unruhe, die in der Unendlichkeit Gottes ihren Hafen hat, wo der Mensch sich von seinen Sorgen erholen kann. <874> <874> Vgl. Augustinus, Bekenntnisse 1,1 :CCL 27,1; PL 32, 661; XIII, 38,53: CCL 27, 272 f.; PL 32,868. Die Wanderung der Menschheit, selbst in ihren Spannungen und Widersprüchen, ist Teil der unvermeidlichen Wallfahrt hin zum Reich Gottes, dessen Verkündigung der Kirche aufgetragen ist und von ihr mit Mut, Redlichkeit und Ausdauer durchgeführt wird, denn sie ist von ihrem Herrn aufgerufen, Salz, Sauerteig, Licht und Stadt auf dem Berge zu sein. Nur so öffnen sich die Wege, in denen „Huld und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen“. <875> Auf diesem Weg wird die Kirche Pilgerin mit allen Männern und Frauen, die mit bereitem Herzen die Wahrheit, die Gerechtigkeit, den Frieden suchen, und sogar mit allen, die irgendwo anders wandern, weil - wie Paulus erinnert, wenn er Jesaja zitiert - Gott behauptet: „Ich ließ mich finden von denen, die nicht nach mir suchten; ich offenbarte mich denen, die nicht nach mir fragten.“ <876> <875> Vgl. Ps 85,11. <876> Röm 10,20; vgl. Jes 65,1. 31. Auf dieses Ziel des Reiches können sich also alle Völker und alle Menschen hinorientieren. Sie mögen ihre Zugehörigkeit ausdrücken durch eine klare und sinnbildliche Geste der Wallfahrt zu den verschiedenen „heiligen Städten“ der Erde, zu den Orten des Geistes, wo die Botschaft der Transzendenz und der Brüderlichkeit stärker widerhallt. Unter diesen Städten dürfen auch nicht die Orte fehlen, die durch die Sünde des Menschen entweiht wurden und dann später, fast aus einem Drang der Wiedergutmachung, durch die Wallfahrten geweiht wurden: wir denken hier zum Beispiel an Auschwitz, den Ort, der für die Shoah, das Martyrium des jüdischen Volkes in Europa, steht, oder an Hiroshima und Nagasaki, Orte des Grauens des Atomkrieges. Aber wie schon gesagt, zwei Städte nehmen einen besonderen Stellenwert ein, und zwar nicht nur für die Christen, sondern für alle: Rom, Symbol der universalen 1190 KONGREGATIONEN UND RÄTE Sendung der Kirche, und Jerusalem, heilige und verehrungswürdige Stätte für alle, die den Glaubensweg Abrahams gehen; „Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort“. <877> Das zeigt uns das letzte Ziel des Pilgerwegs der ganzen Menschheit, nämlich „die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommend“. <878> Wir schreiten zu ihr hin und singen: „Wir sind ein Volk, das auf dem Weg ist, / und wandernd wünschen wir zusammen eine Stadt zu erreichen, / eine Stadt, die nie vergeht, / ohne Sorgen und Leiden, / eine Stadt der Ewigkeit“. <879> <877> Jes 2,3. <878> Vgl. Offb 21,2. <879> „Somos un pueblo que camina / y juntos caminando queremos alcanzar / una ciudad que no se acaba / sin pena ni tristeza / ciudad de etemidad“ (Lateinamerikanisches Lied). Gerade weil die Kirche die Armut des pilgernden buddhistischen Mönches schätzt, wie auch den betrachtenden Weg des Tao, den heiligen Reiseweg des Hinduismus nach Benares, den „Pfeiler“ des Pilgems zu den Quellen des eigenen Glaubens der Moslems, und jeden anderen Weg hin zum Vollkommenen und hin zu den Brüdern, vereinigt sie sich mit all denen, die sich in leidenschaftlicher und ehrlicher Weise dem Dienst am Schwachen, am Flüchtling, am Verbannten, am Bedrückten widmen, indem sie mit ihnen eine „Pilgerreise der Brüderlichkeit“ unternimmt. Das ist der Sinn des Jubiläums der Barmherzigkeit, das sich am Horizont des dritten Jahrtausends abzeichnet, Ziel für die Schaffung einer gerechteren menschlichen Gesellschaft, in der den Entwicklungsländern die Schulden nachgelassen werden sollten und eine gleichförmigere Verteilung der Güter der Erde angestrebt werden sollte, im Geist der biblischen Vorschriften. <880> <880> Vgl. Lev 25. Der Pilgerweg des Christen heute 32. Jeder Christ ist eingeladen, sich einzufügen und teilzunehmen an dem großen Pilgerweg, den Christus, die Kirche und die Menschheit gegangen sind und in der Geschichte noch weitergehen. Das Heiligtum, zu dem er uns führt, muss „das Offenbarungszelt“ werden, wie die Bibel die Bundeslade <881> nennt. Denn dort vollzieht sich eine grundlegende Begegnung, welche die verschiedenen Dimensionen offenbart und sich in vielen Erscheinungsweisen zeigt. In diese Reihe von Aspekten können wir eine Pastoral der Wallfahrt einordnen. <881> Vgl. Ex 27,21; 29,4.10-11.30.42.44. Gelebt als Feier des eigenen Glaubens ist die Wallfahrt für den Christen ein Ausdruck der Verehrung, die in Treue zur Tradition mit tiefem religiösem Empfinden als Verwirklichung seiner österlichen Existenz <882> erfüllt wird. <882> Vgl. Kongregation für den Gottesdienst, Orientamenti und Vorschläge für die Feier des Marianischen Jahres (3.4.1987): Notitae 23 (1987), S. 342-396. 1191 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die der Wallfahrt eigene Dynamik zeigt klar einige Abschnitte des Weges, die vom Pilger erreicht und ein Losungswort für sein ganzes Glaubensleben werden: Das sich auf den Weg Begeben bezeugt seinen Entschluss, bis zum Ziel voranzugehen und die spirituellen Vorsätze seiner Berufung durch die Taufe zu verwirklichen. Das Gehen bringt ihn zur Solidarität mit seinen Brüdern und zur notwendigen Vorbereitung auf die Begegnung mit seinem Herrn. Der Besuch der heiligen Stätten lädt ihn ein, das Wort Gottes anzuhören und an der sakramentalen Feier teilzunehmen. Endlich erinnert ihn die Rückkehr an seine Sendung in der Welt als Zeuge des Heils und als Friedensstifter. Es ist wichtig, diese allein oder in einer Gruppe gelebten Abschnitte der Wallfahrt durch Verehrung und Ausdrücke eines Kultes hervorzuheben, welche die authentische Dimension offenbaren. Dafür können die von den liturgischen Büchern vorgeschlagenen Texte verwendet werden. Die Aspekte, die jede Wallfahrt notwendigerweise einschließen muss, werden in harmonischer Weise mit der rechten Achtung der Tradition jedes Volkes verbunden und tragen in angemessener Weise den Bedingungen der Pilger Rechnung. Es kommt der Bischofskonferenz jedes Landes zu, die geeignetsten pastoralen Leitlinien für die verschiedenen Situationen vorzugeben und Seelsorgsstrukturen zu schaffen, die für ihre Umsetzung notwendig sind. In der diözesanen Wallfahrtsseelsorge wird den Wallfahrtsorten eine besondere Rolle zukommen. Doch müssen auch Pfarreien und andere kirchliche Gruppen in diesen Pastoralstrukturen vertreten sein, weil sie ja auch Hauptgestalter und Ausgangspunkte der Großzahl der Pilgerreisen sind. Die seelsorgliche Aktivität muss es dem Gläubigen ermöglichen, durch die Besonderheit jeder Wallfahrt einen wesentlichen Glaubensweg zu gehen. <883> Durch eine geeignete Katechese und ein aufmerksames Begleiten durch die Seelsorger wird das Vorstellen der grundlegenden Aspekte der christlichen Wallfahrt neue Perspektiven für die Praxis der Pilgerfahrt im Leben der Kirche eröffnen. <883> Johannes Paul II., Ansprache an eine Gruppe nordamerikanischer Bischöfe beim „Ad-limina“-Besuch (21.9.1993): AAS 86(1994)495. 33. Das Ziel, zu dem der Weg des Pilgers hinführt, ist vor allem das Zelt der Begegnung mit Gott. Schon Jesaja bezieht sich auf diese Worte Gottes: „mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt.“ <884> „Am Ende des Weges, auf dem sich sein brennendes Herz danach sehnt, das Antlitz Gottes zu schauen“, <885> im Heiligtum, welches das göttliche Versprechen erfüllt, „meine Augen und mein Herz werden allezeit hier weilen“, <886> begegnet der Pilger dem Geheimnis Gottes, entdeckt er sein Antlitz der Liebe und des Erbarmens. In besonderer Weise erfüllt <884> Jes 56,7. <885> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am ersten Weltkongreß für Wallfahrtsheiligtümer (28.2.1992); dt. in: D.A.S., 1992, S. 578 ff. <886> 1 Kön 9,3. 1192 KONGREGATIONEN UND RÄTE sich diese Erfahrung in der eucharistischen Feier des österlichen Geheimnisses, in dem Christus „der Höhepunkt der Offenbarung des unerforschlichen Geheimnisses Gottes“ <887> ist; dort verehrt man Gott, der immer bereit ist für die Gnade durch Maria, die Mutter Gottes, <888> und wo Er wunderbar in seinen Heiligen ist und in ihnen verherrlicht wird. <889> <887> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 8. <888> Vgl. ebd., Nr. 9. <889> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 50. Bei der Wallfahrt erkennt der Mensch, dass er „zum Dialog mit Gott schon von seinem Ursprung her aufgerufen ist“. <890> Folglich wird ihm so geholfen, den ihm angebotenen Weg, der Christus ist, das fleischgewordene Wort, zu entdecken, „um in Vertrautheit mit Gott zu bleiben“. Die Stationen des christlichen Pilgerweges müssen „diesen wesentlichen Punkt, durch den sich das Christentum von den anderen Religionen unterscheidet“, <891> klar herausstellen. In ihrer Gesamtheit muss die Wallfahrt bezeugen, „daß der Schöpfer für den Menschen keine anonyme und ferne Kraft ist: er ist der Vater“, <892> und wir alle sind seine Kinder, Brüder im Herrn Jesus Christus. Die pastoralen Bemühungen müssen so ausgerichtet sein, dass diese grundlegende Wahrheit des christlichen Glaubens <893> weder durch die Kulturen und traditionelle Gepflogenheiten noch durch neuen Zeitgeschmack und geistliche Bewegungen getrübt wird. Der pastorale Einsatz wird jedoch auch auf eine beständige Inkulturation der Botschaft des Evangeliums in jede Kultur jedes Volkes hinzielen. <890> II. Vatikan. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 19. <891> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 6. <892> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 26. <893> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 240. Und endlich wird die Wirksamkeit der heiligen Stätten immer mehr an der Bereitschaft gemessen, mit der sie dem wachsenden Bedürfnis des Menschen <894> im schnellebigen Rhythmus des modernen Lebens „nach einem stillen und gesammelten Kontakt mit Gott und mit sich selbst“ antworten. Der Verlauf und das Ende der Wallfahrt werden zum Aufblühen des Glaubens und zur kraftvollen Gemeinschaft mit Gott im Gebet führen. So wird sich die Verkündigung des Propheten Maleachi vorbildhaft verwirklichen: „Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang steht mein Name groß da bei den Völkern, und an jedem Ort wird meinem Namen ein Rauchopfer dargebracht und eine reine Opfergabe; ja, mein Name steht groß da bei den Völkern, spricht der Herr der Heere.“ <895> <894> Johannes Paul II., Brief zur Siebenhundertjahrfeier des Wallfahrtsortes Loreto (15.8.1993); O.R.dt., 42, 1993, S. 10. <895> Mal 1,11. 34. Die Wallfahrt führt hin zum Zelt der Begegnung mit dem Wort Gottes. Die wesentliche Erfahrung des Pilgers muss die des Hörens sein, denn „von Zion 1193 KONGREGATIONEN UND RÄTE kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort“. <896> Die erste Aufgabe der heiligen Reise ist darum die Evangelisierung, die oft mit den heiligen Orten verwurzelt ist. <897> Die Verkündigung, das Lesen und die Meditation des Evangeliums müssen den Pilger begleiten, wie auch der eigentliche Aufenthalt im Heiligtum, damit verwirklicht wird, was der Psalmist bekräftigt: „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade.“ <898> <896> Jes 2,3. <897> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, Nr. 47. <898> Ps 119,105. Die Momente der Wallfahrt sind schon aufgrund der Umstände, durch die sie hervorgerufen werden, der Ziele, die sie anstreben, der Nähe zu den täglichen Bedürfnissen und Freuden ein Boden, bereit zur Aufnahme des Wortes Gottes in die Herzen. <899> So wird das Evangelium Kraft für den Glauben, Nahrung für die Seele und reiner, unversiegbarer Quell für das geistliche Leben. <900> <899> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die französ. Diözesan-Wallfahrtsleiter (17.10.1980): Insegnamenti, Johannes Paul II., 111,2(1980)894-897. <900> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 21. Das gesamte pastorale Handeln im Dienst der Wallfahrt muss seine Anstrengungen auf dieses Hinführen des Pilgers zum Wort Gottes konzentrieren. Einerseits sollten Anregungen für ein katechetisches Vorgehen getroffen werden, geeignet für die Gegebenheiten seines Glaubenslebens und Ausdruck seiner kulturellen Wirklichkeit, durch Medien, die wirklich zugänglich sind und als wirksam erprobt wurden. Andererseits sollte diese katechetische Darbietung, indem sie die in den zu besuchenden Orten gefeierten Ereignisse und die ihnen eigene Natur berücksichtigt, weder die notwendige Rangordnung in der Darlegung der Glaubenswahrheiten <901> noch ein Hineinstellen in den liturgischen Verlauf, an dem die ganze Kirche teilhat, vergessen. <902> <901> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 25. <902> II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 102; Collectio Missarum de beata Maria Vergine, Introductio, 6. 35. Die Wallfahrt führt dann zu dem Zelt der Begegnung mit der Kirche, der „Versammlung derer, die das Wort Gottes zusammenruft, damit sie das Volk Gottes bilden und, durch den Leib Christi genährt, selbst Leib Christi werden“. <903> Die Erfahrung des gemeinsamen Lebens mit den Brüdern und Schwestern als Pilger wird auch eine Gelegenheit, das Volk Gottes auf dem Weg zum Jerusalem des Friedens neu zu entdecken im Lob und im Gesang, in dem einen Glauben und der Einheit der Liebe des einen Leibes, der Christus ist. Der Pilger muss sich als Glied der einen Familie Gottes fühlen, umgeben von vielen Brüdern und Schwestern im Glauben unter der Führung des „erhabenen Hirten seiner Schafe“, <904> der uns führt „auf <903> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 777. <904> Hebr 13,20. 1194 KONGREGATIONEN UND RÄTE rechtem Pfad, treu seinem Namen“ <905> unter der sichtbaren Leitung der Hirten, die er mit der Aufgabe, sein Volk zu führen, betraut hat. <905> Ps 23,3. Diese von einer Pfarrgemeinde, von einem kirchlichen Verein, von einer Diöze-sangemeinschaft oder auch von größeren Gruppen unternommenen Pilgerfahrten werden ein Zeichen des kirchlichen Lebens. <906> Dies erleichtert das Bewusstwerden für jeden Teilnehmer, nach der eigenen Berufung und dem eigenen Dienst Teil der Kirche zu sein. <906> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die französischen Bischöfe beim „Ad-limina“-Besuch (4.4.1992): AAS 85(1993)368; dt. in: D.A.S. 1993, S. 1124 f. Eine besondere Bedeutung kommt auch dem geistlichen Begleiter zu. Seine Aufgabe gehört ganz zum priesterlichen Dienst, in dem die Priester „die Familie Gottes versammeln, die als Gemeinschaft von Brüdern nach Einheit verlangt, und sie durch Christus im Geiste zu Gott dem Vater führen“. <907> Zur Ausübung seines Amtes muss er über eine spezifische, katechetische Ausbildung verfügen, um in Treue und mit Klarheit das Wort Gottes übermitteln zu können. Ebenso muss er eine angemessene psychologische Vorbereitung haben, um die Verschiedenheit aller Pilger auf greifen und verstehen zu können. Von großem Nutzen werden ihm auch die Kenntnisse in Geschichte und Kunst sein, die ihn befähigen, den Pilger durch die Kunstwerke in den aus ihnen hervorgehenden Reichtum der Katechese einzuführen, denn sie stellen in den Heiligtümern doch ein bleibendes Zeugnis kirchlichen Glaubens dar. <908> <907> II. Vatikan. Konzil, Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 6. <908> vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores davo vobis (4.4.1992), Nm. 71-72: AAS 84(1992)782-787. Andererseits dürfen die Priester in diesem Dienst nicht die besondere Aufgabe der Laien im lebendigen Umfeld der Kirche als „communio“ vergessen. <909> Ihre aktive Teilnahme am liturgischen <910> und katechetischen Leben, ihre besondere Verantwortung bei der Bildung der kirchlichen Gemeinschaft <911> und ihre Fähigkeit, die Kirche in den verschiedensten Bereichen der menschlichen Gegebenheiten <912> zu vertreten, befähigt sie - nach einer angemessenen, speziellen Vorbereitung -, an der religiösen Belebung der Wallfahrten mitzuarbeiten und den Brüdern und Schwestern während ihres gemeinsamen Weges beizustehen. <909> vgj Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Christifidelis iaici, Nr. 18. <910> Vgl. ebd., 23. <911> Vgl. ebd., 34. <912> Vgl. ebd., 7. Die Wallfahrtsseelsorge sollte auch eine ähnliche geistliche Begleitung für diejenigen vorsehen, die in kleinen Gruppen oder auch einzeln eine Wallfahrt unternehmen. In jedem Fall mögen die Verantwortlichen für die Wallfahrtsorte die notwendigen Mittel zu einem guten Empfang bereitstellen, damit der Pilger sich 1195 KONGREGATIONEN UND RÄTE bewusst wird, auf seinem Weg Teilnehmer der Wallfahrt im Glauben der ganzen Kirche zu sein. Die Begegnung des Pilgers mit der Kirche und seine Erfahrung, Teil des Leibes Christi zu sein, sollten in der Erneuerung seines Taufversprechens Ausdruck finden. Die Wallfahrt gibt in gewisser Weise den Glaubensweg wieder, der ihn einst zum Taufbecken führte <913> und der sich jetzt in erneuerter Weise durch die Teilnahme an den Sakramenten zeigt. <913> Vgl. Johannes Paul II., Predigt in der Basilika von Aparecida, Brasilien (4.7.1980); O.R.dt., 29, 1980, S. 8. 36. Das Heiligtum ist deshalb auch Zelt der Begegnung in der Versöhnung. Denn dort wird in der Tat das Gewissen des Pilgers aufgerüttelt; dort bekennt er seine Sünden, es wird ihm vergeben, und er vergibt, dort wird er durch das Sakrament der Versöhnung ein neuer Mensch, der die Gnade und das göttliche Erbarmen erlebt. In der Wallfahrt wird die Erfahrung des verlorenen Sohnes in der Sünde nacherlebt, der die Härte der Prüfung und der Buße kennt und unter Mühen im Fasten und Opfern die Rückkehr antritt. Aber er kennt auch die Freude der Umarmung mit dem Vater, verschwenderisch in Barmherzigkeit, der ihn vom Tod zum Leben führt: „Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ <914> Die Wallfahrtsorte sollten deshalb Orte sein, an denen das Sakrament der Buße mit gesteigerter Kraft und aktiver Teilnahme, mit gut gestalteter Liturgie, mit der Bereitschaft der Seelsorger und auch mit Zeit in Gebet und Gesang gefeiert wird; denn die persönliche Umkehr soll ein göttliches Siegel haben und kirchlich gelebt werden. <914> Lk 15,24. Die Wallfahrt, die zum Heiligtum führt, muss ein Weg der Bekehrung sein, getragen von der festen Hoffnung auf die unendliche Tiefe und Kraft des von Gott angebotenen Verzeihens; der Weg der Bekehrung, der „das tiefste Element der Wallfahrt jedes Mannes und jeder Frau auf Erden in ,statu viatoris1 aufzeichnet“. <915> <915> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 13. 37. Das Ziel der Wallfahrt muss das Zelt der eucharistischen Begegnung mit Christus sein. Wenn die Bibel das vortreffliche Buch des Pilgers ist, so ist die Eucharistie das Brot, welches ihn auf dem Weg nährt, wie es für Elija beim Aufstieg auf den Berg Horeb war <916>. Die Versöhnung mit Gott und unseren Brüdern und Schwestern mündet in der Eucharistiefeier. Sie begleitet schon die verschiedenen Abschnitte der Wallfahrt, die das Pascha des Exodus, aber noch mehr das Pascha, das Christus in Jerusalem feierte, am Ende seines langen Weges hin zum Kreuz und der Verherrlichung, widerspiegeln. Nach den allgemeinen liturgischen und den besonderen Hinweisen der einzelnen Bischofskonferenzen sind „in den Heiligtümern den Gläubigen reichlicher die Heilsmittel anzubieten durch eifrige Verkündigung des Gotteswortes, durch geeignete Pflege des liturgischen Lebens, be- <916> Vgl. 1 Kön 19,4-8. 1196 KONGREGATIONEN UND RÄTE sonders der Feier der Eucharistie und des Bußsakramentes, wie auch der gutgeheißenen Formen der Volksfrömmigkeit“. <917> <917> Codex des kanonischen Rechtes, Can. 1234 § 1. Besondere pastorale Aufmerksamkeit sei den Pilgern Vorbehalten, die sich wegen ihrer allgemeinen Lebenssituation zum Wallfahrtsort begeben, um aus besonderen Anlässen das Wort Gottes zu hören und die Eucharistie zu feiern. Sie können in der Freude dieses Ereignisses den Ruf entdecken, sich im täglichen Leben als Boten und Baumeister des Reiches Gottes, seiner Gerechtigkeit und seines Friedens zu betätigen. 38. So versteht man also, dass die Wallfahrt auch das Zelt der Begegnung mit der Wohltätigkeit ist. Vor allem der Wohltätigkeit Gottes, der uns als erster geliebt hat und seinen Sohn in die Welt gesandt hat. Diese Liebe zeigt sich nicht nur im Geschenk Christi als Sühneopfer für unsere Sünden, <918> sondern auch in den wunderbaren Zeichen, die heilen und trösten, wie Christus es selbst während seiner irdischen Wanderschaft tat und wie es sich in der Geschichte der Wallfahrtsorte noch immer wiederholt. <918> Vgl. 1 Joh 4,10. „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“ <919> Die Liebe sollte auch schon auf dem Pilgerweg zum Ausdruck kommen, indem man den Flilfsbedürftigen Beistand leistet und das Essen, die Zeit und die Hoffnung geteilt werden im Bewusstsein, auf diese Weise neue Reisegefährten zu finden. Eine lobenswerte Geste einer solchen Liebe ist die in vielen Orten bestehende Tradition, nach der die Pilger als Ausdruck ihrer Frömmigkeit Gaben darbringen, die unter den Ärmsten verteilt werden können. Die Seelsorge muss solche Gesten fördern und sich einer Katechese bedienen, die immer die Empfindungen der Pilger achtet und Initiativen ergreift, welche der Absicht dieser Opfergaben Rechnung tragen. Hier soll die Arbeit hervorgehoben werden, die in einigen Wallfahrtsorten zur Unterstützung der karitativen Institutionen oder Hilfsprojekte zugunsten von Gemeinden in den Entwicklungsländern begonnen wurde. <919> Ebd., 4,11. Bei der Wallfahrt sollte den Kranken im Gedenken an die Worte des Herrn besondere Wohltätigkeit erbracht werden: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ <920> Die Betreuung der kranken Pilger ist der bedeutsamste Ausdruck der Liebe, der die Herzen aller Christen auf dem Weg zum Heiligtum beseelen sollte. Gerade die kranken Pilger sollten mit einer herzlichen Gastfreundschaft empfangen werden. Deshalb müssen die Formen der Aufnahme, die angebotenen Dienste, die Kommunikation und der Transport entsprechend eingerichtet und mit Würde, Aufmerksamkeit und Liebe geleitet werden. <920> Mt 25,40. Ihrerseits sollen die Kranken die Liebe Christi in sich erstrahlen lassen, damit sie ihre Krankheit als einen Weg der Gnade und der eigenen Hingabe gehen. Ihr Pil- 1197 KONGREGATIONEN UND RÄTE gern zu den Orten, an denen die Gnade Gottes durch besondere „Zeichen“ sichtbar geworden ist, wird ihnen helfen, selbst Verkünder des Evangeliums unter den anderen Leidensgefährten zu sein. Und so werden sie aus „Objekten des Mitleids“ zu Subjekten mit Verantwortung und Tatkraft, wahre „Pilger des Herrn“ auf allen Straßen der Welt. 39. Die Wallfahrt führt jedoch auch zu dem Zelt der Begegnung mit der Menschlichkeit. Alle Religionen der Welt haben, wie bereits gesagt, ihre heiligen Pilgerwege und ihre heiligen Städte. An jedem Ort der Erde geht Gott selbst dem pilgernden Menschen entgegen und ruft eine universelle Versammlung ein, um in ganzer Fülle an der Freude Abrahams teilzunehmen. <921> Besonders die drei großen monotheistischen Religionen sind aufgerufen, das „Zelt der Begegnung“ im Glauben wiederaufzufinden, um Zeugen und Bauherrn zu sein zum Heil der Geschichte in messianischer Gerechtigkeit und in Frieden vor allen Völkern. <921> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Gaudete in Domino, Kap. V. Es ist bemerkenswert und sollte von der Seelsorge beachtet werden, dass nicht wenige christliche Heiligtümer Ziel von Gläubigen anderer Religionen sind, sei es aufgrund einer jahrhundertelangen Tradition oder auch wegen der Immigration in jüngerer Zeit. Das ist Anregung für den pastoralen Einsatz der Kirche, auf diese Tatsache mit Initiativen, wie die der freundlichen Aufnahme, des Dialogs, der Hilfe und der wahren Brüderlichkeit <922> zu antworten. Die von den Pilgern erfahrene Aufnahme wird ihnen gewiss Hilfe sein, den tiefen Sinn der Wallfahrt zu verstehen. Die heilige Stätte muss für sie Ort jener Ehrfurcht sein, die wir vor allem durch die Reinheit unseres Glaubens in Christus, den alleinigen Retter der Menschheit, bekunden müssen. <923> <922> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, Nr. 37. <923> Vgl. 1 Tim 2,5. Es muss auch beachtet werden, dass außer den großen ökumenischen Versammlungen und den interreligiösen Treffen, der Christ allen nahe sein muss, die Gott mit ehrlichem Herzen, den Wegen des Geistes folgend, suchen, „ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern“. <924> Ihre Wallfahrt selbst führt sie oft in fremde Länder und lässt sie andere Gebräuche, Sitten und Kulturen kennenlemen. Sie sollte deshalb zu einer Gelegenheit werden für eine solidarische Gemeinschaft mit den Werten anderer Völker, mit den Brüdern und Schwestern der einen Menschheitsfamilie im allen gemeinsamen Ursprung des einen Schöpfers. <924> Apg 17,27. Das Pilgern ist auch ein Augenblick des Zusammenlebens mit Personen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Bildung. Gemeinsam soll man auf dem Weg voranschreiten, um dann gemeinsam im kirchlichen und sozialen Leben weiterzugehen. Die Jugendlichen mit ihren Märschen und ihren Weltjugendtagen; die Alten und Kranken, manchmal zusammen mit den Jugendlichen, hin zu den tradi- 1198 KONGREGATIONEN UND RÄTE tionellen Wallfahrtsorten. In ihrer großen Verschiedenheit vollziehen die Pilger das, was der Psalmist empfiehlt: „ihr Könige der Erde und alle Völker, ihr Fürsten und alle Richter auf Erden, ihr jungen Männer und auch ihr Mädchen, ihr Alten mit den Jungen! Loben sollen sie den Namen des Herrn; denn sein Name allein ist erhaben, seine Hoheit strahlt über Erde und Himmel.“ <925> <925> Ps 148,11-13. 40. Die Wallfahrt hat als Ziel auch das Zelt der persönlichen Begegnung mit Gott und mit sich selbst. Eingespannt in die Vielfalt der täglichen Sorgen und Begebenheiten, braucht der Mensch ein „Zusichselbstfinden“ durch Überlegung, Meditation, Gebet, Gewissenserforschung und Stille. In dem heiligen Zelt des Wallfahrtsortes muss er sich befragen, was „von der Nacht“ seines Geistes noch bleibt, wie es Jesaja in seinem Gesang vom Wächter sagt: „Es kommt der Morgen, es kommt auch die Nacht. Wenn ihr fragen wollt, kommt wieder, und fragt!“ <926> Die großen Fragen über den Sinn der Existenz, des Lebens, des Todes, des letzten Schicksals des Menschen, sollten im Herzen des Pilgers widerhallen, damit die Reise nicht nur eine Bewegung des Körpers, sondern auch ein Weg der Seele ist. In der inneren Stille offenbart sich Gott selbst als ein „sanftes, leises Seuseln“, <927> welches das Herz und das Sein verwandelt. Nur so überfallen einen bei der Rückkehr nach Hause nicht erneut die Ablenkungen und die Oberflächlichkeit, sondern man bewahrt einen Funken des Lichtes, den man in der Seele empfangen hat, und wird das Bedürfnis spüren, in Zukunft die Erfahrung des persönlichen Erfülltseins erneut zu machen: „Wohl den Menschen, die Kraft finden in Dir, wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten.“ <928> <929> <926> Jes 21,12. <927> 1 Kön 19,12. <928> Ps 84,6. <929> Vgl. Pi 123,2. So wird der Pilger den Weg gehen, begleitet von den liturgischen Gebeten der Kirche und den ganz einfachen Übungen der Frömmigkeit, und auch mit den persönlichen Gebeten und Augenblicken der Stille, mit der Betrachtung, wie sie aus den Herzen der Ärmsten hervorquillen, die „die Augen auf die Hand ihres Herrn richten“.* 4L Während einer Wallfahrt hat man Gelegenheit, in das Zelt der kosmischen Begegnung mit Gott einzutreten. Oft sind die Wallfahrtstätten in einer außergewöhnlich schönen Landschaft gelegen, zeigen künstlerische Formen von großem Reiz, fassen alte geschichtliche Erinnerungen in sich zusammen, sind Ausdruck von hochstehenden und volkstümlichen Kulturen. So darf also die Wallfahrt auch diese Dimensionen des Geistes nicht ausschließen. Denn gerade in der großen Offenheit für die Schönheiten der Natur zeigt sich eine wertvolle geistliche Dimension des modernen Menschen. Diese Betrachtung möge zum Thema von 1199 KONGREGATIONEN UND RÄTE Augenblicken des Nachdenkens und des Gebetes werden, damit der Pilger Gott loben kann für die Himmel, die seine Herrlichkeit rühmen, <930> und sich selbst berufen fühlt, im Dienst an der Welt zu stehen in Heiligkeit und Gerechtigkeit. <931> Es muss noch berücksichtigt werden, dass in gewissem Sinn jede Wallfahrt einen Aspekt des religiösen Tourismus enthüllt, der nicht nur wegen der kulturellen Bereicherung des Menschen gepflegt werden muss, sondern auch wegen der Fülle des Geistes. <930> Vgl. Ps 19,2. <931> Vgl. Weish 9.3. Die Schönheit bewundern ist Quelle der Spiritualität. Deshalb sind „die volkskünstlerisch wertvollen Votivgaben und Frömmigkeitsdokumente in den Heiligtümern oder in der Nähe sichtbar aufzustellen und sicher aufzubewahren“. <932> Dem Pilger sollten diese Schätze durch Führer oder andere Unterlagen erklärt werden. Denn durch die künstlerische Schönheit und die Natürlichkeit der jahrhundertelangen Zeugnisse des Glaubens hat er die Möglichkeit, durch die Kunst Gott seine Freude und seine Hoffnung in einem Lied darzubringen, <933> und in der Betrachtung der wunderbaren Dinge die Ausgeglichenheit wiederzufinden, „denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen“. <934> Das seelsorgliche Handeln wird gleicherweise alle einschließen, auch diejenigen, die sich aus anderen Beweggründen, etwa kulturellen oder touristischen, auf die Pilgerwege begeben. Die Art, die verschiedenen Orte und Monumente vorzustellen, zeige deutlich ihr klares Verhältnis mit dem Pilgerweg, mit dem geistlichen Ziel, zu dem sie hinführen wollen, und mit der Glaubenserfahrung, durch die sie entstanden und auch heute noch beseelt werden. Man biete diese Informationen den Organisatoren solcher Reisen an, damit diese in der rechten Ehrfurcht begonnen werden und so zur kulturellen Bereicherung der Reisenden und ihres geistlichen Fortschrittes beitragen können. <932> Codex des kanonischen Rechtes, Can. 1234 § 2. <933> Vgl. Ps 47,8. <934> Weish 13,5; vgl. Rom 1,19-20. 42. Endlich ist auch die Wallfahrt oft der Weg um einzutreten in das Zelt der Begegnung mit Maria, der Mutter Gottes. In Maria vereinigt sich der Pilgerweg des göttlichen Wortes zur Menschheit hin mit dem Pilgerweg des Glaubens der Menschheit, <935> sie ist „diejenige, die auf dem Pilgerweg des Glaubens voranschreitet“ <936> und für den Weg der ganzen Kirche ,Leitstern der Evangelisierung“ <937> wird. Die großen Marien-Wallfahrtsorte (wie Lourdes, Fatima oder Lo-reto; Tschenstochau, Altötting oder Mariazell; Guadalupe, Aparecida oder Lujän) 180 vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Marialis cultus, Nr. 37. <936> Johannes Paul II., F.nzyklika Redcmpioris Maier. Nr. 25. <937> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelü mmtiandi, Nr. 82. 1200 KONGREGATIONEN UND RÄTE und die kleineren Heiligtümer, die der Volksfrömmigkeit in endlos großer Zahl in über tausend Orten ihre Errichtung verdanken, können vorzügliche Stätte der Begegnung mit ihrem Sohn, den sie uns schenkt, sein. Ihr Schoß ist das erste Heiligtum, das Zelt der Begegnung zwischen Gottheit und Menschheit gewesen, über das der Heilige Geist gekommen ist, und „die Kraft des Höchsten hat es überschattet“. <938> <938> Lk 1,35. Der Christ beginnt seine Pilgerschaft mit Maria über die Straßen der Liebe hin zu Elisabet, die alle Schwestern und Brüder der Welt vertritt, um mit ihnen eine Verbindung des Glaubens und des Lobes zu schaffen. <939> Das „Magnificat“ wird so der vorzügliche Gesang nicht nur der „peregrinatio Mariae“, sondern auch unserer Pilgerschaft in Hoffnung. <940> Der Christ begibt sich mit Maria auf den Pilgerweg über die Straßen der Welt bis hin zum Kalvarienberg, um bei ihr und dem Lieblingsjünger zu sein, denn Christus hat sie ihm als Mutter anvertraut. <941> Der Christ begibt sich mit Maria auf den Weg über die Straßen des Glaubens, um zum Abendmahlssaal zu gelangen und dort mit ihr von ihrem auferstandenen Sohn das Geschenk des Heiligen Geistes zu empfangen. <942> <939> Vgl. ebd., 1,39-56. <940> Vg. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater, Nr. 37. <941> Vgl. Joh 19,26-27. <942> Vgl. Apg 1,14; 2,1-4. Die Liturgie und die christliche Frömmigkeit bieten den Pilgern zahlreiche Beispiele wie sie sich an Maria, die Begleiterin auf dem Pilgerweg, wenden können. Auf sie sollen sie sich beziehen und dabei vor allem bedenken, dass die der Jungfrau Maria erbrachten Bezeugungen der Frömmigkeit immer klar in der trinitari-schen und christologischen Dimension auszudrücken sind, in einer wahren und wesentlichen Art. <943> Indem sie eine natürliche Marienverehrung <944> fördern, bereichern die Pilger ihre tiefe Verehrung für die Mutter Gottes mit neuen Formen und Festlichkeiten, die ihren innersten Empfindungen entspringen. <943> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Marialis cultus, Nr. 25. <944> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 67. Zusammenfassung 43. Die Wallfahrt steht symbolisch für die Erfahrung des „homo viator“, der, gerade aus dem Mutterschoß hervorgekommen, sich auf den Weg durch Zeit und Raum seiner Existenz begibt; die fundamentale Erfahrung Israels auf dem Weg zum gelobten Land der Verheißung und der vollen Freiheit; die Erfahrung Christi, der von der Erde Jerusalems in den Himmel auffährt und so den Weg zum Vater öffnet; die Erfahrung der Kirche in der Geschichte, die hinaufschreitet zum himmlischen Jerusalem; die Erfahrung der ganzen Menschheit, die auf Hoffnung und 1201 KONGREGATIONEN UND RATE Fülle hinschreitet. Jeder Pilger müsste bekennen: „Durch die Gnade Gottes bin ich Mensch und Christ, durch meine Taten ein großer Sünder, durch die Umstände ein Pilger ohne Dach, auch ein ganz, ganz einfacher, der umhergeht von Ort zu Ort. Meine Habe sind ein Sack auf den Schultern und ein wenig trockenes Brot und die Heilige Schrift, die ich unter dem Hemd trage. Mehr habe ich nicht.“ <945> Das Wort Gottes und die Eucharistie begleiten uns auf diesem Pilgerweg zum himmlischen Jerusalem, von dem die Heiligtümer lebendiges und sichtbares Zeichen sind. Wenn wir es erreicht haben, werden sich die Pforten des Reiches öffnen, wir werden das Kleid der Reise und den Pilgerstab ablegen und in unser endgültiges Haus eintreten, „um für immer beim Herrn zu sein“. <946> Dort wird er in unserer Mitte sein, „wie der, der bedient“, <947> und er wird Mahl mit uns halten und wir mit ihm. <948> <945> Anonymer russischer Pilger, Erzählungen, I. <946> Vgl. 1 Thess4,n. <947> Lk 22,27. <948> Vgl. Offb 3,20. Papst Johannes Paul II. hat die Veröffentlichung dieses Dokumentes am 11. April 1998 gebilligt. Vatikanstadt, 25. April 1998 Giovanni Kardinal Cheli Erzbischof Francesco Gioia Präsident Sekretär 1202 KONGREGATIONEN UND RÄTE Professio fidei et iusiurandum fidelitatis in suscipiendo officio nomine Ecclesiae exercendo — Glaubensbekenntnis und Treueid bei der Übernahme eines im Namen der Kirche auszuübenden Amtes - Lehrmäßiger Kommentar zur Schlußformel der Professio fidei Kongregation für die Glaubenslehre vom 29. Juni Vorbemerkung Die Gläubigen, die berufen sind, ein Amt im Namen der Kirche auszuüben, sind verpflichtet, das Glaubensbekenntnis nach der vom Hl. Stuhl approbierten Formel abzulegen (vgl. CIC, can. 833). Die Verpflichtung zu einem besonderen Treueid bezüglich der einzelnen Pflichten, die zu dem zu übernehmenden Amt gehören und der früher nur für die Bischöfe vorgeschrieben war, wurde nun weiter ausgedehnt auf die Kategorien von Personen, die im CIC, can. 833, Nm. 5-8 genannt sind. Es wurde daher notwendig, die zu diesem Zweck geeigneten, nach Stil und Inhalt mehr den Lehren des II. Vatikanischen Konzils und der darauf folgenden Dokumente angeglichenen Texte bereitzustellen. Als Formel des Glaubensbekenntnisses wird wieder vollständig der erste Teil des vorherigen Textes vorgelegt, der seit 1967 in Kraft war und das Nizäno-konstan-tinopolitanische Glaubensbekenntnis enthält (Vgl. AAS 59[1967] 1058). Der zweite Teil wurde abgeändert durch Unterteilung in drei Absätze, mit dem Ziel, die Ordnung der Wahrheiten und die entsprechend erforderte Zustimmung besser zu unterscheiden. Die Formel des Treueids bei der Übernahme eines im Namen der Kirche auszuübenden Amtes, die als Ergänzung zum Glaubensbekenntnis zu verstehen ist, ist festgesetzt für die Kategorien von Gläubigen, die in den Nm. 5-8 des can. 833 angeführt sind. Sie hat einen neuen Wortlaut. Darin sind in den Absätzen 4 und 5 einige Varianten für den Gebrauch von Seiten der Höheren Oberen der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens vorgesehen (vgl. can. 833, Nr. 8). Die Texte der neuen Formeln des Glaubensbekenntnisses und des Treueids treten vom 1. März 1998 an in Kraft. 1203 KONGREGATIONEN UND RÄTE Glaubensbekenntnis (Formel, die zu verwenden ist, wenn das Ablegen des Glaubensbekenntnisses rechtlich vorgeschrieben ist) Ich, N.N., glaube fest und bekenne alles und jedes, was im Glaubensbekenntnis enthalten ist: Ich glaube an den einen Gott, den Vater den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen. Fest glaube ich auch alles, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird, sei es durch feierliches Urteil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt. Mit Festigkeit erkenne ich auch an und halte an allem und jedem fest, was bezüglich der Lehre des Glaubens und der Sitten von der Kirche endgültig vorgelegt wird. Außerdem hange ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden. 1204 KONGREGATIONEN UND RÄTE Treueid bei der Übernahme eines kirchlichen Amtes (Formel, die flir jene Gläubigen zu verwenden ist, die in can. 833, Nm. 5-8 genannt sind) Ich, N.N., verspreche bei der Übernahme meines Amtes eines dass ich in meinen Worten und in meinem Verhalten die Gemeinschaft mit der katholischen Kirche immer bewahren werde. Mit großer Sorgfalt und Treue werde ich meine Pflichten gegenüber der Universalkirche wie auch gegenüber der Teilkirche erfüllen, in der ich berufen bin, meinen Dienst nach Maßgabe der rechtlichen Vorschriften zu verrichten. Bei der Ausübung meines Amtes, das mir im Namen der Kirche übertragen worden ist, werde ich das Glaubensgut unversehrt bewahren und treu weitergeben und auslegen; deshalb werde ich alle Lehren meiden, die dem Glaubensgut widersprechen. Ich werde die Disziplin der Gesamtkirche befolgen und fördern und alle kirchlichen Gesetze einhalten, vor allem jene, die im Codex des kanonischen Rechtes enthalten sind. In christlichem Gehorsam werde ich dem Folge leisten, was die Bischöfe als authentische Künder und Lehrer des Glaubens vortragen oder als Leiter der Kirche festsetzen. Ich werde den Diözesanbischöfen in Treue zur Seite stehen, um den apostolischen Dienst, der im Namen und im Auftrag der Kirche auszuüben ist, in Gemeinschaft mit eben dieser Kirche zu verrichten. So wahr mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien, die ich mit meinen Händen berühre. (Varianten im 4. und 5. Absatz der Formel des Treueids flir jene, die in can. 833, Nr. 8 genannt sind) Ich werde die Disziplin der Gesamtkirche fördern und zur Einhaltung aller kirchlichen Gesetze anhalten, vor allem jene, die im Codex des kanonischen Rechtes enthalten sind. In christlichem Gehorsam werde ich dem Folge leisten, was die Bischöfe als authentische Künder und Lehrer des Glaubens vortragen oder als Leiter der Kirche festsetzen. Unter Wahrung der Anlage und der Zielsetzung meines Instituts werde ich den Diözesanbischöfen gern beistehen, um den apostolischen Dienst, der im Namen und im Auftrag der Kirche auszuüben ist, in Gemeinschaft mit eben dieser Kirche zu verrichten. 1205 KONGREGATIONEN UND RÄTE Lehrmäßiger Kommentar zur Schlussformel der Professio fidei 1. Seit ihren Anfängen hat die Kirche den Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn bekannt und die wesentlichen Inhalte ihres Glaubens in Formeln zusammengefasst. Das zentrale Ereignis des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus, das zunächst in einfachen und danach in komplexeren Wendungen <949> ausgedrückt wurde, machte die ununterbrochene Verkündigung des Glaubens möglich, in der die Kirche weitergegeben hat, was sie „aus Christi Mund ... und durch seine Werke“ empfangen und „unter der Eingebung des Heiligen Geistes“ <950> gelernt hatte. <949> Die einfachen Formeln bekennen in der Regel die messianische Erfüllung in Jesus von Nazaret: vgl. z. B. Mk 8,29; Mt 16,16; Lk 9,20; Joh 20,31; Apg 9,22. Die komplexeren Formeln bekennen die Auferstehung wie auch die zentralen Ereignisse des Lebens Jesu und deren Heilsbedeutung: vgl. z. B. Mk 12,35-36; Apg 2,23-24; 1 Kor 15,3-5; 1 Kor 16,22; F/i/72,7.10-11; Kol 1,15-20; 1 Petr 3,19-22; Offb 22,20. Außer den Bekenntnisformeln des Glaubens, welche die Heilsgeschichte und die historischen im Ostergeheimnis gipfelnden Ereignisse Jesu von Nazaret betreffen, gibt es im Neuen Testament Glaubensbekenntnisse, die sich auf das Sein Jesu beziehen: vgl. 1 Kor 12,3: ,Jesus ist der Herr“. In Röm 10,9 finden sich beide Bekenntnisformen miteinander vereinigt. <950> II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Del Verbum, Nr. 7. Das Neue Testament selbst ist Zeuge des ersten Bekenntnisses, das die Jünger unmittelbar nach den Osterereignissen verkündet haben: „Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf“ <951>. <951> 1 Kor 15,3-5. 2. Ausgehend von diesem unveränderlichen Kern, der Jesus als Sohn Gottes und Herrn bezeugt, sind im Laufe der Zeit Glaubensbekenntnisse zur Bezeugung der Glaubenseinheit und der Kirchengemeinschaft entstanden. In ihnen sind die wesentlichen Wahrheiten zusammengefasst, die jeder Gläubige kennen und bekennen muss. Deshalb hat der Katechumene vor dem Empfang der Taufe das Glaubensbekenntnis abzulegen. Die auf den Konzilien versammelten Väter haben als Antwort auf besondere geschichtliche Erfordernisse, welche verlangten, die Glaubenswahrheiten vollständiger darzulegen oder deren Rechtgläubigkeit zu verteidigen, neue Bekenntnisse formuliert, die bis in unsere Tage „im Leben der Kirche eine ganz besondere Stellung einnehmen“ <952>. Die Verschiedenheit dieser Symbola bringt den Reichtum des einen Glaubens zum Ausdruck; keines von ihnen wird durch eine in Auseinandersetzung mit aktuellen geschichtlichen Situationen entstandene neue Fassung überholt oder entwertet. <952> Katechismus der Katholischen Kirche, Nt. 193. 3. Die Verheißung Christi, den Heiligen Geist zu senden, der „in die ganze Wahrheit führen wird“ <953>, begleitet fortwährend den Weg der Kirche. Aus diesem Grund <953> Vgl. Joh 16,13. 1206 KONGREGATIONEN UND RATE sind im Laufe ihrer Geschichte einige Wahrheiten durch den Beistand des Heiligen Geistes, als sichtbare Etappen der Erfüllung der ursprünglichen Verheißung, definiert worden. Andere Wahrheiten müssen noch tiefer erfasst werden, bevor sie zum vollen Besitz dessen gelangen können, was Gott in seiner geheimnisvollen Liebe den Menschen zu deren Heil offenbaren wollte <954>. k Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Del Verbum, Nr. 11. In ihrer Hirtensorge hat es die Kirche auch jüngst für angemessen gehalten, dem Glauben aller Zeiten noch deutlicheren Ausdruck zu verleihen. Einigen Gläubigen, die berufen sind, in der Gemeinschaft besondere Ämter im Namen der Kirche zu übernehmen, ist zudem die Verpflichtung auferlegt worden, das Glaubensbekenntnis gemäß der vom Apostolischen Stuhl gutgeheißenen Formel öffentlich abzulegen <955>. <955> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Glaubensbekenntnis und Treueid: AAS 81(1989)104-106; CIC, can. 833. 4. Dieser neuen Formel der Professio fidei, die das Nizäno-konstantinopolitani-sche Glaubensbekenntnis wiedergibt, sind am Ende drei Absätze hinzugefügt, deren Ziel es ist, die Ordnung der Wahrheiten, denen der Gläubige anhängt, besser zu unterscheiden. Diese drei Absätze bedürfen einer gründlichen Darlegung, damit ihre vom kirchlichen Lehramt gegebene ursprüngliche Bedeutung richtig verstanden, gut aufgenommen und vollständig bewahrt wird. Mit dem Begriff „Kirche“ werden gegenwärtig verschiedene Inhalte verbunden, die, mögen sie auch wahr und richtig sein, dennoch eine Präzisierung erfordern im Hinblick auf Personen, die in ihr bestimmte spezifische Aufgaben übernehmen. Diesbezüglich ist klar, dass in Sachen des Glaubens und der Sitten nur der Papst und das mit ihm in Einheit stehende Bischofskollegium befähigt sind, das Lehramt mit für die Gläubigen bindender Autorität auszuüben <956>. Die Bischöfe sind „authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer“ <957> des Glaubens; denn sie sind durch göttliche Einsetzung „im Lehr- und Hirtenamt“ Nachfolger der Apostel. Sie üben gemeinsam mit dem Papst die höchste und volle Gewalt über die ganze Kirche aus, auch wenn diese Gewalt nur unter Zustimmung des Bischofs von Rom ausgeübt werden kann <958>. Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25. Ebd., Nr. 25. Vgl. ebd., Nr. 22 5. Der erste Absatz lautet: „Fest glaube ich auch alles, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche als von Gott geoffen-bart zu glauben vorgelegt wird, sei es durch feierliches Urteil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt.“ Mit dieser Formel soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Gegenstand dieses Absatzes alle jene Lehren göttlichen 9 10 1207 KONGREGATIONEN UND RÄTE und katholischen Glaubens umfasst, welche die Kirche als formell von Gott geof-fenbart vorlegt und die als solche unabänderlich sind <959>. <959> Vgl. DH, 3074. Diese Lehren sind im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten und werden durch ein feierliches Urteil als von Gott geoffenbarte Wahrheiten definiert, sei es vom Papst, wenn er „ex cathedra“ spricht, sei es durch das auf einem Konzil versammelte Bischofskollegium, oder sie werden vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt als unfehlbar zu glauben vorgelegt. Diese Lehren verlangen von den Gläubigen die Zustimmung mit theologalem Glauben. Wer deshalb solche Lehren hartnäckig bezweifelt oder leugnet, zieht sich die Beugestrafe der Häresie zu, wie in den entsprechenden Normen der Codices des kanonischen Rechtes angegeben ist <960>. <960> Vgl. C/C, cann. 750, 751, 1364 § 1; CCEO, cann. 598, 1436 § 1. 6. Im zweiten Absatz der Professio fidei heißt es: „Mit Festigkeit erkenne ich auch an und halte an allem und jedem fest, was bezüglich der Lehre des Glaubens und der Sitten von der Kirche endgültig vorgelegt wird.“ Diese Formel besagt, dass der Gegenstand des zweiten Absatzes alle jene Lehren umfasst, die dem dogmatischen und sittlichen <961> Bereich angehören und notwendig sind, um das Glaubensgut treu zu bewahren und auszulegen, auch wenn sie vom Lehramt der Kirche nicht als formell geoffenbart vorgelegt worden sind. <961> Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, Nr. 4: AAS 60(1968)483; Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, Nm. 36-37: AAS 85(1993)1162-1163. Solche Lehren können in feierlicher Form vom Papst, wenn er „ex cathedra“ spricht, oder von dem auf einem Konzil versammelten Bischofskollegium definiert oder vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche als „sententia definitive tenenda“ <962> unfehlbar gelehrt werden. Deshalb ist jeder Gläubige gehalten, diesen Wahrheiten seine feste und endgültige Zustimmung zu geben, die im Glauben an den Beistand, den der Heilige Geist dem Lehramt schenkt, und in der katholischen Lehre von der Unfehlbarkeit des Lehramtes in diesen Bereichen gründet <963>. Wer sie leugnet, lehnt Wahrheiten der katholischen Lehre ab <964> und steht deshalb nicht mehr in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. <962> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Dunen Genthun, Nr. 25. <963> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nm. 8-10; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae, Nr. 3: AAS 65(1973)400-401. 15 Johannes Paul II., Motu proprio Ad tuendamßdem vom 18. Mai 1998. 7. Die diesem zweiten Absatz zugehörenden Wahrheiten können verschieden und in unterschiedlicher Weise mit der Offenbarung verbunden sein. So gibt es Wahrheiten, die mit der Offenbarung aufgrund einer geschichtlichen Beziehung notwendigerweise verknüpft sind; andere lassen einen logischen Zusammenhang erkennen, der eine Etappe im Reifungsprozess der Erkenntnis der Offenbarung zum Ausdruck bringt, den die Kirche zu erfüllen gerufen ist. Die Tatsache, dass diese 1208 KONGREGATIONEN UND RÄTE Lehren nicht als formell geoffenbart vorgelegt werden, insofern sie dem Glaubensgut nicht geoffenbarte oder noch nicht ausdrücklich als geoffenbart erkannte Elemente hinzufügen, nimmt nichts von ihrem endgültigen Charakter, der zumindest wegen der inneren Verbundenheit mit der geoffenbarten Wahrheit gefordert ist. Zudem ist nicht auszuschließen, dass an einem bestimmten Punkt der dogmatischen Entwicklung das Verständnis des Inhalts und der Worte des Glaubensgutes im Leben der Kirche wachsen und das Lehramt dazu kommen kann, einige dieser Lehren auch als Dogmen göttlichen und katholischen Glaubens zu verkünden. 8. Was die Art der Zustimmung betrifft, die den Wahrheiten geschuldet wird, welche von der Kirche als von Gott geoffenbart (erster Absatz) oder als endgültig zu halten vorgelegt werden (zweiter Absatz), ist wichtig zu unterstreichen, dass es hinsichtlich des vollen und unwiderruflichen Charakters der Zustimmung, die den entsprechenden Lehren entgegenzubringen ist, keinen Unterschied gibt. Der Unterschied bezüglich der Zustimmung bezieht sich auf die übernatürliche Tugend des Glaubens: bei Wahrheiten des ersten Absatzes beruht die Zustimmung direkt auf dem Glauben an die Autorität des Wortes Gottes (de fide credenda); bei Wahrheiten des zweiten Absatzes stützt sich die Zustimmung auf den Glauben an den Beistand, den der Heilige Geist dem Lehramt schenkt, und auf die katholische Lehre von der Unfehlbarkeit des Lehramtes (de fide tenenda). 9. Das kirchliche Lehramt kann in einem endgültigen Akt oder einem nicht endgültigen Akt eine Lehre vorlegen, , die als von Gott geoffenbart zu glauben (erster Absatz) oder endgültig zu halten ist (zweiter Absatz). In einem endgültigen Akt wird eine Wahrheit entweder vom Papst „ex cathedra“ oder von einem Ökumenischen Konzil feierlich definiert. In einem nicht endgültigen Akt wird eine Lehre vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der in der Welt verstreuten und in Einheit mit dem Nachfolger Petri stehenden Bischöfe unfehlbar vorgelegt. Eine solche Lehre kann vom Papst bestätigt oder bekräftigt werden, auch ohne eine feierliche Definition vorzunehmen, indem er ausdrücklich erklärt, dass sie zum Lehrgut des ordentlichen und allgemeinen Lehramtes als von Gott geoffenbarte Wahrheit (erster Absatz) oder als Wahrheit der katholischen Lehre (zweiter Absatz) gehört. Wenn folglich hinsichtlich einer Lehre kein Urteil in der feierlichen Form einer Definition vorliegt, diese Lehre aber zum Glaubensgut gehört und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt - das notwendigerweise jenes des Papstes einschließt - gelehrt wird, ist sie als in unfehlbarer Weise vorgelegt zu verstehen <965>. Die Erklärung, in welcher der Papst sie bestätigt oder bekräftigt, ist in die- <965> Es ist zu beachten, dass eine unfehlbare Lehre des ordentlichen und allgemeinen Lehramtes nicht nur durch eine ausdrückliche Erklärung, dass eine Lehre endgültig zu glauben oder zu halten ist, vorgelegt wird, sondern auch dann zum Ausdruck kommt, wenn eine Lehre in der Glaubenspraxis der Kirche implizit enthalten ist, von der Offenbarung herkommt oder für das ewige Heil notwendig ist und durch die Tradition ununterbrochen bezeugt wird. Eine solche unfehlbare Lehre wird objektiv vorgetragen von der ganzen Körperschaft der Bischöfe, und zwar in diachronem und nicht nur notwendigerweise in synchronem Sinn. Die Absicht des ordentlichen und allgemeinen Lehramtes, eine Lehre als endgültig vorzulegen, ist im allgemeinen nicht an eine 1209 KONGREGATIONEN UND RÄTE sem Fall kein Akt der Dogmatisierung, sondern eine formale Bestätigung, dass eine Wahrheit bereits im Besitz der Kirche ist und von ihr unfehlbar weitergegeben wird. 10. Der dritte Absatz der Professio fidei sagt aus: „Außerdem hange ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden.“ Diesem Absatz gehören alle jene Lehren an, die in Sachen des Glaubens und der Sitten als wahr oder zumindest als sicher vorgetragen werden, auch wenn sie nicht durch ein feierliches Urteil definiert und auch nicht vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt als endgültig vorgelegt worden sind. Diese Lehren sind authentischer Ausdruck des ordentlichen Lehramtes des Papstes oder des Bischofskollegiums und erfordern deshalb religiösen Gehorsam des Willens und des Verstandes <966> <967>. Sie werden vorgelegt, um zu einem tieferen Verständnis der Offenbarung beizutragen, um die Übereinstimmung einer Lehre mit den Glaubenswahrheiten zu betonen, oder um vor mit diesen Wahrheiten unvereinbaren Auffassungen und vor gefährlichen Meinungen zu warnen, die zum Irrtum führen können <968>. technische Formulierung von besonderer Feierlichkeit gebunden; es reicht aus, dass dies von der Sprechweise und aus dem Kontext klar hervorgeht. <967> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum veritatis, Nr. 23: AAS 82(1990)1559-1560. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum veritatis, Nm. 23-24: AAS 82(1990)1559-1561. Eine Aussage, die gegen diese Lehren verstößt, ist als irrig oder bei Lehren, die Vorsichtsmaßregeln darstellen, als verwegen oder gefährlich zu qualifizieren und deshalb „tuto doceri non potest“ <969>. <969> Vgl. CIC, cann. 752, 1371; CCEO, cann. 599, 1436 § 2. Erläuterungen 11. Ohne die Absicht, eine erschöpfende oder gar vollständige Aufzählung vorzunehmen, werden im folgenden beispielshalber einige Lehren der drei genannten Absätze in Erinnerung gerufen. Zu den Wahrheiten des ersten Absatzes gehören die Artikel des Glaubensbekenntnisses, die verschiedenen christologischen <970> und marianischen <971> Dogmen; die Lehre über die Einsetzung der Sakramente durch Christus und ihre Gnadenwirksamkeit <972>; die Lehre von der wirklichen und substantiellen Gegenwart Christi in der Eucharistie <973> sowie der Opfercharakter der Eucharistiefeier <974>; die Gründung <970> Vgl. DH, 301-302. <971> Vgl. DH, 2803; 3903. <972> Vgl. DH, 1601; 1606. <973> Vgl. DH, 1636. <974> Vgl. DH, 1740; 1743. 1210 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Kirche durch Christus <975>; die Lehre über den Primat und über die Unfehlbarkeit des Papstes <976>; die Lehre über die Existenz der Erbsünde <977>; die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und der unmittelbaren Vergeltung nach dem Tod <978>; die Irr-tumslosigkeit der inspirierten Heiligen Schriften <979>; die Lehre, gemäß der die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen ein schweres sittliches Vergehen ist <980>. <975> Vgl. DH, 3050. 1 <976> Vgl. DH, 3059-3075. <977> Vgl. OH, 1510-1515. <978> Vgl. DH, 1000-1002. <979> Vgl. DH, 3293; II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 11. <980> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, Nr. 57: AAS 87(1995)465. Was die Wahrheiten des zweiten Absatzes betrifft, kann man hinsichtlich der mit der Offenbarung aufgrund logischer Notwendigkeit verbundenen Lehren beispielsweise die Entwicklung des Verständnisses der Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes vor der dogmatischen Definition des I. Vatikanischen Konzils nennen. Der Primat des Nachfolgers Petri wurde stets als zum Offenbarungsgut gehörig gehalten, auch wenn bis zum I. Vatikanum die Diskussion offen geblieben ist, ob die begriffliche Fassung von „Jurisdiktion“ und „Unfehlbarkeit“ als innerer Bestandteil der Offenbarung oder lediglich als rationale Folgerung zu betrachten ist. Auch wenn die Lehre von der Unfehlbarkeit und dem Jurisdiktionsprimat des Papstes erst auf dem I. Vatikanischen Konzil als von Gott geoffenbarte Wahrheit definiert worden ist, war sie doch schon in der dem Konzil vorausliegenden Phase als endgültig anerkannt. Die Geschichte zeigt klar, dass das, was in das Bewusstsein der Kirche aufgenommen wurde, seit den Anfängen als eine wahre Lehre betrachtet, später als endgültig zu halten, aber erst im letzten Schritt durch das I. Vatikanum auch als von Gott geoffenbarte Wahrheit definiert wurde. In der jüngeren Lehrverkündigung über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe ist ein ähnlicher Prozess festzustellen. Ohne eine dogmatische Definition vorzunehmen, hat der Papst bekräftigt, dass diese Lehre endgültig zu halten ist <981>, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist <982>. Das hindert nicht, wie das vorausgehende Beispiel zu zeigen vermag, dass das Bewusstsein der Kirche künftig dazu kommen kann, zu definieren, dass diese Lehre als von Gott geoffenbart zu glauben ist. <981> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4: AAS 86(1994)548. <982> Vgl. Kongregation fiir die Glaubenslehre, Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis vorgelegten Lehre: AAS 87(1995)1114. Man kann auch auf die in der Enzyklika Evangelium vitae in Erinnerung gerufene Lehre von der Unerlaubtheit der Euthanasie verweisen. Der Papst bekräftigt, dass 1211 KONGREGATIONEN UND RÄTE die Euthanasie eine „schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes“ ist und erklärt: „Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt“ <983>. Es könnte den Anschein haben, dass die Lehre über die Euthanasie ein rein rationales Element beinhaltet, weil die Schrift den Begriff der Euthanasie nicht zu kennen scheint. In diesem Fall wird jedoch deutlich, dass die Ordnung des Glaubens und jene der Vernunft gegenseitig aufeinander bezogen sind: die Schrift verbietet klar jede Form der Selbstbestimmung der menschlichen Existenz; diese aber liegt der Praxis und der Theorie der Euthanasie zugrunde. <983> Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, Nr. 65: A4S 87(1995)475. Andere Beispiele im Bereich der Moral, die vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche als endgültig vorgelegt werden, sind die Lehre von der Unrechtmäßigkeit der Prostitution <984> und der Unzucht <985>. <984> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2355. <985> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2353. Beispiele für Wahrheiten, die nicht als von Gott geoffenbart verkündet werden können, aber aufgrund geschichtlicher Notwendigkeit mit der Offenbarung verbunden und endgültig zu halten sind, sind die Rechtmäßigkeit der Papstwahl oder der Feier eines Ökumenischen Konzils, die Heiligsprechungen (dogmatische Tatsachen) oder die Erklärung des Apostolischen Schreibens Apostolicae Curae von Papst Leo XIII. über die Ungültigkeit der anglikanischen Weihen <986>. <986> Vgl. DH, 3315-3319. Als Beispiele von Lehren, die dem dritten Absatz angehören, sind allgemein jene zu nennen, die vom authentischen ordentlichen Lehramt in nicht endgültiger Weise vorgelegt werden und einen differenzierten Grad der Zustimmung erfordern entsprechend der kundgetanen Auffassung und Absicht, die sich vornehmlich aus der Art der Dokumente, der Häufigkeit der Vorlage ein und derselben Lehre und der Sprechweise <987> erkennen lässt. <987> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum veritatis, Nm. 17.23.24: AAS 82(1990)1557-1558.1559-1561. 12. Mit den verschiedenen Glaubenssymbola anerkennt und bestätigt der Glaubende, dass er den Glauben der ganzen Kirche bekennt. Dieses kirchliche Bewusstsein findet, insbesondere in den alten Glaubensbekenntnissen, Ausdruck in der Formel „wir glauben“. Der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt folgendermaßen: ,„Ich glaube“ (Apostolisches Glaubensbekenntnis): das ist der Glaube der Kirche, wie ihn jeder Glaubende, vor allem bei der Taufe, persönlich bekennt. ,Wir glauben“ (Glaubensbekenntnis von Nicaea-Konstantinopel gr.): das ist der Glaube der Kirche, wie ihn die zum Konzil versammelten Bischöfe oder, allgemeiner, die zur Liturgie versammelten Gläubigen bekennen. ,Ich glaube“: So 1212 KONGREGATIONEN UND RATE spricht auch die Kirche, unsere Mutter, die durch ihren Glauben Gott antwortet und uns sagen lehrt: ,Ich glaube“, ,wir glauben““ <988>. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 167. In jedem Glaubensbekenntnis zeigen sich verschiedene Etappen, welche die Kirche auf ihrem Weg zur endgültigen Begegnung mit dem Herrn bereits erreicht hat. Kein Glaubensinhalt wird mit der Zeit überholt. Alles wird vielmehr zum unersetzbaren Gut, durch das der von allen, immer und überall gelebte Glaube auf das dauernde Wirken des Geistes des auferstandenen Christus schaut, der seine Kirche begleitet, belebt und zur Fülle der Wahrheit führt. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, den 29. Juni 1998, am Hochfest der Heiligen Apostel Petrus und Paulus. + Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt + Tarcisio Bertone SDB Sekretär em. Erzbischof von Vercelli 39 KONGREGATIONEN UND RÄTE Christen und Hindus: In der Hoffnung vereint Diwali-Botschaftzum21. Oktober 1998 Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog Liebe Hindu-Freunde! 1. Wieder feiern wir das hinduistische Diwali-Fest, dem jung und alt, groß und klein, arm und reich erwartungsvoll entgegen sehen. Als Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog übermittle ich euch zu diesem Freudenfest die besten Wünsche der Katholiken in aller Welt. 2. Die Fortschritte der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Hindus und Christen, insbesondere in Indien, ermuntern uns, unseren Dialog fortzusetzen, um weiterhin durch den Respekt für die Religion der anderen zu wachsen. Gegenseitige Besuche und Dialoge über gemeinsame Themen und Herausforderungen unserer heutigen Welt auf der Schwelle des neuen Jahrtausends können Christen und Hindus zu einer besseren Verwirklichung ihrer gemeinsamen Verantwortung verhelfen. 3. Es fehlt in der heutigen Welt bestimmt nicht an dramatischen Krisen: bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Ländern, Bürgerkriege, Terrorakte, Ungerechtigkeit, die die Kluft zwischen Armen und Reichen ständig vertieft, Hunger, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Menschen, Globalisierung ohne Solidarität, die schwere Last der Auslandsverschuldung, das Drogenproblem, unmoralisches Verhalten und Abtreibung. Die Liste könnte noch verlängert werden. Trotz dieser schwierigen Situationen muss das Licht der Hoffnung stets weiterbrennen und uns den Weg in eine bessere Zukunft zeigen. 4. Unsere beiden Religionen sprechen in ihren Heiligen Schriften von der Hoffnung. Als Christen wissen wir: „Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,3-5). In eurer Religion singt Rig Veda: „Ewig wahrer Gott, Verzweiflung läßt uns verzagen. Quell allen Reichtums, gib uns Hoffnung auf die künftigen Gaben deiner Gnade. Bezwinge den bösen Geist, der das sanfte Erwachen plagt. Gewähre uns die Hoffnung auf deinen künftigen Segen“ (Rig Veda I. 1-2; 4-122). 5. Hoffnung bewahrt uns vor Mutlosigkeit. Sie ermöglicht uns, neu zu beginnen, indem wir zahlreiche „Zeichen der Hoffnung“ um uns herum wahmehmen: wachsende Solidarität unter den Menschen unserer Zeit, insbesondere gegenüber den Armen und Notleidenden; das Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden; Freiwilligenarbeit, das erneute Streben nach Transzendenz, das größere Bewusstsein der menschlichen Würde und der auf ihr gründenden Rechte; Achtung der Um- 1214 KONGREGATIONEN UND RÄTE weit, usw. An dieser Stelle möchte ich noch an ein besonderes Zeichen der Hoffnung erinnern, das seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. im heutigen Kontext hervorgehoben hat: nämlich den interreligiösen Dialog. 6. Wir Christen und Hindus können, jeder auf dem eigenen spirituellen Weg, gemeinsam für eine hoffnungsvollere Zukunft der Menschheit arbeiten. Doch zunächst müssen wir vor allem unsere Unterschiede akzeptieren und gegenseitigen Respekt und wahre Liebe unter Beweis stellen. Das wird uns als klares Zeichen der Hoffnung für die Menschheitsfamilie glaubwürdiger machen. 7. In diesem Geist vermittle ich euch, liebe Hindu-Freunde in aller Welt, nochmals meine besten Wünsche zum Diwali-Fest. Francis Kardinal Arinze Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog 1215 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Primat des Nachfolgers Petri im Geheimnis der Kirche Erwägungen der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht am 31. Oktober 1. Im gegenwärtigen Augenblick des Lebens der Kirche ist die Frage nach dem Primat des Petrus und seiner Nachfolger von einer einzigartigen, auch ökumenischen Bedeutung. Johannes Paul II. hat sich häufig in diesem Sinn geäußert, vor allem in der Enzyklika Ut unum sint, in der er besonders an die Bischöfe und an die Theologen die Einladung richtet, „eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“. <989> <989> Johannes Paul II., Enzyklika Ut imutn sint, 25. Mai 1995, Nr. 95. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat die Einladung des Heiligen Vaters aufgenommen und beschlossen, die Thematik unter rein lehrmäßigem Aspekt im Rahmen eines Symposiums zum Thema „Der Primat des Nachfolgers Petri“ zu vertiefen. Die Akten dieses Symposiums, das vom 2. bis zum 4. Dezember 1996 im Vatikan stattgefunden hat, wurden veröffentlicht. <990> <990> II Primato del Successore di Pietro, Atti del Simposio teologico, Roma 2-4 dicembre 1996, Libreria Editrice Vaticana, Cittä del Vaticano 1998. 2. In der an die Teilnehmer des Symposiums gerichteten Botschaft schrieb der Heilige Vater: „Die katholische Kirche ist sich bewußt, daß sie in Treue zur apostolischen Tradition und zum Glauben der Väter das Amt des Nachfolgers Petri bewahrt hat.“ <991> Es besteht tatsächlich die Geschichte der Kirche hindurch eine Kontinuität in der lehrmäßigen Entwicklung über den Primat. Bei der Abfassung des vorliegenden Textes, der als Anhang zum genannten Band der Akten <992> erschienen ist, hat die Kongregation für die Glaubenslehre sich der Beiträge der Wissenschaftler bedient, die am Symposium teilgenommen haben. <991> Johannes Paul II., Schreiben an Joseph Kardinal Ratzinger: Ebd., 20. <992> II Primato del Successore di Pietro nel mistero della Chiesa, Considerazioni della Congregazione per la Dottrina della Fede: Ebd., Appendice, 493-503. Der Text ist auch in einer eigenen von der Libreria Editrice Vaticana herausgegebenen Broschüre veröffentlicht worden. Sie will damit aber weder eine Synthese anbieten noch sich auf offene Fragen einlassen, die weiterer Studien bedürfen. Diese „Erwägungen“ - am Rand des Symposiums - wollen nur die „wesentlichen“ Punkte der katholischen Glaubenslehre über den Primat, der ein großes Geschenk Christi an seine Kirche ist, in Erinnerung rufen, insofern er einen notwendigen Dienst an der Einheit darstellt und auch oft, wie die Geschichte zeigt, die Freiheit der Bischöfe und der Teilkirchen gegenüber Eingriffen politischer Mächte in Schutz genommen hat. 1216 KONGREGATIONEN UND RÄTE I. Ursprung, Zielsetzung und Wesen des Primats 3. „an erster Stelle Simon, genannt Petrus“. <993> <993> Mt 10,2. Mit dieser betonten Akzentuierung der Vorrangstellung des Simon Petrus leitet Matthäus in seinem Evangelium die Liste der zwölf Apostel ein, die auch in den beiden anderen synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte mit dem Namen des Simon beginnt. <994> Diese Aufzählung, der große Zeugniskraft zukommt, und andere Stellen der Evangelien <995> zeigen in Klarheit und Einfachheit, dass der neutestamentliche Kanon die Worte Christi über Petrus und seine Rolle in der Gruppe der Zwölf aufgenommen hat. <996> Daher blieb das Bild des Petrus schon in den ersten christlichen Gemeinden, wie später in der ganzen Kirche, das Bild des Apostels, der trotz seiner menschlichen Schwäche von Christus ausdrücklich an die erste Stelle der Zwölf gesetzt und dazu berufen wurde, in der Kirche eine eigene und besondere Funktion auszuüben. Er ist der Fels, auf den Christus seine Kirche bauen wird; <997> er ist derjenige, der, einmal bekehrt, im Glauben nicht schwach wird und der die Brüder stärken wird; <998> er ist schließlich der Hirte, der die ganze Gemeinschaft der Jünger des Herrn leiten wird. <999> In der Gestalt, in der Sendung und im Dienst des Petrus, in seiner Anwesenheit und in seinem Tod in Rom - bezeugt durch die älteste literarische und archäologische Tradition - sieht die Kirche eine zentrale Wirklichkeit, die in einer wesentlichen Beziehung zu ihrem eigenen Gemeinschafts- und Heilsmysterium steht: „ Ubi Petrus, ibi ergo Ecclesia. “ <1000> Die Kirche hat von Anfang an und mit zunehmender Klarheit begriffen, dass, wie die Nachfolge der Apostel sich im Dienst der Bischöfe verwirklicht, so auch der dem Petrus übertragene Dienst der Einheit zur fortdauernden Struktur der Kirche Christi gehört und dass diese Sukzession an den Ort seines Martyriums gebunden ist. <994> Vgl. Mk 3,16; Lk 6,14; Apg 1,13. <995> Vgl. Mt 14,28-31; 16,16-23 u. Par.; 26,33-35 u. Par.; Lk 22,32; Joh 1,42; 6,67-70; 13,36-38; 21,15-19. <996> Das Zeugnis für das Petrusamt findet sich in allen unterschiedlichen Ausdrucksformen der neutestamentlichen Tradition, sowohl bei den Synoptikern - hier mit verschiedenen Zügen bei Matthäus und Lukas wie auch beim hl. Markus - als auch in den paulinischen Schriften und in der johanneischen Tradition, stets mit eigenen Elementen, verschieden hinsichtlich der narrativen Aspekte, aber zutiefst übereinstimmend in der wesentlichen Bedeutung. Das ist ein Zeichen dafür, dass die petrinische Wirklichkeit als konstitutive Gegebenheit der Kirche betrachtet wurde. <997> Vgl. Mt 16,18. <998> Vgl. Lk 22,32. <999> Vgl. Joh 21,15-17. Zum neutestamentlichen Zeugnis über den Primat vgl. auch Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 90 ff. HI. Ambrosius v. Mailand, Enarration.es in Ps 40, 30: PL 14, 1134. 4. Auf das Zeugnis des Neuen Testamentes gegründet, lehrt die katholische Kirche, dass der Bischof von Rom Nachfolger des Petrus in seinem Primatsdienst in 1217 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Gesamtkirche ist. <1001> Diese Nachfolge erklärt den Vorrang der Kirche Roms, <1002> zu dem auch die Predigt und das Martyrium des hl. Paulus beigetragen haben. <1001> Vgl. z. B. hl. Siricius I., Brief Directa ad decessorem, 10. Februar 385: DH 181; II. Konzil v. Lyon, Professio fidei v. Michael Palaiologos, 6. Juli 1274: DH 861; Clemens VI., Brief Super quibusdam, 29. September 1351: DH 1053; Konzil v. Florenz, Bulle Laetentur caeli, 6. Juli 1439: DH 1307; Pius IX., Enzyklika Qui pluribus, 9. November 1846: DH 2781; I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, 2. Kap.: DH 3056-3058; II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nm. 21-23; Katechismus der Katholischen Kirche, 882; usw. <1002> Vgl. hl. Ignatius v. Antiochien, Epist. ad Romanos, Intr.: SChr 10, 106-107; hl. Irenaus v. Lyon, Adversus haereses, III, 3,2: SChr 211,32-33. Im göttlichen Plan über den Primat als „Amt, das vom Herrn ausschließlich dem Petrus, dem ersten der Apostel, übertragen wurde und auf seine Nachfolger übergehen sollte“, <1003> zeigt sich schon die Zielsetzung des petrinischen Charismas, nämlich „die Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft“ <1004> aller Gläubigen. Der römische Papst ist in der Tat als Nachfolger Petri „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“, <1005> und darum hat er eine besondere Amtsgnade, um der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft zu dienen, die für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche notwendig ist. <1006> <1003> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 20. <1004> I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, Vorrede.: DH 3051; vgl. hl. Leo d. Gr., Tract. in Natale eiusdem, IV,2: CCL 138, S.19. <1005> II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23.; vgl. I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, Vorrede: DH 3051; Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 88; Pius IX., Schreiben des Hl. Offiziums an die Bischöfe von England, 16. September 1864: DH 2888; Leo XIII., Enzyklika Satis cognitum, 29. Juni 1896: DH 3305-3310. <1006> Vgl. Joh 17,21-23; II. Vatikan. Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, Nr. 1; Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 77; Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 98. 5. In der Konstitution Pastor aetemus des I. Vatikanischen Konzils wurde im Vorwort auf die Zielsetzung des Primats hingewiesen und dann im Hauptteil der Inhalt oder Umfang der päpstlichen Vollmacht dargelegt. Das II. Vatikanische Konzil seinerseits bestätigte und ergänzte die Lehren des I. Vatikanums <1007> und behandelte hauptsächlich das Thema der Zielsetzung des Primats, wobei dem Geheimnis der Kirche als Corpus Ecclesiarum <1008> besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Diese Betrachtungsweise erlaubte es, mit größerer Klarheit hervorzuheben, dass der Primat des Bischofs von Rom und das Amt der anderen Bischöfe nicht in Gegensatz zueinander stehen, sondern in einer ursprünglichen und wesentlichen Harmonie sind. <1009> <1007> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 18. <1008> Vgl. ebd., Nr. 23. Venerabiles Fratres, non opprimit sed adiuvat, non destruit sed aedificat, et saepissime confirmat in dignitate, unit in caritate, et Fratrum, scilicet Episcoporum, iura firmat atque tueatur“ (Mansi 52, 1336 A/B). 1218 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wenn daher „die katholische Kirche beteuert, daß das Amt des Bischofs von Rom dem Willen Christi entspricht, trennt sie dieses Amt nicht von der Sendung, die allen Bischöfen anvertraut ist, die gleichfalls Stellvertreter und Gesandte Christi1 (Lumen Gentium, Nr. 27) sind. Der Bischof von Rom gehört zu ihrem ,Kollegium1, und sie sind seine Brüder im Amt“. <1010> <1011> Umgekehrt muss man auch daran festhalten, dass die bischöfliche Kollegialität sich nicht der persönlichen Ausübung des Primates entgegenstellt und ihn nicht relativieren darf. <1010> Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 95. <1011> 2 Kor 11,28. 6. Alle Bischöfe sind zur sollicitudo omnium Ecclesiarum23 verpflichtet, insofern sie Mitglieder des Bischofskollegiums sind, das dem Apostelkollegium nachfolgt, zu dem auch die außergewöhnliche Gestalt des hl. Paulus gehörte. Diese universalkirchliche Dimension ihrer episkope (Aufsicht) ist untrennbar von der teilkirchlichen Dimension der ihnen übertragenen Ämter. <1012> Im Fall des Bischofs von Rom - Stellvertreter Christi in der dem Petrus eigenen Weise als Haupt des Bischofskollegiums <1013> - gewinnt die sollicitudo omnium Ecclesiarum eine besondere Kraft, weil sie mit „der vollen und höchsten Vollmacht“ in der Kirche <1014> zusammengeht. Diese ist eine wirklich bischöfliche Vollmacht, die nicht nur höchste, volle und universale, sondern auch unmittelbare Vollmacht über alle, sowohl die Hirten als auch die anderen Gläubigen, ist. <1015> Das Dienstamt des Nachfolgers Petri ist daher nicht ein Dienst, der jede Teilkirche von außen her berührt, sondern es ist eingeschrieben in das Herz jeder Teilkirche, in der „die Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt“ <1016> und die daher die Offenheit für den Dienst der Einheit in sich trägt. Diese Innerlichkeit des Dienstes des Bischofs von Rom in jeder Teilkirche ist auch ein Ausdruck der gegenseitigen Innerlichkeit von Gesamtkirche und Teilkirche. <1017> 2^ Die ontologische Priorität des Mysteriums der Gesamtkirche in bezug auf jede einzelne Teilkirche (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio, 28. Mai 1992, 9) unterstreicht auch die Bedeutung der universalkirchlichen Dimension des Dienstes eines jeden Bischofs. <1013> Vgl. I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetenius, 3. Kap.: DH 3059; II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 22; Konzil von Florenz, Bulle Leaetentur caeli, 6. Juli 1439: DH 1307. <1014> Vgl. I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aeternus, 3. Kap.: DH 3060, 3064. 22 Vgl. ebd.\ II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 22. 2^ II. Vatikan. Konzil, Dekret Christus Dominus, Nr. 11. <1017> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio, 13. Der Episkopat und der Primat, miteinander verbunden und nicht voneinander trennbar, sind göttlicher Einsetzung. Aufgrund der Einrichtung durch die Kirche sind geschichtlich kirchliche Organisationsformen entstanden, in denen ebenfalls eine Vorrangstellung ausgeübt wird. Insbesondere ist sich die katholische Kirche 1219 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Funktion der apostolischen Sitze in der Alten Kirche bewusst, vor allem jener, die als petrinisch betrachtet werden - Antiochien und Alexandrien - und Bezugspunkte der apostolischen Tradition sind, in deren Umkreis sich das Patriarchatssystem entwickelt hat. Dieses System ist Teil der Vorsehung, mit der Gott die Kirche leitet, und es trägt seit den Anfängen die Verbindung mit der petrinischen Tradition in sich. <1018> <1018> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23; Dekret Orientalium Ecclesiarum, Nm. 7.9. II. Die Ausübung des Primats und ihre Formen 7. Die Ausübung des Petrusamtes muss - damit sie „nichts von ihrer Glaubwürdigkeit und Transparenz verliert“ <1019> - vom Evangelium her verstanden werden, das heißt von der wesentlichen Einordnung des Primats in das Heilsgeheimnis Christi und vom Aufbau der Kirche her. Der Primat unterscheidet sich in seinem Wesen und in seiner Ausübung von den Leitungsaufgaben, die in den menschlichen Gesellschaften gültig sind: <1020> Er ist kein Koordinierungs- oder Präsidentenamt, er beschränkt sich weder auf einen Ehrenvorrang, noch darf er wie eine Monarchie politischer Art begriffen werden. <1019> Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 93. <1020> Vgl. ebd., Nr. 94. Der römische Bischof steht - wie alle Gläubigen - unter dem Worte Gottes und unter dem katholischen Glauben. Er ist Garant für den Gehorsam der Kirche und in diesem Sinn servus servorum. Er entscheidet nicht nach eigener Willkür, sondern ist Stimme für den Willen des Herrn, der zum Menschen in der von der Überliefemng gelebten und interpretierten Schrift spricht. Mit anderen Worten: Die episkope des Primats hat die Grenzen, die aus dem Gesetz Gottes und der in der Offenbarung enthaltenen, unantastbaren göttlichen Stiftung der Kirche hervorgehen. <1021> Der Nachfolger Petri ist der Fels, der gegen Willkür und Konformismus eine unerbittliche Treue zum Worte Gottes gewährleistet: Daraus folgt auch der martyrologische Charakter seines Primats. <1021> Vgl. Gemeinsame Erklärung der deutschen Bischöfe, Januar-Februar 1875; DH 3114. 8. Die charakteristischen Züge der Primatsausübung müssen vor allem von zwei grundlegenden Voraussetzungen her verstanden werden, nämlich von der Einheit des Episkopats und vom bischöflichen Charakter des Primats selbst her. Der Episkopat stellt eine Wirklichkeit dar, die „una e indivisa“ <1022> ist. Der Primat des Papstes beinhaltet die Befugnis, der Einheit aller Bischöfe und aller Gläubigen wirksam zu dienen. Er „wird auf verschiedenen Ebenen ausgeübt; sie betreffen die wachsame Aufsicht über die Weitergabe des Wortes, über die Feier der Sakramente und der Liturgie, über die Mission, über die Disziplin und über das christli- <1022> I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, Vorrede: DH 3051. 1220 KONGREGATIONEN UND RÄTE che Leben“. <1023> Auf diesen Ebenen schulden nach dem Willen Christi alle in der Kirche - die Bischöfe und die anderen Gläubigen - dem Nachfolger Petri Gehorsam. Er ist auch Garant für die rechtmäßige Verschiedenheit, die zwischen Riten, Disziplinen und kirchlichen Strukturen des Ostens und des Westens besteht. <1023> Johannes Paul II., Enzyklika Ut umim sint, Nr. 94. 9. Der Primat des Bischofs von Rom drückt sich in Anbetracht seines bischöflichen Charakters in erster Linie in der Weitergabe des Wortes Gottes aus. Daher schließt er eine besondere eigene Verantwortung in der Sendung zur Evangelisierung ein, <1024> da ja die kirchliche Gemeinschaft ihrem Wesen nach dazu bestimmt ist, sich auszubreiten: „Evangelisieren ist die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität.“ <1025> <1024> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23; Leo XIII., Enzyklika Grande mimus, 30. September 1880: AAS 13(1880)145; CIC, can. 782 § 1. <1025> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 14; vgl. CIC, can. 781. Die bischöfliche Aufgabe, die der römische Bischof in der Weitergabe des Wortes Gottes hat, erstreckt sich auch auf das Innere der ganzen Kirche. Sie ist als solche ein höchstes und universales Lehramt; <1026> sie ist eine Funktion, die ein Charisma beinhaltet, nämlich einen besonderen Beistand des Heiligen Geistes für den Nachfolger Petri, wozu in gewissen Fällen auch das Vorrecht der Unfehlbarkeit gehört. <1027> Wie „alle Kirchen sich in voller und sichtbarer Gemeinschaft befinden, weil alle Hirten in Gemeinschaft mit Petrus und so in der Einheit Christi sind“, <1028> so sind in gleicher Weise die Bischöfe Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit, wenn sie in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren. <1029> 3% Vgl. I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aetemus, 4. Kap.: DH 3065-3068. <1027> Vgl. ebd.: DH 3073-3074; II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25; CIC, can. 749 § 1; CCEO, can. 597 § 1. <1028> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 94. <1029> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25. 10. Zusammen mit der Lehraufgabe des Primats bringt die Sendung des Nachfolgers Petri für die ganze Kirche die Befugnis mit sich, die Akte kirchlicher Leitung zu setzen, die zur Förderung und Wahrung der Einheit im Glauben und in der Gemeinschaft notwendig oder angemessen sind. Unter diesen wären beispielsweise zu nennen: das Mandat zur Weihe neuer Bischöfe geben; von diesen das Ablegen des katholischen Glaubensbekenntnisses verlangen; allen helfen, in dem Glauben zu bleiben, den sie bekannt haben. Natürlich gibt es, je nach den Umständen, noch viele andere mögliche Weisen, diesen Dienst der Einheit auszuüben: Gesetze für die ganze Kirche erlassen; pasto-rale Strukturen für den Dienst einzelner Teilkirchen schaffen; den Beschlüssen von Partikularkonzilien bindende Kraft verleihen; überdiözesane Ordensgemeinschaften approbieren usw. Aufgrund des besonderen Charakters der Primatsgewalt gibt es keine Instanz, der gegenüber der römische Bischof sich über den Gebrauch 1221 KONGREGATIONEN UND RÄTE der empfangenen Gabe von Rechts wegen verantworten müsste: „Prima Sedes a nemine iudicatur.“ <1030> Das bedeutet jedoch nicht, dass der Papst eine absolute Macht hätte. Denn es ist ja ein Kennzeichen des Dienstes der Einheit, eine Folge auch der Gemeinschaft des Bischofskollegiums und des sensus fidei des ganzen Gottesvolkes, auf die Stimme der Teilkirchen zu hören. Dieser Bindung scheint wesentlich mehr Festigkeit und Sicherheit gegeben zu sein als eventuellen Rechtsinstanzen, vor denen der römische Bischof sich verantworten müsste - was im übrigen eine unzulässige Hypothese ist, da sie keine Grundlage hat. Die letzte und unabdingbare Verantwortung des Papstes findet die beste Garantie einerseits in seiner Einordnung in die Tradition und in die brüderliche Gemeinschaft und andererseits im Vertrauen auf . den Beistand des Heiligen Geistes, der die Kirche leitet. <1030> CIC, can. 1404; CCEO, can. 1058; vgl. I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aeternus, 3. Kap.: DH 3063. 11. Die Einheit der Kirche, in deren Dienst sich der Nachfolger Petri in einzigartiger Weise stellt, erreicht ihren höchsten Ausdruck im eucharistischen Opfer, das Mitte und Wurzel der kirchlichen Gemeinschaft ist, einer Gemeinschaft, die sich notwendigerweise auch auf die Einheit des Episkopats gründet. Darum „wird jede Eucharistiefeier in Einheit nicht nur mit dem eigenen Bischof, sondern auch mit dem Papst, mit der Gemeinschaft der Bischöfe, mit dem gesamten Klerus und mit dem ganzen Volk vollzogen. In jeder gültigen Eucharistiefeier kommt diese universale Gemeinschaft mit Petrus und mit der ganzen Kirche zum Ausdruck, oder sie wird objektiv verlangt“, <1031> wie im Fall der Kirchen, die nicht in voller Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl sind. <1031> Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio, 14.; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1369. 12. „Die pilgernde Kirche trägt in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht.“ <1032> Auch deshalb drückte sich das unwandelbare Wesen des Primats des Nachfolgers Petri geschichtlich in Formen aus, die den Verhältnissen einer in dieser wandelbaren Welt pilgernden Kirche angepasst waren. ^ II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 48. Die konkreten Weisen seiner Ausübung charakterisieren den Petmsdienst in dem Maß, in welchem sie die Erfordernisse der letzten, ihm eigenen Zielsetzung (die Einheit der Kirche) auf Umstände von Ort und Zeit treu anwenden und zum Ausdruck bringen. Ihr größerer oder geringerer Umfang wird in jeder Geschichtsepoche von der necessitas Ecclesiae abhängen. Der Heilige Geist hilft der Kirche, diese necessitas zu erkennen. Der römische Bischof hört auf die Stimme des Geistes in den Kirchen, sucht nach der Antwort und bietet sie an, wann und wie er es für angebracht hält. 1222 KONGREGATIONEN UND RATE Folglich kann man den Kern der Glaubenswahrheit über die Kompetenzen des Primats nicht bestimmen, indem man das Mindestmaß an Befugnissen sucht, die vom Papst in der Geschichte ausgeübt wurden. Daher bedeutet die Tatsache allein, dass in einer gewissen Epoche eine bestimmte Aufgabe vom Papst ausgeführt wurde, nicht, dass diese Aufgabe notwendigerweise immer dem römischen Bischof Vorbehalten sein müsse; und umgekehrt: die Tatsache allein, dass eine bestimmte Funktion vorher nicht vom Papst ausgeübt worden ist, berechtigt nicht, daraus den Schluss abzuleiten, dass diese Funktion in keiner Weise in Zukunft zur Zuständigkeit des Petmsdienstes gehören könne. 13. Auf jeden Fall ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Unterscheidung, ob eventuelle Formen der Ausübung des Petrusamtes seinem Wesen entsprechen, in der Kirche vorzunehmen ist, das heißt unter dem Beistand des Heiligen Geistes und im brüderlichen Dialog des römischen Bischofs mit den anderen Bischöfen gemäß den konkreten Erfordernissen der Kirche. Zu gleicher Zeit aber ist klar, dass nur der Papst (oder der Papst mit dem Ökumenischen Konzil) als Nachfolger Petri die Autorität und die Kompetenz hat, das letzte Wort über die Formen der Ausübung seines Hirtenamtes in der Gesamtkirche zu sprechen. j[: ^ ^ 14. Die Kongregation für die Glaubenslehre, welche die wesentlichen Punkte der katholischen Lehre über den Primat des Nachfolgers Petri in Erinnerung ruft, ist überzeugt, dass die offizielle Bekräftigung dieser Lehren größere Klarheit über den einzuschlagenden Weg schafft. Diese Bekräftigung ist in der Tat auch von Nutzen, um das immer wieder mögliche Zurückfallen in Voreingenommenheiten und Einseitigkeiten zu vermeiden, die in der Vergangenheit bereits von der Kirche zurückgewiesen wurden (Febronianismus, Gallikanismus, Ultramontanismus, Konziliarismus usw.). Vor allem, wenn wir den Dienst des Dieners der Diener Gottes als ein großes Geschenk der göttlichen Barmherzigkeit an die Kirche betrachten, werden wir - mit der Gnade des Heiligen Geistes - alle dazu gelangen, die wirksame und volle Einheit mit dem römischen Bischof auf dem täglichen Weg der Kirche in der von Christus gewollten Weise zu leben und treu zu bewahren. <1033> Vgl. ebd., Nr. 15. 15. Die vom Herrn gewollte volle Gemeinschaft unter denen, die sich als seine Jünger bekennen, erfordert die gemeinsame Anerkennung eines universalkirchlichen Amtes, „in dem alle Bischöfe sich vereint in Christus anerkennen und alle Gläubigen die Stärkung ihres Glaubens finden“. <1034> Die katholische Kirche bekennt, dass dieses Amt das Primatsamt des römischen Bischofs, des Nachfolgers Petri, ist. In Demut hält sie standhaft daran fest, „daß die Gemeinschaft der Teilkirchen Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 97. 45 46 KONGREGATIONEN UND RÄTE mit der Kirche von Rom und die Gemeinschaft ihrer Bischöfe mit dem Bischof von Rom ein grundlegendes Erfordernis - im Plan Gottes -für die volle und sichtbare Gemeinschaft ist“. <1035> In der Geschichte des Papsttums hat es nicht an menschlichen, auch schweren Irrtümem und Mängeln gefehlt: Petrus selbst bekannte ja, ein Sünder zu sein. <1036> Petrus, ein schwacher Mensch, wurde gerade deshalb zum Felsen erwählt, damit offenbar werde, dass der Sieg Christus allein gehört und nicht menschlichen Kräften zuzuschreiben ist. Der Herr wollte seinen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen <1037> durch die Zeiten tragen: So ist die menschliche Schwachheit zum Zeichen der Wahrheit der göttlichen Verheißungen geworden. Wann und wie wird das so sehr ersehnte Ziel der Einheit aller Christen erreicht werden? „Wie ist das zu erreichen? Durch Hoffnung auf den Geist, der uns von den Gespenstern der Vergangenheit, von den schmerzlichen Erinnerungen der Trennung abzubringen vermag; er kann uns Klarheit, Kraft und Mut verleihen, um die nötigen Schritte zu unternehmen, so daß unser Engagement immer glaubwürdiger wird.“ <1038> Wir sind alle eingeladen, uns dem Heiligen Geist anzuvertrauen, uns Christus anzuvertrauen, indem wir uns Petrus anvertrauen. <1035> Ebd. <1036> Vgl. Lk 5,8. <1037> Vgl. 2 Kor 4,7. <1038> Johannes Paul II., Enzyklika Ut imum sint, Nr. 102. Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt Tarcisio B ertöne Erzbischof em. von Vercelli, Sekretär 1224 KONGREGATIONEN UND RÄTE Botschaft zum Ende des Ramadan Id al-Fitr, 1418/1998 Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog vom 10. Januar Liebe muslimische Freunde! 1. Anlässlich des Id al-Fitr, der den Monat Ramadan beschließt, möchte ich Euch als Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog die Glückwünsche der Katholiken der ganzen Welt ausdrücken. 2. Wie die anderen Gläubigen sind wir, Christen und Muslime, „Gottsucher“. Das Buch der Psalmen, das Zabour, spricht von diesem Weg der Männer und Frauen wie von einer Suche des Angesichtes Gottes: „Mein Herz denkt an dein Wort: ,Sucht mein Angesicht!1 Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir!“ (Ps 26/27,8-9). Alle guten Tätigkeiten, die der Gläubige zu vollbringen sich bemüht, wie das Gebet, das Fasten, das Almosengeben, stehen im Zeichen der Suche nach Gott. Sie drücken eine beständige Hinwendung zu Ihm aus. Wir können sagen, dass die Gottsuche für jeden Menschen ein Zeichen der Hoffnung ist. 3. Während unserer irdischen Pilgerschaft zur Ewigkeit hin, al-dar al-akhira, ist es das Glauben an Gott, das uns erleuchtet, uns führt und uns stärkt, so wie die Hoffnung uns die kommenden Güter ersehnen und erwarten lässt, mit denen Gott uns belohnen wird, wenn wir ein Leben des Glaubens und der Liebe zu Gott und den Menschen geführt haben. 4. Die Hoffnung lässt uns auch all das Gute wahmehmen, das es in der Welt gibt. Es ist die Frucht und das Zeichen des Wirkens Gottes im Herzen der Menschen. Zahlreich sind die „Zeichen der Hoffnung“: die wachsende Solidarität zwischen den Menschen unserer Zeit, vor allem mit den Armen, die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden, der freiwillige Dienst, die Rückkehr zum religiösen Sinn des Lebens, das Bewusstsein von der menschlichen Würde und der Rechte, die sich davon ableiten, die Rücksichtnahme auf die Umwelt usw. Ich möchte ein besonderes Zeichen der Hoffnung erwähnen, das Papst Johannes Paul II. besonders herausgestellt hat, d. h. den interreligiösen Dialog. 5. Wie traurig ist es, dass Glieder derselben Familie nicht miteinander sprechen, dass sie es vermeiden, einander anzusehen, sich zu begegnen. Wie schmerzlich ist es, dass Muslime und Christen, die der einen menschlichen Familie angehören, sich ignorieren, keine gegenseitigen Grüße mehr austauschen oder - noch schlimmer - sich streiten. Wie schön ist es im Gegenteil, in Frieden mit allen zu leben, sich zu begegnen, von unseren Freuden und unseren Sorgen, unseren Ängsten und Hoffnungen zu sprechen! Warum nicht im Dialog zwischen Gläubigen, und zwar zwischen Muslimen und Christen, ein Zeichen der Hoffnung für die Gegenwart und die Zukunft sehen? 1225 KONGREGATIONEN UND RÄTE 6. Der Mensch des Glaubens und der Hoffnung ist gleichzeitig ein realistischer Mensch, der den Blick auf die Realität in ihren positiven und negativen Dimensionen heften muss. Wir können die Dramen unserer Welt nicht übersehen: den Krieg zwischen verschiedenen Ländern, die Bürgerkriege, den Terrorismus in allen seinen Formen, die Ungerechtigkeit, die den Graben zwischen Reichen und Armen immer mehr verbreitet, den Hunger, das Fehlen eines Daches für viele, die Arbeitslosigkeit - vor allem unter den jungen Menschen -, das Rauschgift, die Unmoral, die Abtreibung. Die Liste könnte man verlängern. Das kleine Licht der Hoffnung muss deshalb immer angezündet bleiben und leuchten auf den Wegen der Menschheit zu einer besseren Zukunft. 7. Wir Christen und Muslime, wir können Zusammenarbeiten, um der Menschheit mehr Hoffnung zu schenken. Wir müssen uns deshalb von Anfang an als verschieden akzeptieren, uns gegenseitig achten und wahrhaft lieben unter dem Blick Gottes, der allen seine Barmherzigkeit erweist. Wir sind gerufen, einen „Friedenspakt“ zu schließen, dessentwegen wir erklären, auf den Gebrauch von Gewalt als einer Methode zur Lösung der Streitfragen zu verzichten. Wir wollen uns der Welt als Menschen zeigen, die an Gott glauben und dem Menschen treu sind, seiner Würde und seinen Rechten. Wir werden dann in unserer Eigenschaft als Gläubige glaubwürdiger sein, und wir werden für die Menschheit ein besonderes Zeichen der Hoffnung sein, das zu den schon bestehenden hinzukommt. 7. Es ist in diesem Geist, in dem ich Euch, liebe muslimische Freunde, meine Glückwünsche für Id al-Fitr entbiete. Francis Kard. Arinze Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog Christen und Buddhisten: Miteinander in der Hoffnung Botschaft an die Buddhisten zum Vesakh-Fest am 11. Mai 1998, Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog, veröffentlicht am 22. April Liebe buddhistische Freunde! 1. Zum Vesakh-Fest, bei dem ihr wichtige Ereignisse im Leben Buddhas feiert, möchte ich euch als Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog die besten Wünsche der Katholiken in aller Welt übermitteln. 2. Es freut mich, sagen zu können, dass Buddhisten und Christen im Rahmen ihres ständigen Dialogs auch um den Austausch von religiöser Erfahrung bemüht sind. Sowohl der Buddhismus als auch das Christentum betonen die „kontemplative Dimension“ in ihrer Religionspraxis. Seit 1979 finden sich Buddhisten und Christen, die ein kontemplatives Leben nach ihrer jeweiligen monastischen Disziplin füh- 1226 KONGREGATIONEN UND RÄTE ren, im Rahmen des „Intermonas tischen Geistlichen Austausches“ und des „Mo-nastischen Hospitalitätsprogramms“ zu Begegnungen zusammen, wo ein tiefgehender Dialog möglich ist. Diese Anstrengung ist wirklich lobenswert. 3. Grundlage unseres Dialogs ist die Hoffnung auf ein neues Leben, auch wenn unser Verständnis von diesem neuen Leben jeweils unterschiedlich ist. Für uns Christen kann neues Leben allein in Jesus Christus gesucht und gefunden werden. Jesus hat den Weg gezeigt, als er sagte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Er lehrte uns nicht nur, keine Rache zu üben, sondern auch das Böse durch das Gute zu besiegen. Er sagte: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt 5,38-39). Diese Worte lassen mich an den ehrw. Maha Ghosa-nanda denken, der eine von Buddhas Lehren, so wiedergibt: „Wenn uns Unrecht geschieht, müssen wir allen Unmut beiseite schieben und sagen: ,Mein Herz läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Nicht ein böses Wort wird über meine Lippen kommen; ich werde liebenswürdig und freundlich bleiben mit liebevollen Gedanken und ohne verborgene Bosheit.““ 4. Hoffnung bewahrt uns vor Entmutigung. Wir werden fähig, neu zu beginnen, wenn wir die zahlreichen ,.Zeichen der Hoffnung“ um uns herum wahmehmen: die wachsende Solidarität unter den Menschen in unserer Zeit besonders mit Armen und Notleidenden, das Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden, freiwilliger Einsatz, eine neue Suche nach Transzendenz, das Bewusstsein für die Menschenwürde und die daraus hervorgehenden Rechte, die Achtung für die Umwelt usw. Ich möchte hier ein besonderes Zeichen der Hoffnung erwähnen, das Papst Johannes Paul II. immer wieder betont: den interreligiösen Dialog. 5. Menschen der Hoffnung sind aber auch Realisten, die ihre Augen vor der Wirklichkeit mit all ihren positiven und negativen Aspekten nicht verschließen. Wir können an den dramatischen Missständen unserer Welt nicht vorbeisehen: die Kriege zwischen verschiedenen Ländern; Bürgerkriege; Terrorismus in all seinen Formen; Ungerechtigkeit, die die Kluft zwischen Reichen und Armen immer weiter aufreißt; Hunger; Obdachlosigkeit; Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen; Globalisierung ohne Solidarität; die schwere Last der Auslandsschulden; das Problem der Drogen; Sittenlosigkeit; Abtreibung. Die Liste könnte noch verlängert werden. Dessen ungeachtet muss das kleine Licht der Hoffnung immer angezündet bleiben und auf den Wegen leuchten, die die Menschheit in eine bessere Zukunft führen. 6. Wir Christen und Buddhisten, auf unserem jeweiligen geistlichen Weg unterwegs, können Zusammenarbeiten, um der Menschheit mehr Hoffnung zu geben. Doch zuerst sollen wir unsere Unterschiede annehmen und einander gegenseitige 1227 KONGREGATIONEN UND RÄTE Achtung und wahre Liebe bezeigen. Das wird uns glaubwürdiger machen, und wir werden für die Menschheit ein weiteres Zeichen der Hoffnung neben den bereits existierenden sein. 7. Liebe buddhistische Freunde, in diesem Geist vermittle ich euch nochmals meine besten Wünsche zum Vesakh-Fest. Francis Kardinal Arinze 1228 VI. Anhang ANHANG Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah Päpstliche Kommission für die Religiösen Beziehungen zu den Juden vom 16. März I. Die Tragödie der Shoah und die Pflicht der Erinnerung Das zwanzigste Jahrhundert neigt sich schon bald dem Ende zu, und wir stehen vor dem Beginn eines neuen Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung. Die 2000-Jahr-Feier der Geburt Jesu Christi ist ein Aufruf an alle Christen und lädt alle Männer und Frauen ein, im Lauf der Geschichte die Zeichen des Wirkens der göttlichen Vorsehung sowie die Art und Weise zu erkennen, in der das Bild des Schöpfers im Menschen verletzt und verunstaltet wurde. Diese Gedanken betreffen einen der wesentlichen Bereiche, in denen die Katholiken sich den Aufruf von Papst Johannes Paul II ernsthaft zu Herzen nehmen mögen, den er in seinem Apostolischen Schreiben Tertio Millennio Adveniente an sie gerichtet hat: ,,Zu Recht nimmt sich daher die Kirche, während sich das zweite christliche Jahrtausend seinem Ende zuneigt, mit stärkerer Bewußtheit der Schuld ihrer Söhne und Töchter an, eingedenk aller jener Vorkommnisse im Laufe der Geschichte, wo diese sich vom Geist Christi und seines Evangeliums dadurch entfernt haben, daß sie der Welt statt eines an den Werten des Glaubens inspirierten Lebenszeugnisses den Anblick von Denk- und Handlungsweisen boten, die geradezu Formen eines Gegenzeugnisses und Skandals darstellten.“1 Unser Jahrhundert wurde Zeuge einer unaussprechlichen Tragödie, die niemals vergessen werden kann: Der Versuch des Naziregimes, das Volk der Juden zu vernichten, und die daraus folgende Ermordung von Millionen Juden. Frauen und Männer, Alte und Junge, Kinder und Säuglinge wurden einzig und allein aufgrund ihrer jüdischen Abstammung verfolgt und deportiert. Einige wurden sofort ermordet; andere wurden gedemütigt, misshandelt, gefoltert, gänzlich ihrer Menschenwürde beraubt und schließlich ebenfalls ermordet. Nur sehr wenige der Juden, die in ein Konzentrationslager eingeliefert worden waren, überlebten. Sie waren für ihr Leben gezeichnet. Die Shoah war eines der größten Dramen unseres Jahrhunderts, ein Ereignis, das uns noch heute betrifft. Niemand kann gleichgültig bleiben angesichts dieses schrecklichen Völkermordes, den die Verantwortlichen der Nationen und selbst die Jüdischen Gemeinden zur damaligen Zeit, als er mit aller Grausamkeit ins Werk gesetzt wurde, kaum für möglich hielten. Am wenigsten kann die Kirche, wegen ihrer sehr engen geistlichen Verwandtschaft mit dem jüdischen Volk und wegen der nicht vergessenen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit, gleichgültig bleiben. Die Beziehung der Kirche zum jüdischen Volk unterscheidet sich von ihrer Beziehung zu jeder ande- Vgl. Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio Millennio Adveniente, 10. November 1994, Nr. 33: AAS 87(1995)25. 1231 ANHANG ren Religion. <1039> Allerdings handelt es sich nicht nur um eine Frage des Rückgriffs auf Vergangenes. Vielmehr verlangt die gemeinsame Zukunft von Juden und Christen, dass wir uns erinnern, denn „es gibt keine Zukunft ohne Erinnerung“ <1040>. Die Geschichte selbst ist memoria futuri. <1039> Vgl. Papst Johannes Paul II., Ansprache in der Synagoge von Rom, 13. April 1986. <1040> Papst Johannes Paul II., Angelnsgebet, 11. Juni 1995: Insegnamenti 18/1, 1995,1712. Wir wenden uns mit diesen Gedanken an unsere Brüder und Schwestern der katholischen Kirche in aller Welt und rufen alle Christen auf, gemeinsam mit uns über die Katastrophe nachzudenken, die das jüdische Volk getroffen hat, und sich der moralischen Verpflichtung bewusst zu werden, dass Egoismus und Hass niemals mehr so anwachsen können, dass sie Leid und Tod aussäen. <1041> Besonders bitten wir unsere jüdischen Freunde, „deren schreckliches Schicksal zum Symbol für jene Verirrungen wurde, zu denen der Mensch kommen kann, wenn er sich gegen Gott wendet“ <1042>, uns mit offenem Herzen anzuhören. <1041> Vgl. Papst Johannes Paul ll., Ansprache an die Jüdische Gemeinde in Budapest, 18. August 1991. <1042> Papst Johannes Paul II. Enzyklika Centesimus Annus, 1. Mai 1991, Nr. 17: /IAS 83(1991)814-815. II. Woran wir uns erinnern müssen Das jüdische Volk hat in seinem einzigartigen Zeugnis für den Heiligen Israels und für die Thora zu verschiedenen Zeiten und an vielen Orten schwer gelitten. Doch die Shoah war zweifellos das schlimmste von allen Leiden. Die Unmenschlichkeit, mit der die Juden in diesem Jahrhundert verfolgt und hingeschlachtet wurden, lässt sich nicht in Worte fassen. Und all dies wurde ihnen aus keinem anderen Grund angetan, als dass sie Juden waren. Das Ausmaß des Verbrechens wirft viele Fragen auf. Historiker, Soziologen, Politikwissenschaftler, Psychologen und Theologen bemühen sich, einen tieferen Einblick in die Realität der Shoah und ihre Ursachen zu gewinnen. Es sind noch viele wissenschaftliche Arbeiten durchzuführen. Doch ein derartiges Ereignis kann mit den üblichen Kriterien der Geschichtsforschung allein nicht vollkommen erfasst werden. Es bedarf eines „moralischen und religiösen Erinnems“ und, insbesondere unter den Christen, eines sehr ernsten Nachdenkens über die Ursachen, die dazu geführt haben. Die Tatsache, dass die Shoah in Europa stattfand, das heißt in Ländern mit einer langen christlichen Kultur, wirft die Frage nach der Beziehung zwischen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der Haltung der Christen gegenüber den Juden in allen Jahrhunderten auf. 1232 ANHANG III. Die Beziehung zwischen Juden und Christen Die Beziehung zwischen Juden und Christen ist leidvoll. Dies hat Papst Johannes Paul II. wiederholt zum Ausdruck gebracht. Er hat die Katholiken aufgerufen, eine Bestandsaufnahme ihrer Beziehung zum jüdischen Volk vorzunehmen. <1043> In der Tat fällt die Bilanz dieser zweitausendjährigen Beziehung recht negativ aus. <1044> In den Anfängen des Christentums, nach der Kreuzigung Jesu, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Urkirche und den Führern der Juden und dem jüdischen Volk, die sich aus Gehorsam gegenüber dem Gesetz den Verkündigern des Evangeliums und den ersten Christen manchmal auch gewaltsam entgegenstellten. Im heidnischen Römischen Reich waren die Juden durch die ihnen vom Kaiser garantierten Privilegien rechtlich geschützt, und die staatlichen Autoritäten unterschieden anfangs nicht zwischen der jüdischen und christlichen Gemeinschaft. Doch schon bald waren die Christen der Verfolgung durch den Staat ausgesetzt. Als sich die Kaiser später zum Christentum bekehrten, garantierten sie den Juden zunächst weiterhin ihre Privilegien. Christliche Unruhestifter überfielen nicht nur heidnische Tempel, sondern - nicht ohne Einfluss gewisser Auslegungen des Neuen Testaments bezüglich des jüdischen Volkes insgesamt - bisweilen auch Synagogen. „In der Tat waren in der christlichen Welt - und ich spreche nicht von der Kirche als solcher - irrige und ungerechte Interpretationen des Neuen Testaments bezüglich des jüdischen Volkes und seiner angeblichen Schuld allzu lange Zeit im Umlauf. Sie haben Gefühle der Feindschaft diesem Volk gegenüber verursacht.“ <1045> Solche Interpretationen des Neuen Testaments wurden vom Zweiten Vatikanischen Konzil in ihrer Gesamtheit entschieden zurückgewiesen. <1046> Trotz der christlichen Botschaft, alle Menschen einschließlich der eigenen Feinde zu lieben, herrschte durch die Jahrhunderte eine Einstellung vor, die Minderheiten und alle, die irgendwie „anders“ waren, benachteiligte. Die antijüdische Gesinnung in einigen christlichen Kreisen und die Kluft zwischen der Kirche und dem jüdischen Volk führten zu einer allgemeinen Diskriminierung, die manchmal in Vertreibungen und Zwangsbekehrungen mündete. In weiten Teilen der „christlichen“ Welt war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die rechtliche Stellung der Nichtchristen nicht immer voll gewährleistet. Dennoch hielten die in der christlichen Welt lebenden Juden an ihren religiösen Traditionen und ihrem Brauchtum fest. Daher begegnete man ihnen mit einem gewissen Argwohn und Misstrauen. In Krisenzeiten, zum Beispiel wenn Hungersnöte, Kriege, Seuchen oder soziale Vgl. Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Delegierten der Bischofskonferenzen für die Beziehungen zum Judentum, 6. März 1982. Vgl. Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden; Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche, 24. Juni 1985. Papst Johannes Paul II., Ansprache an das Kolloquium über „Die Wurzeln des Antijudaismus im christlichen Bereich 31. Oktober 1997. Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Nostra Aetate, Nr. 4. 1233 ANHANG Spannungen auftraten, wurde die jüdische Minderheit manchmal zum Sündenbock und zum Opfer von Gewalt und Plünderungen bis hin zu Massakern. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Juden in den meisten Ländern im allgemeinen den anderen Bürgern gleichgestellt, und einige hatten einflussreiche Positionen in der Gesellschaft inne. Im gleichen historischen Kontext, vor allem im 19. Jahrhundert, fasste ein übertriebener und falscher Nationalismus Fuß. In einem Klima tiefgreifender sozialer Veränderungen warf man der jüdischen Minderheit oft eine unverhältnismäßig große Einflussnahme vor. So breitete sich in unterschiedlichem Maße in vielen Teilen Europas langsam ein Antijudaismus aus, der im wesentlichen eher soziologisch und politisch als religiös begründet war. Zur gleichen Zeit kamen Theorien auf, die die Einheit der menschlichen Rasse leugneten und von einer ursprünglichen Verschiedenheit der Rassen ausgingen. Im 20. Jahrhundert nutzte der Nationalsozialismus in Deutschland diese Gedanken als pseudowissenschaftliche Grundlage für eine Unterscheidung zwischen den sogenannten nordisch-arischen und den angeblich niederen Rassen. Darüber hinaus wurde durch die Niederlage von 1918 und die hohen Forderungen der Sieger einer extremistischen Form des Nationalismus in Deutschland Vorschub geleistet. Dies hatte zur Folge, dass viele im Nationalsozialismus eine Lösung für die Probleme ihres Landes sahen und diese Bewegung politisch unterstützten. Die Kirche in Deutschland reagierte, indem sie den Rassismus verurteilte. Dies wurde zuerst deutlich in den Predigten einiger Vertreter des Klerus, in der öffentlichen Lehre der katholischen Bischöfe und in den Schriften katholischer Journalisten. Schon im Februar und März 1931 veröffentlichten Kardinal Bertram von Breslau, Kardinal Faulhaber und die bayerischen Bischöfe sowie die Bischöfe der Kirchenprovinzen Köln und Freiburg Hirtenbriefe, in denen der Nationalsozialismus mit seiner götzenhaften Verherrlichung der Rasse und des Staates verurteilt wurde. <1047> 1933, im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, äußerte Kardinal Faulhaber in seinen berühmten Adventspredigten, die nicht nur von Katholiken, sondern auch von Protestanten und Juden gehört wurden, eine deutliche Ablehnung der antisemitischen Propaganda der Nazis. <1048> Nach der „Kristallnacht“ sprach der Dompropst von Berlin Bernhard Lichtenberg öffentliche Gebete für die Juden. Er starb in Dachau und wurde später seliggesprochen. <1047> Vgl. B. Stasiewski (Hrsg.), Akten deutscher Bischöfe Über die Lage der Kirche, 1933-1945. Bd. I (1933-1934) Mainz 1968, Anhang. Vgl. L. Volk, Der Bayerische Episkopat und der Nationalsozialismus 1930-1934 (Mainz 1966), 170-174. Auch Papst Pius XI. verurteilte den nazistischen Rassismus in feierlicher Form in seiner Enzyklika Mit brennender Sorge <1049>. Sie wurde am Passionssonntag 1937 in den Kirchen Deutschlands verlesen, was zu Angriffen und Sanktionen gegen Mitglieder des Klerus führte. Am 6. September 1938 unterstrich Pius XI. in seiner An- <1049> Die Enzyklika trägt das Datum vom 14. März 1937: AAS 29(1937)145-167. 1234 ANHANG spräche an eine belgische Pilgergruppe: „Der Antisemitismus ist unvertretbar. Geistlich sind wir Semiten.“ <1050> Pius XII. warnte in seiner ersten Enzyklika Summi Pontificatus <1051> vom 20. Oktober 1939 vor Theorien, die die Einheit des Menschengeschlechts leugneten, und vor der Vergöttlichung des Staates, die seiner Ansicht nach allesamt zu einer wahren „Stunde der Dunkelheit“ führten. <1052> La Documentation Catholique, 29 (1938), Spalte 1460. AAS 31(1939)913-453. Ibid. 449. IV. Der Antisemitismus der Nazis und die Shoah Man darf also nicht übersehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Antisemitismus, der sich auf Theorien stützt, die im Widerspruch zur beständigen Lehre der Kirche über die Einheit des Menschengeschlechts und über die gleiche Würde aller Rassen und Völker stehen, und dem althergebrachten Gefühlen des Misstrauens und der Feindseligkeit, die wir Antijudaismus nennen und derer sich leider auch Christen schuldig gemacht haben. Die nationalsozialistische Ideologie ging sogar noch weiter und verweigerte die Anerkennung jedweder transzendenten Realität als Quelle des Lebens und Kriterium des sittlich Guten. Als Folge davon maßte sich eine Gruppe von Menschen und der Staat, mit dem sie gleichgesetzt wurde, einen absoluten Status an und beschloss, die Existenz des jüdischen Volkes auszulöschen - jenes Volkes, das berufen war, Zeugnis für den einen Gott und das Gesetz des Bundes abzulegen. Theologisch betrachtet lässt sich die Tatsache nicht abstreiten, dass nicht wenige Mitglieder der nationalsozialistischen Partei nicht nur eine Abneigung gegen die Vorstellung eines Hineinwirkens der göttlichen Vorsehung in menschliche Dinge, sondern auch blanken Hass gegen Gott selbst erkennen ließen. Eine solche Haltung führte unweigerlich auch zu einer Ablehnung des Christentums und zu dem Wunsch, die Kirche vernichtet oder zumindest den Interessen des nationalsozialistischen Staates unterworfen zu sehen. Auf diese extreme Ideologie stützten sich die Maßnahmen zunächst zur Vertreibung der Juden aus ihren Häusern und dann zu ihrer Ausrottung. Die Shoah war das Werk eines typisch modernen neuheidnischen Regimes. Sein Antisemitismus hatte seine Wurzeln außerhalb des Christentums. Um seine Ziele zu erreichen, zögerte es nicht, sich der Kirche entgegenzustellen und auch ihre Mitglieder zu verfolgen. Man kann sich jedoch fragen, ob die Verfolgung der Juden durch die Nazis aufgrund der anti-jüdischen Vorurteile, die in den Herzen und Köpfen einiger Christen bestanden, nicht leichter gemacht wurde. Machten ihre Ressentiments gegen die Juden die Christen weniger sensibel oder gar gleichgültig gegenüber den Judenverfolgungen durch die Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung? 13 14 15 1235 ANHANG Jede Antwort auf diese Frage muss berücksichtigen, dass wir es mit der Geschichte menschlicher Haltungen und Denkweisen zu tun haben, die von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Darüber hinaus wussten viele Menschen nicht das Geringste von der „Endlösung“, die gegen ein ganzes Volk angewandt wurde; andere hatten Angst um sich selbst und die, die ihnen nahestanden; einige zogen Vorteile aus dieser Situation und wieder andere trieb der Neid. Jeder Fall müsste für sich beantwortet werden, aber hierfür muss man wissen, welche Beweggründe die Menschen in einer bestimmten Situation hatten. Anfangs war die Führung des Dritten Reiches bestrebt, die Juden auszuweisen. Leider waren die Regierungen einiger westlicher Länder mit christlicher Tradition, darunter auch einige nord- und südamerikanische, viel zu zögerlich, ihre Grenzen für die verfolgten Juden zu öffnen. Auch wenn sie nicht voraussehen konnten, wie weit die nationalsozialistischen Machthaber in ihren verbrecherischen Absichten gehen würden, wussten die Staatsoberhäupter dieser Länder um die Nöte und Gefahren, in denen sich die in den Gebieten des Dritten Reiches lebenden Juden befanden. Die Schließung der Grenzen für jüdische Emigranten unter diesen Umständen - sei es aufgrund gegen die Juden gerichteter Feindseligkeiten oder Verdächtigungen, politischer Feigheit oder Kurzsichtigkeit oder auch aus nationalem Egoismus - stellt für die betreffenden staatlichen Autoritäten eine schwere Gewissenslast dar. In den Gebieten, in denen die Nationalsozialisten Massendeportationen durchführten, hätten die brutalen Begleitumstände dieser Zwangsverschickungen wehrloser Menschen die schlimmsten Befürchtungen wecken müssen. Haben die Christen den Verfolgten und insbesondere den verfolgten Juden jede mögliche Hilfe zuteil werden lassen? Viele taten es, andere aber nicht. Diejenigen, die entsprechend ihren Möglichkeiten und sogar unter Gefährdung ihres eigenen Lebens halfen, das Leben von Juden zu retten, dürfen nicht vergessen werden. Während des Krieges und danach brachten jüdische Gemeinden und Persönlichkeiten ihre Dankbarkeit für all das zum Ausdruck, was für sie getan worden war, auch dafür, was Papst Pius XII. persönlich und durch seine Vertreter unternommen hatte, um hunderttausenden von Juden das Leben zu retten. <1053> Viele katholische Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sind dafür vom Staat Israel geehrt worden. großzügige Hilfe für die Verfolgten während der Zeit des nationalsozialistischen Faschismus danken zu können“. Zum Tode von Papst Pius XII. im Jahre 1958 sandte Golda Meir eine ausdrucksvolle Botschaft: „Wir teilen den Schmerz der ganzen Menschheit. Als unser Volk das schreckliche Martyrium erlitt, erhob der Papst seine Stimme für die Opfer. In dieser Zeit wurde unser Leben durch seine Worte bereichert, die große sittliche Wahrheiten klar und deutlich zum Ausdruck brachten und dabei das tägliche Kampfgetöse übertönten. Wir trauern um einen großen Diener des Friedens.“ 1236 ANHANG Verglichen mit solchen mutigen Männern und Frauen waren jedoch - wie Papst Johannes Paul II. eingestanden hat - der geistige Widerstand und das konkrete Handeln anderer Christen nicht so, wie man es von den Jüngern Christi hätte erwarten können. Unbekannt ist die Zahl der Christen in den von den nationalsozialistischen Machthabern oder deren Verbündeten besetzten oder regierten Ländern, die beim Verschwinden ihrer jüdischen Nachbarn entsetzt waren und doch nicht die Kraft zum sichtbaren Protest fanden. Für Christen muss diese schwere Gewissenslast ihrer Brüder und Schwestern während des Zweiten Weltkrieges ein Ruf zur Buße sein. <1054> <1054> Vgl. Papst Johannes Paul II., Ansprache an den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl am 8. November 1990, Nr. 2: AAS 83(1991)587-588. Wir bedauern zutiefst die Fehler und das Versagen jener Söhne und Töchter der Kirche. Wir machen uns die Worte der Erklärung Nostra Aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils zu eigen, in der es unmissverständlich heißt: ,Jm Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche (...) nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben.“ <1055> <1055> Loc. cit., Nr. 4. Mit Zustimmung erinnern wir an die Worte von Papst Johannes Paul II., die er 1988 an die Jüdische Gemeinde in Straßburg gerichtet hat: „Ich wiederhole mit Ihnen auf das Entschiedenste die Verurteilung jedes Antisemitismus und Rassismus, die mit den Grundsätzen des Christentums unvereinbar sind“. <1056> Daher verurteilt die katholische Kirche jegliche Verfolgung eines Volkes oder einer Gruppe von Menschen, wo immer und wann immer sie geschieht. Sie verurteilt auf das entschiedenste alle Formen des Völkermords sowie die rassistischen Ideologien, die dazu führen. Wenn wir auf dieses Jahrhundert zurückblicken, so erfüllt uns die Gewalt, von der ganze Völkergruppen und Nationen betroffen waren, mit tiefer Trauer. Wir erinnern insbesondere an das Massaker unter den Armeniern, an die zahllosen Opfer in der Ukraine während in den 30er Jahren, an den Völkermord, der an den Zigeunern begangen wurde und ebenfalls auch auf rassistische Ideen zurückging, sowie an ähnliche Tragödien in Amerika, Afrika und auf dem Balkan. Nicht vergessen bleiben sollen die Millionen Opfer der totalitären Ideologie in der Sowjetunion, in China, Kambodscha und anderswo. Auch das uns wohlbekannte Drama im Mittleren Osten dürfen wir nicht vergessen. Sogar während wir uns <1056> Ansprache an die Jüdische Gemeinde in Straßburg am 9. Oktober 1988. 1237 ANHANG diese Gedanken machen, „sind immer noch allzuviele Menschen Opfer ihrer Mitmenschen“. <1057> <1057> Papst Johannes Paul 11., Ansprache an das Diplomatische Korps am 15. Januar 1994, Nr. 9: AAS 86(1994)816. V. Blick auf eine gemeinsame Zukunft Wenn wir auf die zukünftigen Beziehungen zwischen Juden und Christen schauen, so appellieren wir als erstes an unsere katholischen Brüder und Schwestern, sich der hebräischen Wurzeln ihres Glaubens wieder bewusst zu werden. Wir bitten sie, nicht zu vergessen, dass Jesus ein Nachkomme Davids war, dass die Jungfrau Maria und die Apostel Juden waren, dass die Kirche Kraft schöpft aus der Wurzel jenes edlen Ölbaums, dem die Zweige des wilden Ölbaums der Heiden eingepfropft wurden (vgl. Röm 11,17-24), und dass die Juden unsere geliebten Brüder und in gewissem Sinne wirklich „unsere älteren Brüder“ <1058> sind. <1058> Papst Johannes Paul II., Rede in der Synagoge in Rom am 13. April 1986, Nr. 4: AAS 78(1986)1120. Am Ende dieses Jahrtausends möchte die katholische Kirche ihr tiefes Bedauern über das Versagen ihrer Söhne und Töchter aller Generationen zum Ausdruck bringen. Dies ist ein Akt der Umkehr und Reue (teshuva), da wir als Glieder der Kirche sowohl an den Sünden als auch an den Verdiensten all ihrer Kinder teilhaben. Mit tiefem Respekt und großem Mitgefühl begegnet die Kirche der Erfahrung der Vernichtung, der Shoah, die das jüdische Volk im Zweiten Weltkrieg durchlitten hat. Es handelt sich nicht um bloße Worte, sondern um eine wirklich verbindliche Verpflichtung. „Wir würden Gefahr laufen, aufs neue Opfer grausamster Tode sterben zu lassen, wenn wir nicht leidenschaftlich nach der Gerechtigkeit verlangen und wenn wir uns nicht dafür einsetzen würden, jeder nach seinen eigenen Fähigkeiten, daß nicht das Böse die Vorherrschaft gewinne über das Gute, wie es Millionen von Söhnen und Töchtern des jüdischen Volkes gegenüber geschehen ist. (...) Die Menschheit darf nicht zulassen, daß das alles wieder geschieht.“ <1059> Wir beten, dass unsere Trauer um die Tragödie, die das jüdische Volk in unserem Jahrhundert erlitten hat, zu einer neuen Beziehung zum jüdischen Volk führen wird. Wir möchten erreichen, dass das Wissen um vergangene Sünden in den festen Vorsatz mündet, eine neue Zukunft aufzubauen, in der es keinen Anti-Judaismus unter Christen oder anti-christliche Ressentiments unter den Juden mehr geben wird, sondern vielmehr eine gegenseitige Achtung, wie sie jenen zukommt, die den einen Schöpfer und Herrn anbeten und einen gemeinsamen Vater im Glauben haben, Abraham. <1059> Papst Johannes Paul II., Ansprache zum Gedächtnis der Shoah am 7. April 1994, Nr. 3. Schließlich laden wir alle Männer und Frauen guten Willens dazu ein, intensiv über die Bedeutung der Shoah nachzudenken. Der Schrei der Opfer aus ihren Gräbern und der Überlebenden durch ihr lebendiges Zeugnis dessen, was sie erlitten haben, weckt die Aufmerksamkeit der ganzen Menschheit. Sich an diese schreck- 1238 ANHANG liehe Erfahrung zu erinnern heißt, sich der ihr innewohnenden heilsamen Mahnung voll bewusst zu werden: Wir dürfen nicht zulassen, dass der schlechte Samen des Anti-Judaismus und Anti-Semitismus jemals wieder in eines Menschen Herzen Wurzeln schlägt. 16. März 1998 Kardinal Edward Idris Cassidy Präsident Bischof Pierre Dupre Vize-Präsident Pater Remi Hoeckman, OP Sekretär Die Organe der Römischen Kurie Stand: 27. Juli Johannes Paul II., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Gesamtkirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Staatssekretariat - Kardinalstaatssekretär: Kardinal Angelo Sodano Erste Sektion: Allgemeine Angelegenheiten: - Substitut: Erzbischof Giovanni Battista Re - Assessor: Msgr. Pedro Lopez Quintana - Vize-Assessor: N.N. Zweite Sektion: Beziehungen mit den Staaten: - Sekretär: Erzbischof Jean-Louis Tauran - Untersekretär: Msgr. Celestino Migliore Angegliedert ist das Zentralamt fiir kirchliche Statistik: - Leiter: Msgr. Vittorio Formend Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre: - Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Tarcisio Bertonie - Untersekretär: P. Gianfranco Girotti OFMConv 1239 ANHANG Kongregation für die Orientalischen Kirchen: - Präfekt: Kardinal Achille Silvestrini - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn - Untersekretär: Msgr. Claudio Gugerotti Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: - Präfekt: Kardinal Jorge Arturo Medina Estevez - Sekretär: Erzbischof Geraldo Majella Agnelo - Untersekretäre: Msgr. Vincenzo Ferrara Msgr. Mario Marini Kongregation fiir die Selig- und Heiligsprechungsprozesse: - Präfekt: Erzbischof Jose Saraiva Martins CMF - Sekretär: Erzbischof Edward Nowak - Untersekretär: Msgr. Michele Di Ruberto Kongregation für die Bischöfe: - Präfekt: Kardinal Lucas Moreira Neves OP - Sekretär: Erzbischof Francesco Monterisi - Untersekretär Msgr. Giovanni Maria Rossi Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen ist die Päpstliche Kommission für Lateinamerika: - Präsident: Kardinal Lucas Moreira Neves OP - Vizepräsident: Bischof Cipriano Calderön Polo Kongregation für die Evangelisierung der Völker: - Präfekt: Kardinal Jozef Tomko - Sekretär: Erzbischof Marcello Zago OMI - Beigeordneter Sekretär Erzbischof Charles A. Schleck CSC - Untersekretär: Msgr. Luigi Ghidoni Kongregation für den Klerus: - Präfekt: Kardinal Dario Castrillön Hoyos - Sekretär: Erzbischof Csaba Temyäk - Untersekretär: Msgr. Antonio Silvestrelli Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens: - Präfekt: Kardinal Eduardo Martmez Somalo - Sekretär: Erzbischof Piergiorgio Silvano Nesti CP - Untersekretäre: P. Jesus Torres Llorente CMF Msgr. Juan Jose Dorronsoro Allo 1240 ANHANG Kongregation fiir das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen): - Präfekt: - Sekretär: - Untersekretär: Kardinal Pio Laghi Erzbischof Giuseppe Pittau SJ Msgr. Giuseppe Baldanza Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie: - Großpönitentiar: Kardinal William Wakefield Baum Oberster Gerichtshof der Apostolischen Signatur: - Präfekt: Kardinal Gilberto Agustoni Gericht der Römischen Rota: - Dekan: Erzbischof Mario Francesco Pompedda Päpstliche Räte: Päpstlicher Rat fiir die Laien: - Präsident: Kardinal James Francis Stafford - Sekretär: Bischof Stanislaw Rylko - Untersekretär: Prof. Guzmän Carriquiry Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen: - Präsident: Kardinal Edward Idris Cassidy - Sekretär: Bischof Pierre Duprey MAfr - Beigeordneter Sekreär: Bischof Jean-Claude Perisset - Untersekretär: Msgr. Eleuterio Francesco Fortino Päpstlicher Rat für die Familie: - Präsident: Kardinal Alfonso Lopez Trujillo - Sekretär: Bischof Francisco Gil Hellfn - Untersekretär: Msgr. Francesco Di Felice Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden: - Präsident: Erzbischof Frangois Xavier Nguyen Van Thuän - Sekretär: Msgr. Diarmuid Martin - Untersekretär: Msgr. Giampaolo Crepaldi Päpstlicher Rat „ Cor Unum“ - Präsident: Erzbischof Paul Josef Cordes - Sekretär: Msgr. Karel Kasteei - Untersekretär: Rev. Francisco Azcona San Martin 1241 ANHANG Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs: - Präsident: Erzbischof Stephen Fumio Hamao - Sekretär: Erzbischof Francesco Gioia OFMCap - Untersekretär: Msgr. Giuseppe De Andrea Päpstlicher Rat für die P astoral im Krankendienst: - Präsident: Erzbischof Javier Lozano Barragän - Sekretär: P. Jose Luis Redrado Marchite OH - Untersekretär: P. Felice Ruffini MI Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten: - Präsident: Erzbischof Julian Herranz - Sekretär: Bischof Bruno Bertagna - Untersekretär: P. Marino Maccarelli OSM Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog: - Präsident: Kardinal Francis Arinze - Sekretär: Bischof Michael Louis Fitzgerald MAfr - Untersekretär: Rev. John Bosco Masayuki Shirieda SDB Päpstlicher Rat für die Kultur: - Präsident: Kardinal Paul Poupard - Sekretär: P. Bemard Ardura OPraem - Untersekretär: P. Fabio Duque Jaramillo OFM Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel: - Präsident: Erzbischof John Patrick Foley - Sekretär: Bischof Pierfranco Pastore - Untersekretär: Hans-Peter Röthlin Päpstliche Kommissionen: Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche: - Präsident: Erzbischof Francesco Marchisano - Sekretär: Rev. Cario Chenis SDB - Untersekretär: Rev. Lino Piano SSC Päpstliche Kommission für sakrale Archäologie: - Präsident: Erzbischof Francesco Marcisano - Sekretär: Prof. Frabrizio Bisconti Päpstliche Bibelkommission: - Präsident: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: P. Albert Vanhoye SJ - Technischer Sekretär: P. Marino Maccarelli OSM 1242 Päpstliche Kommission „Ecclesia Dei“ - Präsident: Kardinal Angelo Felici - Aktuar: Msgr. Camille Perl Besondere Einrichtungen: Apostolische Kammer: - Camerlengo der Hl. Römischen Kirche: Kardinal Eduardo Martinez Somalo - Vize-Camerlengo: Erzbischof Ettore Cunial Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls: - Präsident: Kardinal Lorenzo Antonetti - Sekretär: Erzbischof Claudio Maria Celli Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls - Präsident: Kardinal Sergio Sebastiani - Sekretär: Bischof Francesco Saverio Salerno Präfektur des Päpstlichen Hauses: - Präfekt: Bischof James Michael Harvey - Beigeordneter Präfekt: Bischof Stanislaw Dziwisz Amt für die liturgischen Feiern des Papstes: - Zeremonienmeister: Bischof Piero Marini Schweizergarde: - Kommandant: Oberst Pius Segmüller - Kaplan: Alois Jehle Vatikanisches Geheimarchiv: - Archivar der Hl. Römischen Kirche: Erzbischof Jorge Maria Mejfa - Präfekt: P. Sergio Pagano B - Vizepräfekt: P. Ugo Paoli OSB Vatikanische Apostolische Bibliothek: - Bibliothekar der Hl. Römischen Kirche: Erzbischof Jorge Maria Mejfa - Präfekt: Rev. Raffaele Farina SDB - Vizepräfekt: N.N. Vatikanische Museen: - Reggente: Dr. Francesco Buranelli Päpstliche Akademie der Wissenschaften: - Präsident: Prof. Nicola Cabibbo ANHANG Institut für kirchliche Einrichtungen (IOR): - Generaldirektor: Lelio Scaletti Dombauhütte von St. Peter: - Präsident: Kardinal Virgilio Noe - Delegat: N.N. Päpstlicher Wohltätigkeitsdienst: - Almosenpfleger: Erzbischof Oscar Rizzato Osservatore Romano: - Direktor: - Sekretär der Redaktion: - Wochenausgaben: eine monatl. Ausgabe Prof. Mario Agnes Dr. Carlo De Lucia in Deutsch: Dr. Hans-Joachim Kracht in Englisch: Msgr. Robert Dempsey in Französisch: Dr. Jean-Michel Coulet in Portugiesisch: Msgr. Antonio Expedito de Barros Marcondes in Spanisch: P. Arturo Gutierrez Gömez LC in Polnisch: P. Czeslaw Drazek SJ Vatikanische Druckerei: - Generaldirektor: - Verwaltungsdirektor: - Technischer Direktor: - Kaufmänn. Direktor: Rev. Elio Torrigiani SDB Giacomo Bonassoli SDB Giuseppe Canesso SDB Antonio Maggiotto SDB Vatikanische Verlagsbuchhandlung: - Direktor: Rev. Nicolö Suffi SDB Radio Vatikan: - Präsident: - Generaldirektor: - Leiterder deutschen Sektion: P. Roberto Tucci SJ P. Pasquale Borgomeo SJ P. Eberhard von Gemmingen SJ Vatikanisches Fernsehzentrum: - Generaldirektor: Rev. Ugo Moretto - Präsident des Verwaltungsrats: Dr. Emilio Rossi Presseamt des Hl. Stuhls: - Direktor: Dr. Joaqurn Navarro-Valls - Vizedirektor: P. Ciro Benedettini CP 1244 ANHANG Antwort der katholischen Kirche auf die Gemeinsame Erklärung zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre vom 25. Juni Erklärung Die Gemeinsame Erklärung zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre (Gemeinsame Erklärung) stellt einen bemerkenswerten Fortschritt im gegenseitigen Verständnis und in der Annäherung der Dialogpartner dar; sie zeigt, dass es zwischen der katholischen und der lutherischen Position in einer jahrhundertelang so kontroversen Frage zahlreiche Konvergenzpunkte gibt. Man kann mit Sicherheit sagen, dass sowohl, was die Ausrichtung der Fragestellung betrifft, als auch hinsichtlich der Beurteilung, die sie verdient, ein hoher Grad an Übereinstimmung erreicht worden ist. <1060> Die Feststellung, dass es „einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre“ <1061> gibt, ist richtig. Vgl. Gemeinsame Erklärung, Nr. 4: „ein hohes Maß an gemeinsamer Ausrichtung und gemeinsamem Urteil.“ Ebd., Nr. 5; vgl. Nr. 13; 40; 43. Trotzdem ist die katholische Kirche der Überzeugung, dass man noch nicht von einem so weitgehenden Konsens sprechen könne, der jede Differenz zwischen Katholiken und Lutheranern im Verständnis der Rechtfertigung ausräumen würde. Die Gemeinsame Erklärung nimmt selbst auf einige dieser Unterschiede Bezug. Tatsächlich sind die Positionen in einigen Punkten noch unterschiedlich. Auf der Grundlage der bereits unter zahlreichen Aspekten erzielten Übereinstimmung will die katholische Kirche zur Überwindung der noch bestehenden Divergenzen dadurch beitragen, dass sie im folgenden eine Reihe von Punkten, nach ihrer Bedeutung geordnet, vorlegt, die bei diesem Thema einer Verständigung in allen Grundwahrheiten zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund noch entgegenstehen. Die katholische Kirche hofft, dass die nachfolgenden Hinweise ein Ansporn sein können, um das Studium dieser Fragen in demselben brüderlichen Geist weiterzuführen, der den Dialog zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund in letzter Zeit geprägt hat. Präzisierungen 1. Die größten Schwierigkeiten, um von einem vollständigen Konsens über das Thema Rechtfertigung zwischen den beiden Seiten sprechen zu können, finden sich in Paragraph 4.4 „Das Sündersein des Gerechtfertigten“ (Nr. 28-30). Selbst unter Berücksichtigung der in sich legitimen Unterschiede, die von unterschiedli- 1 2 1245 ANHANG chen theologischen Zugangswegen zur Gegebenheit des Glaubens herrühren, löst vom katholischen Standpunkt her schon allein die Überschrift Erstaunen aus. Nach der Lehre der katholischen Kirche wird nämlich in der Taufe all das, was wirklich Sünde ist, hinweggenommen, und dämm hasst Gott nichts in den Wiedergeborenen. <1062> Daraus folgt, dass die Konkupiszenz, die im Getauften bleibt, nicht eigentlich Sünde ist. Deshalb ist die Formel „zugleich Gerechter und Sünder“ so, wie sie am Anfang von Nr. 29 erklärt wird („Er ist ganz gerecht, weil Gott ihm durch Wort und Sakrament seine Sünde vergibt... In Blick auf sich selbst aber erkennt er ..., daß er zugleich ganz Sünder bleibt, daß die Sünde noch in ihm wohnt ...“), für Katholiken nicht annehmbar. Diese Aussage erscheint nämlich unvereinbar mit der Erneuerung und Heiligung des inneren Menschen, von der das Trienter Konzil spricht. <1063> Der in Nr. 28-30 verwendete Begriff „Gottwidrigkeit“ wird von Katholiken und Lutheranern unterschiedlich verstanden und wird daher tatsächlich zu einem mehrdeutigen Begriff. In demselben Sinn ist für einen Katholiken auch der Satz in Nr. 22: „... rechnet ihm Gott seine Sünde nicht an und wirkt in ihm tätige Liebe durch den Heiligen Geist“, nicht eindeutig genug, weil die innere Verwandlung des Menschen nicht klar zum Ausdruck kommt. Aus all diesen Gründen gibt es Schwierigkeiten mit der Aussage, diese Lehre über das „simul iustus et peccator“ sei in der aktuellen Fassung, in der sie in der Gemeinsamen Erklärung vorgelegt wird, nicht von den Anathemata (Verurteilungen) der tridentinischen Dekrete über die Ursünde und die Rechtfertigung betroffen. <1062> Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die Ursünde (DS 1515). <1063> Vgl. Konzil von Trient, Dekret Uber die Rechtfertigung, Kap. 8: iusitificatio ... quae non est sola peccato- rum remissio, sed et sanctificatio et renovatio interioris hominis“ [„... die Rechtfertigung die nicht nur Vergebung der Sünden ist, sondern auch Heiligung und Erneuerung des inneren Menschen“] (DS 1528); vgl. auchcan. 11 (DS 1561). 2. Eine weitere Schwierigkeit findet sich in Nr. 18 der Gemeinsamen Erklärung, in der sich ein klarer Unterschied in bezug auf die Bedeutung herausstellt, welche die Rechtfertigungslehre für Katholiken und Lutheraner als Kriterium für das Leben und die Praxis der Kirche hat. Während für die Lutheraner diese Lehre eine ganz einzigartige Bedeutung erlangt hat, muss, was die katholische Kirche betrifft, gemäß der Schrift und seit den Zeiten der Väter die Botschaft von der Rechtfertigung organisch in das Grundkriterium der „regula fidei“ einbezogen werden, nämlich das auf Christus als Mittelpunkt ausgerichtete und in der lebendigen Kirche und ihrem sakramentalen Leben verwurzelte Bekenntnis des dreieinigen Gottes. 3. Wie es in Nr. 17 der Gemeinsamen Erklärung heißt, teilen Lutheraner und Katholiken die gemeinsame Überzeugung, dass das neue Leben aus der göttlichen Barmherzigkeit und nicht aus unserem Verdienst kommt. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass diese göttliche Barmherzigkeit, wie es in 2 Kor 5,11 heißt, eine neue Schöpfung bewirkt und damit den Menschen befähigt, in seiner Antwort auf das Geschenk Gottes mit der Gnade mitzuwirken. In diesem Zusammenhang 1246 ANHANG nimmt die katholische Kirche mit Befriedigung zur Kenntnis, dass Nr. 21 in Übereinstimmung mit can. 4 des Dekretes des Trienter Konzils über die Rechtfertigung (.DS 1554) sagt, dass der Mensch die Gnade zurückweisen kann; es müsste aber auch gesagt werden, dass dieser Freiheit zur Zurückweisung auch eine neue Fähigkeit zur Annahme des göttlichen Willens entspricht, eine Fähigkeit, die man mit Recht „cooperatio“ (Mitwirkung) nennt. Diese mit der neuen Schöpfung geschenkte Neubefähigung gestattet nicht die Verwendung des Ausdrucks „mere passive“ (Nr. 21). Dass diese Fähigkeit andererseits Geschenkcharakter hat, drückt das 5. Kapitel des tridentinischen Dekretes (DS 1525) treffend aus, wenn es sagt: „ita ut tangente Deo cor hominis per Spiritus Sancti illuminationem, neque homo ipse nihil omnino agat, inspirationem illam recipiens, quippe qui illam et abicere potest, neque tarnen sine gratia Dei movere se ad iustitiam coram illo libera sua voluntate possit“ [„wenn also Gott durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes das Herz des Menschen berührt, tut der Mensch selbst, wenn er diese Einhauchung aufnimmt, weder überhaupt nichts - er könnte sie ja auch verschmähen -, noch kann er sich andererseits ohne die Gnade Gottes durch seinen freien Willen auf die Gerechtigkeit vor ihm zubewegen“]. In der Tat wird auch von lutherischer Seite in Nr. 21 ein „volles personales Betei-ligtsein im Glauben“ festgehalten. Es bedürfte jedoch einer Klarstellung über die Vereinbarkeit dieses Beteiligseins mit der Annahme der Rechtfertigung „mere passive“, um den Grad der Übereinstimmung mit der katholischen Lehre genauer festzustellen. Was sodann den Schlusssatz von Nr. 24 - „Gottes Gnadengabe in der Rechtfertigung bleibt unabhängig von menschlicher Mitwirkung“ - betrifft, so muss er in dem Sinne verstanden werden, dass die Gnadengaben Gottes nicht von den Werken des Menschen abhängig sind, nicht aber in dem Sinne, dass die Rechtfertigung ohne Mitwirkung des Menschen erfolgen könne. In analoger Weise muss sich der Satz in Nr. 19, wonach die Freiheit des Menschen ,Leine Freiheit auf sein Heil hin“ ist, mit der Aussage über das Unvermögen des Menschen, aus eigener Kraft die Rechtfertigung zu erlangen, verbinden lassen. Die katholische Kirche vertritt auch die Ansicht, dass die guten Werke des Gerechtfertigten immer Frucht der Gnade sind. Doch gleichzeitig und ohne irgend etwas von der totalen göttlichen Initiative aufzuheben, <1064> sind sie Frucht des gerechtfertigten und innerlich verwandelten Menschen. Man kann daher sagen, dass das ewige Leben gleichzeitig sowohl Gnade als auch Lohn ist, der von Gott für die guten Werke und Verdienste erstattet wird. <1065> Diese Lehre ist die Konsequenz aus der inneren Verwandlung des Menschen, von der in Nr. 1 dieser Note die Rede war. Diese Klarstellungen verhelfen zu dem vom katholischen Standpunkt aus an- <1064> Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die Rechtfertigung, Kap. 16 (DS 1546), wo Joh 15,5, der Weinstock und die Reben, zitiert wird. <1065> Vgl. ebd., DS 1545; und can. 26 (DS 1576). 1247 ANHANG gemessenen Verständnis von Paragraph 4.7 (Nr. 37-39) über die guten Werke des Gerechtfertigten. 4. Bei der Fortführung dieser Bemühung wird man auch das Sakrament der Buße behandeln müssen, das in Nr. 30 der Gemeinsamen Erklärung erwähnt wird. Denn durch dieses Sakrament kann, wie das Konzil von Trient formuliert, <1066> der Sünder aufs neue gerechtfertigt werden (rursus iustificari); das schließt die Möglichkeit ein, durch dieses Sakrament, das sich von dem der Taufe unterscheidet, die verlorene Gerechtigkeit wiederzuerlangen. <1067> Nicht auf alle diese Aspekte wird in besagter Nr. 30 ausreichend hingewiesen. <1066> Ebd., Kap. 14 (vgl. DS 1542). <1067> Vgl. ebd., can. 29 (DS 1579); Dekret über das Sakrament der Buße, Kap. 2 (DS 1671); can. 2 (DS 1702). 5. Diese Beobachtungen wollen die Lehre der katholischen Kirche in Bezug auf jene Punkte präzisieren, über die keine völlige Übereinstimmung erreicht wurde, und einige der Paragraphen, die die katholische Lehre darlegen, ergänzen, um das Maß des Konsenses, zu dem man gelangt ist, besser ins Licht zu rücken. Der hohe Grad der erreichten Übereinstimmung gestattet allerdings noch nicht, zu behaupten, dass alle Unterschiede, die Katholiken und Lutheraner in der Rechtfertigungslehre trennen, lediglich Fragen der Akzentuierung oder sprachlichen Ausdrucksweise sind. Einige betreffen inhaltliche Aspekte, und daher sind nicht alle, wie in Nr. 40 behauptet wird, wechselseitig miteinander vereinbar. Außerdem ist zu sagen: Auch wenn es stimmt, dass auf jene Wahrheiten, über die ein Konsens erreicht worden ist, die Verurteilungen des Trienter Konzils nicht mehr anzuwenden sind, müssen dennoch erst die Divergenzen, die andere Punkte betreffen, überwunden werden, bevor man geltend machen kann, dass - wie es in Nr. 41 ganz allgemein heißt - diese Punkte nicht mehr unter die Verurteilungen des Konzils von Trient fallen. Das gilt an erster Stelle für die Lehre über das „si-mul iustus et peccator“ (vgl. oben Nr. 1). 6. Schließlich ist unter dem Gesichtspunkt der Repräsentativität auf den unterschiedlichen Charakter der beiden Partner hinzuweisen, die diese Gemeinsame Erklärung erarbeitet haben. Die katholische Kirche erkennt die vom Lutherischen Weltbund unternommene große Anstrengung an, durch Konsultation der Synoden den „magnus consensus“ zu erreichen, um seiner Unterschrift echten kirchlichen Wert zu geben: es bleibt allerdings die Frage der tatsächlichen Autorität eines solchen synodalen Konsenses, heute und auch in Zukunft, im Leben und in der Lehre der lutherischen Gemeinschaft. Perspektiven für die künftige Arbeit 7. Die katholische Kirche möchte ihre Erwartung bekräftigen, dass diesem wichtigen Schritt hin zu einem Einvernehmen in der Rechtfertigungslehre weitere Stu- 1248 ANHANG dien folgen mögen, die eine zufriedenstellende Klärung der noch bestehenden Divergenzen erlauben. Wünschenswert wäre insbesondere eine Vertiefung des biblischen Fundamentes, das sowohl für die Katholiken wie für die Lutheraner die gemeinsame Grundlage der Rechtfertigungslehre darstellt. Besagte Vertiefung sollte dem ganzen Neuen Testament und nicht nur den paulinischen Schriften gelten. Denn auch wenn es zutrifft, dass der hl. Paulus der neutestamentliche Autor ist, der am meisten über dieses Thema gesprochen hat, was eine gewisse vorrangige Aufmerksamkeit verlangt, fehlt es auch in den anderen Schriften des Neuen Testamentes nicht an fundierten Bezugnahmen auf dieses Thema. Was die von der Gemeinsamen Erklärung erwähnten verschiedenen Formen betrifft, mit denen Paulus den neuen Zustand des Menschen beschreibt, so könnte man die Kategorien der Sohnschaft und der Erbschaft (Gal 4,4-7; Röm 8,14-17) hinzufügen. Die Betrachtung aller dieser Elemente wird für das gegenseitige Verständnis sehr hilfreich sein und die Lösung jener noch bestehenden Divergenzen in der Rechtfertigungslehre ermöglichen. 8. Schließlich sollten sich Lutheraner und Katholiken gemeinsam darum bemühen, eine Sprache zu finden, die imstande ist, die Rechtfertigungslehre auch den Menschen unserer Zeit verständlicher zu machen. Die Grundwahrheiten von dem von Christus geschenkten und im Glauben angenommenen Heil, vom Primat der Gnade vor jeder menschlichen Initiative, von der Gabe des Heiligen Geistes, der uns dazu fähig macht, unserem Stand als Kinder Gottes entsprechend zu leben usw. sind wesentliche Aspekte der christlichen Botschaft, die die Gläubigen aller Zeiten erleuchten sollten. Diese Note, welche die offizielle katholische Antwort auf den Text der Gemeinsamen Erklärung darstellt, ist in gemeinsamer Verständigung zwischen der Kongregation für die Glaubenslehre und dem Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen ausgearbeitet worden und wird vom Präsidenten dieses Päpstlichen Rates als direkt Verantwortlichem für den ökumenischen Dialog unterzeichnet. III. Ausschuss der UN-Generalversammlung Förderung von vertretbarer Entwicklung durch die Vereinten Nationen unter voller Berücksichtigung der Menschenrechte Erklärung zu Punkt 100 „Soziale Entwicklung, einschließlich Fragen zur sozialen Lage weltweit, zum Thema Jugend, alte Menschen, Behinderte und Familie“ Stellungnahme des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen, Msgr. Renato R. Martina, vom 6. Oktober 1998 vor dem III. Ausschuss der 1249 ANHANG UN-Generalversammlung zu Punkt 100 der Tagesordnung im Hinblick auf das Gipfeltreffen flir soziale Entwicklung, zu Fragen über die soziale Situation weltweit, die Jugend, alte Menschen, Behinderte und die Familie. Herr Präsident! An der Schwelle des neuen Jahrtausends stehen die Vereinten Nationen am Scheideweg. Diese Art Situation lädt ein zur Selbstbeurteilung und -beobachtung. Mit Freude erinnere ich den Ausschuss daran, dass der Hl. Stuhl aktiv an allen Vorbereitungsphasen teilgenommen hat und auch in Kopenhagen während des Weltgipfeltreffens für soziale Entwicklung anwesend war. Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. möchte auch weiterhin seine maßgebliche Unterstützung für den Gipfel zum Ausdruck bringen, der von der Idee inspiriert war - zu der auch die Enzyklika Centesimus annus beigetragen hatte -, dass mit dem Ende der von lähmenden ideologischen Konfrontationen geprägten Epoche ein allgemeiner Konsens über Demokratie in der Politik und Marktwirtschaft erreicht werden würde. Aber eine weitere Übereinstimmung - im sozialen Bereich -musste noch gefunden werden. Gleichzeitig konnte eine vollere Anerkennung jener Beziehung beobachtet werden, die die Rechte der Menschen mit Freiheit, Wirtschaftswachstum, Umweltschutz und dem Wohl der gesamten Menschheit verbindet. In Kopenhagen konnten Länder verschiedener Kulturen und mit unterschiedlichem Wirtschaftswachstum eine Einigung über die Anwendung jener Grundsätze erzielen, die für die Entwicklung der Gesellschaft und zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen notwendig sind. Ein äußerst hoffnungsvolles Zeichen war der Vorsatz, diese Ziele in einer „politischen, wirtschaftlichen, ethischen und spirituellen Sicht unter voller Achtung der verschiedenen religiösen und ethischen Werte“ anzustreben, „mit den Menschen im Mittelpunkt der Entwicklung“ und dem Wunsch, „die Wirtschaft den menschlichen Erfordernissen entsprechend auf wirksamere Art und Weise zu orientieren“. Der Hl. Stuhl misst dem Kopenhagener Gipfel große Bedeutung bei in der Hoffnung, dass die von so vielen Staats- und Regierungschefs feierlich eingegangen Verpflichtungen gewissenhaft ausgeführt werden. Insbesondere geht es um - die Anerkennung der Schlüsselrolle der Familie im Hinblick auf die soziale Entwicklung, - die Achtung der Elternrechte, - die Einschränkung aller Formen von Armut und die Beseitigung extremer Armut, - die Beschleunigung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, - die Festigung von Partnerschaften mit Nicht-Regierungs-Organisationen, - die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. 1250 ANHANG Herr Präsident! Angesichts der wertvollen Rolle, die ältere Menschen in der Gesellschaft einnehmen, unterstützt der Hl. Stuhl die Initiative des Generalsekretärs, ein Internationales Jahr der älteren Menschen zu verkünden. Dieser Anlass wird uns an ihre Fähigkeiten, ihre Talente, ihren Wissens- und Erfahrungsreichtum erinnern, die sie, wenn ihnen Gelegenheit dazu gegeben wird, mit jedem von uns teilen können. Dieses Gedenkjahr wird auch dazu beitragen, uns ihre besonderen Erfordernisse bewusst zu machen und der weltweiten Gemeinschaft zu zeigen, wie ihnen jene Fürsorge und Achtung besser zuteil werden kann, die sie verdienen. Der Hl. Stuhl war auch unter den Teilnehmern der Weltkonferenz der für die Jugend verantwortlichen Minister, ein Treffen, das die Aufmerksamkeit auf die jungen Menschen lenkte, die zukünftigen Generationen der Welt, jene, die sowohl die Güter wie auch die Probleme erben werden, die ihnen möglicherweise hinterlassen bleiben. Diesen jungen Menschen und denjenigen, die ihnen folgen werden, wird eine ausgewogene Entwicklung zugute kommen. Unsere heutigen Diskussionen im Rahmen der Vereinten Nationen werden sich auf ihre Zukunft auswirken. In seiner Enzyklika Evangelium vitae forderte Papst Johannes Paul II. die Bevölkerung in aller Welt auf, anzuerkennen, dass „das Leben stets ein wertvolles Gut“ ist. Dieses Bewusstsein hilft uns, den Behinderten als Menschen und nicht lediglich als Behinderten zu sehen. Fortschritte im medizinischen, im medizinisch-technischen Bereich und bessere Ernährung haben zur Heilung zahlreicher Leiden bei getragen, die in der Vergangenheit behinderten Menschen und all jenen möglicherweise das Leben zur Qual gemacht haben, die an der Vielfalt von Krankheiten leiden, die die Welt immer noch bedrängen. Die Vereinten Nationen müssen erneut die heilige Würde jedes menschlichen Lebens anerkennen, insbesondere die der verwundbarsten wie auch der kranken und behinderten Menschen. Stets erinnert der Hl. Stuhl die Menschen in aller Welt daran, dass der beste Schutz für soziale Entwicklung, alte, junge und behinderte Menschen die Geborgenheit einer liebevollen Familie ist. In der familiären Umgebung erfahren wir zum erstenmal von der Achtung für die Rechte und die Würde jeder Person. Die Familie ist die beste Verteidigung gegen die Sorgen und Schwierigkeiten der Welt und jene Zelle der Gesellschaft, die zur Erleuchtung unseres Wegs in das 21. Jahrhundert beitragen wird. Herr Präsident! Greifbarer und vertretbarer Fortschritt zur Beseitigung absoluter Armut muss der Schlüssel für die zukünftige Entwicklung sein. Ohne die Möglichkeit gesellschaftlicher Integration werden jene, die an den Auswirkungen extremer Armut leiden, nie in der Lage sein, die ihnen zustehenden Rechte zu genießen. Ihre Selbstachtung ist verletzt, Bildungsmöglichkeiten, sinnvolle Arbeit und Hoffnung 1251 ANHANG für die Zukunft sind lediglich ein Traum; mehr und mehr vertieft sich ihre Verwundbarkeit und Benachteiligung. Das letzte Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts wird lange als eine - wohl nur vom Zweiten Weltkrieg übertroffene - Zeit der Gewalttätigkeit und des Blutvergießens betrachtet werden. Es besteht wenig Hoffnung, dass die Wunden, die durch Völkerhass, Missachtung des menschlichen Lebens und bewaffnete Auseinandersetzungen aller Art, die unzählige Opfer gefordert haben, zugefügt wurden, im kommenden neuen Jahrtausend geheilt werden können. Dennoch muss dieser Heilungsprozess unser Ziel sein. Die Schrecken des Krieges haben nicht nur zahllose Menschenleben gefordert und Millionen andere aus ihren Häusern vertrieben; sie sind auch für die Zerstörung der Industrie, der Landwirtschaft und des Handels verantwortlich, haben Hilfeleistungen verhindert und selbst die Uhren der Entwicklung zurückgestellt. Wenn die Vertreter der Weltgemeinschaft zu einer Sonderversammlung Zusammentreffen, um über die Realisierung der Beschlüsse des Weltgipfels für soziale Entwicklung zu diskutieren, muss jeder einzelne von uns bereit sein, sich mit Blutvergießen, Hass und Gleichgültigkeit auseinander zu setzen. Es müssen Antworten gefunden werden, bevor die Bemühungen um soziale Entwicklung fortgesetzt werden können. Herr Präsident, schließlich bekräftigt der Hl. Stuhl seinen Aufruf für einen neuen internationalen Konsens über die wesentliche Rolle der Entwicklungshilfe. Die Einschränkung offizieller Entwicklungshilfe bewirkt die Schwächung des der menschlichen Natur entsprechenden Solidaritätsbewusstseins. Die Vereinten Nationen können nicht ohne die Berücksichtigung der Menschenrechte von vertretbarer Entwicklung sprechen, und ebenso wenig kann ohne die Berücksichtigung vertretbarer Entwicklung über Menschenrechte gesprochen werden. Vertretbare Entwicklung und Menschenrechte können nicht getrennt von einander erörtert werden. Die menschliche Familie kann nicht weiterhin ihren bedürftigen Brüdern und Schwestern den Rücken kehren. Globalisierung muss das Werk einer globalen Gemeinschaft sein, in der jeder willkommen ist. Das UN-System sollte die Gelegenheit wahmehmen und, im Licht des sozialen Gipfels, eine eingehende Selbstanalyse vornehmen und entscheiden, welche Richtung eingeschlagen werden soll: seinen Zweck und seine Ziele aufgeben oder auf dem rechten Weg weitergehen? Herr Präsident, ich danke Ihnen. 1252 REGISTER Wortregister Abendland 445, 691 Abendmahl(s) - A.messe 47, 487-489 -Letztes 17,24,85,87,478,581, 623 Abendmahlssaal - die im A. versammelten Apostel/Jünger 53, 82 f., 85, 414, 468, 497, 521, 558, 614 f„ 623, 637 Ablass(es) 849,852,854 - Erlangung des Jubiläumsa. 858-861 - vollkommener 858 f. Abt/Äbtissin - des Zisterzienserordens 738-740 Abtreibung(en) 15, 204, 345,422, 984 f„ 1046, 1057, 1062 - Legalisierung der 379-384, 550 f. Achtung - der grundlegenden Rechte der Völkergruppen 373 - der Kirche gegenüber den großen Religionen 18 -derNatur 336 - der Religionsfreiheit 242 - des (menschlichen) Lebens 15 f., 166, 203, 250, 261, 422 f., 452, 551 f., 906, 912, 935 - gegenseitige 172, 248, 254, 332, 387 f„ 649 - ortsansässiger Kulturen 374 - vor dem Recht auf Leben 270, 383, 388, 423 - vor den Menschenrechten (jeder Person) 3, 5, 39 f„ 250, 270, 359, - vor der Würde der Leidenden 313, 451 - vor der Würde jedes Menschen 5, 270, 423,451,494, 809 - vor jedem Menschen/vor der menschl. Person 89, 142, 215, 340, 463, 818 - vor traditionellen Werten der Familie 963 Adam 159, 491 f. Adsum - persönl. A. u. Adsumus der Gemeinschaft 305 f. Advent 173, 178, 861, 880 f. Agnostizismus 661 AIDS 984 f. Akademie - Päpstl. A. der Wissenschaften 807-810, 821-824 - Päpstl. A. für das Leben (4. Gene-ralv.) 430-433,549-552 -Päpstl. A. für Sozialwissenschaften 503 f. - Päpstl. A.preis 824 Akolyth 109 Alkoholismus 214 Allerheiligen 156 f. Allerseelen 156 f. Alte(n) 321, 1251 - Familie und die 820 - Kirche und der alte Mensch 818-821 Amt(es/Ämter) - apostolisches 481 - des Petrus 427 - durch die Weihe ordinierte 109, 1085 f. - Glaubensbekenntnis u. Treueid bei Übernahme eines kirchl. 1203-1213 - prophetisches 147 -Verschiedenheit der 772 Amtspriestertum 296, 487, 1067 -derFrau 1033 f. - liturg. Dienst des Diakons und 1133 f. Analphabetismus 132,267 Anthropologie - christliche 1055 f. - theologische 445 Anthropozentrik 134 Anti-Personen-Minen -Verbotvon 374 Antijudaismus 1235-1238 1253 REGISTER Antisemitismus -der Nazis 1235-1238 Apostel 6,109, 276, 301, 326, 343, 876 -A.kollegium 534-536 - als (Augen-)Zeuge von Christi Auferstehung 493 f., 497 f. - als Boten u. Diener der göttl. Barmherzigkeit 53 - als Fundament der Kirche 498 - Andreas 636 - Berufung der 53 - dienen dem Reich Gottes 349 - Erwählung der Zwölf 534 f. - Glaube der 469, 637 - Glaubensbekenntnis der 37 - im Abendmahlssaal versammelte 53, 82 f„ 85, 414,477, 497, 521, 558 - missionarisches Wirken der 41 -Paulus (Völkerapostel) 15, 91 f., 108, 151,235, 237, 295 f„ 350, 365 f., 469, 636, 639, 673 f., 777 - Petrus (Apostelfürst) 26, 91 f., 299, 304,426 f., 493,534 f., 636, 638, 778 - Sendungsauftrag Jesu an die 43, 477, 521, 534 f„ 637, 638 - vom Hl. Geist erfüllt 140, 295 - Weisungen der 603 Apostelgeschichte 93-95, 103 f., 108, 158, 499, 523, 558, 614 f., 675 Apostolat(s) 524-527, 602,756 -derLaien 267,961 - der Presse 527 -Vielfaltdes 556 Apostolische Konstitution - Romano Pontifici eligendo 11 Apostolische Nuntiatur 252 Apostolischer(n) Stuhl(s) 884 - Gerichtshöfe des 1073 - recognitio des 545, 548 f. Apostolisches Schreiben - Ad tuendam fidem 528-531 - Apostulos suos 534-549 - Christifideles laici 532,1042 -Dies Domini 95 f., 102, 110,116, 120,318,321,562-612 -Ecclesiae Sanctae 537 f. - Evangelii nuntiandi 134 - Mulieris dignitatem 32, 823 - Orientale lumen 743, 753 - Pastores dabo vobis 266, 771-773, 933-935 - Salvifici doloris 226 f., 311 - Tertio millennio adveniente 29, 58, 135, 167, 175, 414, 438,468, 764 - Vita consecrata 400, 838 Arbeit(s) 60 f. - A.platz 202,337 - Ausbeutung der 763 - Evangelium von der A. (Brief des Papstes) 174 -Rechtauf 293,301 - und Ruhe 600 - Würde der menschlichen 60 f. Arbeiter(s) - als Leibeigene 763 -Rechtdes 601 Arbeiterkirche -Wiens 301 Arbeitslosigkeit 250, 267, 641, 945 Arme(n) 362, 831 f., 923 - Dienst an den 239, 277, 912 - Evangelium zu den A. bringen 324, 736 - Fürsorge für die 434 f., 1037 f. - Reiche und 138, 230 f. - Solidarität mit den 1003 f. Armut 361, 641 f., 755, 856, 1003 f„ 1250-1252 - an geistiger Nahrung 434 f. -evangelische 265,484 -Formender 433 f. - materielle u. moralische 248 Arzt (Ärzte) 226,310-315 Aschermittwoch 28,436-438 Askese 517 Assisi - Botschaft zum 12. Internat. A.-Friedenstreffen 648-650 - Zeichen von Frieden u. Brüderlichkeit 196-199 1254 REGISTER Asylanten 435 Attentat 161 - in Nordirland 117 auditus fidei 704 f. Aufbau - einer Familie der Nationen 3 f. - einer gerechteren, menschl., brüderlicheren Welt 254, 367, 413 - einer Innerlichkeit 472 - einer neuen Gesellschaft 215, 251, 271,495,643,912 - einer universalen menschl. Gemeinschaft 294 Auferstehung 22,49,282,312,409, 1075 f. - der Toten (des Fleisches) 54, 154, 157-160 - des Menschen 28, 99 - Gedächtnis der 587 - Geheimnis der 49, 51, 436 - Glaube an die 154 - ist Vollendung der Menschwerdung 82 -Jesu Christi 49, 99, 158, 369, 465, 468 f„ 522, 563, 573 - und Schöpfung 576 - Zeugen der 175,406,493 f., 497 f. Aufgabe(n) - der Christen 334, 390 - der Eltern 583 - der Gemeinschaften des geweihten Lebens 760 f. - der Hirten der Kirche 958, 960 - der Jugendlichen 471 - der Kirche 256, 333, 499, 869 - der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 752 f. - der Laien 240, 347 - der Lehrer 363 - der Priester 439 - der Theologie 725-730 - der Universitätsseelsorge 506 - des Bischofs 344, 455, 591, 903 f., 961 - des Lehramtes 287 -des Staates 915 - katholischer Vereinigungen 962 Auftrag - Christi an die Jünger 25, 34 f. - Christi zur Versöhnung 956 f. - der Bischöfe 536, 899-904, 918 f. - der Christen 364 -der Kirche 222 f„ 242 f., 451, 912 - der Priester 919 f„ 1029-1035 - Gottes an den Menschen 118, 568 -missionarischer 785 - Sauerteig des Friedens zu sein 411 Ausbeutung 755-759, 892 - der Arbeit 763 -Minderjähriger 362 - natürlicher Ressourcen 167 - von Flüchtlingen 174 - von Frauen 267, 422 Ausbildung 653 - Austausch während der 420 - der Jugendlichen 244, 301 - der Laien 922 - der Ordensleute 343, 946 f. - der Priester 343, 620 f„ 801, 901, 907, 911, 920 f„ 932 f„ 946 f„ 950, 975 f„ 981, 987, 991 - der Priesteramtskandidaten/Seminaristen 244, 265 f„ 619, 702 f. - der Ständigen Diakone 1090-1120 - ökumenische A. der Seelsorger 418 Ausländer - Gastfreundschaft für 293, 755-759 Auslandsschulden 360 f. siehe auch: Verschuldung - der ärmsten Länder 3,31, 870 -Erlass der 764 Autonomie - der Philosophie u. der Wissenschaften 691, 694 -desDenkens 712 - des Geschöpfes 668 f. Autorität 105, 253 siehe auch: Vollmacht - Ablehnung jeder gesetzlichen 214 Babel -das alte 104,166 Bagdader Abkommen 31 1255 REGISTER Barmherzigkeit/Erbarmen 42, 53, 357,411,602 - Evangelium der 78 - Gnade der 850 - Gottvaters 29, 48, 53, 437, 856, 956 - kollektive 392 f. - Werke der leibl. u. geistlichen 832 Basilika -Patriarchalb. von Assisi 197 f. Baum (Bäume) - als Symbol für Leben u. Wachstum 882 f. - des Paradieses 883 Bedrohung - der Familien 962 - der Zukunft der Menschheit 167 - des Lebens 15 f., 450, 792 Befreiung 25 - Botschaft wahrer 14 - die von Christus angebotene 24 - von der Sünde 24 Begegnung 601 f. - des Auferstandenen mit seinen Jüngern 274,494 - Haus der 311 - mit den Kulturen 707-711 -mitGott 525, 1199f. - mit Jesus Christus/mit dem Auferstandenen 166 f., 213, 459, 470, 555, 560 f., 585, 680 - zwischen der Wahrheit Christi u. menschl. Denken 134 f. - zwischen Evangelium u. Kulturen 875 - zwischen Hl. Geist u. Geist des Menschen 613 Behinderte 432, 966, 1064,1251 Beichte 902, 935 Bekehrung - des Apostels Paulus 15 -des Herzens 231, 411, 419, 813 f„ 905 - Ruf zur 436 f. - Weg der 26 Beratung siehe: Schwangerschaftsberatung Beratungsstellen(-zentrum) - christlich orientierte 329 - diözesane B. für Paare u. Familie 329 Berg(e) 320 -desCadore 318 Berufung(s/en) 16, 296, 459 f., 512 f„ 1102 - biblische B .berichte 45 8 - christliche 240, 793 - der Apostel 53 - der Bischöfe 462 - der Familie 203, 344 -der Frau 171,738-740 - der Jugendlichen 472 - der Jünger Christi 25 - der Katecheten 348 -derKirche 395,511 - der Kranken/Leidenden 226 f. -derLaien 170, 928, 951, 1041-1047 - der Religionslehrer 348 - des Christen 435, 957 f. -desMenschen 28,117,122,130, 243, 522, 793, 795 - des Mose 456, 458 -eigene 511,515,525 - in der Erwartung Christi zu leben 176 - in Ordensgemeinschaften 1051 f. -jedes Getauften 492, 560 f. - öffentliche B. durch die Kirche 1102 - Päpstl. Werk für die 802 - Roms 390 f. - Rückgang an 940 -vielfältige 471 f. - zum Ehe-u. Familienleben 206 - zum geweihten Leben 101, 296, 400,513,839, 920, 987 - zum Ordensleben 804 - zum Priester/-tum 170, 238, 265, 296, 300, 478, 484, 513, 561, 804, 920, 931, 975 f„ 987, 1030, 1033 - zur Heiligkeit 205, 274,456, 471 f„ 526, 841, 1052, 1143-1146 - zur Mutterschaft 748 1256 REGISTER Berufungspastoral 902, 907, 910, 920, 933, 940 f., 992 Bevölkerang(s) -B.abnahme 1167 -B.struktur 819 - der Erdbebengebiete 197 -des Irak 186 - Leiden der B. Mittelafrikas 376 - Mittelamerikas 161 - Nordkoreas 54 -römische 386f. - Überalterung der 1167 Bewegung(en) - „B. für das Leben“ 549-552 - „Fokolare der Einheit“ 413-415 -„Pro-Life B.“ in Amerika 1062 - Apostolatsb. 977-984 - geistiger Erneuerung 444-448, 613 f. -kirchliche 76,171,347,554-562, 962 - Laienb. 347 - ökumenische 95, 171, 235, 416-421 Beziehung (en) - diplomatische B. zwischen Österreich u. Hl. Stuhl 291 - internationale 168, 626 f. - Jesu zum Vater 184 - zwischen Bischof u. Ordensgemeinschaften 1027 - zwischen christl. Existenz u. Wirken des Hl. Geistes 101 - zwischen dem Bischof v. Rom u. seinem Volk 389 - zwischen dem Einzelnen u. der Gesellschaft 357 f. - zwischen den Kirchen u. den christl. Gemeinschaften 417 - zwischen Familie u. Alten 820 - zwischen Gott u. Mensch/seinem Volk 122, 126, 306 f„ 569 f. - zwischen Gott u. Mose 456 - zwischen Hl. Geist u. Kirche 512 - zwischen Hl. Stuhl u. China 374 - zwischen Juden u. Katholiken 463 f. - zwischen Juden und Christen 1233-1235 - zwischen Philosophie u. Theologie 149 - zwischen religiöser Institution u. moderner Untemehmenmethodik 526 - zwischen Taufe und Firmung 139-141 - zwischen Teil- u. Universalkirche 540 f. -zwischenmenschliche 680, 781 f. Bibel -B.runden 109 - B.spräche u. Massenmedien 740-742 - Einfluß der 670 - filmische Darstellung der 742 Bild(er) - apokalyptische 55 - christliche 239, 617 - der Liebe Gottes 281 f. - der Ohnmacht 282 - des menschl. Leides 281 - des Schweigens 282 - Virgen de la Caridad del Cobre 220-225 Bildung 347, 363 - Christentum u. kulturelle 334 - christliche 560 - der Jugend 257 - der Laien 985 f., 991 - des gerüsteten Menschen 802 - menschliche B. (Diakon) 1112-1114 -ökumenische 105 - philosophische 702 f. -religiöse 984-989 - sittliche u. staatsbürgerliche 210 - tiefe geistl. 265 Bildungswesen - Kongregation für das Kath. B. (Vollversammlung) 799-803 Biotechnik 451 Bischof (Bischöfe) 305 f., 545, 801, 806, 839, 1086 - Afrikas 39 - als Hauptverantwortliche der Evangelisierung 950 1257 REGISTER - als Hirten u. Führer des Gottesvolkes 6, 806 - als Nachfolger der Apostel 304, 497, 500, 524, 535 f„ 545, 1207 - als Seelsorger 244 - als Träger u. Vermittler des Hl. Geistes 455, 824-826 - als treue Diener Christi 368-370 - als Zeugen Christi u. Lehrer 5 f., 541, 694,1009-1013, 1053-1059, 1207 - Aufgabe des 344, 455, 591, 903 f„ 961 - Auftrag der 536, 899-904, 918 f. - Berufung der 462 - Brief an die deutschen 379-384 - Chinas 523 - Dienst des 305, 342, 899-904, 1024-1029 -Diözesanb. 540, 545 f„ 899 - Einheit unter den 538-543, 899 f., 919, 978 f. - europäische 454-456 - Gedenkmesse für verstorbene 824-826 - Gehorsam gegenüber den 561 - Gemeinschaft der 305 f., 1028 - kubanische 240, 916 - Lehramt des/der 546 f., 1011, 1025 f. -Metropolitan-Erzb. 638 f. - mutige Verkünder des Evangeliums 6, 536 - Papst und 39, 341-345, 454, 536, 545 f., 960, 1218-1220 - pastorales Leitungsamt des 1026 f. -Polens 956 - Sendung der 268 f., 462 - Spender der Firmung (Westkirche) 141 - und Ordensgemeinschaften 1027, 1049 f. - und Priester 439, 920, 940, 986 f., 1027 - und Ständige Diakone 1096, 1098 f. - Verantwortung der 538 f., 548, 899-904, 1096 - Vollmacht der 306, 540,545 - Zusammenarbeit der 306, 541-544, 919 Bischofsamt 305, 462 Bischofskollegium(s) 26, 305 f., 539-543,744, 751, 1207 - Haupt des 540, 542 - Vollmacht des 540 f. - wesentliches Element der Universalkirche 542, 546 Bischofskonferenz(en) 306, 608, 1027 f. - Apostol. Schreiben über theol. u. rechtl. Natur der 534-549 -Aufgabe der B. bei Einrichtung des ständigen Diakonats 1095 f. - Autorität/Gewalt der 545 -Delegierte der B. für das Jubeljahr 410-413 -Deutsche 379-384 - Entstehung der 537 f. - ergänzende Normen über die 548 f. -Europäische 419-421,454-456 -Italienische 15 f. -Kroatische 143,341-345 - Nigerias 266 -Österreichische 304-310 - Rat der Europäischen 419-421, 454-456 - Statuten der 544 f. -undHl. Stuhl 544f. - Untersuchung der Lehrautorität der 539-549 - Vollversammlungen der 544 f., 549 Bischofssynode - Sonderversammlung der B. für Afrika 256,264,267 - Sonderversammlung der B. für Amerika 1020, 1022 f. - Sonderversammlung der B. für Asien 53 f., 57, 69,496-500, 520-524 - Sonderversammlung der B. für Ozeanien 169, 841-844, 876-878, 924, 948 Bischofsweihe 6, 368-370,461-463, 535 f. 1258 REGISTER Böse 830 -Gut und 143,173, 331 f., 468, 647 - Kampf gegen das 209 Botschaft 303, 500 -B. an das Studien- u. Forschungszentrum für natürliche Fruchtbarkeitsregelung 442-444 - B. an den Weltkongress der kirchl. Bewegungen 554-557 - B. an die „Catholic Fratemity of Charismatic Covenant Communities and Fellowships“ 615-617 - B. an die Bischöfe der Bewegung „Fokolare der Einheit“ 413-415 - B. an die Buddhisten zum Vesakh-Fest 1226-1228 - B. an die Christen u. Hindus (Diwali-B.) 1214 f. - B. an die Generalversammlung der Vereinten Nationen 866-868 - B. an die Kongregation der Olivetaner 643-646 - B. an die kubanischen Jugendlichen 207-212 - B. an die Vertreter aus Kultur u. Wissenschaft 334-337 - B. an die zisterziensische Familie 444-448 - B. vor dem Segen URBI ET ORBI 493 f. -B. zum 12. Internat. Assisi-Friedenstreffen 648-650 - B. zum 32. Welttag der soz. Kommunikationsmittel 552-554 - B. zum 35. Weltgebetstag um Geistl. Berufe 510-516 - B. zum 84. Welttag der Migranten u. Flüchtlinge (Deutschi.) 755-759 - B. zum 93. Dt. Katholikentag 628-633 - B. zum Ende des Ramadan Id-al-Fitr 1225 f. - B. zum Fest des hl. Andreas an Ökum. Patriarch Bartholomaios I. v. Konstantinopel 865 f. -B. zum Weltfriedenstag 1998 357-365 -B. zum Weltmissionssonntag 781-785 - B. zum Welttag der Kranken 404-410 - B. zur 50-Jahrfeier der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 866-868 - B. zur Fastenzeit 433-436 -B. zum 13. Weltjugendtag 467-473 - der Heiligen Weihnacht 889 -der Hoffnung 164, 176 -der Kirche 13 - des Evangeliums 14, 365, 392, 504 - des Friedens u. der Versöhnung 247, 493 f. - des Großen Jubeljahres 411 f. - des hl. Benedikt 655 - des Leidens 768 -franziskanische 198 -Heilsb. 220,465 -Jesu Christi 231,244,500 - Verbreitung der biblischen 740 f. - Verkünder christlicher 325 - vom Kreuz (Tod u. Auferstehung) 465, 474 f„ 765 Brief(e) - an die deutschen Bischöfe 379-384 - an die Epheser 51,708 - an die Frauen 32, 423 f. - an die Galater 366 - an die Korinther 470, 674 -an die Römer 613 f., 647 f., 673 - an Elpidio (Monument sittl. Unterweisung) 218 f. - des hl. Paulus 674 - erster Petrusb. 51, 630 Brot(es) - Brechen des 581,624 - des Lebens 585, 625 Brüderlichkeit 118, 169, 235, 375, 419, 526, 588, 603 f„ 634 f. - der Priester 931, 980 - universale 221 - unter den Christen 416-418 Buch (Bücher) - der Sprichwörter 670-673 - Deuteronomium 668 f. - Hl. Geist im B. Genesis 66, 673 -Weisheitsb. der Hl. Schrift 669-672 1259 REGISTER Buddhist(en) 813 - Christen u. B. (Botschaft zum Vesakh-Fest) 1226-1228 Bund(es) -Alter 36, 85, 122, 133, 398, 485, 489, 492 - der Liebe 74 -Dialogdes 570 - Gottes mit dem Volk Israel 162 f., 258 - Heilsordnung des Alten B. 112 -neuer u. ewiger (B. Gottes mit den Menschen) 24,48, 73, 85 f., 94, 153, 187, 258, 399, 478, 622 f„ 890 Buße 28,435-438,459 - Sakrament der B./Versöhnung 29, 257, 509, 852, 859, 902, 956 f„ 1032 Caritas 196, 382 - in Polen 966 Caritas Romana 849 Charisma (Charismen) 26, 109 f., 170, 226, 554-562, 616, 784 - des Gründers 532, 557, 645 - des olivetanischen Ordens 644 f. - Einheit im Ursprung der 108 - Hl. Geist als Quelle von 108-110, 470 - in den Dienst der Gemeinde stellen 109 -neue 613 - Theologie der 108 - verkündet J. Chr. als den Herrn 108 - Verschiedenheit/Vielfalt der 108 f., 414, 556 -Vielfalt der 109,414,556 - von Citeaux 445-447 - von der Kirche anerkannte 557 Chris am - Chrisam-Messe 47, 485-487 - Salbung mit 140 f. Christ(en) 23,45, 120, 139, 151, 214, 289, 295, 302, 420, 511, 756, 846, 952 - als Bürger eines Immigrationslandes 764 - als Glaubensverkünder u. Zeugen 589 - als Jünger Christi 127, 350 - als Kinder Gottes 100 - Aufgabe der 334, 390 - Auftrag der 364 - Bedeutung der Freiheit für 232 - Begegnung des C. mit Christus 411 - Berufung des 435, 957 - Brüderlichkeit unter den 416-418 - Einheit der 10 f., 52, 92, 105, 171, 234, 414, 416-421,471, 648-650, 923 - Gemeinschaft der 51-53 -Heidenchristen 105 - Heiligkeit der 88 - Hoffnung der 157, 162 f., 576 f„ 584, 863 - im mittelrheinischen Raum 628 f. - in Asien 523 - in der Gesellschaft 14, 210, 334, 922, 957 f. -Judenchristen 105 - Kroatiens 352 -kubanische 916f. -Lebender 30,151 - Lebensprogramm des 842 f. - Pilgerweg des C. heute 1191-1202 - rumänische C. in byzant. Tradition 371 - Sendung der C. (in der Kirche) 139, 205 - Spiritualität der 176 - und Buddhisten 1226-1228 -und Hindus 1214 f. -und Juden 1231-1239 - und Muslime 39 f., 253, 268, 270, 1225 f. - und Philosophie 674 - unserer Zeit 94, 299, 609 - überantwortet sich ganz Gott 126 - verschiedener Traditionen u. Konfessionen 6 - Wüste für den 433 - Zeugnis eines 143, 162, 215, 364, 833, 1044 Christentum(s) 102, 120, 334, 349 -2000 Jahre 33,624 - Antizeugnis gegenüber dem 855 1260 REGISTER -Diaspora-C. 610 - Herausforderungen an das 505 f. - in Europa 23, 292, 317 - in Kroatien 334, 351 - in Nigeria 266 - und kulturelle Bildung 334 - und Philosophie 684 f. - Wiege des 57 -Wurzeln des 91 f., 143 Christenverfolgung 143, 590 Christkönigssonntag 169 f. Christusbekenntnis - ruft in die Christusnachfolge 299 f. Codex - Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO/Ostkirchenrecht) 528-531, 743, 745, 752 f. - Iuris Canonici (CIC) 396 f., 528-531, 536 f., 539-549, 590 f. Conununio 846, 937 f. siehe auch: Gemeinschaft - der Kirche 394 f„ 407,460, 539 f„ 938 - Dialog in der 936-943 Credo siehe: Glaubensbekenntnis Dasein(s) - Grundsatzfragen des 657 f. - Sinn des menschl. 667 f., 672, 674, 679 - Wahrheit über das menschliche 659 f„ 680 Demokratie 218, 352, 503 - in Lateinamerika 373 f. Demut 352, 445, 483 f. - des Herzens 426 f. - Glaube und 796 Denken(s) 659 f„ 677 f„ 700 f., 827 - Autonomie des 712 - Christianisierung des 686 - christliches 720 - des hl. Thomas von Aquin 688-691, 714 f. -indisches 710 - philosophisches D. christl. Denker 685 f. - philosophisches u. theologisches 686,715 -positivistisches 691 f. Denkmal(-mäler) 193, 197 Diakon(s/e) 297, 341 f„ 1083-1164 - als geistlicher Diener 1121-1129 - Ausbildung der ständigen 1090-1120 - der Diözese Rom 438-441 -Dienstdes 1093 f., 1121-1164 - Dienstamt des 1129-1142 - Gemeinsame Erklärung über Ausbildung, Dienst u. Leben der ständigen 1083-1089 - kanonische Sendung der Ständigen 1139-1142 - Leben der Ständigen 1121-1164 - Lebensstände des 1104 f., 1151-1154 - liturg. Dienst des D. u. Amtspriestertum 1133 f. - Rechtsstatus des 1121-1129 - Spiritualität des 1094 f., 1115 f., 1142-1154 - Weiterbildung des 1154-1164 Diakonat(s) - der Stand des 1086-1088 - Ordensinstitute u. Ständiger 1096 f. - Profil der Kandidaten für den Ständigen 1102-1105 -Ständiger 910,1083-1164 - Theologie des 1091-1093 Diakonatsweihe 1110-1112 Diakonie -der Liturgie 1133-1138 - der Nächstenliebe 1138 f. -des Wortes 1130-1133 Dialog(s) 10, 14, 131, 134, 168, 171, 231, 250 f., 306-309, 375, 507, 526, 626, 649, 681, 913 - (des Heils) in der Kirche 304-310, 937 f. - Aufruf der Kirche zum 982 f. - der B ekehrung 417 1261 REGISTER - der Liebe/Nächstenliebe 234-236, 417,631,761 - der Spiritualität 813 f. -derWahrheit 234-236,631 - des Bundes 570 - für Österreich 307 f. - im Kosovo 80 - in der Communio 936-943 - in Nordirland 373 -interkonfessioneller 419 f., 908 -interreligiöser 129,171,262, 420 f„ 777, 813 f„ 1214 f„ 1225-1228 -lutherisch-katholischer 90f., 1245-1249 - mit Buddhisten 813 - mit Hinduisten 813 - mit Jugendlichen 964 f. - mit Muslimen 254, 813 - mit Schituisten 813 f. - ökumenischer 22, 236, 262, 343, 928 f. - theologischer 105, 463 f. - über das Lehramt 417 - über die Glaubenslehrsätze 52 - zum Heil 900 f. - zwischen Philosophie u. Theologie 828 - zwischen Äthiopien u. Eritrea 80 - zwischen den Ländern Asiens 374 - zwischen Glaube u. Wissenschaft 336, 504, 971 - zwischen Gott u. Mensch/Volk Gottes 436-438, 455, 570, 586, 803 - zwischen Juden u. Katholiken 171, 463 f. - zwischen Kirche u. Kultur 172, 220, 336, 925 f„ 971, 1079 - zwischen Kirche u. Kulturen 710 - zwischen Kirche, Staat u. Gesellschaft 242,264-269 - zwischen Kirchenvätern u. Philosophen 683 f. - zwischen Rom u. Päpsten 388 Diaspora - rumänische Gemeinde in der 371 Dienst(es/e) 225 f., 542 - am Menschen 167, 201, 220, 242, 407, 409 -amNächsten 201,211,221,435, 456, 458,487, 797 - an den Armen, Kranken, Alten 239, 277, 747-749, 912 - an der Einheit 316, 396 f., 538 f., 794 f„ 1217, 1221 - an der Familie 1022 - an der Gesellschaft 630,1053-1059 - an der Kultur 968-977 - an der Nächstenliebe 968-977 - an der Wahrheit 240, 658, 968-977 - apostolischer 779 - bischöflicher 305, 342, 899-904, 1024-1029 - der Barmherzigkeit Christi 747 - der Kardinale 424-427 - der Kirche 245, 435, 525 - der Laien 109, 287 f., 875 - der Polizei 415 f. - der Versöhnung 245 -des Diakons 1093 f„ 1121-1164 - des Lektors u. Akolythen 109 - für das Gemeinwohl 218, 268, 789-793, 958 -für das Leben 15 f., 205, 328, 451 - für das Vaterland 232 -für den Hl. Stuhl 622 - Hl. Geist als Quelle von 108-110 - im D. der Weltkirche 634 f. - im D. des Evangeliums 230 - in Krankenhäusern u. Sanatorien 89, 225 f. - missionarischer 23, 525 - priesterlicher 238, 305,402,460, 476, 482, 903, 919 f„ 1029-1035 - seelsorglicher 456, 627 - Spiritualität des 1094 f. - Verschiedenheit/Vielfalt der 109, 414 Dienstamt - bischöfliches 1024-1029 - des Diakons 1129-1142 Dikasterium 450-452 Dimension(en) - christologische u. pneumatologische 113 - transzendente D. des menschl. Lebens 217 1262 REGISTER - transzendente D. des Wortes Gottes 741 Diözese(n) 961 - des Indischen Ozeans 909 - Eröffnung der Jubiläumszeit in den einzelnen 850 - Errichtung einer neuen 225 - liturgisches Leben der 901 - Ordensleute unterstützen 266 -Rom 31,92,885 - Salzburg (Erzd.) 286 f., 290 Diplomatie 377, 627, 834 -päpstliche D. unter Johannes Paul II. 833-835 Diplomatisches Korps 372-379 Direktorium - für den Dienst u. das Leben der Ständigen Diakone 1121-1164 Diskriminierung 25, 641, 756 - der Christen im Sudan 375 - in den Grundrechten der Person 866 - menschlicher Wesen 431 f. Disziplin 29 Dogma(-en) 1209 f. Dogmatik 705, 728 f. Dokument - Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoa 1231-1239 Dom(es) - von Salzburg 286 f. Dozent 273 Dreifaltigkeit siehe: Heiligste Dreifaltigkeit Drogen 214,267,374 - Kampf gegen 80 Egoismus 24, 232, 630, 960 Ehe 495 f„ 995 - als grundlegende Institution (der Gesellschaft u. Kirche) 790 f., 906, 911 - christliche 205, 244, 344,495 - E.konsens 397 - E.losigkeit/Zölibat 75, 265, 344, 919, 933, 987 - E.nichtigkeitsverfahren 396 f. - E.recht 396 f„ 1070-1074 - E.vorbereitung 907, 996 f. - ehelicher Akt 442-444 - im Plan Gottes 328 f. - Intemation. Theolog. Institut für Studien zu E. u. Familie 298 - Mysterium u. Theologie der 996 - Sakrament der 205, 211, 257, 443, 514, 942, 996 f. - Scheitern der 396 f. - Unauflöslichkeit der 1073 f. - Wahrheit über die 397 f., 995 f. - Zeugnis der Laien in der 1045 Eheleute 203 f„ 267, 328, 922 f. - als Mitarbeiter Gottes 329, 442-444, 911 -christliche 297,514 - Lebens-u. Liebesgemeinschaft der 205, 442 f. - Sendung der 329 Ehre -Gottes 218 f. Einheit 306, 582 f., 848 - Aufforderung Chr. zur 887 - der Bischöfe mit dem Bischof v. Rom 960 -derChristen 10 f., 52, 92, 105, 171, 234, 414, 416-421, 471, 636, 648-650, 754, 923 - der Familie der Kinder Gottes 708 - der göttl. Personen 123, 808 - der Kirche 23, 51, 95, 98, 104-106, 109, 142, 340,425, 427, 470 f., 538 f., 583, 908, 928 f., 942 f„ 955 f„ 980, 1222 - der Nationen/Völker 250,414, 649 - der Teilkirchen 536 - des Episkopats 1220 f. - des ganzen Menschengeschlechts 809 - des Glaubens/im Glauben 744, 1017 f„ 1218, 1221 - des Leibes Christi 414 1263 REGISTER - Dienst an der 316, 538 f., 794 f., 1217, 1221 f. - eine Gabe des Hl. Geistes 105, 471 -Europas 972f. -in Christus 761 - in der Gemeinschaft 1218, 1221 - in der Liebe 395-398 -in der Vielfalt 285,556,616 - Kirche als Sakrament der 110 f. - mit anderen christl. Religionen 754 - Petrusdienst der 745 - unter den Bischöfen 538-543, 899 f„ 919, 978 f. - unter den Priestern 980, 987 - vollkommene 171,417,420 - von Glaubens-u. Vemunfterkenntnis 669-675 - von Körper u. Geist 431 - von natürlicher u. geoffenbarter Wahrheit 681 f. - von Orts- u. Weltkirche 524-527 - Weg zur 91,420, 865 - Zeichen der Einheit setzen 805 - Zeugnis der 421, 955 Einsamkeit 198, 433 Eisener Vorhang 291 Eklektizismus 721 f. Eltern 132, 180, 363, 385 - als Erzieher/Erziehungsauftrag der 205 f. - als Lebensvermittler 15 f. -Aufgabeder 583 - Rechte u. Pflichten der 205 Embargo - gegen den Irak 376 Emigration 204 Empfängnis -jungfräuliche 73 - Methoden zur E.Verhütung 422, 442 f„ 1168 f. Enthaltsamkeit 75 Entwicklung(s) 250 f., 755 - auf Weltebene 23 - der Gesellschaft 40 - des Menschen 132, 222 - E.hilfe 1252 - eines Volkes 923 -ganzheitliche 216, 241 f. -industrielle 167 -menschl., ethischer, religiöser Werte 238 - religiöse u. gesellschaftl. E. in Kroatien 351 -soziale 1249-1252 Entwicklungsländer 293, 432 f., 763, 870 Enzyklika(-ken) -Leo XIII. (1878-1903) - Aetemi Patris 700,731 - Divinum illud munus 97 - Rerum novarum 600 f. - Satis cognitum 98 -Pius XII. (1939-1958) - Humani generis 697 - Mystici Corporis 97 -Paul VI. (1963-1978) - Ecclesiam suam 107, 307 - Evangelii nuntiandi 951 - Humane vitae (30. Jahrestag) 328 f„ 442-444, 1045 f„ 1061 f. - Johannes Paul II. (seit 1978) - Centesimus annus 293 - Dives in misericordia 134 - Dominum et vivificantem 66 f., 82, 100, 112, 122 - Evangelium vitae 150,422, 549 f„ 551 - Fides et ratio 149, 177, 182, 657-736, 793, 815, 827, 886, 1078 - Redemptor hominis 313, 692 f., 701 f. - Redemptoris Mater 823 - Redemptoris missio 52, 89, 289, 652 f„ 838 -Utunumsint 307, 416-418, 744 f. - Veritatis splendor 662, 676, 729 Epiphanie 5 f., 577 - Mysterium der 370 Episkopat(s) -Einheit des 1220 f. Erbe - an christl. u. menschl. Werten 194, 609 1264 REGISTER - an Heiligkeit in Spanien 1000 f. - christliches 284, 288 - der Apostel 500 - der künftigen Generationen 210 - der Zivilisation 218 - des kubanischen Volkes 14 f., 218-220, 248 - gemeinsames geistliches 236 - heiliges E. des Glaubens 427 - kulturelles E. Afrikas 270 - menschl. u. künstlerisches 197 - reiches E. der kirchl. Tradition 802 - zisterziensisches 446 f. Erben - Gottes 163 Erdbeben(s) - E.gebiete in Italien 4, 193-199 -Opfer des 193,195,197 Erkenntnis(se) 663 f. - der Kirche 136 -der Wahrheit 126, 718, 795, 815 -des Glaubens 688,807-810 - des Verstandes 807-810 -E.Ordnungen 681 f. -Gotteser. 510,881 -jede wahre wissenschaftliche 182 -philosophische 659 f., 664, 688 - Selbsterk. siehe: Selbsterkenntnis - Suche/Wunsch nach 670, 688 Erkenntnislehre 670 Erklärung - Allgemeine E. der Menschenrechte (50. Jahrestag) 3, 32, 358 f„ 640-643, 866-868, 1171 f. - Antwort auf die Gemeinsame E. der kath. Kirche u. dem lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre 90, 1245-1249 - des Weltemährungsgipfels 870 - E. zum Geburtenrückgang in der Welt 1165-1172 - Gemeinsame E. der Kongregationen für das kath. Bildungswesen u. für den Klerus 1083-1089 - Gemeinsame E. über Ausbildung, Dienst u. Leben der ständigen Diakone 1083-1089 - Gemeinsame E. v. Papst Johannes Paul II. u. Ökumen. Patriarch Bar-tholomaios I. 636 Erlöser(s) 115,120 - Christus ist der universale 13, 16-18, 33,44, 77,120, 131, 169, 227 f„ 863 - Kreuzestod des 338 -Treue zum 188 - Zeugnis der Liebe des 280-283 Erlösung 119,490,552 - als Geschenk 17 - als Ursprung allen christl. Daseins 278 - der Menschheit 8 f. - des (ganzen) Menschen 25, 366 f. - durch Tod am Kreuz 42 - Frohbotschaft der 256 -Geheimnis der 50, 81, 95, 173,411, 809 - Gnade der 437 - Maria als vollkommenes Abbild der 823 - Selbste. 164 -Wahrheit über die 522 -Werkder 226,399,437 Erlösungsauftrag -Jesu Christi 17,399 Erneuerung 412 -Bewegunggeistiger 444-448 - der christl. Kultur 507 - der Gesellschaft 301, 875 f., 914, 956 - der Katechese 1038 f. - der Kirche 977-984 - der Liturgie 445 f., 1066-1070 - der Menschheit/des Menschen 184, 956 - des geweihten Lebens 1049 - des Taufversprechens 586 f. - Geist der 263 - geistliche 170, 436 - im Glauben 7, 36 f., 286 - katholisch charismatische 615-617 - messianische E. Israels 154 - persönliche 99, 905 - vom Hl. Geist verwirklichte 118, 440 1265 REGISTER Emtedank 161 Erstes Vatikanisches Konzil - Dei Filius 663 f., 696 Erwartung - des endzeitlichen Kommens Christi 184, 861 - des Reiches Gottes 880 f. -Israels 187 Erziehung 180, 347, 362 f., 911, 923, 945 f., 974 - christliche 244,472, 952, 962-964 -derJugend 257,514,792,798, 997 f. -der Kinder 514,798, 906, 997 f. - der neuen Generation 205 - Einsatz für die 326-330 -katholische 1022,1035-1041 - öffentl. Strukturen der 208 f. -Rechtauf 132 - religiöse 927, 998 - von Frauen 458 - zum Glauben 385 - zur Tugendhaftigkeit u. Freiheit 215 Erziehungsauftrag - der Eltern 206 - der Kirche 800, 1036 - katholischer Schulen 1035-1041 Erziehungsgemeinschaft - Familie, Schule u. Kirche als 204, 206 Erziehungswesen(s) - katholisches E. in den Niederlanden 935 f. - katholisches E. in Neuseeland 926 f. Eschatologie 54 f., 136, 154, 158 Ethik -christliche 253 - eheliche u. familiäre 327, 790 - ideologische Forderungen der Staatse. 871 - muslimische 253 -undRecht 871-873 Eucharistie 159, 478, 525, 564, 580, 587,614, 856,901,939, 1115 - als Geheimnis des Glaubens 488 f. - Begegnung mit/Gegenwart J. Chr. in der 116,469,667 - Einsetzung der 476,487-489, 623 f. - Feier der 460, 470, 474, 580, 859, 1031 f„ 1135 f., 1222 - Herrlichkeit u. Kraft der 856 - Kirche lebt durch 176, 488, 939 - Sakrament der 79, 83 f., 488, 509, 623, 859, 956 f„ 961 - Zeichen der 667 Eucharistiefeier 460, 470, 474, 580, 967 - im Fernsehen u. Rundfunk 595 - sonntägliche 110 f., 578, 581 f., 585, 590, 597, 609 - Wortgottesdienst und 585 Europa(s) 23, 89, 142,420, 505, 871 - Aulhau 446 - Christentum in 292, 317 - christliche Wurzeln 23 - das alte 289 - das neue 284 -derZukunft 317 -Einheit 972f. - gemeinsames Kulturerbe der Nationen 23 -Kultur 284,292 - Neuevangelisierung 23 - Revolutionen in 629 Europäische Union 292, 373 Euthanasie 294, 345,422, 820, 1057, 1062 f„ 1077, 1211 f. Evangelisierung/Evangelisation 69, 91,350, 352,618,710, 758, 838-841, 925-927, 958, 971, 997, 1020, 1075-1080, 1221 - 500 Jahre E. auf Kuba 200-202, 241 - Aktualität bei der 94 f. - am Arbeitsplatz 337 - Beitrag der Laien zum Werk der 951 - der Armen 736 - der Familie 267 - der Gesellschaft 525 -derKultur 217 1266 REGISTER - der Völker Asiens 500, 521 f. - der Völker des Pazifiks 948-950 - der Völker Großmährens 23 -der Welt 56, 753 f. - durch Universitätskaplaneien 505-508 - Erstevang. 840 - Geschichte der 876 f. -Gesetz und 1071 - Glaubenszeugnisse im 38 - Herausforderungen der 524 f. - Hl. Geist als Hauptperson für die 93-95 -inAfrika 39 - Mitarbeit der Laien an der 951, 1044 - Papua-Neuguineas u. Salomoninseln 945 f. - Verantwortung für die 34 - Zukunft der 143 Evangelisierungsauftrag 455 - der Kirche 71, 245, 966, 1068 f. Evangelium(s) 13, 25, 426, 434,445, 796 - als inspirierender Mittelpunkt des Lebens 989-993 - Botschaft des 14, 364, 392, 504 - der B armherzigkeit 7 8 - der Hoffnung 14, 630 - der Nächstenliebe 965 - Erstverkündigung des 40,258 - Glaubwürdigkeit des 300 - Hingabe an das 501 - im Dienst des 230 - Inkulturation des 267, 270, 784, 952 -Lehredes 331 - moralische Grundsätze des 214 - Nachfolge im 215 - Prolog des vierten 366 - Sieg des 143 - Treue zum 457,498, 532 -und Kultur 134 f„ 336 - Unterweisungen Jesu im 43 -Verkündigung des 34, 55, 108, 169, 242, 333, 342, 420, 439, 499, 524 f., 536, 737, 960, 1012 f. -vomLeben 150f., 379-384, 818, 1078 - vom Leiden 89, 227, 311 - vom reichen Jüngling 207 - von der Arbeit (Brief des Papstes) 174 - von der Ehebrecherin 42 - von der Hochzeit v. Kana 62 - Zeugen des 16, 325 - Zeugnis für das 35,188, 630 f. - zu den Armen bringen 324, 736 Evolution 75 Evolutionismus 697 Ewigkeit -unvergängliche 576f. Exerzitien -im Vatikan 448 f. Exil(s) -babylonisches 153 Existentialismus 697 Existenz -christliche 54, 101,163 f., 609 - der Wahrheit 182 - menschliche 366 f., 681 Exodus - christliches Leben ist ein 125 - der Menschheit 492 Fakultät(en) -kirchliche 801 Familie(n) 13, 143, 189, 195,202-206, 253, 327, 378, 495 f„ 652,788, 895, 906 f„ 922, 945, 962, 984-989, 995-998,1250 - 3. Welttreffen der (Okt. 2000) 189 -afrikanische 261 - als gmndlegende Keimzelle der Gesellschaft 203,211,260,359,463, 550, 790 f., 946, 962 - als Hauskirche 297, 327, 344,496, 514, 561,583,1022,1045 - als Heiligtum des Lebens 211 - als Institution 203, 205, 984 - als Lebens- u. Liebesgemeinschaft 261, 963 - als Lebensschule 363 1267 REGISTER - als wahre Gemeinschaft 203, 205, 495 - Bedrohungen der 962 -Berufung der 203, 344 - christliche 152, 205, 344,495, 561, 583, 962 -Dienst an der 1022 - Einsatz für die 327-330 - erste Stätte der Sozialisation 205 - Evangelisierung der 267 - F.besuche bei der Stadtmission (Rom) 440 -F.Struktur 791 - F.zusammenführung 755 - Fundament der 211 f. - gewaltsame Trennung der 204 - Glaube und 1005-1008 -Gottes 260 f., 862 - Identität der 963 - im Plan Gottes 495 - Intemation. Theolog. Institut für Studien zu Ehe und 298 - katholische F. Kubas 206 - Kirche und 962 - Krankenhilfe in der 408 - kreolische 203 -Krisen in den 203, 211, 995 f., 1045 - Mitwirkung bei Schöpfungswerk Gottes 203 - pastorale Bedürfnisse der 257 - Päpstl. Rat für die 189, 789-793, 1165-1172 - religiöse Werte in der 204 - Schule und 330 -Schutz/Verteidigung der 205,244, 550 - Sendung der 495 - traditionelle Werte der 963 - trägt Hauptverantwortung in der Erziehung 132 - und die Alten 820 - und Ethik 790 - Unterstützung der 945 f. - Wahrheit über die 397 f., 995 f. - Zeugnis der Laien in 961 f., 1045 Familienpastoral 327-330, 344 f., 911,985,992,1005-1008, 1130 f., 1136 f. Familienpolitik 792 Faschismus 142, 340 Fastenzeit 36, 448, 1225 -Botschaftzur 433-436 - Bußweg der 26 - Einladung zur Umkehr 30, 433 - Zeit der geistl. Erneuerung 436 - Zeit der Gnade 30 f., 436 f. - Zeit des Nachdenkens u. des Gebets 28 f. Feier - 750-Jahr-F. des Kölner Doms 633 f. - 900-Jahr-F. der Gründung der Abtei Citeaux 444-448 - der Eucharistie 460,470,474, 580, 859, 1031 f., 1135 f., 1222 - der Sakramente 1003,1021 - des 1700jährigen Bestehens der Ortskirche Split 142 - des Bußsakraments 859, 1032 - des Sonntags 565, 579, 582 Fels -Petrus als 427,638 Ferien 124, 321 Fest(e)/Hochfest(e) - Allerheiligen/Allerseelen 156 f. - der Bekehrung des hl. Paulus 235, 237 - der Darstellung des Herrn im Tempel 398-401 - der Erscheinung des Herrn 5 f., 368-370 - der Heiligsten Dreifaltigkeit 79 f. - der Himmelfahrt Christi 272 - der hll. Apostel Petrus u. Paulus 91 f., 636 f. - der Kathedra des hl. Petrus 26, 427-429 - der Taufe des Herrn 6 f., 384-386 - des Apostels Andreas 865 f. -des hl. Josef 461-463 - des hl. Stephanus 188 - Fronleichnam 622-625 - Marienf. 3 f., 114 f., 178, 365, 873 f. - Tradition der F./Feiertage 608 1268 REGISTER Feuer - der Heiligkeit 532 -derLiebe 617 -des Geistes 578 Fideismus 696, 698 f. Film(s) - Internat. Studientagung über das F.wesen 835-838 - Kirche und 837 - Sprache des 836 - und moralische Werte 837 Finanzinstitution(en) - internationale 361 Finsternis 287 - Licht und 47-49, 368-370, 632 Firmung 7, 30, 652 - als Vollendung der Taufgnade 139-141, 146 - in der Tradition der Kirche 146-148 - rituelle Unterschiede (Ost-West) der 141 - Sakrament der 139-141,146-148, 470, 514 f„ 614, 961 - Spender der 141 - verleiht den Hl. Geist 139 Flagge - kubanische 223 Flüchtling(e/en) 435 - 4. Weltkongress über Pastoral der Migranten und 762-765 - Ausbeutung von 174 - Botschaft zum 84. Welttag für Migranten und 755-759 - christliche 756 - Rückkehr der 373 Fokolare - der Einheit 413-415 Forschung(s) 829 f. - F.zentrum für natürliche Fruchtbarkeitsregelung 442-444 - Förderung mariologischer 821-824 - Vorteile der genetischen 432 f. - wissenschaftliche 135, 443 Fortpflanzung - verantwortliche 442 f. Fortschritt(s/e) 251, 359 f. - blinder F.glaube 630 - der Wissenschaft u. Technik 747 f. - des Wissens 659 f., 816 - im Dienst am Menschen erzielte 167,407, 553 - in Nigeria 259 -sozialer 412 Frau(en) 253 - am Grab Jesu/Zeugen der Auferstehung 49,493 - Amtspriestertum der 1033 f. - Appell des Papstes zugunsten der 32 - Ausbeutung der 267, 422 -Berufung der 171,738-740 - Brief an die F. (zum Internat. Jahr der F. 1995) 32,423 f. - Entfaltung der Persönlichkeit der 423 - Erziehung von 458 - Freiheit der 204 - ganzheitliche Gesundheitsförderung der 421-424 - Genius der 32, 171, 823 - Gewalt gegenüber 362 - Gewissen der 550 - Glaube der kanaanäischen 38 - Grundrechte der 32 -Hilfefür 550f. - in Not-/Konfliktsituationen 379-384 - IV. Weltfrauenkonferenz in Peking (1995) 422 - moralische Verpflichtung der 423 - Natur der 204 - Rolle der F. (im Plan Gottes, Familie, Gesellschaft) 32, 171, 421-424, 458, 797 - Sendung der 823 - Tag der 32 - und Mann 32, 203,442-444 - Würde der 32, 204, 257, 421-424, 550, 738, 740, 823, 1034 Freiheit 24, 202, 222, 231 f., 352, 470, 506, 956, 970, 1012 f„ 1055, 1114 - Bedeutung der F. für Christen 232 - demokratische 251 1269 REGISTER - der Frau 204 - der Kinder Gottes 214,480 f. - der Kirche 222, 626 - des Menschen/Geschöpfes 118, 126, 243, 668, 767, 915 - für die Sklaven 223 - Hl. Geist als Quelle der wahren 125-127 -jeder Person 222 - Kubas 221 - persönliche 666 - und Solidarität 232 - und soziale Gerechtigkeit 232, 867 -und Wahrheit 724,1023, 1040 f., 1056 f. - Verantwortung und 210 Freiheitskampf - Kubas 223 Fremdenfeindlichkeit 764 Freude 213 - Sonntag als Tag der 116, 595 f. Freundschaft -aufrichtige 681 Frieden(s) 4 f„ 21, 23 f„ 40, 117, 138, 187, 202,245, 251, 253, 259, 284, 464, 588 f„ 604, 650 - Aufbau des universalen 118, 144, 168 - Botschaft des 247, 493 f. -Christi 258, 493 f. - Diener des 625-628 - Gebet für den 367 - Gerechtigkeit und 357-368, 983 -in Afrika 251 - in Bosnien-Herzegowina 373 - in Kroatien 332 -inNahost 20,31,375 - in Südosteuropa 353 - ist Frucht praktizierter Gerechtigkeit u. gewährter Verzeihung 240-246 - Kultur des 495 f. - Päpstl. Rat für Gerechtigkeit und 367 - Sauerteig des F. zu sein 411 - sozialer 378 -Verteidigungdes 242 - V erwirklichung des 168 - zwischen dem Staat Israel u. den Palästinensern 61 Frömmigkeit - Papst Paul VI. 324 -volkstümliche 14,84,288 Frohbotschaft - Aufnahme der 455 - der Erlösung 256 -Jesu 231,244 - österliche 49 f. Fronleichnamsprozession - Zeichen für den Weg Christi durch Raum u. Zeit 83 f. Fruchtbarkeitsregelung - Studien-u. Forschungszentrum für natürliche 442-444 Fürbitte(n) - der Heiligen 156 Fundamentaltheologie 706 Gabe(n) - Austausch von 428 - des Hl. Geistes/Geistes 35, 82, 100 f., 106, 118, 140 f., 147, 151, 162 f., 175,425,439,469-471, 479 f„ 510, 560 f„ 612, 690 - Gnadeng. 108, 296, 512 - Heiligkeit als 471 Gastfreundschaft 645 Gebet(s/e) 10, 28, 128, 130, 164, 235, 277, 289, 301, 333, 343, 455, 459 f., 517, 553 f„ 570, 594, 814, 929, 966 f. - an Maria 223 f. -Bittg.umneueBerufungen 513 - Davids 436 - der Kirche 780 - des Hirten 780 - des Papstes 156 - Eucharistisches Hochg. 478 -fürAfrika 40 - für den Frieden 367 - für die Opfer der Gewalt 10 - für die Opfer des Erdbebens 198 -Fürbittg. 584 - G.initiativen 593 1270 REGISTER - G.leben der Priester u. Ordensleute 737, 1030 f. -gemeinsames 105,496 - Großes G. für Italien 789 -Jesu 78,421 -Kraftdes 773-776,796 - Leben im 967 - Maria als Frau des 180 -Moses im 779 - Ökumenismus des 419-421 -persönliches 238 - Regina Caeli 279 - Rosenkranzg. 152 -Stundeng. 399, 930 f„ 1137 f. - tägliches 326, 930 -Vaterunser 164 - zum Hl. Geist 440, 515 f„ 561 f. Gebetsgemeinschaft(en) - Bedeutung der christlichen 814 Gebetswoche siehe: Weltgebetswoche Gebot(es/e) - Einhaltung von Gottes 587 -kirchliches 565 f. - neues/der Liebe 24, 84, 127, 168 f., 487, 517 f„ 522, 602, 832 -Zehn G. (Dekalog) 570 Geburt -Jesu 365 f„ 845, 888 Geburtenkontrolle/-regelung 204, 1167 - natürliche 442 f. Geburtenrückgang - Erklärung zum G. in der Welt 1165-1172 Gedenktag -jährlicher G. für die Opfer der Verkehrsunfälle 166 - liturgischer G. Unserer Lb. Frau v. Jerusalem 166 Gegenwart - Christi in der Kirche 477, 579 f., 585 - des Geistes/Hl. Geistes 66, 98, 133, 136, 365, 413 f„ 440, 484, 782, 784 - Gottes 448 - Herausforderungen der 210,426 Geheimnis(se) siehe auch: Mysterium - Christi in der Zeit zu leben 120 - der Anwesenheit Christi 624 - der dreifältigen Gemeinschaft 104, 185,421,726, 847, 877 -derErlösung 50, 81, 95, 173, 411, 809 - der Heiligen Nacht 891 - der Himmelfahrt 274 - der Liebe 81 f„ 128, 462, 474 - der Liturgie 1067 f. - der Menschwerdung (des fleischgewordenen Wortes) 19, 21, 59, 74 f., 120, 173, 178, 282,404-406, 489, 491 f„ 665 f„ 716, 809, 845 - der Stunde Jesu 7-9 - der Taufe Jesu 43 f. - des Glaubens 478,488 f. - des Heils 437 - des Kreuzes 465 f„ 674 f„ 768 - des Leibes Christi (Kirche) 97-99 - des Leidens 474 - des Menschen 75, 217, 243 f., 491 f„ 665-668 - des Opfers Christi 509 - des Todes u. der Auferstehung Jesu 49,51,436, 491 -Gottes 726,862,885 - österliches 276 - von Golgota 82 -vonNazaret 189 - von Pfingsten 468, 470, 578 Gehorsam 445, 483 f. - Abrahams 490 - evangelischer 484 - gegenüber dem Geist Gottes 108 - gegenüber den Bischöfen 561 -Jesu gegenüber dem Vater 433, 489-491 -Marias 262,562 Geist(es) 71, 135-137,157-160,162-164, 610, 615 siehe auch: Hl. Geist - als Gabe 68, 93 f. - als Quelle des neuen u. ewigen Lebens 71,74,149-152 1271 REGISTER -Ausgießung des 44, 93, 127 - der Erneuerung 263 - der Kraft, Liebe, u. Besonnenheit 267 -derWahrheit 72, 129, 133, 185, 510 - ein Leib u. ein 99 -einen 108, 296, 512 f. -Feuerdes 578 - führt das Volk auf seiner Pilgerfahrt 69 f., 133 - Gegenwart des G. (in der Geschichte) 66, 136, 365, 782, 784 - Gnadengeschenk/-gabe des 35, 82, 100 f., 106, 118,140 f., 147, 151, 162 f., 175, 425,439, 443, 469 f„ 471, 479 f„ 510, 560 f„ 612, 690 -Gottes 130, 134, 139 f„ 151, 825 -Jesu 10 -Kraft des 21, 68, 74, 78, 93 f. -Leben im 151 -lebendigmachender 153, 163 - leitet die Kirche 108 - Mensch und 100, 469 f. - menschlicher 133 f., 334, 659, 710 -Propheten u. G. Gottes 67, 93, 108 -Siegeides 139,146-148 - Streben/Suche des menschlichen 129 f. - Transzendenz des 68 - von Assisi 648-650 -Wirkendes 6, 21 f., 112-114, 136, 172, 185,365,612-616 Geistlehre -desAT 67 Gelassenheit 408 Gelübde 527 Gemeinde 536, 1045 -Basisg. 109,977-984 - christliche/urchristl. 69,103,499 - Jüdische 236 - katholische 265 - muslimische G. Nigerias 252 - Spaltungen in der 109 - von Antiochia 108 - Zusammenkunft der ganzen 582 f., 609 Gemeinschaft(en) 6,261,417,588, 644 siehe auch: Communio - apostolische 470 - Aufbau einer universalen menschlichen 294 - aus vielen Völkern 389 - brüderliche 602 -charismatische 615-617 - christliche 390, 409,420,471, 522, 560, 649 - der Bischöfe 305 f., 1028 - der Christen 51-53, - der Heiligen 101, 853 f. - der Heiligsten Dreifaltigkeit 104, 153, 185,938 - der Konventual-Minderbrüder 197 - des ganzen Leibes Christi 414 - des geweihten Lebens 760 f. -Dienst an der 218 - Einheit in der 1218,1221 - Familie als wahre 203, 205, 495 - Hl. Geist als Quelle der 103 - Kirche als 86 - kirchliche 47,196, 225 f., 342,407, 538, 616, 652, 859 - lehrmäßige u. pastorale 91 - mit dem Bischof von Rom 744 - mit den orthodoxen Schwestemkir-chen 751 - mit Gott 153, 257 f. - Mysterium der 1017 -neue 76, 558 f„ 613 f. - Vater - Sohn - Hl. Geist - Glaubende 185 - zwischen Papst und Bischöfen 39 Gemeinwohl 222, 237, 248, 335, 352, 357 f„ 362, 790, 792, 944, 949 - des indonesischen Volkes 70 - Dienst für das 268, 789-793, 958 - Verantwortungsbewusstsein für das 360 Generation(en) - Erbe künftiger 210 - neue 347 - Solidarität unter den 820 Genetik 430 1272 REGISTER Genom(s) - Manipulation des 431 - menschliches 430-433 - Schutz des 432 Genozide 892 Gerechtigkeit 3 f„ 39-41,138, 248, 250 f„ 332, 367,412, 494, 873 - des Gottesreiches 231 - Freiheit und soziale 232, 867 - Gottes 830 - ist eine moralische Tugend 357 f. - ist Schlüssel zur Konfliktlösung 259 - Päpstl. Rat für G. u. Frieden 367 - soziale 202, 222, 374 - und Frieden 357-368, 983 - Verteidigung der 242 -Verwirklichung der 168 -Wahrheitund 397 - Zivilisation der 233 Gericht(e) -Arbeit der 1073 f. -Diözesang. 1072 f. -Jüngstes 831 Gerichtshof(-höfe) - des Apostolischen Stuhls 1073 Gesamtkirche 523, 743, 753 siehe auch: Universalkirche - lebendig überlieferter Glaube der 308, 937 -Mission der 759-761 - Papst als Hirt u. Diener der 201 - Teilkirche und 538-546 Geschichte 55,210,665,816 - Ankunft Christi als Angelpunkt der 889 - der Evangelisierung 876 f. - der Kath. Charismatischen Erneuerung 615-617 - der Katholikentage 629 - der Kirche 34, 41, 142, 300, 523, 771,785,816, 855, 862 - der Länder des Pazifiks 949 - der letzten zwei Jahrhunderte 783 - der Philosophie 675-693 - der Völker 373 - der Zisterzienser 447 - des Alten Bundes 122 - des Altertums 657 f. - des Verhältnisses von Glaube u. Vernunft 683-693 - eingeteilt in vor u. nach Christi 366 - Europas 292 - Gegenwart/Wirken des Geistes in der 66, 136 - Israels 67 -Jesu 150,280 - Kroatiens 335 -Kubas 201,217,219,237 - menschliche/des Menschen 112 f. -Nigerias 250 - Offenbarung Gottes in der 664 f. - Salzburgs 286 f. - Weg durch die 304 f. - Wirken Gottes in der 136 - zivile u. religiöse G. Roms 387-391 Geschichtsforscher 815 Geschichtswissenschaft 817 Gesellschaft(en) 13,40,792,819 - Aufbau einer neuen/menschengerechten 215, 251,271,352, 360, 495,912 - bürgerliche 243 - Christen in der 14, 202, 210, 244, 912, 922 - der Einzelne u. die 357 f. - der Zukunft 430-433 - des apostolischen Lebens 840 - des kath. Apostolats 759-761 - Dienst an der 630 f., 1053-1059 - Dienst der Bischöfe in säkularer 899-904 - Einigkeit u. Freiheit in der dt. 629 - Erbauer einer neuen 175, 325 - Erneuerung der 301, 875 f. - europäische 508 - Familie als grundlegende Keimzelle der 203, 463, 550, 790 f„ 946 - Geist des Evangeliums in der 239 - Grundwerte der 14 -heutige 13,653 - im Dienste der 957 f. - in Bulgarien 905 -Kirche und 216 f„ 222, 381, 915, 957 f„ 990 1273 REGISTER -kubanische 236,915 -menschliche 407,653 -nigerianische 41,258,265 - polnische 956, 960 f., 964 - religiöse Werte in der 204 -rumänische 372 - Säkularisierung der 900, 925 f. - sittliches Gewissen der 550 f. -solidarischere 219,387 - Spaltungen innerhalb der 259 - traditionelle G. Papua-Neugineas u. Salomoninseln 944 f. - Verantwortung der Gläubigen in Kirche und 961 f. - Veränderung der 231 - Wiedereingliederung ehemaliger Gefangener in die 227 - zivile 600 - Zivilisationsgrad einer 819 - Zukunft der 551 Gesetz(es/e) 791 f. -das neue 151 -derLiebe 876-878 - der Seligpreisungen 877 - des Stärkeren existiert 533 - gerechte Anwendung des 362 -jüdisches 535 - mosaisches 86 - und Evangelisierung 1071 Gestapo 301 Gesundheit(s) 422, 748 -G.wesen 450,551 - ganzheitliche G.förderung der Frau 421-424 - menschenwürdige 748 - umfasst ganzheitliches Wohl der Person 451 Getaufte(en) - Aufbau einer heiligen Priesterschaft der 52 - Berufung jedes 492, 560 f. - Gabe des Hl. Geistes an die 140 f., 482 - missionarischer Auftrag der 52 Gewalt 5, 65, 70, 117, 251, 253, 375, 944 f„ 1252 - als Dienst zu verstehen 542 - bischöfliche 545 f., 548 - gegenüber Frauen u. Kindern 362 -in Afrika 121,988 - Opfer von 157 - richterl. G. in der Kirche 394 Gewerkschaft 61 Gewissen(s) 168, 302, 382, 969 f., 1054-1057 -Betäubungdes 792 -derFrau 550 - der Gläubigen 378 - des Menschen 125, 218, 378 - freies u. verantwortliches 14 - G.erforschung 854 -moralisches 361 f. - öffentliches 383 - sittliches G. der Gesellschaft 550 f. -Würde des 1056 Gewissensbildung 333, 957 f., 970 - der kuban. Nationalität 239 Gewissensfreiheit - als Fundament aller Menschenrechte 232 Gläubige(n) 101, 243,400, 418, 480 f„ 591, 1203-1213 - allgemeines Priestertum der 1067 - als Erbauer einer neuen Gesellschaft 175, 325 - als Zeugen der Auferstehung 175, 406 - Gewissen der 378 - Hl. Geist wohnt im Herzen jedes 98 - in Asien 498 - in Bulgarien 904 f. - in der Diaspora lebende orientalische 752 - in Österreich 89 f. - kubanische 202 - prophetisches Amt der 147 - Sendung der 170 - spirituelle Entwicklung der 967 - Teilhabe der G. an der Vater-Sohn-Gemeinschaft 78 - Unterweisung der 1002 f. - Verantwortung der G. in Kirche u. Gesellschaft 961 f. 1274 REGISTER Glaube(ns) 26, 36 f„ 126, 128, 136, 203, 221, 276, 332, 352, 393,411, 427, 460, 664, 666, 670 f„ 757, 760, 927, 1003 - adventlicher 873-876 - an Christus 36-38, 803-806 - an das Heilswerk Gottes 406 - an die Auferstehung 154 - an Gott 36-39, 142,154,165, 232, 340, 666 - auszubreiten u. zu verteidigen 147, 349 - Boten des 35 f. -christlicher 40f„ 136, 139, 157, 243,248,258,506, 563,681 - der Apostel 469,497, 637 - der kanaanäischen Frau 38 - der Kirche 308, 699, 937,1024 f. - des hl. Josefs 461 - des kuban. Volkes 239, 241 - Einheit des/im 744, 1017 f., 1218, 1221 - Erkenntnis des 807-810 - erneuern 7, 36 f., 286 - Erziehung zum 385 - Geheimnis des 478, 488 f. - Geschenk des 258 - Inkulturation des 239, 950 -Israels 66 f., 669-673 - Kampf des 29 f. -katholischer 387,528-531 - leben 35 f„ 617, 760, 995, 999-1004, 1053-1059 - Licht des 285, 468 - Marias 62-64, 646-648, 735 -ohne 222, 497 f., 560 - Samenkorn des 351 - Schutz des 528-531, 543 f. - Stärkung des 995 - Treue zum 208 -undDemut 796 - und ethisches Handeln/Verhalten 37, 214, 277 f. - und Familie 1005-1008 -und Kultur 14, 812 f„ 1011, 1023, 1057 f. - und Philosophie 682 f. -undTaufe 43 - und Vernunft 149, 177 f„ 336, 657-736, 827, 927, 1078 f. -undWahrheit 37,182,661- - und Wissenschaft 504, 828,1039 - Verantwortung im 210 - Wahrheiten des 528-531 - wecken 348 -Weitergabe des 497 f., 730 f., 781-785, 1020 f. - Zeugen des 22, 233, 256, 402 Glaubensbekenntnis 303,1206 f. - apostolisches 528 -christliches 160 - der Apostel u. der Jünger 37 - des Petrus 37,427, 623, 638 - des Thomas 497 - in der sonntägl. Eucharistiefeier 578 f. - nizäno-konstantinopolitanisches 149, 476, 528, 612, 1207 - u. Treueid bei Übernahme eines kirchl. Amtes 1203-1213 Glaubensbildung 990 f. Glaubensbotschaft - des Seligen 346 Glaubenserkenntnis 667 - und Vemunfterkenntnis 669-675, 696 f. Glaubensgemeinschaft -Beistandder 383 Glaubensgut - der kath. Kirche 1208-1213 Glaubenszeugnis(se) 402,501,905 - im Evangelium 38 Gleichgültigkeit - angesichts menschl. Leides 229 - gegenüber dem christl. Erbe 288 -religiöse 208,960 Gleichnis(se) - der Hochzeit zu Kana 8 - vom barmherzigen Samariter 228, 314, 831 - vom Guten Hirten 290 - vom verlorenen Sohn 256, 862 Globalisierung(s) - G.prozess 293, 949 - Herausforderungen der 834 1275 REGISTER - in Solidarität/der Solidarität 359 f., 868-871 - ohne Ausgrenzung 360 f. Gnade 17,153,261,440,481 siehe auch: Heiliger Geist, Gabe d. - als Gabe des Hl. Geistes/des Geistes 35, 100 f„ 106, 118, 140, 151, 162 f„ 175,425,439,443,471, 479 f„ 510, 690 - der Barmherzigkeit 850 - der Erlösung 437 - des Firmsakramentes 139 - des sakramentalen Lebens 395 - ein Jahr der G. des Herrn 994-998 - eines neuen Pfingsten 170 - Fastenzeit als Zeit der 30 f. - Gottes 37, 846 - heiligmachende 479 f. -Jahrder 410 - Quellen der 209, 289 - und Sünde 647 - verschiedene G.gaben 108, 296, 512 - Zeit der 411 f., 436 f. Gnosis 684 Golgota - Geheimnis von 82 - Tragödie von 63 Gott(es) 8, 195, 257, 794 - Ablehnung 468 -als barmherziger Vater 29,48, 184 f„ 324, 813,830, 893 - als Mitte des Lebens 416 - als Quell (jeder Wahrheit, Forschung) 336, 663, 829 - als Schöpfer 28, 66, 521, 600, 675, 808 - anmaßende Unabhängigkeit von 28 - Barmherzigkeit/Erbarmen 437, 856 - der Heilsgeschichte 808 - der Hoffnung 162 - des Lebens 402 -Dialogmit 455,803 - Frage nach 939 - Freundschaft 846 - G.erkenntnis 881 - G.nähe und -ferne 880 - G.Vorstellungen der Menschen 683 -Geduld 33 f. - Gegenwart 448 - Geheimnis 726, 862, 885 - Gemeinschaft mit 153, 257 f. - Gerechtigkeit 830 -Glaube an 36-39, 142, 154, 165, 232, 340, 666 -Gnade 37,846 - Herrlichkeit 74, 159 f., 470 -istLiebe 794,831 -Lebenshauch 66f., 149 -Liebe 13,24,74,81,116,125,162, 195, 281 f„ 437, 830 f„ 912, 1020 f. -Liebe zu 257,324,458 - Lobpreis 520 f., 587 - Macht 55 - Mensch und 24, 37,48, 73, 85 f., 94, 122, 126, 130, 153, 187,216, 258, 306 f„ 399,411,436-438,478, 480-482, 512, 516, 519, 570, 622 f„ 757, 832, 862, 890, 961 - Menschwerdung 405, 434 f., 888 f. - Offenbarung 36 f., 66 f., 74, 658, 664 f. - Plan/Heilsplan 9, 17, 32 f„ 59, 62, 113, 117, 126,128, 137, 166 f„ 173, 181, 203, 206, 253, 298, 328 f., 348, 445, 491, 495, 522, 570, 622 f„ 632, 638, 640, 673 f„ 770, 808, 992 f. - Schöpfung 410 f., 463 - Segen 367 f. - Suche nach 129 f., 320, 446 - Transzendenz 522 -Treue 81,587 -Treuezu 587 - Vater und Sohn 44, 81 f., 184 f. -Vergebung 42,257,588 - Verheißung 146, 708 - Versöhnung mit 256, 416, 453 - Vertrauen auf 203, 248, 287 - Verwurzelung in 273, 326 -Wille 77, 118, 262, 458 f. - Wirken G. in der Geschichte 136 Gottesdienst(es) 242 - kontemplative Dimension des 1066 f. Gotteskindschaft 45,51,117-119, 122,139,162,185, 822, 848 - durch die Taufe verliehene 44 1276 REGISTER Gottesmutterschaft - der Jungfrau Maria 3 f., 187 Gottessohn 276, 822 -menschgewordener 136,413 Grabtuch von Turin 278-283 Gründonnerstag - Abendmahlsmesse an 487-489 - Chrisam-Messe an 485-487 - Schreiben an die Priester zum 475-485 Gmndrecht(e) - der Frau 32 - der Person 866 -Schule als 131 f. Gmndsatz(-sätze) - christliche 203 - moralische G. (des Evangeliums) 214, 660 Gmndwert(e) - der Gesellschaft 14 - der Person 14 -sittliche 132 Güte 194,257 Gut (Güter) - eines Volkes 362 - gerechte Verteilung der 364, 407 Gute(n) 133 - Bewahrung des 208 - Suche nach dem 130 - und Böse 143, 173, 331 f„ 468, 647 Häresie(n) 531, 1208 - christologische 98 Handauflegung 140, 305, 461 f., 535 f. - sakramentale H. des Priesters 483 f. Handeln - sittliches 676 Handelsembargo 208 f. Hauch -göttlicher 66-68, 149, 153 Haus - europäisches 284 f. - Gottes 262 -vonNazaret 132 Hauskirche - Familie als 297, 327, 344, 496, 514,561,583, 1022,1045 Heiden -H.christen 105,535 -Juden und 104 - Licht das die H. erleuchtet 398-401 Heil(s) 125,411 - das von Christus gebrachte 25,33, 992 f. - der ganzen Welt 283 -der Seelen 110 - Dialog des H. in der Kirche 304-310 - Dialog zum 900 f. - Geheimnis des 437 - H.botschaft 220,465 - H.wert der christl. Wahrheit 684 f. - Hoffnung auf das 552 - Kreuz als Zeichen des 302 - Sorge um das eigene H. u. das der anderen 853 - Verwirklichung des 33 -Weg des 42 f„ 47, 113 Heilige Familie v. Nazaret 189,344, 385, 408 - als Vorbild 206 Heilige Nacht 188,366,884 - Geheimnis der 891 Heilige(n) 101, 156, 188, 517, 853 - als Vorbilder 156 -Fürbitte der 156 - Gemeinschaft der 101, 853 f. - in Spanien 1000 f. - Lebensgeschichten der 316 - sind wahre Missionare 289 Heilige(n) Pforte 426 -Öffnung der 410,850,889 Heilige(n) Schrift 289, 371, 459 f„ 585 f. - Aktualisierung der 741 - als Geschenk 1010 - Hl. Geist in der 476 -Lehre der 159 1277 REGISTER - Menschenbild u. Weitsicht in der 716 f. - Wallfahrten in der 850 f. - Weisheitsbücher der 669 f. -Wesender 741 Heiliger(n) Geist(es) 6,19, 29 f., 45, 82, 85, 119, 149-152,310,385, 405 f„ 439, 454-456, 486, 558-562, 612-615, 638 f„ 689 f„ 758, 825, 893, 903, 977,1013 siehe auch: Geist - als Beistand/Paraklet 37, 72, 85, 148, 185,455,476,612,1208 f. - als Gnadengeschenk/-gabe 50, 82, 86, 104, 163, 366, 616 - als Hauptperson für die Evangelisie-rung/Neuevang. 93-95, 425, 438, 452, 477, 554 - als Liebe in Person 82, 86, 100, 104, 184,476 f. - als Prinzip der Einheit des Leibes 51,99, 104 f. - als Quelle (der Gemeinschaft, von Charismen, Diensten 103-106, 108-110, 125-127, 470 - als Schöpfergeist 476 - Apostel vom Hl. G. erfüllt 140, 295 - Ausgießung des 558 -560,578 - bei der Menschwerdung 72-75 -Bischöfeund 455 -Dynamikdes 217 -Einfluss des Hl. G. auf Simeon 180 - eint die beiden anderen göttl. Personen 104,112 f., 185,476 f. - erleuchtet/emeuert 135, 437,440 -Gebet zum 11, 515 f. - Gegenwart des 98, 133,413 f., 440, 484 - Gehorsam gegenüber dem 110 -Gnadengabendes 35, 100f., 106, 118, 140 f„ 151,162 f., 175,425, 439, 443, 471,479 f. 510, 612, 690 - im AT (ruach) 66-68, 149, 153, 559 - im Licht des 114 -imNT 70-72,559 - in anderen Religionen 130 - in der ersten christl. Gemeinde 69 - in der Hl. Schrift 476 - Inspiration des 529 -Jahr des 6, 10 f„ 19, 21, 29, 66, 95, 135, 433,438, 455,467 f„ 475, 510, 558 f„ 611, 615 f„ 644, 647 -jede Wahrheit kommt vom 72,134, 137,419 - Jesus und 29,70 f„ 76-79, 81-83, 93, 100, 126, 139 f., 295,477, 511-516 - Kraft des 35,78,114, 126,146 f„ 185, 405 f„ 781, 826 - Lehre über den 105 f., 163 - lehrt euch alles 467-473, 612 - lenkt die Geschichte der Menschheit 117,135 f. - neues Leben im 90 - Priester/-tum und 439, 481 -484, 486 - Salbung mit dem 77, 486 - Siegel als Gabe des 146-148 - Theologie des 614 f. - und Kirche 71, 86, 93 f„ 97-99, 104, 108, 136, 467-473, 478, 511-516 -und Maria 172,179-182 -Wirken des 16, 18, 22, 71, 101, 104, 117 f., 123, 133, 166, 170, 235 f„ 346, 411, 438-441, 449, 455, 468, 475-485, 520-524, 552, 616, 647, 665, 805 - wohnt im Herzen (jedes Gläubigen, der Jünger) 98, 151, 155, 185 - Zeichen des 839 Heiliger(n) Stuhl(s) 412,751 - Bischofskonferenzen und 544 f. - Dialogbereitschaft des Hl. St. für Frieden in Nahost 375 - diplomatische Mission des Papstes u. des 833-835 - Hilferufe an den 376 - Tätigkeiten des 887 f. - Treue zum 457 - und Österreich 291 -und Sudan 375 - und Welthandelsorganisation 377 Heiliges Land 777, 846 1278 REGISTER Heiliges(e) Jahr 410-413, 416, 847, 865, 877 siehe auch: Jubeljahr u. Jubiläum - Vorbereitung auf das 410 f. Heiligkeit 98, 274 - als Gabe u. Aufgabe 471 - Berufung zur 205, 274, 456,471 f., 526, 841, 1052,1143-1146 - der Christen 88 - des Lebens 927 - des Seligen 273 - Erbe an H. in Spanien 1000 f. -Feuerder 532 - göttliche u. menschliche 926 - im Ordensleben 101 - persönliche u. allgemeine 760 - Sehnsucht/Streben nach 98,501, 533,841,918, 978 f., 1028 -Weg der 36,101, 263 - Zeugnis der 277 Heiligsprechung 145, 765-769 - Prozess der 237 f. Heiligste(n) Dreifaltigkeit 66, 384, 395, 405, 893 - Geheimnis der 104, 185, 421, 847, 877 - Gemeinschaft der 104,153,185 Heiligtum(-tümer) siehe auch: Sanktuarium - Familie als H. des Lebens 211 Heiligung - des Menschen durch den Geist 100 f. - des Sonntags (Sabbat) 562-572, 600 - Weg persönlicher 210 Heilsgeschichte 90, 93, 113, 117, 149, 367 f„ 622, 727 - dreifältiger Rythmus der 113 - findet in J. Chr. Höhepunkt u. letzten Sinn 845 - Firmung im Licht der 139 f. - Gott der 808 - ist Selbstmitteilung Gottes an die Menschheit 121 - persönliche 496 - Rolle Marias in der 822 - weitere Kapitel in der 523 Heilsökonomie - von Christus eingesetzte 481 Heilsordnung 569 Heilsplan 82, 462, 662 siehe auch: Plan Gottes - der Menschwerdung 461 - Gottes 167, 203, 206, 522, 674, 992 f. Heilsweg - des Leidens 408 -Jesu Christi 18,622 Heilswerk(es)/Heilswirken - Erfüllung des 7 f. - Glaube an das H. Gottes 406 - J. Chr. 19,33,665 - universale Dimension des 55 Heimat -des Menschen 195 Heimatland - Verantwortung für das 332, 352 Herz(ens) - Bekehrung des 105.231,411,419, 813 f. - Demut des 426 f. - des Menschen 21, 24,151 - Gott zuwenden 37 - Jesu 90 f. - neues H. von Fleisch 85 f. - öffnen (für J. Chr.) 201, 208, 215 f., 231, 299, 438, 914 f. Hilfe - für das Erdbebengebiet in Italien 198 - für die Überschwemmungsgebiete Polens 954 -fürFrauen 550f. - für Mittelamerika 160 - Hilfsaktionen Polens für andere 966 - humanitäre 92 - internationale H. im Kosovo 353 -materielle 196 Hilfsorganisation(en) 832, 966 1279 REGISTER Himmel (s) 115,157,188 - als endgültige Heimat/Wohnung 169, 272, 824 f. -neuer 278 - Schlüssel des H.reiches 638 Himmelfahrt - Geheimnis der 274 - Jesu Christi 272 Hindus/Hinduisten 813 - Chri stenund 1214 f. Hingabe/Selbsthingabe 211,214, 518,532, 826,967 - an das Evangelium 501 - an den Nächsten 654 - an Jesus Christus 400 - an Maria 273 - der Eheleute 442 - der neuen Seligen 457 f. - des Lebens 509 - des Menschen an Gott 37,123, 519 -in der Liebe 101,151 - Jesu Christi 9, 126 f., 433 Hirt(en) 96,110,329 -Aufgabe der 958, 960 - der Gute 60, 238, 265, 289 f„ 340, 396, 429, 457, 508 f. - der orientalischen Kirchen 752 - des kuban. Volkes 237 - Gebet des 780 - H.sorge des Nachfolger Petri 834 Hirtenamt(es) - Aufgaben des bischöfl. u. priester-lichen 288 Hirtendienst 778 f. Hirtenwort - Menschenwürde u. Menschenrechte 379 Historizismus 697, 722 Hochschule(n) siehe auch: Universität -Hochschulseelsorge 505-508 - theolog. Fakultät in den 336 Hoffnung 21, 42, 116, 162-164, 194, 209, 393, 417, 438, 465, 1214 f„ 1225 - auf das Heil 552 - auf die Ankunft des Reiches Gottes 175-177 - auf eine bessere Zukunft 201 f. - Botschaft der 164,176 - christliche 157, 162 f., 576 f., 584, 863 - des Volkes Israel 162 f. - eschatologische 552 - Evangelium der 14, 630 - Jesus ist unsere 163, 494 - Licht der 435 - Loreto als Haus der 21 - Tugend der 22, 162 f., 647, 758 -Wert der 407 f. -Wortder 435 f. - Zeichen der 166-172, 553 - Zeugen der 22 - Zeugnis der 628 Homilie 585,1131 Hospiz(es) - Caritas Socialis Hospiz Rennweg in Wien 310-315 - H.bewegung 311 Humanismus 445 -atheistischer 691 - christlicher 927 Humanwissenschaft(en) 703 - Erkenntnis der 394-398 - Fortschritt der H. im Licht der christl. Offenbarung 397 Hunger 763 - und Durst nach Gott 832 Hymnus - liturgischer 476 Identität(s) - als Erwachsener 651 f. - charismatische 645 -christliche 215,579 - der Familie 963 -der Völker 335 f„ 373 - des Hl. Geistes 85 - I.krise 208 -I.verlust 214,949 -katholische 617, 1039 -kubanische 220,241,915 1280 REGISTER - monastische 645 f. - persönliche u. unersetzbare 641 Ideologie(n) 166 fl, 377 f. - des Marxismus 13 -totalitäre 143,451 Immanuel/Emmanuel 188, 194, 255 Immigration 763 Individuum 431,506 Industrieland(-länder) 762 - Reichtum der 763 Initiation - Sakramente der christlichen 139, 384 Inkarnation siehe auch: Menschwerdung - des Wortes 451 Inkulturation(s) 504,710 - des Evangeliums 267, 270,784, 952 - des Glaubens 239, 707-709, 950 - des Wortes Gottes 741 -I.prozess 267, 736 f. Inquisition 815-818 Inspiration - des Hl. Geistes 529 - des Künstlers 135 Institut(s/e) - der Missionarinnen von der Unbefleckten Empfängnis 36 - des geweihten Lebens 840 - Instituto Profamilia 329 - Internationales Theolog. I. für Studien zu Ehe u. Familie 298 Institution(en) 109, 208 f. -Eheals 790f. -Familie als 203,205 Instruktion - Sacra Congregatio Episcoporum et Regularium (1889) 537 - über Abwicklung der Eheprozesse 397 Integration 755, 834 intellectus fidei 687 f., 704 fl, 719, 728 fl Intellekt 430 Intellektuelle(r) - Heranbildung katholischer 964 Internationale Gemeinschaft 54, 271, 353,359, 361, 373 fl Intemationaler(n) Strafgerichtshof(s) - Errichtung eines 84 Intoleranz 435 Irrtum (Irrtümer) 182 - Korrektur eventueller 695 - philosophischer Lehren 700 Islam 252 Isolation - Kubas 233, 248 Israel(s) - Auszug 492 - Bund Gottes mit dem Volk 162 fl, 258 - das irdische Reich 842 -desAT 926 - ein Volk von Hirten 508 - Erwartung 187, 473 - Frieden zwischen I. und Palästinensern 61 - Geschichte 67 - Glaube 66 fl, 669-673 - Pilgerweg 1174-1177 Jahr - akademisches J. der kirchl. Universitäten 793-795 - des Hl. Geistes 6, 10 fl, 19, 21, 29, 66, 95,135, 433, 438,455, 467 fl, 475,510,514,558 fl, 611, 615 fl, 644, 647 - ein J. der Gnade des Herrn 994-998 - ein neues 365-368 - Vorbereitungsj. auf das Große Jubiläum 433, 438, 467 fl, 475, 510, 514, 558 fl, 644, 647 1281 REGISTER Jahrestag - 20. J. der Papstwahl 773-776, 778-781 - 50. J. der Allg. Erklärung der Menschenrechte 866-868 Jerusalem 368-370, 376 - das neue/himmlische 104, 516-519 - Tempel von 398 - und Rom 637-639 Jesus(Jesu) Christus(Christi) 24, 37, 113, 121, 150, 204, 748, 829, 893, 1012 f. - als Beispiel der Solidarität Gottes mit den Menschen 757 - als Gottessohn 36 f., 58, 78, 136, 299, 384, 665 - als Menschensohn 17, 58, 136 - als messianischer Retter/Messias 8, 77, 139 f., 163, 299 f., 384, 880 - als Mittelpunkt des Universums 56, 90, 136 - als Sinn/Ziel der Geschichte 120, 136, 169 - als Urheber u. Vollender des Glaubens 759 f. - als Weggefährte 125 - Auferstehung/nach der Auferstehung 49, 99,158, 369, 468 f„ 573 - Aufforderung Chr. zur Einheit 887 - Begegnung mit 213,459,470,555, 560 f„ 680 -Blut 48 - Botschaft/Frohb. 231, 244, 500 - bricht mit Traditionen 25 - Darstellung J. im Tempel 180 f. - das fleischgewordene Wort 93, 665 f„ 843 - der einzige Mittler zwischen Gott u. den Menschen 17 f., 131,184, 306 f„ 775 - der Gute Hirt 238, 265, 429, 509 - der Name , Jesus“ 16 f. - der universale Erlöser der Menschen 13, 16-18,33,44, 77, 120,131, 169 f., 213,227, 859, 863 - die Sonne der Gerechtigkeit 764 - einziges Lehramt 306 - endgültige Wiederkunft 53-56 - Erdenleben 8, 77, 523 -Erhöhung 185 - Erlösungsauftrag/-werk 17,55 -Evangelisierungstätigkeit 78 - Frage J. Chr. an seine Jünger 299 - Freundschaft 207,213 -Gebet 78,421 - Geburt J. - Maß der Zeitrechnung 365 f., 845, 889 - Gegenwart Chr. in der Kirche 477, 579 f. - gegenwärtig in der Eucharistie 79, 469, 667 - Gehorsam J. gegenüber dem Vater 126, 433, 489-491 - Geschichte 150, 280 - Glaube an 36-38, 803-806 -Heilsweg 18,622 - Heilswerk/-wirken 19,33,55,665 - Hingabe (seines Lebens) 9,17, 126 f„ 433 - Hingabe an 400 - in der Wüste 28, 77 - ist das Alpha und Omega 18, 605 f. - ist das Lamm Gottes 7,48, 77 - ist das Licht der Welt 133, 172, 219, 368-370, 384, 398, 401, 417, 491, 577, 632, 665 - ist der Emmanuel (Gott-mit-uns) 255, 466 - ist der Erstgeborene der ganzen Schöpfung 492, 843 - ist der Gesalbte 485 f. - ist der neue Adam/Mensch 243 f., 384 f„ 491,883 - ist der Weg, die Wahrheit u. das Leben 113, 150, 213,219, 240, 348, 506, 658, 828 f., 842 f„ 1177 - ist derselbe gestern, heute u. in Ewigkeit 245,448 f., 454, 497, 760, 877 - ist die Auferstehung u. das Leben 150, 154 -ist die Tür 851 - ist Teil der Geschichte aller Nationen 258 - ist unser Frieden 24 - ist unsere Hoffnung 163,494 -Jünger 6, 24 f., 33-35, 87,104, 126, 134, 137, 146, 270, 299 f„ 349, 439, 636 1282 REGISTER -Königtum 5 f., 169, 841-844 - Kreuz (u. Auferstehung) 20, 119, 200, 220, 226 f„ 474 f„ 622 f„ 637, 644, 665, 765, 925 f. -Lehre 125,231 -Leib 51, 158 - Leiden/Sterben 8 f., 19, 22,44, 130, 405, 408.474, 490, 842 -Liebe 19,24,90,213,767,831, 876-878 - Liebe zu 29, 219, 883 - Menschwerdung 81, 434 f. -nachfolgen 150 f., 169, 201, 274, 299 f„ 915 - Offenbarung 8, 36 f„ 133, 384, 486, 665 -Opfer 8 f., 151 - öffentliches Auftreten 23-25, 384, 469 -Pilgerweg 1177-1179 - Priestertum 476,771 - Richter über Lebende u. Tote 779 -Salbung 139 -Sendung 5 f., 77, 93 f., 151, 486 f. - Sendungsauftrag J. an die Apostel 43 - sich Chr. öffnen 775 -Taufe 43 f., 76-79,485 -Tod 51,369,437,492 -Treue zu 144,333,457,517 - und die Kirche 18,107, 203,494 -und Hl. Geist 29,70 f., 81-83, 93, 126, 139 f., 295,477, 511-516 -undMaria 58 - Vater - Sohn - Gemeinschaft 44, 78, 184 f. -Verheißung 126 - Vermächtnis 476 -Versprechen 154 - Vollmacht 56, 637 -Vorwurf 136 - wahrer Mensch u. wahrer Gott 6, 17, 123 -Wahrheit 94, 166f. -Warten auf 881 -Wunder 822,831 -Zeugnis für Chr. ablegen 156, 214, 499, 515 Jubeljahr(s) siehe auch: Hl. Jahr u. Jubiläum -2000 3,7,23,36,51,66,139, 412 f„ 453, 775, 813, 845-861, 901 f„ 960 f„ 992, 995, 1010, 1069, 1187 - als Heiliges Jahr 410-413 - B otschaft des 411 f. - eine Zeit der Gnade 411 - erstes J. der Geschichte (1300) 849 -Großes 419,440, 507, 558 f. - ökumenischer Charakter des 848 - Pilger des 390 f., 393 - Vorbereitung(-sjahre) auf das 413 f., 514, 847, 865,1069 - Zentralkomitee für das 410-413 Jubiläum siehe auch: Hl. Jahr u. Jubeljahr - das Große 3 f„ 10, 26, 106, 112, 120, 134, 156, 173, 179, 184, 189, 234, 245, 263, 390 f., 407, 413-416, 425 f„ 429, 433, 438,441, 444, 467 f„ 475, 510, 514, 615 f., 624 f„ 635, 639, 644, 647, 787, 813, 845-861, 893-896, 905,961, 995,1010, 1075 - der Jugendlichen des Jahres 2000 43 -Eröffnung des 3. Vorbereitungsjahres zum 861-864 - Rom und das 390 f. Juden - Christen und 1231-1239 - Dialog mit den 171 -J.christen 105 -und Heiden 104 - und Katholiken 236, 463 f. - Verfolgung der 1231-1239 Jünger 126, 146, 349 - als Zeugen Jesu 34 f. - Antwort Jesu an die 34 f. - Auftrag Christi an die 25, 34 f., 636 - Berufung der 25 - die im Abendmahlssaal versammelten 82 f. - Frage der J. an Jesus 33 - Fußwaschung der 17 - Glaubensbekenntnis der 37 1283 REGISTER -Jesu Christi 6, 104, 134, 137, 270, 299 f. - Sendung der J. durch J. Chr. 439 - Verantwortung der 34 f. - Versprechen Jesu an die 87 - Vollmacht der J. zur Sündenvergebung 99 Jugend 143, 1251 - als Boten der Neuevangelisierung 212 - Bildung der 257 - Erziehung der 257, 792, 798, 997 f. -istZukunft 216 - J.katechese 965 - Kirche und 632, 964 -Kubas 213,218 - Nigerias 267 - Treffen der römischen 440 f. -Welttag der 43,464-473 Jugendliche(n) 89, 131 f., 204, 289, 302, 320, 348, 363, 402 f„ 474, 802, 895, 902, 911, 922, 946, 986,1069, 1251 - als Zeugen 46, 963 -Aufgabeder 471 - Ausbildung der 244, 301 - Berufung der 472 - Dialog mit den 964 f. - geistl. Begleiter der 472 - Hoffnung der Kirche 213, 631 f., 963 -in Kuba 13,207-212,216 -inPolen 810 - italienische 45 f. -Roms 386,464-467 - sind die Zukunft der Kirche 331 - Sozialisierung der 791 - Verkünder des Evangeliums 46 - Welttag der J. (Denver) 464-473, 1069 Jugendseelsorge 216, 345, 907, 911, 932, 946, 965, 985 f„ 992, 1033 Jungfräulichkeit 277 - Marias 62 Jurist(en) - Verband der Ital. Katholischen 871-873 Kampf - den guten K. kämpfen 326, 340, 350 - des Glaubens 29 f. - für die Menschenrechte 867 - gegen Drogen 80 -Jesu mit dem Satan 77 - um das Dasein 642 - um das ungeborene Leben 380 - zwischen Evangelium u. Antievangelium 144 - zwischen Gut u. Böse 173 Kapitol - als Wahrzeichen der Geschichte Roms 387-391 Kardin al (s/Kardinäle) - als Ältere im Mysterium Christi 424,428 - Aufruf an die 426 - Dienst der 424-427 - Gedenkmesse für verstorbene 824-826 - Kardinalskollegium 26,424-429 - Kardinalsring 428 - nigerianischer 254 - Sendung der 426, 429 - und der Bischof v. Rom 424-429 - Verantwortung der 428 f. - zwanzig neue 11, 26, 424-429,441 Karfreitag 48,489 Karsamstag 48 Karwoche - Liturgie der 47 f. Katakomben - als Zeugnis christl. Lebens 392 f. - Bedeutung der K. für das Hl. Jahr 391-393 Katechese 593, 730, 753, 901 f., 932, 945, 997 f., 1020 f„ 1038 f„ 1131 f. - Erneuerung der 1038 f. - K.zyklus 184 - Kinder-und Jugendk. 965 - Pfarrgemeinde als Mittelpunkt der 991 f. 1284 REGISTER Katechet(en)/Katechist(en) 514, 922, 981 f., 985 f., 997, 1002 f. - Berufung der 347 Katechismus - der Katholischen Kirche 100 f., 110, 112, 125,146-148, 164, 395, 480, 591, 617, 927, 965, 992,1032 Kathedrale - Mausoleum umgebaut zur 143 - Metropolitan!:, von Havanna 237 Katholik(en) 629 - chinesische 374 - gelebter Glauben der 1053-1059 - im politischen Leben 1058 f. - Juden und 236, 463 f. - Kubas 240 -Lutheranerund 91, 1245-1249 -Nigerias 256 - orientalische 370 f. - Sendung der 629 - und Muslime 420 f. - und Orthodoxe 636 Katholikentag(e) - Deutscher 628-633 - Geschichte der 629 Katholische Aktion - Italiens 179, 273, 651-653, 874 f. - Polens 964 Katholische Jugendvereinigung - in Polen 964 Katholizismus - Brescias 325 - Zeugnis des 629 Katholizität 743,751 - der Kirche 428 Kerze(n) - Bedeutung der geweihten 399 - brennende K. als wegweisendes Licht 398-401 - für Sterbende/Tote 399 f. Keuschheit 484 - Vorbild der 277 Kind(es/er) 7, 131 f., 183, 204, 253, 374, 791,996 - als Verheißung von Zukunft u. Leben 195 - Erziehung der 798, 906, 997 f. - Frühling der Kirche u. der Gesellschaft 189 - Gewalt gegenüber 362 - ist ein Geschenk 7,75, 550, 884 - K.katechese/-pastoral 965 - religiöse Lebensgeschichte des 496 - Tötung ungeborener 379-384 - Trennung der K. von den Familien 204 Kinder Gottes 79,100,123,151, 163, 214, 232, 366, 434,470, 613, 641 - Einheit der Familie der 708 -Freiheit der 214, 480 f. - Himmel als wahre Heimat der 824 f. Kindermissionswerk -Päpstliches 619 Kirche(n) 12-15, 39, 86, 101, 107, 155, 175 f., 200-202, 241, 324, 453, 481, 528-531, 580, 617, 632, 649, 784, 805, 832, 853, 915, 926, 956, 1015-1017, - als das Pilgervolk auf Erden 584, 759 - als die Braut 853 - als Gemeinschaft/Communio 86, 394 f„ 407, 460, 539 f., 936-943, 938, 1015 - als Haus/Familie Gottes 884 - als hierarchisch geordnete Gesellschaft 771 f„ 869 - als Hüterin der Wahrheit 451, 658, 661,1057 - als Mutter u. Lehrmeisterin 221, 434 - als Mysterium 743, 938 f., 989 f., 1015 f. - als mystischer Leib Christi 97-99, 104,213,229, 295, 394 f. - als Sakrament (der Einheit) 18, 110f„ 849, 1016 - als Träger der Ausbildung der Ständigen Diakone 1097 f. - als Volk der Armen 796 1285 REGISTER - als Volk des Neuen Bundes 399, 915 - als Vorwegnahme des Reiches Gottes 169 - anderer 649 - Apostel als Fundament der 498 - Aufgabe der 256, 333, 499 - Aufruf der K. zum Dialog 982 f. - Auftrag der 222 f., 242 f„ 912 - Berufung der 395, 511 - Charismen der 109 - Demokratisierung der 941 - Dialog (des Heils) in der 304-310, 937 f. - Dialog zwischen K. u. Kulturen 710 - Dienst der 241, 245, 435, 454 f. -Einheit der 23, 51, 95, 98,104, 109, 340,427, 470 f„ 538 f„ 583, 942 f„ 955 f„ 980, 1222 - Entstehung der K. (Geburt der K.) 86, 93,97, 181 - erhält Vollmacht Jesu 94 - Erkenntnis der 136 - Erneuerung der 977-984 - Errichtung neuer 183 - erzieherische Engagament der 800, 1036 - Europäische 419-421 - Evangelisierungsauftrag der 71, 221 f„ 245, 966,1068 f. - Freiheit der 222, 626 - Gebet der 780 - Gegenwart Christi in der 477 - Gemeinschaft mit der 859 - Geschichte der 34, 41, 300, 523, 771, 785, 816, 855, 862 - gibt Zeugnis von Christus 222 f. -Glaubeder 699,10241 - Glaubwürdigkeit der 240, 312 f. -griechisch-katholische 370-372 - Herausforderungen an die 505 f., 533 - Hilfe der K. für Bedürftige 435 f. -Hl. Geistund 71,86,93 1,97 104, 108, 114, 136, 478,559 - Jesus Christus und die 18, 107, 222 f 494 -junge’ 618, 784, 839 1 - Katholische 90,105 1, 141, 217, 252, 377 1, 649 - katholische Ostk. 370-372, 742-746, 750-754 - katholische u. apostolische 639 - Katholizität der 414, 428 - Laien und 104-1047 - Lebensstände in der 773 - lebt durch die Eucharistie 176, 488, 939 - Lehre/Lehramt der 163, 204, 381, 397, 525 1, 547, 617, 693-704, 817 - Maria und 823 - Mensch ist Weg der 222, 241-243, 313,630, 640, 960 - Menschheit und 34 - missionarische Bemühungen der 34, 231, 258, 345, 618, 838-841, 846, 1133 - orientalische 6, 750-754 - Ort der Vergebung 221 - orthodoxe 92, 105 f., 639 -Ostk. 141,1018 - öffentliche Berufung durch die 1102 - petrinisches u. marianisches Profil der 414 f. -Pflichtder 215,805,834 - Präsenz der K. unter den Völkern 887 - Prüfungen der 304 - Rangordnung von Stellungen in der 109 - religiöse u. kulturelle Wurzeln der 343 - richterl. Gewalt in der 394 f. - Sendung der Christen in der 139 - Soziallehre der 14, 222 f., 232, 244, 293, 503 f„ 912, 916, 951 f., 958, 988, 1037 f. - Spaltungen innerhalb der 10 - Tradition(en) der 147 f., 209, 479, 802 - Treue zur 144, 532 - und der alte Mensch 818-821 - und Familie 962 - und Film 837 - und Gesellschaft 216 f., 222, 381, 915, 957 f„ 990 1286 REGISTER - und internationale Beziehungen 626 f. -undJugend 216,331,632,964 -und Kultur 216-220,334-337, 925 f., 971 f. - und Migrantion 756 - und nichtchristliche Religionen 18, 129, 131, 171 - und Philosophie 700-704 -und Staat 380,383,915,993 - und Welt 113,498, 900 f., 925 f., 1015-1017 - und Wissenschaft 334-337 - universale Sendung der 5 f., 76, 114, 222 f„ 242 f„ 306 f„ 347, 414, 471, 513, 522,783, 938, 961 f., 1020 - Universalität der 86, 425 - Überheferung der 159 - Verantwortung der 383 - Verfolgungen der 371 - Verkündigung der „guten Nachricht“ durch die 40,90,94,256,451,658 - verteidigt Freiheit 966 - von der K. anerkannte Bewegungen 560 - Wachstum der 225 - Weg/Pilgerweg der 57, 201, 383, 493,647, 1180-1184 - Wesen der 394 f., 554-557, 582 f. - Zeichen der Hoffnung in der 170-172 - Zukunft der 143 Kirchenjahr 606-609 Kirchenlehrer 97, 480 f., 487 - Thomas v. Aquin 688-691, 714 f. Kirchenrecht 530, 1070-1074 Kirchenväter 97, 113, 133, 371, 445, 488,576, 1181 - beschreiben Gaben des Hl. Geistes 479 f. - des Ostens u. Abendlandes 686 f. - Dialog zwischen K. u. Philosophen 683 f. - katechetische Methode der 753 -Lehre der 129,163 -Lesung der 1068 - über die Firmung 147 -Verkündigungder 603 Kirchlichkeit - Kriterien der 561, 617 Klerus 928 - der Diözese Rom 438-441 - Kongregation für den K. (Vollversammlung) 770-773 - Kubas 14 - Prüfungen des 304 Kloster (Klöster) 445 - „Neukloster“ 444, 447 - als Zeichen der Gemeinschaft 446 - Gastfreundschaft in den 446 - Klausurk. 166 - olivetanische 644 Königtum J. Chr. 5 f., 169 - in verschiedenen Kulturen 841-844 Kolleg - Päpstliches Rumänisches 370-372 Kollekte -Jerusalemk. 810 Komitee - gemeinsames K. des Rates der Eu-rop. Bischofskonferenzen u. der Konferenz der Europ. Kirchen 419-421 - Internationales Kath.-Jüd. Verbin-dungsk. 463 f. Kommission - lOjähriges Bestehen der K. Ecclesia Dei 803-806 - Interdikasteriale 397 - Päpstl. K. für die Religiösen Beziehungen zu den Juden 1231-1239 - Päpstl. K. für sakrale Archäologie (Vollversammlung) 391-393 Kommunikation 167,525 - mediale 553 - mitbrüderliche 460 Kommunikationsmittel 967 - als der neue Areopag der Welt 553 - Aufgabe der sozialen 973-975 - Botschaft zum 32. Welttag der 552-554 - moderne soziale 245, 527, 553, 736, 740, 992 1287 REGISTER Kommunion - K.empfang 588 Kommunismus 142, 340,457 Kommunistisches Manifest - von Marx u. Engels 629 Konferenz - der Europ. Kirchen 419-421 -Internationale K.: Die Kirche u. der alte Mensch 818-821 -Internationale K.: Women's Health Issues 421-424 -IV. Weltfrauenk. in Peking (1995) 422 - zur Errichtung eines Internat. Strafgerichtshofs 84 Konfession(en) - Dialog zwischen den 908 - verschiedene christliche 234, 419 f„ 923 Konflikte) 650 - K.lösung 250 f„ 259 Kongregation(en) 762 - als Abbild der Apostelgemeinschaft 533 -Frauenk. 276 - K. der frommen Arbeiter 301 - K. der Kleinen Schwestern der Vorsehung 277 - K. der Kleinen Werke der Göttlichen Vorsehung 531-534 - K. der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria (OMI) 736-738 - K. der Olivetaner 643-646 - K. der Societä San Paolo 524-527 - K. für das Kath. Bildungswesen (Vollversammlung) 799-803, 1083-1089, 1090-1120 - K. für den Klerus (Vollversammlung) 770-773, 1083-1089 - K. für die Bischöfe 454-456 - K. für die Evangelisierung der Völker (Vollversammlung) 838-841 - K. für die Glaubenslehre (Professio fidei) 1203-1213, 1216-1224 - K. für die Oriental. Kirchen 750-754 Kongress(es) - 46. Internat. Eucharistischer K. der Weltkirche 955 - Europa-K. des Päpstl. Rates für die Familie 789-793 - Europäischer K. der Universitätsseelsorge 505-508 - Internat. K.: 20 Jahre päpstl. Diplomatie unter Johannes Paul n. 833-835 - Nationalk. der ital. Diözesen 875 - Thema des K.: Bischöfl. Amt in Europa heute 454 f. - Weltk. derkirchl. Bewegungen 554-557 - Weltk. über die Menschenrechte 640-643 Konsistorium - öffentliches 424-427 Konstitution(en) - Olivetanische 645 - Sacrae disciplinae leges 396 Konsumgesellschaft 204, 208, 782 Konsumismus 243, 963 Kontemplation 94 f., 445, 602, 644, 655, 929, 947 Kontinent(e) - afrikanischer 251, 258 - asiatischer 53 f., 57 Konzept -ethisches 218 Konzil(s/Konzlien) -4. Provinzialk. der griech.-kath. Kirche in Rumänien 372 - Ökumenische 806 - verschiedene Formen der 536 f. - von Ephesus 431 59 - von Florenz 746 - von Trient 147 Konzilsväter - des Ersten Vat. Konzils 663 f. - des Zweiten Vat. Konzils 664 Korruption 253, 762, 944, 949 Kosmos - nach göttl. Plan erlöst 118 f. 1288 REGISTER Kranke(n) 21,89,225-229,321, 407 f„ 449-452, 594, 923, 1063 f. - 6. Welttag der 19-22 - als Zeugen des Glaubens u. der Hoffnung 22 - Beistand für die 409 - Berufung der 226 f. - Betreuung 451 - Botschaft an die 310-315 - Dienst an 408, 747-749 - in den K. den Herrn erkennen 748 - Teilnahme der K. an den Leiden Christi 226 f. Krankendienst - Pastoral im 19 f., 228, 449-452 Krankenhaus(-häusem) 225, 228 - Dienst in 89, 225 f. Krankenpflegepersonal 226, 310-315,408,449-452 - als Diener des Lebens 821 - Ordensschwestern als 747-749 Krankensalbung - Sakrament der 314, 509, 1064, 1137 f. Krankheit(en) 310-315,407, 449-452, 748 -unheilbare 312 Kreativität 749 Krebsforschung - Nationaler Tag der 161 f. Kredit(e) 362,868-871 Kreuz(es) 655 - als Baum des Lebens 48,464-467, 883 - Annahme des 466 f. - Botschaft vom 465, 474 f., 765 - Christi 20, 200, 220, 226 f„ 474 f„ 765, 925 f. - der Weltjugendtage 43, 45 f., 464-467,474 f. - des Hl. Jahres 440 f. - Geheimnis des 465 f., 674 f., 768 - im K. ist Heil u. Hoffnung 302, 489-491 - Krippe und 145 -Missionsk. 863,881 - rote K. vom Hl. Land 776 - Verehrung des 48, 776 Kreuzesopfer 24, 82,181,486, 489 Kreuzestod - des Erlösers/J. Chr. 338, 674 - Erlösung durch 42 Kreuzigung 825 f. Kreuzweg 437, 489-491 Krieg(s/e) 186, 650, 762, 1252 - im Kosovo 353 - K.verbrechen 892 - Opfer der 5, 124, 157, 641, 1252 Kriminalität - organisierte 374 Krise(n) - K.herde auf dieser Welt 375 - neue geistige 1076-1078 Künstler - Inspiration des 135 Kultur(en) 216 f„ 335, 788, 794, 856 - Achtung ortsansässiger 374 -afrikanische 261 - B egegnung mitden 707-711 - christlich geprägte 13 f., 810-812 -derLiebe 231,788 - der Menschen 740-742 - der Solidarität 138 -derWahrheit 917 - des Friedens 495 f. - des Lebens 15, 89, 231, 294, 345, 631,653,792, 942, 1061, 1063, 1077, 1172 - des Teilens 602 f. -desTodes 551,631,653,792,821, 958, 1062, 1077, 1172 - des Vergänglichen 466 - Dienst an der 968-977 - eine Nation/Volk u. seine/ihre 216 f„ 335 f. - Ersatzk. 508 - europäische 284, 292, 649 - Ev angelisierung der 217 - Evangelium und 134 f., 336 -Glaubeund 14, 812f„ 1011, 1023, 1057 f. -humanistische 135 1289 REGISTER - im Abendland 445 - K.en des Abendlandes 659 - Kirche und 216-220, 334-337, 710, 925 f., 971 f. - Königtum J. Chr. in verschiedenen 841-844 - Krise moralischer 1054 f. - kubanische 13, 217, 219 f., 241 -polnische 811 f. - Seele einer 217 - und Wissenschaft 334-337, 970 f. - untergegangene 669 f. - Verschiedenheit/Vielfalt der 54, 359, 758 - Weisheitsgut verschiedener 134 Kulturdialog 172, 1079 -in Kuba 219 Kulturinstitut(es) - für Leibeserziehung 202-206 Kunst 135 - europäische 292 - zisterziensische 445 Kurie, Römische siehe: Römische Kurie Laie(n) 239, 266, 288, 329, 555, 593, 630, 737,912, 916, 922, 933 f„ 982, 1041-1047, 1067 - Aufgabe der 240, 347 - Beitrag der L. zum Werk der Evangelisierung 761, 951 - Berufung gläubiger 170,176,244, 928, 951, 1041-1047 - Bildung der 985 f., 991 - christl. erwachsener 651 f. - Dienst der 109, 287 f., 875 - geweiht lebende 16 - Glaubwürdigkeit der 631 -gläubige 343, 916, 1003, 1027 - im Leben u. in der Sendung der Kirche 1041-1047 - in der Gesellschaft 244, 631, 912, 951,958 - katholische 222 -L.apostolat 267,961 - Mitarbeit der 446, 1042-1044. - neue Lebensformen für 561 - Ordensleute und 532-534 - Päpstl. Rat für die 555, 558 - Sendung der 170, 874, 958, 961, 1041 f. - Spiritualität der 990 f., 1043 f. - Teilnahme der L. an der Liturgie 1043 f. - Theologie des 1042 f. - und Priester 265-269, 288, 903, 907, 927 f„ 934 f„ 950 f„ 1033, 1043 f. - Verantwortung der 951 f. -Würde der 1041 f. - Zeugnis der L. (in Ehe u. Familie) 958, 1045 Laienbewegungen - kirchliche 347, 557 Lamm Gottes 7, 48 Land(es/Länder) - afrikanische 41 - Asiens 521 - Auslandsschulden der ärmsten 3, 31, 138, 360 f„ 870 - der dritten Welt 749 -des Orients 710 - geschichtl. u. geographische Offenheit des Österreich. 316 - Gesetzmäßigkeit u. soz. Zusammenhalt in jedem 378 - von christl. Glauben geprägt 235 Landwirt(e) 161 Landwirtschaft - Entwicklung der 869 Leben(s) 144, 214, 311, 377, 412, 1060-1065 - Achtung vor dem 15 f., 166, 203, 250, 261, 422 f„ 452, 551 f., 906, 912, 935 - alltägliches 124 f., 214 - als Geschenk J. Chr. 150, 314, 1060-1065 - aus dem Glauben gestalten 35 f., 617, 760, 995, 999-1004 - Bedrohungen des/Angriff gegen das 15 f„ 450, 792 - Brot des 585, 625 -christliches 30, 125,141, 151, 393, 472, 517 f., 555, 564-566, 607, 610, 813, 905, 923, 946, 960, 1075-1080, 1181-1184 1290 REGISTER - der Seligen 457 - der Ständigen Diakone 1121-1164 -Dialog des 913 - Dienst für das 205, 328, 451 - Erdenl. Jesu 8, 77, 523 - eucharistisches 460 -Evangelium als inspirierender Mittelpunkt des 989-993 - Evangelium vom 150 f., 379-384, 818, 1078 -ewiges 71,153,157,163,185,188, 282,401,465, 577, 625,698 - Geheimnis des wahren 48, 466, 680 - geistliches/göttliches 45, 239, 445, 457, 472 - gesellschaftliches 244 - Gnade des sakramentalen 395 - gottgeweihtes 16, 101, 239, 295-297, 398-401, 512-514, 561, 760 f„ 838-841, 920,987, 1048-1052 - Heiligkeit des 927 - im Dienst der Kirche 500-502 -im Geist 151, 613 f. - in Fülle haben 209 -kontemplatives 40, 166 - Kultur des 15, 89, 231, 298, 345, 631, 653, 792, 942, 1061, 1063, 1077,1172 - L.gestaltung in Christus 1075-1080 -menschliches 25, 129, 244, 253, 261, 378-384,452, 890-893, 935, 942, 1251 f. - monastisches 444 f. - nach dem Tod 677 -neues 44,55,71,90,100,112,215, 295 313 447 512 - Opfer/Hingabe des 16 f., 148 f„ 151, 157, 509 - Ökumenismus des 419-421 - Päpstl. Akademie für das 430-433, 549-552 - priesterliches 265 -Prüfungendes 194,197 - Recht auf 333, 379, 383, 549-552, 962, 1064, 1077 - Schutz des 298, 379-384, 442-444, 962 - Sinn des 129, 132, 151, 164, 201 f„ 347, 387, 434, 511, 515, 661, 677, 963 - sittliches 570 - spirituelles 420 -Tag für das 15 f. - trinitarisches 82, 185 - und Sterben im Herrn 500-502 - und Tod 28, 49, 83, 154, 613 f„ 637, 647 - ungeborenes 379-384, 432, 551 - Verteidigung des 345, 380, 407, 422, 1062,1077 -Wert des 313, 506,788, 836, 911 - Zeugnis des L./Lebenszeugnis 265, 304, 327, 393, 460, 514 - zisterziensisches 739 Lebensbedingung(en) -menschenunwürdige 168 Lebensgemeinschaft(en) - und Partnerschaften 791 Lebenshauch - Gottes 66 f. Lebensplan(es) 214 Lebensprogramm(e) 128 Lebens weg(es) 115 - der Seligen u. Heiügen 257,302, 316 - letzte Etappe des 312 -Marias 310 Lehramt(es) - Aufgabe des 287 - der Kirche 397, 525 f„ 547, 617, 693-704, 817, 1207-1213 - des/der Bischöfe 546 f., 1011, 1025 f. - Dialog über das 417 - einzige L. Jesu Christi 306 - Lehre von der Unfehlbarkeit des 1208-1213 Lehre(n) 130, 800 - christliche 694 - der Hl. Schrift 159,331 - der Kirche 163, 204, 381, 442 - der Kirchenväter 129,163 - der Vat. Konzilien 667 f. 1291 REGISTER - des hl. Augustinus 676 - des hl. Benedikt 445 - des Konzils v. Trient (Firmung) 147 - des Thomas v. Aquin 688-691 - des Zweiten Vat. Konzils 343, 414, 960 f. - formell u. nicht formell geoffenbarte 1207-1213 - göttlichen u. katholischen Glaubens 1207- 1213 -Jesu 125,231 -katholische 32,396,1208-1213 - über das Sakrament der Firmung 147 - über den Hl. Geist 105 f., 163 -über Maria 107 - von Unfehlbarkeit u. Primat des Papstes 1211 - von der Unfehlbarkeit des Lehramtes 1208- 1213 Lehrer 109,132,347,514 - Aufgaben der 363 -Bischöfe als 1009-1013 - in der Gemeinde v. Antiochia (institutionelle Rolle) 108 -Religionsl. 109,348 Lehrling(e) 301 Lehrstuhl - für marianische Studien 823 Leib(es) - als Tempel des Hl. Geistes 155 - Auferstehung des überirdischen 157-160 -sterblicher 155,157 -und Seele 158,449-452 Leib(es) Christi 51 - Band vereint alle Glieder des mystischen 855 -Einheitdes 414 - Geheimnis des 93-99 - Gemeinschaft des ganzen 414 -Kircheals mystischer 98,104, 213, 229, 295 - verherrlichter 158 - verschiedene Glieder des einen 109 Leid(en/s) 15 f„ 164,198, 226, 300, 310-315, 452, 465 f„ 749, 768, 830 f„ 1063 f. - als Reifungs- u. Vollendungsprozess des Lebens 313,748 -Botschaftdes 768 - christl. Dimension des 228 - der Bevölkerung im Irak 186 - der Bevölkerung in Mittelafrika 376 - des jüdischen Volkes 45 3 - Evangelium vom 89, 311 - Geheimnis des 474 - Heilsweg des 408 - im Glauben annehmen 20 - Jesu Christi 8 f., 19, 22, 44,130, 405, 408, 474,490, 842 - körperl, und geistiges 404 f. - menschliches 281, 490 - seelisches 227 f. - Sinn des 22,450 - Wert/Heilswert des 19 f., 405 Leidender(e) 225-229, 832 - Berufung der 226 f. - Liebe J. Chr. zu den 19 - Teilnahme der L. an den Leiden Christi 226 f. -Würdeder 313 Leidensgeschichte/-weg - Jesu Christi 48, 489 Lektor 109 Liberalismus - kapitalistischer Neol. 230 Licht(es) - Bedeutung des L. für Sterbende/Tote 399 f. - Christus ist das 133, 172, 219, 368-370, 384, 398,401, 417,491, 577, 632, 665 - das die Heiden erleuchtet 398-401 - der ewigen Herrlichkeit/das ewige L. leuchte ihm 114 f., 400 - der Hoffnung 435 - der Liebe 169 - der Wahrheit 13 3 f., 169 - des Evangeliums 426 - des Glaubens 285, 468 1292 REGISTER - Reich des 400 - und Finsternis 47-49, 368-370, 434, 632 - von Betlehem 892 - von Ostern 169 - wegweisendes 398-401 Liebe 128,133, 142, 340,445, 518, 674, 955, 1113 f., 1197 - als größte Gabe 109 - barmherzige 748 f. - bis zur vollständigen Selbsthingabe 101, 151 - Bund der 74 - der drei göttlichen Personen 100 - Dialog der 234, 761 -eheliche 203, 443 f., 1061 - Einheit in der 395-398 - Geheimnis der 81 f., 128,462,474 - Gesetz der 876-878 -Gottist 794,831 -Gottes 13,24,53,74,81,116,125, 162, 195, 281 f„ 318, 437, 533, 749, 830 f., 912, 1020 f. - im Hohenlied 211 f. - ist das Herz des mystischen Leibes Christi 98 -Jesu Christi 90,214,767,876,955 -Kulturder 231,788 -Licht der 169 - Pädagogik der 804 -und Wahrheit 381-384, 767 f„ 881 - Zeugnis selbstloser 41,347 - Zivilisation der 84, 168, 220, 228, 233, 322, 324, 391, 514, 655, 1063 - zu Christus 29, 219, 324 - zu den Notleidenden 435 -zu Gott 257,324,458, - zum Menschen 324, 389 f. Liebesgebot(es) 24, 84, 127, 168 f., 487, 517 f„ 522, 602, 832 Liturgie 120, 371,459 f., 901, 1065-1070, 1076 - alte 806 - an Allerheiligen 156 -byzantinische 112 - Chrisam-L. 485 - der Abendmahlsmesse 487-489 - der Karwoche 47 f. - der Ostemacht 491 - des Aschermittwochs 436-438 - des Neujahrtages 365-368 - des Palmsonntags 473-475 -Diakonie der 1133-1138 - Geheimnis der 1067 f. -L.reform 445,805,1001,1066- 1070 - Stundenl. 577 - Teilnahme der Laien/Getauften an der 1043 f., 1067 f. - und Evangelisierungsauftrag der Kirche 1068 f. Lobpreis - Gottes 520 f., 587 Lutheraner - und Katholiken 91,1245-1249 Lutherische Weltbund 90 Macht 253, 309 - göttliche 55 - J. Chr. Sünden zu vergeben 637 Märtyrer 144, 188, 338, 447, 456 f„ 517,590,947,979,1055 f. - als Zeugen eines klaren, festen Glaubens 393 - Gedächtnis der 857 -Katakomben Gräber der ersten 393 - M.tod 277,521 - neue 393 -Opfer der 339 - polnische 967 - Zeugnis der (Proto-)M. 40 f., 680, 857 Magier 5 f. Manipulation - des Genoms 431 - des Menschen 431 Mann (Männer) - Frau und 32, 203,442-444 - Gottes 257 - tiefer Spiritualität 276 Maria(s) 14, 76, 172, 221, 298, 310, 385, 429,735, 882 - als Frau des Gebets 180 - als Heil der Kranken 404-410,749 1293 REGISTER -als Lehrerin 132 - als Magd des Herrn 406 - als Mutter Gottes/Theotökos 58-60, 178, 180, 187, 349, 353, 367, 822 f., 857 -als neue Eva 173,181 - als Vorbild/Leitbild 32, 38, 61-64, 178, 180,212,221,414,611 - Anwesenheit unter dem Kreuz 180 - Christus und 58 -Folgsamkeit 180,449,562 -Fürbitte/Fürsprache 4, 8, 21 f., 157, 188, 279, 322, 353, 367 - Gebet an 223 f. - Gehorsam 41, 262 - geht uns auf dem irdischen Pilgerweg voraus 115, 125,490, 646 f. - Glaube/Glaubensantwort 37, 58 f., 63,181, 303,490, 646-648, 735 - Hingabe an 273 - Hl. Geist und (vom Hl. Geist geleitet) ? 172, 179-182 - inmitten der Urgemeinde 57 - ist die Erste unter den Erlösten 822 f. -Jungfrau 3 f., 62, 188 -Königin des Friedens 4, 31, 121 - Königin des Rosenkranzes 152 -Lebensweg 310 -Lehre über 107 - Magnificat M.s 472 - mit Aposteln im Abendmahlssaal 111, 614 f. - mit der Sonne bekleidet 647 - Mutter aller Menschen 3 f., 35 f., 59 f., 181,490 - Mutter der Barmherzigkeit 42 - Mutter der Kirche 7, 16,107, 181, 406, 472 f„ 562, 858 -Mutterschaft 58-60,62,180 -mütterliche Fürsorge 21, 115, 255 - mütterlicher Schutz 12, 26, 290, 303, 448, 496, 646 - Rolle M.s in der Heilsgeschichte 406, 822 -Sendung 181 - Stern der Neuevangelisierung 240, 441, 619, 952 - Teilhabe M.s am Werk des Erlösers 19,115,310 - Trösterin der Betrübten 404-410 -und Elisabet 116 - und Kirche 823 - und Priester 484, 486 - Unsere Lb. Frau von Lourdes 19 - unter dem Kreuz Jesu 19, 229, 490 - Vertrauen 212, 276 - Virgen de la Caridad del Cobre 202, 206, 216, 233 f„ 240 - von Jasna Göra 968 Marienfest(e) - Fest der Aufnahme M. in den Himmel 114 f. - Fest der Gottesmutter Maria 3 f., 365 - Fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau u. Gottesmutter 178, 873 f. Marienheiligtum(-tümer) 274, 353, 1200 f. - Heiliges Haus von Loreto 19 -22, 404-410 - Madonna delle Grazie - Mutter der Gnade 322 - Marija Bistrica 142 f. - Unserer Lb. Frau v. der Insel Solin 142 f„ - Virgen de la Caridad del Cobre 222-225 Marien Verehrung 64 f., 152, 179, 274, 279, 322, 1200 f. - in den Ostkirchen 823 Mariologie 821-824 Martyrium(s) 102, 456 - der Apostel Petrus u. Paulus 91 f. - Zeugnis bis zum 146-148 Marxismus 698 - Ideologie des 13 Massaker 5 -im Kongo 124,161 - in Algerien u. Ruanda 10, 375 Massenmedien 167 - Bibelsprache und 740-742 - und Mission 525 Materialismus 214, 434 1294 REGISTER Medien 742, 973-975 - christliche M.schaffende 554 - göttl. Offenbarung und moderne 741 -Rolle der 755 Medikament(e) - schmerzstillende 313 Medizin 167,450 Mensch(en) 782, 880 - Ablehnung anderer 435 -Achtung vor jedem 89, 142, 340, 463, 818 - als Abbild Gottes 89, 118,122, 153, 203, 222, 344, 394 f„ 437,445, 453, 491-493, 522, 568, 598, 641 - als Bürger einer Gesellschaft 232 - als Geist u. Leib 158, 808 - als Geschöpf 28, 318, 506, 668 - als homo viator 1187 f. - als Kind/Adoptivkind Gottes 79, 100, 123, 151,163, 214, 232, 366 -als Objekt 232,378,451 -als Opfer 10,357 - als Quelle des Lebens 203 - als Subjekt geschaffen 122 - als vernunftbegabtes Wesen 394 f. - Auferstehung des 28, 99 - Auftrag an den M. die Erde zu unterwerfen 118,568 - Bedürfnis des 177, 832 -Berufungdes 28,117,122,130, 243, 522, 793,795 -deralte 818-821,1251 - der christliche 492 - der ganzheitl. u. gut gerüstete 800-802 - der heutige (moderner) 89, 500, 525, 782 - Dienst am 167, 201, 220, 242, 407, 409 - dies hominis 116 - eingebunden in verschiedene Traditionen 679 - Entwicklung des 222 - Erlösung des 25, 366 f. - Erschaffung des M. im Buch Genesis 491, 567 f. - erzogen zu Freiheit u. Verantwortung 218 - fähig seine Menschlichkeit zu verraten 377 f. - Fragen des 177, 227, 295, 312, 879 - Freiheit des 118, 126, 243, 767, 915 - ganzheitliche Förderung des 166 f., 245, - Geheimnis des 75, 217, 243 f., 491 f. - Gewissen des 125, 218 -Heimat des 195 -Herz des 21,24 - illegaler Transfer von 174 - ist Weg der Kirche 222, 243, 313, 630, 640, 960 -junge 514,1251 - Kirche und der alte 818-821 - kontemplative 211 -Kulturder 740-742 - lebt in Beziehung 672 f. - Leiden des 281, 490 - letztes Ziel des 717 f. - Liebe zum 324, 389 f. - M.sein 132,313 - Manipulation des 431 -neuer 384 f., 491 - ohne geistige Orientierung 434 - Persönlichkeit des 430-433 - Plan Gottes vom 126, 640 - Rechte jedes 5,132, 270, 762 - Scheitern des 671 - Sehnsüchte des 167,449-452, 675 f„ 890 - Selbsterkenntnis des 657-662 - Selbstverwirklichung des 232, 525, 659 -Sendung des 201 - Sexualität des 1045 f. - sucht nach Wahrheit 133, 678, 681 - Teilnahme des M. an der göttl. Natur 100 - Umwandlung der 56 - und Geist 100, 469 f„ 480 f. - und Gott/Schöpfer 24, 37, 48, 73, 85 f„ 94, 122 f., 126, 130, 153, 187, 216, 258, 306 f„ 399, 411, 436-438, 478, 480-482, 512, 516, 522, 568, 1295 REGISTER 570, 598, 675 f., 622 f„ 683, 757, 890, 961, 1019-1023 - und Schöpfung 119, 167 f., 216, 600, 809 -Verantwortung des einzelnen 253 - Verbrechen gegen 116 - Verfolgung der 253 - Versöhnung der M. untereinander 256 - Verstand/Vemunft des 37,125 -Wahrheit über den 123, 201, 231 f., 243, 367, 641, 669, 794,1060 -Weg des 670-672 - Weisheit des 674 -Wille des 37 - Wirtschaft!, u. soziale Bedingungen des 641 f. - Würde des 5, 132, 201, 204 f„ 243, 270, 284, 324, 335, 359, 378-384, 394 f„ 434, 443,450, 453, 494, 506, 600 f., 809, 833-836,912, 942, 1037, 1055 f., 1064 f„ 1077, 1251 f. Menschenbild - christliches 284 - in den Hl. Schriften 716 f. - universales 832 Menschengeschlecht(s) - Einheit u. Solidarität des ganzen 809 -Ursprung des 75 Menschenhandel 374 f. Menschenrecht(e) 23, 84, 203, 258 f., 872 f., 1172, 1249-1252 - Achtung vor den M. (jeder Person) 3, 5, 39 f. 250, 270, 359 - Allgemeine Erklärung der M. (50. Jahrestag) 3, 32, 358 f„ 640-643, 866-868, 1171 f. - Anerkennung der 222 - Aushöhlung der 866-868 - Förderung u. Schutz der 359 - Gewissensfreiheit als Fundament aller 232,873 - grundlegende 263, 333 -jeder Person 40 - Kampf für die 867 - Pastoral der 641-643 - Proklamation der 358 - Universalität u. Unteilbarkeit der 358 f. - Verletzung der 168, 358, 362, 641-643 Menschheit 3 f., 357, 470, 549 f. - Erlösung der 8 f., 822 - Erneuerung der 184 - Exodus der 492 - freiere u. solidarischere 80 - J. Chr. der Hirt der ganzen 509 - Maria, Mutter der 3 f. - Pilgerweg der 1187-1191 - und Kirche 34 - Wissensschatz der 793 -Zukunftder 59, 167 Menschheitsfamilie 253, 268, 353, 464, 767 - Ideal einer einzigen 168 - Schöpfung als Wohnstätte des Friedens für ganze 119 Menschheitsgeschichte 54, 113 - Hl. Geist lenkt die 117 - J. Chr. als Ziel der 136 - Verwirklichung des Heils in der 33 Menschlichkeit 5, 228 Menschwerdung 58, 133, 159 siehe auch: Inkarnation - Auferstehung als Vollendung der 82 -des Wortes 113 - Geheimnis der 19, 21, 59, 74 f., 120,173,178, 282, 404-406,489, 491 f„ 665 f„ 716, 809, 845 -Gottes 405, 888 f. - Heilsplan der 461 - Hl. Geist bei der 72-75 - Jesu Christi/Gottessohnes 81,413, 434 f„ 843 Messe(n) 96, 592 - Abendmahlsm.(Chrisamm.) 47, 485-487 - als Gedächtnisfeier 488 - als lebendige Vergegenwärtigung des Opfers 587 f. - Sonntagsm. 564, 581, 592 f. - Vorabendm. 592 1296 REGISTER Messias 8,43, 77,139 f., 299 f„ 384, 880 - Erwartung des 398,473 - Leiden des 474 Metaphysik 719 f., 756 Migranten 166 - 4. Weltkongress über Pastoral der M. u. Flüchtlinge 762-765 - Botschaft zum 84. Welttag für M. u. Flüchtlinge 755-759 - christliche 756 -irreguläre 764 Migration(s) 755-759 -M.problem 762-765 Mission(s/en) 131,618,783,785, 839 -ad gentes 781, 838, 840 - als Liebesdienst 439 - der Kirche/Gesamtkirche 231, 345, 759-761, 838-841, 910 f„ 967 -der Laien 1042 - diplomatische M. des Papstes u. des Hl. Stuhls 833 - Evangelisierungsarbeit der 262 -Familienm. 438 - M.land 629 - Massenmedien und 525 - missionar. Einsatz der Oriental. Kirchen 750-754 -neueM.sbereiche 736 -Stadtm. 31, 92, 174, 390,438-441, 466, 881, 885, 895 - Volksm. 222,324 -Weltm. 784 Missionar(e) 16, 149, 220, 258, 262, 285, 439, 526, 532 f„ 618,783 f„ 863, 895, 948 f„ 979 - als erste Verkünder des Evangeliums 40 - Heilige sind wahre 289 - in Schulen 458 - neue 840 Missionsbund -Päpstlicher 619 Missionsinstitut(e) - Initiative der M. (Entschuldung) 31 Missionskreuz 863 Missionswerk(e) -Päpstliche 618 f. - Päpstliches Kindermissionswerk 619 Missionszentrum - Salzburg als 286 f. Mitleid 228 Modeme/Modemismus 722 - Herausforderungen der 878 -Post-M. 724,827 Mönchtum 645 Molekularbiologie 430 Monophysitismus 98 Moralität - des wirtschaftl. u. finanziellen Aus-tauschs in Asien 374 Moraltheologie 706 f., 729 Musik 769 - Kirchenm. 592 Muslime 813 - Christen und 39 f., 253, 268, 270, 1225 f. - Katholiken und 420 f. Mut 194,342,361 - gegen den Strom zu schwimmen 329 - zu neuem Lebensstil 631 Mutterschaft 204,422 - Berufung zur 748 -Marias 58-60, 62,180 Mysterium siehe auch: Geheimnis - der Ehe 996 - der Epiphanie 370 - der Gemeinschaft 1017 -Ereignis u. Geheimnis 889 - Kirche als 938 f„ 989 f„ 1015 f. Mystizimus - ekklesiologischer 98 1297 REGISTER Nachfolge - auf dem Weg des Kreuzes 226 f., 464 - Aufruf zur 456-458, 796-799 - im Evangelium 215 - Jesu Christi 150 f„ 169, 201, 274, 299 f„ 447, 486, 501, 915, 966 - Ruf J. Chr. zur 208, 226 f„ 340, 400, 464-467, 636 Nacht -vonBetlehem 891 Nächstenliebe 126 f., 211, 259, 263, 277, 419, 439 f„ 496, 517, 602, 654, 966, 982, 1003 -brüderliche 231,412,533 -Diakonie der 1138 f. -Dialogder 417 - Dienst an der 968-977 - Evangelium der 965 -Pastoralder 1006 - Zeugnis gelebter 531-534 Nächster(en) 228 -Aufnahmedes 757 -Dienst am 201 f., 221, 226, 435, 456, 458, 487, 797 - Hingabe an den 654 Nahrung - für alle Menschen 869 f. Nation(en) - Achtung der Souveränität der verschiedenen 377 - arme/schwächere 360 f., 856 - Aufbau einer Familie der 3 f., 360 - chinesische 523 -Einheitder 414 - Europas 23 - hart geprüfte christl. 142 - italienische 895 -kubanische 200,206,216, - menschlichere Lebensbedingungen für eine 244 - nigerianische 250 f. -Pflichtjeder 333 -polnische 165 -undKultur 216f. - Ungleichheiten im Innern einer 361 - Verantwortliche der 363 - Vereinte N. siehe: UNO - Zivilisationsgrad einer 333 - Zusammenarbeit der 248, 626 Nationaler Tag - der Krebsforschung 161 f. - der Migrationen 166 Nationalsozialismus 142,301,340, 1235-1238 Natur 377 - Achtung der 336 - als Quelle der Spiritualität 1199 f. - der Frau 204 - N.begriff in der Theologie u. Philosophie 807-810 -N.recht 872 Naturalismus - ekklesiologischer 97 f. Naturkatastrophen 50, 160, 887, 944, 954 -Erdbeben 4,193-199 - Überschwemmungen 65 Naturwissenschaft(en) 671 f., 676 Naturwissenschaftler 734 f. Nestorianismus 98 Neuevangelisierung 94 f., 286, 288 f„ 303, 343, 350, 369,498, 533, 656, 732, 772,775, 875, 910, 929, 959-968, 996, 1007, 1077, 1132 - der Nationen des Pazifiks 949 - durch die Kirche 966 -Endzielder 760 - Europas 23 - Geist als Hauptkraft der 425 - Herausforderungen der 264 -Kubas 234 - Pfarrei als Mittelpunkt der 1021 -Polens 812 -Roms 389 - Rückkehr zu den Anfängen bei der 392 Nihilismus 692, 723 Nonne(n) - Beteiligung der N. an Verantwor-tungs- u. Gemeinschaftsstrukturen 738-740 1298 REGISTER Normen(s) - eingefügte Normen der Canonici 528-531 - ergänzende N. über Bischofskonferenzen 548 f. - Grundn. für Ausbildung der Ständigen Diakone 1090-1120 -moralische 214 - N.findung unter neuen Bedingungen 526 Not - Frauen in N.situationen 379-384 - materielle 204, 209 Novize(n) 239 Nuntiatur siehe: Apostolische Nuntiatur Obdachlose 895 Ökonomie 230 f. Ökosystem(s) - Gleichgewicht des 167 Ökumene 10. 52, 90, 234-236, 290, 416-421, 632, 639, 777, 928, 955 - geistliche Ö. des Gebets 52 - Modemisierungsprojekte für die 420 Ökumenischer Patriarchat - Konstantinopel 636 f. Ökumenismus 471, 887 - des Lebens u. des Gebets 419-421 -geistlicher 171 Offenbarung(s/en) 36-38,183, 667, 829, 1010 - Auslegung der O.quellen 727-729 - biblische 655 - christliche 158, 668 f., 715 - der Weisheit Gottes 663-669 - des Hl. Geistes im At 66-68 - des Hl. Geistes im NT 70-72 -des Johannes 496 f., 512, 516-519, 647 - des menschgewordenen Gottessohnes 36 f. - Gottes 66 f.. 74, 131,162 f., 529, 658, 664 f„ 671, 809, 1207-1213 - göttl. O. und moderne Medien 741 - Jesu Christus (als Messias) 8,77, 133, 384,486, 665 -Wesender 741 Ohnmacht - des Todes 282 Ontologismus 696 Opfer - der Märtyrer 339 - der neuen sozialen Krankheiten 407 - des Erdbebens 193, 197 -des Lebens 16,157 - des neuen Bundes 478 -Jesu Christi 81,151,490,588,925 - sinnloser Gewalt/der Kriege 5,10, 124, 157, 641,1252 - unschuldige 253 - von Straßenverkehrsunfällen 166 - wehrloser Menschen/Mensch als 10, 357 Optimismus 783 Orden(s) - Ausübung der Regierungsgewalt innerhalb des 738 - Charisma des olivetanischen 644 f. - Überleben des 519 Ordensfrauen 16 - als Zeugen der göttl. Liebe 266 - Franziskanerinnen der christl. Liebe 301 - im Krankendienst 747-749 - Kubas 14 - Töchter der Nächstenliebe des hl. Vinzenz v. Paul 225 Ordensgemeinschaft(en) 297,921 f., 981 f. -Berufung in 1051 f. - Bischof und 1027,1049 f. - der Zisterzienser 444-448, 738-740 - Seminare der 265 f. Ordensinstitute(n) - auf Kuba 239 - und Bischöfe 1049 f. - und Ständiger Diakonat 1096 f. - zurückgehende Mitgliederzahl u. Überalterung in 1051 f. 1299 REGISTER Ordensleben(s) 101,444 f„ 935 f„ 1048-1052 -Berufungen zum 265, 296, 804, 902 - in den kath. Ostkirchen 753 - in den Vereinigten Staaten 1049 f. Ordensleute 244, 297, 403, 737, 910, 921, 987, 1048-1052 - Ausbildung der 343, 946 f. - Sendung der 1050 - und Laien 532-534 - unterstützen Diözesen 266 Ordensmänner 16 - als Zeugen der göttl. Liebe 266 -Kubas 14 Ordnung 357, 415 - Anspruch auf soziale u. internationale 868 -der Wahrheiten 1207-1213 - des Kirchenjahres 607 - die vom Schöpfer gewollte 125, 430 f„ 445 - Gottes 655 - kanonisch-liturgische 608 -natürliche 261 - sittliche 956 Organisation(en) - der Vereinten Nationen 867 - des Hl. Jahres 410 f. - internationale 360 - internationale wissenschaftliche 432 f. - karitative O. der Kirche 54 - soziale 325 Orientierungslosigkeit 291 f. Orthodoxe 649 - und Katholiken 636 Ortskirche(n) 899, 961 - nigerianische 265 - verschiedene pastorale Anforderungen der 266 Ostergeheimnis 25, 992 f. Ostern 49, 82 f„ 123, 169,173, 491 - Osterbotschaft 493 - Ostervigil 48 -wöchentliches 573 f. Pädagogik - der Liebe 804 - göttliche 846 -kirchliche 610 Päpstliche Akademie siehe: Akademie, Päpstliche Päpstliche Missionswerke siehe: Missionswerk(e), Päpstliche Päpstlicher Missions-Bund 619 Päpstlicher Rat siehe: Rat, Päpstlicher Päpstliches Kolleg - Germanicum et Hungaricum 620 f. Päpstliches Werk - der Glaubensverbreitung 619 - des hl. Apostels Petrus 619 - für die Berufungen 802 Pallium(s) 92,638 Palmsonntag - Liturgie des 473-475 Papst(es) 516, 1207 -100 Projekte des Hl. Vaters 832 - 20 Jahre päpstliche Diplomatie unter Johannes Paul II. 833-835 - 20. Jahrestag der P.wahl 773-776, 778-781 - als Bischof von Rom 388-391, 539 f. - als Bote der Wahrheit u. der Hoffnung 207, 233 f„ 247 - als Diener Gottes u. Diener der Menschen 424 f., 833 - als Haupt des Bischofskollegiums 540, 542 - als Hirt u. Diener der Gesamtkirche 201, 378 - als Nachfolger des Apostels Petrus 299, 388, 522, 536, 540, 744, 774, 848, 899, 1216-1224 - als Pilger (des Friedens ...) 13, 89, 201,226, 1186 f. - Appell (um Frieden, Menschlichkeit etc.) des 5, 20, 30, 32 f„ 70, 79, 87, 92, 121, 160, 186 f„ 357, 363, 367, 375 f„ 504 f. 1300 REGISTER - Brief des P. über Evangelium von der Arbeit 174 - Dialog zwischen Rom und 388 - Gebetsanliegen des 156 - Hilfeaufruf des 53 - höchste u. universale Gewalt über die Kirche 540 -Leo XIII. 97 f. - P.attentat 68 - Paul VI. 3, 106 f„ 320, 322-327 - Petmsdienst des 427 - Pilgerfahrt/Pastoralbesuch 14, 142-144, 885 f., 914, 953 f„ 1186 f. -PiusXII. 97 - Primat des Bischofs von Rom 746, 786, 1211,1216-1224 - Sendung des 287,774 - Solidarität des P. mit Erdbeben-opfem 194, 196 - und Bischöfe 39, 341-345, 454, 536, 545 f„ 1218-1220 - und Kardinale 424-429 - Unfehlbarkeit des 1211 - zum Schutz des 635 Paradoxon - von Tod u. Leben 925 f. Paraklet siehe: Heiliger Geist Parusie 606 Passion - Darstellung der 474 Pastoral 454 siehe auch: Seelsorge -Berufungsp. 902,907,910,933, 992 - der Menschenrechte 641-643 - der Migranten u. Flüchtlinge 762-765 - der Nächstenliebe 1006 - der Wallfahrt 1191-1202 -Familienp. 327-330, 344 f., 911, 985,992, 1005-1008, 1130 f., 1136 f. - für Gläubige orientalischer Riten 752 - Gefängnisp. 228 - Krankenhausp./im Krankendienst 228, 449-452 Pastoralplan(-pläne) - im Hinblick auf die Feiern des Jubeljahres 410-412 - Nationaler 266 Pastoraltheologie 1119 f. Patriarch(en) 744 - der katholischen Ostkirchen 751 - der orientalischen katholischen Kirchen 742-746 Patriarchatskirche(n) 745 Patriot -Kubas 219,222 Patron(e) - aller karitativer Vereinigungen 138 -Roms 91 f., 636 - von Europa (Cyrill, Method, Benedikt) 22 f. - von Italien (Franz v. Assisi) 4 f. - von Konstantinopel (hl. Andreas) 92, 636 Persönlichkeit(s) 210 - des Menschen 430-433 - Entwicklung der menschlichen 132 - gereifte 332, 560 - P.prinzip 872 - Selbstzerstörung der 209 Person(en) - (Achtung vor den Menschen-)Rech-ten jeder 3, 5, 39 f., 358, 642, 866 - Achtung vor der menschlichen 215, 423, 463 - als Mittelpunkt jedes sozialen Projekts 360 -Freiheitjeder 222 - ganzheitl. Entwicklung der 241 f. - geistl. u. transzendente Dimension der 643 - geweihten Lebens 16 - Grundwerte der 14 - nie als Mittel zum Zweck 442-444 - Rechte u. Pflichten jeder 358, 494 - Wert jeder 39 f., 408 1301 REGISTER - Würde der 236, 253, 258, 357 f„ 361-363, 407 f„ 423, 431, 494, 640-643, 790, 792 Pessimismus 164 Petmsamt(es) 778,1216-1224 - Mittelpunkt der Einheit 26 f. Pfarrgemeinde(n)/Pfarrei 287, 296, 961, 1032 f. - als Mittelpunkt der Katechese/Neuevangelisierung 991 f., 1021 - Familienmission in den 438 - Kinder-u. Jugendpastoral in den 965 - P.räte 288 - sonntägliche Feier der 582 f. Pfingsten 34 f„ 71, 75 f„ 97, 104, 140, 166, 558 f„ 758 - als der neue Bund 87 - als Ereignis der Urkirche 578 - Aussendung des Geistes an 33, 85-87,93 - ein Bild einstimmiger Verkündigung 95 - Entstehung/Geburt der Kirche 86, 93,97,181 - Geheimnis von 468,470, 578 -jüdisches u. christliches 85 - Kirche erhält Gabe zu evangelisieren 93 Pflicht(en) - der Gerechtigkeit 360 - der internationalen Organisationen 360 - der Kirche 805, 834 - der religiösen Führungskräfte 254 -jeder Nation 333 -jeder Person 358 - Rechte und 357 - zur Teilnahme an der Sonntagsmesse 590-592 Philosoph(en) 674, 677 f., 684 f., 694 f„ 711, 734 - Dialog zwischen Kirchenvätern und 683-685 - katholische 701 Philosophie(n) 134 f., 658-736, 827 - als Spiegel der Kultur der Völker 732 - Autonomie der 691, 694 - Christentum und 684 f. - christliche 712-714 - des hl. Thomas v. Aquin 700 f. - eigene Regeln u. Methoden der 693 f„ 715 - Geschichte der 675-693 - Glaube und 682 f. -griechische 672,710 - Kirche und 700-704 - Naturbegriff in der 807-810 - und Theologie 149, 177, 693, 703-716, 828 -Väter der 683 f. - Verantwortung der 662 - verschiedene Standorte der 712-715 Pilger 280 - des Jubeljahres 2000 390 f., 393, 410 -kranke 1197 f. -Papstals 13, 89,201,226, 1186 f. - Sonderaudienz polnischer 773-776 Pilgerfahrt/Pilgerschaft 1195 -ins Hl. Land 1181 f. - weltumfassende 118 8 f. - zum großen Jubiläum 412, 1173-1202 Pilgerkreuz - des Weltjugendtages 43, 45 f., 464-467,474 f. Pilgerseelsorge 1173 f. Pilgerweg -Christi 1177-1179 -der Kirche 1180-1184 - der Menschheit 1187-1191 - des Christen heute 1191-1202 - geistlicher 448 -hin zum 3. Jahrtausend 1184-1187 - innerer/der Seele 448,1181 f. - irdischer 22 -Israels 1174-1177 1302 REGISTER Plan Gottes 9. 17, 33, 62, 113, 117, 128, 137, 166, 173, 203, 253, 298, 445, 491, 570, 622 f„ 638, 673, 770, 808, 992 f. siehe auch: Heilsplan - Ehe im 328 f. - eigene Position im 632 - Familie im 495 - für die Menschheit 348 - Rolle der Frau im 32 - vom Menschen 126, 640 -Zustimmung Marias zum 59, 181 Pluralismus -ethnisch-kultureller 166,610 -indifferenter 661 Pluralität - von Denkpositionen 661 Politik 61, 208 f., 230 f. -Agrarp. 762 - der Solidarität 138 - Familienp. 792 - Katholiken in der 1058 f. Politiker 259,790 - Aufforderung der Kirche an 431 f. - verantwortliche 376 Polizei 415 f. Pornographie - Kinderp. 362 Pragmatismus 723 Predigt 1025, 1032 - am Fest der Darstellung des Herrn 398-401 - am Hochfest der Apostel Petrus u. Paulus 637-639 - am Hochfest der Gottesmutter Maria 365-368, 646-648 - am Hochfest Fronleichnam 622-625 - am Pfingstsonntag 612-615 - an Aschermittwoch 436-438 - an Palmsonntag 473-475 - bei den Exequien für Kard. Bovone 500-502 - bei den Exequien für Kard. Casaroli 625-628 - bei den Exequien für Kard. Pironio 401-404 - bei der Abendmahlsmesse (Gründ.) 487-489 - bei der Bischofsweihe 368-370, 461-463 - bei der Chrisam-Messe 485-487 - bei der Christmette 888 f. - bei der Eröffnung des 3. Vorbereitungsjahres zum Großen Jubiläum 861-864 - bei der Heiligsprechung 765-769 - bei der Messe für die Universitätsstudenten 879-882 - bei der Ringübergabe an Kardinäle 427-429 - bei der Seligsprechung 255-259, 323-326, 338-341, 456-459, 796-799, 516-520 - bei der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien 496-500, 520-524 - bei der Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozeanien 841-844, 876-878 - bei der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle 384-386 - bei Gedenkmesse für verstorbene Kardinäle u. Bischöfe 824-826 - bei Priesterweihen 508-510 - in der Ostemacht 491-493 - zum 100. Geburtstag Papst Paul VI. 323-326 - zum 20. Jahrestag des Pontifikatsbeginns 778-781 - zum Jahresabschluss 893-896 - zur Eröffnung des akademischen Jahres der kirchl. Universitäten 793-795 Presbyterium 460 Presse - Apostolat der 527 Priester 170, 211, 244, 297, 341 f„ 459 f., 475-485, 737, 770-773, 910, 930-933, 980 f„ 1002 f„ 1067, 1086 - als Diener des Wortes u. der Sakramente 509,772 1303 REGISTER - als glaubhafte Zcugcn/Vorbild 439, 902 - als Menschenfischer 238 - Aufgabe der 439 - Auftrag der 919 f., 1029-1035 - Bischöfe und 439, 920, 940, 986 f„ 1027 - Brüderlichkeit der 931, 980 - der Diözese Rom 438-441 - Dienst der 238, 305,460, 476, 482, 903, 919 f„ 1029-1035 - Einheit unter den 980, 987 - Gebetspraxis der 1030 f. -Hl. Geistund 481-484,486 -kubanischer 218 - Laien und 265-269, 288, 903, 907, 927 f„ 934 f„ 950 f„ 1033, 1043 f. - Leben des 265 - P.berufungen 170, 238, 296,478, 484, 902, 920,931, 1033 - Schreiben an die P. zum Gründonnerstag 475-485 - Sendung der 509 - Spender der Firmung (Ostkirche) 141 - Spiritualität der 980 f., 1033 - Teilhabe an der Sendung Christi 509 - und Maria 484,486 -Vollmachtder 481 - Vorbild für die 274 - Weiterbildung der 920, 931, 976 f., 981, 991 f. Priesteramtskandidat(en) 459 f., 800, 902, 920 f. - der griechisch-kath. Kirche 370-372 Priesterausbildung 244, 265 f., 343, 619-621, 702 f„ 801, 901, 907, 911, 920 f„ 932 f., 946 f., 950, 975 f., 981,987,991 - Verantwortung in der 459 f., 733 f. Priestermangel 202, 565, 902, 907 Priesterseminar(e) 265 f. - Regenten u. Direktoren der 459 f. Priestertum(s) 274,297,771 - allgemeine P. der Gläubigen 1043 f„ 1067 -Amtsp. 296,770-773 -Berufungen zum 265, 296, 513, 561, 804, 975 f., 987, 1030 -Christi 476,771 -geweihtes 1043 f. - Treue zum 300 - und Hl. Geist 439, 475-485 Priesterweihe 60,439, 475-485, 508-510 - Sakrament der 509, 771, 1033 f. Primat - der Liebe im Dienst an der Einheit 794 f. - des Bischofs von Rom/Nachfolger Petri 546, 746, 1211, 1216-1224 - des religiösen Lebens 526 - kath. Glaubenslehre über den 1216-1224 Prinzip(-ien) - der katholischen Lehre 396 - Universalität bestimmter Grundp. 868 Professio fidei 528-531 Projekt(e) - Catholic Institute of West Africa 266 -ökumenische 419 Promiskuität 433 Prophet(en) 109 -desAT 118, 139 f. - Gottesbegegnung des P. Elija 122 - in der Gemeinde v. Antiochia (charismatischer Charakter) 108 - Schriften der 187 - und der Geist Gottes 67, 93, 108 - Worte des P. Jesaia 437,474 Prophetie - Geist und 67 - im Alten Bund 398 Prophezeiung - des Simeon 180, 398 f. Prostitution 214 - Zwangsp. 362 1304 REGISTER Prozess(e) - der Rota Romana 396 - interdisziplinärer 397 f. - kirchliche 395 f. Prozession(en) - als Ausdruck eucharistischer Volksfrömmigkeit 84 - eucharistische 624 Prüfungen - der Kirche, des Klerus, der Gläubigen 304, 905 - im Licht des Evangeliums annehmen 198 Psalmist 436 f. Publikation(en) - katholische 245 Rassismus 764 Rat (Räte) - der Europ. Bischofskonferenzen 419-421,454-456 - der Interparlamentarischen Union 868-871 - des Ritterordens vom Hl. Grab 776 f. - evangelische 101, 239, 297 - Päpstl. R. „Justitia et Pax“ 640-643 - Päpstl. R. Cor Unum (Vollversammlung) 830-833 - Päpstl. R. der Seelsorge für die Migranten u. Menschen unterwegs 1173-1202 - Päpstl. R. für den Interreligiösen Dialog (Vollversammlung) 813 f., 1214 f„ 1225-1228 - Päpstl. R. für die Familie 189,789-793, 1165-1172 - Päpstl. R. für die Laien 555, 558 - Päpstl. R. für die Pastoral im Krankendienst 19 f., 449-452 - Päpstl. R. für Gerechtigkeit u. Frieden 367 - Päpstl. R. zur Förderung der Einheit der Christen (Vollversammlung) 416-418, 648-650 Rationalismus 692, 696-699 Realismus - der leibl. Auferstehung J. Chr. 158 Recht(e/en) - (Achtung vor den) R. jeder Person 5, 270, 358,494, 642 -aufArbeit 293,301 - auf Erziehung 132 -aufLeben 333,379,383,549-552, 962, 1064, 1077 - Besonderheiten des kanonischen 1072 f. -derFrau 32 - des Arbeiters 601 - erste R. des Menschen 762 -Ethikund 871-873 - ganz Mensch zu sein 132 - gleiche R. für alle 358, 390 -internationales 186 - kanonisches 395 - Naturr. 872 - Präexistenz der 872 - R.sstatus des Diakons 1121-1129 - Religionsfreiheit als unveräußerliches 242 f„ 640-643 - und Pflichten 357 - wahrhafte Grundlage des 872 Rechtfertigungslehre 852 - Antwort der kath. Kirche auf Gemeinsame Erklärung über 1245-1249 - Gemeinsame Erklärung über die 90,1245-1249 - Konsens in Grandwahrheiten über 90 f. Rechtsprechung - eindeutige 396 Rechtswesen 394-398 Reflexion - theolog. R. über die Geburt J. Chr. 366 - über die Botschaft des Evangeliums 392 Reform(en) - in puncto Familienstruktur 791 -Liturgier. 445, 805. 1001, 1066- 1070 - zisterziensische 445 f. 1305 REGISTER Regel (n) - des hl. Benedikt 444-448, 645, 654-656 Regierung 251, 362 Regime -atheistisches 371 -totalitäres 871 Reich(es) Gott(es) 33, 118, 454 f„ 758 f. - Apostel dienen dem 349 -Aufbau des 135,438,783 -Erfüllung im 101 -Erwartung u. Vorbereitung des 175-177, 880 f. - Gerechtigkeit des 231 - Hoffnung auf die Ankunft des 176 - Kirche als Vorwegnahme des R. G. in der Geschichte 169 -Kommendes 137 -Verwirklichung des 175 - Wachstum/Ausbreitung des 33, 176, 221 - Zeichen des 25 - zu verkünden 636 Reich(s) - Christi 842 - das Dritte 1235-1238 - das irdische R. Israel 842 - des Lichtes 400 - Römisches 142,144 Reiche -und Arme 138, 230 f. Reichtum(-tümer) - der Industrieländer 763 - kirchlicher Bewegungen 554-557 -menschl. u. geistl. 194 Reife -affektive 1113 f. - geistige 795 - menschliche u. christliche 313, 1114 Reinkamation 158 Relativismus 208,506,661,815 - ethischer 334 -moralischer 214,782,1059 Religiosität 130, 680, 879-882 Religion(s/en) 650 - als bloße Privatspäre 230 - Anhänger afrikan. traditioneller 270 - Kirche und nichtchristliche 18,129, 131, 171 - Missbrauch der 253 - R.Verfolgung 518 - Verschiedenheit/Vielfalt der 54, 130 f. - Vorschriften der einzelnen 130 Religionsfreiheit 40,913 - Achtung der 242 - unveräußerliches Recht der 242 f., 640-643 Religionsunterricht 991,998,1008 - in den Schulen 964 Ressourcen - Ausbeutung natürlicher 167 Restaurierung 198 Revolution - der Liebe Gottes 13,15 -in Kuba 13,15 Rhytmus - trinitarischer 893 Richter(s) - kirchliche 394-398 Ritus (Riten) 130 - der Priesterweihe 486 - Gläubige orientalischer 752 - rumänisch-byzantinischer 370 - Zulassung zum Dienst durch einen liturgischen 109 Römische(n) Kurie 884-888 - Neuordnung der 394 - Organe der 1239-1244 Rota Romana -Eröffnung des Gerichtsjahres der 394-398 - Prozesse der 396 - Urteile der 396 f. 1306 REGISTER Ruf -Gottes 512 - Jesu Christi (zur Nachfolge) 208, 300, 464-467,636, 754 - zum kontemplativen Leben 40 - zur Gemeinschaft mit Gott 456 - zur Umkehr/Bekehrung 28, 43, 435-437, 854 Sabbat - als Tag der Ruhe 570 - Heiligung des 570 -S.gebot 570-572 - Theologie vom 567-573, 597 f. - vom S. zum Sonntag 572, 575 f., 597-602 Säkularisierung(s) 878 - der Gesellschaft 900, 925 f., 952 - Herausforderungen der 1007 - S.prozess 555 Sakrament(e) 126, 289 - Begegnung mit Christus in den 560 f. - der christlichen Initiation 139, 384 -derEhe 205.211,257,443,514, 942, 996 f. - der Eucharistie 79, 488, 509, 956 f., 961 -der Firmung 139-141,146-148, 470, 514 f„ 614, 961 - der Krankensalbung 314, 509, 1064,1137 f. - der Priesterweihe 509, 771,1033 f. - der Taufe 51, 384-386,466,492, 509, 961 - der Versöhnung/Buße 29, 257, 509, 852, 859, 902, 956 f„ 1032 - der Weihe 1085 f. - Feier der 1003, 1021 - Kirche als S. (der Einheit) 18, 110 f., 849, 1015-1017 - Praxis der 209 - Teilnahme an den 343 - Zeichen der 470 Salbung 385 - der Hände 484, 486 - im Alten Bund 485 -Krankens. 314, 509, 1064, 1137 f. - mit Chrisam 140 f. - mit dem Hl. Geist 77, 87, 139,486 - Zeichen der 146-148, 485-487 Samariter(s) - göttlicher 747 S anatorium(-rien) - Dienst in 89 Sanktuarium siehe auch: Heiligtum - der Muttergottes von der Insel 346 - kroatisches Nationais. 339 Satan - Kampf Jesu mit dem 77 Schächer - der gute S. auf Golgotha 842-844 Scheidung 211,328 Schituist(en) 813 f. Schmerz 226 Schönstatt - Familienbund 495 f. Schöpfer 73, 118, 318, 377 f„ 506, 672 - der Mensch und sein 187,568, 1019-1023 - die vom Sch. gewollte Ordnung 125 - Gott als 28, 66, 521, 675 - Ruhen des 568 f. - und geschaffene Welt 568 Schöpfung(s) 117 f., 135, 149, 185, 596 f„ 659, 673, 883 - Auferstehung und 576 - Gottes 463 - innere Ordnung der 431,477, 569 - Mensch und 119, 167 f., 216, 600, 809 -neue 596 f., 842 - Sch.plan Gottes 167-169, 203, 205, 673 - Schönheiten der 318 - Sinn u. letztes Ziel der 113, 120 - Wahrheit über die 522 Schöpfungsbericht 567 f. Scholastik 718 1307 REGISTER Schreiben - an die Priester zum Gründonnerstag 475-485 - anlässlich der Veröffentlichung des Dokumentes: Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoa 453 Schrift(en) - der Propheten 187 - Heilige Sch. siehe: Heilige Schrift Schriftsteller -kubanischer 219 Schuld 436-438 - menschliche 892 Schule 330 -als Grundrecht 131 f. - christl. Ausrichtung der staatl. 330 -katholische 330,911,927,986, 1008, 1022, 1035-1041 - neue thomistische 700 f. - Religionsunterricht an 964 - und Familie 330 - Verantwortung der 132 Schwangerschaftsabbruch(s) 1168 f. - Zulassung des 294 Schwangerschaftsberatung(s) - Bescheinigung der 380-383 - Definition kirchl. B Tätigkeit 3 80 f. -katholische B.stellen 379-384 Schweigen 282 -kontemplatives 656 Schweizergarde 64 - Vereidigung der neuen Rekruten 634 f. Seele 97,481 - christliche 14 f. -derKultur 217 -Heilder 110 -Leibund 158,449-452 - menschliche 479 f., 506 - Pilgerweg der 448 - unsterbliche 28 Seelsorge siehe auch: Pastoral -Jugends. 216,345,907,911,932, 946, 965, 985 f„ 992, 1033 -Pilgers. 1173 f. - Schuls. 327-330 - Universitätss./Studentens. 505-508, 964, 1040 Seelsorger - Hochschuls. 507 - ökumenische Ausbildung der 418 Segen 188 - Gottes 367 f. Sehnsucht(-süchte) - des Menschen 167, 449-452 - des Menschen nach Gott 675 f., 890 - nach Frieden, Freiheit u. Solidarität 332 - nach Heiligkeit 98, 501 - nach Wahrheit 678 Selbsterkenntnis - des Menschen 445, 657-662 Selbstmord 1062 f., 1077 Selbstverwirklichung 164, 826 - des Menschen 232, 525, 659, 735 Selektiveugenik 432 Selige(n) 250, 253, 300, 325 - als Vorbilder für unser Leben 64, 253, 302 - als Zeugen, die zur Nachfolge aufru-fen 456-458,796-799 -Glaubensbotschaft des 346 - Heiligkeit des 273 - Hingabe der 457 f. - Lebensgeschichte der 257,302, 316, 517 f. - neue S. (als Boten des Glaubens) 35 f„ 41, 88, 152, 256, 273, 278-280, 303,340, 456-458,517 - Zeugnis des 250 f., 257, 322 Seligkeit -ewige 99-101 Seligpreisung(en) 163 - befreiende Neuheit der 331 - erste 62 - Gesetz der 877 Seligsprechung 35 f., 40, 142 f., 250, 253, 261, 322, 327, 803-806 1308 REGISTER - des Bischofs u. Märtyrers 36, 905 - Predigt bei der 255-259, 272-279, 323-326, 338-341, 796-799, 516-520 Seminar(e) 239, 419 - der Ordensgemeinschaften 265 f. -Diözesans. 273 Seminarist(en) 239 - Ausbildung der 244, 619 Sendung 772 - der Bischöfe 8 f., 268, 462 - der Christen (in der Kirche) 139, 205 - der Eheleute 329 - der Familie 495 - der Frau 823 - der Gläubigen 170 - der Jünger/Apostel durch J. Chr. 439, 477, 637 - der Kardinäle 426,429 - der Katholiken 629 - der Kirche 5 f„ 76, 114, 222 f„ 242 f„ 306 f., 347, 414, 471, 513, 522, 783, 938, 961 f„ 1020 - der Laien 170, 874, 958, 1041 f. - der Ordensleute 1050 - der Priester 509 - der Zisterzienser 738 - des Menschen 201 - des Mose 458 - des Papstes 287, 774 - des Petrus 427 - des Petrus u. seiner Nachfolger 778 - im Dienst am Nächsten 456 - Jesu Christi (dreifache S.) 5 f., 77, 93 f„ 151, 486 f. - kanonische S. der Ständigen Diakone 1139-1142 - katholischer Schulen 1036 f. -Marias 181 Sendungsauftrag(s) - Jesu an die Apostel 43,521,638 Sensibilität - gegenüber dem Mitmenschen 435 Sexualität 328, 466 - des Menschen 442 f., 1045 f. Shoah 453,766 - Wir erinnern: Eine Reflexion über die 1231-1239 Sieg - der Wahrheit 550 - des Evangeliums 143 - des Guten über das Böse 143, 516 - des Lebens über den Tod 49, 153-155, 494 Siegel - der Gabe des Hl. Geistes 146-148 Sinn(s) - christlicher S. des Sonntags 321, 564 - des Lebens/des menschl. Daseins 115, 125,129,132, 148 f., 151, 164, 201 f., 226 f„ 347, 387,445,474 f„ 511, 515, 609, 661, 672, 674, 677, 679, 963 - des Leidens 22, 226 f., 450 - des Naturbegriffs 808 - des Opfers Jesu 9 - für eigene Identität u. Zugehörigkeit 195 - für Rechte u. Pflichten wecken 363 - für Solidarität u. Gemeinschaft 261, 811 - Suche nach 735 - Wiedergeburt des religiösen 782 Sitten 544 - katholische Sittenlehre 529 f., 1065 - S.gesetz 263,1053-1059 Situation - schwierige S. im Nahen Osten 892 - soziale S. in Kuba 204 Skepsis 158 Skeptizismus 815 Sklave(n) - Freiheit für die Sklaven 223 Sklaverei 362, 856 Soldat(en) 173 - kubanische 223 1309 REGISTER Solidarität 3 f„ 40 f„ 116, 128, 168, 194, 196, 202, 228, 248, 254, 261, 393, 494, 652, 868, 923, 1022 - brüderliche 407, 603 f. - des ganzen Menschengeschlechts 809 - des Papstes mit Erdbebenopfer 194, 196 - erlösende S. mit den Sündern 44 - familiäre 203 - Förderung der 1003 - Freiheit und 232 - Globalisierung in/der 359 f., 868-871 - internationale S. (für Frauen) 32, 870, 966 - Kultur der 138 - Foreto als Haus der 21 -menschliche 161, 186 - mit den Armen 1003 f. -Politik der 138 - Taten geschwisterlicher 28 - unter den afrikanischen Fändem 376 f. - unter den Generationen 820 - unter den Völkern 23 - wahrer Sinn für 261, 811 - zwischen allen Gesellschaftsschichten 251 - zwischen Ethik u. Recht 871-873 - zwischen Kirche u. Menschheit 114 Sonntag(s) 102 f., 110, 318, 321, 496, 562-612, 1001 - als dies Christi 573-579 - als dies Dierum 605-609 - als dies Domini (Tag des Herrn) 95 f., 229, 301,562, 566-573 - als dies Ecclesiae 110, 579-595 - als dies Hominis 595-604 - als Tag der Freude 116, 595 f. - als Tag der Solidarität u. Gemeinschaft 116 - als Tag des Glaubens 102, 578 - als wöchentliches Ostern 96, 562, 573 f„ 605 - christlicher Sinn des 321, 604-606, 654-656 - Feier der neuen Schöpfung 566-572 - Gestaltung des christlichen 564, 593 f. - grundlegende Bedeutung des 563 f. - Heiligung des 562-572, 600 - im Kirchenjahr 606-609 -Palms. 440f. -S.gebot 589-592,939 - Tag, der Sinn der Zeit offenbart/Zeitmaß 120, 570 f., 574, 597 f., 605 f. - Versammlungen ohne Priester 594 - vom Sabbat zum 572, 575 f., 597-602 - Zeit der Ruhe 102, 564, 599-602 Sonntagsmesse -Feierder llOf. Souveränität 867 Sozialdienst - katholischer Frauen 382 Sozialisation 123 Sozialisierung - der Jugendlichen 791 Soziallehre - der Kirche 14, 222 f„ 232, 244, 293, 503 f„ 912, 916,951 f„ 958, 988, 1037 f. Spaltung(en) - innerhalb der Gesellschaft 259 - innerhalb der Kirche 10,419 - innerhalb einer vielschichtigen Kultur 945,949 - zwischen kath. u. orthodox. Kirche 744 Spiritual 273 Spiritualität 737 - benediktinische 644 -christliche 151,176,218 - der Bewegung „Fokolare der Einheit“ 413 - der Faien 990 f., 1043 f. - der Priester 980 f., 1033 - der Umgestaltung der Welt 176 - der Zisterzienser 445 - des Diakons 1094 f., 1115 f., 1142-1154 - des Dienstes 1094 f. 1310 REGISTER - des Don Giacomo Alberione 526 - des Gründers 560 -Dialog der 813 f. - im Abendland 445 -Mann tiefer 276, 325 - Natur als Quelle der 1199 f. Staat(es) 205, 230 - als Verwalter 362 -Aufgabedes 915 -humaner 383 - Kirche und 380, 383, 915, 993 -Rechtsstaat 333 Staatsoberhaupt(-häupter) - Appell des Papstes an die 357, 363, 367 Stadt (Städte) - einzigartige Rolle der Stadt Rom 91 f„ 386-391, 465, 624, 637-639, 894 -Gottes 516 - Jerusalem - die himmlische 91 - neue Bundeshauptstadt Nigerias 260 Stall v. Betlehem 861 Sterbebegleitung - humane u. christliche 314 Sterben - für Christus 302 - ist ein Teil des Lebens 311 f. - Leben u. St. im Herrn 500-502 Sterbende(r) 310-315 - Bedeutung der Kerzen für 399 f. - Beistand für 409 - palliative Begleitung 312-315 Sterilisation 422, 1057, 1167-1169 Stift(s) - Prämonstratenser - St. Geras 300 Stiftung -JohannesPaulII. 810-813 Stipendiat(en) 811 Strafe 530 f. Streitfrage(n) - Lösung von 535 Student(en) 879-882 - S.seelsorge 964 Studientagung - Internationale St. über das Filmwesen 835-838 Studium(s) - der Theologie 702 f. - ökumen. Fragen als Teil des theologischen 419 f. Stunde - der Erlösung 8 - Jesu 7-9 Subsidiarität 872 Suche - nach (der letzten) Wahrheit 90, 130, 133, 145,148 f., 177 f„ 182 f., 208, 334, 397, 658, 660, 667, 675-678, 681,735,915 - nach (Vertrauens-)Person 681 - nach dem auferstandenen Christus 49 - nach dem rechten Weg der Kirche 383 - nach Erkenntnis 688 -nach Gott 129,182f„ 320 -nach Sinn 735 Sünde(n) 72, 100, 151, 178, 209, 436-438, 828, 880 - als Ursache des Leidens 282 - als Auflehnung des Geschöpfes gegen den Schöpfer 81 - bekennen 257 - doppelte Folge der 852 f. -Erbs. 115 - Gnade und 647 - Heiligkeit überwindet 98 - Nach- u. Ablässe der 849 - Sühne für unsere 859 - Vergebung der 43, 99, 453, 843 Sünder 852 - Hilferufe der 437 -reuiger 853 Symbol(e) - Asche als 28 f. -Baum als 882f. - der Freiheit in Kuba 220-225 1311 REGISTER - der Ring als S. (Kardinalsemen-nung) 26 - in den Katakomben 393 Symposium - III. Internationales Benediktinerin-nen-S. 654-656 Synodalität 744, 751 Synode - Afrika - S. 39 - Sonderversammlung der S. für Afrika 256,264 - über das geweihte Leben 447 Synoptiker 70, 77 Szientismus 722 f. Tag - der Frau 32 - des geweihten Lebens 16 -für das Leben 15 f. - Nationaler T. der Krebsforschung 161 f. - Pro Orantibus 166 Talen t(e) - vom Herrn erhalten 213 Taufe 6f„ 30,52,79, 97, 101, 140 f„ 295, 347, 349,511,652, 1135 -1000. Jahrestag der T. Polens 775 - als Einheit des ganzen Heilsmysteriums 51 - als Gemeinschaft 86 - als Geschenk u. Gnadengabe 385 - als Grundlage christlicher Existenz 43-45 - als Grundstein zum Aufbau der vollen Einheit (Ökumene) 52 f. - christliche 44 - durch die T. verliehene Gotteskindschaft 44, 51 - gibt dem Menschen den Geist des Lebens 45, 384 f. - Glaube und 43 -Jesu 43 f„ 76-79, 485 - Sakrament der 51, 384-386, 466, 492, 509, 961 - verleiht neues Leben 44 f. - Wiedergeburt aus Wasser u. Geist 86, 163 Technik(en) 167,782 - Fortschritt der 747 f. Technologie - Informatikt. 359 f. - Informationst. 800 Teilhabe - aller Getauften am Priestertum Christi 1067 - am heilbringenden Leiden Christi 408 - am Leben u. Schicksal Jesu 126 - an der Sendung Christi 509 - der Gläubigen an der Vater-Sohn-Gemeinschaft 78 - des Menschen an der Herrlichkeit Gottes 159 Teilkirche(n) 200 f„ 245, 899 - Aufbau einer 225 -Einheitder 536 -orientalische 751 - UniversaL/Gesamtkirche und 229, 538-546 - Zusammenschluss von 540-543 Tempel - von Jerusalem 398, 473 f. Terrorismus 65 - in Spanien 10 Testament(s) -Altes 33 f„ 66-68, 118,139 f., 508 f., 622 f„ 669-673 - geistliches T. Kard. Pironios 401 f. -Neues 158,674,718 Teufel siehe: Satan Theologe(n) 733, 817 - Geschichte großer christl. 711 Theologie 371, 454, 459, 690 f„ 698, 829 - aktuelle Aufgaben der 725-730 - als kirchliche Wissenschaft 1040 - der Charismen 108 - der Ehe 996 - des Diakonats 1091-1093 1312 REGISTER - des Hl. Geistes 614 f. - des Laien 1042 f. - dogmatische 705,728 f. - Fundamentalth. 706 - Moraith. 706 f., 729 - Naturbegriff in der 807-810 - ökumen. Fragen als Teil des Th. Studiums 419 f. -Pastoralth. 1119 f. -Philosophie und 149, 177, 691, 693, 703-716, 828 - scholastische 479, 687 f. - Studium der 702 f. - vom Sabbat 567-573, 597 f. - Weihnachtsth. 366 Theozentrik 134 Tod(es) 25,164,311,831 - als Quelle von Leben 674 -Freit. 1062 f. -Jesu Christi 51,369,437,465,490, 521 - Kultur des 551,631,653,792,821, 958, 1062, 1077, 1172 -Lebenund 47-49, 83, 154, 613 f., 637, 647 - Märtyrert. 277 - Ohnmacht des 282 -schmerzloser 312 - Sieg über den 49, 153-155, 492, 637 -T.strafe 504 f., 892 - von Kardinal Casaroli 621 f. - von Kardinal Grillmeier 656 Töten/Tötung -aktives 313 f. - Legalisierung der T. Ungeborener 962 - ungeborener Kinder 379-384, 551 Toleranz -gegenseitige 499 Tote(n) -Auferstehung der 54, 154, 157-159 - Bedeutung der Kerzen für 399 f. - Gedächtnis der 157 Tradition(en) 112, 248, 397, 485, 721, 945 - (verschiedene) religiöse 129,141, 202, 254, 386 f., 420, 649 - christliche T. Spaniens 999 f. - christlichen Denkens 122 - der Feiertage 608 - der Kirche 146-148, 209, 479, 802 - gemeinsame T. christlichen Lebens 542 f. - Jesus bricht mit 25 - Mensch eingebunden in verschiedene 679 - nationale 220 - patristische 1068 - philosophische u. religiöse T. Asiens 521 - reiche kulturelle T. Kroatiens 334 - verschiedene T. der Zisterzienser 447 -Verschiedenheit der östl. u. westl. 292 Traditionalismus 696 Transfer - illegaler T. von Menschen 174 Transzendenz 217,312,719 - des Geistes 68 - Gottes 522 - Öffnung für die 211,668 - Wahrnehmung der 687, 719 Traum (Träume) - des Josef 204 f. Treue 470,627,749 - der gläubigen Juristen zur Ethik 872 -Gottes 81 -Weg der 215 - zu christlichen Werten 321 -zu Christus 144,333,457,517 -zu Gott 512 f., 587 - zu lehramtmäßigen Prinzi-pien/kirchl. Lehramt 396, 617 - zum Erbe 247 -zum Erlöser 188 - zum Evangelium 457, 498, 532 - zum Glauben 208 -zumHl. Stuhl 457,527 1313 REGISTER - zum Priestertum 300 - zum Willen Gottes 101 - zur Kirche 144, 532, 803-806 Treueid - Glaubensbekenntnis u. T. bei Übernahme eines kirchl. Amtes 1203-1213 Triduum - österliches 28, 47 Trinität - als Urbild der Familie 79 - Bild der kirchl. Familie 79 Trost 21 - göttlicher 425 f. Tugend(en) 204, 209 f., 215 - der Hoffnung 22, 162 f., 647,758 - Gerechtigkeit ist eine moralische 357 f. -göttliche 100 - theologale 479 f. Überlieferung - der Kirche 159 Umkehr 30, 99, 213 f„ 308, 364,459 -derHerzen 419 - Fastenzeit als Weg der 433 -persönliche 265,905,914 - Ruf zur 28, 43, 854 Umwelt - Erhaltung einer menschenwürdigeren 374 - Verantwortung gegenüber der 167, 463 - Zerstörung der gewohnten 198 Unabhängigkeit - 80. Jahrestag der U. Polens 164 f. - anmaßende U. von Gott 29 -Kubas 14, 218 f., 223,232 f. Unfehlbarkeit -desPapstes 1211 - Lehre von der U. des Lehramtes 1208-1213 Ungeborene(r) - Tötung 962 Ungehorsam 530 f., 828 - Adams u. Evas 28, 673 f. Unglaube 63, 72 UNITALSI 20 Universalität - bestimmter Grundprinzipien 868 - der Kirche 86, 425 - des menschl. Geistes 710 - des missionarischen Einsatzes 785 Universalkirche 427 siehe auch: Gesamtkirche - Bischofskollegium als wesentliches Element der 542 - Charismen im Dienst der 616 - und Teilkirche 229 Universität(s/en) 336, 505-508, 879-882 siehe auch: Hochschule - „La Sapienzia“ 505 - Errichtung der ersten 690 f. -katholische 1039 f. - katholische „Sacro-Cuore“ U. 57 f. -kirchliche 793-795 - Päpstliche U. Urbaniana 826-830 - U.kapelle 507 - U.seelsorge 505-508,964,1040 -U.studenten 879-882 - von Havanna 13 f., 216, 219 Universum 173 UNO 31,358-360, - beruft Konferenz ein zur Errichtung eines Internat. Strafgerichtshof 84 - Botschaft zur 53. Sitzung der Generalversammlung der 866-868 - III. Ausschuss der UN-Generalver-sammlung 1249-1252 - Sondersitzung der Generalversammlung der 80 Unrecht 168, 960 Unterentwicklung 168 Unterernährung 868 f. Unternehmen - moderne 525 1314 REGISTER Unterschied(e) - ethnische u. kulturelle 254 - zwischen Priestertum der Gläubigen u. geweihtem Priestertum 1043 f. Unterstützung - der schwächeren Nationen 360 f. Unterweisung 779, 1020 f. Unzufriedenheit 204 Urgemeinde 578 - betende 57 -christliche 580 - Maria inmitten der 57 Vaterland 219 - Dienst für das 232 - Jugend ist die Zukunft des 216, 219 Verantwortung 453 - der Bischöfe 538 f., 548, 899-904, 1096 - der Gläubigen in Kirche u. Gesellschaft 961 f. - der Jünger 34 f. - der Kardinäle 428 f. - der Kirche 383 -derLaien 951 f. - der Philosophie 662 - der Schule 132 - des einzelnen Menschen 253 - für das Heimatland 332, 352 - für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft 495 - für die Evangelisierung 34 - für Gerechtigkeit u. Frieden 357, 367 - gegenüber der Umwelt 167, 463 -imGlauben 210 - in der Priesterausbildung 459 f. -soziale 871 -undFreiheit 210 -übernehmen 210 Verband - der Ital. Katholischen Juristen 871-873 Verbrechen - gegen den Menschen 166 Verehrung -des Kreuzes 464-467,776 - Gottes 8 Vereinigung (en) - apostolische 109 - Aufgaben katholischer 962 -karitative 138 - kirchliche 347 Vereinte Nationen siehe: UNO Verfassung - italienische 788 Verfolgung(en) 142 f., 214,457 - Christenv. 590 -der Juden 1231-1239 - der rumänischen Kirche 371 -Religionsv. 518 Vergänglichkeit - des irdischen Lebens 28 Vergebung 186, 340 f„ 404, 852, 859 -Bitteum 817 - christliche 42 - der Sünden 43, 99,453, 843 - gegenseitige 495 f. -geschenkte 512 - Gottes 257, 588 Verheißung(en) - der eschatolog. Ausgießung des Geistes Gottes 163 - des ewigen Lebens 153 f. - Erfüllung der V. (in Jesus) 85 f., 118, 163,259, 399 -Gottes 259,708,890 - Jesu (an seine Jünger) 126, 401 Verkündiger 94 f. - Glaubwürdigkeit der 265 Verkündigung 221, 245, 708, 1052 - der „guten Nachricht“ durch die Kirche 40,90,93,658 - der Kirchenväter 603 - der Lehre Christi 612 - der Wahrheit über J. Chr. 201 - des auferstandenen Christus 497 1315 REGISTER - des Evangeliums 55, 108, 169, 211, 242, 333, 342, 420, 439, 499, 524 f„ 536, 737, 960,1012 f. - des Gotteswortes 348, 586, 741 - des Reiches Gottes 636 -desWortes 778-781 - ein Bild einstimmiger 95 -Erstv. des Evangeliums 258 - Glaubwürdigkeit der kirchl. 265 V erkündigungsbulle - des großen Jubiläums des Jahres 2000: Incamationis Mysterium 845-861 Verletzung - der Menschenrechte 168, 358 f., 362, 641-643 Vernunft 660, 667 f., 808 siehe auch: Verstand - Glaube und 149, 177 f., 336, 669 f., 827, 927, 1078 f. - Grundregeln der 671 - im Lichte der 694 - instrumentale 692 - und Wahrheit 1078 -Würde der 815 Vemunfterkenntnis - Glaubenserkenntnis und 669-675, 696 f. Versammlung - kirchl. Bewegungen u. neuer Gemeinschaften (30. Mai) 616 Verschiedenheitvielfalt - der Charismen 108 f., 414, 556 - der Dienste/Ämter 109,414, 772 - der Kulturen, Traditionen u. Religionen 498 f. - der Nationalitäten 621 - der östl. u. westl. Traditionen 292 - Einheit in 285, 556, 616 - Einklang von ethnischer u. kultureller 266 - historische u. kulturelle V. Roms 386 f. - zwischen Lateinern u. Ostkirche 105 f. Verschuldung siehe auch: Auslandsschulden - intemat. V. armer Länder 138 Versöhnung 24, 168, 231, 247, 341, 367, 464, 588 f. - Auftrag Christi zur 956 f. - der Menschen untereinander 256 - des Menschen mit Gott 411 - Dienst der 245 - Freude der 849 - Geschenk der 257 -Jahrder 410 - mit Gott (durch J. Chr.) 256, 416, 453 - Sakrament der V./Buße 29,257, 509, 852, 859, 902, 956 f„ 1032 - von der Kirche verkündete 256 - Werkzeuge der 259 Versprechen - Jesu an die Jünger 87 Verstand(es) 667 f., 670 f. siehe auch: Vernunft - des Menschen 37 - Erkenntnis des 807-810 - Erleuchtung des 122 - Herausforderung für den 280 Versuchung 28 f. - Jesu durch den Teufel 77 Verteidigung - der Familie 550 - der Freiheit der Kirche 626 - der Kultur des Lebens 1063 - der Zivilisation der Liebe 1063 - des Friedens 242 - des Lebens 345, 380, 407, 422, 1062, 1077 - u. Schutz der Menschenwürde 833-835 Verteilung - gerechtere V. der Früchte der Schöpfung 3 - ungerechte V. der Wirtschaftsgüter 762 Vertrauen 270, 408 -aufGott 248,287 - zur Muttergottes 276 1316 REGISTER Verwaltung - römische Stadtv. 387-391 - Transparenz in Handlungen der öffentl. 362 Verwirklichung - des Reiches Gottes 175 - von Frieden u. Gerechtigkeit 168 Völkerfamilie 210 Volk Gottes 302,849,941 - bei der Pilgerschaft durch die Geschichte 133,411 - Führer/Leiter des 6, 806 - Hirten des 37 - Kirche als V. des Neuen Bundes 399,915 - verschiedene Berufungen des 170 f. V olk(es/V ölker[n]) - Asiens 500 -auserwähltes 36, 153 - Einheit der 414, 649 - Entwicklung eines 923 - europäische 23 - Gemeinschaft aus vielen 389 - grundlegende Rechte der V.gruppen 373 - Güter eines 362 - Identität u. Geschichte der 373 -irakisches 31 -Israel 162f. - italienisches 786-789 -jedes V. braucht Religiosität 232 f. -jüdisches 292 -kroatisches 142 f. -kubanisches 12-15,201,219,222, 232, 239, 247 f. - Leiden des jüdischen 453 -nigerianisches 39-41 -Ozeaniens 843,878 - Präsenz der Kirche unter den 887 - rumänisches 649 - und Kulturgut 216 f. - Vertreter des römischen 388 - Wegweiser für sein 340 - Zusammenarbeit zwischen den 332 Volksfrömmigkeit 14, 288, 1003 - Prozessionen als Ausdruck eucha-ristischer 84 Volksgruppen - nigerianische 262 Vollendung - durch Christi Kreuz u. Auferstehung 119 Vollmacht siehe auch: Autorität - der Bischöfe/des Bischofskollegiums 306, 540 f. - der Jünger zur Sündenvergebung 99 - der Priester 481 - Jesu Gericht zu halten 56 - mit der Christus seinen Leib auferbaut 772 Vorbild(er) - der Keuschheit 277 - für die Priester 274 - Heilige als 156 - Hl. Familie v. Nazaret als 206 - Maria als 32, 38, 61-64, 178, 180, 212, 221,414,611 - Mutter Teresa als 653 f. - neue Selige als V. für unser Leben 64, 253, 302 - Priester als 439, 902 Vorsehung 798 - göttliche 194, 388, 783 Waffen - Handel von 892 Wahrheit(en) 133 f., 357, 378, 656, 661, 800, 829, 903 f„ 927 f„ 955, 1037 - als Fundament der Frohbotschaft Jesu 231 f. - als Geschenk 826-830 - Charisma der 37 - Christi/über J. Chr. 94,166 f„ 201, 243, 955 - christliche W. (als Orientierungshilfe) 506, 684 f. - der christl. Offenbarung 668 f. - der Gottessohnschaft 276 - der kath. Lehre 1208-1213 - Dialog der 234 1317 REGISTER - die das politische Handeln leitet 835 - Diener der 625-628 - Dienst an der 240, 658, 968-977 -eine 695,715 -Einheit von natürlicher u. geoffen-barter 681 f. -Existenz der 182 -Freiheit und 724, 1023, 1040 f„ 1056 f. -Geist der 129,133,185,510 - geoffenbarte (von Gott) 941,1208-1213 - Glaube und 37, 182, 662, 679 f. -jede W. kommt vom Hl. Geist 134, 137 - Kirche als Hüterin der 451, 658, 661, 1057 -Kulturder 917 - Lehrer der moralischen 1053-1059 - leugnen 530 f. -Licht der 133 f., 169 -Liebe und 381-384,767 f., 881 -objektive 718 - Ordnung der 1207-1213 - Öffnung gegenüber der 308 -philosophische 679 - religiöse 679 -Saatkömerder 129,134,167 - Sieg der 550 - Suche/Streben nach 90,130,133, 145, 148 f„ 177 f„ 182 f„ 208, 334, 397, 658, 660, 667, 675-678, 681, 735, 915 - und Gerechtigkeit 397 - über das Leben/Dasein 680 - über den Menschen 123, 201, 231 f„ 243, 367,641,794, 1060 - über die Erlösung 522 - über die Schöpfung 522 - über Ehe u. Familie 397 f., 442-444, 995 f. - verkünden 1009-1013 -Vernunft und 182,1078 - von der Auferstehung der Toten 154 -Weg zur 525,668 - wohnt im Innern des Menschen 669 Wahrheitserkenntnis 126, 658-662, 718,795,815 Wallfahrten) 21,860 - als persönliche Begegnung mit Gott 1199 f. - christliches Leben als 1181-1184 - im Leben der Gläubigen 851 - in der Hl. Schrift 850 f. -Jakobus-W. 864 f. -Marienw. 142, 179, 1200 f. -Pastoralder 1191-1202 Wallfahrtsort(e) 1196 - Heiliges Haus von Loreto 404-410 - San Läzaro 226 Wandlungen/W andel -der Stadt Rom 388 f. - im gesellschaftl. u. wirtschaftl. Bereich 359 f. Wasser - lebendiges u. lebensspendendes 150 Weg - Abrahams zum Berg Morija 489 f. - der Bekehrung/Umkehr 26, 433 - der christlichen Vollkommenheit 851 - der Heiligkeit 36, 101, 263 - der Kirche 57, 201, 383, 493, 960 - der Menschheit 622 f. - der Welt zu ihrer Vollendung 117 -des Dialogs 168,171 -des Heils 42 f„ 47, 113 -des Lebens 115 - des Menschen 670-672 - durch die Geschichte 304 f. - geistiger 393 - gemeinsamer W. in brüderlicher Liebe 636 f. - Jakobusw. 864 - ökumenischer 639 - persönlicher Heiligung 210 - zur Einheit 91, 420, 865 - zur Wahrheit 525, 668 f. Weihe 478,482 - Sakrament der 1085 f. Weihnacht(en) 173, 891 - Begegnung mit Gott 186 1318 REGISTER - Botschaft der Heiligen 889 - Offenbarwerden Gottes 384 Weihnachtsbaum 187, 882 f. Weisheit(s) 717,795 - als Gabe des Hl. Geistes 690 - des Menschen 674 - göttliche W./Gottes 131, 663-669 -W.gut 134 - weiß u. versteht alles 669-675 Weiterbildung 419 f. - biblische u. katechetische 239 - der Ordensleute 947 - der Priester 920, 947, 976 f., 981 - des Diakons 1154-1163 Weizenkom 338 Welt - Aufbau einer gerechteren, menschl., brüderlicheren 254, 367, 413 -derArbeit 61 - der Auferstehung 312 - eine mit Gott versöhnten 258 - Evangelisierung der 56, 753 f. - ganze Geschichte der 113 - Gewalt in der 5 - Herausforderungen der modernen 960 - heutige/modeme 447,498, 504, 767, 782, 866 - in den Hl. Schriften 716 f. - ist die Berufung des Menschen 793 -Kirche und 113, 498, 900 f„ 925 f„ 1015-1017 - säkularisierte 90 - steter Wandel der 375 - Umgestaltung der W. aus dem Licht des Evangeliums 175 f. -Ursprung der 120 - W.gemeinschaft 360 - wechselseitige Abhängigkeit in der 168 - Weg der W. zu ihrer Vollendung 117 - Weisheit dieser 674 Weltbevölkerung - Überalterung der 819 Weltemährungsgipfel(s) - Erklärung des 870 Weltfriedenstag 3, 367 - Botschaft zum 357-365 Weltgebetstag - für den Frieden (Assisi, 1986) 130 - für Geistliche Berufungen (35.) 60, 509-516 Weltgebetswoche - für die Einheit der Christen 10 f., 234 Weltgericht - der Liebe Gottes auf Golgota 42 Weltgipfeltreffen - für soziale Entwicklung 1250 Weltkirche - Ereignis sichtbarer 424-427 - im Dienst der 634 Weltkongress - über Pastoral der Migranten u. Flüchtlinge (4. W.) 762-765 Weltkrieg (e) - Tragödie zweier 168 - zweiter 358 Weltmarkt 360 f. Weltmissionssonntag 148 f. - Botschaft zum 781-785 Weltreligion(en) - Vertreter der großen 648 f. Welttag siehe auch: Botschaft - 2. W. des Geweihten Lebens 398-401 - 32. W. der soz. Kommunikationsmittel 552-554 - 6. W. der Kranken 19-22,404-410 - der Migranten u. Flüchtlinge (84. W.) 755-759 - der Arbeit (1. Mai) 60 f. - der Jugend 43, 403. 440,464-475, 964, 1069 Welttreffen - der Familien (Okt. 2000) 189 Wert(e) 343, 373, 676 f. - Aufblühen ethischer u. spiritueller 336 1319 REGISTER - Bekenntnis zu bestimmten 294 -christliche 215,321,653 - der Hoffnung 407 f. - der kuban. Jugendlichen 208 - der Mission 785 - der missionarischen Berufe 785 - der politischen Aktion 790 -des Lebens 15,253,313,506,788, 836,911 - des Leidens 19, 405 - des Ordenslebens 1050 f. - Entwicklung menschl., ethischer u. religiöser 238 - ethische/sittliche 144, 790 - evangelische 783 - gesellschaftliche 363 -jeder Person 39 f., 408 - menschliche/anthropologische 215, 790 - moralische u. geistige 128, 363, 444, 837 - pastoraler W. frühchristlicher Monumente 392 - religiöse 204 - traditionelle W. der Familie 963 -transzendente 218 - unvergängliche W. der Zivilisation 387 Wertebewusstsein 799-803 Wertekrise 208 Widerstand - gegen das Regime 142 f. Wiederaufbau - in den Erdbebengebieten 196 f. Wiederkunft - Jesu Christi 779 Wille(ns) - des Menschen 37 -Gottes 77, 101, 118, 262, 458 f. - Stärkung des 122 Wirken - Apostolisches 968-977 -des Geistes/Hl. Geistes 6, 16, 18, 21 f., 71, 101, 104, 112-114, 117 f., 123, 133, 136, 166, 170,172, 185, 235 f„ 346, 365, 411, 438-441,449, 455, 467-473, 475-485, 520-524, 552, 612-616, 647, 665, 805 - Gottes in der Geschichte 136 Wirklichkeit - der Stellvertreterschaft 853 - Evangelium vom Leben als personale 150 - Geheimnisse der 135 - Gottes 808 Wirtschaft - ungerechte Verteilung der W.güter 762 - Veränderungen in der 965 - weltweit zusammenschlie-ßende/intemat. 360 f., 642, 869 - Wettbewerb in der 293 Wissen(s) - Fortschritte des 659 f., 816 - Fragmentierung des 816 - Streben nach 430 -undHandeln 816 Wissenschaft(en) 167, 782, 828 - Autonomie der 691 -empirische 182 - Fortschritt der 747 f. - Glaube und 504, 828, 1039 - Kirche und 334-337 - Kultur und 334-337, 970 f. -Päpstl. Akademie der 807-810, 821-824 - Sozialw. 503 f. Wissenschaftler 135, 280, 816 - Aufforderung der Kirche an 431 f. Wohlstandsgesellschaft 821 Wort(es/e) - aus der Hl. Schrift 287 - das W. ist Fleisch geworden 78, 129, 187 - der Hoffnung 435 f. - des Apostels Paulus 467 - des Engels am Grab 49 f. - des Lebens 152, 276 - des Petrus 299, 304, 428, 493, 559 - des Simeon 180 -Diakonie des 1130-1133 - Gottes 110, 129, 159, 206, 213 f„ 276, 336, 348,470, 585 f„ 663, 711, 1320 REGISTER 715, 717, 719, 727, 740-742, 1207-1213 - Hören auf das 655, 663 - Menschwerdung/Fleischwerdung des 113,121,188,451 - prophetische W. Jesaias 23 f., 437, 485 - Verkündigung des 585 f., 778-781, 1221 Worte Jesu Christi 55, 57, 94,100, 150 f„ 154 f„ 230, 312, 328, 346, 350, 401, 434 f„ 451, 464-468, 473 f., 485, 497, 506, 617, 638, 863 - am Kreuz 500 - an den Apostel Petrus 427 - an die Apostel u. Jünger (im Abendmahlssaal) 34, 53, 82 f., 85, 142, 185, 477, 636 - auf Golgota 180 f„ 229 - die Gestalt Gottvaters in den 184 f. - Erfüllung der 612 - eschatologische Rede Jesu 55 - im Glauben aufnehmen 118 - im Tempel 62 - veranlassen zu konkretem Handeln 433-436, 966 -Wandlungsw. 478 Wortgottesdienst 110 - und Eucharistiefeier 585 Würde - der Frau 32, 204, 257, 421-424, 550, 738, 740, 823, 1034 -der Laien 1041 f. - der Leidenden 313 - der menschlichen Arbeit 61 - der Person 236, 253, 258, 357 f„ 361-363, 407 f., 423, 431,494, 640-643, 790, 792 -derVernunft 815 - des alten Menschen 820 - des Gewissen 1056 - des Menschen/des menschl. Lebens 5, 132, 201, 204 f„ 243 f„ 270, 284, 324, 335, 359, 378-384, 394 f„ 434, 443, 450, 453, 494, 506, 600 f„ 809, 833-836, 912, 942, 1037, 1055 f., 1064 f„ 1077, 1251 f. - Gleichheit in der 288 Wüste 433, 448 - Jesus in der 28, 30, 77 - Prüfungen in der 137 Wunder - der Menschwerdung Gottes 889 -Jesu 8,822,831 Zeichen 667 - der Anwesenheit Gottes in der Geschichte 137, 856 - der Asche 28 - der Einheit setzen 805 - der Eucharistie 667 - der Gegenwart des Geistes 782 - der Heiligen Pforte 851 - der Hoffnung 166-172, 553 - der Reinigung des Gedächtnisses 854 - der Sakramente 470 - der Salbung 146-148, 485-487 -derZeit 135-137 - des gekreuzigten u. auferstandenen Sohnes 137 -des Jona 136 - des Reiches Gottes 25 - Fronleichnamsprozession als Z. für den Weg Christi durch Raum u. Zeit 83 f. - Kardinalsring als 428 - Wolken als theophanisches 55 Zeit(en) - Beurteilung der zeitl. Wirklichkeit 845 - chrönoi und karof 34 - der Erneuerung 412 - der Gnade 411 f. - der Ruhe 102 - des Kommens Jesu 34 -Ende der 54, 154, 163 -Fülle der 162, 365 f. - Gottes 33 - großer Veränderungen 334, 343, 548 - heutige 325, 455, 468,493 f., 548, 724 - Jesus Christus - Maß der Z.rechnung 120, 365 f., 570f„ 574, 597 f. 605 1321 REGISTER - menschliche Z. im Licht des Glaubens 367 - messianische 77,93 - Offenbarung Gottes in der 664 f. -Zeichen der 135-137 - Zeichen der Hoffnung in unserer 166-169 - zum Abschiednehmen 312 Zeitalter -neues 360 Zerstörung - der gewohnten Umwelt 193 f. Zeuge(n) 89, 341 - Bischöfe als Z. Christi 5 f., 694, 1009-1013 - Blutz. für die Kirche 516-520 - christlichen Glaubens 22,40 f., 233, 256, 589 - der Auferstehung 49, 175,406, 493 f„ 497 f. - der Evangelisation in Kuba 237 f. - der Wahrheit 694 - für die Treue zum Priestertum 300 - gelebter Berufung in der Nachfolge Christi 322-327 - in Wort u.Tat 147 -Jesu Christi 41, 137, 456 f„ 498 - Jugendliche als 46, 963 - Jünger als Z. Christi 34 f. - Kranke als 22 -Laie als 961 - Märtyrer als 393 - Ordensleute als 239, 447 f. - Selige als Z., die zur Nachfolge auf-rufen 456-458,796-799 - von der Wahrheit des Evangeliums 16, 325, 855, 886 Zeugnis 326 - Antiz. gegenüber dem Christentum 855 - bis zum Martyrium 146-148 - der (Proto-)Märtyrer 40 f., 680, 857 - der Einheit 421, 955 - der Heiligkeit 277 - der Hoffnung 628 - der Laien (in Ehe u. Familie) 958, 961 f„ 1045 - der Leiden Jesu 278 - der Liebe des Erlösers/Christi 280-283, 832 - der Liebe Gottes 749 - des Katholizismus 629 - des Kreuzes Christi im Alltag 214 - des Lebens/Lebenszeugnis 265, 300, 327,460,514 -des NT 158 - des Seligen 250 f., 257, 322 - eines Christen 215, 364 - für Christus (im Lebens-u. Arbeitsbereich) 156,214,346,499,515 - für das Evangelium 35, 188, 630 f. - für den christl. Glauben geben 16, 139, 143, 215, 288, 364, 499, 833, 1044 - für Gemeinschaft 644 - gelebter Nächstenliebe 531-534 - gemeinsames Z. der kirchl. Bewegungen 556, 558 f. - geschwisterlicher Einheit 111 - geweihter Menschen 447, 1048 - großzügiger Hingabe 237 - Katakomben als Z. des christl. Lebens 392 f. -menschl., christl. priesterl. Tugenden 625-628 - selbstloser Liebe 41, 347, 531-534 - von Gebet u. Arbeit 656 - von Mutter Teresa 654 Zivilisation(s/en) 962 - der Gerechtigkeit 233 - der Liebe 84, 168, 220, 228, 233, 322, 324, 391, 514, 655, 1063 -Erbe der 218 - europäische 23 - untergegangene 669 f. - unvergängliche Werte der 387 - Z.grad einer Gesellschaft 819 Zölibat(s)/Ehelosigkeit 75, 265, 344, 919, 933, 987 - im Ständigen Diakonat 1104 Zukunft(s) 55,210 - der Kirche u. der Evangelisierung 143 - der Menschheit 59, 167 - Gesellschaft der 430-433, 551 - Herausforderungen der 426 1322 REGISTER - Hoffnung auf eine bessere 201 f. -Jugendist 216 - Kroatiens 332 -Nigerias 270 -Z.angst 291 f. Zusammenarbeit 247, 268 - der Bischöfe 541-544, 919 - der Menschen in den Erdbebengebieten 197 - der Priester untereinander 911 - der verschiedenen kirchlichen Gruppen 342 - der verschiedenen Religionen 131 - internationale 80, 248, 332, 626 - mit anderen christl. Konfessionen 242, 923 f. - ökumenische 52,105, 270, 420 f. - pastorale Z. aller Kirchen 536 - von lateinischen u. orientalischen Bischöfen 1014-1018 - von Kirche u. Staat in Italien 786-789 - von Priestern u. Laien 265-269, 288, 903 - zwischen Christen u. Muslimen 40, 253 f„ 268 - zwischen gesellschaftl. Gruppen 291 f. - zwischen Juden u. Katholiken 463 f. - zwischen Kardinälen/Bischöfen u. Bischof v. Rom 424-427, 536 - zwischen Klerus, Orden u. Laien 631 - zwischen Ordensgemeinschaften u. Bischöfen 1027, 1049 f. - zwischen Ordensleuten u. Laien 532-534 - zwischen Schule und Familie 330 - zwischen ziviler Obrigkeit u. Bischof v. Rom 415 f. Zusammenleben - menschliches 218 Zweifel 183 Zweites(n) Vatikanisches (en) Konzil(s) 107,114,419, 538, 559, 739, 743, 779, 925 f„ 928, 1014 f„ 1060, 1184-1187 - als Zeichen der Hoffnung 170 - Dokumente des - Apostolicam actuositatem 1041 f. - Christifideles laici 951, 958 - Christus Dominus 306, 537, 539-549 -Dei Verbum 36 f., 82, 122, 136, 663, 665, 699,741 f., 1010 f. -Gaudiumet spes 114, 118 f., 123, 130, 491,666, 701,782, 957, 1015 f. - Lumen Gentium 18, 52, 97 f., 101, 115, 147,306,418,938,951, 1015-1017, 1041 f. - Nostra aetate 129,710,1237 - Optatam totius 266 - Orientalium Ecclesiarum 743-746, 750 f. - Perfectae caritatis 738 f. - Presbyterorum ordinis 460, 771 f. - Unitatis redintegratio 105, 418 - Lehre des 343, 395,414, 960 f. - Liturgiereform des 445, 805, 1001, 1066-1070 -Väter des 1041 f. 1323 REGISTER Personenregister Aaron 779 Abacha, Sani, General Nigerianischer Staatschef 250 f. Abraham 24, 162, 258, 268, 386, 406, 441, 489,768, 818, 890, 1175, 1179 f., 1187, 1191, 1198, 1238 Acquademi, Giovanni Mitbegründer der Societä della Gio-ventü Cattolica 651 Adalbert (Vojtech), hl. (f 967) Missionar und Märtyrer, Bischof von Prag 812, 959, 967, 1005 f. Adam 159,491,622,665,701,880, 1174 - erster 883 -neuer 71,883 - zweiter 622 Adam von Perseigne 445 Aelred, Zisterzienser-Abt von Rie-vaulx, hl. (f 1167) 445 Agostini, Zefirino, sei. (| 1896) 796 f„ 803 Agramonte, Ignacio (El Bayadero) 213 Alberich 444 Albertus Magnus OP, hl. (f 1280) Kirchenlehrer 690 Aldea Araujo, Franziska (Franziska vom Heiligsten Herzen Jesu), sei. (f 1936) 517 f. Amadeus, hl. (t 1159) Bischof von Lausanne 445 Amalek (Enkel Esaus) 780 Ambrosius, hl. (t 397) Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 147, 178,598,601,603, 1180 Ambrozic, Aloysius Matthew, Kardinal, Erzbischof von Toronto 11, 340 Anastasia 338 Andreas, hl., Apostel Bruder des Apostels Petrus 92, 459 f„ 636, 865 f. Angela de la Cruz siehe: Guerrero Gonzales, Angela a Cruce Angelini, Fiorenzo, Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 19, 450 Anna (Hanna) Zeugin der Darstellung Jesu im Tempel 398, 818 Anna, hl. 103,519,803 Anselm OSB, hl. (f 1109) Erzbischof von Canterbury, Kirchenlehrer 668, 687 f„ 711 Antonetti, Lorenzo, Kardinal Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 11 Antoninus (Pius) römischer Kaiser (138-161) 590 Antonio de Sant’Anna Galväo, sei. 796 f., 803 f. Antonius 1181 Araujo, Serafim Femandes de, Kardinal, Erzbischof von Belo Horizonte 11,27 Arguello, Kiko 558 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog 254, 257, 813,1215, 1226, 1228 Aristoteles, griechischer Philosoph (f um 322/321 v. Chr.) 658, 790, 807 Arman, Howard, Professor 769 Atembina-Te-Bombo Doyen des beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps 372 Athanasius, hl. 74 1324 REGISTER Augustinus, hl. (354-430) ab 395 Bischof von Hippo 86, 97, 104, 385, 488, 573, 575, 596, 669, 676, 686,711,879, 939 Austria, Michael von, Metropolit 290 Badän, Didier Opertti Präsident der 53. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen 866 Baläz, Rudolf Bischof von Banskä Bystrica, Präsident der Bischofskonferenz der Slowenischen Republik 989 Balduin von Ford 445 Balland, Jean, Kardinal Erzbischof von Lyon 11, 27, 825 Ballestrero OCD, Anastasio Alberto, Kardinal, Erzbischof em. von Turin 825 Barnabas 108,512,535 Barragän, Javier Lozano, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 20, 449, 747, 818 Barrio, Julian Barrio Erzbischof von Santiago de Com-postela 864 Bartholomaios I. Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch 92, 636, 639, 865 Bartimäus 38 Basilius von Cäsarea, hl. (f 379) 78, 81,517,573 Baum, William Wakefield, Kardinal Großpönitentiar 861 Bausola, Adriano, Professor Rektor der Universitä Cattolica del Sacro Cuore 421 Benedikt von Nursia, hl. (t 547) Schutzpatron Europas 22, 444-446, 654-656, 739 Benjamin de Jesus ermordeter Bischof von Jolo (Philippinen) 369 Bemabei, Ettore, Dr. Vorsitzender der Gesellschaft Lux Vide 740 Bernhard von Clairvaux, hl. (| 1153) Kirchenlehrer und Zisterzienser-Abt 106,445,448, 1183 Bemini, Dante Bischof von Albano 647 Bertone SDB, Tarcisio Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof em.von Vercelli 274, 1213,1224 Bertram, Adolf, Kardinal Erzbischof von Breslau 1234 Bevilacqua, Anthony Joseph, Kardinal, Erzbischof von Philadelphia 1014 Biguzzi, S.X., George Bischof von Makeni 30 Bizimungu, Pasteur Präsident der Republik Ruanda 504 Boccardo, Giovanni Maria, sei. (1848-1913) 275-277 Bonaventura OFM, hl. (f 1274) Kirchenlehrer und Kardinal 711, 733 Bonifatius (Winfried) OSB, hl. (|754) 286,628 Bonifatius VIII., Papst (1294-1303) -auch Bonifaz VIII. 849 Borromäus, Karl, hl. (1538-1584) Kardinal 160, 757, 1025 Bossilkov, Vinzenz Eugen (Evgenij), sei.; Bischof und Märtyrer 36, 456 f., 905 1325 REGISTER Bovone, Alberto, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse 11,500, 502, 825 Bozanic, Josep Präsident der Kroatischen Bischofskonferenz 340 Bracco, Teresa, sei. 275-278 Brogi, Marco Dino, Apostolischer Nuntius im Sudan und Apostolischer Delegat in Somalia 369 Brollo, Pietro Weihbischof in Udine 319 Buchs, Roland Oberst der Schweizergarde 634 Buddha 657,1227 Buoncristiani, Antonio Bischof von Porto-Santa Rufina 526 Burj an, Hildegard 311 Buzek, Jerzy Ministerpräsident Polens 766 Bwabulakombe, Stanislas 124 Caballero, Jose Agustrn 217 Cabibbo, Nicola 807 Cäsar siehe: Julius Cäsar Caesarius, hl. 786 Cagli, Bruno, Professor Präsident der „Accademia Nazionale di Santa Cecilia“ 822 Cajetan von Thiene, hl. (f 1547) 276 Calasanz, Jose de (Josef von Kala-sanz), hl. 301, 798 Camillus von Lellis, hl. (fl614) 749 Campus, Don Pietro Generaloberer der Societe San Paolo [Gesellschaft des hl. Paulus] 524 Capelia, Anna, Professorin Leiterin des Studien- und Forschungszentrums für natürliche Fruchtbarkeitsregelung 442 f. Carberry, John Joseph, Kardinal Erzbischof em. von St. Louis 825 Carles Gordö, Ricardo Maria, Kardinal, Erzbischof von Barcelona 994 Carraro OFMCap., Flavio Roberto Bischof von Verona 803 Carrera, Norberto Rivera, Kardinal Erzbischof von Mexico 11 Carroll, John, Erzbischof 1035 Casal, Fernando Prego Bischof von Santa Clara 203 Casaroli, Agostino, Kardinal Kardinalstaatssekretär em. 621, 625-628, 825 Casini, Carlo Präsident der „Bewegung für das Leben“ 549 Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 453, 648, 1239 Castrillön Hoyos, Dano, Kardinal Präfekt der Kongregation für den Klerus 1163 Castro, Raul Stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates, Minister 221 Castro Ruz, Fidel, Dr. Präsident der Republik Kuba 12 f., 200, 247 Cespedes, Manuel de 220, 223 Chanel, Peter Aloisius Maria, hl. (f 1841) 877,948 Cheli, Giovanni, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs 11,1202 1326 REGISTER Chesnais, J. CI. Institut National dütudes Demographiques 1167 f. Cicero 386, 790 Clancy, Edward Bede, Kardinal Erzbischof von Sydney 899 Claret, Antonio Maria, hl. 221 Clemens Alexandrinus 685 Colasuonno, Francesco Apostolischer Nuntius in Italien 11 Comastri, Angelo Erzbischof von Loreto und Päpstlicher Delegat 20 Congar, Yves, Kardinal 97 Cordes, Paul Josef, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ 830 Cornelius, Hauptmann 512 Curie OFM, Vjeco in Kigali ermordeter Pater 16 Cyprian, hl. 140,418 Dabrowski, Bronislaw, Erzbischof 969 Dalla Torre, Giuseppe, Professor Vorsitzender des Verbandes der Italienischen Katholischen Juristen 871 David, König 67, 436 f„ 842, 888, 892, 1173, 1238 de Dios Vial Correa, Juan, Professor Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben 430 De Giorgi, Salvatore, Kardinal Erzbischof von Palermo 11 de la Caridad Maceo y Grajales, Antonio 220 de Veläzquez, Miguel, Pater 220 Deila Rocca, Stefano, Architekt 252 della Valle, Franco Bischof von Juma 369 Dembowski, Bronislaw Bischof von Leslau 953 Deskur, Andrzej Maria, Kardinal 179, 773 Deutsch, Vladimir L. lutheranischer Bischof 351 Diego SJ (Didacus Aloisius) von San Viktor (t 1672), sei 949 Diognet 828 Diokletian, römischer Kaiser (284-305) 144,590 Dionysios Areopagita 686,1182 Dios, Juan de 1000 Doctor Angelicus siehe: Thomas von Aquin Domnius, hl. (t 304) Bischof von Salona [Solin] und Märtyrer 142 f., 338, 351 Don Alberione, Jakob (1884-1971) Gründer der Gesellschaft des hl. Paulus 524-527 Don Bosco, Johannes, hl. 279 Don Mauro, Esteva 738 Don Orione, Luigi (1872-1940) Gründer des Kleinen Werks der Göttlichen Vorsehung 532-534 Duns Scotus, Johannes, sei. 823 Dupre, Pierre, Bischof Vize-Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 1239 Dyba, Johannes, Erzbischof Bischof von Fulda 45 Dyczkowski, Adam Bischof von Grünberg-Landsberg 953 Dziwisz, Stanislaw, Bischof beigeordneter Präfekt des päpstlichen Hauses 461-463, 810 Eder, Franz Xaver Bischof von Passau 286, 290 1327 REGISTER Eder, Georg Erzbischof von Salzburg 286 Elija, Prophet 122, 1178, 1180, 1196 Elisabet, hl. hebr. ,mein Gott ist Fülle“, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias, sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 59, 62, 70, 84, 116, 180, 221, 406, 452, 646, 1201 Engels, Friedrich 629 Estermann, Alois Kommantant der Schweizer Garde 64 Estermann-Limacher, Alois 516 Estermann-Limacher, Annemarie 516 Estrn, Petro Meurice Erzbischof von Santiago de Cuba 221 Etchegaray, Roger, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum 367,410,640,815 Euripides 658 Eusebius, hl. 273, 275, 338 Eustochia Schülerin des hl. Hieronimus 1181 Eutychius 574 Eva 880 Ezechiel, Prophet 67, 73, 85, 93, 118, 150,429 f., 825 Faggiani, Martino 822 Fagiani, Angelo Bischof von Camerino-San Serve-rino Marche 194 Fani, Mario Mitbegründer der Societä della Gio-ventü Cattolica 651 Fasching, Heinrich Weihbischof in St. Pölten 296 Faulhaber, Michael von, Kardinal Erzbischof von München und Freising 1234 Ferrazzetta OFM, Settimo A., Bischof 87,92 Florenskij, Pavel A. 711 Fontana, Riccardo Bischof von Spoleto-Norcia 197 Foresti, Bruno Bischof von Brescia 320, 323 Franceschetti, Benito Gennario Erzbischof von Fermo 194 Franz von Assisi, hl. 4,183,197-199, 435, 824, 1183 Franz von Sales, hl. 518 Franziskus siehe: Franz von Assisi Fremyot von Chantal, Johanna Franziska, hl. (f 1641) 518 Fridolin, hl. 883 Fumo, Carlo, Kardinal Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab 776 Gabriel, Erzengel 73,262, 735 Gandhi, Indira 1169 Gantin, Bemardin, Kardinal Dekan des Kardinalskollegiums, Präfekt der Kongregation für die Bischöfe 621,884 Gapp, Jakob, sei. 289 Garcla, Calixto, General 223 George OMI, Francis Eugene, Kardinal Erzbischof von Chicago 11, 1035 Gervasio, Giuseppe 874 Giaccardo, Timotheus, sei. (f 1948) 527 Gideon 67 Gilbert von Hoyland 445 1328 REGISTER Gillet, Paolo Weihbischof in Albano 647 Gilson, Etienne 711 Gioia, Francesco, Erzbischof em. von Camerino - San Severino Marche 1202 Giussani, Luigi, Prälat 558 Glemp, Jözef, Kardinal Erzbischof von Gnesen und Warschau, Präsident der Bischofskonferenz und Primas von Polen 968 Goclowoski, Tadeusz Erzbischof von Danzig 953 Golebiewski, Marian Bischof von Köslin-Kolberg 953 Gonzales, Dr. Deyanira Flores 824 Goretti, Sergio Bischof von Assisi - Nocera Umbra -GualdoTadino 197 Grande, Juan 1000 Gregor der Große, hl., Papst (590-604) 424,479,572 Gregor von Nazianz, hl. Kirchenlehrer 385, 711, 809, 847 Gregor von Nyssa, hl. 99, 1180 f. Grillmeier SJ, Alois, Kardinal 656, 825 Grillo Michel, Teresa, sei. (1855-1944) Gründerin der Kongregation der Kleinen Schwestern der Göttlichen Vorsehung 275-277 Guerin, Theodora, sei. (| 1856) 796, 798 f., 803-805 Guerrero Gonzales, Angela a Cruce [de la Cruz], sei. (f 1932) 1000 f. Guerricus von Igny 445 Gulbinowicz, Henryk, Kardinal Erzbischof von Wroclaw (Breslau) 953 Hamao, Stephen Fumio Bischof von Yokohama 762 Hanna Mutter Samuels 850 Harvey, James Michael Präfekt des Päpstlichen Hauses 461-463 Hedwig von Schlesien, hl. 774, 776, 812 Heerey, Charles Bischof von Onitsha 257 Herodes I., der Große, König (37-4 v. Chr.) 368 Herodes (Antipas) Tetrarch von Galiläa und Peräa (bis 39 n. Chr.) 108,231 Hickey, James Aloysius, Kardinal Erzbischof von Washington 1019 Hieronymus (Hieronimus), hl. 563, 1181 Hilarius von Poitiers, hl. 163 Hinojosa, Maria Gabriela, sei. 517 f. Hippolyt, hl. 806 Hochstaden, Konrad von Erzbischof von Köln (1226-1261) 633 Hoeckman OP, Remi Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 1239 Homer 658 Hosea, Prophet 433, 569 Hoyos, Dario Castrillön, Kardinal Erzbischof em. von Bucaramanga, Pro-Präfekt der Kongregation für den Klerus 11,770 Hur 779 Ignatius von Antiochien, hl. 74, 390, 575, 752, 806, 986, 1063, 1087 Ignatius von Lojola, hl. 620, 656 1329 REGISTER Johannes Chrysostomus (Chrysosto-mos), hl. 86, 603 Johannes der Täufer 6 f., 43 f,. 70, 76 f„ 485, 524, 880 Johannes von Damaskus 1182 Johannes von Ford 445 Johannes von Gott, hl. 237, 450 Johannes XXIII., sei., Papst (1958-1963) 170, 358, 622, 626,725, 1043,1070,1184 Johannes Paul I., Papst (1978) 622 Johannes Paul II., Papst (seit 1978) 353,778,833,1088,1113,1120, 1163, 1172,1186, 1202,1215 f., 1225, 1227, 1231, 1233, 1237, 1250 f. Jona 136 Josef in Montreal, hl. 1184 Josef von Kalasanz, hl. 301 Josef (Joseph), hl. 16, 62, 73, 77, 132, 180, 188 f„ 204, 398,444, 461-463, 519, 851, 858, 884, 891, 1178 - Patron der Familie 207 Josua 780 Jovan serbisch-orthodoxer Metropolit 351 Juan de Avila (Johannes von Avila), sei. (f 1569) spanischer Reformprediger 1000 Judas 47,521 Julius Cäsar 388 Juric, Ante Erzbischof von Split-Makarska 346, 350 Justinus, hl. 577, 590, 685 Ildefons, hl. (t 667) Erzbischof von Toledo 473 Innozenz I., hl., Papst (401-417) 573 Irenäus von Lyon, hl. (f um 202), Kirchenvater 73 f., 83, 86, 97, 113, 159, 479, 684, 848, 1086 Isaak, Sohn Abrahams 489 f.,768, 1175, 1179 Isaak von Stella 445 Isidor von Sevilla, hl. (| 633) 1000 Ismael, Sohn Abrahams 1175 Jakob 768,794 Jakob, Sohn Isaaks 842, 1175, 1179 Jakobus, hl., Apostel Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 603, 690, 757, 780, 1182 Jaricot, Pauline 785 Jeremia, Prophet 85 Jesaja, Prophet 14, 67 f., 70, 78, 93, 118, 242, 261, 263, 323, 437,474, 479, 485 f„ 878,1092, 1190,1192, 1199 Jiftach alttestamentlicher Richter und Heerführer 67 Joachim, hl. 103 Joel, Prophet 71, 93, 139, 559 Johanna Franziska von Chantal, hl. (t 1641) siehe: Fremyot von Chantal, Johanna Franziska Johannes, hl. Apostel und Evangelist, Bmder des Jakobus 37, 59, 63, 70, 87, 127, 140, 150, 177,185, 366, 405,459, 467, 490, 493, 496 f., 516, 518, 566, 574, 623, 625, 647, 718, 825 f„ 853 Johannes, Vater des Simon (Petrus) 885 Johannes Bosco, hl. siehe: Don Bosco, Johannes, hl. Kafka, Restitu(t)a, sei., Schwester 289, 301-303, 886 Kain 1174 Kamillus de Lellis, hl. 450 1330 REGISTER Kassab, Joseph (Yuossef) [Nimatulla-cius Al-Hardiny] sei. (f 1858) 65, 517 Kasper, Walter Bischof von Rottenburg-Stuttgart 155 Katharina von Siena, hl. (f 1380) 467 Keeler, William Henry, Kardinal Erzbischof von B altimore 1019 Kelsos, Philosoph 684 f. Kephas siehe: Petrus Kern, Jakob, sei. 300, 302 f., 886 Ketteier, Wilhelm Emmanuel Freiherr von, Bischof von Mainz (1850-1877) 629 Kierkegaard, Sören (1813-1855) philosophischer und theologischer Schriftsteller 713 Kirchgässner, Wolfgang Weihbischof in Freiburg 882 Klara von Assisi, hl. 4, 198 f., 207 Klestil, Thomas Bundespräsident der Republik Österreich 286,297,302 Klimakos, Johannes 1180 Kohl, Helmut Bundeskanzler 766 Kolumbus, Christoph 13, 200 Kolvenbach SJ General der Gesellschaft Jesu 894 Komarica, Franjo Bischof von Banja Luka 351 Konfuzius [Kung Fu-tse] (f 479 v. Chr.), Chinesicher Lehrer 657 König, Franz, Kardinal Erzbischof em. von Wien 291 Kopemikus 1183 Korec SJ, Jan Chryzostom, Kardinal Bischof von Nitra 340,448, 989 Kornelius, Hauptmann 77,104,173, 493 Kowalczyk, Jözef, Erzbischof Apostolischer Nuntius in Polen 810 Kozlowiecki SJ, Adam, Kardinal Titularerzbischof von Potenza Picena, Missionar in Sambia 11 Krenn, Kurt Bischof von St. Pölten 296 Kuharic, Franjo, Kardinal Erzbischof von Zagreb 340, 346, 351 Kuo-hsi SJ, Paul Shan, Kardinal Bischof von Kaohsiung 11 Kwaku Atuahene, Peter Bischof von Goaso 369 Kyrill (Cyrillus, Kyrillos), hl. (Mönch), Schutzpatron Europas 22 f., 316, 907, 989, 991 Kyrillos (Kyrill) von Jerusalem, hl. 139, 903 Laghi, Pio, Kardinal Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 505, 793,799,1120 Lampon, Angelito R. Bischof von Jolo 369 Lamy, Dr. Marielle 824 Lao-tse 657 Laval, Jacques-Desire, sei. (t 1864) 913 Law, Bernhard Francis, Kardinal Erzbischof von Boston 1075 Lazarus 138, 225, 856 Leander, hl. 1000 Lehmann, Karl Bischof von Mainz, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 379, 628, 769 Leo der Große, hl., Papst (440-461) 29 1331 REGISTER Leo III., hl., Papst (795-816) 286 Leo XIII., Papst (1878-1903) 97 f., 527, 600, 700 f„ 731, 742, 1212 Leopold, hl. 298 Lichtenberg, Bernhard, sei. Dompropst von Berlin 1234 Lossky, Vladimir N. 711 Lubich, Chiara 558 Luciani, Albino, Kardinal später: Johannes Paul I. 778 Ludwig von Montfort. hl. 18 Lukas, hl., Evangelist 70 f., 73, 78, 85, 105, 108,180 f„ 256, 275, 326, 366, 398, 474,485, 523, 575, 580, 614, 675, 778,874, 888,1178 Lustiger, Jean-Marie, Kardinal Erzbischof von Paris 46 Luzius von Zyrene 108 Macchi, Pasquale Bischof em. von Lerto, Sondersekretär Papst Pauls VI. 323 Maceo, Antonio 222, 225 Macharski, Franciszek, Kardinal Erzbischof von Krakau 773, 959 Mäder, Elmar Theodor Oberstleutnant und Stellvertretender Kommandant der Schweizergarde 634 Maffi, Giuseppe, Pfarrer 320 Magistris, Luigi De, Regens 861 Magnani, Paolo Bischof von Treviso 319 Maha Ghosananda 1227 Mahony, Roger Michael, Kardinal Erzbischof von Los Angeles 1060 Maida, Adam Joseph, Kardinal Erzbischof von Detroit 810,1029 Maleachi, (Malachias), Prophet 1193 Malinvaud, Edmond, Professor Präsident der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften 503 f. Manaen Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes 108 Marchisano, Francesco, Erzbischof Bischof em. von Port-Louis, Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche 391 Margeot, Jean, Kardinal Bischof em. von Port-Louis 909 Maria Magdalena (Maria aus Magdala) 102, 493 f. Maria Sagrario vom hl. Aloysius Gonzaga, sei. siehe: Moragas Cantarero Marinelli, Enrico, Polizeipräfekt 415 Marini, Piero, Bischof Zeremonienmeister des Heiligen Vaters 461,463 Maritain, Jacques, Philosoph 711, 790 Markus, Evangelist 1178 Markus von Krizevci (Kreutz) 338 Maroevic, Tomislav Koljatic Weihbischof in Concepciön 369 Marta (Martha), Schwester des Lazarus 150,226 Marti, Jose, Schriftsteller 204, 206, 217,219, 232 Martini SJ, Carlo Maria, Kardinal Erzbischof von Mailand 323 Martino, Rafaele Renato Nuntius und ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei der UNO 1249 Marx, Karl 629 Masseroni, Enrico Erzbischof von Vercelli 273 Matthäus, hl., Evangelist 43, 299, 1217 1332 REGISTER Matthias, hl. 521 Maurus, Märtyrer 338 Maximus der Bekenner 1182 Mazenod, Eugene de, hl. 736-738 Medina Estevez, Jorge Arturo, Kardinal, Erzbischof em. von Valparaiso, Pro-Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakra-mentenordnung 11, 425 Meisner, Joachim, Kardinal Erzbischof von Köln 340, 633, 769 Melchisedek 623 Mensa, Albino (f 1998) Erzbischof em. von Vercelli 274 Method (Methodius, Methodios), hl., Bischof, Schutzpatron Europas 22 f„ 316, 907,989, 991 Michel, Giovanni Battista 277 Michelangelo (Buonarroti) italienischer Bildhauer (f 1564) 386 Mieszko I., Herzog von Polen (f 992) Herzog seit 906, er nahm 966 das Christentum an und errichtete 908 das Bistum Posen. Um 990 unterstellte Mieszko sein Land dem Hl. Stuhl 969 Mfguez, Faustino, sei. 796,798, 803 f. Mistrorigo Antonio Bischof em. von Treviso 320 Monduzzi, Dino, Kardinal Präfekt em. des Päpstlichen Hauses 12 Montini, Giovanni Battista, Kardinal, Erzbischof von Mailand, später: Papst Paul VI. 320, 323, 325 Moragas Cantarero, Elvira (Maria Sagrario vom hl. Aloysius Gonzaga), sei. (f 1936) 517,519 Morello, Brigida, sei. (f 1679) Ordensfrau und Gründerin der Ursu-linen von der Unbefleckten Maria 35,456-458 Mose(s) 105, 162, 180, 258, 368, 449, 456, 458, 683,779 f., 1178, 1180 Müller, Manfred Bischof von Regensburg 286 Müller, Rudolf Bischof von Görlitz 68 Muszynski, Henryk Erzbischof von Gnesen (Gniezno) 953 Napierala, Stanislaw Bischof von Kallies (Kalisz) 953 Neururer, Otto, sei. 289 Newman, John Henry, Kardinal 711, 932, 1054 Nguyen Van Thuän, Franpois-Xavier, Bischof, Präsident des päpstlichen Rates Justitia et Pax 640 Nikodemus 45, 112 Nikolaus, Bischof von Myra, hl. 338 Nimatullah Al Hardini, sei. siehe: Kassab, Joseph Noah 258 Ntihinyurwa, Thaddäee Erzbischof von Kigali, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Ruanda 978 Obiefuna, Albert Erzbischof von Onitsha 257, 264 Olallo, Jose 237 Olmi, Vigiüo Mario Weihbischof in Brescia 320 Onaiyekan, John Olorunfemi Erzbischof von Abuja 260 Origenes 685 1333 REGISTER Ortega y Alamino, Jaime Lucas, Kardinal Erzbischof von Havanna 12, 200, 216, 229, 237 Paetz, Juliusz Erzbischof von Posen (Poznan) 953 Pallotti, Vinzenz, hl. 760 f. Pascal, Blaise 667,713 Pascual, Pedro 1000 Paul VI., Papst (1963-1978) 3, 11, 101, 106 f., 134, 146, 168, 265, 307, 320, 322-330, 359, 388 f„ 402,428, 441-443, 481,537, 564, 585, 596, 622, 626, 642, 689, 732, 786, 805, 823, 900, 926, 1044 f., 1061, 1088, 1184 f. Paul vom Kreuz, hl. 456 Paula Schülerin des hl. Hieronimus 1181 Paulinus von Nola, hl. 155,607 Paulus von Tarsus, hl., Apostel 15, 17,24, 29, 38,44 f„ 51,55 f„ 58, 70 f„ 78, 82 f„ 91 f., 94, 98-100, 108 f„ 112, 117-119, 126, 136, 140, 146,149,151, 155, 157, 159 f., 162 f„ 175, 185, 203, 212, 215, 226, 229, 235-237,246,256, 260 f„ 264, 272, 295, 324, 328, 338, 350 f„ 365 f„ 390 f., 396,407,425, 428, 439,460, 465,467,469 f. 474, 479, 488-490, 493, 512, 521, 535, 554 f„ 574 f., 588, 602, 605, 613 f„ 620, 633, 636-639, 647, 673-675, 683 f„ 708, 713, 718,765, 777,779,784, 793, 796-798, 800, 810, 821 f., 824, 828, 843, 851, 874, 876 f„ 883, 913, 925, 930, 942, 945, 959 f., 994, 999, 1011, 1019, 1026, 1028-1030, 1042, 1057, 1060, 1065, 1086, 1097, 1102, 1127, 1155, 1180, 1182, 1190, 1218 f„ 1249 Penderecki, Krzysztof polnischer Komponist 769 Pengo, Polycarp, Kardinal Erzbischof von Dar-es-Salaam 11 Peric, Ratko Bischof von Mostar-Duvno und Apost. Administrator von Trebinje-Mrkan 351 Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl., Apostel 17, 26, 37, 43, 48, 50, 63, 73 f., 77, 86, 91 f., 94 f„ 97,140, 155, 234, 237, 247, 286 f„ 299, 304, 306, 309, 316, 323 f„ 326, 331, 351, 388, 390 f., 402 f„ 414,424-429, 441, 454,459, 465, 469,493 f„ 501 f„ 512, 522, 534-536, 557, 559, 574, 619 f., 623, 627, 636-639,774, 778, 780, 786 f., 848, 851, 865 f„ 874, 885, 899, 904 f„ 925, 930, 959, 994, 999,1019, 1024, 1028 f„ 1043, 1060, 1065, 1182,1206, 1216-1219, 1221 f„ 1224 Philipp Neri, hl. 849 Philippus, Apostel 140, 1020 Piat, Maurice Bischof von Port-Louis, Präsident der Ozeanischen Bischofskonferenz 909 Pidal y Chico de Guzmän, Maria de las Maravillas, sei. (t 1974) 517, 519 Pilatus 231, 842,1204 Pironio, Eduardo Francisco (Fran-cisko), Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates für die Laien 401-404, 475, 825 Pittau SJ, Giuseppe Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana 800, 807 Pius IX., sei., Papst (1846-1878) 388 Pius X., hl., Papst (1903-1914) 394, 527, 697 Pius XI., Papst (1922-1939) 370, 1234 1334 REGISTER Pius XIL, Papst (1939-1958) 97, 158, 332, 506, 626, 697, 699, 728, 1016, 1041, 1235, 1236 Platon 658 Plinius der Jüngere 574 Ploscaru, Ioan Erzbischof em. von Lugoj (Rumänien) 371 Poletti, Ugo, Kardinal 441 Pollio 338 Polio, Secondo, sei. (t 1941) 272-275 Polykarp, hl. 1092,1103 Pompedda, Mario Franciesco, Erzbischof Dekan der Römischen Rota 369 Poupard, Paul, Kardinal Präsident des Rates zur Koordinierung der Päpstlichen Akademien 822, 836 f. Prodi, Romano Ministerpräsident Italiens 651 Przykucki, Marian Erzbischof von Stettin-Kamin (Szczecin-Kamien) 953 Pühringer, Josef Landeshauptmann von Oberösterreich 155 Pujalte Sanchez, Rita Dolores (Rita a Vergine Perdolente), sei. (f 1936) 517 f. Puljic, Vinko, Kardinal Erzbischof von Sarajevo 340, 346, 351 Quarracino, Antonio, Kardinal Erzbischof von Buenos Aires 825 Quirinus, Märtyrer 338 Rasoamanarivo, Victoire, sei. (f 1894) 924 Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 441, 501, 826 f., 829, 882, 1213,1224 Razafmdratandra, Armand Gaetan, Kardinal Erzbischof von Antananarivo, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Madagaskar 918 Re, Giovanni Battista, Erzbischof Substitut im Staatssekretariat, Erste Sektion 320, 323 Rhabanus Maurus 629 Ribeiro, Antonio, Kardinal Patriarch von Lissabon 825 Ribera, Juan de, hl. 1000 Robert de Molesme OSB, hl. (t 1111) 444 Rodrfguez, Juan Garcfa Weihbischof in Camagüey (Kuba) 213 Rodrfguez Herrera, Adolfo Bischof von Camagüey (Kuba) 213 Rosmini, Antonio 711 Rugambwa, Laurean, Kardinal Erzbischof em. von Dar-es-Salaam 825 Ruini, Camillo, Kardinal Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz 780 Rupertus, hl., Bischof 286 Rybak, Tadeusz Bischof von Liegnitz (Legnica) 953 Rylko, Stanislaw, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien 555,810 Saier, Oskar Erzbischof von Freiburg 882 Sailer, Johann Michael Bischof von Regensburg (1829-1832) 460 1335 REGISTER Salas, Esteban 220 Saldarini, Giovanni, Kardinal Erzbischof von Turin 278, 283 Salerno, Francesco Saverio, Bischof Sekretär der Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten des Hl. Stuhls 370 Salles y Barangueras, Maria del Carmen, sei. Gründerin der Missionarinnen und Schulschwestem von der Unbefleckten Empfängnis 36, 456, 458 Samuel 850 Sanchez Sorondo, Marcello, Msgr. 807 Santander 994 Sara, Frau des Manoach 818 Saraiva Martins, Jose, Erzbischof, Sekretär der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 1120 Sarkander, Johann (| 1620), sei. 1005 Satan 647 Saulus (Paulus) von Tarsus siehe: Paulus Sava (f 1235) serbischer Nationalheiliger 979 Scalabrini, Giovanni Battista, sei., Bischof (t 1905) 757 Scalfaro, Oscar Luigi Italienischer Präsident 786 Schleck, Charles Beigeordneter Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 618 Schneider, Dr. Johannes 824 Scholastika, hl. 656 Schönbom OP, Christoph, Kardinal Erzbischof von Wien 11,56,286, 297, 302, 340 Schotte, Jan Pieter, Kardinal General-Sekretär der Bischofssynode 878 Schwartz, Anton Maria, sei. (t 1929) Gründer der „Kongregation der frommen Arbeiter“ nach der Regel des hl. Josef von Kalasanz 301-303, 886 Scubilion (Johann Bernhard Rousseau), Bruder, sei. (fl867) 913 Scuppa, Luigi Bischof von Fabriano-Matelica 197 Segmüller, Pius Oberst der Schweizergarde 634 Sepe, Crescenzio, Bischof Sekretär der Kongregation für den Klerus 410 Seton, Elizabeth Ann, hl. 1035 Severianos von Gabala Vater der Ostkirche 85 Sgreccia, Elio, Bischof Leiter des Instituts für Bioethik der Universitä Cattolica del Sacro Cu-ore, Stellvertretender Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben 421,430, 549 Shagari, Shehu Präsident von Nigeria 269 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 750 Simeon, Prophet Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 180, 398 f„ 577, 818 Simeon (gen. Niger) 108 Simionato, Don Roberto Generaldirektor des Kleinen Werks der Göttlichen Vorsehung (Don Ori-one) 531 Simon Barjona siehe: Petras 1336 REGISTER Simon Petrus siehe: Petrus Simonis, Adrianus Johannes, Kardinal Erzbischof von Utrecht Vorsitzender der Bischofskonferenz der Niederlande 930 Simson 67 Sirach 819 Skworc, Wiktor Bischof von Tamöw 369 Sodano, Angelo, Kardinalstaatssekretär 19 f„ 340,441,633 Sokrates Philosoph der Antike 677, 815 Solov"ev, Vladimir S. 711 Somalo, Edoardo Martmez, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens 400 Sophokles 658, 790 Stafford, James Francis, Kardinal Erzbischof em. von Denver, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 11,555,558 Stanislaus, hl. Bischof von Krakau 774, 812 Steckling OMI, Wilhelm Generaloberer der Missionare Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria 736 Stein, Edith, hl. (Teresia Benedicta vomKreuz) 145,149,711,765-770, 886 Stein, Rosa 766 Stephan Mitbegründer der Abtei Citeau 445 Stephanus, hl., Märtyrer 108,188 Stepinac, Alojzije, sei., Kardinal Erzbischof von Zagreb 142-144, 331 f„ 338-342, 346, 349, 351, 886 Strofaldi, Filippo Bischof von Ischia 369 Sturm, Herwig, Magister Bischof der evgl. Kirche in Österreich 290 Suärez, Francisco 703 Sudar, Pero Weihbischof in Sarajevo 351 Sultan von Sokoto 252 Superbo, Agostino Bischof em. von Altamura-Gravina-Aequaviva delle Fonti 651, 874 Suski, Andrzej Wojcieck Bischof von Thom (Toruh) 953 Swiatek, Kazimierz, Kardinal Erzbischof von Minsk-Mohylew und Apostolischer Administrator von Pinsk 773 Szlaga, Jan Bemard Bischof von Pelplin (Chelmno) 953 Talavera, Jeronimo Hemando de, hl., Mönch 1000 Tansi OCSO, Cyprian Michael Iwene, sei., (f 1964) 40 f., 250, 253, 255-259, 261, 263 f„ 269, 447, 886 Tavelic, kroatischer Märtyrer 338 Teoctist Patriarch der Orthodoxen Kirche Rumäniens 649 Teresa von Kalkutta 653 f. Teresia Benedicta vom Kreuz siehe: Stein, Edith Temyäk, Csaba, Bischof Sekretär der Kongregation für den Klerus 1163 Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der alten Kirche 58, 393, 684, 687 Tettamanzi, Dionigi, Kardinal Erzbischof von Genua 11 1337 REGISTER Therese (Theresia) von Lisieux (vom Kinde Jesus), hl. Kirchenlehrerin 98, 149, 766, 829 Theresia von Avila 766 Thomas, hl., Apostel 102 f., 158, 497 f., 521, 573, 578 f., 667, 807, 876 Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274), Kirchenlehrer 73 f., 86, 100 f„ 113, 127,133, 147,480, 487, 623, 688-690,700, 702, 711, 714 f„ 801 Timotheus, Schüler des Apostels Paulus 17, 264, 350, 396,779, 797 f., 800, 942, 1026, 1029, 1086, 1102, 1155 Tiribilli OSB, Michelangelo Riccardo M., Generalabt der Benediktiner-Kongregation vom Monte Oliveto 643 Titus, Schüler des Apostels Paulus 350 To Rot, Peter, sei. (f 1945) 944, 946 Todea, Alexandm, Kardinal Erzbischof em. von Fägäras und Alba Julia 371 Tolomei OSB, Bemardo, sei. (f 1348) 643 f., 646 Tomäsek, Frantisek, Kardinal 1006 Tomko, Jözef, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 618, 826, 838 Toniolo, Giuseppe 57,651 Tomay, Cedric Vize-Korporal der Schweizer Garde 64 Tovini, Giuseppe, sei. (f 1897) 322 f„ 325-330 Trujillo, Alfonso Lopez, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 789 Tschaadaev, Petr J. 711 Tuan Inmin, Matthias Bischof von Wanhsien 499, 523 Uhac, Giuseppe, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker; Präsident des Höheren Rates der Päpstlichen Missionswerke 12,425 Ulpianus 807 Valdes, Carlos Jesus Patricio Ba-ladron, Bischof von Guantänama-Baracoa 225 Vallejo, Carlos Amigo Erzbischof von Sevilla 999 Vanier, Jean 558 Varela, Antonio Maria Rouco, Kardinal Erzbischof von Madrid 11 Varela y Morales, Felix, Pater 14, 216-220, 232, 237 Venanzius 338 Vianney, Johannes Maria, hl. Pfarrer von Ars 276 Villanueva, Thomas de Austustinermönch 1000 Villot, Jean Kardinal Kamerlengo 778 Vinzenz von Paul, hl. (t 1660) 138 Virgil, (Fergal) hl. (t 784) Bischof aus Irland 286 Vlk, Miloslav, Kardinal Erzbischof von Prag 454 Volk, Hermann, Kardinal Bischof von Mainz 629 Wagner, Alois, Erzbischof 155 Weber, Johann Bischof von Graz-Seckau, Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz 53, 286, 297, 302 1338 REGISTER Wesoly, Szczean, Erzbischof Präsident der Stiftung „Johannes Paul II.“ 810 Wetter, Friedrich, Kardinal Erzbischof von München und Freising 286, 656 Wilhelm von Saint-Thierry SOCist, sei. (f 1148) 445 Willigis, hl. Erzbischof von Mainz (975-1011) 628 Wyszynski, Stefan, Kardinal Erzbischof von Warschau und Primas von Polen 339, 774 Xu Zhixuan, Joseph Bischof, Koadjutor in Wanhsien 499 Zacharias 62, 70 Zak, Franz Bischof em. von St. Pölten 296 Zdislava, hl. (t 1252) Landespatronin Böhmens 1005 Zeiger SJ, Ivo 629 Länder- und Ortsregister Abendland 657,659,686,691,743, 823, 1151 Abendmahlssaal 53, 57, 76, 82, 85, 93, 103, 414, 427,468, 477 f., 483, 486, 497 f„ 509, 521,558, 578, 614 f„ 619, 623, 637, 639, 761,1201 Abitana (Provinz Africa proconsula-ris) 590 Abuja (Nigeria) 40, 250, 252, 260, 269 Accona 644 Adria 174 Adriatisches Meer 349 Ägypten 59, 125, 258 f., 368, 492, 567, 571, 597, 599, 669, 709, 890, 1071, 1175 f., 1180 Äthiopien 79 f. Afrika 10,16,30,39-41,79,111, 121, 124, 250-252, 256-262, 264-267, 270 f„ 376 f„ 493, 520, 523, 650, 710, 736, 784, 804, 886, 919 f„ 983-985, 988, 1048, 1180,1237 -Kirchein 41,267 - Nordafrika 876 - Südafrika 492 - Westafrika 251,254 Agde 590 Alaska 1065 Albano - Bistum 647 Alessandria 277 Alexandrien 746, 1220 Alfter 49 Algerien 5, 10, 375, 1171 Altkirchen 186 Altötting 1200 Amazonasgebiet 50 1339 REGISTER Amerika 46, 202, 262, 520, 886, 1014, 1020, 1022, 1026, 1062, 1065, 1075, 1080, 1165,1167, 1180, 1237 - Lateinamerika 373, 403, 736, 784, 804, 1048, 1184 - Mittelamerika 160 f., 520 - Nordamerika 520, 811 - Südamerika 520, 811 - Vereinigte Staaten von Amerika 26, 462, 766, 770, 1009-1014, 1016-1020, 1022-1024, 1029, 1034-1039, 1041, 1046-1051, 1053, 1058-1060, 1063, 1065, 1070, 1075 f„ 1079, 1165, 1167 Anambra 261 Ancona 787 Annifo 4, 193 f., 196 Antiochia/Antiochien 74, 82, 105, 108, 390, 535,575, 605, 746, 752, 806, 986, 1063, 1087, 1220 Aotearoa 929 Aparecida 1184, 1200 Apennin 193, 195 Apulien 174 Areopag 683 Argentinien 403 Arizona 1070 Arkansas 1053 Asien 53 f„ 56 f„ 69, 111, 262, 374, 496-500, 520-524, 710, 736, 784, 814, 886, 1048, 1165-1167 - Kirche in 57, 500 - Provinz 709 - südliches 876 Asien-Pazifik Region 949 Assisi 4, 130, 183, 193, 196-199, 648, 824, 1190 -Bistum 197 Astorga 994 Asturien 994 Athen 158,675,683,687 Atlanta 1019 Atlantik 285 Augsburg 79 Auschwitz 925, 1190 - Konzentrationslager 766 Australien 876-901, 924, 1165, 1167 - Kirche in 900 Avellaneda 402 Babel 104 Babylon 67 Bad Säckingen 187, 882 Baden-Württemberg 882 Bagdad 30 f. Balearen 999 Balkan 80, 1237 Baltimore 1019 Bamberg 141, 160 Bangladesch 111 BanjaLuka 351 Banskä Bystrica 989 Baracoa 200 Barcelona 994 Basel 83,90,420 - Bistum 107 Bayern 110 Belluno-Feltre -Bistum 319 Belo Horizonte (Brasilien) 11, 27 Benares 1191 Berg Horeb 1180,1196 Berg Zion 1176 f„ 1191, 1193 Bet-El, Heiligtum 850 Betlehem 5, 178, 366, 368 f„ 376, 384, 461, 845, 850, 857, 860 f„ 888-892, 1181 1340 REGISTER Bialistok [Bialystok] - Erzbistum 968 Bielsko-Zywiec - Bistum 766, 959 Bithynien 574 Bodensee 882 Böhmen 286 Bologna 196 Bombay 1184 Bomo 320 f. Bosnien 342 Bosnien-Herzegowina 351,373 Boston 1075 Bougainville 944 Bozen 145 Brasilien 7, 277, 369, 384, 797, 803, 1169 Bratislava (Preßburg) 555 Brescia 97, 106, 320, 322-327, 330 - Bistum 320 - Kirche in 330 Breslau (Wroclaw) 953, 955, 969, 1234 - Erzbistum 766, 955, 960 Britannien 1180 Brixen 286 Brüssel 648 Bucaramanga 11 Buenos Aires 43, 402, 440, 474 Bukarest 648 f. Bulgarien 457, 904 f„ 908, 1167 - Kirche in 457 Burgberg 139 Burglengenfeld 87 Burundi 5, 376 Butare - Bistum in Ruanda 979 Cadore 96,318 Caesarea in Numidia 11 Caesarea Philippi 37, 427 Camagna (Alessandria) 103 Camagüey (Kuba) 13,212 f., 247 Camerino 193 Camonicatal 320 f. Canterbury 687, 1182 Capri 12 Cascia 193 Castel Gandolfo 49,102, 106, 110, 114, 116, 120, 124, 128,188 f„ 324, 413,516, 635, 646 f. Castel San Giovanni 627 Cerro de los Angeles 519 Cesi 4, 193 f„ 196 Chiapas (mexikan. Provinz) 373 Chicago (U.S.A.) 11,1035 Chile 27,369 China 111,374,492,499,521,523, 710, 1167, 1180, 1237 Clteaux, Abtei 444-448 Cividate Camuno 326 Clairvaux 1183 Cobre 206,216,233,917 Colorado 1070 Compostela 1182 Concepciön (Chile) 369 Convadonga 999 Costa Rica 824 Crea - Marienwallfahrtsort 274 Dachau 1234 Dalmatien 349 f. Damaskus 237, 469, 493, 1182 1341 REGISTER Danzig (Gdansk) - Erzbistum 953, 969 Dar-es-Salaam, (Tansania) 11 Delphi 178,815 Denver (USA) 11, 43, 440, 474, 1069 Detroit 810 Deutschland 145,152, 381, 621, 628-630, 755, 765 f„ 1167, 1180, 1234 - Kirche in 628, 1234 Donau 22, 286, 316 Drau 286 Drohiczyn - Bistum in Polen 968 Dubrovnik 335 Dubuque 1048 Eichstätt 79 ElCobre 220,223 El Rincon 225 El Salvador 160 Elbing (Elblag) - Bistum 968 Elvira 590 Emmaus 102,468,1179 England 40 En-Karim 646 Ephesus 59, 140 Eritrea 79 f. Ermland (Warmia; jetzt: Allenstein [Olsztyn]) -Erzbistum 968 Esequibo (Guyana) 50 Estland 1167 Eteria 1182 Europa 22 f., 87, 89, 142, 165 f., 262, 284 f., 289, 291 f., 294, 317, 332, 334, 340, 351, 370 f., 373, 419 f., 444-446, 454, 465, 493, 505, 523, 620 f„ 629, 648, 757, 789 f„ 811, 864, 871, 876 f., 882, 908, 969, 972 f„ 1004, 1165, 1167, 1182, 1190, 1232, 1234 - Europäische Union 292 - Mitteleuropa 373, 508, 621 -Nordeuropa 1165 - Osteuropa 342, 373, 622, 904, 1166 - Ostkirchen E. 753 -Südeuropa 1166 - Südosteuropa 293, 353 - Westeuropa 621, 1165 Fabriano 193 Fatima (Portugal) 68,290,1184, 1200 Fermo - Erzbistum 194 Florenz 147, 746 Foligno 193 Forchheim 160 Frankfurt 629 Frankreich 27, 46, 798, 824, 1171 Freiburg - Kirche von 882 Freising heute: Erzbistum München und Freising 286 Fulda 53 - Bistum 45 Galicien, (Galizien) 804, 864 Galiläa 26, 76, 78, 188,406,494, 623, 636, 968 Gallien 1180 Gaming 298 Garmisch-Partenkirchen 53 Garten Eden 1174 Gelobtes Land 1175,1180 Genf 374 1342 REGISTER Genua (Italien) 11 Georgien 1167 Gera, Stift 300 Germanien 286, 629 Ghana 369 Girona 994 Gleiwitz, (Gliwice) - Bistum 959 Gnesen (Gniezno) 972 - Erzbistum 953, 960 Goaso - Bistum in Ghana 369 Görlitz 68 Golgota (Golgotha) 19, 29,42, 63, 81 f„ 110, 180 f., 338,369,478, 486, 489 f„ 587, 623, 637, 822, 843, 858,925, 1178 Granada 999, 1001 f. Graz 290,420 Graz-Seckau 286 - Bistum 53 Griechenland 876 Großmähren 22 Grünberg-Landsberg (Zielona Göra-Gorzöw - Bistum 953 Guadalupe 46, 1184, 1200 Gualdo Tadino 197 Guantänamo-B aracoa - Bistum in Kuba 225 Guaratinguetä (Brasilien) 803 Guatemala 160 Guinea-Bissau 87, 92, 111, 156 Guyana 50 Hajdüdorog - ungarische Eparchie des byzantinischen Ritus 753 Hamburg 164 Hartford (USA) 1075 Havanna 12-14,200,216-218,225, 229, 233, 237, 240, 246 f„ 916 Hawaii (USA) 1060 Heiliges Land 375, 412, 776 f„ 846, 851, 860, 1181-1183 Herzegowina 342 Hildesheim - Bistum 25 Himalaya 521 Hiroshima 925, 1190 Hollabrunn 300 Holland 145 Honduras 160 Hongkong (Hong Kong [Xianggang]) - Bistum 499 Ianomami-Indianerreservats 50 Idaho 1065 Indianapolis 1035 Indien 492,498 f., 521, 710, 784, 877, 1169, 1180, 1214 Indischer Ozean - Inseln des 908,909,913 Indochina 521 Indonesien 70, 499, 521, 811 Irak 20, 165, 186, 376 Irland 117,280,286 Ischia - Bistum 369 Israel 33 f„ 61, 122,154, 188, 569 f., 842, 1236 Italien 4,7,11,15,20,31,46,57, 65, 83, 91, 161, 166. 170, 179, 196, 198 f„ 279, 325 f., 349, 384, 388, 392, 415, 440, 467, 475, 492, 550-552, 780, 786-789, 832, 871 f„ 874-876, 879, 895, 1167, 1171, 1180, 1239 - Kirchen in 875 1343 REGISTER Jaen 1000 Jakobsbrunnen 768 Japan 499, 521, 710, 784, 1165, 1167 Jasna Göra 339, 474, 774, 776, 968, 1182 Jericho 1188 Jerusalem 34, 42, 91, 105, 108, 137, 139, 161, 276, 368-370, 376 f„ 461, 471, 473 f„ 493 f„ 497-499, 535, 558 f„ 612, 626, 637, 639, 687,709, 746, 761, 777,780 f„ 810, 846, 850 f„ 860, 876, 903,1176, 1178 f„ 1181-1183, 1187 f., 1191, 1194, 1196, 1201 Jolo (Philippinen) 369 Jordan 6, 44, 70, 76 f„ 140, 295, 384 f„ 477, 485, 511 Juda 891 Judäa 34, 137, 188, 276, 471, 602, 709, 781 Jurna (Brasilien) 369 Kaduna 254 Kafamaum 78, 623 Kairo 1167 Kalifornien 1060 Kallies (Kalisz) - Bistum 953 Kalvaria (Kalvarienberg) 28, 437, 486, 622, 655, 844, 1201 Kambodscha 1237 Kampanien (Italien) 65 Kana 8, 21, 36, 38, 62, 406, 822, 968 Kanada 26,492, 736, 1165,1167 Kanarische Inseln 999 Kansas City (USA) 1048 Kantabrien 994 Kaohsiung (Taiwan) 11 Kappadozien (Kappadokien) 709, 1181 Karibik 160, 520, 1166 f. Karmel 1180 Kasachstan 499 Kasika 124 Katalonien 994 Kattowitz (Katowice) 959 Kaukasus 876 Kenia 111 Kielce - Bistum 959 Kigali (Ruanda) 16 Kleinasien 48, 1180 Köln 49, 629, 633, 765 f., 1234 - Erzbistum 145, 766 Köslin - Kolberg (Koszalin-Kolobrzeg) - Bistum 953 Kolobrzeg, siehe: Koszalin-Kolobrzeg Kolumbien 27, 492 Kongo 111, 124, 156, 161, 376, 983, 988 Kongo-Brazzaville 376 Konstantinopel 22, 92, 639, 746, 865 - Kirche von 22, 636 Korea 374,499,784 Korinth 24, 146, 296, 407, 460, 470, 588,603,810 Kosice 989, 993 Koszalin-Kolobrzeg (Köslin-Kolberg) - Bistum 960 Kosovo 33,80,111,353,650 Krakau (Krakow) 386, 508, 564, 773,775,812, 970, 1021, 1033 - Erzbistum 462, 766, 959 - Wawel-Hügel 774 1344 REGISTER Kroatien 142-144, 331-337, 339, 343, 345 f., 349, 351-353, 886 -Kirchein 331,347 Kuba 12-14, 199 f„ 202-204, 206 f., 209-213, 215-221, 223-227, 229 f„ 232-234, 240 f„ 243-245, 247-249, 373, 885,913-917, 1167 -Kirche in 15,202,225,241,915 La Plata - Erzbistum (in Argentinien) 402 La Storta 30, 56, 148 Lagos 252, 269 Langenlois 99 Langhe 278 Latium 894 Lech 286 Leon 994 Leslau (Wloclawek) - Bistum 953 Lettland 1167 Libanesische Republik 65 Libanon 65,499,518,520 Liberia 251 Libyen 709 Liechtenstein, Fürstentum 145 Liegnitz (Legnica) - Bistum 953 Litauen 302 Lleida - Bistum 994 Lodz 959 Lombardei 323 Lomza - Bistum 968 Lorenzago di Cadore 96, 103, 318 Loreto 19-22, 404, 406, 1182, 1184, 1200 - Heiligtum von 20, 405 Louisville -Erzbistum 1024 Lourdes (Frankreich) 19-21,1184, 1200 Lowicz - Bistum 968 Lublin - Erzbistum 968 Lujän 402, 1200 Lyck (Elk) - Bistum 968 Lyon (Frankreich) 11,27,73,83, 159, 785 Macaca 220 Macerata 193 Madagaskar 918 f., 922 f. Madrid 11, 375, 518 f. Mähren 286, 1006 Mailand 190, 324, 327, 388, 648, 650 Mainz 628 f. - Bistum 135,137, 628 Makeni 251 - Bistum 30 Manila 43,440,474 Mar del Plata - Bistum (in Argentinien) 403 Mariazell 1200 Maribor 286 Marija Bistrica (Kroatien) 142 f., 333, 338 f„ 341, 346, 353 Marken 4, 193-195,197, 199 Marokko 1171 Mauritius 909 Melanesien 944 Mesopotamien 669, 709 Mexiko 7,11,27,384,886,1165 Miami (USA) 1019 1345 REGISTER Michigan 1029 Milwaukee 1035 - Erzbistum 462 Mindelheim 129 Minnesota 1041 Minsk-Mohylew - Erzbistum 773 Mittelmeer 285, 1180 - Region 876 Mittlerer Osten 650,1237 Mobile 1024 Mongolei 374 Montana 1065 Monte Oliveto 644, 646 Monte Oliveto Maggiore, - Erzabtei 645 Montecassino 787 Montreal 1184 Montserrat (Spanien) 999 Morgenland 369 Morija (Berg) 489 Mostar-Duvno -Bistum 351 Mount Saint Bemard - Trappistenabtei 40, 257 München und Freising - Erzbistum 286 Münster - Bistum 766 Myanmar 111 Nagasaki 1190 NaherOsten 20, 31, 161, 165, 375, 494, 753, 784, 892 Nazaret 23, 38, 59, 61, 69 f„ 74, 76-78, 84, 93, 132, 189, 206, 230, 295, 314, 366, 368, 376, 385, 408, 461-463, 473, 484 f„ 493, 511, 646, 665, 668, 822, 841 f„ 847, 860 Neue Welt 757,1000 Neue Welt (sogen.) 753 Neu-England 1075 Neuseeland 878, 899, 924, 929, 1165 -Kirche 925 Nevada 1060 New Jersey (USA) 1014 New Mexico (USA) 1070 New Orleans 1024 New York 80, 218, 1009 Nicaragua 160 Niederlande 766, 929, 930 Nigeria 39 f„ 250-252, 254-271, 447,886 -Kirche in 39,41, 252, 258, 261 f„ 264 Nizäa 536 Nocera Umbra 197 Norcia 193 Nord-Dakota 1041 Nordirland 50,117,373 Nordkorea 53 f. Nordrhein-Westfalen 41, 766 Nordsee 285 Norfolk 1054 Nyundo (Diözese in Rwanda) 10 Oba 256 Ölberg 490,644 Ölgarten 29 Österreich 27, 87-89,152, 284-287, 289-294, 297 f„ 302 f„ 306 f„ 309 f„ 315-317, 824, 886, 936 f„ 939, 942 f. - Kirche in 87, 298, 315 f„ 942 - Oberösterreich 68, 155 Ohio (USA) 1029 Oklahoma 1053 1346 REGISTER Omaha 1048 Onitsha 40,255,261 - Erzbistum (in Nigeria) 257 Opole (Oppeln) - Bistum 959 Oregon 1065 Orient 5, 349, 657, 659, 661, 710, 742-744, 750, 1151, 1183 Oropa - Marienwallfahrtsort 274 Oslo 375 Ostböhmen 1006 Osten 23, 649, 686, 746,753, 861, 1034, 1179 f., 1183 - europäischer 876 Ost-Timor 111,374 Ottawa 374 Oviedo 994 Ozeanien 169, 183, 262,784, 843, 876-878, 884, 899, 924, 943, 948, 952, 1165, 1167, 1180 - Kirchen in 878 Paddan-Aram 1175 Padua 648,1182 Palästina 61, 1181 Palatin 786 Palermo 11,875 Pamphylien 709 Pancalieri 276 Pannonien 349 Papua-Neuguinea 878, 899, 924, 943, 945 f. - Kirche in 947 Paradies 1174,1181 Paris 43, 46,279, 440, 464,467, 474 f„ 824, 964, 1168 Passau - Bistum 286 Patmos 497 Pazifik 878, 899, 924, 948 f., 951 f. - Inseln 878, 924 - Ozean 899, 952 Peking 422,1167 Pennsylvania 1014 Peru 1169 Philippi 638 Philippinen 499,784,1184 Phrygien 709 Piacenza-B obbio - Bistum 463, 627 Piemont 277 f. Pinsk - Bistum 773 Pisidien 82, 605 Plozk (Plock) - Bistum 968 Polen 7,142,164 f„ 195, 303, 339, 369, 384, 386, 508, 766, 773-775, 810-812, 953 f„ 956, 959, 961 f., 964-966, 968-970, 973, 975 f. - Kirche in 774, 776, 958, 963, 965-967,969, 971, 973 f„ 976, 977 Pontus 709 Port-Louis 909 Posen (Poznan) - Erzbistum 953 Potenza Picena 11 Prati (Stadtteil Roms) 438 Przemysl-Warschau 959, 968 Puebla 784 Radom - Bistum 959 Regensburg - Bistum 286 Rheinland-Pfalz 766 Rio de Janeiro 13, 189 1347 REGISTER Rocca di Papa 103, 555 Rom 9, 27, 30 f„ 41, 43,45 f., 56 f., 60, 64 f., 68, 75 f., 84, 86, 88-92, 96, 102, 110, 121,123, 135, 141 f., 145, 148, 152, 155, 160, 169 f„ 179, 183, 186, 189 f„ 234, 246, 284, 286 f., 289, 292, 300, 304, 315, 342, 349, 351, 370 f„ 386-391, 403, 412, 415, 424 f„ 437, 438-441, 459,463-467, 469, 474 f., 495 f„ 498, 505, 523, 549, 555, 613, 615, 620, 624, 627 f„ 636-639, 642, 651, 743, 745 f., 765-767, 769, 776 f„ 780, 784, 786 f„ 793, 795, 804-806, 811 f., 824, 827, 845 f., 849 f„ 860, 863, 865, 868, 876, 879, 882, 892-895, 904, 914, 929, 991,994, 1075, 1120, 1150, 1165,1178,1181-1184,1190, 1217 - Bistum 31, 60, 92, 438, 464, 509, 780, 795, 885 - Katakomben: - Domitilla 392 - Marcellinus 392 - Petrus hl. 392 - Priscilla 392 - San Callisto 392 - San Sebastiano 392 - Sant‘ Agnese 392 - Kirche 412, 428, 509 f„ 636, 638, 652, 1224 - Kolosseum 489 - Sixtinische Kapelle 773, 778 -Stadt 91 Roraima - Bistum in Brasilien 50 - Bundesstaat 50 Roselle 11 Rottenburg-Stuttgart - Bistum 155 Ruanda 10, 16, 111, 376, 504, 977, 979, 983 -Kirche 977 f„ 979, 983 Rumänien 156, 302, 370, 372, 648 f. - griechisch-katholische Kirche in 372 Russland 195, 1167 Rzeszöw - Bistum 959 Saint-Louis 1048 Sälen to 174 Salomoninseln 878, 899, 924, 943, 945 f. - Kirche 947 Salona [Solin] - antiker Bischofssitz 143 f., 346, 351 Salzach 286 Salzburg 284-286 - Erzbistum 286, 290 Samarien 34, 137, 140, 276, 471, 781 Sambia ll,26f. San Läzaro -Wallfahrtsort 14,226 Sandomierz - Bistum 968 Sankt Pölten 88, 295, 316 - Bistum 296 f. Santa Clara (Kuba) 13, 202 f., 206, 247, 915 Santa Giusta 11 Santiago de Chile 46 Santiago de Compostela 43, 440, 474, 864 Santiago de Cuba 14,220,221,247 Santo Domingo 784 Santo Nino di Cebu 1184 Sarajevo 351,373 Schilo, Heiligtum 850 Schweiz 56, 145, 152 Seoul 323 Sevilla 999-1001 Sibirien 499 1348 REGISTER Siedlce - Bistum 968 Siena 467 Sierra Leone 30,251 Simbabwe 984-988 - Kirche in 985 Sinai 1175 - Berg 85, 587 Slawische Länder 1180 Slowakei 989 f„ 993 - Kirche der 992 Slowakische Republik 989 Solin 142,353 Solsona 994 Somalia 369 Sosnowiec - Bistum 959 Sowjetunion 1237 Spalato siehe: Split Spanien 10,27,65,519,804,864, 876, 994 f„ 998-1000,1002 f„ 1167, 1171, 1180 Speyer - Bistum 766 Split (Spalato) 142-144, 341, 351, 353 Split-Makarska - Kirchenprovinz 351,353 Spoleto 193 Steiermark 83 Stettin-Kamien (Szczecin-Kamien) - Erzbistum 953 Stinatz 99 Straßburg 1237 Strücklingen 123 Subiaco 654, 655 Sudan 111,369,375 Süd-Dakota 1041 Südkorea 111,1167 Südtirol 56 Syrien 1181 Taipeh 1165 Taiwan 26 Tansania 26, 111 Tamöw - Bistum 369, 959 Tarragona 994 Texas 1053 Thailand 784, 1167 Thebäis 1181 Thessalonike 22, 94 Tiberias, See 158 Tibet 521 Tibhirine 447 Toledo 473 Toronto 11 Tortosa 994 Tours 1182 Treviso -Bistum 319 Trient 147, 536, 663, 805 f„ 1083, 1087,1248 Trier 135 Troas 574 Tronto 11 Tschechische Republik 304, 1005, 1008 Tschechoslowakei 1005 Tschenstochau (Czestochowa) 43, 440, 474,813,959, 1182, 1200 Tschernobyl 321 Türkei 1171 Turin 272,278-281 1349 REGISTER Ukraine 1237 Umbrien 4, 193, 195, 197, 199 Ungarn 286, 1167 Untersiggen thal 107 Ural 285 Urgell 994 Utah 1070 Uvira - Bistum in der Demokratischen Republik Congo 124 Valencia 999 f. Valparaiso 11 Vatikan 200, 388,415,448, 850, 860, 975, 989 - Vatikanischer Hügel 774 - Vatikanstadt 635 Venezuela 50 Vercelli 272-274 - Kirche von 273 Verona 803 Vic 994 Vietnam 374,499,784 Viterbo 651 Waldshut 882 Wanhsfen 499, 523 Warschau (Warszawa) 648, 773, 968, 971 Warschau-Praga (Warszawa-Praga) - Bistum 968 Washington 1019 Weißrussland 321, 1167 Westen 23, 649, 746, 753, 1034, 1179, 1180, 1182 f. Westsepik 944 Wien 11, 87, 88. 286, 291 f„ 299, 301, 303 f., 315 f. - Erzbistum 27, 56, 302 Wilpoldsried 114 Wloclawek (Leslau) - Bistum 953 Worms 286 Wroclaw (Breslau) 953, 955, 969, 1234 - Erzbistum 766, 955, 960 Wyoming 1070 Zagreb 142-144,331,334,337-341, 886 Zaire 124,1126 Zamosc-Lubaczöw - Bistum 959 Zentralasien 521 Zielona Göra-Gorzow (Grünberg-Landsberg) - Bistum 953 Zyrene 709 1350 REGISTER Zitierte Bibelstellen Altes Testament Das Buch Genesis u 567 1,2 66 1,10.12 567 1,26 491, 809 1,27 203, 491 1,28 203 1,31 569, 572 2,2 568 2,2-3 318 2,3 567, 570, 597 2,7 99, 149 2,17 673 2,24 205 3,14 874 25,8 819 25,9 312 Das Buch Exodus 3,4 456 3,14 456 19,6 296, 513 20,8 571,598 20,11 571 Das Buch Levitikus 19,2 471 25,23 857 Das Buch Numeri 6,24-26 368 Das Buch Deuteronomium 5,12-15 599 5,15 571 6,6-7 202 30,11-14 669 Das erste Buch Samuel 16,13 67 Das zweite Buch Samuel 7,14 461 Das erste Buch der Könige 19,11-13b 122 Das Buch Nehemia 8,9 229 Das Buch Ijob 19,25-26 227 f. 34,14-15 73 Die Psalmen 1,2 f. 883 2,7 605 14,1 671 16,11 669 23,1 285 23,4 287 23,5 288 23 [24],7 400 24,1-2 793 24,3 794 26,8-9 1225 29,11 251 33,6 67,73 33,12 220 34,3 796 34,4 257 34,18 799 34,19 799 36[35], 10 468 45[46],2-3 195 50[51],3-6.11 436 50[51],6 437 50[51], 11 437 50[51], 11.19 437 50[51],12 436 51,13 68 66,1-2 520 84,2-3 884 96,2.3 263 104,30 67 117[118],22 500 117[118],24 500, 559 118,1 885 118,20 851 118,22 494 118,23 655, 984 118,24 562 119,9 213 1351 REGISTER 121,2 238 122,6 627 122,6.8 626 127,1 1077 128,1.3.4 206 130,5 825 133,1 234, 884 139,17-18 671 145[144],10 519 Das Buch der Sprichwörter 1,7 672 4,5 672 10,27 819 16,9 670 19,17 434 20,24 672 25,2 671 Das Buch der Weisheit 1,7 133,167 7,17.19-20 672 11,23 404 11,26 314, 403 13,5 672 Das Buch Jesus Sirach 1,1 371 3,12-15 820 6,34 819 8,9 819 14,20-27 670 15,14 126 35,16 799 35,20 799 Das Buch Jesaja 5,26 1185 9,1-2 187 11,2 425, 470 11,2-3 67, 479 30,28 68 32,15-17 365 32,15-18 118 42,10 878 52,7 246 53,4 310 53,6 437 53,10 17 58,6-8 242 60,1 368, 370 60,3 369 61,1 78 61,6 323 63,10.11 68 Das Buch Jeremia 3,25 855 31,33 85 31,34 87 Das Buch Ezechiel 2,1-2 93 11,5 67 32,15-18 118 34,15-16 429 36,26-27 86 37,9 825 37,10 73, 150 37,11 825 37,12.14 628 37,12-14 154 Da s Buch Daniel 7,9-22 818 7,14 17 Da.v Buch Hosea 2,16 433 2,20-22 570 Da.? Buch Joel 2,12-13 436 3,1 93 Das Buch Amos 8,11 585 Das Buch Sacharja 7,12 67 Neues Testament Das Evangelium nach Matthäus 1,18 150 1,20 73,74 1,21 16 2,2 368 1352 REGISTER 4,1 77 1,22 78, 94 4,4 214 1,27 78 4,18-19 636 1,9-11 u. Parr. 76 4,19 1027 2,27 599 4,23 636 2,28 599 5,3 435 3,14 296 5,3-10 156 3,35 262 5,9 251,626 6,31 1005 5,16 400, 1044 8,34 464 5,23-24 589 9,23 38 5,38-39 1227 10,6-9 328 5,44-45 25 10,17 215 6,25 832 10,21 207 8,10 38 10,44 424 8,16 226 10,45 17, 887, 1144 9,6 831 10,52 38 9,38 975 12,24 154 11,27 893 12,27 154 11,28 411 13,8 55 12,28 78 13,9.11 u. Parr. 146 15,28 38 13,26-27 55 16,3-4 136 14,36 78 16,13-15 638 16,2 563 16,15 26, 37 16,2.9 573 16,16 26, 37, 299, 638, 1024 16,15 562, 1019 16,17 16,17-19 37 638 16,16 43 16,18 427, 469 Das Evangelium nach Lukas 16,24-25 466 1,28 874, 1094 16,25 925 1,31 16 19,16 1053 1,32-33 842 20,12 1052 1,35 73 20,28 17, 1144 1,38 59, 179, 310 24,14 55 1,42 59 24,42.44 863 1,45 62, 212, 221, 646 25,35 757 1,46.49 1070 25,36 225 1,46-47 370 25,40 315, 864, 966 1,50 121,611 26,26-28 48 2,6 857 26,39 229 2,7 884 26,41 1152 2,10-11 888, 892 26,64 55 2,22 398 27,40 137 2,27 180 28,19 43,131 2,29-32 398 28,19-20 57, 477 2,32 180, 398,578 28,20 469, 562, 579, 865, 1075 2,34.35 2,49 180. 399 62 Das Evangelium nach Markus 2,52 189 1,11 44 3,3 77 1,15 854 3,16 70 1353 REGISTER 3,21-22 78 1,14.12 3,22 7, 70, 384 1,16 4,1 70, 433 1,29 4,14 70 1,32 4,14.15 78 1,39 4,16-30 78 1,42 4,18 14,23,70,93,230 f., 2,3 295, 485 f„ 511 2,4 4,18-19 485, 604 2,5 4,21 485 2,19 7,19 880 3,3 9,18 299 3,5 9,20 299 3,5-6 9,23 227, 300 3,8 10,2 265 3,14-16 10,7 1127 3,16 10,21 78, 795 10,22 794 3,34 12,21 856 4,10.13-14 12,49 561,617 4,14 12,50 44 4,23 15,11-32 862 4,24 15,18-19 256 5,17 17,6 351 5,25 17,10 349 5,25-26 18,8 778 5,27 18,14 798 f. 5,28-29 19,38 473 6,27 19,40 473 6,40 21,36 1149 6,48.51.54 22,27 487 6,51 22,31-32 778 6,54 22,52-53 9 6,68-69 23,34 857 7,6 23,42 841 f„ 844 7,30 23,43 842 7,37-39 23,46 500 8,11 24,1 573 8,12 24,32 468 8,31-32 24,49 71 8,32 24,51 275 8,33 24,5-6 502 8,34 8,36 Das Evangelium nach Johannes 8,46 1,3 430, 566 10,7 1,5 368 10,10 1,9 129, 133, 172,337,417 1,11 368 10,11 1,13 75 10,17-18 1,14 78, 405 11,22 366 845 44 76 459, 737 459 62 8, 63 36, 63 474 86 55 45 18, 129, 468 185 83, 153, 187,282,461 f„ 489, 864, 1146 78, 665 150 151 8 768 568 54 8 56 154 146 154, 401 625 623, 625 625 623, 1028 469 9 150 42 150 126, 231, 1037 668 24 24 24 44 851 54, 151,314,451,496, 498, 520, 826 60, 289 126 226 1354 REGISTER 11,25 150, 154 f. 11,27 226 11,52 580 12,24 338 12,25 338 12,26 340 12,27 8 12,28 340 f. 12,31 169 12,32 9,465 12,35 469 13,1 9, 47, 83, 478,487 13,13-14 487 13,34 24, 84, 487,518, 757 13,35 518 14,1 37,89 14,1 f. 315 14,2 278,477 14,6 113, 150, 184, 506, 658, 829, 881,904, 947,1022, 1227 14,9-10 184 14,16 612 14,20 185 14,23 1013 14,26 87,612, 1013 14,27 604 15,4 1147 15,5 962 15,10-12 602 15,12 24, 69, 522 15,12-13 127 15,13-15 207 15,16 521,524, 1030 15,17 522 15,26 185 15,26 f. 72 16,7 85 16,7 f. 72 16,8 100 16,11 169 16,13 50, 137, 185,468,528 16,13-14 72 16,15 163 16,20 596 16,25 9 16,28 184 17 105 17,3 153 17,11.21 421 17,16 1015 17,20-22 123 17,21 235, 632, 636, 887, 923 18,33 842 18,36 842 18,37 842 19,25-27 824 19,26 59,181 19,26-28 181 19,27 60, 826 19,30 478, 825 19,37 465 20,1 573 20,17 469 20,20 596 20,21 5 20,21-23 439, 637 20,22 6, 53, 82, 85,477 20,22-23 99, 578, 638 20,23 469 20,25 213,497 20,27 497,578 20,28 103,468,497, 579 20,29 62, 497, 581 21,13 158 21,16 885 21,17 778 Die Apostelgeschichte 1,3 33,272 1,6 33 1,7 33 1,8 34 f„ 142, 144, 147, 346, 471,708,781,967 1,11 279 1,14 57,95, 181,614 1,15 97 1,21-22 524 2,1 95 2,2-3 578 2,2-4 558 2,4 71 2,7-11 709 2,11 93 2,14 95,535 2,17 71,559 2,22-24 559 2,38 43, 140 2,41 97, 574 2,42 580 2,44-45 103 1355 REGISTER 4,12 17, 1013 8,19 185 4,13 94 8,19-21 160 5,29 302 8,19-23 119 6,1-6 1086 8,21 1071 6,3 105 8,22 185,406, 572, 606 8,35 1020 8,22-24 648 10,19 512 8,23 71,492 10,38 77,139, 747 8,26 185,455 10,40-41 158 8,29 163 11,23 108 8,32 82 13,1 108 8,39 18, 162, 207 13,2 512 10,15 305 13,27 575 12,1 227 13,32 f. 82 12,2 1057 14,22 517 12,6 347 15,2 535 12,8-21 215 15,6 105 12,11-13 1110 15,28 105,535 12,21 213 17,18 683 14,17 364 17,22-23 675 15,13 162 17,23 682 15,27 777 17,26-27 675 17,32 158 Der erste Brief an die Korinther 19,6 140 1,4-5 1075 1,20 674 Der Brief an die Römer 1,22-23 136 1,4 99,477 1,24 337, 1052 1,7 1014 1,27-28 674 1,8 654 2,10 137 1,9-10 1035 2,11-12 136 3,23-24 17 3,7 482, 905 3,28 38 3,9 945 4,18 162, 406,441 3,10-11 246 5,3-5 1214 3,11 460 5,5 75,162 3,17 98 5,10 850 3,22-23 119 5,20 855 4,1 310 6,3-4 44 8,1 828 6,22 469 9,14 1127 8,1 18 9,16 886, 960 8,2 29, 86, 151, 235,295,511 10,17 580 8,9.14 613 11,20-22 603 8,11 99, 150, 157, 492 11,23 488 8,13 613 11,24 488 8,14 613 11,25 488 8,14.16 479 12,4 108,296,512 8,14-17 1249 12,4-6 558 8,15 78,572 12,7 472 8,15-16 613 12,8-10 109 8,16-17 163 12,11 109, 559 1356 REGISTER 12,12-27 109 4,4 58, 822 12,13 51,71,229 4,4-7 366, 893, 1249 12,26 407 4,6 151,405,572 12,27 229 4,26 1097 13,4.5.7 212 5,6 38 13,12 658 5,22 421 13,13 313 5,25 71, 151 15,20 567 6,10 106 15,24.28 567,587 6,15 100 15,28 185 15,36-37.42-44.53 159 Der Brief an die Epheser 15,44 159 1,3 742 15,45 71, 159, 163 1,3-4 873 16,2 602 1,10 113,597 16,13-14 209 1,11 56 16,22 610 1,14 154, 175,492 16,23-24 989 1,3-5.9-10 845 2,13-14 708 Der zweite Brief an die Korinther 2,14.16 24 1,3 341 2,19 260,708, 849 1,5 338 3,8 307 1,6 425 3,19 137 1,21-22 146 4,4 164 1,24 304 4,4-6 51,848 2,15 140, 148 4,5 242 3,3 289 4,12 1143 3,12 94 4,13 851 4,1-2 1131 4,15 881 4,2 661 4,15-16 1043 4,14 501 4,24 100, 491,864 5,14 876, 946 6,23 865 5,17 1246 5,18 24, 246, 265 Der Brief an die Philipper 5,19 255, 258 1,2 984 5,19-20 256 1,3-6 467 5,20 256 1,3-7 773 5,21 437 1,3-10 917 8,9 757 1,7 467 9,7 810 1,18 742 9,7-11 810 2,6-8 405 9,14-15 811 2,7 1086, 1145 12,9 229, 1001 2,7-8 434 12,10 674, 945 2,8 474,489 f„ 1071, 1123, 1145 13,13 615 2,9 474, 491 2,11 491, 574 Der Brief an die Galater 3,12 235 1,4 82 3,20 824 2,20 83, 1030 3,20-21 157 3,27 45 3,21 409 3,28 51,104 4,13 226 1357 REGISTER Der Brief an die Kolosser 1,13-14 843 1,15 185, 576 1,15-17 843 1,16 567 1,16-17 337 1,18 185,576 1,18-20 844 1,24 853 2,8 684 2,12 576 3,1 115, 175 3,1-2 272 3,11 1042 Der erste Brief an die Thessalonicher 1,2-3 554 1,5 94, 948 5,19 347 5,24 950 Der zweite Brief an die Thessalonicher 3,13 999 Der erste Brief an Timotheus 1,2 1048 1,5 1011, 1029 2,5-6 17 3,8-10.12-13 1102 4,10 248 Der zweite Brief an Timotheus 1,2 264, 269 1,6 1155 1,7 264 f„ 268 1,9 1030 2,3.15 942 2,24-25 1026 3,16-17 800 4,1-2 779 4,2 94, 396, 918, 942, 1010,1029 4,3 800 4,7 350 4,7-8 821 4,17 350, 797, 798 4,18 639 4,7.17 326 Der Brief an Titus 2,11.13 411 3,5 385 3,6-7 163 Der Brief an die Hebräer 1,1-2 665 4,9 567 6,6 81 6,19-20 552 9,12.14 123 9,14 82,477, 969 9,24 272 9,24.26 278 10,7 101 12,11 364 12,14 1018 13,8 246, 497, 653, 760, 877 13,20 413 Der Brief des Jakobus 2,14-17 757 5,11 847 Der erste Brief des Petrus 1,3 163 1,3-4 502, 627 1,5-6 304 1,6-7 402 1,12 94 1,18-19 48 2,4-5 52 2,5 296,513, 851 2,9 904 3,15 162, 331, 553, 630, 1038 4,5 154 4,14 74 5,1 424, 454 5,1-2 428 5,2 428,1026 5,3 306 5,14 899 Der zweite Brief des Petrus 1,4 73, 100 Der erste Brief des Johannes 1,1 948 1,1-3 152 1358 REGISTER 2,4 794 2,27 87 3,1 100 3,14 151 3,16 127 3,18 831 4,8 168,794 4,9 74 4,10 81 4,20 552 Der dritte Brief des Johannes 8 308 Die Offenbarung des Johannes 1,4 845, 863 1,5 486 1.11 496 1,17-19 497 1,18 845 2,7 969 2,11 1069 2,26.28 455 5,9 580, 832 7,14 156, 493, 857 7,17 944 12,1 647 12,2 647 12,3 647 14,13 501 19,8 853 19,9 584 21,2 518,584 21,6 18 22,17 510,512,610 22,17.20 177 22,20 279, 746 1359 Abkürzungen AAS Acta Apostolicae Sedis, Rom BKV Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München CCEO Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium CIC Codex Juris Canonici (Codex des kanonischen Rechts) D.A.S. Der Apostolische Stuhl DH Denzinger, Heinrich - Schönmetzer, Adolf: Enchiridion sym- bolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. -Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen (lat./dt.); hrsg. v. Peter Hünermann. Freiburg/Brsg. 1991 DS Denzinger, Heinrich - Schönmetzer, Adolf: Enchiridion sym- bolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Freiburg/Brsg. LEV Libreria Editrice Vaticana OR dt. L'Osservatore Romano, deutsche Ausgabe